Plenarprotokoll 14/138

Deutscher

Stenographischer Bericht

138. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- Ulrike Flach F.D.P...... 13476 C neten Dr. ...... 13463 A Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 13478 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13481 A Tagesordnungspunkt III (Fortsetzung): Ulrike Flach F.D.P ...... 13481 D a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Jörg Tauss SPD ...... 13482 C Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksa- Haushaltsgesetz 2001 chen 14/4000, 14/4302) ...... 13459 A (Drucksachen 14/4522, 14/4523) ...... 13486 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Tagesordnungspunkt IV: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 Dritte Beratung des von der Bundesregierung (Drucksachen 14/4001, 14/4301, eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über 14/4524) ...... 13459 A die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) Einzelplan 30 (Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis 14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523) ...... 13486 D Bundesministerium für Bildung und Forschung (Drucksachen 14/4518, Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU ...... 13487 A 14/521) ...... 13459 B Joachim Poß SPD ...... 13490 A Steffen Kampeter CDU/CSU ...... 13459 C Dr. Günter Rexrodt F.D.P...... 13494 A Siegrun Klemmer SPD ...... 13463 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE Steffen Kampeter CDU/CSU ...... 13465 D GRÜNEN ...... 13496 B Ulrike Flach F.D.P...... 13466 B Dr. PDS ...... 13499 B Dr. Ilja Seifert PDS ...... 13468 A Hans Jochen Henke CDU/CSU ...... 13500 D BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 13469 B Hans Eichel, Bundesminister BMF ...... 13502 C Maritta Böttcher PDS ...... 13471 D Dr. Bernd Protzner CDU/CSU ...... 13505 D , Bundesministerin BMBF 13473 C Namentliche Abstimmungen 13506 D, 13507 C, 13510 A Werner Lensing CDU/CSU ...... 13474 A Ergebnisse ...... 13507 D, 13510 C, 13514 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Tagesordnungspunkt V: Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 13527 A Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines F.D.P...... 13527 D Gesetzes zur Neuregelung der sozialversiche- Dr. Evelyn Kenzler PDS ...... 13528 D rungsrechtlichen Behandlung von einmalig ge- zahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neu- Joachim Stünker SPD ...... 13529 C regelungsgesetz) (Drucksachen 14/4371, Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 13531 B 14/4409, 14/4743, 14/4803) ...... 13512 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD ...... 13531 C , Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 13513 A Joachim Stünker SPD ...... 13531 D Heinz Schemken CDU/CSU ...... 13516 B Nächste Sitzung ...... 13532 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...... 13518 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE Anlage 1 GRÜNEN ...... 13519 A Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13533 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P...... 13519 D Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 13520 D Anlage 2 Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P...... 13520 D Erklärung der Abgeordneten Heidi Knake- Pia Maier PDS ...... 13521 A Werner (PDS) zur Abstimmung über den Än- Franz Thönnes SPD ...... 13521 D derungsantrag der Fraktion der F.D.P. zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- Tagesordnungspunkt VI: gesetzes 2001 (Drucksache 14/4829) und Erste Beratung des von der Bundesregierung zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur setzes über die Feststellung des Bundes- Reform des Zivilprozesses (Drucksache haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 14/4722) ...... 13522 D (Drucksachen 14/4522 und 14/4523) ...... 13533 D Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ...... 13523 A Anlage 3 Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 13524 B Amtliche Mitteilungen ...... 13534 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13459

(A) (C)

138. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsidentin : Liebe Kolleginnen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die und Kollegen, guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet. Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wir setzen die Haushaltsberatungen fort: Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen III. a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung Steffen Kampeter das Wort. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 Steffen Kampeter (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Themen (Haushaltsgesetz 2001) der Bildungs- und Forschungspolitik gehören zu den – Drucksachen 14/4000, 14/4302 – spannendsten, die wir in Deutschland am Anfang des (Erste Beratung 119. Sitzung) 21. Jahrhunderts hier im Parlament diskutieren können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei (B) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (D) richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Abgeordneten der F.D.P.) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Noch nie hat sich Wissen in unserer Gesellschaft so schnell angesammelt; noch nie ist Veränderung so rasch Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 vonstatten gegangen. Bildung ist der Schlüssel für die in- – Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524 – dividuellen Lebenschancen und der Motor für die gesell- schaftliche Entwicklung. Deshalb meint die CDU/CSU- Berichterstattung: Abgeordnete Fraktion, dass Bildungs- und Forschungspolitik heute im Hans Georg Wagner Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen müssen. Oswald Metzger Ich hoffe, dass diese Debatte dazu einen Beitrag leistet. Dr. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sicher!) Dr. Christa Luft Es gibt in Deutschland einen weitgehenden gesell- Ich rufe auf: schaftlichen und politischen Konsens darüber, dass die gegenwärtigen Herausforderungen des globalen Wandels III. 23 Einzelplan 30 neue Anstrengungen im Bildungsbereich nötig machen. Bundesministerium für Bildung und For- Das Leitbild der CDU/CSU ist dabei die lernende Gesell- schung schaft. – Drucksachen 14/4518, 14/4521 – Wir bejahen das Leistungsprinzip und setzen uns für Berichterstattung: Chancengerechtigkeit ein. Wir wollen eine Gesellschaft, Abgeordnete Steffen Kampeter in der sich jeder nach seinen Begabungen und Talenten Siegrun Klemmer optimal entfalten kann. Dafür brauchen wir ein zukunfts- Matthias Berninger orientiertes Bildungssystem, eine leistungsfähige For- Dr. Günter Rexrodt schungslandschaft, Offenheit für neue Technologien, ein Dr. Christa Luft intaktes Hochschulwesen und eine umfassende Zukunfts- Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der orientierung unserer beruflichen Bildung. CDU/CSU, fünf Änderungsanträge der Fraktion der F.D.P. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und fünf Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor. Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag einge- Wenn wir heute über Bildung sprechen, reden wir nicht bracht, über den wir später abstimmen werden. über technokratische Konzepte. Wir Christdemokraten 13460 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Steffen Kampeter (A) sind davon überzeugt, dass Bildung nicht nur eine Sache der Initiativen von Rüttgers hinausgeht, ausgesprochen (C) des Kopfes, sondern auch eine Sache des Herzens ist. kritisch. Auf den Feldern, auf denen Sie erfolgreich sind, Deswegen sagen wir: Bildung geht nicht ohne Erziehung setzen Sie unsere Politik fort; bei all dem, was Sie neu an- und Erziehung geht nicht ohne Werte. Eine gute Werte- packen, bringen Sie viel Unfertiges, Ungares und vor al- erziehung ist die beste Vorsorge gegen Extremismus und len Dingen selten politisch Erfolgreiches hervor. Gewalt in diesem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Bundesbildungsministerin ist nicht präsent in der Über all diese Fragen würden wir gerne mit der Regie- öffentlichen Bildungsdebatte, die Bundesforschungsmi- rung diskutieren und nach dem besten Weg für Deutsch- nisterin ist nicht präsent in der öffentlichen Bioethik-De- land suchen. Wichtig ist vor allen Dingen, dass etwas pas- batte. Das Schlimmste: Wie alle Umfragen zeigen, kennt siert. Aber in der vor wenigen Tagen unter der kaum jemand in Deutschland die Bildungs- und For- Überschrift: „Zwei zu null für Bildung und Forschung“ schungsministerin. vorgelegten Halbzeitbilanz von Ministerin Bulmahn (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie heißt sehe ich – das ist enttäuschend – wenig Substanz für ei- sie denn?) nen Dialog mit dieser Regierung. Das Thema Bildung und Forschung hat in Deutschland ei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg nen großen Stellenwert; aber die Ministerin ist ganz un- Tauss [SPD]: Reden Sie jetzt von sich oder von ten – ein schlimmer Befund für diese Regierung. wem? Von welcher Substanz redet er?) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Nach Ihrer Selbsteinschätzung mögen Sie vielleicht Abgeordneten der F.D.P.) zwei zu null führen, Frau Bundesministerin; allerdings haben Sie den politischen Bereich Bildung und Forschung Dass das nicht nur innerhalb der CDU/CSU-Bundes- ins Abseits geführt und es ist beim Fußball nun einmal so, tagsfraktion so gesehen wird, zeigt das publizistische dass die aus dem Abseits erzielten Tore nicht zählen. Echo auf Ihre Halbzeitbilanz, die durchweg negativ aus- fällt: „Bildungspolitik ohne Profil“, so texteten die „VDI (Beifall bei der CDU/CSU) Nachrichten“, „Viel Unfertiges und keinerlei Aufbruch- Die Erfolgsbilanz hat ein einfaches Strickmuster: Bis stimmung“ die „Frankfurter Rundschau“ – nicht gerade zum Regierungswechsel war alles mies; mit Rot-Grün verdächtig, der CDU besonders nahe zu stehen – und die kam dann strahlendes Licht in Bildung und Forschung. „Wirtschafts Woche“ resümiert über Ihre Politik: „Ideen – Mangelware“. Als Zusammenfassung dieses Bildes über (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des die Arbeit der Bundesregierung im Bereich Bildung und (B) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Forschung kann festgehalten werden: keine neuen Ideen, (D) Aber welche Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion viele Ankündigungen, aber keine Ergebnisse. – mit Ausnahme weniger Versprengter – glauben eigent- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) lich noch, dass Bildung und Forschung in Deutschland Chefsache sind oder gar ein Herzensanliegen der rot-grü- Rot-Grün hat im Wahlkampf die Verdoppelung der Bil- nen Regierung? dungs- und Forschungsausgaben versprochen. Ich will deutlich sagen, dass wir keine Totalopposition (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu Ihrer Politik machen. Die Teilbereiche Ihrer Politik, die NEN]: Wir haben das auch eingehalten!) die erfolgreiche Arbeit der Regierung Kohl und die Poli- Die Bundesbildungsministerin ist bei der Umsetzung die- tik von Jürgen Rüttgers fortsetzen, stoßen in unserer Frak- ses Versprechens eingeknickt. Sie haben wesentliche tion auf Zustimmung: Bio-Regio und Inno-Regio – Initia- Kompetenzen in der Technologieförderung an das Wirt- tive Rüttgers; Schulen ans Netz – Initiative Rüttgers; schaftsministerium abgegeben und so an politischer Be- Meister-BAföG – Initiative Rüttgers; Lehrstellengaran- deutung verloren. Angekündigt war eine Novelle zum tie – Initiative Rüttgers; Wettbewerb zwischen For- Meister-BAföG – bis heute umgesetzt: nichts; angekün- schungseinrichtungen – Initiative Rüttgers; Internationa- digt war ein Verbot von Studiengebühren in Deutsch- lisierung des Hochschulwesens – Initiative Rüttgers; land – umgesetzt: nichts; angekündigt war eine Umlage Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – auch für nicht ausbildungsbereite Unternehmen – umgesetzt: eine Idee der von Kohl geführten Regierung. Auf diesen nichts; angekündigt war eine Dienstrechtsreform – umge- Feldern haben Sie unsere Unterstützung. setzt: nichts; angekündigt waren Laptops für alle Schüle- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – rinnen und Schüler – umgesetzt: nichts. Die Liste Ihrer Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Misserfolge ist so lang, dass man keinesfalls den Eindruck Rückgang der Mittel – Initiative Rüttgers!) gewinnen kann, als hätten Bildung und Forschung in Ih- rer Regierung eine hohe Priorität. Die Behauptungen, vor dem Regierungswechsel sei al- les anders bzw. schlechter gewesen und jetzt sei alles bes- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zu- ruf von der SPD: Davon können Sie doch nur ser geworden, sind schlicht und ergreifend falsch. Solche träumen!) Behauptungen entstammen dem politischen Phanta- sialand. Sie haben keine wesentlich neuen Ideen in den Dies wird auch deutlich, wenn man sich die Zahlen des Bildungs- und Forschungsbereich eingebracht und des- Haushalts einmal ansieht. Beispielsweise wurde behaup- wegen beurteilen wir Ihre Politik, die über die Fortsetzung tet, auf der Projektförderung liege ein besonderer Schwer- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13461

Steffen Kampeter (A) punkt. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die not- (C) Bundesministerin muss Geldmittel in einer Größenord- wendigen Investitionen im Hochschulbereich von uns nung von knapp einer viertel Milliarde DM am Jahres- ausreichend unterstützt werden. In den Haushaltsberatun- ende bei Herrn Eichel abgeben. Dieses Geld muss vor al- gen haben wir deswegen eine Aufstockung der Investiti- lem bei der Projektförderung eingespart werden und so onsmittel im Hochschulbereich um rund 200 Milli- entlarvt sich Frau Bulmahn als reine Ankündigungsminis- onen DM beantragt. Dies haben Sie abgelehnt und damit terin. Eine solche Politik kann nicht unsere Zustimmung deutlich gemacht, dass Ihnen die politische Unterstützung finden. des Hochschulbaus nicht am Herzen liegt. Mit der Fortführung der Bio-Regio-Initiative und der Auch beim BAföG sieht es ausgesprochen schlimm nur teilweisen Übernahme des Unionsvorschlags für eine aus. Seit Jahren kündigen Sie die große Trendwende bei Genom-Initiative haben Sie auch in diesem Bereich nur der Schüler- und Studentenförderung an. Die Trend- politisches Stückwerk geliefert. Für eine seriöse und wende, die Sie angekündigt haben, ist Ihnen keinesfalls nachhaltige Arbeit auf diesem Feld hat die Deutsche For- gelungen. Selbst die 20. BAföG-Novelle führt nicht zu schungsgemeinschaft einen Finanzbedarf von fünf mal den erwarteten Mehrausgaben und einer Verbesserung der 200 Millionen DM – also rund 1 Milliarde DM – für er- Situation der Studierenden und Schüler. Die Struktur- forderlich gehalten. Sie dagegen haben gerade einmal drei reform, also die große BAföG-Reform, ist auf die nächste mal 100 Millionen DM in Ihren Haushalt eingestellt. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass Sie auch auf dem wich- Legislaturperiode verschoben worden, wird also von ei- tigen Feld der Genomforschung nur politisches Stück- ner CDU-geführten Bundesregierung durchgesetzt wer- werk liefern. Sie verschwenden wichtige Zukunftschan- den. cen für unser Land und das wird von uns kritisiert. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster (Beifall bei der CDU/CSU) [SPD]: Da pfeift aber einer im Wald! Vor Weih- nachten darf man auch mal Träume haben! – Einer der größten politischen Misserfolge dieser Re- Weiterer Zuruf von der SPD: Aber der Weih- gierung der letzten Monate war die Verteilung der Gelder nachtsmann war doch noch gar nicht da!) aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Offensicht- lich unabgestimmt und ohne jede politische Rücken- Die Koalition macht beim BAföG genau das Gegenteil deckung bei Koalition und Fraktion hatte das Bildungs- von dem, was Sie ankündigen. Sie nimmt Ihnen bei der ministerium den Bundesländern angekündigt, dass aus den Schüler- und Studentenförderung im nächsten Jahr Zinseinsparungen infolge der Versteigerung der UMTS- 45 Millionen DM weg, weil Sie die Mittel, die nach Ihren Lizenzen fünf Jahre lang pro Jahr 1,2 Milliarden DM zu- eigenen Bekundungen ausgesprochen gering sind, über- (B) sätzlich in Bildung und Forschung fließen würden, also haupt nicht ausgeben können. BAföG hat keine politische (D) eine Gesamtsumme von 6 Milliarden DM. Priorität. Wenn ich in diesen Tagen die Zeitungen lesen, Nach dieser nassforschen Ankündigung haben Sie sich, stelle ich auch fest: Diese Koalition hat für die Stu- Frau Ministerin, relativ rasch in der Wirklichkeit wieder- dentenförderung nicht einmal ein gemeinsames Konzept. gefunden. Aus den angekündigten 6 Milliarden DM wur- Auch hier: Fehlanzeige und keine Priorität für Bildung de nichts. Sie wurden mit drei mal 600 Millionen DM und Forschung. abgespeist. Wir mussten sogar die Haushaltsberatungen Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein glückliches für einige Wochen unterbrechen, damit Sie noch um poli- Händchen hat die Regierung auch bei der Neuordnung der tische Unterstützung für Ihr Vorhaben werben konnten. deutschen Forschungslandschaft. Das abschreckendste Dies zeigt, wie wenig Unterstützung Sie tatsächlich in der Beispiel ist die Zusammenführung von Fraunhofer-Ge- Regierung und der Koalition haben. sellschaft und der Gesellschaft für Mathematik und Da- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tenverarbeitung. Was als ein gut gemeintes Projekt be- gann, ist durch Ihre wenig professionelle politische Die Deutsche Bahn bekommt für ihre Modernisie- Begleitung von einer Heirat zwischen Gleichberechtigten rungsinvestitionen jedes Jahr 9 Milliarden DM vom Steu- zu einer Zwangsfusion mit sehr viel Unruhe für alle Betei- erzahler. Es ist Ihnen nicht gelungen, entsprechend ver- ligten geworden. Auch war es Ihnen in diesem Zusam- gleichbare Größenordnungen für Bildung und Forschung zu mobilisieren. Deshalb verwundert es auch nicht, dass menhang wichtiger, vor mehr als einem Jahr die Fusion zu die linke „tageszeitung“ am 10. August 1999 zu Ihrer Per- verkünden, als sich darum zu kümmern, dass sie auch son gefragt hat: „Visionärin oder Quatschtante?“ Ich tatsächlich stattfindet. Dieses Verfahren rächt sich jetzt. stelle fest: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Sie als Der Scherbenhaufen, der von Ihnen hinterlassen wird, Visionärin hier noch nicht erlebt. muss von anderen abgearbeitet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein wichti- Ein weiteres Thema: In Sonntagsreden wird von der ger Punkt bei Bildung und Forschung ist der Hochschul- Regierung immer die Gleichstellung von beruflicher und bereich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion tritt für mehr akademischer Bildung gefordert. Ich freue mich, dass die Wettbewerb im Hochschulwesen ein. Wir können die Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufgegriffen bürokratischen Verkrustungen in diesem Bereich nicht wird, in diesem Zusammenhang die Mittel für die Begab- weiter hinnehmen. tenförderung im Handwerk aufzustocken und damit den politischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen. (Jörg Tauss [SPD]: Wie in Baden-Württem- berg!) (Beifall bei der CDU/CSU) 13462 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Steffen Kampeter (A) Unsere weitere wichtige politische Initiative, die Fort- hat, der schadet der New Economy mehr, als er ihr mit (C) entwicklung der Handwerksbildungszentren zu Kompe- Pflästerchen helfen kann. tenzzentren des Handwerks finanziell abzusichern, wurde (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- von der Koalition abgelehnt. Wir bedauern dies sehr, zu- neten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD und mal wir wissen, dass gerade das Handwerk sowohl im dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausbildungsbereich als auch bei der Schaffung von Jobs stets ein verlässlicher Partner der Politik war und Ihre Un- Wer gerade kleine und mittelständische Technologie- terstützung verdient hätte. unternehmen in der Steuerpolitik benachteiligt, der macht deutlich, dass seine Steuerpolitik innovations- und damit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) arbeitsplatzfeindlich ist. Das kann man nicht damit aus- Wenig überlegt und kaum durchdacht erscheinen der gleichen, dass man hier einmal 1 Million oder da einmal CDU/CSU die Aktivitäten der Bundesregierung im Be- ein Programm organisiert. Eine grundlegende Problemlö- sung wäre angebracht. reich von Computertechnologie und Internet. Von dem peinlichen und gebrochenen Versprechen, jedem Schüler Die Bundesministerin für Bildung und Forschung be- einen Laptop zu geben, habe ich bereits berichtet. Die absichtigt, im kommenden Jahr einen Betrag von rund Green-Card-Initiative ist bei den deutschen Technologie- 15 Milliarden DM auszugeben. Die CDU/CSU-Bundes- und Kommunikationsunternehmen gescheitert. Vier Mo- tagsfraktion bedauert es, dass der politische Nutzen trotz nate nach In-Kraft-Treten der Regelung ist der Anteil der dieses anerkannt hohen Betrags außerordentlich gering mit Green Card Beschäftigten sehr gering. Beispielsweise ist. Noch nie wurde im Bereich Bildung und Forschung sind von den 200 000 Mitarbeitern des Unternehmens Te- mit so viel Geld so wenig erreicht. lekom gerade einmal 20 über eine Green Card beschäftigt. (Beifall bei der CDU/CSU) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie viel?) Wir halten die Schwerpunkte für falsch gesetzt und die – 20 von 200 000, Herr Kollege! – Sprachprobleme wer- Politik für verfehlt. Die Amtsinhaberin hat abgewirt- schaftet. den als Haupthindernis für die Einstellung genannt. Hätte man nicht vorher wissen können, dass Ausländer nicht Unsere Anträge zu Bildung und Forschung mit einem perfekt Deutsch sprechen? Hätte man nicht eine sinnvolle Volumen von etwa 1 Milliarde DM – Schwerpunktberei- Regelung schaffen können, durch die auch anderen Be- che sind Projektförderung, Hochschulbau und Genom- reichen Rechnung getragen worden wäre? initiative – wurden abgelehnt. Die Ausrichtung Ihrer Po- litik insgesamt und die falsche Struktur dieses Haushalts Ich stelle fest: Für uns ist der Wettbewerb um die bes- lassen uns daher zu dem Schluss kommen, diesen Etat ab- (B) ten Köpfe nicht in erster Linie ein Problem des Auslän- zulehnen. Wir tun das mit großer Überzeugung. (D) derrechts. Entscheidend, sozusagen der Schlüssel, ist viel- mehr die Standortattraktivität Deutschlands für alle, für Zum Abschluss meiner Rede will ich Ihnen deutlich Inländer wie für Ausländer. machen, dass wir Sie, Frau Ministerin, an einem Punkt gerne unterstützen möchten, auch wenn wir Ihre Politik Den Green-Card-Flop versucht die Bundesregierung insgesamt ablehnen: In diesen Tagen war in den Zeitun- jetzt mit Geldgeschenken auszumerzen. 15 Millionen DM gen zu lesen, dass der Stadtbaurat Berlin-Mitte dem Bun- gibt der Wirtschaftsminister unter dem Motto „Internet desministerium für Bildung und Forschung untersagt hat, für alle“ aus. Damit sollen alle gesellschaftlichen Grup- die deutsche Flagge vor seinem Haus zu hissen. Ich muss pen bürgernah und effizient – in diesem Sinne ist es zu- Ihnen sagen: Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung mindest im Haushaltsgesetz formuliert – über den Um- halte ich es für eine Schweinerei, wenn ein PDS-Stadtrat gang mit dem Internet informiert werden. Ich garantiere einer Bundesbehörde verbieten will, die Flagge des wie- Ihnen: Bevor der erste Förderantrag bewilligt ist, hat sich dervereinten Deutschlands vor ihrem Haus aufzuziehen, das Internet so verändert, dass die Beamten im Ministe- (Hans Georg Wagner [SPD]: Auch die rium schon gar nicht mehr wissen, was da läuft. Ihre Ini- europäische!) tiative ist völlig unsinnig! weil dort schon so viele andere Flaggenmasten stehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Abgeordneten der F.D.P.) Unglaublich!) Auch in anderen Bereichen ist es nicht besser: Bei- Wir sagen Ihnen in dieser Angelegenheit unsere volle Un- spielsweise ist die Einrichtung einer Notebook-Univer- terstützung zu. Wir halten die Flagge Deutschlands für ein sity im Haushalt des Forschungsministeriums mit 50 Mil- gutes Symbol des wiedervereinten Deutschlands. Dieses lionen DM etatisiert. Das ist Aktionismus ohne Plan und Land ist toll. Es wird nur zu mies regiert, und das nicht nur Verstand. Ein Konzept ist keinesfalls zu erkennen. im Bereich Bildung und Forschung. Ich glaube nicht – das will ich an dieser Stelle aus- Ich danke Ihnen. führen –, dass diese Bonbons für Technologieunterneh- men dem Standort Deutschland wesentlich helfen. Wer (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wie die rot-grüne Regierung eine Steuerreform zulasten der kleinen und mittelständischen Unternehmen und da- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Liebe Kolleginnen mit zulasten der Technologieunternehmen durchgeführt und Kollegen, der Kollege Dr. Riesenhuber feiert heute Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13463

Vizepräsidentin Anke Fuchs (A) Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des ganzen Hau- reits während der ersten Lesung angesprochen habe. Die (C) ses. UMTS-Zinsersparnisse investieren wir in vier Bereiche. (Beifall) Erstens heben wir die Zukunftsinitiative Hochschule aus der Taufe, ein Projekt, das bis zum Jahr 2003 einen Ich vermute, Herr Kollege, dass Sie dieser Debatte mit Umfang von 1 Milliarden DM haben wird. großem Interesse und an mancher Stelle mit Verwunde- rung folgen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Heiterkeit) Diese Zukunftsinitiative beinhaltet vier große Themenbe- Jetzt hat die Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Frak- reiche. tion, das Wort. Den ersten bildet das virtuelle Hochschulprojekt, das die Qualität multimedialer Lehr- und Lernformen durch Siegrun Klemmer (SPD): Sehr geehrte Frau Präsi- den verstärkten Einsatz neuer Medien substanziell ver- dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser bessert. Aufbauend auf diesen multimedialen Lehrange- lauten morgendlichen Rede des Kollegen Kampeter will boten wird es künftigen Studierenden möglich sein, ein ich mich bemühen, zu den haushaltspolitischen Realitäten komplettes Studienangebot computergestützt und über des Einzelplans 30 zurückzukehren. das Netz online wahrzunehmen. Darüber hinaus soll eine (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Notebook-University ein Onlinestudium über ein lokales DIE GRÜNEN) Verbundnetz ermöglichen. Bildung und Wissenschaft sind die beste und wich- Ein weiterer Schritt in unseren Bemühungen, Deutsch- tigste Investition in unsere Zukunft, in die Zukunft land im Bereich der Informationstechnologien in der jedes einzelnen Bürgers, in die Zukunft unserer weltweiten Spitze zu etablieren, ist die Gründung eines ganzen Gesellschaft. Instituts für Informationstechnologie GMD-IT in St. Au- Das hat Bundespräsident Johannes Rau am 14. Juli gustin. Dieses Institut wird zur wachsenden Verzahnung 2000 auf dem ersten Kongress des Forum Bildung in Ber- von Hochschulen und außeruniversitären Forschungsein- lin gesagt. Weil die Regierungskoalition mit dem Bundes- richtungen beitragen. präsidenten ausdrücklich einer Meinung ist, zählt der Ein- Den zweiten Kern der Zukunftsinitiative Hochschule zelplan Bildung und Forschung eindeutig zu den stellt das Projekt zur Aufwertung des Wissenschaftsstand- Gewinnern im Haushaltsaufstellungsverfahren für 2001. ortes Deutschland dar – Brain Gain statt Brain Drain. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was ist denn (B) Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE (D) GRÜNEN] – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: das?) Das glauben Sie ja selbst nicht!) – Herr Kollege Kampeter, wenn Sie die semantischen Gewinner ist damit auch die deutsche Hochschul- und Spielchen wiederholen wollen, die Sie peinlicherweise im Forschungslandschaft, sind die Studierenden und ist der Ausschuss getrieben haben, sage ich Ihnen: Wenn Sie das wissenschaftliche Nachwuchs. nicht verstehen, haben Sie sich vielleicht den falschen Ausschuss ausgesucht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir legen heute ei- nen Einzelplan vor, dessen Plafond sich auf nahezu (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 16 Milliarden DM beläuft. Das sind 1,38 Milliarden DM DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz bzw. 9,5 Prozent mehr als im laufenden Haushaltsjahr. [PDS]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Internationalität ist gerade im Wissenschafts- und For- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schungsbereich notwendige Voraussetzung, dabei über- haupt minimal mitzureden. Bereits im Entwurf waren zusätzlich 780 Millionen DM vorgesehen, was einem Aufwuchs von 5,3 Prozent ent- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sagt sprochen hätte. Dank den aus den UMTS-Versteige- jemand, der nicht rechnen kann!) rungserlösen resultierenden Zinsminderausgaben stehen für Bildung und Forschung im Rahmen des bis zum Jahre Diese Initiative soll die deutschen Wissenschaftseinrich- 2003 befristeten Zukunftsinvestitionsprogramms 1,8 Mil- tungen attraktiver für Spitzenforscher aus dem In- und liarden DM – das sind jährlich 600 Millionen DM mehr – Ausland machen, indem sie zum Beispiel ihre Ausstattung zur Verfügung. und ihre Mitarbeiter für Forschungsprojekte mitbringen können. Darüber hinaus soll talentierter Nachwuchs mehr Herr Kollege Kampeter, die Verwendung dieser aus Möglichkeiten zu eigenständiger Forschung haben, was den Zinsminderausgaben resultierenden Mittel ist durch- durch Ausbildungspartnerschaften zwischen in- und aus einvernehmlich zwischen dem BMBF und der Regie- ausländischen Hochschulen gefördert werden soll. Wir rungskoalition festgelegt worden. korrigieren die Fehler, die die heutige Opposition (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ während ihrer wahrlich ausreichend langen Amtszeit be- DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Aha!) gangen hat. Ich will mich heute vor allen Dingen auf die neuen Ak- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zente kaprizieren, weil ich die anderen Veränderungen be- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 13464 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Siegrun Klemmer (A) Da nützt es nichts, dass Sie sich, kaum aus der Regie- hoffen. Darum ist ein breiter gesellschaftlicher Dialog (C) rungsverantwortung entlassen, als eifrige Kreuzritter zur nötig. Es ist begrüßenswert, dass das BMBF das Jahr 2001 Rettung der deutschen Wissenschaft und Forschung ex- als Jahr der Lebenswissenschaften initiiert hat. ponieren. Sie haben Fehlentwicklungen zu verantworten und wir machen sie rückgängig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ Die dritte Initiative kommt den neuen Bundesländern CSU]: Das ist sehr einfach, Frau Kollegin!) zugute, in denen wir innovative regionale Wachstums- kerne fördern werden. Wir knüpfen hier an ein anderes Der dritte Teil betrifft die Forschungszentren an den von uns initiiertes Programm, den Inno-Regio-Wettbe- Hochschulen. Wir wollen den bisherigen Wettbewerbs- werb, an. Der Zuspruch in den neuen Ländern zu diesem nachteil deutscher Forschungszentren in einen Wettbe- Projekt war enorm. Er war derart positiv, dass es ange- werbsvorteil ändern, indem wir Forschungszentren an zeigt ist, hier entsprechend nachzulegen. besonders leistungsfähigen Hochschulen mit Anschub- finanzierung unterstützen und so die Voraussetzungen da- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) für schaffen, dass Spitzenforscherinnen und -forscher In den kommenden drei Jahren stehen je 50 Milli- demnächst wieder in unserem Land bleiben, wo sie drin- onen DM für die Erschließung von Innovationspotenzia- gend benötigt werden. len und die Etablierung von Kompetenzzentren zur Ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ fügung. Dieses Projekt ist beispielhaft für die Priorität, die DIE GRÜNEN) die neuen Bundesländer für uns besitzen. Wir tragen dazu bei, eine hochmoderne Forschungsstruktur zu etablieren, Das vierte Projekt ist ein bundesweites Netzwerk für die innerhalb Europas deutlich konkurrenzfähig ist. Patentierungen und Neugründungen. Wir schaffen so die Möglichkeit, das vorhandene wissenschaftliche Po- Beim vierten UMTS-Projekt nehmen wir uns der Be- tenzial zeitnah in ökonomischen Profit umzusetzen. rufsschulen in Deutschland an. Die Situation der Berufs- schulen ist Ihnen allen aus Ihren Wahlkreisen bekannt. Der zweite durch UMTS-Mittel geförderte Schwer- Meine Fraktion ist sich hier ihrer bundespolitischen Auf- punkt sieht die Schaffung eines nationalen Genomfor- gabe bewusst. Wir wollen nicht auf der einen Seite ein So- schungsnetzes vor. Keine andere Forschungsrichtung hat fortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und in den vergangenen Jahren eine solche Dynamik erfahren für mehr Ausbildungsplätze anschieben, ohne auf der an- wie die Genomforschung. Noch 1990 ahnte niemand, deren Seite gleichzeitig die mediale Infrastruktur der dass die Erbanlagen des Menschen bereits zehn Jahre spä- (B) ter nahezu vollständig entschlüsselt sein würden. Die Berufsschulen zu verbessern. Sobald die nötige Verwal- (D) neuen Chancen, die diese Forschung bietet, sollen zum tungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ausgear- Wohl unserer Bevölkerung aktiv nutzbar gemacht wer- beitet sein wird, stehen in den kommenden zwei Jahren den. So genannte Volks- und Erbkrankheien – Alzheimer, 255 Millionen DM für eine Modernisierung der Ausstat- Krebs, Aids, Epilepsie und Demenz – können nur durch tung bereit. ein höheres Tempo bei der Funktionsanalyse bekämpft Der wesentliche Akzent neben diesem Zukunftsinves- werden. Deshalb werden wir im kommenden Jahr titionsprogramm ist die überfällige BAföG-Reform. Herr 100 Millionen DM und weitere 250 Millionen DM für Kollege Kampeter und liebe Bildungspolitiker und Bil- 2002 und 2003 in den Einzelplan 30 einstellen. dungspolitikerinnen der Opposition, da sollten Sie nicht (Beifall bei Abgeordneten der SPD) an unserer Reform herummäkeln und lamentieren, dass das nicht genug sei, Addiert man alle Mittel, einschließlich der für die Pflan- zengenomforschung, stehen bereits im kommenden Jahr (Uta Titze-Stecher [SPD]: Mitmachen!) 244 Millionen DM für die Genomforschung in Deutsch- sondern Sie sollten sich schlicht und ergreifend vergegen- land zur Verfügung. wärtigen, wie das BAföG während Ihrer 16-jährigen Re- Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, zu erwäh- gierungszeit deformiert worden ist. nen, dass wir während der Haushaltsberatungen durchge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten setzt haben, den Anteil der Mittel für Forschungsprojekte des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrike zu ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen der Ge- Flach [F.D.P.]: Aber ihr wolltet es doch besser nomforschung und zum Diskurs mit der Öffentlichkeit machen!) von 3 auf 5 Prozent anzuheben. 1998 erhielten nur noch 340 000 Personen staatliche (Zuruf von der SPD: Sehr gut!) Ausbildungsförderung, während es Anfang der 90er-Jah- Wir sind uns gerade auf diesem relativ neuen For- re noch 605 000 waren. schungsgebiet der politischen Verantwortung bewusst, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bei uns sind die auch der Kanzler am Mittwoch dieser Woche mit sei- über 2 Milliarden DM ausgegeben worden! – nem Vorschlag einer großen parlamentarischen Debatte Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie viel zu diesem Thema aufgegriffen hat. Die gesamte Thema- Geld war das denn?) tik bewegt viele Menschen, nicht nur die, die auf Heilung warten oder auf die Vermeidung schwerster Krankheiten – Das werde ich Ihnen gleich erzählen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13465

Siegrun Klemmer (A) Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich mit dem Vor- auf 1 105 DM. Das Kindergeld wird bei der Berechnung (C) wurf des Kollegen Kampeter im gestrigen „Handelsblatt“ des Anspruchs nicht mehr auf das Einkommen angerech- aufräumen, dass eine Trendwende beim BAföG bisher net. Die Förderleistungen in den alten und in den neuen nicht zu beobachten sei. Ländern werden zehn Jahre nach der Wiedervereinigung endlich vereinheitlicht. Wir führen eine Rückzahlungs- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr gute obergrenze von 20 000 DM für die Gesamtdarlehensbe- Bemerkung!) lastung ein. Das Studium in Deutschland und in der EU Dazu will ich Ihnen auf der rechten Seite des Hauses ein- wird gleichbehandelt. mal vortragen, wie sich Ihre Mittelansätze von 1991 bis Neben dem BAföG stocken wir, wie versprochen, die 1998 entwickelt haben: 1991 waren es 2,5 Milliar- Mittel für den Hochschulbau auf. Denn die Infrastruktur den DM, 1993 2,2 Milliarden DM, 1994 2 Milliarden DM, an den deutschen Hochschulen ist von Ihnen jahrelang 1995 1,8 Milliarden DM und 1997 1,5 Milliarden DM. sträflich vernachlässigt worden. Ich muss Sie daran erin- (Hans Georg Wagner [SPD]: Tolle Steigerungs- nern, dass wir von Ihnen 1998 im Rahmen dieses Titel ei- rate! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Lesen nen Ansatz von 1,8 Milliarden DM geerbt haben. Sie doch einmal die Zahlen seit dem Regie- (Jörg Tauss [SPD]: Ja!) rungswechsel vor! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie ist es denn zurzeit? 900 Mil- Wir waren es, die die Mittel für den Hochschulbau lionen!) zunächst auf 2 Milliarden DM und jetzt auf 2,215 Milli- arden DM erhöht haben. Allerdings tragen wir eine von – Bleiben Sie ganz ruhig; ich komme gleich darauf zu Ihnen verursachte Altlast ab, um die Vorleistungen der sprechen. – Dass damit auch ein kontinuierlicher Rück- Bundesländer auszugleichen. gang der Empfängerzahlen verbunden ist, das versteht sich von selbst. Auch der an gleicher Stelle kritisierte Mit- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil ein- telabfluss für 1999 und 2000 bewegt sich mit 96 bzw. mit zelne Länder nicht mehr konnten!) 93 Prozent im langjährigen Normalmaß. Dies tun wir in jährlichen Raten. Die Rate für 2001 haben (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Absolute wir noch einmal um 65 Millionen DM angehoben. Zahlen!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarten Sie im DIE GRÜNEN) Ernst, dass die Studierenden nach diesen deprimierenden Zur Förderung der IuK-Technologien, zur Erhöhung Erfahrungen jetzt plötzlich die BAföG-Ämter erstürmen? der institutionellen und der Projektförderung und zu der Das wird natürlich nicht der Fall sein. Es wird einer bun- Selbstverständlichkeit – das will ich ausdrücklich beto- (B) desweiten Informationskampagne bedürfen, um für eine nen –, mit der wir unseren internationalen Verpflichtun- (D) neuerliche Akzeptanz des BAföGs zu werben. gen bei der Europäischen Weltraumorganisation nach- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kommen, habe ich anlässlich der Einbringung des des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Haushaltes das Nötige gesagt. Nun korrigieren wir diese Fehlentwicklung und stellen Der Einzelplan 30 setzt ein dickes Ausrufezeichen. Bei den Studierenden pünktlich zum Sommersemester 2001 anhaltender konsequenter Haushaltskonsolidierung ha- alles in allem 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung. ben wir das Feld der Zukunftsbereiche Bildung und For- schung bestens bestellt. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach, zum Sommersemester erst?) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Daher dürfte es Ihnen eigentlich nicht schwer fallen, ei- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin, gestat- nem Haushalt zuzustimmen, nach dem Sie sich während ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kampeter? Ihrer Regierungszeit alle zehn Finger geleckt hätten. Da- rum bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Einzelplan 30 in der Ausschussfassung zu. Siegrun Klemmer (SPD): Ich habe dem Kollegen Kampeter das alles in mehreren Ausschussberatungen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ausführlich erläutert, andere auch. Ich glaube, dass er an DIE GRÜNEN) einer Aufklärung nicht interessiert ist. Das hat auch seine Rede heute Morgen hier bewiesen. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der Kollege (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Steffen Kampeter das Wort zu einer Kurzintervention. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Steffen Kampeter (CDU/CSU): Frau Kollegin Unsere BAföG-Reform wird den Anteil der Förde- Klemmer, Sie haben behauptet, beim BAföG sei alles bes- rungsempfänger an der Gesamtstudierendenzahl von ser, seitdem Sie regierten. 20 auf 25 Prozent erhöhen. Im Einzelnen beinhaltet die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Reform eine Reihe von nennenswerten Verbesserungen, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) von denen ich nur kurz einige vortragen möchte: Die Be- darfssätze erhöhen sich um durchschnittlich 6 Prozent, Ich will noch einmal kurz die Tatsachen feststellen: In den der Höchstfördersatz sogar um 7,3 Prozent von 1 030 DM 90er-Jahren, also während der Regierungsverantwortung 13466 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Steffen Kampeter (A) der CDU/CSU, lagen die BAföG-Ausgaben immer über Das ist mutig, aber deutlich mit der rosaroten Brille ge- (C) rund 2 Milliarden DM. Der diesbezügliche Haushalts- sehen. Es ist Ihnen zwar ganz offensichtlich gelungen, ansatz liegt heute bei rund 1 Milliarde DM. Treffer bei der Verteilung der Goldregensumme aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Ihre Scheune (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: hineinzuleiten – dazu gratuliere ich Ihnen –, Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Hinzu kommen einige bei der Deutschen Ausgleichsbank des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg ausgelagerte Mittel. Ich stelle fest, dass für das BAföG Tauss [SPD]: Danke schön!) unter der Regierungsverantwortung der CDU/CSU mehr Geld ausgegeben worden ist, als Sie derzeit hier veraus- aber Sie haben nicht einmal Abstaubertore beim Thema gaben. Reformen erzielt. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Zweitens stelle ich fest: Sie haben im Frühjahr 1999 Beim Halbzeitpfiff haben Sie sich von allen großen Re- angekündigt, dass Sie eine große BAföG-Struktur- formvorhaben verabschiedet: Die angekündigte BAföG- reform durchführen wollen, um an die Höhe der Ausga- Strukturreform kommt nicht. Sie reparieren statt zu ben für BAföG während der Verantwortung christdemo- reformieren. Die Reform des Hochschuldienstrechts kratischer Regierungschefs heranzukommen. Bis heute, bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Ihre Com- also Ende 2000, liegt kein entsprechender Gesetzentwurf puteraktion im August ist bereits im Sommerloch ver- vor. Sie haben sich mit Ihrem Koalitionspartner nur darauf schwunden – Herr Kampeter hat darauf hingewiesen –, einigen können, eine Mininovelle durchzuführen und die (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Weih- strukturellen Veränderungen beim BAföG auf die nächste nachtsmann kommt nicht!) Legislaturperiode zu verschieben. bei der Sie jedem Schüler einen Laptop versprochen ha- (Lachen des Parl. Staatssekretärs Wolf- ben. Davon sind ganze sechs Modellprojekte in Hamburg Michael Catenhusen) übrig geblieben. Das sind die Tatsachen, über die Sie die Öffentlichkeit (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) falsch aufgeklärt haben und die ich deswegen gerade stel- len musste. Die Reform des Hochschulbauförderungsgesetzes ist noch nicht einmal im Ansatz zu erkennen und – man (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- kann es nur immer wieder in Erinnerung rufen, schließ- neten der F.D.P.) lich haben Sie damit die Wahl 1998 gewonnen – Sie woll- (B) ten in dieser Legislaturperiode die Investitionen in Bil- (D) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin dung und Forschung verdoppeln, Frau Bulmahn. Davon Klemmer, möchten Sie darauf antworten? sind Sie meilenweit entfernt. Sie haben den Haushaltsansatz des BMBF in Ihrer Re- Siegrun Klemmer (SPD): Nein. gierungszeit um 12,4 Prozent gesteigert. Das ist schön, aber, gut gebildet, wie wir alle sind, wissen wir, dass das genau 87,6 Prozent am eigenen Anspruch vorbei ist. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Dann erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Ulrike Flach für die F.D.P.-Frak- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) tion. Meine Damen und Herren, zur Reform des Hoch- schuldienstrechts schreiben Sie in Ihrer Halbzeitbilanz: Ulrike Flach (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen Die Zeit ist reif für Veränderungen. Der jetzt stattfin- und Herren! Herr Kampeter, Sie haben gleich die Gele- dende Generationswechsel an den Hochschulen ist genheit, dem F.D.P.-Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir eine Chance, die wir nutzen müssen. sind auf Ihr Verhalten gespannt, es ist eine namentliche Abstimmung. Ja, dann nutzen Sie sie auch, Frau Bulmahn, zu einer wirklichen Reform, wie die F.D.P. sie vorgelegt hat. (Beifall der Abg. [F.D.P.]) (Michael Müller [Düsseldorf)] [SPD]: Man Meine Damen und Herren, Etatberatungen nach zwei merkt es nur nicht!) Jahren einer Legislaturperiode haben immer einen beson- deren Reiz. Sie lassen den roten Faden bildungspoliti- Setzen Sie Pflöcke: Schaffen Sie das Beamtentum an den Hochschulen ab. scher Entscheidungen klarer erkennen und geben Gele- genheit, Anspruch und Wirklichkeit zu vergleichen. Sie, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten Frau Bulmahn, haben das auch getan. Wir haben vor we- der CDU/CSU) nigen Tagen Ihre Halbzeitbilanz mit dem wunderbaren Ti- Stellen Sie Universitäten und Fachhochschulen gleich, tel „2:0 für Bildung und Forschung“ übersandt bekom- weiten Sie die leistungsbezogenen Elemente im Gehalt men. aus, führen Sie die Juniorprofessuren ein, aber ohne die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bewährte Habilitation gleich gänzlich abzuschaffen, und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lösen Sie sich von Ihrer geradezu tödlichen Fixierung auf Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13467

Ulrike Flach (A) die Kostenneutralität. Eine wirkliche Reform, Frau rung von 500 DM, eine einkommensabhängige Ausbil- (C) Bulmahn, kostet Geld und ist mit kosmetischen Repara- dungsbeihilfe von maximal 350 DM und ein unverzinsli- turen nicht zu schaffen. ches Darlehen von bis zu 750 DM. Diese Gelder sollen di- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – rekt an die Studierenden ausgezahlt werden. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten NEN]: Schon wieder Schulden erhöhen!) der PDS) Das weiß man natürlich auch in Ihrer Fraktion, deswe- Ich freue mich, dass in den Reihen der CDU in dieser gen war die Begeisterung – Frau Klemmer hat es soeben Frage offensichtlich eine leichte Lockerung entsteht. Wir vorgetragen – in Ihren eigenen Reihen über die Steigerung werden gleich sehen, wer wie abstimmt. der Mittel für den Hochschulbau nicht verwunderlich. Sie stellen im Haushaltsjahr 2001 2,215 Milliarden DM Wir behandeln die Studierenden als mündige Erwach- ein. Was heißt das aber in der Praxis? Viele Bundesländer, sene, die selbst über ihren Ausbildungsgang entscheiden. besonders im Osten, können die 50-prozentige Kofinan- (Beifall der Abg. Angela Marquardt [PDS]) zierung gar nicht erbringen. Entsprechend fließen die Mit- tel in diese Länder überhaupt nicht ab. Dies muss man vor Das soll nicht nur beim BAföG so sein. Das wollen wir dem Hintergrund des vom Wissenschaftsrat ermittelten auch mit unserem Bildungsscheck-Modell. Denn Studie- enormen Investitionsstaus gerade in Ostdeutschland se- rende sind Kunden der Hochschulen. Das müssen wir, die hen. Politiker, organisatorisch untermauern. Jeder Abiturient soll mit seinem Bildungsscheck an die Hochschule seiner (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich!) Wahl gehen dürfen. Dorthin sollen die Gelder fließen. Gewinner sind die westlichen Länder, nämlich Baden- Dann müssen die Hochschulen um die Studierenden, die Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern. Kunden, konkurrieren. Wettbewerb ist ein uraltes libera- Wenn Sie das nicht ändern, Frau Bulmahn, zementieren les Grundverständnis, beflügelt das Geschäft und hebt die Sie einen Hochschulbau der zwei Geschwindigkeiten. Qualität. Wir haben in unserem Antrag – es ist ein schöner (Beifall bei der F.D.P.) F.D.P.-Antrag – ein Hochschulsonderprogramm gefor- dert, das die Kofinanzierung zugunsten der Länder ver- Ich bin froh, dass diese alte Händlerweisheit inzwi- schiebt. schen auch bei der Bund-Länder-Kommission und sogar bei einem leibhaftigen Landesminister Gehör gefunden (Jörg Tauss [SPD]: Ein prächtiger Antrag, nur hat. Die Damen und Herren von der CDU werden es ge- (B) nicht finanzierbar!) nauso wie ich gelesen haben: Sachsens Wissenschaftsmi- (D) Mit diesem Sonderprogramm knüpfen wir übrigens an die nister spricht sich neuerdings für ein Bildungsgutschein- alten möllemannschen Erfolgszeiten an, Herr Tauss. system aus. Ich hoffe, Sie unterstützen uns bei dieser Reform. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Herr Möllemann hatte auch immer (Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Kluger solche Anträge!) Mann! – Jörg Tauss [SPD]: Und der Herr Zöllner hat es erfunden!) Der Bund muss sich stärker engagieren. Was haben Sie getan? – Sie haben das abgelehnt. Lassen Sie mich noch einige Aspekte zum For- schungsbereich ansprechen. In der Genomforschung und (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Richtig! – in der Gesundheitsforschung haben Sie die Mittel erhöht, Joachim Poß [SPD]: Die F.D.P. konnte noch nie mit Geld umgehen!) die Projektmittel für die Genomforschung sogar um 300 Prozent. Wir begrüßen das und unterstützen Projekte Besonders enttäuscht hat mich allerdings Ihr Ein- wie Bio-Chance und Bio-Profile. Wir sehen aber auch, knicken beim BAföG. Mit der 21. Novelle sollte doch dass zum Beispiel bei der Gen- und Biotechnologie ein eine Systemumstellung hin zu einer elternunabhängigen Flaschenhals entsteht: eine erfreulich breit angelegte For- Förderung und zu einer Veränderung des Verhältnisses schung mit einer durch politische Willkürmaßnahmen von Zuschuss und Darlehen für Geförderte aus einkom- verengten Anwendung. mensschwachen Familien erreicht werden. Nichts ist da- raus geworden. Stattdessen haben Sie den Betrag in der (Dr. Ilja Seifert [PDS]: Was hat das mit Will- Spitze um 75 DM – das muss man sich einmal auf der kür zu tun?) Zunge zergehen lassen – angehoben und die Freibeträge Die Minister Fischer und Trittin blockieren bei der gesenkt. Sie haben eben nicht den großen Wurf für eine Gentechnik Ihre Anstrengungen, Frau Bulmahn. Während Absicherung unserer Studierenden gemacht, sondern nur Sie strahlend unter dem Weihnachtsbaum auf Ihre ein kleines Reparaturnovellchen auf die Schiene gebracht. Genommillionen schauen, rutscht Ihnen der Knecht (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten Ruprecht Jürgen Trittin mit einer Kampagne für gentech- der CDU/CSU und der PDS) nikfreie Schokolade durch den Kamin. Die F.D.P. hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Alles lustig, aber fern Wir wollen eine einkommensunabhängige Grundförde- der Wahrheit!) 13468 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Ulrike Flach (A) Wir lange wollen Sie noch schweigend die Kapriolen Ih- zuhalten. Es kommt jetzt darauf an, die Fusionsforschung (C) rer Kabinettskollegen mit ansehen? auch im 6. Europäischen Forschungsrahmenprogramm zu verankern. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin, es be- Meine herzliche Bitte an Sie lautet: Grenzen Sie sich steht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen eindeutig von grüner Forschungsverhinderung ab. Das Seifert. betrifft die Fusionsforschung genauso wie die Nuklear- forschung traditioneller Prägung. Sie kann eben nicht Ulrike Flach (F.D.P.): Aber selbstverständlich. darin bestehen – wie Herr Fell es so schön sagt –, nur noch „Mindestkompetenz“ zu erhalten.

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Bitte sehr, Herr Kol- (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lege. NEN]: Das ist doch schon viel!) Gerade von einer Regierung, die den Kernkraftausstieg Dr. Ilja Seifert (PDS): Sehr verehrte Frau Kollegin, beschlossen hat, ist zu erwarten, dass sie weiterhin Fach- Sie reden gerade von dem Flaschenhals, den Sie bei der kräfte für den Rückbau und die Lagerung radioaktiver Anwendung der Gentechnologie sehen. Erkennen Sie Materialien ausbilden lässt. Bei einer kerntechnischen aber nicht, dass das kein Flaschenhals, sondern einfach Anlage ist es nicht damit getan, den Aus-Schalter zu Angst ist, die bei den Leuten real existiert? Denn was man betätigen. Wir brauchen Fachleute. Es ist ein beängsti- durch Gentechnologie einmal anfängt, kann man nicht gendes Signal, dass an den Hochschulen immer weniger zurückholen. Sehen Sie nicht, dass diese Ängste durchaus Kerntechniker und Nuklearphysiker ausgebildet werden. berechtigt sind, dass man erst einmal die ethischen Fragen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – klären muss, bevor man anfangen kann, das alles umzu- Walter Hirche [F.D.P.]: Dann gibt es Green setzen oder etwas freizusetzen? Cards für Sicherheitsleute!) (Beifall bei der PDS) Glaubwürdigkeit in der Politik wird auch an der Ein- haltung von Zusagen gemessen. Sie haben den großen Ulrike Flach (F.D.P.): Selbstverständlich sehe ich Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen hinsichtlich diese Ängste. Welcher Politiker würde die Angst der ihrer Etats jährliche Steigerungsraten von 5 Prozent ver- (B) Leute nicht erkennen? Selbstverständlich müssen wir, die sprochen. Wir halten in unseren Anträgen das, was Sie (D) Politiker, darauf reagieren. Aber wir forschen in diesem versprochen haben, Frau Bulmahn; Sie tun es nicht. Bereich. Wenn etwas erforscht ist, müssen wir es auch an- Hinzu kommt eine Entwicklung bei den Großfor- wenden können und dürfen uns nicht vor Angst irgendwo schungseinrichtungen, die wir mit großer Sorge be- in eine Ecke zurückziehen. trachten. Hier möchte ich Sie als Nordrhein-Westfälin (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der ganz direkt ansprechen: Wie wäre es, wenn Sie Herrn CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist Clement einmal aufforderten, in Sankt Augustin mit nord- sehr einfach! Eine sehr komische Vorstellung rhein-westfälischen Mitteln einzuspringen, damit wir das von Ethik! Diesen Standpunkt halten Sie nicht durchführen können, was Sie hier in Berlin losgetreten ha- durch!) ben, nämlich eine Großforschungseinrichtungsfusion, die offensichtlich ganz eifrig und schnell passiert ist, ohne der – Natürlich. Wenn etwas erforscht ist und zu einem posi- ganzen Sache auf den Grund zu gehen und den Bereich tiven Ergebnis gekommen ist, kann ich das anwenden. abzusichern, den wir als Schlüsseltechnologie für das (Beifall bei der F.D.P. – Sigrun Klemmer nächste Jahrhundert bezeichnen? [SPD]: Das ist etwas anderes! – Dr. Uwe Küster (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) [SPD]: Das könen Sie noch so laut behaupten, das stehen Sie nicht durch!) Natürlich kommt von Ihnen immer: Eure Vorschläge kosten viel Geld. Wo wollt ihr denn sparen? Lassen Sie es Wenn die von der Bundesregierung eingesetzte Kommis- mich zum Abschied ganz klar und deutlich sagen: sion dies befürwortet, dann sollte das getan und nicht aus ideologischen Gründen unterlaufen werden. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Haben Sie „Ab- schied“ gesagt?) (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist aber etwas anderes!) Die F.D.P. will bei der Bildung nicht sparen. Das gleiche Spielchen erleben wir bei der Fusionsfor- (Beifall bei der F.D.P. und der PDS) schung. Herr Fell plädiert für einen Ausstieg aus dem Bildung ist Freiheit und wer an Bildung spart, beschnei- Projekt ITER. Ich freue mich, dass unsere Nachbarländer det die Freiheit künftiger Generationen. dieses Papier offensichtlich nicht gelesen haben, denn es gab in Brüssel ein klares Signal für ITER; leider verbun- (Beifall bei der F.D.P. und der PDS – Hans den mit den üblichen Vorbehalten von Ihnen, Frau Georg Wagner [SPD]: Das stimmt! Das haben Bulmahn. Ich bitte Sie sehr, an diesen Zweifeln nicht fest- Sie 16 Jahre lang gemacht!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13469

Ulrike Flach (A) Wer an Bildung spart, wird später für Folgewirkungen Insofern wollen wir ihn einmal daran erinnern, was (C) doppelt und dreifach bezahlen. während seiner Amtszeit so alles passiert ist. (Joachim Poß [SPD]: Wollen Sie nicht die Von 1993 bis 1998 ist der Bildungsetat um 4,6 Prozent Steuern senken?) abgeschmolzen worden. Auch ohne Haushaltssanierung ist der Bildungsetat unter der Verantwortung von Herrn – Herr Poß, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass unsere Kampeter zurückgegangen. Bildungsminister nicht gespart haben. (Jörg Tauss [SPD]: Kampeter war das!) (Jörg Tauss [SPD]: Bitte?) Ich verstehe ja, dass Sie sich mit Ihren wegweisenden – Ich rede von den Liberalen, nicht von den anderen. Forderungen gegen Herrn Rüttgers nicht haben durchset- (Jörg Tauss [SPD]: Der Herr Laermann! Wie zen können, aber so viel Redlichkeit gehört dazu, das lange war der Herr Laermann im Amt? Sechs dann hier auch anzusprechen. Wochen oder zwölf? – Joachim Poß [SPD]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wenn Sie Steuern senken, wie wollen Sie dann und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Heißt alles finanzieren?) das, dass Herr Kampeter unredlich ist?) Das, was Sie uns heute vorlegen, entspricht zwar den Seit 1998 ist der Bildungsetat, wenn man die BAföG- Verkündigungserwartungen eines Medienkanzlers, Frau Veränderungen, das heißt die Umbuchungen zur Aus- Bulmahn, aber sicherlich nicht Ihrem eigenen Anspruch gleichsbank, hinzuzählt, um 15 Prozent gewachsen. Ich – ich weiß, der ist hoch – und schon gar nicht dem, was danke Herrn Kampeter, dass er uns dabei geholfen hat, die Zukunft erfordert. dass das passiert ist. Aber das ist ein Verdienst von Frau (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Bulmahn und nicht von Herrn Rüttgers; das wollen wir Zuruf von der SPD: Das war nicht zukunftsreif, klar festhalten. das war rückwärts gewandt!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der Kollege Herr Kollege Austermann ist ja ein Meister darin, Zah- Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. len etwas schief darzustellen. Natürlich sind die BAföG- Ausgaben in diesem Haushalt nominal niedriger als in den (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der muss ei- früheren Haushalten. Aber der Hintergrund ist nicht etwa, gentlich nur sagen, was er immer in der Zeitung dass wir gespart hätten, sondern dass es eine strukturelle schreibt! Dann wird es eine Generalabrechnung Veränderung gab. Der Darlehensanteil des BAföG wurde mit der Regierung!) (B) aus dem Bundeshaushalt herausgenommen und der Aus- (D) gleichsbank zugeordnet. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Jörg Tauss [SPD]: Und hat zusätzliche Spiel- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir räume gebracht!) haben gerade gehört, dass die F.D.P. bei der Bildung nicht sparen will. Liebe Frau Kollegin, was wir Ihnen nicht Wenn Sie das alles zusammenrechnen durchgehen lassen, ist, so zu tun, als hätten Sie in den (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Selbst dann 16 Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung im kommen Sie nicht auf 2 Milliarden, Herr Bildungsbereich nicht gespart. Auch wenn Ihre Partei aus- Berninger!) nahmsweise einmal nicht den Bildungsminister stellte, haben Ihre Politiker sowohl das BAföG mit kaputtge- und Ihren Referenten bitten, Sie demnächst besser zu in- macht als auch den Bildungsetat mit abschmelzen lassen. struieren, werden Sie feststellen, dass wir durch diese Ak- tion mehr Spielräume für das BAföG geschaffen und nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beim BAföG gespart haben. und bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hierfür tragen Sie eine Mitverantwortung, aus der wir Sie und bei der SPD – Steffen Kampeter nicht entlassen werden. [CDU/CSU]: Wann kommt denn die große (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum haben BAföG-Reform nun endlich?) uns die Leute dann eigentlich immer wieder ge- Ich will damit sagen, dass es der rot-grünen Koalition wählt?) in den ersten zwei Jahren gelungen ist, die finanziellen Der Kollege Kampeter hat hier eine Rede gehalten, die Spielräume für eine Bildungsreform zu schaffen. In den relativ wenig Zahlen enthalten hat. nächsten zwei Jahren müssen wir darüber reden, diese fi- nanziellen Spielräume zur Umsetzung der Bildungsre- (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Gute form auch tatsächlich zu nutzen. Rede!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da sind wir Ich habe viel Verständnis für Ihre Gründe. Der Kollege aber mal gespannt!) Kampeter ist der dienstälteste Berichterstatter für den Bil- Ich fange an beim Thema BAföG. Es ist völlig richtig dungsbereich. und es ärgert uns alle, dass viele Studierende, die eigent- (Jörg Tauss [SPD]: Er hat aber nichts gelernt!) lich BAföG-Empfänger hätten sein können, nicht zum 13470 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Matthias Berninger (A) BAföG-Amt gehen und BAföG nicht beantragen, obwohl Da ich weiß, dass du ein Anhänger des lebenslangen Ler- (C) sie davon profitieren würden. Sie bekämen Zuschüsse, sie nens bist und schon immer warst, glaube ich, dass du dich bekämen zinsgünstige Kredite. Das heißt, sie würden, auch in die neue Position als Staatssekretär im Verkehrs- wenn sie einen Förderantrag stellten, etwas davon haben. ministerium einarbeiten und dort Erfolge erzielen wirst. Warum machen sie es nicht? Das BAföG hat an Image (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verloren in dem Moment, als Herr Rüttgers begann, daran und bei der SPD) herumzudoktern. Ich muss es aber bedauern, dass du in der bildungspoliti- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen Runde nicht mehr dabei ist. Das will ich an dieser und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Stelle auch einmal sagen. PDS – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dies ist der dritte Haushalt, in dem Sie es hätten ändern Wenn ich schon beim lebenslangen Lernen bin: können, wenn es denn stimmen würde! Warum (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Leider haben haben Sie es denn nicht geändert?) Sie noch nicht viel dazu gelernt, Herr Seit dem Tag, an dem Herr Rüttgers seinen Gesetzentwurf Berninger!) eingebracht und den Darlehensanteil auf bankübliche Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die CDU früher Darlehen umgestellt hat, ist das BAföG im absoluten bei der Bildung gespart hat, zusammen mit der F.D.P. Ich Steilflug nach unten. freue mich aber darüber, lieber Herr Kollege Kampeter, (Jörg Tauss [SPD]: Wegen der Verzinsung!) dass die CDU jetzt für das Bildungssparen ist, dass sie einen Vorschlag unterstützt, den die Grünen in die Debatte Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir gebracht haben, nämlich Vorsorge von Arbeitnehmerin- mit der BAföG-Reform, die wir vorgelegt haben, einen nen und Arbeitnehmern für Weiterbildung zu fördern, so Beitrag dazu leisten, dass es wieder attraktiver wird. wie wir Bausparen gefördert haben. Warum? Ich glaube, dass die rot-grüne Koalition – wenn die Erstens. Es wird weniger bürokratisch. Wir sorgen CDU dabei ist, umso besser – hier ein gutes Instrument dafür, dass es leichter wird, einen BAföG-Antrag zu stel- einführen könnte, um gerade die Arbeitnehmerinnen und len, dass Schülerinnen und Schüler leichter nachvollzie- Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen, mit einem hen können, wenn sie denn studieren wollen, wie viel An- Jahreseinkommen bei Verheirateten bis zu 70000 DM, spruch sie beim BAföG haben. besser zu fördern und um deren Anstrengungen, zum Bei- Zweitens. Wir begrenzen die Darlehensbelastungen spiel einen Internet-Führerschein zu machen oder eine (B) nach oben. Das heißt, wir wollen den absoluten Schul- Sprache zu lernen, zu unterstützen, weil Bildung so wich- (D) denberg der Studierenden an dieser Stelle reduzieren. tig ist wie ein Dach über dem Kopf. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es sollte doch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schon längst in Kraft sein, Herr Berninger!) Ich wünsche mir, dass wir die zweite Hälfte der Legis- – Dieser Gesetzentwurf hat das Kabinett passiert, er wird laturperiode dazu nutzen, sowohl im Steuerrecht als auch auch den Deutschen Bundestag passieren, er wird auch bei der Frage der Vermögensbildung dem Thema Bildung Zustimmung bei den Ländern finden. Das ist ein Schritt, stärker Geltung zu verschaffen, der das BAföG akzeptabler macht. ( [CDU/CSU]: So stark wie die ge- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist das scheiterte BAföG-Reform?) Bundesgesetzblatt, in dem das alles steht, was um so zusätzliche Spielräume für das lebenslange Lernen Sie ankündigen?) zu schaffen. – Der Kollege Kampeter kann mir gerne eine Zwi- Meine Damen und Herren, es ist vorhin gesagt worden, schenfrage stellen, sollte aber an dieser Stelle nicht dau- die Politik von Herrn Rüttgers sei fortgesetzt worden. ernd dazwischen blöken. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war näm- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Im Frühjahr lich eine gute Politik!) 1999 hat die Ministerin gesagt, dass das schon 1999 alles verabschiedet sein sollte!) Das hat mich wirklich erschreckt und erschüttert. Wir ha- ben beim BAföG die Politik von Herrn Rüttgers nicht Nun hat hier jemand Platz genommen, zu dem ich auch fortgesetzt, sondern das Gegenteil gemacht. noch einen Satz sagen möchte, nämlich der Kollege Hilsberg, der der Bildungsdebatte die ganze Zeit lauscht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stefan, du hast eine neue Position bekommen. Von dieser und bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Berech- tigt!) Stelle aus wünsche ich dir alles Gute. Wir haben beim Hochschulbau geplünderte Kassen vor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefunden. Deswegen haben wir die Mittel dafür jedes Jahr und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der aufgestockt. CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der ist ins Verkehrsministerium geflüchtet an- Kollegin Flach, Sie haben behauptet, die Länder Ba- gesichts dieser Politik!) den-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz würden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13471

Matthias Berninger (A) beim Hochschulbau das Geld abgreifen, das eigentlich in Insofern bin ich froh, dass das Bildungsministerium jetzt (C) die neuen Länder fließen sollte. Ich möchte Sie fragen: eine neue Politik macht, mit der das Internet, das für das Wer regiert denn da eigentlich? Wer greift das denn ab? zukünftige Bildungswesen wichtig sein wird, stärker ge- fördert wird. (Ulrike Flach [F.D.P.]: Es geht doch um das System!) Wir haben durchgesetzt, dass die Berufsschulen im IT- Bereich besser ausgestattet werden. Die Berufsschulen Die F.D.P. ist in allen drei Ländern noch in der Regie- waren die Schulen, die bisher in diesem Bereich am rungsverantwortung. Wenn Sie zulasten des Bundes ver- schlechtesten ausgestattet waren. Jetzt kommt es auf die schieben, dann werden diese Länder noch mehr Gelder Länder an. Ich bin gespannt, ob sie Geld auf unser IT- abziehen können und werden sich aus den Kassen für den Förderprogramm drauflegen, damit wir es tatsächlich Hochschulbau bedienen, wie sie es schon unter Rüttgers schaffen, die Schulen, die bisher am schlechtesten ausge- getan haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Das machen wir stattet waren und am Ende des Feldes waren, an die Spitze nicht mit. Wir wollen, dass die Mittel zwischen allen Län- zu bringen. Ich glaube, dass eine vernünftige IT-Ausstat- dern fair aufgeteilt werden und dass das aufhört, was Sie tung der Berufsschulen wichtig ist und ein guter Beitrag eingeführt haben. für eine moderne Berufsausbildung ist. Machen Sie mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und unterstützen Sie uns dabei, anstatt das hier kleinzure- und bei der SPD) den. Mit seiner Personalstrukturreform ist Herr Rüttgers Ein weiteres Beispiel ist die so genannte Notebook- beim Bundesinnenminister abgeblitzt, dass es nur so ge- universität. Es wird in Zukunft an jeder Universität Stu- kracht hat. Auch in diesem Bereich setzen wir die Politik diengänge geben, in denen die Studierenden von Anfang von Herrn Rüttgers nicht fort; vielmehr werden wir ein an ein Notebook haben und untereinander vernetzt sind. modernes Dienstrecht für unsere Hochschulen einführen. Diese Studiengänge werden bald genauso wichtig sein wie zum Beispiel mehrsprachige Studiengänge. Auch das (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- werden wir fördern. Unter Herrn Rüttgers gab es dafür SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) noch nicht einmal einen Ansatz. Wenn wir schon ein modernes Dienstrecht für die Wir fördern ganz massiv die Vermittlung neuer Lern- Hochschulen einführen, dann sollten wir die Schulen da- inhalte durch das Internet. Ich hatte in dieser Woche Ge- bei nicht vergessen. legenheit, mir das Projekt eines virtuellen Studiengangs im Bereich der Chemie anzuschauen. An einem solchen (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alles nur Beispiel wird deutlich, dass das Internet auch in Deutsch- Ankündigungen! Davon steht nichts im Gesetz- land zur Vermittlung neuer Lerninhalte tatsächlich ge- (B) blatt!) (D) nutzt wird und dass Deutschland nicht hinterherläuft, son- Die konservative Regierung hat mit dem Bundesbesol- dern Spitze ist. All das sind Akzente, die wir mit unserem dungsrecht über Jahre hinweg auch Schulpolitik gemacht. Haushalt setzen. Ich meine, dass sich das lohnt und dass die Union dem zustimmen sollte. Sie haben den Bildungs- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Auch nur etat gekürzt. Wir erhöhen ihn und machen auch noch ver- Ankündigungen! Davon steht nichts im Gesetz- nünftige Politik. Das sollten Sie sich hinter die Ohren blatt!) schreiben. Sie hat zum Beispiel Beförderungen im Grundschul- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und im Hauptschulbereich verhindert. Die Aufgabe die- und bei der SPD) ser Koalition ist, eine vernünftige Schulpolitik zu machen und durch ein neues Besoldungsrecht die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer gerade im Grundschul- und Vizepräsidentin Anke Fuchs: Für die PDS-Fraktion Hauptschulbereich mehr anzuerkennen als bisher. Das spricht nun die Kollegin Maritta Böttcher. werden wir uns vornehmen. Wenn Sie von Ankündigun- gen sprechen, dann sage ich Ihnen: Wir lassen uns am Maritta Böttcher (PDS): Sehr geehrte Frau Präsiden- Ende der Legislaturperiode messen. Ich verspreche Ihnen: tin! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, als ich Es wird ein vernünftiges und modernes Dienstrecht für Ihre Ausführungen gehört habe, habe ich mich zum wie- die Hochschulen und – hoffentlich – auch für die Schulen derholten Male in diesem Hause gefragt: Was haben Sie in Deutschland geben. in den letzten Jahren eigentlich getan? Warum haben Sie (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- all diese Vorschläge, die Sie heute vorlegen, nicht längst SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) umgesetzt, anstatt jetzt die Bundesregierung zu kritisie- ren? Der Kollege Rüttgers hatte noch nicht einmal einen Computer mit E-Mail-Anschluss in seinem Büro, als er (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten das Bildungsministerium verlassen hat. der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Jörg Tauss [SPD]: Die sitzen alle da drü- (Heiterkeit bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: ben auf der anderen Seite!) Hätte auch nichts genutzt! Er hätte ihn nicht be- – Nicht dass wir uns falsch verstehen, lieber Herr Tauss. dienen können! – Zuruf von der CDU/CSU: Herr Tauss, blasen Sie sich nicht so auf!) (Lachen bei der SPD) 13472 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Maritta Böttcher (A) Ich will mich nun mit dem Haushalt auseinander set- ohne dass Nachwuchswissenschaftler über viele Jahre auf (C) zen und eingangs ein sehr deutliches Wort an Sie, Frau das Freiwerden der bisherigen Assistentenstellen warten Ministerin, richten. Wenn wir alle ehrlich sind, dann müs- müssen. Das dazugehörige inhaltliche Konzept für eine sen wir zugeben, dass die Aufstockung im Einzelplan 30 Reform der Personalstruktur an Hochschulen und keineswegs in erster Linie das Ergebnis einer Setzung po- Forschungseinrichtungen hat die PDS-Bundestagsfrak- litischer Prioritäten durch die Bundesregierung ist. Sie tion ja bereits im Juli 2000 vorgelegt. wissen wie wir alle, dass die Versteigerung der UMTS- Beispiel BAföG-Reform: Die PDS-Fraktion hat einen Mobilfunklizenzen im Sommer unerwartet einen Betrag Änderungsantrag vorgelegt, in dem vor allem eines deut- in Höhe von rund 100 Millionen DM – lich gezeigt wird: Mit einem vergleichsweise bescheide- (Jörg Tauss [SPD]: 100 Milliarden!) nen Mehraufwand von 700 Millionen DM ließe sich schon im kommenden Haushaltsjahr ein Einstieg in eine – Entschuldigung, 100 Milliarden DM; über Peanuts rede wirkliche strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförde- ich später – in den Bundeshaushalt gespült hat. Das ist rung finanzieren. Es wäre möglich, allen Studentinnen mehr als ein Fünftel des gesamten Haushaltsvolumens. und Studenten bereits ab 1. April 2001 eine elternunab- Ihre politische Vorgabe lautet, diesen Betrag komplett zur hängige Sockelförderung in Höhe von 500 DM monatlich Schuldentilgung einzusetzen und zusätzliche politische auszuzahlen, zusätzlich zu den von der Bundesregierung Vorhaben allenfalls aus den daraus resultierenden Zins- geplanten Leistungsverbesserungen. ersparnissen zu finanzieren. Die PDS hat dies kritisiert; ich will das heute nicht wiederholen. (Beifall bei der PDS) Aber selbst von den rund 5 Milliarden DM an einge- Eine solche Strukturreform haben Sie selbst, Frau Minis- sparten Zinszahlungen kommen im Haushaltsjahr 2001 terin, noch Anfang des Jahres versprochen. gerade einmal 600 Millionen DM, also nur ein gutes (Zuruf von der CDU/CSU: Darauf warten wir Zehntel, im Bildungs- und Forschungsetat an. Dabei hat schon lange!) noch am 21. September dieses Jahres Ihr Staatssekretär Catenhusen erklärt, die Bundesregierung wolle über Es gibt gute Gründe hierfür, wie Ihnen nicht nur die PDS- 1 Milliarde DM aus den eingesparten Zinszahlungen in Fraktion, sondern auch das Deutsche Studentenwerk und Bildung und Forschung investieren. Schon am 7. Novem- die Hochschulrektorenkonferenz bestätigen können. Aber ber war diese Milliarde auf 600 Millionen DM ge- wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg. Heute wollen schrumpft. Investitionen in Beton statt in Köpfe – so Sie davon nichts mehr wissen und versäumen die Chance scheint die haushaltspolitische Devise der Bundesregie- zu einem echten Quantensprung in der BAföG-Reform. rung zu lauten. 2:0 für Bildung und Forschung? Zwischen Bildung und (B) (Beifall bei der PDS – Siegrun Klemmer Forschung oder Forschung und Bildung? Forschung und (D) [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?) ein bisschen Bildung – so kann Ihr Programm wohl am treffendsten charakterisiert werden. Auch hier stimmt die – Denken Sie nur an die umfangreichen Straßenbau- Richtung nicht. Wie ist es sonst zu erklären, dass allein ein vorhaben, Frau Klemmer. Sechstel des Zukunftsinvestitionsprogrammes in die Ge- (Jörg Tauss [SPD]: Die brauchen wir nomforschung fließen soll? Dabei zeichnet sich der vor- aber auch!) liegende Haushaltsentwurf ohnehin schon durch eine massive Verstärkung der Förderung der Genforschung Mit der häufig beschworenen Bildungsoffensive hat das aus; das geschieht im Rahmen von Haushaltstiteln wie meiner Meinung nach wenig zu tun. „Molekulare Medizin“ oder „Biotechnologie“. Ausgerech- Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf geht ein net in Zeiten der Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/ großes bildungspolitisches Versäumnis einher. Diesen Die Grünen weist die Forschungsförderung des Bundes Vorwurf muss sich die Bundesregierung gefallen lassen. eine historisch einmalige Prioritätensetzung zugunsten Sie nimmt den erweiterten finanziellen Handlungsspiel- der Genforschung und zulasten sozial-ökologischer For- raum eben nicht zum Anlass, zu einer qualitativen Er- schung und, speziell in der Gesundheitsforschung, zulas- neuerung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu ten ganzheitlicher und an Prävention orientierter For- kommen. schungsansätze auf. Beispiel Hochschuldienstrecht: Völlig unverständ- (Dr. Ilja Seifert [PDS]: Richtig!) lich ist mir, warum sich Ihr Projekt einer Reform des Auch mit Ihrer so genannten Zukunftsinitiative Hochschuldienstrechts in keiner Weise haushaltspolitisch Hochschule betreiben Sie, wie ich meine, einen Etiket- niederschlägt. Wir befinden uns inmitten eines umfassen- tenschwindel. Ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder den Generationswechsels in der Hochschullehrerschaft. fließt nämlich gar nicht den Hochschulen zu, sondern ist Die Dienstrechtsreform muss unmittelbar nach In-Kraft- für die außeruniversitäre Forschung bestimmt. Die „Zu- Treten auch wirklich umgesetzt werden. Aus diesem kunftsinitiative Hochschule“ entpuppt sich als „Zukunfts- Grund fordert die PDS heute, ein „Sonderprogramm Ju- initiative Forschung“, die auch an den Hochschulen, so- niorprofessuren“ in den Haushalt aufzunehmen. weit die Programmmittel dort überhaupt ankommen, eine (Beifall bei der PDS) Schieflage zugunsten der Forschung aufweist. Gewin- nung von Spitzenwissenschaftlern, Verbesserung der For- Damit kann die flächendeckende Einführung dieser neuen schungsinfrastruktur und Verwertungsoffensive – in all zukunftsweisenden Personalkategorie realisiert werden, diesen Bereichen besteht unbestreitbar Handlungsbedarf. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13473

Maritta Böttcher (A) Doch was kommt von Ihrem Zukunftsinvestitionspro- oder eine Erhöhung um 285 Millionen DM auf 2,5 Milli- (C) gramm am Ende in Lehre, Unterricht und Studium, also in arden DM? – Beides gleichzeitig geht nämlich nicht. Da- den Hörsälen und Klassenzimmern an? Was passiert mit rauf habe ich Sie schon im Ausschuss aufmerksam ge- den sanierungsbedürftigen Studentenwohnheimen in Ost- macht. deutschland, für deren Instandhaltung das Deutsche Stu- dentenwerk ein Sonderprogramm gefordert hat? Nach der Die PDS-Fraktion kann derart unseriösen Haushalts- Vision eines Laptops für jede Studentin und jeden Stu- anträgen natürlich nicht zustimmen, während wir dem denten, für jede Schülerin und jeden Schüler traue ich Antrag der F.D.P.-Fraktion zwar mit ein paar Bauch- mich ja schon gar nicht mehr zu fragen. schmerzen, aber immerhin zustimmen, Im Ergebnis muss man wohl mit Verlaub von Peanuts (Beifall der Abg. Marita Sehn [F.D.P.]) sprechen, mit denen Bildung vorlieb nehmen muss. weil er genau in die Richtung geht, die auch wir einschla- (Beifall bei der PDS) gen. Dabei ist doch gerade Bildung eine der wichtigsten und Danke. ertragreichsten Zukunftsinvestitionen, die unser Land (Beifall bei der PDS) dringend braucht.

Meine Damen und Herren, wer sich über Peanuts be- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das Wort hat nun die schwert, sollte von Kokosnüssen nicht schweigen. Dass Ministerin für Bildung und Forschung Edelgard die Bildungspolitik in Ihrer Haushaltspolitik systematisch Bulmahn. unter die Räder kommt, ist das eine. Das andere ist das Fass ohne Boden, mit dem Sie sich im Bereich der beruf- lichen Bildung bereits abgefunden haben. Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Wir haben mit der solidarischen Umlagefinanzierung sehr geehrten Damen und Herren! Für die Bundesregie- seit Jahren ein Konzept im Angebot, mit dem nach Ex- pertenschätzungen rund 2 Milliarden DM Steuergelder rung haben Bildung und Forschung Priorität. gespart werden könnten. Es ist schon bemerkenswert, wie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die Bundesregierung auf der einen Seite einen harschen DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ Sparkurs im Bildungsbereich fährt und auf der anderen CSU]: Ach?) Seite generös darauf verzichtet, jene Unternehmen ange- messen an der Finanzierung der Berufsbildung zu beteili- Ich freue mich, wenn viele Kolleginnen und Kollegen gen, die sich um ihren Beitrag zur Ausbildung drücken. auch aus den Oppositionsparteien dies mit unterstützen, (B) aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Regie- (D) (Beifall bei der PDS) rungskoalition und Opposition: Wir fordern nicht nur, Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- sondern wir handeln. tion, von einem Aufbruch für Innovation und Qualifika- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tion, wie er in der Koalitionsvereinbarung angekündigt DIE GRÜNEN) worden war, sind Sie auch mehr als zwei Jahre später noch weit entfernt. Erschwerend ist Ihnen zur Last zu legen, Wir erhöhen nämlich zum dritten Mal in Folge den Etat dass Sie auch die günstigen finanziellen Rahmenbedin- des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, gungen nicht für eine qualitative Weiterentwicklung Ihrer allein in diesem Jahr um 9,5 Prozent gegenüber dem letz- Bildungs- und Wissenschaftspolitik nutzen. ten Jahr. Die PDS-Fraktion wird daher den vorgelegten Etat des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bundesministeriums für Bildung und Forschung ableh- DIE GRÜNEN) nen. Wir werden weiter dafür sorgen müssen, dass die Bundesregierung den von ihrer Ministerin für Bildung Kein anderes Ministerium, kein anderer Politikbereich hat und Forschung beschworenen Mut zur Veränderung we- einen derartigen Zuwachs. Wir haben damit knapp nigstens in der zweiten Halbzeit ihrer Amtszeit aufbringt. 16 Milliarden DM zur Verfügung, und das heißt, dass wir – verglichen mit dem letzten Jahr der Regierungsver- Abschließend noch ein Wort an die Damen und Herren antwortung der CDU, nämlich 1998 – von diesem Zeit- der Unionsfraktion. punkt bis heute einschließlich BAföG 2,5 Milliarden DM (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!) zusätzlich für Bildung und Forschung zur Verfügung stellen. Wenn Sie eine größere Aufstockung des Bundesanteils für den Hochschulbau fordern, als sie die Bundesregierung (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ vorsieht, so haben Sie dafür meine Sympathie. Beant- DIE GRÜNEN) worten Sie mir aber bitte vorher zwei Fragen. Sie – daran will ich Sie schon noch erinnern, gerade Wie steht es mit der Kofinanzierung der Länder, deren Sie, Herr Kampeter, weil Sie damals, 1994 bis 1998, auch finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Steuerpolitik der für diesen Haushalt verantwortlich waren – haben es da- Regierung Kohl nachhaltig beschädigt wurde? mals zugelassen, dass der Haushalt für Bildung und For- schung um 700 Millionen DM gekürzt wurde. Fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag nun eine Er- höhung um 235 Millionen DM auf 2,45 Milliarden DM (Jörg Tauss [SPD]: So ist es!) 13474 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) Das ist der große Unterschied. Wir erhöhen um 2,5 Mil- tär im Verkehrsministerium sagen, dass der Haushalt für (C) liarden DM, Sie haben innerhalb von vier Jahren um Verkehr leider nicht steigt. Mit den zusätzlichen Mitteln 700 Millionen DM gekürzt. Das ist der große Unterschied wird nur erreicht, dass es keine größere Absenkung gibt in der Politik! und der Plafond nur gehalten wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Redezeit DIE GRÜNEN) müsste eigentlich weiterlaufen, weil das mit der Frage nichts zu tun hat!) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Ministerin, ge- Wir setzen also mit dem Haushalt für den Bildungsbe- statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lensing? reich das Signal, dass uns Bildung und Forschung beson- ders wichtig sind. Im Gegensatz zur Opposition reden wir Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung nicht nur, sondern handeln. Das ist der entscheidende und Forschung: Ja. Punkt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vizepräsidentin Anke Fuchs: Bitte sehr. DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Werner Lensing (CDU/CSU): Frau Ministerin, sind ich sehe durchaus Ihre Schwierigkeit, uns, wie Sie es mit Sie bereit, der Wahrheit die Ehre zu geben, Ihren bildungspolitischen Leitsätzen versuchen, vom (Jörg Tauss [SPD]: Klar! Immer!) führenden Platz zu vertreiben. Ich sage Ihnen klar, dass ich Ihre Erfolgsaussichten so ähnlich einschätze wie beim indem Sie anerkennen, dass der unverhoffte Geldsegen, Wettrennen von Hase und Igel. der im Moment die Regierung erreicht, nicht zuletzt der Politik der Minister Waigel und Bötsch insofern zu ver- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Ministe- danken ist, rin, es ist platt und mangelhaft souverän, so zu argumentieren!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr rich- tig! – Zurufe von der SPD: Oh!) Sie haben hier wieder gefordert, die Bildungspolitik müsse Priorität haben. Dieser Grundsatz ist bei uns, wie als diese beiden Herren gegen das erklärte Votum der ich eben erläutert habe, seit zwei Jahren praktische Poli- damaligen Landesfürsten Schröder und Eichel – zum Teil tik. geben sie es wohl zu – die Privatisierung im Post- und (B) Telekommunikationswesen durchgesetzt haben? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass für den Bereich Bildung und Forschung jetzt 1,1 Milliar- Ich kann mir ein Schmunzeln wirklich nicht verknei- den DM, aber im Bereich Verkehrswesen für die Infra- fen: Nachdem Sie über Jahre dieses Ressort vernachläs- struktur über 3 Milliarden DM mehr fließen. Ich muss sigt und den Etat immer weiter heruntergefahren hatten, also die Frage stellen, ob die Infrastruktur des Wissens (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben mit nicht sehr mangelhaft gefördert wird. unserem Geld mehr erreicht als Sie! Wie kann (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter so viel Geld so wenig bewirken, Frau Ministe- [CDU/CSU]: Sehr gute Zwischenfrage!) rin? – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie haben schwarzes Geld gehabt!) Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung dreht sich Ihre Politik in der Opposition – zumindest ver- und Forschung: Herr Lensing, gerade weil wir davon bal – um 180 Grad. Ich kann in Anspielung auf das eben überzeugt sind, dass Wissen, Qualifikation und Ausbil- erwähnte Wettrennen nur sagen: Wir sind schon da. dung das Wichtigste sind, das ein Mensch und die Ge- sellschaft besitzen können, haben wir die Ausgaben für (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Bildung und Forschung immens erhöht. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber auch das ist klar: Ans Ziel kommt man nicht al- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lein durch den Einsatz großer Summen. Man muss auch intelligente Strategien entwickeln. Dieser Haushalt stieg seit 1998 um 2,5 Milliarden DM. Wir erhöhen den Etat in diesem Jahr um 9,5 Prozent. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das fehlt Ih- nen! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum ant- daran fehlt es!) worten Sie eigentlich nicht auf die Frage des Kollegen Lensing? Sie haben doch selbst gegen Auch das lehrt uns die Geschichte von Hase und Igel. Ich die Privatisierung der Telekommunikation ge- werde dazu noch einige Beispiele aus der Bildungs- und stimmt!) Forschungspolitik anführen. Stephan Hilsberg – ich freue mich auf die Zusammen- Unsere Erhöhung der Investitionen in Bildung und arbeit mit ihm – muss in seiner Funktion als Staatssekre- Forschung hat insbesondere zwei Ziele: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13475

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) Erstens. Wir wollen die soziale Schieflage, die Sie, Denn wenn Sie sich die Haushaltszahlen anschauen, die (C) meine Damen und Herren von der Opposition, zu verant- Sie als Haushälter kennen müssten, dann wüssten Sie, worten und die Sie uns vererbt haben, beseitigen. dass für das BAföG im Jahre 1994 2,270 Milliarden DM (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) vorgesehen waren. 1998, im letzten Jahr Ihrer Regierung, waren es noch 1,475 Milliarden DM. Das haben Sie mit Zentrale Punkte für die Herstellung der Chancengleich- dem BAföG gemacht. Deshalb kann ich nur sagen: Bitte heit sind unsere BAföG-Reform, die Investitionen in Zahlen lesen und Zahlen verstehen! berufliche Bildung, die Angleichung der Lebensver- hältnisse in Ost und West sowie die Förderung von (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Frauen. Mit diesen Initiativen, die wir gestartet haben, Georg Wagner [SPD]: Das können die schaffen wir ein tragfähiges Fundament für die gesamte nicht!) Gesellschaft. Wir erreichen damit weiterhin, dass wir das Während Ihrer Regierungszeit haben Sie das BAföG gesamte Potenzial an Begabungen, das es in unserem durch diese Kürzungen leider in Grund und Boden ge- Land gibt, ausschöpfen und nicht brach liegen lassen, wie wirtschaftet, es in den vergangenen Jahren der Fall war. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer regiert (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten denn jetzt eigentlich? Sie können doch alles än- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dern, wenn Sie es wollen! Machen Sie es doch! Zweitens: Ich habe Schluss gemacht mit der Förderpo- – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Wir re- litik nach dem Gießkannenprinzip und einer Förderphilo- gieren, Gott sei Dank!) sophie nach dem Prinzip: „more of the same“ . mit dem Ergebnis, dass die Zahl der BAföG-Geförderten (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja eine um sage und schreibe 44 Prozent gesunken ist. wagemutige Behauptung!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist denn Wir setzen Schwerpunkte die große BAFÖG-Strukturreform?) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die kennt Für Sie ist Chancengleichheit nur noch ein Wort. Mit der aber keiner!) Reform der Ausbildungsförderung erhöhen wir die Frei- beträge und Bedarfssätze, und zwar nicht nur, Frau Flach, und konzentrieren uns auf zentrale Zukunftsfelder, wie um 75 DM; da bitte ich, korrekt zu sein. zum Beispiel die Lebenswissenschaften, die Informa- tionstechnologie, die Mikrosystemtechnik und die Nano- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Damit können technologie. Das sind die Forschungsfelder, auf die wir Sie vielleicht einen SPD-Sportverein überzeu- (B) uns konzentrieren müssen. Wir brauchen sie, damit unsere gen, aber doch nicht den Deutschen Bundes- (D) Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und unsere jungen tag!) Leute Berufsperspektiven und -chancen haben. Genau das Wir erhöhen sie zusätzlich um 135 DM, weil wir das leisten wir. Kindergeld nicht mehr gegenrechnen, wie Sie das getan (Beifall bei der SPD) haben. Wir erhöhen damit unsere internationale Wettbewerbs- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) fähigkeit und schaffen leistungsfähige Wirtschafts- und Forschungsstrukturen. Das heißt, nach Adam Riese handelt es sich um 210 DM. Das ist die Realität. Ich bitte, wirklich einmal bei der Das sind keine vagen Absichtserklärungen, sondern Wahrheit zu bleiben und nicht einfach falsche Dinge zu das haben wir umgesetzt. Wir haben Fakten geschaffen. In behaupten. der Fabel von Hase und Igel würde der Igel sagen: Wir sind schon da; während Sie noch darüber reden und for- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des dern. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mangelhaft souverän!) (Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das bleibt platt, Frau Ministerin!) – Nein, das ist Fakt. Herr Kampeter, wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, die Absenkung des BAföG von Zunächst zur Chancengleichheit: Allein für die 2,270 Milliarden DM auf 1,475 Milliarden DM zuzu- BAföG-Reform mobilisieren wir 1 Milliarde DM pro gestehen, sondern das als Erhöhung verkaufen wollen, Jahr zusätzlich, um endlich soziale Gerechtigkeit herzu- kann ich nur sagen: Das ist ein Mangel an Souveränität. stellen. Frau Flach, Sie haben völlig Recht: Reformen kosten Geld. Sie haben sie nie umgesetzt, aber wir tun das. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir erhöhen die Bedarfssätze. Zu Ihnen, Herr Kampeter, kann ich leider nur sagen: Sie sind der lebendige Beweis für Mängel beim mathe- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Ministerin, las- matischen Unterricht. sen Sie noch eine Zwischenfrage zu? (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich habe wahr- scheinlich intensiveren Matheunterricht genos- Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung sen als Sie!) und Forschung: Ich lasse Zwischenfragen immer gern zu. 13476 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

(A) Werner Lensing (CDU/CSU): Sie lassen deswegen heit – sowohl für die finanzschwächsten Familien als auch (C) die Zwischenfragen immer zu, weil Sie einige Fragen für Familien mit mittlerem Einkommen – beiträgt, sodass überhaupt nicht beantworten, wie meine vorhin gestellte in Zukunft jeder studieren und eine gute Ausbildung er- Frage. Aber ich bin mutig genug, noch eine zweite Frage halten kann, und zwar auch dann, wenn die Familie über zu stellen, in voller Erwartung, diesmal eine Antwort zu ein geringes Einkommen verfügt oder mehrere Kinder erhalten. hat. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein und über die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verwirklichung dieses Zieles würde ich mich freuen. Die Zahlen, die genannt wurden, mögen alle ihren Wert (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und Sinn haben. DIE GRÜNEN) (Jörg Tauss [SPD]: Aber die stimmen Wir werden mit der Umsetzung dieses Zieles unserer wenigstens!) Verantwortung gerecht, die wir hier im Parlament haben. Da Sie in den 90er-Jahren mit Ihrer Regierung Fehler ge- Aber können wir uns darauf verständigen, dass sie den macht haben, erwarte ich von Ihnen zumindest, dass Sie Studenten konkret überhaupt nichts nützen, weil unsere bei der Umsetzung unseres Reformvorhabens jetzt Studenten seit über zwei Jahren darauf warten, dass sich gemeinsam mit uns darangehen, die Situation wieder zu auch nur eine einzige Leistungsverbesserung ereignet? Im verbessern. Das würde ich mir von Ihnen wünschen. Bereich des Meister-BAföG, auf das Sie sicher gleich noch zu sprechen kommen, haben wir nach allem, was wir hören, erst im Herbst nächsten Jahres eine Lösung zu er- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun wünscht die Kol- warten, weil es keine Abstimmungsmöglichkeiten zwi- legin Flach das Wort zu einer Zwischenfrage. schen Ihrem Hause und dem des Wirtschaftsministers gibt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Bitte schön. Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich stimme Ihnen nicht zu, Herr Lensing, Ulrike Flach (F.D.P.): Frau Ministerin, wir sind uns weil die BAföG-Reform zum 1. April des nächsten Jahres alle darin einig, eine elternunabhängige Förderung errei- in Kraft treten wird. chen zu wollen. Sind Sie aber nicht mit mir auch darin ei- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Steht noch nig, dass das, was Sie und auch Herr Berninger – auch in nicht im Gesetzblatt!) Wahlkämpfen – immer gefordert haben, nämlich eine (B) grundlegende Strukturreform mit dem Ziel einer eltern- (D) Ich will nur darauf hinweisen, dass die CDU diesen unabhängigen Förderung, die auch unser Gesetzent- Vorschlägen im Bundesrat zugestimmt hat. Von daher ist wurf vorsieht, das ist, was Sie eigentlich wollten? es ein bisschen makaber, wenn Sie hier dagegen reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und Forschung: Nein, Frau Flach, in diesem Punkt bin ich Die CDU/CSU-geführten Länder haben im Bundesrat mit Ihnen nicht einer Meinung. Die von mir vorgelegten zugestimmt, sodass dieses Gesetz zum 1. April in Kraft Pläne einer BAföG-Reform wollen im Sinne einer grund- treten wird. Durch dieses Gesetz wird den Jugendlichen legenden Strukturreform erreichen, dass rund 80 000 Ju- eine erheblich bessere Unterstützung und Hilfestellung gendliche aus Familien mit geringem oder mittlerem gegeben; sie werden das ganz klar und deutlich spüren. Einkommen eine qualifizierte Ausbildung erhalten. Gleichzeitig führen wir eine Internationalisierung des Herr Lensing, ich sage Ihnen eines: In diesem Punkt BaföG ein; in Zukunft soll man ein Vollstudium im Aus- würde ich mich wirklich freuen, wenn wir alle gemeinsam unsere Kraft dafür einsetzten, das BAföG wieder zu dem land durchführen können, wenn man vorher bereits zwei zu machen, was es einmal war. Es soll von den Jugend- Semester in Deutschland studiert hatte. lichen und deren Familien als Hilfestellung gesehen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auch in Anspruch genommen werden, die ermöglichen DIE GRÜNEN) soll, dass Jugendliche, denen keine goldene Kreditkarte in die Wiege gelegt wurde, studieren und eine gute Ausbil- Wir schaffen mit dieser Reform eine Angleichung der dung erhalten können. Das muss unser gemeinsames An- Verhältnisse in Ost und West, damit in Zukunft die Stu- liegen sein. dierenden – auch wenn sie nicht wohlhabend sind – in den Semesterferien nicht unbedingt jobben müssen, sondern (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zum Beispiel auch ein Praktikum in einer Hightech-Firma DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ durchführen oder im Ausland studieren können. Wir er- CSU]: Das ist doch pure Klassenkampfrhetorik, reichen mit dieser Strukturreform, dass künftig alle Stu- aber kein BAFÖG-Konzept!) dierenden – das ist für mich ein wichtiges Ziel – beim Dieses Ziel ist erreichbar, und deshalb sollten wir ge- Start in den Beruf einen karrierefähigen und konkurrenz- meinsam dafür werben, sollten über das BAföG infor- fähigen Lebenslauf vorlegen können, und zwar unabhän- mieren und deutlich machen, dass diese BAföG-Reform gig vom Einkommen. Das zu erreichen ist eine wichtige tatsächlich zur Wiederherstellung der Chancengleich- Aufgabe und ein wichtiges Ziel in einer Demokratie, und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13477

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) erst die Umsetzung dieses Ziels schafft tatsächlich Chan- dungsplatzprogramm Ost die richtigen Entscheidungen (C) cengleichheit. getroffen, die richtigen Initiativen gestartet. Deshalb kann man sagen: Auch bei dem Politikziel „Mehr Chancen für (Beifall bei der SPD und dem BÜND- die neuen Bundesländer“ gilt: Wir sind schon da. – So viel NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Chancengleichheit. Auch die Misere auf dem Lehrstellenmarkt haben wir Nun zu den Zukunftsfeldern in Wissenschaft und For- bereits in vielen Regionen erfolgreich bekämpft. Zum ers- schung. Die Lebenswissenschaften werden der wichtigs- ten Mal seit vielen Jahren werden mehr Ausbildungs- te Innovationsbereich im 21. Jahrhundert sein. Deshalb plätze angeboten als nachgefragt. Junge Menschen, die steigern wir die Fördermittel in den Bereichen Biotech- lernen wollen und können, haben eine gute Chance, einen nologie, Gesundheits- und Medizinforschung, molekulare Ausbildungsplatz zu erhalten. Unsere Jugendlichen haben Medizin und Genomforschung erheblich. Sie haben vor- damit wieder eine berufliche und private Perspektive. Al- hin darauf hingewiesen. Diese Forschungsinvestitionen lerdings: Besonders in den neuen Bundesländern gibt es sind aus zwei Gründen notwendig. noch immer einen Mangel an betrieblichen Ausbildungs- plätzen. Deshalb werde ich den Kampf um mehr betrieb- Erstens. Es sind die wichtigen Investitionen, mit denen liche Ausbildungsplätze – gerade in den neuen Bundes- wir in Zukunft bessere Heilungsmöglichkeiten, bessere ländern, wo wir sie dringend brauchen – nicht aufgeben. Therapiemöglichkeiten für wichtige Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, Herz- und Kreislaufkrankheiten oder (Beifall bei Abgeordneten der SPD) auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, über die wir in den Ich werde auch das Ziel einer notwendigen Moderni- letzten Tagen hier sehr viel diskutiert haben, erhalten. sierung der Ausbildungsberufe sowie einer Schaffung Ohne Investitionen in diese Bereiche werden wir nicht das neuer Berufe nicht aus den Augen verlieren. Wir haben in- notwendige Wissen haben und keine Therapien ent- zwischen mehr als 40 Ausbildungsberufe modernisiert. wickeln. Deshalb ist das ein wichtiger Schwerpunkt. Wir haben weiterhin mit den UMTS-Zinsgewinnen einen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Modernisierungsschub in den Berufsschulen ermöglicht, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) den wir gerade für die Ausbildung in zukunftsträchtigen Berufen einsetzen. Deshalb war es für mich ein wichtiges Ziel, dass wir die Mittel in diesem Bereich erheblich erhöhen. Sie haben zu (Beifall bei der SPD) Recht gesagt, dass ich im Bereich der Genomforschung Dann finanzieren wir den Anschluss im IT-Bereich, den die Mittel um 300 Prozent erhöht habe, und zwar mit dem Sie verpasst haben. Dies ist, wie so vieles auf diesem Feld, Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten. (B) wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, (D) aber auch für die Lebensperspektiven unserer Jugend- Ich will einen zweiten Punkt nennen, die Informati- lichen. ons- und Kommunikationstechnologien. Mit unserem Programm Zukunftsinitiative Hochschule und den IuK- Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin kritisiert, Technologien machen wir unsere Hochschulen zukunfts- dass wir in der Bildung zu wenig machen. Ich halte das für fähig. Wir investieren in Gebäude und in modernste Ge- falsch. Wir haben mit unseren Vorschlägen und unseren räte, aber auch und vor allem in den Menschen. Allein Programmen erreicht, dass in den Bildungseinrichtungen 1,3 Milliarden DM investieren wir in die Förderung der neuer Schwung vorhanden ist. Nachwuchswissenschaftler. Das ist notwendig und rich- (Beifall bei der SPD) tig. Wir haben Programme entwickelt, mit denen die Hochschulen Zugang zu den neuen Medien bekommen. Die neuen Medien werden inzwischen in erheblich Wir vernetzen über die neuen Medien unsere Hochschu- größerem Maße eingesetzt. Das ist auch ein Ergebnis des len stärker mit der internationalen Wissenschaftswelt. Wir Programms „Schulen ans Netz“. Bis einschließlich 2001 vernetzen sie auch stärker untereinander und mit der werden wir alle Schulen an das Netz anschließen. Ich habe außeruniversitären Forschung, wie Max-Planck, wie das Programm für die Lernsoftware im Frühjahr dieses Fraunhofer, wie Helmholtz. Wir entwickeln mit diesen Jahres gestartet. Denn ohne qualifizierte Inhalte nutzt Programmen Modelle für eine virtuelle Universität. Denn auch die Hardware nichts. Das ist völlig klar. nur eine intelligente Kombination von Präsenzuniversität (Beifall bei der SPD) und virtueller Universität wird Deutschland einen Rang als internationalen Wissenschaftsstandort sichern. Jetzt sind die Länder in der Pflicht, ihre Lehrer ent- sprechend zu qualifizieren und fortzubilden. Wir müssen Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist auf- gemeinsam mit der Wirtschaft, weil es aus öffentlichen grund der langen Regierungszeit der jetzigen Opposition Kassen nicht allein zu finanzieren ist, dieses Ziel errei- noch immer ein weißer Fleck auf der längst existierenden chen, indem wir bis zum Jahr 2006 eine flächendeckende Hochschullandkarte des virtuellen globalen Dorfes. Wir Ausstattung von Schulen mit PCs und mit Laptops si- unterstützen unsere Hochschulen dabei, sich auf dieser cherstellen. Landkarte zu positionieren, damit sie für unsere eigenen und für ausländische Studierende attraktiv wird. Mit den Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe vor- neuen Medien und der Entwicklung virtueller Hochschul- hin gesagt, dass die Angleichung von Ost und West ein projekte, mit der Entwicklung der Internationalisierung weiteres wichtiges Ziel für die Chancengleichheit ist. Wir der Hochschule und den zahlreichen Programmen für die haben mit der Initiative Inno-Regio und dem Ausbil- Förderung der Nachwuchswissenschaftler verbessern wir 13478 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Bundesministerin Edelgard Bulmahn (A) nicht nur unsere Chancen im Wettbewerb um die intelli- und gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und mit (C) gentesten Köpfe, sondern schaffen auch modernste Mög- den Gewerkschaften fortentwickeln. Wir haben aber auch lichkeiten der arbeitsbegleitenden Weiterbildung. in Erinnerung, dass Sie auf diesem Gebiet – das ist Ihnen Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Wir haben heute schon einmal vorgetragen worden – den zentralen Schritte vollzogen – ich erinnere an die Zusammenfüh- Vorschlag Ihrer Oppositionszeit beerdigt haben, nämlich rung von Fraunhofer-Gesellschaft und GMD –, mit denen eine unsinnige Umlagefinanzierung für berufliche Aus- wir wichtige Forschungseinrichtungen auf eine neue Ba- bildungsplätze in der Wirtschaft. sis stellen. Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dafür, Exzellenz in der Grundlagenforschung und Exzel- lenz in der angewandten Forschung zu verbinden. Ergeb- Beerdigt haben Sie auch einen zentralen Vorschlag Ih- nisse aus diesem Bereich können somit schneller umge- res Konzeptes für eine BAföG-Strukturreform, nämlich setzt werden. das an die Studierenden direkt auszuzahlende Bildungs- geld. Unabhängig vom Machtwort des Kanzlers hat uns Mit der interdisziplinären Ausrichtung von For- Herr Staatssekretär Catenhusen mitgeteilt: Es ist schlicht schungszentren, die wir unterstützen und mit der zielori- nicht finanzierbar. Das haben wir so schon in den Ver- entierten Zusammenarbeit von Wissenschaft, von Wirt- merken des Kollegen Rüttgers gelesen. Sie haben es nur schaft, von Hochschulen, von Forschungsinstituten und nicht geglaubt. von ihren Partnern in der Industrie – dies spielt in unse- ren Förderprogrammen eine wichtige Rolle – schaffen Deshalb wundert es mich nicht, Frau Ministerin, wenn wir die Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft und For- der Bundesrat Ihrer jetzigen BAföG-Reform im Großen schung in der Bundesrepublik den höchsten Stellenwert und Ganzen zustimmt. Sie basiert auf den Eckpunkten un- erhalten. Außerdem schaffen wir die Voraussetzung serer Vorschläge. Der zentrale Punkt Ihres alten Konzep- dafür, dass die Ergebnisse von Wissenschaft und For- tes ist verschwunden. Aus diesem Grunde sagen wir nur schung zum Nutzen der Menschen, die in unserem Land noch: Die BAföG-Reform kommt zu spät. leben, schnell angewandt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ich ziehe folgendes Fazit: Während die Opposition der F.D.P.) über Investitionen in Forschung und Bildung nur redet, nehmen wir diese Investitionen tatsächlich vor. Der Kollege Kampeter hat mir neulich eine Unterlage zur Verfügung gestellt, aus der hervorgeht, dass die Mit- Vielen Dank. tel wahrscheinlich in einer Größenordnung von 10 Pro- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zent nicht abfließen. Das heißt, die Förderquote sinkt in- (B) DIE GRÜNEN) zwischen wieder. Ihre Strukturreform – eine Reform „im (D) System“, wie wir sie immer wollten – kommt mindestens ein halbes Jahr zu spät. Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion. In der Zwischenbilanz lese ich, dass die jetzige Bun- desregierung den entscheidenden Kurswechsel vorge- nommen hat. Nach dem, was ich gerade vorgetragen habe, Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) (CDU/CSU): Frau kann man den Eindruck gewinnen, dass die SPD selbst in Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einigen entscheidenden bildungspolitischen Punkten ei- heute mehrfach, zuletzt von Frau Ministerin Bulmahn, nen Kurswechsel vorgenommen hat. Das Gleiche stellen gehört, dass in den 90er-Jahren, so steht es auch in dem Zweijahreszwischenbericht ihres Hauses, Rückschritt und wir übrigens auch auf Landesebene fest. Dort finden wir Stagnation in Deutschland herrschten. Nach dem Regie- immer weniger SPD-Politiker, die bereit sind, Gesamt- rungswechsel sei ein neuer, strahlender Stern aufgetaucht schulen und Orientierungsstufen zu verteidigen. Einer Ih- und alles sei schlagartig besser geworden. Frau Ministe- rer Ministerpräsidenten will die Orientierungsstufe sogar rin, das glauben Sie doch selbst nicht. abschaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Leider können wir nicht bestätigen, dass die wichtig- Jörg Tauss [SPD]: Doch!) sten Hausaufgaben auf Bundesebene inzwischen erledigt sind. Mein Kollege hat mit Zwischenfragen schon darauf Am Beispiel der Bildungspolitik will ich einmal auf- aufmerksam gemacht, dass wir auf eine Novelle, in der zeigen, was in den letzten Jahren entschieden wurde und die berufliche Aufstiegsfortbildung, das so genannte was zurzeit entschieden wird. Vor der Wahl haben wir ge- Meister-BAföG, neu geregelt wird, dringend warten. Mit meinsam eine Hochschulreform verabschiedet. Ihr Vor- Ihren Vorschlägen für ein neues Hochschuldienstrecht gänger, Herr Minister Rüttgers, hat mit der Modernisie- sind Sie in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Begeistert rung der beruflichen Bildung begonnen und die Schaffung sind offensichtlich nur die Finanzminister der Länder. Der neuer Berufsbilder beschleunigt. Unter anderem deshalb Hochschulverband und der Hochschullehrerbund kritisie- können Sie heute verkünden, dass 40 000 junge Menschen ren viel zu niedrige Grundgehälter, die irgendwo bei der in den neuen IT-Berufen ausgebildet werden. Besoldung von Oberregierungsräten und Regierungsdi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) rektoren angesiedelt sind. Wir bestreiten nicht, dass Sie im Bereich der berufli- (Jörg Tauss [SPD]: Legt den Bayern mal chen Bildung die Maßnahmen Ihres Vorgängers fortsetzen drauf!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13479

Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) (A) – Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Tauss. Wir haben Ich habe mir die Haushaltsentwicklung des Einzel- (C) hervorragende Wissenschaftler in Bayern – dazu komme plans 30 – Bildung und Forschung – noch einmal ange- ich später noch –, aber bei den von Ihnen angebotenen schaut. Danach wird der Einzelplan bis zum Jahr 2003 Grundgehältern laufen sie uns davon. Ich verstehe über- gegenüber dem Ist des Jahres 1998 nur um 2,6 Milliar- haupt nicht, dass man ein neues Programm finanzieren den DM aufgestockt. Dabei wollten Sie 5 Milliarden DM will, um Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland nach zusätzlich für Bildung ausgeben. Auch der Wirtschafts- Deutschland zu holen, was ja richtig ist, hier aber gleich- minister hilft Ihnen nicht, die Bilanz aufzubessern. Er be- zeitig so miese Grundgehälter angeboten werden. handelt nämlich die Titel für Forschung und Technologie besonders stiefmütterlich. Nach vielen Beschlüssen, jetzt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei mehr in den Haushalt des Wirtschaftsministers zu geben, Abgeordneten der F.D.P.) beläuft sich das Plus – ich habe das nachgerechnet – ge- Frau Ministerin, es ist nicht nur so, dass ich dies nur genüber dem Stand von 1998 auf 150 Millionen DM. Das kritisiere, weil ich Oppositionspolitiker bin. Wir sind in ist wirklich jämmerlich. Es war offensichtlich ein Fehler Bayern und Baden-Württemberg bereit, mehr zu finan- – da stimmen Sie mir wahrscheinlich zu –, Kompetenzen zieren, weil wir das hohe Niveau unserer Hochschulen in diesem Bereich an das Wirtschaftsministerium abzuge- aufrechterhalten wollen. ben. Sie haben im Rahmen der Dienstrechtsreform vorge- (Beifall bei der CDU/CSU) schlagen, die Qualifikationsphase des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verkürzen. Das ist ein guter Vorschlag; Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Ihre Bilanz denn die Qualifikation dauert zu lange, die Leute sind zu in einigen Jahren noch schlechter ausschauen wird als die lange abhängig, können zu spät selbstständig forschen Zahlen, die ich jetzt vorgetragen habe; denn eines Tages und lehren. Deshalb werden wir Ihren Vorschlag, die Ju- werden Sie das Soll, also die geplanten Ausgaben, mit niorprofessur einzuführen, unterstützen. dem Ist, den tatsächlichen Ausgaben, vergleichen müssen. (Jörg Tauss [SPD]: Bayern auch?) (Jörg Tauss [SPD]: Aber das Ist kommt an!) – Ja, Bayern auch. Aber was Bayern nicht machen wird, Dieses Haus war schon im ersten Jahr, nämlich 1999, Herr Tauss – da wird die Ministerin scheitern –, ist, die überhaupt nicht in der Lage, das zusätzliche Geld auszu- Habilitation abzuschaffen. geben, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Dazu ist die Fächerkultur viel zu unterschiedlich. (B) und hat 236 Millionen DM an den Finanzminister zurück- (D) (Jörg Tauss [SPD]: Ja, wasch mir den Pelz, gegeben. aber mach mich nicht nass!) (Jörg Tauss [SPD]: So einen Saustall habt ihr Ich hatte erst in der letzten Woche eine große Veran- uns hinterlassen!) staltung mit den Professorinnen und Professoren meiner eigenen Universität. Wir haben einen Weg aufgezeigt, wie Ich habe mir den Abfluss der Mittel in diesem Jahr ange- man auch über die Habilitation das Ziel erreichen kann, schaut. Er ist ebenfalls zum Teil miserabel. Aber warten Berufungen mit 35 Jahren durchzuführen. wir einmal das Ergebnis ab. Ich fürchte, dass auch ein Teil der jährlich zusätzlich veranschlagten 600 Millionen DM, (Jörg Tauss [SPD]: Das ist eine die Sie aus den Zinsersparnissen erhalten, nicht abfließen Mogelpackung!) wird. Man muss die heute überwiegend zweckentfremdeten Es ist eigentlich eine ganz gute Idee, deutsche Spitzen- Stellen der wissenschaftliche Assistenten für Habilitan- forscher, die ins Ausland gegangen sind, zurückholen den reservieren und ihnen eine größere Selbstständigkeit bzw. ausländische Spitzenforscher zu uns holen zu wol- gegenüber dem Lehrstuhlinhaber einräumen. len. Nun höre ich aber, die Mittel für Berufungen seien nur Ich komme jetzt zum Geld. Frau Ministerin, ich werde auf drei Jahre befristet und die Verhandlungen seien nicht behaupten, dass Rot-Grün bei der Finanzierung von schwierig. Gehen Sie denn davon aus, dass die Forscher Bildung und Forschung total versagt; denn dann würden in den USA auf ihren Koffern sitzen, um endlich nach mich die Leute nicht ganz ernst nehmen. Deutschland berufen zu werden, um den Glanz unseres Wissenschaftsstandortes zu erhöhen? Ich halte es für un- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des realistisch, wenn Sie sagen, dass dieses sinnvolle Pro- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss gramm schon im Jahr 2001 anlaufen kann. [SPD]: Wie Herrn Kampeter, den nimmt auch niemand mehr ernst!) Wir haben dem Bundesforschungsbericht entnommen, dass die Dichte an Forschungs- und Entwicklungsperso- Sie aber haben dieses Problem: Ihre Ankündigungen, die nal in den neuen Bundesländern etwa halb so groß ist wie Ausgaben zu verdoppeln oder –nach der Wahl wurde hier bei uns in Westdeutschland. Deshalb sind wir durchaus schon deutlich reduziert – wenigstens 1 Milliarde DM dafür, Wachstumskerne in den neuen Bundesländern zu jährlich draufzulegen, werden nicht mehr ernst genom- finanzieren. Aber Sie wollen immer um jeden Preis men. schnell neue Programme, um die Presse mit neuen Ideen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zu füttern. Wir gehen davon aus, dass Ihre zuständigen 13480 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) (A) Mitarbeiter im Herbst nächsten Jahres im Ministerium sit- Für die Genomforschung schlägt die Koalition ge- (C) zen und nach Ausschreibung, Vorlage und Prüfung von meinsam mit der Ministerin eine Aufstockung der Mittel Konzepten händeringend Leute suchen werden, die in der um 100 Millionen DM vor. Wir haben bereits im letzten Lage sind, das Geld noch im Jahr 2001 auszugeben. Jahr 200 Millionen DM jährlich mehr beantragt, nicht Es fehlt dieser Haushaltspolitik an Kontinuität. Man weil da unsere Fantasie mit uns durchgegangen wäre, son- kann die Mittel nur kontinuierlich nach oben entwickeln. dern weil das dem Vorschlag der Deutschen Forschungs- Bei Ihnen treten die Finanzminister abwechselnd aufs Gas gemeinschaft entspricht. Da sind Ihre Ansätze zu niedrig. und auf die Bremse, und die Bildungsministerin ver- Ich füge hinzu: Wir wollen das zusätzliche Geld nicht schärft die Probleme dadurch, dass sie nicht prüft, wo nur für die Humangenomforschung einsetzen, sondern Geld schnell und wirksam ausgegeben werden kann, und auch für die Pflanzengenomforschung. Es ist festzustel- sich stattdessen nur bemüht, die Medien mit neuen Ideen len, dass in einem Teil der Bundesregierung und der Ko- zu bedienen. Manchmal wird daraus gar nichts wie bei alition durchaus die Bereitschaft vorhanden ist, auch die- den Laptops; das waren nur Schlagzeilen für einige Tage. sen Forschungsbereich zu fördern. Vielleicht wollen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – unsere Bürgerinnen und Bürger das gar nicht; denn bei Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ein uns gibt es genügend Lebensmittel. Aber für die Welt- Floptop! Ein Topflop!) ernährung brauchen wir das Ganze dringend. Der Kollege Hilsberg – dem auch ich herzlich zur Er- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nennung zum Staatssekretär gratuliere – hat als letzte Tat Deshalb wiederhole ich: Auch die Pflanzengenomfor- (Jörg Tauss [SPD]: Was heißt „letzte Tat“? Die schung muss gestärkt werden. großen Taten kommen bei ihm erst noch!) Ich habe jetzt nur noch Zeit, auf das Märchen einzuge- der „tageszeitung“, einer Berliner Zeitung, ein großes In- hen, dass gemäß Ihrem Zwischenbericht CDU und CSU terview gegeben, in dem er mitgeteilt hat, wie diese Bun- – wahrscheinlich meinen Sie auch die F.D.P. – nicht in der desregierung aus den Zinsersparnissen durch die UMTS- Lage seien, Forschung und Technologie sinnvoll voranzu- Milliarden jährlich 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben wird. Im Ankündigen sind Sie wirklich großartig. Deshalb bringen und entsprechende Marktchancen zu nutzen. Ich jubeln wir nur begrenzt, Frau Ministerin, wenn Sie, im habe mir einmal den Bundesforschungsbericht 2000, Gegensatz zum – nicht sehr starken – Verkehrsminister, der aus Ihrem Hause stammt, angeschaut und finde dort nur die Hälfte Ihrer Wunschliste durchgesetzt haben. schöne Zahlen, die das widerlegen. Auf Seite 109 sind An- gaben dahin gehend zu finden, wie groß in der Wirtschaft (B) Wir haben im Fachausschuss und im Haushaltsaus- der Umfang des Personals für Forschung und Entwick- (D) schuss mehrere Vorschläge gemacht. Ich habe jetzt nicht lung in den einzelnen deutschen Ländern ist. Dazu ist dort mehr die Zeit, alle zu erläutern, aber einige Punkte will ich zu lesen: kurz aufgreifen. In den neuen und alten Ländern ergibt sich überein- Erstens. Die Regierung sagt zu Recht, sie müsste die stimmend eine Konzentration auf die Länder im Sü- Projektmittel schneller erhöhen als die Mittel für die in- stitutionelle Förderung. Bei der Projektförderung wer- den. Baden-Württemberg und Bayern vereinigen den die Mittel im Wettbewerb vergeben. Daher ist das völ- mehr als die Hälfte des FuE-Personals der alten Län- lig richtig; wir billigen das. Wir meinen aber, dass man, der auf sich. In den neuen Ländern arbeiten allein wenn man mehr Geld zur Verfügung hat, zunächst einmal 45,6 Prozent der FuE-Beschäftigten in Sachsen, die globale Minderausgabe streichen sollte, weil diese nur – herzlichen Glückwunsch dem Kollegen Schmidt – im Bereich der Projektförderung erwirtschaftet werden kann. weitere 19,6 Prozent in Thüringen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Dann habe ich mir angeschaut, wo das meiste Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird: Baden- Zweiter Punkt. Wo kann man Geld schnell und sinnvoll Württemberg hat einen Bevölkerungsanteil von 12,7 Pro- ausgeben? Sie haben den Ansatz für den Hochschulbau zent. Dort werden 23,5 Prozent aller in Deutschland für erhöht. Das ist gut; aber hier könnte man noch wesentlich FuE veranschlagten Mittel ausgegeben. Bayern hat einen mehr machen. Den Unterlagen des Hauses von Frau Mi- Bevölkerungsanteil von 14,8 Prozent. Dort werden nisterin Bulmahn entnehme ich, dass der Bund zurzeit bei den kleineren laufenden Projekten – die Vorfinanzierung 20 Prozent aller für FuE veranschlagten Mittel aus- aus Bayern erwähne ich dabei gar nicht; die größeren gegeben. Brocken kommen, glaube ich, erst im Jahr 2004 oder spä- Frau Präsidentin, ich stelle deshalb abschließend fest: ter als Rechnung nach Berlin – Schulden in Höhe von Dort, wo die CDU oder die CSU regiert, fühlt sich die for- etwa 1 Milliarde DM hat. Wir schlagen vor, diese Schul- schende Industrie, fühlen sich Wissenschaftler an Univer- den schneller abzutragen. sitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz hat uns besonders wohl. mitgeteilt, dass im Bereich der Großgeräte ein hoher Vielen Dank. Reinvestitionsbedarf besteht. Da könnte man schnell und sinnvoll Geld ausgeben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13481

(A) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich erteile nun das Sie haben uns Technikfeindlichkeit vorgeworfen. Dazu (C) Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Damit wer- Grünen. fen Sie indirekt unserem großen Partner, den USA, Tech- nikfeindlichkeit vor; denn die USA haben sich schon vor Jahren aus dem Projekt ITER zurückgezogen. Es ist also Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): keine besondere Position, die wir hier vertreten. Die USA Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- haben – das ist ganz aktuell – die Haushaltsmittel für die ren! Herr Kampeter, ich möchte eingangs auf das von Ih- Laserfusionsforschung gestoppt, weil – man höre und nen Erwähnte noch einmal zurückkommen. staune – die Fusion wohl keine Zukunft hat und man nicht (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Meine Rede erwartet, dass sie in vielleicht 50 Jahren etwas zur Ener- hat euch richtig in Unruhe versetzt!) gieversorgung beitragen wird. Nein, wir machen es an- ders. Wir setzen auf Zukunftstechnologien, die keine Ri- Sie haben die angeblichen Initiativen von Herrn Rüttgers siken bergen und die uns bald von den Problemen befreien herausgestellt. Ich will Ihnen einmal die entscheidende können, die mit den nuklearen Technologien verbunden Initiative von Herrn Rüttgers in Erinnerung rufen: Das sind. war nämlich die jährliche Kürzung der in den Haushalt für Bildung und Forschung eingestellten Mittel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nun gibt es den Dies haben wir nicht fortgeführt. Ganz im Gegenteil: Un- Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Kollegin ter Rot-Grün sind die Mittel von Jahr zu Jahr gestiegen. Flach. Möchten Sie sie zulassen? In diesem Jahr – das möchte ich festhalten – können wir ein wahres Weihnachtsfest feiern. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Bitte sehr, Frau Kol- Denn zu den bereits vorgesehenen Mittelerhöhungen des legin. Bundesforschungsministeriums um rund 800 Millionen DM kommen in diesem Jahr im Rahmen der UMTS- (Jörg Tauss [SPD]: Ausschussvorsitzende haben Zinsersparnisse noch weitere 700 Millionen DM hinzu. immer das Wort! Die verehren wir gerade- Davon gehen 600 Millionen DM in das Bildungs- und zu!) (B) Forschungsministerium und 100 Millionen DM in das (D) Wirtschaftsministerium. Ulrike Flach (F.D.P.): Herr Fell, wie erklären Sie sich Aus Gründen der Zeit will ich mich auf zwei wichtige die Aussage Ihrer Kollegin Hustedt vom gestrigen Tag, Forschungsthemenbereiche beschränken, die im Haushalt dass sie auf Ihre Bemerkung, die Forschung werde be- 2001 besondere Akzente erfahren: Das ist die Energiefor- sonders zukunftsträchtig im Bereich Offshore und Geo- schung und die Gesundheitsforschung. thermik platziert und das sei eine gute Sache, wörtlich sagte: Wir sind doch längst viel weiter, Herr Fell. Das ist Zur Energieforschung: Angesichts der großen Ener- doch wirklich nicht mehr prickelnd, was Sie da vortragen. gieprobleme wie zum Beispiel Treibhauseffekt und Res- – Gibt es da eventuell gewisse Diskrepanzen in Ihrer ei- sourcenverknappung ist es ein besonders wichtiger Er- genen Fraktion? folg, dass die Mittel für die Energieforschung deutlich angehoben werden. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er ist nicht auf der Höhe der Zeit!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ei- 100 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen wer- gentlich verstehe ich Ihre Frage nicht. Wenn Sie mir zu- den zusätzlich für die Energieforschung bereitgestellt. gehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich diese Bereiche Das BMBF erhöht in seinem Zuständigkeitsbereich die als wichtige Forschungsbereiche herausgestellt habe, für Mittel um 7 Millionen DM. Im Landwirtschaftsministe- die wir endlich mehr Geld ausgeben konnten; denn unter rium kommt es in diesem Bereich zu weiteren Mitteler- der alten Regierung sind gerade im geothermischen und höhungen um 15 Millionen DM. solarthermischen Bereich die Mittel ständig gekürzt wor- Mit 80 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen den. Wir haben sie in diesem Haushalt deutlich erhöht. wird im Wirtschaftsministerium wichtigen Technologien ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in diesem Bereich zum Durchbruch verholfen: der Brenn- NEN]: Die Frage war, ob es bei uns prikkelt!) stoffzelle und den Offshorewindkraftanlagen. Die weite- ren 20 Millionen DM stehen dem Umweltministerium zur – Prickelnd ist es bei uns sowieso. Verfügung. Die Schwerpunkte liegen auf der geothermi- Ich komme nun zum zweiten wichtigen Forschungsbe- schen und der solarthermischen Stromerzeugung. Das, reich, über den hier schon mehrfach diskutiert wurde: die Frau Flach, ist die Antwort auf Ihre Frage, ob wir uns noch Gesundheitsforschung. Riesenhuber und Rüttgers haben stärker in der Fusionsforschung engagieren sollten. nie ein solches Gesundheitsforschungsprogramm auf den 13482 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Hans-Josef Fell (A) Weg gebracht, wie es jetzt Rot-Grün – wir haben es mit Sollten Sie damit Erfolg haben, wäre das sicherlich zum (C) einem hohen Mittelansatz ausgestattet – gemacht hat. Nachteil für Bildung und Forschung, da der rot-grüne Höhenflug damit beendet wäre. Insbesondere in den Bereichen der Genomforschung und der Biotechnologie werden jetzt neue Akzente ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt. Hier sind erneut umfangreiche Mittelerhöhungen und bei der SPD) von weit über 100 Millionen DM vorgesehen. Die Mittel aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, die für den Forschungsbereich vorgesehen sind, fließen der Gesund- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Für die SPD-Fraktion heitsforschung zu, was von Bündnis 90/Die Grünen be- spricht jetzt der Kollege Jörg Tauss. grüßt wird, da hier große Hoffnungen vorhanden sind. Gentechnik in der Medizin bietet sowohl Chancen als Jörg Tauss (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr ver- auch Risiken. Beides gilt es zu bewerten. Das steht im Ge- ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe gensatz zu dem, was Sie, Frau Flach, vorhin gesagt haben, Kollegen! Natürlich wünsche auch ich meinem Vorgän- als Sie nur auf die Chancen hingewiesen haben. Sie schei- ger, dem Kollegen Stephan Hilsberg, alles Gute. Ich biete nen die Risiken nicht zu kennen. Eine starke Gewichtung Ihnen allen eine gute Zusammenarbeit an. Aber – darauf liegt aus unserer Sicht aber genau auf der Risikofor- komme ich gleich noch zurück – es muss von Ihnen noch schung. ein bisschen mehr kommen, um eine Zusammenarbeit im Sinne von Bildung und Forschung zu erreichen. Sonst Ebenfalls wichtig ist die Verstärkung der Erforschung sind Sie kein Gesprächspartner. der sozialen, ethischen, rechtlichen, kulturellen, ökono- mischen und technischen Folgen der Gentechnik. Hier (Beifall bei der SPD) können wir bereits Vollzug melden: Wir werden in den Wir behandeln heute den Haushalt für Bildung und nächsten drei Jahren 5 Prozent der vorgesehenen Mittel Forschung und damit den entscheidenden Zukunftsetat. zur Erforschung der Risikovorsorge ausgeben. Das ist we- Nach nur zwei Jahren SPD-geführter Bundesregierung sentlich mehr als international üblich. – alle Rednerinnen und Redner haben darauf hingewie- Das wird auch dem Verbraucherschutz dienen; denn sen – gibt es das wichtige und richtige Signal, dass die genetisch verändertes Material in Lebensmitteln muss dringend notwendige Trendwende in der Bildungs- und aufgespürt werden. Es gilt herauszufinden, wie sich gene- Forschungspolitik auch mit diesem Haushalt gelungen ist tisch veränderte Lebensmittel tatsächlich auswirken. Hier und fortgeführt wird. ist Vorsorge wichtig, bevor wir ein BSE-ähnliches Pro- Wir erfahren gegenwärtig einen gewaltigen Umbruch blem durch gentechnisch veränderte Lebensmittel be- der modernen Gesellschaft zur Wissens- und Informati- (B) kommen. Dafür betreiben wir die nötige Vorsorge. (D) onsgesellschaft. Schon diese Bezeichnung sagt relativ Aber Bündnis 90/Die Grünen beschränken sich inner- klar, dass Fragen der Aus- und Weiterbildung sowie die halb der Gentechnikforschung keineswegs auf die Risi- der Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland in ei- kobetrachtung und auf ethische Diskurse. Dies hätte den nem noch nicht absehbaren Zeitraum und Maß ständig an Verzicht auf wichtige Gestaltungsmöglichkeiten zur Fol- Bedeutung gewinnen und entsprechend zunehmen. Wir ge. Bei der Genomforschung sollten die Schwerpunkte haben der Bildungs- und Forschungspolitik wieder einen auf die Bereiche konzentriert werden, bei denen die Chan- hohen Stellenwert eingeräumt und werden auch weiterhin cen besonders hoch und die Risiken möglichst niedrig etwas dafür tun. sind. Besondere Vorsicht ist überall dort angesagt, wo veränderte Organismen freigesetzt werden. (Beifall bei der SPD) Die Gentechnik bietet in der Medizin zusätzliche Ich freue mich, dass wir zur Halbzeitbilanz zwei wich- Chancen. Diese liegen im Augenblick vor allem in der tige Botschaften einer tragfähigen und zukunftsfähigen Diagnostik. Langfristig sind auch Therapien denkbar. Bildungs- und Forschungspolitik verkünden können, auf Die Erforschung epigenetischer Prozesse kann zum Ver- die ich im Einzelnen eingehen werde. Mit diesem Etat- ständnis bei der Entstehung und Ausprägung von Volks- entwurf werden wichtige und richtige Weichenstellungen krankheiten beitragen. Die genetische Erforschung von vorgenommen. – die Bundesministerin hat darauf verwie- Mikroorganismen kann es ermöglichen, auch Antibioti- sen –: Erstens. Die Zukunftsinvestitionen werden in ihrem karesistenzen zu verstehen und zu beseitigen zu helfen. Gesamtvolumen deutlich erhöht. Zweitens. Die gesell- schaftliche Bedeutung von Bildung und Forschung wird Die Erhöhung der Mittel für Zukunftsinvestitionen und in diesem Land wieder anerkannt – Ihnen ist vorzuwerfen, die Schwerpunktsetzung auf Energie- und Gesundheits- dass das bei Ihnen nicht der Fall war –und die Hand- forschung zeigen auf, dass Rot-Grün wichtige Probleme lungsspielräume für eine zukunftsfähige Bildungs- und anpacken kann und auch anpackt. Forschungspolitik werden nicht eingeengt – das hat nega- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tive Folgen –, sondern geöffnet. Das ist die Botschaft, die von diesem Haushalt ausgeht. Die CDU/CSU und auch die F.D.P. ziehen es leider – zum Schaden zukünftiger Generationen – immer vor, mit Po- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten pulismus kurzfristig auf Wählerfang zu gehen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Jörg Tauss [SPD]: Die haben sie doch auch Zur ersten Botschaft: Die Investitionen in Bildung und nicht, die Wähler! Nicht einmal das!) Forschung in diesem Haushalt werden trotz der unum- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13483

Jörg Tauss (A) gänglichen Haushaltskonsolidierung – diese war auf- rund 16 Milliarden DM liegen. Das ist eine deutliche Stei- (C) grund Ihrer Schuldenpolitik notwendig; dennoch haben gerung. Wer diese Steigerung nicht wahrnimmt, der kann wir mit Hans Eichel gemeinsam viel erreicht – erneut und auch sagen: Die Erde ist eine Scheibe. Er kann sagen: Eins damit zum dritten Mal seit der Regierungsübernahme plus eins ist nicht zwei, sondern vier. Herr Kampeter, der deutlich erhöht. Vielen Dank für diese wegweisende Poli- Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel, Ihr Parteifreund, tik. den ich sehr schätze, hat einmal gemeint: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der ist des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nicht mehr im Amt!) Um es noch konkreter zu sagen: Auch mithilfe des Fi- Eins plus eins ist zwei, aber wenn Ihnen einer anbietet, nanzministers sind die Zeiten Ihres ständigen Raubbaus eins plus eins sei vier, dann greifen Sie zu und widerspre- an den Ausgaben für Bildung und Forschung vorbei. Für chen nicht, denn als Nächstes kommt er möglicherweise diese Bundesregierung hat die Bildungs- und Forschungs- und sagt, eins plus eins sei acht. – Ich denke, er hat bei die- politik Priorität. sem Ausspruch an Sie gedacht. Bei Ihnen allerdings wären es vielleicht sogar minus zehn. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie haben durch den ständig sinkenden Etat für Bil- dung und Forschung nicht nur die ökonomische sondern Die jahrelange Abwärtsentwicklung wurde durch uns nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt. Der Bundesminis- auch die wissenschaftliche Zukunft unseres Landes – das terin ist für ihren unermüdlichen Einsatz dafür zu danken. gilt auch für die F.D.P., Frau Flach; Sie waren Mitverur- sacherin dieses Zustandes – leichtfertig aufs Spiel gesetzt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ (Zuruf von der F.D.P.: Immer auf die Kleinen!) CSU]: Arme deutsche Gewerkschaftsbewe- Dies wird durch die Tatsache belegt, dass wir heute Re- gung bei einem solchen Vertreter! – Dietrich gelungen wie die Green Card brauchen, um IT-Fachkräfte Austermann [CDU/CSU]: Das ist ein richtiger ins Land zu holen bzw. im Land zu halten. Das ist eine un- Tausendsassa!) mittelbare Folge Ihrer Politik. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, (Beifall bei der SPD) Sie haben auf Ihrer Homepage – ich schaue mir abends gelegentlich die CDU-Homepage an – ein CDU-Online- Sie haben die Zukunft heranwachsender Generationen ge- spiel gestartet. Es ist immerhin gut, dass Sie jetzt wissen, fährdet. In Ihrer Zeit ist doch der katastrophale Ingenieur- was online bedeutet. Sie haben dort die Frage gestellt, wie (B) mangel entstanden, den wir heute beklagen. Sie waren denn der Bildungsminister heiße. Wer es wisse, könne (D) technikfeindlich. Das ist die Botschaft, die von Ihren drei CDU-Überraschungspakete gewinnen. Dieser erfolg- Haushalten und Ihrer Politik ausgegangen ist. reiche Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auf den Sie offenbar so voller Neid schauen, dass Sie so- gar Überraschungspakete aussetzen, ist eine Ministerin, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) heißt Edelgard Bulmahn und sitzt dort auf der Regie- Wir erhöhen nun die Zukunftsinvestitionen weiter. Der rungsbank. Ich bitte Sie jetzt, die Überraschungspakete Etat für Bildung und Forschung wird im Vergleich zum bei mir im Büro abzuliefern. Hoffentlich ist kein Vorjahr – Sie haben es gehört – um knapp 10 Prozent auf- Schwarzgeld darin! gestockt. Sie haben ihn abgesenkt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Über den Witz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) müssen Sie selbst lachen!) Apropos Schwarzgeld: Wie ausgerechnet Sie in diesem – Herr Kampeter, nehmen Sie doch bitte die Zahlen zur Land über Werte reden, ist schon ein Skandal an sich. Kenntnis. 1993 enthielt Ihr Etat 14,9 Milliarden DM. (Beifall bei der SPD) 1998, bei der Regierungsübernahme durch uns, waren im Etat für Bildung und Forschung etwa 700 Millionen DM Ein Staatssekretär von Ihnen, von der CSU, wird weltweit niedriger. von Interpol gesucht, ist auf der Flucht. Ist der vielleicht in dem Überraschungspaket? (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie war es von 1994 bis 1996?) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wie Sie hier von einer erfolgreichen Politik in der Ver- Dies ist wohl unglaublich: Die CSU hat ihn nicht deshalb gangenheit reden können, ist Ihr Geheimnis und wahr- ausgeschlossen, weil er auf der Flucht ist, sondern weil er scheinlich auch das Geheimnis des im Übrigen außer von seinen Beitrag nicht mehr bezahlt hat. Und dann wollen Ihnen von niemandem vermissten Herrn Rüttgers. Sie den jungen Menschen in unserem Land Werte vermit- teln? (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wahrschein- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem lich haben Sie in der Gesamtschule Rechnen ge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- lernt!) ordneten der PDS – Dietrich Austermann Obwohl wir nach der Regierungsübernahme den Bil- [CDU/CSU]: Sagen Sie doch etwas zu den The- dungsetat erst einmal aufgestockt haben, wird er nun bei men der Veranstaltung!) 13484 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Jörg Tauss (A) Herr Merz spricht da noch von Moral. Das ist schon un- Forschungspolitik ist nichts Kurzfristiges. Sie wissen (C) glaublich! genau, dass seit Jahren für die Erforschung der Creutz- feldt-Jakob-Variante nicht nur durch die Ministerin für (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zur Bildung und Forschung die notwendigen Mittel bereitge- Tagesordnung!) stellt werden, sondern dass sich auch in anderen Ressorts (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf einiges tut. Dort werden Mittel für die Erforschung der Er- Seiters) reger, der Ausbreitungswege und der Inkubationszeit zur Verfügung stehen. Die einzigen Punkte, die Ihnen einge- Da ich gerade bei Herrn Merz bin: Interessant an die- fallen sind, sind von dieser Bundesregierung auf den Weg sem Onlinespiel ist ein Satz. Die Überschrift lautet, Frau gebracht und erledigt. Ich kann nur sagen: Auch dies ist Präsidentin – Entschuldigung: Herr Präsident –: eine Bestätigung erfolgreicher Forschungspolitik. (Lachen bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ganz Deutschland debattiert über Bildungspolitik. – Ich DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ wollte Ihnen das nur zeigen. Das ist wirklich in Ihrer Ho- CSU]: Hat Ihnen keiner gesagt, worum es heute mepage. geht?) – Es geht um Bildung, das ist prima. Vizepräsident Dr. h. c. : Vielen Sie haben sogar einen Bildungsparteitag gemacht, lie- Dank. Aber sprechen Sie zu den Kollegen. ber Kollege Austermann. Ich weiß nicht, ob Sie als Delegierter dorthin gewählt wurden. Jörg Tauss (SPD): Ganz Deutschland debattiert über (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war Bildungspolitik. Das ist richtig. billig!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist kein Die „VDI Nachrichten“ des Vereins Deutscher Ingeni- Sprecher, das ist ein Clown!) eure kommentierten Ihr mangelndes Interesse an diesem – Lieber Herr Kollege Kampeter, wenn Sie sich einmal Thema: Kaum war dieser Herr Meyer als Generalsekretär die Mühe machen, im Protokoll gewählt, sind alle aus dem Saal gegangen und dann haben ein paar über Bildung diskutiert. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Kann der Tauss nicht einmal offline gehen?) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da ist das Fernsehen eingeschaltet! Da sehen die Leute, die im wahrsten Sinne des Wortes vorgestrige Rede Ihres was du da machst!) (B) Fraktionsvorsitzenden in Replik auf den Bundeskanzler (D) nachzulesen, werden Sie merken: Ganz Deutschland dis- Der Verein Deutscher Ingenieure – vielleicht noch ein kutiert über Bildungspolitik, nur Ihr Fraktionsvorsitzen- unverdächtiger Zeuge, wenn Sie schon auf uns nicht der nicht. Obwohl der Kanzler sehr umfassend über Bil- hören – hat gesagt: Schlecht, wenn in der CDU das Thema dung und Forschung geredet hat, auf so wenig Diskussionsbereitschaft stoßen sollte wie bei ihrem kleinen Parteitag. Ich füge hinzu: ein wahrhaft klei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ner Parteitag. ging Herr Merz in seiner Haushaltsrede auf das Thema (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Über 1 000 Än- mit keinem einzigen Wort ein. Dies ist ein schöner derungsanträge hat es da gegeben!) Schwerpunkt, den Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Merz hat gezeigt: Das CDU-Desinteresse an Bildung ist in Ihrer Partei nicht nur auf Stuttgart begrenzt, sondern (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auf ganz Deutschland übertragbar. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter bei einem Thema setzen, über das ganz Deutschland dis- [CDU/CSU]: Sie halten hier ja eine Büttenrede! kutiert. Das hat mit seriöser Auseinandersetzung nichts Wenigstens zur Forschungspolitik nannte Herr Merz zu tun!) zwei Stichworte. Das Erste betraf die Erforschung des Auch die Grundsatzrede Ihrer Frau Merkel war dünn. Da menschlichen Genoms; gerade im Bereich der Gesund- gab es dann noch ein bisschen 50er-Jahre, zum Beispiel heitsforschung ein wichtiger Teil. Das machen wir. Es ist Kopfnoten als bewährtes Element der erziehenden ein Schwerpunkt unseres Programms, das die Ministerin Schule, vorgestellt hat. (Dr. Barbara Höll [PDS]: Die haben wir noch (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bei Tauss hier!) lieber nicht nachforschen!) aber mehr ist ihr nicht eingefallen. Sie haben Recht mit Das Zweite betraf das Thema BSE. Das ist ein wichti- der Feststellung: Ganz Deutschland diskutiert über Bil- ges Thema, keine Frage. Hier forderte Herr Merz die Bun- dung, nur Ihre Stimme hört man kaum. desregierung auf, dass sie jede Anstrengung zur Erfor- schung der Zusammenhänge unternehmen solle. Dies (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Also, das hat müssen wir jetzt etwas umfassender erklären. mir noch keiner vorgeworfen, Herr Tauss!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13485

Jörg Tauss (A) Konzepte sucht man erst recht vergebens. dass wir diesen Rückgang der Zahl der über BAföG Ge- (C) förderten nicht nur rückgängig gemacht haben, sondern (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dass wir auch hier eine gegenteilige Entwicklung einge- Ein weiteres Signal, das mit diesem Haushalt einher- leitet haben. geht, ist, dass wir die hohe gesellschaftliche Bedeutung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) von Bildung und Forschung wieder anerkennen und dass wir mit diesen Zukunftsinvestitionen den notwendigen Sie haben mit der fahrlässigen Zinsdebatte, die Sie auf den Handlungsspielraum für Bildung und Forschung wieder Weg gebracht haben, das Vertrauen in das Instrument öffnen. BAföG doch erst einmal leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Wir könnten auch ernsthaft über wirkliche Probleme Mit der Dienstrechtsreform haben wir einige Initiati- des Bildungswesens in unserem Land diskutieren, aber ven auf den Weg gebracht. Schauen Sie auf die For- nicht so, wie Sie es heute Morgen hier oder auf Ihren klei- schungslandschaft. Meine Damen und Herren, gehen Sie nen Parteitagen vorgeführt haben. auf die parlamentarischen Abende. Egal, zu welchem Ver- band Sie gehen, egal, in welchen Forschungsbereich Sie Mich erfüllt das Thema der beruflichen Bildung mit gehen: Dort erleben Sie Aufbruchstimmung, großer Sorge. Das duale System – Betrieb und Berufs- schule – bildet die meisten jungen Leute aus und macht (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist aber sie über viele Jahre hinweg in ihren Berufen zu qualifi- eine virtuelle Aufbruchstimmung, die Sie da zierten Fachleuten. Aber unübersehbar ist das duale Sys- diagnostizieren!) tem in einer tiefen Krise, es ist in einem Wandel begriffen. dort erleben Sie nicht kleinliche Kritik an dieser Regie- Jeder dritte oder vierte Erwachsene wird nach einer rung. Sie erleben Lob für diese Regierung. Ich schlage Ih- Untersuchung der Uni Rostock nach der Ausbildung nen vor, sich dem ein bisschen anzuschließen. zunächst einmal arbeitslos. Die traditionelle Lehre wird (Beifall bei Abgeordneten der SPD) an vielen Stellen aufgeweicht, häufig durch private Aka- demien, die mehr Durchlässigkeit hin zu weiterführenden Meine Redezeit ist vorüber. Ich hole dann bei Frau Bildungssystemen versprechen. Der ZVEI, der Zentral- Merkel, wie angekündigt, die CDU-Überraschungspakete verband der elektrotechnischen Industrie, spricht von ei- ab. Eine wirkliche Überraschung wäre das CDU-Überra- schungspaket erst dann, wenn auch nur ein einziger nem Wandel hin zu einer notwendigen Akademisierung vernünftiger und ernst zu nehmender bildungs- und for- der Berufsausbildung. schungspolitischer Ansatz darin zu finden wäre. Wir wollen und dürfen das duale System aber nicht zu Da dies aber nicht der Fall ist, empfehle ich Ihnen ein- (B) einer bildungspolitischen Restgröße verkommen lassen, fach, unserem Haushalt zuzustimmen und diese Bundesre- (D) dessen Zustand sich gerade im schlechten Zustand der Be- gierung auf den Plätzen und Märkten für ihr Engagement rufsschulen widerspiegelt. Deshalb tun wir alles, um die- zu loben und außerdem Ihrem Fraktionsvorsitzenden ein sen Zustand, soweit es in unserer Macht als Bund steht, zu bisschen von dem näher zu bringen, was Bildung und For- verbessern. Ich begrüße ausdrücklich das wichtige Zu- schung anbelangt. Da könnten Sie sich Verdienste erwer- kunftsinvestitionsprogramm für die Berufsschulen, Frau ben. Ministerin Bulmahn. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 225 Millionen DM in zwei Jahren, das ist eine tolle Ini- DIE GRÜNEN) tiative, genauso wie das JUMP-Programm, das Hun- derttausenden junger Menschen wieder Hoffnung gege- ben hat. Das wäre eine bildungspolitische Diskussion, der Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich schließe die Aussprache. Sie sich stellen sollten. Über eine halbe Million junge Menschen wurden ohne Zukunftsperspektive in Berufs- Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen. schulen geparkt, von Herrn Kohl und Ihnen allein gelas- Zunächst stimmen wir über die Änderungsanträge ab. sen. Viele junge Menschen haben sich sogar der Schule Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion zunehmend verweigert, weil sie keine gesellschaftliche der CDU/CSU auf Drucksache 14/4790. Wer stimmt Perspektive mehr für sich sahen, weil sie das Gefühl hat- dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än- ten, in der Gesellschaft nicht gebraucht zu werden. Des- derungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd- halb haben wir JUMP und anderes auf den Weg gebracht. nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Enthaltung von F.D.P. und PDS abgelehnt. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Ihr Desinteresse an den jungen Menschen wird aber der CDU/CSU auf Drucksache 14/4791. Wer stimmt nicht nur bei den benachteiligten Gruppen deutlich, son- dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än- dern auch bei den Studierenden dieses Landes. Über die derungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis Zahlen ist geredet worden. Sie können bei allen wie zuvor abgelehnt. Zahlenspielchen, die Sie hier betreiben – eins und eins ist Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak- minus acht –, nicht darüber hinwegtäuschen, dass der tion der F.D.P. auf Drucksache 14/4830. Wer stimmt Rückgang der Zahl der Geförderten Ihre Erblast ist und dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der 13486 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters (A) Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und – Das Abstimmungsergebnis hing bestimmt mit der Rede (C) Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. von Herrn Tauss zusammen. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion (Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Jörg Tauss der F.D.P. auf Drucksache 14/4831. Wer stimmt dafür? – [SPD]: Schwere Überzeugungsarbeit!) Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Ich rufe auf: Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von F.D.P. und PDS abgelehnt. III. 24 Haushaltsgesetz 2001 Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion – Drucksachen 14/4522, 14/4523 – der F.D.P. auf Drucksache 14/4832. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- Berichterstattung: antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim- Abgeordnete Dietrich Austermann men der Opposition abgelehnt. Michael von Schmude Hans Georg Wagner Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Oswald Metzger der F.D.P. auf Drucksache 14/4834. Wer stimmt dafür? – Dr. Günter Rexrodt Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die übri- Dr. Christa Luft gen Stimmen des Hauses abgelehnt. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. der PDS auf Drucksache 14/4824. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag Zunächst stimmen wir über einen Änderungsantrag der ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4829 ab. Wer PDS abgelehnt. stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dage- gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von der PDS auf Drucksache 14/4825. Wer stimmt dafür? – F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abgelehnt.1) Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der der PDS abgelehnt. Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge- Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen (B) der PDS auf Drucksache 14/4826. Wer stimmt dafür? – der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/ (D) Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.2) antrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un- Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion terrichtung durch die Bundesregierung „Finanzplan des der PDS auf Drucksache 14/4827. Wer stimmt dafür? – Bundes 2000 bis 2004“, Drucksachen 14/4001, 14/4301 Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen und 14/4524. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme. der PDS abgelehnt. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Keine Enthaltungen? – Die Beschluss- Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion empfehlung ist einstimmig angenommen. der PDS auf Drucksache 14/4828. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf: antrag ist abgelehnt. Dritte Beratung des von der Bundesregierung ein- Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest- der F.D.P. auf Drucksache 14/4833. Wer stimmt dafür? – stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs- haltsjahr 2001 antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim- men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS (Haushaltsgesetz 2001) abgelehnt. – Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschus- 14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523 – sfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Berichterstattung: Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen Abgeordnete Dietrich Austermann von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen Michael von Schmude von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen. Hans Georg Wagner (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE Oswald Metzger GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dr. Werner Hoyer Lauer Beifall! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss Dr. Christa Luft [SPD]: Ein bisschen Freude, Herr Kampeter, wäre jetzt angebracht!) 1, 2) siehe Anlage 2 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13487

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters (A) Es liegen sechs Entschließungsanträge der Fraktion der und die letzten Auseinandersetzungen beendet werden (C) CDU/CSU, sechs Entschließungsanträge der Fraktion der müssen, dann trinken wir zum Abschluss gemeinsam ei- F.D.P. und zwei Entschließungsanträge der Fraktion der nen Schnaps und schauen uns auch wieder in die Augen. PDS vor. Über den Gesetzentwurf sowie zwei Ent- So gehört es sich unter guten Haushaltspolitikern. schließungsanträge der Fraktion der F.D.P. und einen Ent- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der schließungsantrag der Fraktion der PDS werden wir spä- F.D.P.) ter namentlich abstimmen. Meine Damen und Herren, jeder weiß, dass beim poli- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die tischen Kampf um knappes Haushaltsgeld die viel be- Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre schworene Konsensdemokratie schnell an ihre Grenzen keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. stößt. Die Mehrheit wie die Minderheit im Haushaltsaus- Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die schuss – aus wohlbegründeter Tradition von einem Oppo- CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Adolf Roth. sitionspolitiker geführt – müssen die klar definierte Posi- tion des Parlaments gegenüber der Exekutive vertreten, denn die Verfügung über die Finanzmittel unseres Staa- Adolf Roth (Gießen) (CDU/CSU) (von Abgeordneten tes obliegt der Bundesregierung nur im Bereich der poli- der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! tischen Initiative. Das Bewilligungsrecht und die Pflicht Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Be- zur Kontrolle liegen beim Parlament. Ich denke, wir ha- ginn der dritten Lesung des Bundeshaushaltes 2001 lassen ben allen Anlass, diese klare Kompetenzabgrenzung auch Sie mich zunächst in meiner Funktion als Vorsitzender des zu verteidigen und sie durch niemanden aushöhlen zu las- Haushaltsausschusses die Gelegenheit wahrnehmen, all sen. Wir können uns keine Entparlamentarisierung der unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschuss- Politik in Deutschland erlauben. sekretariat, in den Fraktionsarbeitsgruppen, in unseren Büros, beim Bundesrechnungshof und in den Ministerien (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ein herzliches Dankeschön für die konstruktive Zusam- neten der SPD und des Abg. Dr. Günter Rexrodt menarbeit unter schwierigen Bedingungen zu sagen. [F.D.P.]) (Beifall im ganzen Hause) Für das Haushaltsjahr 2001 kann sich die Bundesre- gierung ganz sicher nicht über mangelnde Generosität der Wir haben den Haushalt 2001 termingerecht in der parla- Koalitionäre im Haushaltsausschuss beklagen. Denn es ist mentarischen Beratungsrunde abschließen können. Den für mich nach langjähriger Arbeit im Haushaltsbereich an der Stirnseite unseres Plenarsaales anwesenden tüchti- eine wirklich neue Erkenntnis, dass am Ende des parla- gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschuss- mentarischen Verfahrens alle Einzelpläne der Ministe- (B) sekretariats möchte ich meinen besonderen Dank und rien – also ohne Ausnahme – einen materiellen Aufwuchs (D) meine Anerkennung aussprechen. erfahren haben. Sie haben nicht nur die 5 Milliarden DM (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der kalkulatorische Zinsersparnis in Investitionen gelenkt, F.D.P. und der PDS) sondern Sie haben noch deutlich mehr als 1 Milliarde DM den Ressorts zusätzlich bewilligt. Das heißt, Sie haben Wir haben nach wochenlangen Berichterstatter- mehr bewilligt, als die Bundesregierung überhaupt beim gesprächen und Einzelberatungen am Ende über insge- Parlament beantragt hatte. samt 1 240 parlamentarische Initiativen, Vorschläge der Berichterstatter, Plus-Minus-Listen der Ministerien und (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sparen Ini-tiativen bis zur Bereinigungssitzung zu beraten und nennt man das!) abzustimmen gehabt. Wir haben es am Ende geschafft. Ich Sie mögen sagen, die Sparsamkeit von Rot-Grün denke, dass wir uns letztmalig den äußerst schwierigen drückt sich in einer besonderen Großzügigkeit bei der Arbeitsbedingungen in der Luisenstraße aussetzen muss- Verteilung aus. Aber dann stehen Sie bitte auch dazu, statt ten und nach einem, wie ich hoffe, pünktlichen Umzug ins wie die Kraftprotze der neuen Konsolidierungsepoche Paul-Löbe-Haus durchs Parlament zu laufen. (Dr. [F.D.P.]: Vielleicht (Beifall bei der CDU/CSU) gibt es einen Wassereinbruch!) Das, was geschehen ist, hat mit Sparsamkeit im Detail wieder eine attraktivere Arbeitsatmosphäre haben wer- herzlich wenig zu tun gehabt. den. Damit wende ich mich an den Bundesfinanzminister: Auf die Frage, wie wir das überhaupt hinbekommen Herr Eichel, Ihr Regierungsentwurf zum Bundeshaus- haben, kann ich nur antworten: Der Indianer kennt keinen halt 2001, den Sie im Juli im Kabinett zur Verabschiedung Schmerz. gebracht haben, ist, wenn man ihn nüchtern bewertet, ein (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der reiner Routinehaushalt ohne neue politische Markierun- gen gewesen. F.D.P.) (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Richtig! – Uta Außerdem haben wir in der Rotstiftzone des Parlaments, Titze-Stecher [SPD]: Das stimmt nicht!) wie jeder weiß, auch eine besondere Streit- und Parla- mentskultur. Wenn wir uns durch die Bereinigungssitzung Er ist ein Fortschreibungshaushalt in einem engen Ge- durchgekämpft haben, in der der letzte Krach beigelegt füge von Haushaltskennziffern und Entwicklungsreihen. 13488 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Adolf Roth (Gießen) (A) Ich glaube, Sie haben das auch selber gemerkt, denn Sie Wenn es zutrifft, dass der Kern des Haushaltes, den wir (C) haben am Dienstag bei der Aussprache hier im Parlament heute nach dem Ende der parlamentarischen Beratungen davon gesprochen, dass die unverhoffte Milliardenein- verabschieden, auf einem Zufallsfund auf der Einnahme- nahme aus der Lizenzvergabe bei UMTS für Sie ein Zu- seite basiert, dann kann ich nur sagen: Dieser Bundes- fallsfund gewesen sei. haushalt ist ein Zufallsprodukt der Bundesregierung und fügt sich in den Rahmen der Beliebigkeit Ihrer übrigen Das ist eine zutreffende Beschreibung. Sie wird auch Entscheidungen ein. nicht dadurch relativiert, dass der Bundeskanzler am Mitt- woch in der Aussprache hier im Parlament etwas verlegen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) auf diese neue Semantik reagiert hat. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen Ich glaube, es hätte überhaupt keine politische Akzen- Punkt hinzufügen. Ich glaube, dass die Sondertilgung für tuierung für das kommende Haushaltsjahr gegeben die Erblastschulden und für die Verbindlichkeiten im Zu- sammenhang mit der Währungsumstellung in Höhe von (Hans Eichel, Bundesminister: Stimmt nicht!) 100 Milliarden DM zu der Überlegung hätte führen müs- ohne diese nach der Veräußerung der UMTS-Lizenzen zu- sen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt für eine weitere Absen- sätzlich bewilligten Milliarden. kung des Solidaritätszuschlages auf etwa 4 Prozent ge- kommen ist. Bei den Beratungen zum Solidarpakt (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Eine 1993/94, an denen Sie ja teilgenommen haben, ist der So- positive Erblast!) lidaritätszuschlag dem Bund als ein befristeter Ausgleich Ich füge hinzu, Herr Minister Eichel: Sie profitieren für hier unverdientermaßen (Hans Eichel, Bundesminister: Aufbau Ost!) (Hans Eichel, Bundesminister: Quatsch!) den Schuldendienst nach der Übernahme der DDR-Schul- vom Erfolg der früheren Bundesregierung, denlast zugewiesen worden. Er hat mit dem Aufbau Ost, wie Sie sehr wohl wissen, überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Hans Eichel, Bundesminister: Völlig falsch!) von der Reformpolitik im Bereich von Post und Telekom- munikation. Diese Politik ist mit den Namen von Christian Er wird von den Steuerzahlern in Ost und West finanziert. Schwarz-Schilling und von Wolfgang Bötsch verbunden, Das ist die Situation. aber ganz gewiss nicht mit Ihrem Namen. Deshalb kassie- (Beifall bei der CDU/CSU) ren Sie hier eine Dividende, die Ihnen nicht zusteht, Herr Minister Eichel, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (D) Amt. Nach dem für Sie überraschenden Aufgabenwechsel im Gegenteil: Mit Ihrem Namen und mit dem Namen des haben Sie in Berlin früher vertretene Positionen deutlich Bundeskanzlers ist die politische Absage an diese Libera- korrigieren müssen. Das wirft Ihnen niemand vor. Aber lisierungspolitik und deren Bekämpfung verbunden ge- wir müssen Sie daran erinnern, dass Sie damals in den wesen, denn Sie haben seinerzeit gegen die Privatisierung 90er-Jahren in Ihrer Funktion als Ministerpräsident – Sie im Bereich der Post gestimmt. waren sozusagen das Gegengewicht im Bundesrat – ge- gen die „Kaputtsparer“ in Bonn operiert haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bremser!) (Hans Eichel, Bundesminister: Das ist falsch! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da hatte er Stehen Sie dazu! noch die Spendierhosen an!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hätten Sie damals nicht so schamlos eine solche Ob- Natürlich gehört die Verwendung dieser Zinserspar- struktions- und Blockadepolitik betrieben, wären wir in nisse im investiven Bereich zu den Optionen, die sich Deutschland weiter, weil einige der Probleme, mit denen aus der Entwicklung ergeben haben, aber ich weise da- auch Sie sich heute herumschlagen müssen, längst gelöst rauf hin: Die Deutsche Bundesbank und auch die Sach- wären. verständigen haben diesen Weg als den eher zweitbesten (Beifall bei der CDU/CSU) eingestuft. Sie, Herr Eichel, haben am Dienstag dem Par- lament gesagt, etwas anderes sei politisch nicht durch- Ich werfe Ihnen vor, dass Sie bis heute nicht zu einem setzbar gewesen, etwa eine zusätzliche Schuldentilgung, fairen Gesamturteil über die Finanzpolitik der 90er-Jahre wie sie ja selbst in Teilen der Koalition ursprünglich be- gekommen sind. Sie fuchteln bei jeder sich bietenden Ge- absichtigt gewesen war. legenheit mit Grafiken herum und argumentieren mit endlosen Zahlenkolonnen gegen die damalige Politik. Ich Ich glaube, Sie räumen damit ein, dass Sie die uner- denke, das ist weder souverän noch sachgerecht. Sie wer- warteten UMTS-Einnahmen aus der Verlegenheit befreit den aber damit den Stolz der CDU/CSU und den Stolz der haben, selbst und aus eigener politischer Initiative einen Deutschen in Ost und West auf den Erfolg der Aufbauar- qualitativen Umbau der Haushaltsstruktur hin zu mehr in- beiten nach der glücklichen Wiedervereinigung nicht vestiven und zukunftsorientierten Ausgaben vorzuneh- schmälern können. Es wäre an der Zeit, dass Sie ein fai- men. Das ist die Situation gewesen. res Urteil über diese Politik wenigstens ansatzweise in das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bild der Vergangenheit einfügen könnten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13489

Adolf Roth (Gießen) (A) Ich sage Ihnen noch einmal – wir werden diesen Stand- hängig von der Rechtsform und unabhängig von Erzie- (C) punkt immer wiederholen –: 1982, zum Ende der SPD-ge- lung und Verwendung dieser Einkommen – diese Frage führten Bundesregierung, betrug das staatliche Finanzie- von Recht und Gerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung rungsdefizit in Deutschland 4,4 Prozent. Das entspräche in der deutschen Politik. Wir werden uns spätestens im heutigen Kategorien des Bruttoinlandsprodukts einer nächsten oder übernächsten Jahr bei dieser Diskussion Summe von 180 Milliarden DM. Wir hatten bis zum Jahre wiederfinden. 1989 dieses Finanzierungsdefizit in einen gesamtstaatli- Weltweit zeichnet sich heute ein grundlegender Mei- chen – kleinen – Überschuss verwandelt, der uns in die nungswandel ab, den man als Abkehr vom staatlichen Ak- Lage versetzt hat, die Lasten der Wiedervereinigung zu tivismus und Wiederentdeckung marktwirtschaftlicher meistern. Am Ende unserer Regierungszeit 1998 war das Erfolgsprinzipien, gerade auch im Sinne einer effiziente- Finanzierungsdefizit wieder auf 1,5 Prozent abgeschmol- ren Sozialordnung, beschreiben kann. Nach dem endgül- zen, also auf ein Drittel des Finanzierungsdefizits, das die tigen Fehlschlag sozialistischer ökonomischer Systeme sozialdemokratische Bundesregierung 1982 hinterlassen beginnt eine neue Phase der sozialen Marktwirtschaft. hat. Das ist das zentrale Programm der CDU/CSU als Oppo- (Beifall bei der CDU/CSU) sition im Deutschen Bundestag. Wir hatten die niedrigste Ausgabenquote des Bundes (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und eine sinkende Staatsquote. Außerdem hatten wir die Herr Minister Eichel, Sie haben vor den Studenten der niedrigste Steuerquote in unserer Geschichte. Alle diese Humboldt-Universität kürzlich die Ordnungsprinzipien Punkte müssen in diesem Zusammenhang erwähnt wer- der sozialen Marktwirtschaft und die geistige Tradition den. ihrer freiheitlichen Denker und Wegbereiter positiv her- Wenn Sie heute beklagen, dass die Finanzierung des vorgehoben. Ich habe das mit Genugtuung zur Kenntnis Bundes eine Schieflage aufweist, dann muss ich sagen, genommen; denn ich erinnere mich sehr wohl an den er- dass das zutreffend ist. Aber ich frage Sie hier erneut: Wen bitterten Kampf in den 50er-Jahren gegen die Politik wollen Sie eigentlich anklagen? Bei wem wollen Sie Ludwig Erhards, wie er gerade von der SPD betrieben Empörung hervorrufen? Sie waren doch als Koordinator worden ist. der SPD im Bundesrat höchstpersönlich maßgeblich da- Die haushaltspolitische Kurskorrektur von 1999 hätte ran beteiligt, gegen die entsprechenden Entscheidungen wahrscheinlich auch dann viele Menschen überrascht und anzugehen. Aufmerksamkeit erregt, wenn sie nicht nur ein Befrei- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Strip- ungsschlag nach dem totalen Scheitern in der Amts- (B) penzieher!) führung Ihres Vorgängers, , gewesen (D) wäre. Herr Lafontaine mischt sich quasi täglich mit seiner Sie haben also die Konsequenzen selbst zu verantworten. grollenden Kritik an Ihrer Amtsführung in die öffentliche (Beifall bei der CDU/CSU) Diskussion ein, auch wenn er nicht einmal mehr bei sei- ner kleinen Saar-SPD als Gutachter akzeptiert wird. Wir sind, wie die Zahlen des Haushaltes ausweisen, längst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen. Die Zumindest ehrlich war er in einem Punkt: Er hat nie Einnahmeseite hat sich kräftig verbessert. Wir haben weniger Staat gewollt. Aber sofern sich nach seinem Weg- 55 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen als 1998. gang die Fassade Ihrer Politik verbessert hat, stellen sich doch die Fragen: Haben wir heute eigentlich weniger Re- Zwischen 1998 und 2005 wird allein der Bund voraus- gulierung? Haben wir weniger Staat? Haben wir weniger sichtlich über 100 Milliarden DM zusätzlich Steuern ein- Abgaben und Steuern? Diese Fragen werden Kernpunkte nehmen. Gleichzeitig erzählen Sie den Leuten, im Jahre der Auseinandersetzung in der Zukunft sein. Mit Grund- 2005 müssten sie 95 Milliarden DM weniger Steuern zah- satzerklärungen werden Sie diese Probleme nicht bewäl- len als 1998. Wie Sie aus dieser Rechenformel eine poli- tigen. Sie haben einen langen, steinigen Weg vor sich; tische, qualitative Aussage machen wollen, müssen Sie auch im Hinblick darauf, dass Sie die von Ihnen verkün- dem deutschen Volk und dem Parlament erst noch erklä- deten Grundsätze Ihrer Politik in Ihrer eigenen Fraktion ren. durchsetzen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zeit drängt. Wir werden Sie reden oft und gern von Gerechtigkeit. Ich sage Ih- mit dem Haushalt 2001 bei den grundlegenden Reformen nen: Die Willkürlichkeit Ihrer Steuerpolitik ist die subtils- und insbesondere bei der Reform der Finanzverfassung in te Form der Ungerechtigkeit in unserem Land. Sie räumen Deutschland Chancen verspielen. Weil das so ist, können den großen Kapitalgesellschaften der Industrie bessere wir dieser Politik kein politisches Vertrauen entgegen- Steuerbedingungen ein als den arbeitenden Menschen und bringen. Wir lehnen diesen Bundeshaushalt 2001 in der den persönlich haftenden Unternehmern des Mittelstan- dritten Lesung ab. des. Das ist ein Skandal. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU) Angesichts dessen können wir nicht zur Tagesordnung Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich gebe übergehen. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für dem Kollegen Joachim Poß für die SPD-Bundestagsfrak- sämtliche Arbeits- und Unternehmenseinkommen, unab- tion das Wort. 13490 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

(A) Joachim Poß (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Partei ist innerlich zerrissen und hat bisher keinen (C) und Herren! Auch diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die Konsens gefunden. Haushaltspolitik der Bundesregierung und der sie tragen- Das ist die Situation der Union. den Fraktionen ist solide und zukunftsweisend. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ DIE GRÜNEN) CSU]: Das hätten Sie gern!) Sie ist hier im Hohen Hause ohne Alternative. Die letzten drei langen Tage haben gezeigt: Die Haus- (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sie haben die Rede haltspolitik der Koalition ist solide und verlässlich. Sie von Rexrodt noch nicht gehört!) löst die aktuellen Probleme, hat aber auch die Sicherung der Zukunft und die Interessen der nachfolgenden Herr Roth, wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie zuge- Generationen im Blick. ben: Wenn Sie einen solchen Haushalt in Ihrer Verant- wortung als haushaltspolitischer Sprecher in den letzten (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist bei Jahren jemals hätten vorlegen können, hätten Sie an die- diesem Mann die Nachdenklichkeit geblie- ser Stelle jubiliert. ben?) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Was haben Sie dem entgegenzusetzen? Insbesondere die DIE GRÜNEN) so genannten Hauptredner von CDU/CSU und F.D.P. ha- ben nicht viel geboten, haben sich im Wesentlichen in Deswegen merkte man Ihrer Rede auch an, wie schwer es Halbwahrheiten, Unwahrheiten und bisweilen sogar in Ihnen gefallen ist, Ihre Ablehnung unseres Haushalts zu absurden Gedankengängen verloren. Zu den absurden begründen. Diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die Zwi- Äußerungen zählt vor allem Ihre Behauptung – Herr Roth schenbilanz der Regierung Schröder ist überzeugend. In hat sie gerade wiederholt –, die Koalition habe im Haus- dieser Woche ist deutlich geworden: Gewinner unserer halt 2001 zu wenig gespart. Das ist wirklich abwegig. Politik sind vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer, Familien mit Kindern und der Mittelstand. In den parlamentarischen Beratungen ist es gelungen, die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Entwurf um (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 2,4 Milliarden DM auf 43,7 Milliarden DM zu senken. DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das Gegenteil ist (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) deutlich geworden!) Eine derart niedrige Nettokreditaufnahme ist Ihnen in den Meine Damen und Herren von der Opposition, wie 90er-Jahren nur einmal, und zwar im Jahre 1992, gelun- (B) schon bei der ersten Lesung des Haushalts haben Sie (D) gen. Mit Ihren Einwänden spekulieren Sie also auf das keine ernsthafte haushaltspolitische Debatte geführt. Das kurze Gedächtnis der Menschen. Ich will nur auf die letz- hat zwei Gründe: ten drei Jahre, in denen Sie für die Nettokreditaufnahme Erstens. Sie wissen, dass der Bundeshaushalt 2001 im des Bundes verantwortlich waren, zurückblicken: 1996 Rahmen der Möglichkeiten und Gegebenheiten in Wahr- haben Sie fast 80 Milliarden DM an Krediten aufge- heit ein gelungener Etat ist und dass es deshalb keine nommen, 1997 64 Milliarden DM und 1998 immer noch grundsätzlichen Einwendungen dagegen gibt. Sie wissen über 56 Milliarden DM. auch, dass es zu unserer Haushaltspolitik, die inzwischen (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ging zum Markenzeichen dieser Koalition geworden ist, keine doch runter!) sinnvolle Alternative gibt. Das waren nicht nur historisch hohe Neuverschuldungen; Zweitens. Sie wissen, dass Sie – das gilt insbesondere in den Jahren 1996 und 1997, Herr Austermann, lag die für die Union –, in Ihrer derzeitigen Verfassung weder Nettokreditaufnahme zudem weit über der Höhe der die konzeptionelle noch die politische Kraft haben, eine Investitionsausgaben. Sie haben damit die Kreditober- Alternative zu entwickeln. grenze des Art. 115 Grundgesetz in zwei aufeinander fol- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ genden Jahren nicht eingehalten. DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie sind dabei, Ihre jüngste Vergangenheit zu bewältigen. Und auch im Jahre 1998 haben Sie mit der Neuverschul- (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wer hat Ih- dung lediglich um 690 Millionen DM unter den Investi- nen denn den Unsinn aufgeschrieben? Ich sage tionen gelegen. nur: Wettig-Danielmeier!) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja Dabei sind Ihnen fast jedes Argument und jedes Mittel fast wie in Niedersachsen!) recht. Der Parteienforscher Lösche sagt dazu: Das heißt: Als wir die Regierungsverantwortung über- Die CDU versucht – verlockt durch den Wahlsieg in nommen haben – das ist die historische Wahrheit –, muss- Hessen im Februar 1999 – immer noch, den beque- ten wir zunächst die Verfassungsmäßigkeit der Haushalts- aufstellung sicherstellen. meren Weg zu gehen. Sie will über die Mobilisierung von Vorurteilen Wahlen gewinnen, statt eine alterna- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tive Programmatik zur Regierung zu entwickeln. Die DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13491

Joachim Poß (A) Das ist uns gelungen. Ab dem Jahre 1999 liegt, wie das Wenn einige von Ihnen behaupten, die Regierungsko- (C) Grundgesetz es vorschreibt, die jährliche Kreditaufnahme alition habe nicht gespart, dann zeigen Sie nur, dass Sie des Bundes erheblich unter den Investitionsausgaben. Da ein kurzes Gedächtnis haben. Es ist gerade ein Jahr her, wir die Nettokreditaufnahme kontinuierlich senken wer- dass fast jeder Berufsstand – auch jene, die vorher noch den, die Investitionen jedoch ihr Niveau behalten sollen, nichts mit Demonstrationen zu tun hatten – vor dem Bran- wird diese Differenz immer größer werden. Das heißt, der denburger Tor gestanden und gegen die umfangreichen Art. 115 des Grundgesetzes ist unter unserer Regierung Sparpläne von Koalition und Regierung protestiert hat. kein Thema mehr. Damit verantworten wir eine Finanz- Wer von uns erinnert sich nicht an die manchmal bitter- politik, die eine ganz andere Qualität hat als Ihre Finanz- bösen Briefe, die wir bekommen haben, weil wir quer politik, meine Damen und Herren. über den gesamten Bundeshaushalt und quer über alle Po- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ litikbereiche finanzielle Mittel eingespart und abgebaut DIE GRÜNEN) haben? Sie wissen das doch noch. Sie haben doch bei ei- nigen Demonstrationen – ich werfe Ihnen das gar nicht Das bringt mich zu einer anderen Behauptung, die Sie vor – kräftig mitgemacht. Auch für einige von Ihnen war wiederholt gemacht haben. Sie haben behauptet, Herr das ein neues Erlebnis. Eichel und die Koalition insgesamt stünden nur deshalb haushaltspolitisch so gut dar, weil sie von glücklichen Wer uns vor diesem Hintergrund mangelndes Sparen Umständen auf der Einnahmenseite, insbesondere bei den und mangelndes Konsolidieren vorwirft, bastelt sich die Privatisierungserlösen profitierten. Welt so, wie er sie haben will und wie er es politisch für opportun hält. Herr Austermann, Herr Merz, aber auch (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 120 Milli- Herr Rauen: In dieser Hinsicht unterscheiden Sie sich in arden DM!) nichts von Ihrem früheren Bundeskanzler Dr. Helmut – Ich rede nicht über UMTS, sondern über Ihre Behaup- Kohl, dessen Realitätsverständnis man letzthin wieder tung, die Sie zu den Privatisierungserlösen gemacht ha- einmal bei der Vorstellung seines Tagebuches staunend ben. zur Kenntnis nehmen konnte. Bezeichnend für die Art und Weise, wie zum Beispiel (Peter Dreßen [SPD]: Das war aber höflich der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr formuliert) Austermann, mit Fakten umgeht, ist seine Behauptung: Kein Finanzminister in Deutschland habe je mehr Priva- – Ja, das war sehr höflich formuliert. Ich habe mir extra tisierungserlöse erzielt als Bundesfinanzminister Eichel. vorgenommen, heute Morgen besonders höflich zu sein. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig! Ihre Kritik, wir würden zu wenig sparen, wird völlig (B) 120 Milliarden DM!) unglaubwürdig, wenn man sich Ihr Abstimmungsverhal- (D) ten in den Beratungen des Haushaltsausschusses und hier – Sie sagen jetzt noch: „Richtig!“ Herr Austermann, im Plenum – zu den Änderungsanträgen, über die wir ab- 1998 – in der Regierungszeit der Herren Kohl und Waigel; gestimmt haben – ansieht. Wenn man sich die Forderun- also in Ihrer Regierungszeit, auch wenn Sie nicht regiert gen Ihrer Fachpolitiker anschaut, so stellt man fest, dass haben, sondern im Parlament gestaltend mitgewirkt ha- es kaum einen Bereich gibt, in dem Sie nicht opportunis- ben – gab es Einnahmen aufgrund von Beteiligungsver- tisch draufsatteln wollen: mehr Geld für die Bauern, mehr äußerungen und von Rückflüssen von Kapitaleinlagen, Geld für die Beamten, mehr Geld für den Straßenbau, also Privatisierungserlösen, von 22,6 Milliarden DM. mehr Geld für die Bundeswehr. Man kann diese Reihe be- Dem gegenüber betragen die Privatisierungserlöse 2001 liebig fortsetzen. Nur: Solange Sie keinen sinnvollen nur 15,6 Milliarden DM. Dies ist, wie es Ihre Art ist, Herr Finanzierungsvorschlag machen – bisher haben Sie das Austermann, wieder einmal eine Falschaussage. nicht –, sind solche Forderungen wohlfeil. Sie überzeugen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ noch nicht einmal diejenigen, die von Ihrer Politik be- DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ günstigt werden sollen. CSU]: UMTS hat er völlig vergessen! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das war aber Eine allgemeine Aussage machen Sie – Sie werden sie schwach!) sicherlich gleich wiederholen –, indem Sie behaupten, man müsse bei den konsumtiven Ausgaben mehr sparen Mit diesen Privatisierungserlösen finanzieren wir das und dafür die Investitionen erhöhen. Doch was sind Vorziehen der dritten Stufe des Steuerentlastungsgesetzes – auch manche Wissenschaftler benutzen diesen Begriff von 2002 auf 2001. Das ist im Interesse von den Bezie- leichthin – „konsumtive Ausgaben“? Was sind konsum- hern kleiner und mittlerer Einkommen und auch solide, tive Ausgaben im Bundeshaushalt? Da ist das Erzie- weil ein einmaliger Vorgang. Auch das unterscheidet uns hungsgeld, da ist das Wohngeld: Wollen Sie das abschaf- im Übrigen: Wir tun etwas zur steuerlichen Entlastung fen? – Da ist das BaföG: Noch heute Morgen haben Sie und finanzieren diese Entlastung solide. Sie haben in den eine weitere Erhöhung gefordert, obwohl wir in dieser 90er-Jahren nicht ein Steuerkonzept vorgelegt, das auch Hinsicht schon eine Menge gemacht haben. nur annähernd solide finanziert war. Das unterscheidet uns wesentlich. (Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Eine Reform wollen wir!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ Das sind konsumtive Ausgaben. – Oder Arbeitslosengeld CSU]: Was war 1997?) oder die Arbeitslosenhilfe: Wollen Sie die abschaffen? 13492 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Joachim Poß (A) Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposi- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Um wie (C) tion, an diese Leistungen herangehen wollen, dann sagen viel Prozent sind die Renten in diesem Jahr er- Sie das den Bürgerinnen und Bürgern, damit sie wissen, höht worden? Inflationsausgleich!) woran sie bei Ihnen wirklich sind. Wer mehr sparen will, Nur, wie würde sich das mit der von Ihnen eingeforderten der muss genau sagen, wo er sparen will. stärkeren Haushaltskonsolidierung vertragen? Außerdem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wären damit mehr konsumtive Ausgaben verbunden; DIE GRÜNEN) diese aber wollen Sie senken. Allgemeine Floskeln helfen nicht weiter. Die Wahrheit ist Des Weiteren werfen Sie uns vor, dass wir das Ren- immer konkret. tenniveau zu stark absenken. Ein höheres Rentenniveau verlangt aber logischerweise mehr Einnahmen in den Konsumtiv ist auch der gesamte Bereich der Alters- Rentenkassen. Also sind auch in diesem Fall höhere sicherungsleistungen aus dem Bundeshaushalt, also Beiträge oder ein höherer Bundeszuschuss notwendig, nicht nur die Zuschüsse an die Rentenversicherungsträ- was Sie wiederum ablehnen. Man sieht also: Auch in die- ger, sondern zum Beispiel auch die Ausgaben für die Al- ser Argumentation steckt nichts als Konzeptionslosigkeit terssicherung der Landwirte und die Versorgungsleistun- und Widersprüchlichkeit. gen für Beamte, die beim Bund beschäftigt sind. Wenn Sie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ an diesen Stellen abbauen wollen, dann sagen Sie das DIE GRÜNEN) doch bitte den Rentnern, den Landwirten und den Beam- ten. Aber auf der einen Seite sozusagen eine neue soziale Das bisher Gesagte beweist: Sie versuchen bei jeder Melodie anzustimmen und uns – wie gestern – eine un- Gelegenheit, die wahren Sachverhalte zu verschleiern. soziale Politik vorzuwerfen Vor allem CDU und CSU setzen so darauf, dass es ihnen gelingt, von ihrer konzeptionellen, aber auch personellen (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit Schwäche abzulenken. Den Grad an Realitätsferne, den Recht!) Sie mittlerweile erreicht haben, zeigt übrigens auch die Tatsache, dass Sie gegen die grundlegende Wahrnehmung und auf der anderen Seite den Abbau von konsumtiven der Bürgerinnen und Bürger anreden. Gerade der Bun- Leistungen zu fordern, das geht nicht auf und das lassen desfinanzminister Hans Eichel steht bei den Bürgerinnen wir Ihnen nicht durchgehen. und Bürgern, und zwar zu Recht, für den Erfolg der Bun- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ desregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen. DIE GRÜNEN) Unsere Haushalts- und Finanzpolitik steht für Solidität, für Verlässlichkeit und für Zukunftsorientierung. Was Sie hier zum Thema Rente von sich geben, zeigt (B) Ihre vollkommene Konzeptionslosigkeit und auch eine (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D) mangelnde Abstimmung in der Union. Walter Riester hat DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ sich monatelang bemüht, Ihnen entgegenzukommen. CSU]: Wann?) ( [CDU/CSU]: „Bemüht“ kann man sagen! Er war stets bemüht! Das ist Wir konsolidieren den Haushalt Schritt für Schritt und Jahr für Jahr. Aber gleichzeitig lassen wir die Menschen schon das Abschlusszeugnis für den Minister!) nicht allein. Wir verbessern die soziale Situation für viele. Wie ist Ihre Reaktion? Zunächst waren Sie bereit, die Wir haben in den letzten beiden Jahren viel zur Wieder- schwierige, aber dennoch unabdingbare Reform der Al- herstellung der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland terssicherung mit uns zusammen anzugehen. Herr Merz getan, meine Damen und Herren. Vielleicht haben wir ei- bekundet verbal noch immer, dass er dazu bereit ist. In nen Fehler gemacht: Wir haben zu wenig darüber geredet. Wirklichkeit aber wollen Sie aus rein taktischen Erwä- Aber diesen Fehler werden wir noch korrigieren. gungen zusammen mit uns keine Lösung mehr finden, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ egal, was Herr Merz uns hier weismachen will. DIE GRÜNEN – Dr. Barbara Höll [PDS]: Da- Interessant ist auch die Art und Weise Ihrer Argumen- von wird es auch nicht besser!) tation. Sie sagen, wir berücksichtigten in der Rentenfrage – Etwas für die soziale Gerechtigkeit zu tun ist etwas an- zu wenig die Interessen der jungen Generation, deres als die Sozialdemagogie, die von der PDS kommt – um das zur Unterscheidung auch einmal klarzumachen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Genau!) (Beifall bei der SPD – Dr. Barbara Höll bei uns stiegen die Beiträge zu stark und die späteren Ren- [PDS]: Na, na, na!) tenleistungen für die heutigen jungen Leute seien zu nied- rig. Was wollen Sie nun? Wollen Sie noch niedrigere Wir müssen in diesem Parlament einmal für programma- Beiträge für die Generation der derzeitigen Beitragszah- tische und inhaltliche Schärfe sorgen, damit den Bürgern ler als von uns vorgesehen? Wenn das Ihre Absicht ist, die Unterschiede wirklich klar werden zwischen verant- dann müssten Sie aufgrund der daraus folgenden geringe- wortungsbewusster Politik, die gleichzeitig sozialgerecht ren Beitragseinnahmen in den Rentenkassen den heutigen ist, und hemmungslosem Populismus, wie wir ihn hier Rentnern weniger Geld auszahlen. Wenn Sie das wollen, von rechts und von links erleben. dann sagen Sie den Rentnern, dass das die Konsequenz (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ist. Oder wollen Sie zur Kompensation einen höheren DIE GRÜNEN – Rosel Neuhäuser [PDS]: Das Bundeszuschuss? ist doch unglaublich!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13493

Joachim Poß (A) Deswegen sagen wir, dass konsumtive Ausgaben im Entlastungen nichts, weil das Geld durch die Folgen des (C) Haushalt nach wie vor ihre Berechtigung haben. Außer- Energiepreisanstiegs aufgezehrt werde. dem sind wir sehr wohl der Meinung, dass gerade in Zei- (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) ten, in denen dauerhafte Arbeitsplätze immer seltener werden und berufliche Perspektiven für jeden Einzelnen Es ist möglich, dass es diese Fälle gibt. Aber geht der Ener- immer schwieriger zu planen sind, eine verlässliche fi- giepreisanstieg auf politische Maßnahmen zurück? Der nanzielle Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit Energiepreisanstieg geht doch – entgegen den Behaup- unbedingt vonnöten ist. Arbeitsmarktausgaben, seien sie tungen bei der Bauern- und Dummenfängerei, die Sie be- passiv oder aktiv, müssen – das ist die Grundaussage – treiben – zum allergrößten Teil auf die Erdölproduzenten auch weiterhin auf hohem Niveau erhalten bleiben, und Erdölhändler zurück. Inzwischen wissen die Bürge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rinnen und Bürger das auch – trotz der Kampagne, die Sie heute wieder gestartet haben. Deswegen werden Ihre An- auch wenn, so füge ich hinzu, beständig überlegt werden tiökosteuerkampagnen Sie keinen Schritt weiterbringen; muss – und das machen wir –, ob man ihren Einsatz nicht denn trotz Ökosteuer wird sich die Abgaben- und Steu- effizienter und zielführender gestalten kann. Aber beides erquote in den nächsten Jahren verringern. Gleiches gilt steht nicht im Gegensatz zueinander. auch für die Staatsquote. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Abga- Es ist natürlich richtig, dass die Struktur des Bundes- benquote steigt!) haushalts noch mehr in Richtung Zukunftsgestaltung ver- Das gilt im Übrigen gerade für den Mittelstand, denn von bessert werden muss. Aber auch das geht ja seriöserweise den über 90 Milliarden DM Steuerentlastung profitiert der nur schrittweise; denn der entscheidende Zusammenhang Mittelstand mit 30 Milliarden DM. Die Großunternehmen heißt hier: werden mit 2 Milliarden DM sogar leicht belastet. Wir ha- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber man muss da- ben etwas geändert, was die Bürger über Jahre geärgert mit anfangen!) hat und was Sie, insbesondere die F.D.P., durch Klientel- politik herbeigeführt haben, nämlich dass sich Millionäre mit den Zinsausgaben herunter, mit den Investitionen arm rechnen konnten. Jetzt können sie das nicht mehr. herauf! So haben wir es mit den UMTS-Versteigerungs- erlösen gemacht: 5 Milliarden DM Zinsersparnisse auf- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ grund von Schuldentilgung haben wir zu 5 Milliarden DM DIE GRÜNEN) zusätzlichen Zukunftsinvestitionen gemacht. Das ist un- Auch mit dieser groben Ungerechtigkeit haben wir (B) ser Konzept auch für die zukünftige Haushaltspolitik. Schluss gemacht. (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Im Übrigen muss man sich von der Vorstellung lösen, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von ein Mittelständler unterliege in der Regel dem Einkom- der CDU/CSU: 3,9 Milliarden DM!) mensteuerspitzensatz. Alle empirischen Untersuchungen Herr Rauen sprach am Dienstag von einem gewaltigen zeigen, dass sich der Mittelstand überwiegend nicht aus Investitionsstau in Deutschland. Wer hat denn hier überdurchschnittlichen Verdienern zusammensetzt. Von 16 Jahre lang regiert? Wer hat denn die offensichtlichen den rund 3 Millionen Unternehmen in diesem Lande wei- Infrastrukturprobleme – nicht nur bei der Bahn – zu ver- sen rund 1,7 Millionen Unternehmen einen Gewinn von antworten? Verkehrswege, Bauten und Kanäle verfallen unter 50 000 DM aus. Das heißt, insbesondere sie profi- doch nicht von heute auf morgen; sie können allerdings tieren von unserer Erhöhung des Grundfreibetrages um auch nicht von heute auf morgen wieder saniert bzw. auf- 2 000 DM und von der Senkung des Eingangssteuersatzes gebaut werden. um 10 Prozent. Diejenigen, die oberhalb dieses Bereichs liegen, profitieren von der pauschalierten Anrechnung der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld. Damit DIE GRÜNEN) haben wir etwas gemacht, was vom gewerblichen Mittel- Für diese Bewältigung der Erbschaft brauchen wir leider stand seit Jahrzehnten gefordert wurde. noch mehrere Legislaturperioden. Das ist die Wahrheit, Deswegen kann ich hier zum Abschluss voller Über- meine Damen und Herren, und das werden wir den Bür- zeugung sagen: Wir verantworten eine Politik, von der Ar- gern auch in aller Deutlichkeit vermitteln. Was Ihre Erb- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien mit Kin- schaft wirklich bedeutet und dass das nicht über Nacht be- dern und der Mittelstand wirklich profitiert haben. wältigt werden kann, ist eigentlich noch gar nicht ins Bewusstsein gedrungen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eine weitere Behauptung, die genauso falsch ist, ist in dieser Woche wiederholt worden: Wir würden die Bür- Im nächsten Jahr wird das noch sichtbarer werden als in ger in Wirklichkeit steuerlich gar nicht entlasten. Aber der Vergangenheit. selbst Herr Rauen musste zugeben, dass, wenn jemand Danke schön. 5 500 DM brutto verdient, er im nächsten Jahr um 1 026 DM entlastet wird. Dann sagt Herr Rauen – das geht (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nun wirklich nicht –: Die Menschen haben von diesen DIE GRÜNEN) 13494 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

(A) Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Für die Sparkurs nichts zu tun. Sie haben Ihre Schularbeiten nicht (C) F.D.P.-Fraktion spricht der Kollege Dr. Günter Rexrodt. gemacht. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jetzt wird einiges (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zurechtgerückt!) Die rot-grüne Koalition hat sich in dieser Haushaltsde- batte bemüht, sich das Mäntelchen des Reformers um- Dr. Günter Rexrodt (F.D.P.): Herr Präsident! Meine zuhängen. Ich kann das aus verschiedenen Gründen nicht Damen und Herren! Es ist guter Brauch, zu Beginn der akzeptieren. Schlussrunde zunächst einmal den Mitarbeitern des Zunächst einmal hat es Herr Eichel in dieser Debatte Haushaltsausschusses sowie den Mitarbeitern der Abge- – ich erinnere mich an seine Rede am Dienstag – fertig ge- ordneten, der Ministerien und des Bundesrechnungshofs bracht, die Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts im für die Arbeit, die sie in den letzten Wochen geleistet ha- Deutschland der 90er-Jahre den heutigen Wachstumsraten ben, zu danken. gegenüberzustellen. Er hat das auch in Bezug auf den Ar- beitsmarkt getan: Die positiven Abweichungen, die es da (Beifall im ganzen Hause) gebe, seien natürlich ein Verdienst der rot-grünen Koa- Ich bin immer fasziniert, was insbesondere im Haus- lition gewesen. haltsausschuss geleistet wird. Ich ersticke oft in der Fülle Faktum ist – das sollten die Menschen wissen –, dass des Papiers. Ich komme damit nicht klar und beneide im- die Konjunkturdaten in den 90er-Jahren in allen europä- mer den Ausschussvorsitzenden, der die Papiere so wohl ischen Ländern schlechter waren als heute. Über die geordnet hat. Ich bin da fast immer im Chaos, aber das ist Gründe dafür haben wir oft genug diskutiert. Die kon- Ihnen zu verdanken. junkturelle Wende, die zu deutlichen Wachstumssteige- rungen und zu positiven Folgen in Bezug auf das Brutto- (Joachim Poß [SPD]: Das war ja leider in Ihrer sozialprodukt geführt hat, und die Wende auf dem Ministerzeit auch schon so, Herr Rexrodt!) Arbeitsmarkt wurden 1998 herbeigeführt. Das hat Kol- Herr Poß, Sie haben eben vorgetragen, Sie wollten, um lege Eichel einfach unterschlagen. den Bürgern die Dinge einmal vor Augen zu führen, ein (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Stück Schärfe in die Diskussion bringen. Ich frage mich, nachdem ich Ihren Beitrag gehört habe, ob die Schärfe im Faktum ist, dass Deutschland heute im Hinblick auf Tonfall in Übereinstimmung mit der Schärfe des Argu- den Wachstumsprozess, obwohl die Wachstumsraten, ab- ments steht. solut gesehen, höher sind, im europäischen Vergleich zu- sammen mit Italien das Schlusslicht in Europa darstellt. (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. der (B) ( [F.D.P.]: Leider, leider!) (D) CDU/CSU und der PDS – Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Schöner kann man das nicht aus- Auch das wurde einfach vergessen. Das sollten die Men- drücken!) schen aber wissen. Man kann in diesem Zusammenhang nicht mit absoluten Zahlen arbeiten; das ist irreführend Darüber lasse ich die Bürger draußen ihr Urteil fällen, und unredlich. Herr Poß. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) In der Schlussrunde möchte ich feststellen: Der Kurs der Schuldenabbaupolitik ist richtig. Meine Damen und Herren, die Koalition spricht von ei- ner Auflösung des Reformstaus. Tatsache ist, dass Rot- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Grün damals in der Oppositionsrolle alle wichtigen Re- formen bekämpft und die wichtigste von ihnen, die Deutschland befindet sich damit im Geleitzug der großen Reform des Einkommen- und Körperschaftsteuer- Industriestaaten. Es ist dem Finanzminister zugute zu hal- rechts, verhindert hat. Ich gestehe Ihnen ausdrücklich ten, dass er die enormen Einnahmezuwächse – Herr Poß, zu – denn ich will eine faire Rede halten –, dass es nun- dazu gehören natürlich auch die Erlöse aus der Versteige- mehr bei den direkten Steuern zu einer Reform gekom- rung der UMTS-Linzenzen – nicht benutzt, um die Be- men ist. Die ist zwar weniger mittelstandsfreundlich als gehrlichkeiten der Ressorts zu bedienen, sondern dass da- notwendig und geht am Ziel der Steuervereinfachung vor- mit die Schulden abgebaut werden. bei. Aber sie führt zu einer Entlastung und gibt der Wirt- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten schaft Impulse. Dort wird sie auch positiv aufgenommen. Das ist Ihr Verdienst; das sage ich hier ganz klar. der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist eine Politik, die wir unterstützen. Wenn ich mir Ihre anderen Reformvorhaben ansehe – Herr Poß, meine Damen und Herren von der Koalition, Allerdings halte ich es für neben der Sache liegend, Sie sagen doch, Sie hätten den Reformstau aufgelöst –, diesen Haushalt 2001 als einen Sparhaushalt zu bezeich- stelle ich bei den Steuern als dem ersten Bereich fest: Die nen. Die Ausgabenseite wurde nicht konsolidiert. Herr von Ihnen eingeführte unselige Ökosteuer ist vom Ansatz Lafontaine hatte im Jahre 1999 den Haushalt gegenüber her verfehlt. Dies hat verheerende Folgen gerade für die dem des Vorjahres um 20 Milliarden DM aufgeblasen. Bezieher kleiner Einkommen und für den Mittelstand. Nun davon einige wenige Milliarden zurückzuführen, um Das wird Ihr Waterloo werden; das habe ich hier schon dann ab 2002 wieder kräftig draufzusatteln, hat mit einem einmal gesagt; ich wiederhole das. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13495

Dr. Günter Rexrodt (A) Die Rentenreform – das ist der zweite Bereich – ist Frau Däubler-Gmelin geht in einer fast sektiererischen (C) zum Dauerärgernis geworden. Begonnen hatten Sie da- Weise vor. Unsere schwäbischen Mitbürger haben ja viele mit, eine Komponente der Leistungskorrektur abzuschaf- gute Eigenschaften aber man sagt ihnen nach, es gebe fen, die Sie jetzt mit einer anderen Überschrift wieder ein- unter ihnen zuweilen ein Sektierertum. Was die Jus- führen müssen. Ihr Reformentwurf ist noch immer zu tizministerin tut, ist sektiererisch. kompliziert und an vielen entscheidenden Stellen un- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten zulänglich, insbesondere dann, wenn es darum geht, die der CDU/CSU) private Altersvorsorge zu fördern. Ganz wichtige Berei- che werden aus der Förderung herausgenommen. Diese Ich will jetzt nicht auf die Bundeswehr eingehen, bei Reform ist im Ansatz verfehlt. der Notoperationen gesucht werden, um die Reform durchzuführen, die wir alle wollen, und vieles andere Der dritte Bereich ist die Gesundheitsreform. So wie mehr. Stattdessen will ich noch ein paar Bemerkungen zu es aussieht, wird sie gegen die Wand gefahren. Das Kon- einigen Kuriositäten der Etatpolitik im Detail machen. zept stimmt nicht; alle Beteiligten verweigern sich. Ich beginne mit der Subventionierung der Steinkohle. Im vierten Bereich, im Arbeitsrecht, einem der großen Sie, Herr Kollege Wagner, haben uns jahrelang den Vor- Reformbereiche, gibt es eine Kette von Ungereimtheiten wurf gemacht, wir würden bestehende Verträge nicht ein- und Ärgernissen. Das beginnt mit dem 630-Mark-Gesetz halten. Dabei war gar nichts anderes passiert, als dass wir sowie mit dem verunglückten Gesetz zur Scheinselbst- die Modalitäten der Zahlungen von öffentlicher Seite an ständigkeit und endet beim Gesetz zur Teilzeitarbeit und die Unternehmen mit deren Liquiditätsbedarf in Einklang zu befristeten Arbeitsverhältnissen. gebracht haben, und zwar immer im Einvernehmen mit (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – den Unternehmen. Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch eine gute Damals wurde gesagt, das sei Wortbruch. Der Kollege Sache!) Wagner ist, wenn er darüber gesprochen hat, immer na- Teilzeit wird dadurch eher verhindert. Denn Ihr dies- hezu kollabiert, und der Kollege Urbaniak hat regelmäßig bezügliches Gesetz ist kompliziert, ellenlang, kaum ver- Tränen vor Rührung und Entsetzen in den Augen gehabt. ständlich sowie mit Ausnahmeregelungen und un- (Beifall bei der F.D.P.) bestimmten Rechtsbegriffen gespickt, wie das für überhaupt alles gilt, was aus dem Bereich Riester kommt. Heute machen Sie nichts anderes – frank, fröhlich, frei –, Es ist kaum lesbar, kaum verständlich und kaum anwend- aber heute ist das die hohe Kunst der Finanzpolitik. Es ist bar. Fragen Sie doch einmal die Arbeitsrichter, wie sie nichts anderes als bei uns. Was haben wir hier für Debat- (B) dieses Vorhaben beurteilen. ten geführt! (D) Ein weiterer Bereich ist die Energiepolitik – dabei (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) lasse ich die 30-jährige Garantie für den Betrieb von Jetzt möchte ich, allerdings nur kurz, die EXPO an- Kernkraftwerken außen vor –: Durch falsche Fördersys- sprechen. teme und falsche Fördersätze bei den erneuerbaren Ener- gien sowie beim ungebremsten Ausbau der Kraft-Wärme- (Zurufe von der SPD) Kopplung werden sage und schreibe 40 Prozent des – Ich stehe zur EXPO, ich fand sie gut. Aber sie wurde von gerade einmal liberalisierten Marktes rereguliert, also vielen, auch aus Ihren Reihen, kaputtgeredet. wieder in die Regulierung zurückgeführt. Die Kraft- werkswirtschaft fasst sich an den Kopf. Die Verbraucher (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten werden das bezahlen müssen. der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten Darum geht es hier jetzt aber nicht. Ich will wissen, wer der CDU/CSU) die Defizite trägt. Ist das eine gelungene Reformpolitik, meine Damen und (Beifall bei der F.D.P.) Herren? – Das ist das Gegenteil! Bund und Niedersachsen jeweils zur Hälfte, wie verein- Ich möchte auch auf das Justizministerium, das anson- bart, oder gibt es aus nahe liegenden Gründen Trick- sten gar nicht so sehr im Mittelpunkt steht, zu sprechen sereien zugunsten des Landes Niedersachsen? Das darf kommen: Die Justizministerin will das Mietrecht am nicht sein. Das hat mit dem Inhalt der EXPO nichts zu tun. Markt vorbei reformieren. Sie verfolgt die Reform des (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Jürgen Zivilprozessrechts in einer Weise, dass die beteiligten Koppelin [F.D.P.]: Kuhhandel!) Kreise das überhaupt nicht mehr nachvollziehen können. Ein Wort zur Studienförderung: Was sind die Fakten? (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.]) Sie haben die Höchstsätze beim BAföG von 1 030 DM auf Es hat noch nie so viel Ärger über ein Justizressort 1 100 DM erhöht. Daneben führen Sie eine Rückzah- gegeben, wie das gegenwärtig der Fall ist, und zwar aus lungsgrenze in Höhe von 20 000 DM ein. Darüber kann unterschiedlichen Gründen. man reden, aber eine richtungsweisende Reform ist das nicht. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.]) 13496 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Dr. Günter Rexrodt (A) Schauen Sie sich unser BAföG-Modell an; wir wollen ten Reihe Platz genommen haben. Das sind die wahren (C) eine strukturelle Veränderung, eine elternunabhängige Helden der Nachtschicht. Förderung. Dafür muss Geld in die Hand genommen wer- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den, deshalb haben wir einen entsprechenden Antrag und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der gestellt. PDS) (Beifall bei der F.D.P.) Herr Rexrodt, Sie haben gerade ein Beispiel dafür ge- Sie haben viel zu wenig gemacht und Sie haben es geben, dass auch eine ruhig vorgetragene Rede nichts nicht richtig gemacht, wie immer. Wahres enthalten muss. Ich denke daran, wie Sie versucht haben, durch Wiederholungen etwas als wahr darzustel- (Hans Georg Wagner [SPD]: Sie haben gar len, was nicht wahr ist. nichts gemacht! – [F.D.P.]: Sie wol- len nur nicht, dass junge Menschen von ihren Sehen wir uns einmal an, was im Jahre 1999 wirklich Eltern unabhängig werden!) passiert ist, als eine Notbremsung gemacht werden musste, weil es zu einem Budgetaufwuchs kam. Sie wissen, Denn Sie meinen, Sie seien im Besitz der absoluten warum es dazu gekommen ist. Die Postunterstützungs- Wahrheit. Sie wollen Volksbeglückung, aber nicht an die kassen waren nicht ordentlich eingestellt. Es gab eine wirklichen Wurzeln herangehen. Ökosteuerreform, die für die Rentenkassen einen Durch- Ich habe leider aus Zeitgründen nicht mehr die Mög- laufposten geschaffen hat, aber keine Ausgaben- lichkeit, auf die Bahnreform einzugehen. Wenn Sie da vermehrung bedeutete. Wir haben den Bundeszuschuss an nicht umschalten, wird das Ganze ein Fass ohne Boden. die Bundesanstalt für Arbeit ordentlich und solide einge- stellt. Auch die Zuweisungen an die Länder Bremen und Ich sage das alles nur mit Blick darauf, dass trotz einer Saarland haben wir solide eingestellt. Ebenso haben wir guten Grundausrichtung der Haushalts- und Finanzpolitik die Gewährleistungen korrigiert. Darüber müssten Sie als bezüglich des Schuldenabbaus die eigentlichen Probleme Ex-Wirtschaftsminister eigentlich Bescheid wissen. Es auf der Ausgabenseite nicht angepackt werden. Hier wird ging zum Beispiel um das Russland-Geschäft, um das es nur herumgedoktert und herumgeschustert, aber es gibt damals sehr schlecht stand. kein wirkliches Konzept. Deutschland wird in schwerer Zeit, wenn die Einnahmenzuwächse bei einer schwachen Vor diesem Hintergrund halte ich es für nicht ange- Konjunktur und weniger Privatisierungserlösen geringer messen, hier zu behaupten, wir hätten einen Ausgaben- ausfallen, keine Reserven haben. Sie haben noch nicht ge- aufwuchs produziert, den wir jetzt mit Mühe zurückneh- lernt, mit dem Haushalt angemessen umzugehen. men müssten. (B) (D) (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Herr Kol- Der Haushalt für das Jahr 2001, über den wir jetzt re- lege Rexrodt, kommen Sie bitte zum Schluss. den, ist der erste wirklich rot-grüne Haushalt, der die ei- gene Handschrift deutlich erkennen lässt, und zwar in vie- len systematischen Fragen und nicht nur bei den Dr. Günter Rexrodt (F.D.P.): Der Haushalt ist auf der Ausgaben und Kürzungen. In seiner ganzen Substanz ist einen Seite gut, auf der anderen Seite aber ist er kein High- er qualitativ und quantitativ der erste rot-grüne Haushalt. light, er ist eher Magerkost. Wir werden Sie daran messen, An ihm lassen wir uns gerne messen. Ich habe überhaupt ob Sie die Ausgabenseite gestalten können. Noch gibt es kein Problem damit, dass Sie versuchen, ihn als Maßstab dafür keine Anzeichen. unseres Handelns zu sehen. Der Haushalt ist eine Grund- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) lage, an der wir uns gerne messen lassen. Schauen wir einmal auf die harten Beurteilungskrite- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Für die ren, zunächst auf die Nettokreditaufnahme. Sie ist im Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Vergleich zum Regierungsentwurf noch einmal abgesenkt Antje Hermenau. worden. Wir wollten – das haben wir bei den Haushalts- beratungen gesagt – unter die 45-Milliarden-DM-Grenze kommen. Das haben wir souverän geschafft. Ich bin in- Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zwischen gar nicht mehr so sicher, ob der Herr Finanzmi- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit nister Eichel nicht auf die Idee kommen wird, im Haus- meiner eigentlichen Rede beginne, möchte ich vor allen haltsvollzug die von uns vorgegebene Grenze der Dingen den Mitarbeitern des Haushaltsausschusssekreta- Nettokreditaufnahme noch ein wenig zu unterbieten. riats danken, die bis spät in die Nacht hinein alle Papiere vervielfältigt, sortiert und weggeräumt haben. (Hans Georg Wagner [SPD]: Mit Sicherheit!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Ich habe ihn in „Verdacht“, dass er versuchen wird, dies SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) als einen sportlichen Wettkampf aufzufassen. Für all diejenigen, die nicht wissen, wer das ist, sage ich: Wenn man sich einmal anschaut, was die mittelfristige Das sind die Leute, die bescheiden ganz hinten in der letz- waigelsche Finanzplanung bei der Nettokreditaufnahme Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13497

Antje Hermenau (A) für 2001 vorgesehen hätte, stellen wir fest, dass wir bei seiner dröhnenden Stimme überdecken würde. Wir hätten (C) 53 Milliarden DM lägen. Wir liegen bei 43 Milliar- nach dem Blüm-Modell und dem Waigel-Ansatz einen den DM, also 10 Milliarden DM weniger. Rentenversicherungsbeitrag von 20,4 Prozent. Das muss man einmal klar sagen. Bei einem Durchschnittseinkom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men in Höhe von 4 500 DM pro Monat würde das bedeu- sowie bei Abgeordneten der SPD) ten, dass die Leute alleine wegen der Rentenversiche- Ein zweites hartes Beurteilungskriterium – ein wirkli- rungsbeiträge im Jahr circa 380 DM weniger hätten. cher Eckpfeiler für jeden soliden Haushalt – ist die Inves- Sehen Sie sich einmal an, was noch hätte passieren titionsquote. Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, sie müssen. Sie hätten damals die Mehrwertsteuer um min- noch höher zu setzen; das bestreitet in diesem Hause kein destens 1,5 Prozent anheben müssen, um den Beitragssatz Mensch. Der Punkt ist eher der, dass man es in den Haus- für die Rentenversicherung unter 20 Prozent zu halten. haltsberatungen geschafft hat, die Investitionen fast wie- der auf 60 Milliarden DM anzuheben. Obwohl wir sparen Dies hätte alles über unserem Haupt geschwebt. Diese müssen, haben wir es geschafft, eine solide Investi- Debatte hätte ich hören mögen! tionsquote vorzulegen, die mitnichten unter dem Durch- Sehen wir uns die Ausgaben für den Arbeitsmarkt an. schnitt der Vorjahre liegt. Ich bin der Auffassung, dass es Wir haben in der Diskussion versucht, diese besonders zu gelungen ist, sowohl zu sparen als auch zu gestalten. Die bewerten. Es war nicht einfach, mit einer Volkspartei wie ganze Sache hat Augenmaß. Es gibt hier keinen Grund der SPD mit ihrem entsprechenden Profil bezüglich des zum Poltern. Arbeitsmarktes auf der einen Seite Sparmaßnahmen (Beifall des Abg. Hans Georg Wagner [SPD]) durchzusetzen und auf der anderen Seite eine aktive Ar- beitsmarktpolitik zu gestalten. Die SPD hat einen Groß- Schauen Sie sich das Gesamtvolumen des Haushaltes teil der anfänglichen Entrüstung und des Unverständnis- an. Auch dabei haben die Haushälter insgesamt noch ein- ses in der Bevölkerung beigelegt. Das ist unserem großen mal gespart, circa 1,4 Milliarden DM. Koalitionspartner hoch anzurechen; dies muss man ein- Sie finden hier die drei Eckpfeiler eines soliden Haus- mal so deutlich sagen. haltes: eine abgesenkte Nettoneuverschuldung, eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN höhere Investitionsquote und ein abgesenktes Ausgabevo- sowie bei Abgeordneten der SPD) lumen. Ich sehe überhaupt nicht, wofür wir uns schämen müssten. Ich bin inzwischen der Auffassung, dass es gelungen ist, dass die Koalition trotz dieser wirklich harten Zeit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt gut dasteht. Es ist uns gelungen, glaubhaft zu ma- und bei der SPD) (B) chen, dass wir nicht vorhaben, die Ausgaben für die Ar- (D) Dieser Haushalt ist einer der ersten, der wirklich bere- beitsmarktpolitik zu reduzieren, nur um den Haushalt zu chenbar ist. In die Haushaltspolitik der Bundesrepublik konsolidieren. Es ist möglich gewesen, solider und gründ- Deutschland ist Berechenbarkeit eingezogen. Ich erin- licher zu berechnen. Das halte ich für einen großen Fort- nere mich noch an das Jahr 1997 und an die Positionen un- schritt. Dies hat auch viel mit dem Auf-sich-Nehmen von ter dem damaligen Finanzminister Waigel. Ich weiß noch, schwierigen politischen Debatten zu tun. Dies haben wir wie damals die Ist-Ausgaben, die er für das Jahr 1997 vor- gemacht. gesehen hatte, dramatisch gesunken sind, während die Sehen wir uns zum Beispiel den Wehretat an. Viel- Nettoneuverschuldung, die er vornehmen musste, drama- leicht bin ich als Frau oder vielleicht auch als Grüne – das tisch nach oben gegangen ist. Woran lag das? Ihre eigene kann alles sein – prinzipiell anderer Auffassung. Ich fand Steuerbasis ist erodiert; die Steuereinnahmen sind Ihnen es schon amüsant, wie sich die Männer hier um die Flug- weggebrochen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Haus- zeuge, Panzer und Hubschrauber gekloppt haben. Es war halts- und Finanzpolitik damals nicht berechenbar und so- geradezu wie Weihnachten. lide gestaltet war. Der Haushalt, über den wir jetzt reden, ist solide und berechenbar. Weil er sauber und solide ver- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- anschlagt ist, gehe ich davon aus, dass die Ist-Zahlen dem SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) entsprechen, was wir als Soll formuliert haben. Das halte Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn man einen ich für einen großen Erfolg. Haushalt langfristig konsolidieren will, den Bereich mit Schauen wir uns noch ein paar der Punkte an, um die den dritthöchsten Ausgaben nicht ausnehmen kann, egal es in diesem Haushalt geht. Es geht zum Beispiel um die wie hübsch die Hubschrauber aussehen. Rentenfinanzierung. Für die Rente sind Mehrausgaben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von 22 Milliarden DM vorgesehen, die von Bundesseite sowie bei Abgeordneten der SPD) geschultert werden müssen. Sie sind mit der Ökosteuer solide gegenfinanziert. Darüber gibt es eine große Dis- Es kann nicht sein, dass wir bei den Sozialausgaben kussion – das kann man schon so sagen –, aber haushalts- sparen, dass wir versuchen, die Zinszahlungen zu re- technisch ist das vollkommen solide. duzieren, aber den Wehretat nicht antasten. Das ist nicht möglich. Sehen wir uns einmal an, was nach dem Blüm-Modell passiert wäre. Vergleichen wir einmal, wo die Bundesre- Sehen wir uns einmal die gestalterischen Potenziale publik Deutschland stünde, wenn noch immer Herr dieses Haushaltes an. Wir haben eine Reihe von – das sage Waigel in jeder Haushaltsdebatte die falschen Zahlen mit ich jetzt als Grüne – ökologischen Investitionen auf den 13498 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Antje Hermenau (A) Weg gebracht, die auch langfristig wirken werden und In dieser Haushaltsberatung ist aufgefallen, dass so- (C) unseren Anspruch an eine nachhaltige Finanz- und auch wohl die F.D.P. als auch die PDS entschieden differen- Verkehrspolitik erfüllen werden. Ich denke hierbei an die zierter als die große Oppositionsfraktion der CDU/CSU 2 Milliarden DM für die Schienensanierung im Eisen- zu einer ganzen Reihe von Einzelplänen und auch in der bahnnetz, an die 400 Millionen DM für die Altbausa- Generaldebatte Stellung genommen haben. Dies muss nierung, an die zusätzlichen 100 Millionen DM bei Energie- man einmal konstatieren. Das heißt, ganz so schlimm und forschungsmitteln und auch an die zusätzlichen 100 Mil- verrucht kann der Haushalt nicht sein, sonst wäre eine dif- lionen DM für das Markteinführungsprogramm für rege- ferenzierte Stellungnahme nicht möglich. nerative Energien. Das sind ökologische Investitionen in Gehen wir einmal auf die undifferenzierten Vorwürfe die Zukunft. Ich glaube, dass man sich damit nicht nur se- ein, die hier gemacht wurden. Dauernd wird gesagt, wir hen lassen kann, sondern dass wir darauf auch stolz sein würden nicht richtig sparen. können. (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Ja, das stimmt!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich sagte eben schon: Wenn Herr Waigel noch am Ruder Langsam zeichnet es sich ab: Sparen macht durchaus wäre, wäre nach seiner Finanzplanung die Nettoneuver- Sinn. Wir bekommen langsam ein Gefühl für Gestaltungs- schuldung um 10 Milliarden DM höher; um das einmal spielräume, die sich für die Bundesrepublik Deutschland klar zu sagen. für die Zukunft und hier insbesondere für die nachfolgen- Ich erinnere mich, dass das Jahr 1996 als Vergleich vor- den Generationen auftun. Das heißt nicht, dass wir mit gebracht worden ist. Es wurde gesagt, da habe man unter der dem Sparen aufhören können. Nicht, dass jetzt irgendje- CDU/CSU-geführten Koalition sehr deutlich eingespart. Es mand der Meinung ist, es werde alles ganz leicht. Das wird ging um 20 Milliarden DM. Das war ein Umbuchungs- es nicht sein. trick. Auf der Ausgabenseite wurde eine Steuerminder- Wir hatten ja in diesem Jahr – Herr Roth, hier gebe ich einnahme formuliert, und dann sah es so aus, als ob die Ihnen durchaus Recht – etwas günstigere Umstände auf- Ausgaben gesunken wären. Das hat mit Sparen aber über- grund der durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen erziel- haupt nichts zu tun; Geld wurde nicht eingespart. Mit sol- ten Erlöse; das ist einfach so. Man muss sich aber nicht chen Vergleichen, wie Sie sie hier bemüht haben, haben neidisch daneben stellen und sagen: Wenn ihr diese nicht Sie bewiesen, dass Sie die Hoheit auf dem Feld der Fi- gehabt hättet, hättet ihr nichts auf den Weg gebracht. Ent- nanz- und Steuerpolitik eindeutig verloren haben. scheidend ist doch, ob man das wie wir mit Augenmaß (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN behandelt. Wir haben nicht das Füllhorn ausgeschüttet, und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ (B) sondern haben wieder an die Zukunft gedacht und Schul- CSU]: An wen denn wohl?) (D) den getilgt. Sie haben auch noch einmal die Investitionsquote (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bemüht, deren Niveau Ihnen zu niedrig sei. Ich habe hier frank und frei zugegeben, dass man sich auch eine höhere Außerdem ist es uns gelungen, parallel eine Reihe von wünschen könnte. Man kann halt nicht alles auf einmal notwendigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Ich halte machen; das muss man mit Ruhe ertragen können. Aber das für eine sehr gehaltvolle, mit Augenmaß vollzogene nach Waigels mittelfristiger Finanzplanung läge die Inves- Maßnahme. Hier gibt es überhaupt nichts zu poltern. titionsquote jetzt bei 11,8 Prozent, während wir 12,2 Pro- Ich erinnere mich, dass die CDU/CSU gar nicht wuss- zent bereitgestellt haben. Ich denke, wir können Ihre Kri- te, was sie eigentlich mit dem erzielten Geld machen will. tik in Ruhe wegstecken. Die Liste derjenigen, die sich dazu geäußert haben, Ich glaube, dass Sie, meine Damen und Herren von der reichte von Austermann bis Merz. Der eine sprach davon, CDU/CSU, in der Opposition angekommen sind. Man dass man das Geld nehmen solle, um die Ausgaben zu er- muss sich nur Ihre Änderungsanträge ansehen. Sie haben höhen; hier war von Sparpolitik keine Rede mehr. Der an- in der Generaldebatte ständig darauf hingewiesen, dass dere sprach davon, dass man auch noch die Zinserlöse in man mehr sparen müsse, und dann kommen Sie in den die Tilgung stecken solle. Da herrschte eine ziemliche Debatten über die Einzeletats mit ganz vielen nicht or- Konfusion. Es gab in der CDU/CSU keinen einheitlichen dentlich gegenfinanzierten Änderungsanträgen, die Mehr- Kurs, während die Koalition von Anfang an wusste, was ausgaben in Höhe von circa 8 Milliarden DM bedeuten zu tun ist. würden. Wenn Sie mich fragen, ist das ein undifferenzier- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat tes Vorgehen, das keine Systematik erkennen lässt. Dazu man in der Bereinigungssitzung gemerkt!) sage ich Ihnen: Gratulation, Sie sind in den Anfangsgrün- den der Opposition angekommen. Es gab eine klare Linie. Es galt, die Schulden zu tilgen. Das haben wir gemacht. 100 Milliarden DM sind in die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tilgung geflossen. Durch die Zinsersparnisse haben wir sowie bei Abgeordneten der SPD) jetzt einen gewissen Gestaltungsspielraum bei den In- Es wurde darauf rekurriert – das finde ich gar nicht so vestitionen. Ich halte das für eine sehr vernünftige Opera- falsch –, dass die Dinge unter Stoltenberg vielleicht an- tion. ders gelaufen wären – anders als unter Waigel bestimmt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich erinnere mich, dass wir schon einmal eine Debatte sowie bei Abgeordneten der SPD) darüber geführt haben, welche Verdienste sich der ehe- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13499

Antje Hermenau (A) malige Finanzminister Stoltenberg erworben hat. Es fällt müssen. Ich kann Ihnen nur raten: Fügen Sie dem verba- (C) mir nicht schwer zu sagen, dass ich denke: Er war damals len Missgriff von Herrn Merz jetzt nicht einen neuen ein recht guter Finanzminister; das ist überhaupt kein Pro- hinzu! blem. (Beifall bei der PDS) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Niederschmetterndste für all jene, die – wenn sie Der beste!) denn durchgehalten haben – die ganze Debatte verfolgt Ich glaube auch, dass er den Weg in die deutsche Einheit haben, war aber wohl, dass CDU/CSU und F.D.P., wären entschieden solider finanziert hätte, als es der nachfol- sie heute an der Regierung, vermutlich vieles von dem, gende Finanzminister Waigel getan hat. Davon bin ich was die neue Koalition gemacht hat, auch gemacht hätten. überzeugt, und das kann ich Ihnen auch gern einmal dar- Die SPD und die Bündnisgrünen hätten das, was sie heute legen. als Regierungsfraktionen mit Inbrunst verteidigen, zu ihren Oppositionszeiten gewiss mit scharfem Protest Als im Frühjahr 1989 der Wechsel von Stoltenberg auf zurückgewiesen und als Sozialraub bezeichnet. Waigel erfolgte, war die Wende in der Deutschen Demo- kratischen Republik noch nicht klar absehbar. Trotzdem (Beifall bei der PDS) begann mit dem Erarbeiten des Haushaltsentwurfs für das Ich finde, wir muten der Öffentlichkeit da allerhand zu. Folgejahr ein starker Aufwuchs bei der Nettoneuver- Die Orientierung wird immer schwieriger. schuldung. Das heißt, die Finanzpolitik wurde bereits im Frühjahr 1989, ein halbes Jahr vor der Wende und der Was hat sich in dieser Woche alles ereignet? Manchem deutschen Einheit, von Kohl und Waigel verändert: hin zu war es äußerst wichtig, zu klären, ob sich Finanzminister mehr Schulden und mehr Ausgaben. Das hatte etwas da- Eichel zu Recht oder zu Unrecht als Sparkommissar be- mit zu tun, dass man fürchtete, die Bundestagswahl zu zeichnen darf. Ich denke, das interessiert in diesem Land verlieren. Vor diesem Hintergrund sich ständig mit der niemanden. Wichtig ist doch, wo und wofür gespart wird. deutschen Einheit herausreden zu wollen, das fällt mir nur (Beifall bei der PDS) noch auf die Nerven. Vom Sparwillen der Koalition war beispielsweise im (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verteidigungsetat nichts zu spüren. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Nein, Jäger 90!) Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie, wenn Sie sich selber für sehr gute Finanz- und Haushaltspolitiker Da wollte die CDU/CSU sogar noch draufsatteln. halten, dem Haushalt für das Jahr 2001 nicht zustimmen Den Steuerverschwendungshinweisen des Bundes- wollen. Das bleibt für mich unverständlich. Ich habe der (B) rechnungshofes wurde viel zu wenig nachgegangen. (D) Debatte in dieser Woche mit einiger Fassungslosigkeit Wenn man diesen Hinweisen stärker gefolgt wäre, dann zuhören müssen. Vielleicht wird im Laufe der Jahre das hätte man noch andere Finanzierungsquellen entdeckt. Diskussionsniveau der CDU/CSU-Fraktion differenzierter. Mitten in der Woche wurde uns mitgeteilt, dass sich die Ich danke Ihnen. Fraktionsspitzen von SPD und Bündnisgrünen darauf ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einigt haben, dass der Bund so mir nichts, dir nichts zwei und bei der SPD) Drittel des EXPO-Defizits übernimmt. Im Haushalt steht das noch ganz anders, und zwar ohne dass geklärt worden wäre, wer für die bei der EXPO entstandene Finanzmisere Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich gebe das verantwortlich ist. Wort der Kollegin Dr. Christa Luft für die Fraktion der PDS. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Angesichts des Tempos, mit dem beispielsweise – ich Dr. Christa Luft (PDS): Herr Präsident! Verehrte Kol- nenne nur dieses eine Beispiel – das EXPO-Problem leginnen und Kollegen! Nach dieser einwöchigen Rede- gelöst wird, empört es geradezu, dass die Lösung anderer schlacht möchte man eigentlich mit Goethes Faust ausru- Probleme, über die seit Jahren debattiert wird, auf die fen: „Hier steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als lange Bank geschoben wird, Problemfälle, in denen es um wie zuvor.“ berechtigte soziale Ansprüche von Menschen und nicht durch Fehlkalkulationen verursachte Defizite bei be- (Beifall bei der PDS) stimmten Institutionen geht. Ich meine zum Beispiel die Wenn ich resümiere, dann stelle ich fest, dass in dieser Gewährung von Anpassungsgeld für Untertageberg- Woche seit Dienstag Behauptungen hin- und herge- leute in den neuen Ländern, schleudert worden sind; es gab eine Art Pingpongspiel. (Beifall bei der PDS) Ich vermisse Nachdenklichkeit, Erkenntnisgewinn und irgendeine Veränderung an diesem Haushalt, die wir viel- die ähnlich wie die westdeutschen Steinkohlekumpels leicht im Laufe dieser Woche noch zustande gebracht hät- durch Strukturkrisen unschuldig ihre Arbeit verloren ten. Daher werden wir ihm in seiner Gänze auch nicht zu- haben bzw. noch verlieren werden. Bereits 1996, also stimmen – aber nicht, Herr Kollege Poß – er ist wohl im noch zu Zeiten der früheren Koalition, und 1999, also zu Moment nicht im Saal –, wegen einer vermeintlichen So- Zeiten der jetzigen Koalition, haben wir das im Deutschen zialdemagogie, die Sie bei der PDS glaubten orten zu Bundestag per Antrag thematisiert – leider erfolglos. In 13500 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Dr. Christa Luft (A) diesem Jahr haben wir dieses Thema mehrfach in den Situation, dass sich der Bund zwar wegen gestiegener In- (C) Ausschusssitzungen angesprochen und dazu Anträge vestitionsausgaben auf die Schulter klopfen kann, die gestellt. Mit fadenscheinigen und hinhaltenden Argu- Länder und Kommunen aber kein Geld mehr haben, menten sind unsere Anträge beschieden worden. Es wurde (Zuruf von der PDS: Unerhört!) zwar persönliche Sympathie für unser Anliegen geäußert, aber mit persönlichen Sympathiebekundungen können um Schulen, Kitas oder Altenheime zu sanieren. die Kumpels ihre Probleme nicht lösen. Sie brauchen tat- (Beifall bei der PDS) sächlich praktische Lösungen. (Beifall bei der PDS) Diese Situation ist absurd. Zu fragen bleibt auch, warum der Reformstau auf an- Nachdem jetzt so viel persönliche Sympathie geäußert deren Gebieten nicht zum Nachdenken anregt. Wann end- worden ist – alle Haushaltsausschussmitglieder der F.D.P. lich wird die Schere zwischen Verteilung und Belastung haben unserem Antrag zugestimmt –, zähle ich jetzt darauf, dass wir das Problem alsbald gemeinsam lösen von Einkommen und Vermögen ernsthaft thematisiert? können. Wir warten immer noch darauf, dass Sie Ihre Ankündi- gung, die Erbschaftsteuer zu novellieren, erfüllen. Auch (Beifall bei der PDS) unter Rot-Grün wächst leider die Kluft zwischen Arm und Regierung und Koalitionsfraktionen rühmten sich in Reich. Mit der Teilhabe am Haben und Sagen, wie es der der Haushaltsdebatte, den Reformstau aufgelöst zu ha- Kanzler gefordert hat – grundsätzlich kann man ihm da ben: Steuerreform vorangebracht, Gesundheitsreform nur Recht geben –, sieht es leider bei vielen Menschen durchgeführt, Rentenreform vorbereitet und Haushalts- noch sehr mau aus. konsolidierung vorangebracht. Ich finde, wenn der aufge- Wann wird damit begonnen, den Berg an gesellschaft- löste Reformstau alles ist, was Sie vorzuweisen haben, lich notwendigen Tätigkeiten, zum Beispiel im Bereich dann ist das noch lange kein Gütesiegel für Ihre Politik, der Kinder- und Jugendarbeit, im Bereich humaner wenn nicht gleichzeitig die sozialen Wirkungen in Gänze Dienstleistungen, die heute kaum entlohnt werden, durch bilanziert werden. Die mehrfach in dieser Woche den Fa- entsprechende Finanzierungsmodelle schrittweise zu ei- milien mit niedrigen und mittleren Einkommen vorge- ner vollwertigen Erwerbsarbeit umzugestalten? In diesen rechneten Entlastungen durch die Steuerreform werden Bereichen sind doch Verkrustungen entstanden, die auf- doch durch höhere Hort- und Kitagebühren, durch stei- gelöst werden müssen. Stattdessen macht Rot-Grün die gende Versicherungsbeiträge, steigende Verkehrstarife, Senkung der Nettokreditaufnahme sozusagen zu einem steigende Heizkosten und durch Zuzahlungen für Ge- Glaubensbekenntnis. Wir wissen um die Schulden- und sundheitsleistungen oft mehr als kompensiert. Das ist die (B) Zinslast, die auf die jungen Generationen zukommt. Aber (D) Wahrheit! auch ungelöste ökonomische, soziale und ökologische (Beifall bei der PDS) Probleme belasten künftige Generationen. Hätten Sie beispielsweise das steuerfreie Existenzmini- (Glocke des Präsidenten) mum rascher angehoben, wie wir das gefordert haben, – Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. und hätten Sie dafür den Spitzensteuersatz weniger stark gesenkt, dann hätten Sie der Volkswohlfahrt insgesamt Mein Resümee der Arbeit im Haushaltsausschuss lau- mehr gedient. tet: Es gab dort viel Schatten, aber auch viel, was mich ge- freut hat. In guter Erinnerung habe ich die in der Regel (Beifall bei der PDS) straffe Debattenführung, ein in der Regel sachliches Wie soll den 20- bis 40-jährigen jungen Leuten, die Klima und kollegiales Verhältnis und vor allem die Hilfs- schon länger arbeitslos sind und kaum Aussicht auf Aus- bereitschaft und die stete Umsicht der Mitarbeiterinnen übung einer existenzsichernden Arbeit haben, denn, wie und Mitarbeiter im Sekretariat des Haushaltsausschusses. es Herr Riester wünscht, die private Altersvorsorge (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten schmackhaft gemacht werden? Das geht doch irgendwie der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- nicht zusammen. NEN) Unter den Bedingungen voranschreitender Globalisie- Dafür bedanke ich mich sehr herzlich im Namen meiner rung gebührt gerade auch den Kommunen eine Stärkung, Fraktion. damit die Menschen dort, wo sie wohnen, das Gefühl be- kommen, geborgen zu sein und gebraucht zu werden. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich gebe das Wie geht das denn mit der Tatsache zusammen, dass die Wort dem Kollegen Hans Jochen Henke für die rot-grüne Steuerreform den finanziellen Spielraum von CDU/CSU-Fraktion. Ländern und Kommunen weiter einengt? 2001 werden die Länder 19 Milliarden DM weniger Steuern einneh- men. Diese Mindereinnahmen werden durch konjunktur- Hans Jochen Henke (CDU/CSU): Herr Präsident! bedingte Mehreinnahmen nicht wettgemacht. Die Länder Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus den Ausführungen werden darauf mit Kürzungen der Zuweisungen an die der Kollegin Hermenau und des Kollegen Poß hätte man Gemeinden reagieren. Dadurch kommt es zu der absurden den Eindruck gewinnen können, als ob wir es hier mit ei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13501

Hans Jochen Henke (A) nem Jahrhundertwerk zu tun haben, dessen Wirkung weit lenfalls ein Nullsummenspiel erleben. Ihr Zahlenwerk, (C) über diese Legislaturperiode hinausreicht. Tatsache ist, Herr Minister Eichel, ist auch bei konservativ veran- dass der uns vorliegende Haushaltsentwurf in einigen Be- schlagten Hochrechnungen, was die Entwicklung der reichen durchaus solide ist und Ansätze zur Konsolidie- Steuereinnahmen anlangt, für die nächsten Jahre bis 2004 rung bietet. Das möchten wir gar nicht in Zweifel ziehen. zu optimistisch. Es wären mehr als 60 Milliarden DM zu- Diese Ansätze und sehr viel mehr hätte in dieser Legisla- sätzlich zu veranschlagen. Wenn man die bereits zwischen turperiode auch eine christdemokratische Regierung 1997 und 2000 vereinnahmten zusätzlichen 60 Milliar- erreichen können; denn die Rahmenbedingungen waren den DM berücksichtigt, sind dies in der Summe sage und – ich darf das noch einmal unterstreichen – im Gegensatz schreibe 120 Milliarden DM mehr. zu dem, was hier ausgeführt wurde, so günstig wie nie. Kein Finanzminister hatte so traumhafte Ausgangs- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Hört! Hört!) voraussetzungen wie Minister Eichel. Der Staat kassiert weiter und weiter. Am Ende Ihres Fi- (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der nanzplanungszeitraumes werden die jährlichen Abgaben- SPD) und Steuerbelastungen in diesem Land für die Bürger bei rund 1 Billion DM angelangt sein. Wenn ich Ihre Politik an den lauten und vollmundigen Ankündigungen und Versprechungen wie zum Beispiel, (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: die Steuer- und Abgabenlast der Bürger zu senken und das Hört! Hört!) Steuerrecht nachhaltig zu vereinfachen, messe, dann muss Die Steuer- und Abgabenlast werden Sie nach Ihrer ei- ich feststellen, dass hier wie in vielen anderen Bereichen genen mittelfristigen Finanzplanung konstant bei einer Ankündigungen und Wirklichkeit weit auseinander klaf- Quote von über 54 Prozent stabilisieren. Da frage ich fen. mich: Wo sind die Reformen, Ihr jetzt vorgelegter Haushalt, Frau Kollegin Hermenau, (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!) ist nicht der erste, der unter rot-grüner Verantwortung zu- stande kommt, sondern es ist der dritte. wo sind die Entlastungen, wo sind die Absenkungen bei Steuern und Abgaben für die Bürger und die Wirtschaft? (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber der erste eigene! Das wissen Sie (Beifall bei der CDU/CSU) auch!) Unser Fraktionsvorsitzender hatte sehr Er müsste eigentlich den Höhepunkt in dieser Legislatur- Recht, als er vor wenigen Tagen hier in diesem Hause fest- periode markieren; denn auf den nächsten Haushalt fallen stellte: Mit Ihnen und Ihrer Politik werden in den nächs- (B) bereits die Schatten des Wahljahres 2002. ten Jahren die Menschen leider ärmer. (D) Wenn ich das, was Sie in Koalitionsvereinbarungen Auf der anderen Seite waren die Ausgaben des Bundes und vor der Wahl angekündigt haben, an der Wirklichkeit noch nie so hoch wie in diesem Jahr; sie erreichen histo- messe, dann muss ich in aller Bescheidenheit und Zurück- risch einmalige Größenordnungen in der Geschichte der haltung darauf hinweisen, dass Sie jedenfalls eines mit Si- Bundesrepublik. Nächstes Jahr gibt es eine marginale cherheit nicht gemacht haben: Vereinfacht haben Sie an Veränderung nach unten, die eigentlich nicht ins Gewicht keiner Stelle irgendetwas; aber verkompliziert und ver- fällt, und dieses, obwohl Privatisierungen bei der Treu- bürokratisiert haben Sie an vielen Stellen. hand mit einer Art Nebenhaushalt abgewiegelt werden und obwohl Sie Kosten in Höhe von 10 Milliarden DM (Beifall bei der CDU/CSU) vom Haushalt auf die Sozialversicherung schieben. Was Reformbereitschaft generell und Reformen im Jawohl, der neu gewählte BDI-Präsident Rogowski, Steuer- und Abgabenrecht speziell anlangt, so ist durch ein wirklich unabhängiger wie besonnener und obendrein das, was Sie Reformen nennen, eigentlich alles mit jedem noch schwäbischer Kopf, Schritt komplizierter geworden. Eine so genannte Reform hat in vielen Fällen ihre eigene Reform quasi zwangsläu- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- fig nach sich gezogen. NEN und bei der F.D.P.) Als ein Beispiel dafür, wie Sie im Zusammenhang mit hat Recht, wenn er in dieser Woche forderte: Geben Sie diesem Thema mit der Wirtschaft umgegangen sind und uns unsere Freiheit wieder! umgehen, Herr Finanzminister Eichel, nenne ich nur noch (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der einmal die AfA-Tabellen. 3,5 Milliarden DM wollten Sie SPD: Oh!) gegenfinanzieren, 13 Milliarden DM waren es dann nach den Listen Ihres Hauses tatsächlich. Der BDI ist Ihnen al- Aber was tun Sie stattdessen? Sie werden in wenigen lerdings rechtzeitig auf die Schliche gekommen. Das Wochen die Ökosteuer erneut anheben und Sie werden schafft kein Vertrauen im Umgang zwischen Politik und dies in den nächsten Jahren konsequent fortsetzen; Sie Wirtschaft. werden dank steigender Inflation und dank kalter Pro- gression weiter abkassieren, anstatt über einen offenen (Beifall bei der CDU/CSU) Arbeitsmarkt, ein modernisiertes Sozialsystem und eine Sie gängeln die Leistungsträger weiter und die Bezie- zukunftsfähige Gesundheitspolitik notwendige und nach- her kleinerer Einkommen werden mit dem, was Sie jetzt haltige Impulse zu setzen und den Haushalt für die Zu- als Reformen vorgelegt haben und umsetzen werden, al- kunft zu entlasten. 13502 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Hans Jochen Henke (A) Nachhaltige Reformen kommen nicht voran. Oswald Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Herr Kol- (C) Metzger hat einmal mehr treffend seine Sorge ausge- lege, ich muss Sie jetzt nachdrücklich bitten, zum Schluss drückt, dass aus Angst vor dem nächsten Bundestags- zu kommen. wahlkampf die notwendigen Schritte unterbleiben könn- ten. Recht hat der Mann! Mehr Mut, meine Damen und Hans Jochen Henke (CDU/CSU): Jawohl. – Machen Herren! Sie jetzt endlich ernst! Wenn man Ihren Haushalt und Ihre (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mittelfristige Finanzplanung betrachtet, dann muss man sagen, dass es dafür wahrscheinlich leider schon zu spät Wie wollen Sie denn die Europäische Union sozusagen ist. vom deutschen Bremsklotz befreien? Sollten wir nicht Herzlichen Dank. endlich dafür sorgen, dass wir die rote Laterne beim Wirt- schaftswachstum in der Gemeinschaft abgeben können? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der F.D.P.) Für mehr Stabilität und Vertrauen will sich die Bun- desregierung nun überraschenderweise mit einer völlig neuen Initiative einsetzen, nämlich mit der von ihr initi- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich gebe ierten Stiftung „Geld und Währung“, die aus dem Mil- nunmehr das Wort dem Bundesfinanzminister, Hans liardenerlös einer D-Mark-Goldmünze finanziert werden Eichel. soll. Ich denke, mit einer D-Mark als Goldmünze kann man zwar sicherlich die Erinnerung an unsere stabile Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen (von der Mark wach halten; SPD sowie von Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr (Beifall bei der CDU/CSU) verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss aber man muss feststellen, dass Vertrauen in den Euro und dieser Debatte noch ein paar Bemerkungen aus der Sicht Vertrauen in eine stabile Politik nicht durch eine Stiftung, der Bundesregierung machen. sondern nur durch eine vertrauenstiftende Politik ge- Dieser Haushalt ist durch eine nachhaltige Konsolidie- schaffen werden. rung charakterisiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]) Wir haben die niedrigste Neuverschuldung seit 1992. Lieber Kollege Poß, ich streite mit Ihnen nicht darüber, in welchem Jahr größere Privatisierungserlöse verein- (Beifall bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Durch ein Geschenk!) (B) nahmt worden sind. Tatsache ist: Sie haben bis auf den (D) heutigen Tag überhaupt kein neues Projekt auf den Weg – Das ist wirklich Unsinn; das wissen Sie genau. Ich gebracht. Ich stelle im Zusammenhang mit dem Verkauf komme gleich noch darauf zurück. der Eisenbahnerwohnungen nur fest: Solange wir regiert Angesichts Ihrer Legendenbildung habe ich mir noch haben, waren die japanischen Geschäftsparner für Sie einmal die maßgeblichen Zahlen angesehen. Herr schlechte Japaner. Nun verkaufen Sie die Eisenbahner- Rexrodt, so sehr ich mich freue, dass Sie den Konsolidie- wohnungen und plötzlich sind sie für Sie gute Japaner ge- rungskurs anerkennen und dass darüber grundsätzliches worden. Einvernehmen besteht, so deutlich muss ich doch sagen, (Beifall bei der CDU/CSU) dass Ihre Analyse, wir würden auf der Ausgabenseite nicht konsolidieren, falsch ist. Rot-Grün bleibt trotz aller medienorientieren Ankün- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) digungen und Denkansätze einer überkommenden, dirigis- tischen, konservativen und ideologischen Politik mit den Es bleibt festzuhalten – auch Sie wissen das –: Diese Ar- entsprechenden Instrumenten nachhaltig verhaftet. Wie gumentation entspricht nicht Ihrem Niveau. Man muss fragte vor wenigen Tagen der es wirklich gut meinende vielmehr feststellen: und kooperationswillige Arbeitgeberpräsident Hundt: Erstens. Sie haben die Auszahlung des Kindergeldes „Haben die Juristen des Arbeitsministeriums eigentlich im Jahre 1995 umgestellt. noch alle Tassen im Schrank?“ (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach Statt mutiger, innovations-, investitions- und zukunfts- herrje!) fähiger Reformschritte bescheren Sie uns eine Regulie- Ab diesem Jahr erscheint das Kindergeld nicht mehr auf rungsliste, – der Ausgabenseite, sondern schlägt als Einnahmeminde- rung zu Buche. Es wäre sehr aufschlussreich, wenn man Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Herr Kol- Ihre Haushaltsdaten um diesen Tatbestand bereinigen lege Henke, bitte kommen Sie zum Schluss. würde. Zweitens. Sie haben bis 1998 die Ausgaben für die Hans Jochen Henke (CDU/CSU): – die vom Rechts- Postunterstützungskassen gar nicht im Haushalt veran- anspruch auf Teilzeitarbeit über das Zwangspfand für Ein- schlagt, wegflaschen und Mietrecht bis zur Gleichberechtigungs- (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bürokratie in den Betrieben reicht. NEN]: So ist es!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13503

Bundesminister Hans Eichel (A) sondern Sie haben sich die Ausgaben vorfinanzieren las- ben: Wir haben die gesamten konjunkturbedingten Steu- (C) sen; sonst hätten Sie keinen verfassungsgemäßen Haus- ermehreinnahmen des nächsten Jahres in Höhe von halt 1998 vorlegen können. 3,9 Milliarden DM nicht für zusätzliche Ausgaben einge- setzt, sondern zum Ausgleich für die gesunkenen Privati- (Beifall bei der SPD) sierungserlöse und zur Minderung der Nettokreditauf- Auch um diesen Tatbestand müssten wir Ihre Haushalts- nahme. Wir haben uns die Ermächtigung dafür geben daten bereinigen. lassen – das ist eine grundsätzlich andere Politik, als Sie sie bis 1998 gemacht haben – Privatisierungserlöse nicht Wir müssen in diesem Zusammenhang auch über die mehr für den laufenden Haushalt, sondern nur noch für Mehrwertsteuer reden, die wir mit Ihnen gemeinsam um Postunterstützungskassen und für den Abbau der Alt- 1 Prozentpunkt angehoben haben – das führte zu Mehr- schulden einzusetzen. Nur so kann man das vernünftiger- einnahmen von 16 Milliarden DM –, um zu verhindern, weise machen. dass der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 auf 21,3 Prozent stieg. Mit den Einnahmen aufgrund der Öko- Ein weiterer Punkt. Sie von der CDU/CSU und insbe- steuer in Höhe von 17 Milliarden DM haben wir den sondere Ihr Oppositionsführer haben Ihre Reden auf lau- Rentenversicherungsbeitrag um 1 Prozentpunkt gesenkt. ter falschen Thesen aufgebaut – Herr Henke hat sie vor- Der heutige Rentenversicherungsbeitrag beruht also auf hin noch einmal wiederholt. Insofern bin ich dankbar, zwei Maßnahmen: Die erste Maßnahme mit einem Volu- dass es in der Opposition ein sehr differenziertes Bild gab men von 16 Milliarden DM verantworten Sie und die und die F.D.P. und auch die PDS unseren Haushalt zu- zweite Maßnahme mit einem Volumen von 17 Milliar- mindest in Teilen wesentlich differenzierter betrachtet ha- den DM verantworten wir. ben. Ihr Oppositionsführer hat – sie werden so nicht er- folgreich sein – zum Beispiel die These geäußert, wir Ich sage Ihnen, was passiert wäre, wenn wir diese hätten die höchsten Ausgaben, die es jemals gegeben durchlaufenden Posten eliminiert und wenn wir unsere habe. Herr Henke hat es gerade wiederholt. Das alles ist 17 Milliarden DM herausgenommen hätten. Sie hatten im schlichtweg falsch. Ausgangsjahr 1995 Ausgaben in Höhe von 444 Milliar- den DM. Diese Ausgaben liegen heute – um diese Posi- Wir senken die Steuern in einem nie da gewesenen tion bereinigt – bei 421 Milliarden DM. Das ist das Er- Ausmaß. Das will ich jetzt auch genauer darstellen. In ei- gebnis unseres Konsolidierungskurses. nem Punkte stimme ich Ihnen ausdrücklich zu (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie hoch DIE GRÜNEN) sind denn die Ausgaben? Die Steuerquote steigt und die Ausgaben steigen!) (B) Auch sie haben die Ausgaben übrigens nicht erhöht. (D) Das will ich fairerweise sagen. Von 1995 bis 1998 – ich komme gleich darauf; Sie werden sich wundern –: herrschte – bei einigen Verschiebungen – praktisch Herr Kollege Stoltenberg hat in den 80er-Jahren eine gute Gleichstand. Seitdem gehen die Ausgaben zurück. – Das Nettoentlastung betrieben. Sie entsprach im Umfang fast war die erste Feststellung. der unseren. Sie lag nämlich bei rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes, wenn ich das Ausgangsjahr 1986 Die zweite Feststellung. Wir haben in diesem Haushalt nehme und auf die Jahre bis 1990 verteile. Bei uns sind die niedrigste Neuverschuldung, die niedrigste Nettokre- das etwas mehr als 2,5 Prozent und die Entlastungen er- ditaufnahme, die es seit 1992 gegeben hat. Sie beträgt folgen auch in vier Jahren, und zwar von 2001 bis 2005. jetzt 43,7 Milliarden DM. Aber das ist noch nicht einmal die ganze Wahrheit. Gleichzeitig haben wir die Privati- Herr Kollege Henke, Sie sprachen von einer Abga- sierungserlöse massiv heruntergefahren. 1998 hatten Sie benquote von 54 Prozent. Wo Sie diese Zahl hernehmen, bei einer Nettokreditaufnahme von 56 Milliarden DM weiß ich nicht. noch fast 20 Milliarden DM Privatisierungserlöse, und (Hans Jochen Henke [CDU/CSU]: Vom Bund das nur für den Haushalt; die Postunterstützungskassen der Steuerzahler!) waren überhaupt nicht finanziert. – Ich rate Ihnen, sich nicht der Zahlen einer Ihrer Vorfeld- Wenn ich die Postunterstützungskassen einmal heraus- organisationen zu bedienen, sondern der Zahlen aus inter- nehme, haben wir im nächsten Jahr nur noch 7 Milliar- national unverdächtigen Quellen. den DM Privatisierungserlöse, und das bei einer Netto- kreditaufnahme von 43 Milliarden DM. Das ist ein (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Konsolidierungserfolg: eine Reduzierung der Neuver- Ich zitiere die OECD. Sie weist für 1999 für Deutsch- schuldung von 76 Milliarden DM auf 50 Milliarden DM. land eine Steuer- und Sozialabgabenquote von 37,7 Pro- Das ist ein Konsolidierungserfolg von 26 Milliarden DM zent aus. Das ist im internationalen Vergleich ein mittle- auf der Passivseite in diesen zwei Jahren. Das ist der Er- rer Satz. folg unserer Haushaltspolitik. (Beifall bei der SPD – Adolf Roth [Gießen] (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ [CDU/CSU]: Behaupten Sie etwa, die Zahl ist DIE GRÜNEN) richtig? – Hans Jochen Henke [CDU/CSU]: Wo sind die Lohnnebenkosten?) Dafür bin ich den Haushältern beider Koalitionsfrak- tionen sehr dankbar, insbesondere Hans Georg Wagner Herr Rauen hat die Behauptung aufgestellt, die kalte und Oswald Metzger, die das federführend gemacht ha- Progression würde das alles wieder auffressen und bei 13504 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Bundesminister Hans Eichel (A) 2,5 Prozent jährlicher Lohn- und Gehaltssteigerung wäre zieren, muss der Darlehensanteil am BAföG, der nicht (C) im Jahre 2005 ein höherer Anteil des Einkommens zu ver- über den Haushalt finanziert wird, hinzugezählt werden. steuern als im Jahre 1998. Ich habe Berechnungen anstel- Damit kommen wir bereits für das Jahr 2001 auf einen len lassen – wir können auch andere Beispiele nehmen –: Ansatz, der um 77 Millionen DM höher liegt. Die für den Ein Arbeitnehmer, verheiratet und zwei Kinder, mit einem Bereich Forschung aufgewendeten Mittel werden auf ins- Bruttoeinkommen von 60 000 DM im Jahre 1998 – hatte gesamt 16,7 Milliarden DM erhöht. Sie haben so etwas zu Ihrer Regierungszeit eine Lohnsteuer in Höhe von noch nicht einmal im Traum zustande bekommen; wir 6 290 DM bzw. 10,05 Prozent seines Einkommens zu zah- schaffen das sogar bei einem Haushalt mit sinkenden Aus- len. Derselbe Arbeitnehmer hätte bei einer jährlichen Stei- gaben. Das ist die Wahrheit. gerung seines Einkommens um jeweils 2,5 Prozent im (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Jahre 2005 einen Bruttoverdienst von 71 321 DM und DIE GRÜNEN) würde eine Lohnsteuer von 6 540 DM zahlen. Das heißt: Er hätte netto 10 500 DM mehr und sein Lohnsteueranteil Die UMTS-Versteigerung hat uns die Gelegenheit ge- würde von 10,48 Prozent auf 9,17 Prozent seines Ein- geben, etwas zu tun – das will ich ausdrücklich einräu- kommens sinken. Das ist die Wirklichkeit und damit ist men –, was wir sowieso tun wollten, aber sonst erst nach wieder eine Ihrer Lügen – ich kann es nicht anders be- dem Jahre 2006 hätten tun können. Es ist wahr: Einen zeichnen – widerlegt. Haushalt zu konsolidieren ist eine harte Anstrengung und wer jahrzehntelang Schulden aufbaut, wird auch Jahr- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zehnte arbeiten müssen, um sie wieder abzubauen. DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich unterstelle Herrn Kollegen Rauen, den ich mensch- lich sehr schätze, dass er rechnen kann. Wenn er das Das ist so und deswegen müssen wir konsequent auf un- kann – und davon bin ich überzeugt –, darf er solche Mär- serer Linie bleiben und dürfen nicht der Versuchung er- chen nicht erzählen. Er kann solche Beispiele selber nach- liegen, Ihren Anträgen auf Mehrausgaben zuzustimmen. rechnen. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weniger (Beifall bei der SPD) Neuverschuldung!) Wir senken nicht nur die Steuern und Abgaben, son- Würden wir das tun, ginge es genauso weiter wie bei dern verbessern nachhaltig – auch ohne UMTS-Erlöse – Ihnen. die Ausgabenstruktur unseres Haushalts. Anders als Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten es eben dargestellt haben, legen wir einen Haushalt vor, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der eine Erhöhung des Kindergeldes um 50 DM – wir ha- (B) Nun kommt die Frage: Was bedeutet das für die wei- (D) ben das Kindergeld bereits in zwei Stufen erhöht –, der tere wirtschaftliche Entwicklung? Auch diese Frage ist zum 1. Januar 2001 eine starke Erhöhung des Wohngelds ganz einfach zu beantworten: Wir haben bereits vorgetra- in den westdeutschen Ländern und eine Angleichung in gen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Wir den ostdeutschen Ländern, für die das Wohngeld sonst sind in einer Situation, wie Sie sie in den Jahren seit 1991 ausgelaufen wäre, sowie eine ordentliche Erhöhung des nicht gehabt haben. Schon der erste Satz zum Thema wirt- Erziehungsgeldes und einen Wiedereinstieg in die Er- schaftliches Wachstum in der Rede des Kollegen Merz am höhung des BAföG vorsieht. – Das sind vier soziale Leis- Mittwoch war wieder völlig falsch. Er hat gesagt, wir hät- tungselemente, die in diesem Konsolidierungshaushalt ten jetzt das gleiche Wachstum, wie im letzten Jahr Ihrer enthalten sind. Koalition. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Adolf (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!) Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Wo ist der Umbau?) Lieber Herr Merz, wenn Sie mit einem solchen Satz an- fangen, taugt die ganze Rede nichts. Dies ist ein Haushalt, der den Bereich Forschung und Bildung verstärkt. Dieser Haushalt beinhaltet – und zwar (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mit UMTS-Erlösen; ohne diese wäre es weniger – eine des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) deutliche Steigerung des Forschungs- und Bildungsetats. Sie hatten im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit ein Wachs- Der letzte Etat, den Sie zu verantworten hatten – man tum von 2,3 Prozent. In diesem Jahr haben wir auf jeden muss das selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt ver- Fall ein Wachstum von 3 Prozent. Die Differenz von änderter Aufteilungen differenziert betrachten –, sah für 0,7 Prozent bedeutet ungefähr 27 Milliarden DM mehr. diesen Bereich einen Ansatz in Höhe von 14,2 Milliarden Wenn das Ihre Schätzdifferenzen sind, wundert mich in DM vor. Unser Haushalt weist einen Bildungs- und Ihrer Haushaltsführung gar nichts mehr. Forschungsetat von 15,97 Milliarden DM auf, also 1,77 Milliarden mehr. Allein für den Zeitraum von 2000 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auf 2001 sehen wir eine Steigerung um 9,5 Prozent vor. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was stand Was die Entwicklung Deutschlands im internationalen denn im Regierungsentwurf?) Vergleich angeht, kommt die OECD zu dem Ergebnis, dass Deutschland im Übergang zum Jahr 2001 – das ha- Im Vergleich zu Ihrem Haushalt ist das noch nicht ein- ben Sie auch bei Ifo gelesen – mindestens im Schnitt der mal die ganze Wahrheit. Da wir das BAföG anders finan- Europäischen Union liegt, während wir sonst darunter Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13505

Bundesminister Hans Eichel (A) waren. Voraussichtlich werden wir im nächsten Jahr mit Von 1995 auf 1996 ging die Zahl der Beschäftigten um (C) den großen Ländern gleichziehen. Das ist aber eine Pro- 108 000 zurück. Von 1996 auf 1997 betrug der Rückgang gnose. Wir werden es noch sehen. Die Daten haben sich 80 000. 1998 nahm die Zahl der Beschäftigten um 340 000 aber weitgehend angenähert. Es spricht alles dafür, dass und 1999 um 407 000 zu. Nach der Projektion wir im nächsten Jahr vorne sind. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Noch mal Es ist besonders interessant, wie in Ihrer Regierungs- Projektion!) zeit Deutschland von ausländischem Kapital gemieden – ja – beträgt der Zuwachs der Zahl der Beschäftigten im wurde. Das ist für dieses Land schlecht. Ich will Ihnen die Jahr 2000 etwa 500 000. einzelnen Zahlen nicht vorlesen. Im Jahr 1999 ist der Zu- fluss von Auslandskapital nach Deutschland dramatisch Das heißt, von den Jahren der Wiedervereinigung an gestiegen. Im Übrigen, ist es nicht immer schlecht, wenn bis zum Ende Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Be- Kapital woanders hingeht. Dabei passiert Folgendes: Un- schäftigten in Deutschland um fast 1 Million zurückge- sere Wirtschaft verflechtet sich mit der europäischen gangen; konkret waren es 920 000 Beschäftigte weniger. Wirtschaft und die europäische Wirtschaft verflechtet sich Diesen Rückstand werden wir bereits Ende dieses Jahres mit der amerikanischen Wirtschaft. Manchmal gibt es voll aufgeholt haben, weil wir 900 000 Beschäftigte mehr auch einseitige Ausschläge, zum Beispiel bei Vodafone als zu Beginn unserer Regierungszeit haben werden. Airtouch/Mannesmann. Daimler-Chrysler ist ein Fall in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die andere Richtung. Alles in allem ist das eine dramati- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sche Änderung der Kapitalflussbilanz. Dies ist bei den Menschen auch angekommen. Damit haben wir dann in nur zwei Jahren einer sozialde- mokratisch geführten Bundesregierung bzw. einer Koali- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Denken Sie tion aus Sozialdemokraten und Grünen den Abbau von auch hieran!) Beschäftigung, den Sie für die Jahre seit der Wiederverei- – Ja, daran denke ich, weil das der Sinn der Sache ist. nigung zu verantworten haben, bereits aufgeholt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Alles des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Minijobber!) Deswegen sage ich zum Schluss, meine Damen und Auf diese Leistung bin ich stolz. Wir sind auf dem richti- Herren: Es geht schlichtweg um den Menschen. Von gen Wege. 1994 – ich befürchte, dass es früher losging; aber aus dem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Jahre 1994 stammen die ersten Zahlen, die mir vorliegen DIE GRÜNEN) (B) – bis zum Jahr 1998 ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger (D) um 590 000 gestiegen. Im ersten Jahr unserer Regie- Ich halte fest, dass wir gemeinsam mit den Menschen rungszeit vollzog sich eine Trendwende. Zum ersten Mal in diesem Lande eine außerordentlich erfolgreiche Politik seit vielen Jahren sank die Zahl der Sozialhilfeempfän- betreiben. ger in Deutschland und zwar um 80 000. (V o r s i t z: Präsident ) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie selbst würden diese Politik gerne machen; deswegen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sind Ihre Angriffe so fade. Ich fordere Sie auf: Stimmen Die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Sie versuchen die Sie diesem Haushalt in dritter Lesung zu! ganze Zeit die Legende aufzubauen, dass die Arbeitslo- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sigkeit nur deswegen zurückgeht, weil mehr Leute aus Al- DIE GRÜNEN) tersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als ein- treten. Dies ist am einfachsten dadurch zu widerlegen, dass wir zählen, wie viel Beschäftigte es in jedem Jahr Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle- gab; dann brauchen wir über diese Frage nicht mehr zu gen Bernd Protzner, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. streiten, dann ist sie beantwortet. Das ersieht man aus der Statistik, die die Bundesanstalt für Arbeit veröffentlicht Dr. Bernd Protzner (CDU/CSU): (von Abgeordneten hat. Herr Jagoda hat, bevor er Präsident der Bundesanstalt der CDU/CSU mit Beifall begrüßt) Herr Präsident! Liebe für Arbeit wurde, der Fraktion der CDU/CSU angehört. Kollegen! Manchmal sagt die Körpersprache eines Red- Die um 630 000 bereinigte Zahl bezieht sich auf Ihre Re- ners mehr als seine Worte. gierungszeit. (Beifall bei der CDU/CSU) (Lachen bei der CDU/CSU) Herr Bundesfinanzminister Eichel, als Sie dem Kollegen – Ja, es ist doch ganz einfach. Es ergibt sich Folgendes. Henke geantwortet haben, haben Sie ständig gestikuliert Sie haben in der Zeit von 1991 bis 1998 – das lese ich Ih- und etwa Folgendes gesagt: Diejenigen Ausgaben, die nen jetzt vor – Folgendes zu verzeichnen: Im Jahre 1992 hier sind, die stehen eigentlich da und die, die dort stehen, ging die Zahl der Beschäftigten um 580 000 zurück. Von die gehören eigentlich hierhin. 1992 auf 1993 ging die Zahl der Beschäftigten um 510 000 zurück. Von 1993 auf 1994 ging die Zahl der Be- Dem muss ich entgegnen: Gott sei Dank gibt es die Ka- schäftigten um 65 000 zurück. Von 1994 auf 1995 stieg meralistik in Deutschland, mit der Sie den Haushalt und die Zahl der Beschäftigten um 80 000. die mögliche Größe des Haushaltes verschleiern können. 13506 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Dr. Bernd Protzner (A) Ihr Haushalt ist wesentlich größer, als Sie mit den Wirtschaftswachstum. Schauen Sie sich die Quartals- (C) 480 Milliarden DM ausweisen. Dieser Haushalt enthält zahlen in diesem Jahr an: im ersten Quartal 3,6 Prozent, Verpflichtungsermächtigungen und Sondervermerke. im zweiten Quartal 3,3 Prozent, im dritten Quartal Sie haben Ansätze – Arbeitslosenversicherung, Fremdfi- 2,8 Prozent – – nanzierung – in andere Haushalte abgeschoben. Sie haben darüber hinaus viele gesetzliche Maßnahmen schlicht und (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- einfach anderen, beispielsweise den Energieversor- NEN]: Sie haben schon genug geredet! Sie er- gungsunternehmen, übertragen, die beim Verbraucher zählen nur Mist!) direkt abkassieren, ohne dass das im Bundeshaushalt er- – Ja, Frau Hermenau, nicht die Planzahlen im Bundes- scheint. haushalt sind interessant, sondern die wirklichen Zahlen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Sie kennen doch Planzahlen aus Ihrer Lebensgeschichte neten der F.D.P.) und wissen, wie sehr die lügen. Wenn man dies alles addiert, dann kommt man auf über (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und 500 Milliarden DM, manche behaupten 540 Milliar- der F.D.P.) den DM. Vor diesem Hintergrund haben Sie keinen Spar-, Das ist eine feine Tendenz. Wenn ich die amerikani- sondern einen Rekordhaushalt vorgelegt. schen Zahlen mit 5,3 Prozent Wachstum oder die anderer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) europäischer Länder mit 8 Prozent Wachstum sehe, finde ich, dass wir dagegen ärmlich aussehen. Zugleich bricht Ich komme auf die Schuldensituation zu sprechen. seit fünf Monaten das Geschäftsklima ein. Das ist auch Herr Eichel, die Neuverschuldung liegt bei 43 Milliar- nicht verwunderlich; denn Sie machen die Leute mit Ihrer den DM. Addiert man die Neuverschuldung der Jahre Politik ärmer. Was Sie ihnen vielleicht übergangsweise, von 1998 bis 2003 – der Kollege Austermann hat darauf Herr Poß, bei direkten Steuern lassen, das nehmen Sie ih- hingewiesen –, dann kommt man auf 230 Milliarden DM. nen bei indirekten Steuern – Ökosteuer, Umsatzsteuer – Obwohl Sie 100 Milliarden DM mehr einnehmen, ver- wieder weg. schulden Sie die Bundesrepublik trotzdem weiter. (Beifall bei der CDU/CSU sowie Abgeordneten (Widerspruch bei der SPD) der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Sie beweisen Sie erzählen ein Märchen, wenn Sie behaupten, Sie wür- mit jedem Satz, warum Sie als Generalsekretär den Schulden abbauen. gescheitert sind!) (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das alles fördert aber nicht die Konjunktur, sondern (B) Sie haben keine Ahnung vom Haushalt!) macht die Konjunktur kaputt. Unser Ziel, Herr Poß, ist (D) nicht Wohlstand für Großunternehmen, auch nicht Wohl- Bezogen auf den Fraktionsvorsitzenden Merz haben stand für den Staat, sondern unser Ziel ist Wohlstand für Sie gesagt: Die Bürger werden nicht ärmer. Dem muss ich entgegnen: Ich habe ein geheimes Dossier zugespielt be- alle, wie es Ludwig Erhard beschrieben hat. kommen, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Heiterkeit bei der SPD – Joseph Fischer Das ist soziale Marktwirtschaft. Die Bürger sind nicht für [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: den Staat da, sondern der Staat hat für die Bürger da zu Pfui!) sein. Hier müssen Sie noch mehr tun. Deshalb lehnen wir aus dem ich zitieren darf: Im Jahr 1998 hat der Durch- Ihren Bundeshaushalt ab. schnittsarbeitnehmer über 9 000 DM Steuern gezahlt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Nach der größten Steuerreform aller Zeiten – Herr Eichel Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hat vorhin von Steuersenkungen wie nie zuvor gespro- NEN]: Zurück nach Bayern!) chen – zahlt der Durchschnittsarbeitnehmer im Jahr 2005 über 10 000 DM Steuern. Das Dossier – ich darf jetzt auch einmal etwas vorzeigen – hat den Absender „Bundesmi- Präsident Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aus- nisterium für Finanzen“ und heißt „Datensammlung zur sprache. Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Steuerpolitik“. Haushaltsgesetz 2001, Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis 14/4523. Die Koalitionsfraktionen verlangen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin- Herr Eichel, Sie sollten mehr das kontrollieren, was Sie nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh- unter die Leute bringen. Darin steht mehr Wahrheit als men. Die Schriftführerinnen und Schriftführer, die nicht das, was Sie hier im Haus vortragen. eingeteilt sind, mögen bitte zum Auszählungstisch kom- men. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. (Beifall bei der PDS) Ich eröffne die Abstimmung. – Liebe Kolleginnen und Eine letzte Bemerkung. – – Kollegen, ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans anschließend zwei weitere namentliche Abstimmungen Georg Wagner[SPD]: Bravo!) gibt. – Die müssen Sie sich schon noch anhören. Sie ist auch Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine nicht angenehm für Sie. Ich freue mich über jedes Prozent Stimme nicht abgegeben hat? – Ich höre, dass an der Urne Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13507

Präsident Wolfgang Thierse (A) Nr. 6 ein Missverständnis entstanden ist. Wir können dies CDU/CSU und PDS bei Stimmenthaltung der F.D.P. ab- (C) nur dadurch reparieren, dass diejenigen Kolleginnen und gelehnt worden. Kollegen, die einem Irrtum unterlegen sind, hier vorne Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf beim Präsidenten erklären, wie sie abstimmen wollten. Drucksache 14/4762. Wer stimmt für diesen Entschlie- Anderenfalls müssten wir die ganze Abstimmung wieder- ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – holen. Ich bitte namentlich zu Protokoll zu geben, in wel- Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, cher Weise Sie abstimmen wollten. – Der Fall ist aufge- Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von klärt. CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh- Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- Drucksache 14/4712. Wer stimmt für diesen Entschlie- nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be- ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun- kannt gegeben. gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Wir kommen SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die sonstigen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Stimmen des Hauses abgelehnt worden. Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4748. Wer stimmt für diesen Entschlie- Drucksache 14/4713. Wer stimmt für diesen Entschlie- ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Ent- ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hau- Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von ses gegen die Stimmen der F.D.P. abgelehnt worden. CDU/CSU bei Stimmenthaltung der F.D.P. und der PDS abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4779. Die Fraktion der F.D.P. verlangt na- Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf mentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen Drucksache 14/4749. Wer stimmt für diesen Entschlie- und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh- ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun- men. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung Ich eröffne die Abstimmung. der F.D.P. gegen die Stimmen von CDU/CSU und PDS Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine abgelehnt worden. Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Drucksache 14/4750. Wer stimmt für diesen Entschlie- Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung (B) ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Entschlie- zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen (D) ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd- später bekannt gegeben.1) nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU, Bevor wir zur nächsten Abstimmung kommen, möchte F.D.P. und PDS abgelehnt. ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftfüh- Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf rern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim- Drucksache 14/4751. Wer stimmt für diesen Entschlie- mung über den Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2001 ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Entschlie- mitteilen. Ich nutze diese Gelegenheit, um Ihnen einen ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd- ganz zarten Hinweis zu geben, der auch mir gerade erst nis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von gemacht wurde. Dies ist der letzte Haushalt in DM. Wen CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden. ein Gefühl der Wehmut beschleichen will, dem sei es er- laubt. Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4752. Wer stimmt für diesen Entschlie- Ich komme zum Ergebnis. Abgegebene Stimmen 557. ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun- Mit Ja haben gestimmt 322, mit Nein haben gestimmt gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von 235, Enthaltungen keine. Der Gesetzentwurf ist damit an- SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von genommen.

1) Seite 13510 C

Endgültiges Ergebnis Gerd Andres Friedhelm Julius Beucher Hans-Günter Bruckmann Abgegebene Stimmen: 550; Ingrid Arndt-Brauer Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch davon (Heidelberg) Hans Büttner (Ingolstadt) ja: 315 Marion Caspers-Merk nein: 235 Dr. Hans Peter Bartels Klaus Brandner Wolf-Michael Catenhusen Eckhardt Barthel (Berlin) Anni Brandt-Elsweier Dr. Ja (Starnberg) Dr. Herta Däubler-Gmelin Ingrid Becker-Inglau Dr. Christel Deichmann Wolfgang Behrendt Rainer Brinkmann (Detmold) SPD Dr. Peter Dreßen Hans-Werner Bertl (Hildesheim) Dieter Dzewas 13508 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

(A) Dr. Peter Eckardt Hans-Peter Kemper Karin Rehbock-Zureich Dr. Gerald Thalheim (C) Klaus Kirschner Dr. Carola Reimann Wolfgang Thierse Ludwig Eich Siegrun Klemmer Margot von Renesse Franz Thönnes Marga Elser Hans-Ulrich Klose Renate Rennebach Uta Titze-Stecher Peter Enders Fritz Rudolf Körper Bernd Reuter Adelheid Tröscher Karin Kortmann Dr. Edelbert Richter Hans-Eberhard Urbaniak Petra Ernstberger Reinhold Robbe Rüdiger Veit Annette Faße Nicolette Kressl Gudrun Roos Simone Violka Lothar Fischer (Homburg) Volker Kröning René Röspel Hans Georg Wagner Angelika Krüger-Leißner Dr. Hedi Wegener Iris Follak Horst Kubatschka Michael Roth (Heringen) Dr. Konstanze Wegner Norbert Formanski Ernst Küchler Birgit Roth (Speyer) Reinhard Weis (Stendal) Rainer Fornahl Helga Kühn-Mengel Gerhard Rübenkönig Matthias Weisheit Hans Forster Ute Kumpf Marlene Rupprecht Gunter Weißgerber Konrad Kunick Thomas Sauer Peter Friedrich (Altenburg) Dr. Uwe Küster Dr. Hansjörg Schäfer (Wiesloch) Lilo Friedrich (Mettmann) Werner Labsch Gudrun Schaich-Walch Dr. Ernst Ulrich von Harald Friese Weizsäcker Anke Fuchs (Köln) Brigitte Lange Bernd Scheelen Jochen Welt Arne Fuhrmann Christian Lange (Backnang) Dr. Dr. Monika Ganseforth Detlev von Larcher Siegfried Scheffler Hildegard Wester Konrad Gilges Christine Lehder Horst Schild Lydia Westrich Iris Gleicke Robert Leidinger Dieter Schloten Inge Wettig-Danielmeier Günter Gloser Klaus Lennartz Horst Schmidbauer Dr. Uwe Göllner Dr. Elke Leonhard (Nürnberg) Dr. Norbert Wieczorek Renate Gradistanac Eckhart Lewering (Aachen) Jürgen Wieczorek (Böhlen) Günter Graf (Friesoythe) Götz-Peter Lohmann Silvia Schmidt (Eisleben) Helmut Wieczorek Angelika Graf (Rosenheim) (Neubrandenburg) (Meschede) (Duisburg) Dieter Grasedieck Christa Lörcher Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heidemarie Wieczorek-Zeul Erika Lotz Regina Schmidt-Zadel Klaus Wiesehügel Achim Großmann Dr. Heinz Schmitt (Berg) Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Wolfgang Grotthaus Dieter Maaß (Herne) Engelbert Wistuba Hans-Joachim Hacker Winfried Mante Dr. Emil Schnell Barbara Wittig Klaus Hagemann Dirk Manzewski Walter Schöler Dr. Manfred Hampel Tobias Marhold Verena Wohlleben (B) Christel Hanewinckel Lothar Mark (D) Karsten Schönfeld Hanna Wolf (München) Alfred Hartenbach Ulrike Mascher Fritz Schösser Heidemarie Wright Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Heide Mattischeck Peter Zumkley Nina Hauer Gisela Schröter Ulrike Mehl Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Reinhold Hemker Ulrike Merten NEN Frank Hempel (Delitzsch) Rolf Hempelmann Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Brigitte Schulte (Hameln) Gila Altmann (Aurich) Dr. Barbara Hendricks Ursula Mogg Volkmar Schultz (Köln) (Bremen) Christoph Moosbauer (Köln) Monika Heubaum Siegmar Mosdorf Dr. R. Werner Schuster Reinhold Hiller (Lübeck) Michael Müller (Düsseldorf) Dietmar Schütz (Oldenburg) Matthias Berninger Gerd Höfer Jutta Müller (Völklingen) Dr. Angelica Schwall-Düren Grietje Bettin Jelena Hoffmann (Chemnitz) Christian Müller (Zittau) Annelie Buntenbach Walter Hoffmann (Darm- Franz Müntefering Bodo Seidenthal Ekin Deligöz stadt) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Thea Dückert (Wismar) Volker Neumann (Bramsche) Dr. Cornelie Sonntag- Dr. Uschi Eid Frank Hofmann (Volkach) Gerhard Neumann (Gotha) Wolgast Hans-Josef Fell Ingrid Holzhüter Dr. Edith Niehuis Wieland Sorge Joseph Fischer (Frankfurt) Eike Hovermann Dr. Rolf Niese Wolfgang Spanier Katrin Göring-Eckardt Christel Humme Dr. Margrit Spielmann Rita Grießhaber Lothar Ibrügger Günter Oesinghaus Jörg-Otto Spiller Winfried Hermann Barbara Imhof Eckhard Ohl Dr. Ditmar Staffelt Antje Hermenau Brunhilde Irber Leyla Onur Antje-Marie Steen Ulrike Höfken Gabriele Iwersen Manfred Opel Michaele Hustedt Renate Jäger Holger Ortel Rolf Stöckel Monika Knoche Jann-Peter Janssen Adolf Ostertag Rita Streb-Hesse Dr. Angelika Köster-Loßack Ilse Janz Kurt Palis Reinhold Strobl (Amberg) Dr. Uwe Jens Albrecht Papenroth Dr. Peter Struck Dr. Helmut Lippelt Volker Jung (Düsseldorf) Dr. Joachim Stünker Dr. Reinhard Loske Johannes Kahrs Georg Pfannenstein Joachim Tappe Oswald Metzger Ulrich Kasparick Johannes Pflug Jörg Tauss Kerstin Müller (Köln) Sabine Kaspereit Joachim Poß Jella Teuchner Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13509

(A) Christa Nickels Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Martin Mayer (Siegerts- Andrea Voßhoff (C) Cem Özdemir (Hof) brunn) Peter Weiß (Emmendingen) Simone Probst Erich G. Fritz Wolfgang Meckelburg Gerald Weiß (Groß-Gerau) Christine Scheel Jochen-Konrad Fromme Dr. Annette Widmann-Mauz Irmingard Schewe-Gerigk Hans-Joachim Fuchtel Friedrich Merz Heinz Wiese (Ehingen) Rezzo Schlauch Dr. Jürgen Gehb Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Albert Schmidt (Hitzhofen) Meinolf Michels Klaus-Peter Willsch (Leipzig) Dr. Heiner Geißler Bernward Müller (Jena) Bernd Wilz Christian Simmert Dr. Reinhard Göhner Elmar Müller (Kirchheim) Werner Wittlich Christian Sterzing Peter Götz Aribert Wolf Hans-Christian Ströbele Dr. Wolfgang Götzer Günter Nooke Wolfgang Zöller Jürgen Trittin Kurt-Dieter Grill Franz Obermeier Dr. Hermann Gröhe Friedhelm Ost F.D.P. Dr. Ludger Volmer Norbert Otto (Erfurt) Sylvia Voß Dr. Peter Paziorek Horst Günther (Duisburg) Hildebrecht Braun Helmut Wilhelm (Amberg) (Augsburg) Dr. Friedbert Pflüger (Großhennersdorf ) Ernst Burgbacher Nein Hansgeorg Hauser (Red- Ulrike Flach Dr. Bernd Protzner nitzhembach) Rainer Funke CDU/CSU Klaus-Jürgen Hedrich Hans-Michael Goldmann Dr. Dr. Helmut Rauber Ursula Heinen Klaus Haupt Ilse Aigner Christa Reichard (Dresden) Manfred Heise Walter Hirche Erika Reinhardt Siegfried Helias Ulrich Irmer Dietrich Austermann Hans-Peter Repnik Hans Jochen Henke Dr. Klaus Riegert Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Dr. Heinz Riesenhuber Klaus Hofbauer Jürgen Koppelin Günter Baumann Franz Romer Sabine Leutheusser- Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Klaus Holetschek Schnarrenberger Dr. Klaus Rose Josef Hollerith Dirk Niebel Dr. Sabine Bergmann-Pohl Kurt J. Rossmanith Dr. Karl-Heinz Hornhues Günther Friedrich Nolting Adolf Roth (Gießen) Siegfried Hornung Detlef Parr Hans-Dirk Bierling Norbert Röttgen Joachim Hörster Dr. Günter Rexrodt Dr. Christian Ruck Hubert Hüppe Gerhard Schüßler Anita Schäfer Susanne Jaffke Marita Sehn (B) Dr. Maria Böhmer Dr. Wolfgang Schäuble (D) Georg Janovsky Carl-Ludwig Thiele Sylvia Bonitz Hartmut Schauerte Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Dieter Thomae Heinz Schemken Dr. Harald Kahl Jürgen Türk Wolfgang Börnsen (Böns- Gerhard Scheu Dr. trup) Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Christian Schmidt (Fürth) Klaus Brähmig PDS Dr.-Ing. Dietmar Kansy Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Birgit Schnieber-Jastram Dr. Eckart von Klaeden Dr. Petra Bläss Ulrich Klinkert Reinhard Freiherr von Maritta Böttcher Norbert Königshofen Schorlemer Hartmut Büttner Eva-Maria Kors (Schönebeck) Dr. Erika Schuchardt Heidemarie Ehlert Hartmut Koschyk Gerhard Schulz Dr. Thomas Kossendey (Emstek) Diethard Schütze (Berlin) Dr. Dr. Martina Krogmann Clemens Schwalbe Uwe Hiksch Peter H. Carstensen Dr. Paul Krüger (Nordstrand) Dr. Christian Schwarz- Dr. Barbara Höll Dr. Karl A. Lamers (Heidel- Schilling Carsten Hübner berg) Wilhelm-Josef Sebastian Dr. Heinz Seiffert Sabine Jünger Albert Deß Dr. h. c. Rudolf Seiters Gerhard Jüttemann Dr. Paul Laufs Bernd Siebert Dr. Evelyn Kenzler Thomas Dörflinger Karl-Josef Laumann Bärbel Sothmann Dr. Heidi Knake-Werner Hansjürgen Doss Werner Lensing Margarete Späte Heidi Lippmann Marie-Luise Dött Peter Letzgus Wolfgang Steiger Ursula Lötzer Maria Eichhorn Ursula Lietz Andreas Storm Dr. Christa Luft Walter Link (Diepholz) Dorothea Störr-Ritter Heidemarie Lüth (Lübeck) Eduard Lintner Pia Maier Dr. Manfred Lischewski Matthäus Strebl Angela Marquardt Dr. Hans Georg Faust Wolfgang Lohmann (Lüden- (Heilbronn) Kersten Naumann Albrecht Feibel scheid) Michael Stübgen Rosel Neuhäuser Dr. Michael Luther Dr. Susanne Tiemann Dr. Uwe-Jens Rössel Ingrid Fischbach Erich Maaß (Wilhelmshaven) Edeltraut Töpfer Gustav-Adolf Schur Dr. Gerhard Friedrich Dr. Ilja Seifert (Erlangen) (Recklinghausen) Dr. Winfried Wolf 13510 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Präsident Wolfgang Thierse (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine (C) DIE GRÜNEN) Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen Wir kommen jetzt zu zwei nicht namentlichen Abstim- und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das mungen. Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt ge- Drucksache 14/4804. Wer stimmt für diesen Entschlie- geben.1) ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Ent- schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd- Wir setzen die Abstimmungen fort. Entschließungsan- nis 90/Die Grünen und der PDS gegen die Stimmen von trag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4822. Wer CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Entschließungsan- Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf trag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen Drucksache 14/4809. Wer stimmt für diesen Entschlie- der PDS abgelehnt worden. ßungsantrag? – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Druck- Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD sache 14/4858. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von trag? – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Ent- CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt worden. schließungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen Wir kommen damit zum Entschließungsantrag der die Stimmen der PDS abgelehnt worden. Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4823. Die Fraktion Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und der F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Abstimmung zum Entschließungsantrag der F.D.P. auf Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? – Das ist Drucksache 14/4779 mit. Abgegebene Stimmen 553. Mit der Fall. Ja haben gestimmt 208, mit Nein haben gestimmt 345. Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist damit Ich eröffne die Abstimmung. abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die letzte na- mentliche Abstimmung des heutigen Tages. 1) Seite 13514 C

Endgültiges Ergebnis Dankward Buwitt Horst Günther (Duisburg) Dr. Karl A. Lamers (Heidel- Abgegebene Stimmen: 546; Manfred Carstens (Emstek) Gottfried Haschke (Großhen- berg) Peter H. Carstensen (Nord- nersdorf) Dr. Norbert Lammert (B) davon (D) ja: 208 strand) Hansgeorg Hauser (Red- Helmut Lamp nein: 338 Leo Dautzenberg nitzhembach) Dr. Paul Laufs Wolfgang Dehnel Klaus-Jürgen Hedrich Karl-Josef Laumann Ja Hubert Deittert Helmut Heiderich Werner Lensing Albert Deß Ursula Heinen Peter Letzgus CDU/CSU Renate Diemers Manfred Heise Ursula Lietz Thomas Dörflinger Siegfried Helias Walter Link (Diepholz) Ulrich Adam Hansjürgen Doss Hans Jochen Henke Eduard Lintner Ilse Aigner Marie-Luise Dött Peter Hintze Dr. Manfred Lischewski Peter Altmaier Maria Eichhorn Klaus Hofbauer Wolfgang Lohmann (Lüden- Dietrich Austermann Rainer Eppelmann Martin Hohmann scheid) Norbert Barthle Anke Eymer (Lübeck) Klaus Holetschek Dr. Michael Luther Dr. Wolf Bauer Ilse Falk Josef Hollerith Erich Maaß (Wilhelmshaven) Günter Baumann Dr. Hans Georg Faust Dr. Karl-Heinz Hornhues Erwin Marschewski (Reck- Brigitte Baumeister Albrecht Feibel Siegfried Hornung linghausen) Meinrad Belle Ulf Fink Joachim Hörster Dr. Martin Mayer (Siegerts- Dr. Sabine Bergmann-Pohl Ingrid Fischbach Hubert Hüppe brunn) Otto Bernhardt Dr. Gerhard Friedrich (Erlan- Susanne Jaffke Wolfgang Meckelburg Hans-Dirk Bierling gen) Georg Janovsky Dr. Michael Meister Renate Blank Friedrich Merz Peter Bleser Dr. Hans-Peter Friedrich Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Maria Böhmer (Hof) Dr. Harald Kahl Hans Michelbach Sylvia Bonitz Erich G. Fritz Bartholomäus Kalb Meinolf Michels Jochen Borchert Jochen-Konrad Fromme Steffen Kampeter Bernward Müller (Jena) Wolfgang Börnsen (Böns- Hans-Joachim Fuchtel Dr.-Ing. Dietmar Kansy Elmar Müller (Kirchheim) trup) Dr. Jürgen Gehb Volker Kauder Claudia Nolte Wolfgang Bosbach Norbert Geis Eckart von Klaeden Günter Nooke Klaus Brähmig Dr. Heiner Geißler Ulrich Klinkert Franz Obermeier Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Reinhard Göhner Norbert Königshofen Friedhelm Ost Paul Breuer Peter Götz Eva-Maria Kors Norbert Otto (Erfurt) Monika Brudlewsky Dr. Wolfgang Götzer Hartmut Koschyk Dr. Peter Paziorek Georg Brunnhuber Kurt-Dieter Grill Thomas Kossendey Anton Pfeifer Hartmut Büttner Hermann Gröhe Dr. Martina Krogmann Dr. Friedbert Pflüger (Schönebeck) Manfred Grund Dr. Paul Krüger Ruprecht Polenz Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13511

(A) Dr. Bernd Protzner Ernst Burgbacher Ludwig Eich Klaus Kirschner (C) Thomas Rachel Ulrike Flach Marga Elser Siegrun Klemmer Dr. Peter Ramsauer Rainer Funke Peter Enders Hans-Ulrich Klose Helmut Rauber Hans-Michael Goldmann Gernot Erler Fritz Rudolf Körper Christa Reichard (Dresden) Dr. Karlheinz Guttmacher Petra Ernstberger Karin Kortmann Erika Reinhardt Klaus Haupt Annette Faße Anette Kramme Hans-Peter Repnik Walter Hirche Lothar Fischer (Homburg) Nicolette Kressl Klaus Riegert Ulrich Irmer Gabriele Fograscher Volker Kröning Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Klaus Kinkel Iris Follak Angelika Krüger-Leißner Franz Romer Dr. Heinrich L. Kolb Norbert Formanski Horst Kubatschka Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Jürgen Koppelin Rainer Fornahl Ernst Küchler Dr. Klaus Rose Sabine Leutheusser- Hans Forster Helga Kühn-Mengel Kurt J. Rossmanith Schnarrenberger Dagmar Freitag Ute Kumpf Adolf Roth (Gießen) Dirk Niebel Peter Friedrich (Altenburg) Konrad Kunick Norbert Röttgen Günther Friedrich Nolting Lilo Friedrich (Mettmann) Dr. Uwe Küster Dr. Christian Ruck Detlef Parr Harald Friese Werner Labsch Anita Schäfer Dr. Günter Rexrodt Anke Fuchs (Köln) Christine Lambrecht Dr. Wolfgang Schäuble Gerhard Schüßler Arne Fuhrmann Brigitte Lange Hartmut Schauerte Marita Sehn Monika Ganseforth Christian Lange (Backnang) Heinz Schemken Carl-Ludwig Thiele Konrad Gilges Detlev von Larcher Gerhard Scheu Dr. Dieter Thomae Iris Gleicke Christine Lehder Bernd Schmidbauer Jürgen Türk Günter Gloser Robert Leidinger Christian Schmidt (Fürth) Dr. Guido Westerwelle Renate Gradistanac Klaus Lennartz Andreas Schmidt (Mülheim) Günter Graf (Friesoythe) Dr. Elke Leonhard Birgit Schnieber-Jastram Angelika Graf (Rosenheim) Eckhart Lewering Dr. Rupert Scholz Nein Dieter Grasedieck Götz-Peter Lohmann Reinhard Freiherr von Schor- Kerstin Griese (Neubrandenburg) SPD lemer Achim Großmann Christa Lörcher Dr. Erika Schuchardt Brigitte Adler Wolfgang Grotthaus Erika Lotz Gerhard Schulz Gerd Andres Hans-Joachim Hacker Dr. Christine Lucyga Diethard Schütze (Berlin) Ingrid Arndt-Brauer Klaus Hagemann Dieter Maaß (Herne) Clemens Schwalbe Rainer Arnold Manfred Hampel Winfried Mante Dr. Christian Schwarz- Ernst Bahr Christel Hanewinckel Dirk Manzewski Schilling Doris Barnett Alfred Hartenbach Tobias Marhold (B) Wilhelm-Josef Sebastian Dr. Hans Peter Bartels Anke Hartnagel Lothar Mark (D) Heinz Seiffert Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Hasenfratz Ulrike Mascher Dr. h. c. Rudolf Seiters Klaus Barthel (Starnberg) Nina Hauer Christoph Matschie Bernd Siebert Ingrid Becker-Inglau Hubertus Heil Heide Mattischeck Bärbel Sothmann Wolfgang Behrendt Reinhold Hemker Markus Meckel Margarete Späte Dr. Axel Berg Frank Hempel Ulrike Mehl Wolfgang Steiger Hans-Werner Bertl Rolf Hempelmann Ulrike Merten Andreas Storm Friedhelm Julius Beucher Dr. Barbara Hendricks Angelika Mertens Dorothea Störr-Ritter Petra Bierwirth Gustav Herzog Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Max Straubinger Rudolf Bindig Monika Heubaum Ursula Mogg Matthäus Strebl Lothar Binding (Heidelberg) Reinhold Hiller (Lübeck) Christoph Moosbauer Thomas Strobl (Heilbronn) Kurt Bodewig Gerd Höfer Siegmar Mosdorf Michael Stübgen Klaus Brandner Jelena Hoffmann (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Susanne Tiemann Anni Brandt-Elsweier Walter Hoffmann (Darm- Jutta Müller (Völklingen) Edeltraut Töpfer Willi Brase stadt) Christian Müller (Zittau) Gunnar Uldall Dr. Eberhard Brecht Iris Hoffmann (Wismar) Franz Müntefering Arnold Vaatz Rainer Brinkmann (Detmold) Frank Hofmann (Volkach) Andrea Nahles Andrea Voßhoff Bernhard Brinkmann Ingrid Holzhüter Volker Neumann (Bramsche) Peter Weiß (Emmendingen) (Hildesheim) Eike Hovermann Gerhard Neumann (Gotha) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Hans-Günter Bruckmann Christel Humme Dr. Edith Niehuis Annette Widmann-Mauz Edelgard Bulmahn Lothar Ibrügger Dr. Rolf Niese Heinz Wiese (Ehingen) Dr. Michael Bürsch Barbara Imhof Dietmar Nietan Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Hans Büttner (Ingolstadt) Brunhilde Irber Günter Oesinghaus Klaus-Peter Willsch Marion Caspers-Merk Gabriele Iwersen Eckhard Ohl Bernd Wilz Wolf-Michael Catenhusen Renate Jäger Leyla Onur Werner Wittlich Dr. Peter Danckert Jann-Peter Janssen Manfred Opel Aribert Wolf Dr. Herta Däubler-Gmelin Ilse Janz Holger Ortel Wolfgang Zöller Christel Deichmann Dr. Uwe Jens Adolf Ostertag Karl Diller Volker Jung (Düsseldorf) Kurt Palis F.D.P. Peter Dreßen Johannes Kahrs Albrecht Papenroth Ina Albowitz Dieter Dzewas Ulrich Kasparick Dr. Martin Pfaff Hildebrecht Braun (Augs- Dr. Peter Eckardt Sabine Kaspereit Georg Pfannenstein burg) Sebastian Edathy Hans-Peter Kemper Johannes Pflug 13512 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Präsident Wolfgang Thierse (A) Joachim Poß Dr. R. Werner Schuster Dr. Margrit Wetzel Christa Nickels (C) Karin Rehbock-Zureich Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Norbert Wieczorek Cem Özdemir Dr. Carola Reimann Dr. Angelica Schwall-Düren Jürgen Wieczorek (Böhlen) Simone Probst Margot von Renesse Rolf Schwanitz Heidemarie Wieczorek-Zeul Christine Scheel Renate Rennebach Bodo Seidenthal Klaus Wiesehügel Irmingard Schewe-Gerigk Bernd Reuter Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Rezzo Schlauch Dr. Edelbert Richter Dr. Cornelie Sonntag- Engelbert Wistuba Albert Schmidt (Hitzhofen) Reinhold Robbe Wolgast Barbara Wittig Werner Schulz (Leipzig) Gudrun Roos Wieland Sorge Dr. Wolfgang Wodarg Christian Simmert René Röspel Wolfgang Spanier Verena Wohlleben Christian Sterzing Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Margrit Spielmann Hanna Wolf (München) Hans-Christian Ströbele Michael Roth (Heringen) Jörg-Otto Spiller Heidemarie Wright Jürgen Trittin Birgit Roth (Speyer) Dr. Ditmar Staffelt Uta Zapf Dr. Antje Vollmer Gerhard Rübenkönig Antje-Marie Steen Dr. Christoph Zöpel Dr. Ludger Volmer Marlene Rupprecht Ludwig Stiegler Peter Zumkley Sylvia Voß Thomas Sauer Rolf Stöckel Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Hansjörg Schäfer Rita Streb-Hesse BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gudrun Schaich-Walch Reinhold Strobl (Amberg) NEN PDS Bernd Scheelen Dr. Peter Struck Dr. Hermann Scheer Joachim Stünker Gila Altmann (Aurich) Dr. Dietmar Bartsch Siegfried Scheffler Joachim Tappe Marieluise Beck (Bremen) Petra Bläss Horst Schild Jörg Tauss Volker Beck (Köln) Maritta Böttcher Dieter Schloten Jella Teuchner Angelika Beer Roland Claus Horst Schmidbauer (Nürn- Dr. Gerald Thalheim Matthias Berninger Heidemarie Ehlert berg) Wolfgang Thierse Grietje Bettin Dr. Heinrich Fink Ulla Schmidt (Aachen) Franz Thönnes Annelie Buntenbach Dr. Gregor Gysi Silvia Schmidt (Eisleben) Uta Titze-Stecher Ekin Deligöz Uwe Hiksch Dagmar Schmidt (Meschede) Adelheid Tröscher Dr. Thea Dückert Dr. Barbara Höll Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Rüdiger Veit Dr. Uschi Eid Carsten Hübner Regina Schmidt-Zadel Simone Violka Hans-Josef Fell Sabine Jünger Heinz Schmitt (Berg) Hans Georg Wagner Joseph Fischer (Frankfurt) Gerhard Jüttemann Carsten Schneider Hedi Wegener Katrin Göring-Eckardt Dr. Evelyn Kenzler Dr. Emil Schnell Dr. Konstanze Wegner Rita Grießhaber Dr. Heidi Knake-Werner Walter Schöler Reinhard Weis (Stendal) Winfried Hermann Heidi Lippmann (B) Olaf Scholz Matthias Weisheit Antje Hermenau Ursula Lötzer (D) Karsten Schönfeld Gunter Weißgerber Ulrike Höfken Dr. Christa Luft Fritz Schösser Gert Weisskirchen (Wies- Michaele Hustedt Heidemarie Lüth Ottmar Schreiner loch) Monika Knoche Pia Maier Gisela Schröter Dr. Ernst Ulrich von Dr. Angelika Köster-Loßack Angela Marquardt Dr. Mathias Schubert Weizsäcker Steffi Lemke Kersten Naumann Richard Schuhmann Jochen Welt Dr. Helmut Lippelt Rosel Neuhäuser (Delitzsch) Dr. Rainer Wend Dr. Reinhard Loske Dr. Uwe-Jens Rössel Brigitte Schulte (Hameln) Hildegard Wester Oswald Metzger Gustav-Adolf Schur Volkmar Schultz (Köln) Lydia Westrich Kerstin Müller (Köln) Dr. Ilja Seifert Ewald Schurer Inge Wettig-Danielmeier Winfried Nachtwei Dr. Winfried Wolf

Damit sind wir am Ende der Abstimmungen zum Haus- b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) halt 2001. Das Ergebnis einer namentlichen Abstimmung gemäß § 96 der Geschäftsordnung ist noch offen. Es wird später bekannt gegeben. – Drucksache 14/4803 –

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt V: Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Hans-Joachim Fuchtel zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtli- Antje Hermenau chen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeits- Dr. Günter Rexrodt entgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) Dr. Christa Luft – Drucksachen 14/4371, 14/4409 – Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS (Erste Beratung 127. Sitzung) vor.

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei- – Drucksache 14/4743 – nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Berichterstattung: Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen- Abgeordneter Franz Thönnes tarischen Staatssekretär Gerd Andres das Wort. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13513

(A) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- rungsübernahme 1998 beseitigen sollen. Sie werfen uns in (C) ter für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident! Meine Verkennung der Situation dann auch noch Versäumnisse Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem bemer- hinsichtlich verfassungswidriger Vorschriften vor. Dies kenswerten Zitat beginnen. Der Kollege Heinz Schemken halte ich für ein tolldreistes Stück. hat den Beitrag seiner Fraktion zur ersten Beratung des (Beifall bei der SPD) vorliegenden Gesetzentwurfes Ende Oktober dieses Jah- res mit folgenden Worten eingeleitet: Auf diese Unterstellung will ich eingehen: Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir es für verfas- Wenn es so ist, dass die Frage der Verfassungswid- sungswidrig halten, Einmalzahlungen beim Arbeitslo- rigkeit für Sie einen so hohen Stellenwert hat, frage sengeld und beim Krankengeld nicht zu berücksichti- ich Sie ausdrücklich, warum Sie das Ganze nicht un- gen. Die jetzige Bundesministerin der Justiz, die Kollegin mittelbar im Dezember 1998 geregelt haben ... Hertha Däubler-Gmelin, hat Ihnen das schon damals, als Deutlicher hat die CDU/CSU-Fraktion ihr offensicht- wir noch in der Opposition waren, in aller Deutlichkeit ge- lich gestörtes Verhältnis zu unserer Verfassung und den sagt, als es um die Beratung Ihres Gesetzentwurfes im Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Sa- Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ging. Kon- chen Einmalzahlungen bisher nicht zum Ausdruck ge- sequent hat die Bundesregierung dem Bundesverfas- bracht. sungsgericht in ihrer Stellungnahme zu den dort laufen- den Verfahren mitgeteilt, dass sie eine gesetzliche Ich will Ihnen, Herr Kollege Schemken, und Ihrer Neuregelung vorschlagen wird. Fraktion die Antwort nicht schuldig bleiben: Ja, die Ver- fassung hat für uns einen so herausragenden Stellenwert! Wahr ist aber auch, dass dieses Parlament in der ersten Deshalb nehmen wir die Entscheidungen des Bundesver- Hälfte dieser Wahlperiode ein unglaubliches Arbeitspen- fassungsgerichts ernst und ziehen die erforderlichen poli- sum geleistet hat und noch leistet, um all die Probleme zu tischen und fachlichen Konsequenzen daraus, auch wenn beseitigen, die über Jahre ungelöst Wirtschaft und Gesell- es unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung er- schaft in Deutschland belastet haben. heblich belastet und wenn es unsere Handlungsspiel- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten räume zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, die Sie uns des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hinterlassen haben, einschränkt. Schritt für Schritt lösen wir den Reformstau auf, der Dies steht ganz im Gegensatz zu den Tricksereien und Deutschland national wie international zurückgeworfen Taschenspielereien, mit denen Sie sich zur Zeit Ihrer Re- hat. Wir haben viele Projekte eingeleitet und zu einem gierungstätigkeit um Ihre Verantwortung gegenüber der guten Teil auch bereits erfolgreich abgeschlossen. Wir (B) Verfassung und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern müssen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir nicht alle (D) gedrückt haben. drängenden Probleme sofort lösen können, die sich in 16 Jahren zuvor aufgebaut haben. Ich will dies den Bürgerinnen und Bürgern in Deutsch- land und Ihnen noch einmal in aller Klarheit vor Augen Auch mit dem vorliegenden Vorhaben setzen wir unse- führen: Am 11. Januar 1995 entschied das Bundesverfas- ren Weg der Konsolidierung der Haushalte, der Bekämp- sungsgericht, dass es mit dem Grundgesetz nicht zu ver- fung der Arbeitslosigkeit und zu mehr Verteilungs- einbaren ist, dass die Regierung Helmut Kohls über ein gerechtigkeit fort. Ich bitte Sie ausdrücklich, diesem Dutzend Jahre lang Beiträge auf Weihnachtsgelder, Ur- Gesetzentwurf zuzustimmen. Mit dem In-Kraft-Treten laubsgelder und Sonderzahlungen einzieht, den Bei- erhält, wer Beiträge zur Sozialversicherung für Weih- tragszahlern aber dann die kalte Schulter zeigt, wenn der nachtsgeld und Urlaubsgeld entrichtet, entsprechend Notfall eintritt, für den sie ihre Versicherungsbeiträge ge- höhere Versicherungsleistungen aus der Arbeitslosenver- zahlt haben. Und was tut die damalige Koalition? Sie kas- sicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung. siert zwei weitere Jahre in aller Ruhe ab und erlässt dann Das heißt: mehr Gerechtigkeit für Empfänger von ein neues Gesetz, das dieselbe verquere Rechtslage unter Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Kran- neuen Paragraphennummern fortschreibt. kengeld und Verletztengeld. (Zuruf von der SPD: Unerhört! – Gegenruf von Das ist der F.D.P., meine Damen und Herren, schon der CDU/CSU: Kurzes historisches Gedächt- wieder zu viel an Gerechtigkeit. Wen wundert es? Der nis!) Herr Abgeordnete Niebel – ich sehe ihn leider nicht – Ich will ausdrücklich – ich war selbst dabei – auch (Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Er wird würdig noch einmal an die Adressen des Kollegen Schemken und vertreten!) anderer sagen: Wir haben schon damals in der Anhörung hat hier so locker, wie man nur dann sein kann, wenn man gesagt, dass das, was neu geregelt werde, verfassungs- keine Verantwortung trägt, verkündet, es sei die bessere widrig sei. Daraufhin ist uns mitgeteilt worden: Das kön- Lösung, auf die Beiträge für Einmalzahlungen zu ver- nen wir ja erst einmal sehen. Wir machen es jetzt so und zichten. dann geht es seinen Weg. Dann werden wir schon sehen, (Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: So ist es!) was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt. Das klang, als Sie noch mitregieren durften, ganz anders. Ich halte es für etwas zynisch, Herr Schemken, wenn Sie uns dann vorwerfen, wir hätten die Folgen Ihrer ver- (Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Bei Ihnen auch, fassungswidrigen Haltung unmittelbar nach der Regie- als Sie noch in der Opposition waren!) 13514 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) Die frühere Kollegin hat das in der zweiten Rückwirkend hat uns das Bundesverfassungsgericht (C) und dritten Lesung Ihres damaligen Gesetzentwurfes am aufgegeben, all jene Betroffenen zu berücksichtigen, de- 18. Oktober 1996 sehr überzeugend vorgetragen: ren Leistungen noch nicht bestandskräftig beschieden wa- Ein Herausnehmen der Einmalzahlungen aus den ren. Selbstverständlich ist es unbefriedigend und be- Beiträgen führt zu Einnahmeausfällen in Höhe von drückend, dass wir nicht auch allen anderen Arbeitslosen 25 bis 30 Milliarden DM. Das ist gerade in jetziger rückwirkend ein höheres Arbeitslosengeld gewähren kön- Zeit nicht auszugleichen. nen. Die Haushaltslage lässt eine solche Lösung aber nicht zu. Wir müssten sonst zulasten der Arbeitslosen von Der Position von Frau Kollegin Babel von damals habe heute und morgen drastisch in die Instrumente der aktiven ich heute überhaupt nichts hinzuzufügen. Arbeitsmarktpolitik eingreifen, was wir nicht wollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen will ich hier noch einmal ausdrücklich sa- Leider – das ist sozialpolitisch natürlich bedauerlich – gen: Das, was wir mit diesem Gesetzentwurf machen, ent- können wir die Ungerechtigkeiten, die unsere Vorgänger spricht voll dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinterlassen haben, nur begrenzt ausgleichen. Die nach und ist im Rahmen des verfassungsmäßig Machbaren wie vor viel zu hohe Arbeitslosigkeit und die damit ver- verantwortbar. Ich werbe ausdrücklich für die Lösung, die bundenen Kosten lassen es nicht zu, Leistungen für die wir mit diesem Gesetzentwurf eingebracht haben. Vergangenheit über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus nachzuzahlen. Herzlichen Dank. Aber wir haben dafür gesorgt, dass vom Tage der Ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ kündung der Entscheidung des Bundesverfassungsge- DIE GRÜNEN) richts an bei der Bundesanstalt für Arbeit alle laufenden Leistungsfälle pauschal und damit unbürokratisch erhöht wurden. Wir wollten den verfassungswidrigen Zustand Präsident Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen nicht beibehalten, bis dieses Gesetzgebungsverfahren und Kollegen, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, abgeschlossen wird. will ich das Ergebnis der letzten namentlichen Abstim- mung mitteilen, der Abstimmung über den Entschlie- Wir sind damit bei allen Beteiligten auf Wohlwollen ßungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache gestoßen. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich bei der 14/4823. Bundesanstalt für Arbeit, bei der Selbstverwaltung und dem Präsidenten, und bei den Mitarbeitern der Abgegebene Stimmen 549, mit Ja haben gestimmt 51, Arbeitsverwaltung, die diese pauschale Regelung ganz mit Nein haben gestimmt 498. Der Entschließungsantrag (B) schnell technisch umgesetzt haben. ist damit abgelehnt. (D)

Endgültiges Ergebnis Dr. Günter Rexrodt Kersten Naumann Anni Brandt-Elsweier Abgegebene Stimmen: 549; Gerhard Schüßler Rosel Neuhäuser Willi Brase davon Marita Sehn Dr. Uwe-Jens Rössel Dr. Eberhard Brecht ja: 51 Carl-Ludwig Thiele Gustav-Adolf Schur Rainer Brinkmann (Detmold) nein: 498 Dr. Dieter Thomae Dr. Ilja Seifert Bernhard Brinkmann Jürgen Türk Dr. Winfried Wolf (Hildesheim) Dr. Guido Westerwelle Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ja Nein PDS Dr. Michael Bürsch Hans Büttner (Ingolstadt) F.D.P. Dr. Dietmar Bartsch SPD Petra Bläss Marion Caspers-Merk Ina Albowitz Maritta Böttcher Brigitte Adler Wolf-Michael Catenhusen Hildebrecht Braun (Augs- Roland Claus Gerd Andres Dr. Peter Danckert burg) Heidemarie Ehlert Ingrid Arndt-Brauer Dr. Herta Däubler-Gmelin Ernst Burgbacher Dr. Heinrich Fink Rainer Arnold Christel Deichmann Ulrike Flach Dr. Gregor Gysi Ernst Bahr Karl Diller Rainer Funke Uwe Hiksch Doris Barnett Peter Dreßen Hans-Michael Goldmann Dr. Barbara Höll Dr. Hans Peter Bartels Dieter Dzewas Dr. Karlheinz Guttmacher Carsten Hübner Eckhardt Barthel (Berlin) Dr. Peter Eckardt Klaus Haupt Ulla Jelpke Klaus Barthel (Starnberg) Sebastian Edathy Walter Hirche Sabine Jünger Ingrid Becker-Inglau Ludwig Eich Ulrich Irmer Gerhard Jüttemann Wolfgang Behrendt Marga Elser Dr. Klaus Kinkel Dr. Evelyn Kenzler Dr. Axel Berg Peter Enders Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Heidi Knake-Werner Hans-Werner Bertl Gernot Erler Jürgen Koppelin Heidi Lippmann Friedhelm Julius Beucher Petra Ernstberger Sabine Leutheusser- Ursula Lötzer Petra Bierwirth Annette Faße Schnarrenberger Dr. Christa Luft Rudolf Bindig Lothar Fischer (Homburg) Dirk Niebel Heidemarie Lüth Lothar Binding (Heidelberg) Gabriele Fograscher Günther Friedrich Nolting Pia Maier Kurt Bodewig Iris Follak Detlef Parr Angela Marquardt Klaus Brandner Norbert Formanski Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13515

(A) Rainer Fornahl Ernst Küchler Michael Roth (Heringen) Reinhard Weis (Stendal) (C) Hans Forster Helga Kühn-Mengel Birgit Roth (Speyer) Matthias Weisheit Dagmar Freitag Ute Kumpf Gerhard Rübenkönig Gunter Weißgerber Peter Friedrich (Altenburg) Konrad Kunick Marlene Rupprecht Gert Weisskirchen (Wies- Lilo Friedrich (Mettmann) Dr. Uwe Küster Thomas Sauer loch) Harald Friese Werner Labsch Dr. Hansjörg Schäfer Dr. Ernst Ulrich von Anke Fuchs (Köln) Christine Lambrecht Gudrun Schaich-Walch Weizsäcker Arne Fuhrmann Brigitte Lange Rudolf Scharping Jochen Welt Monika Ganseforth Christian Lange (Backnang) Bernd Scheelen Dr. Rainer Wend Konrad Gilges Detlev von Larcher Dr. Hermann Scheer Hildegard Wester Iris Gleicke Christine Lehder Siegfried Scheffler Lydia Westrich Günter Gloser Robert Leidinger Horst Schild Inge Wettig-Danielmeier Uwe Göllner Klaus Lennartz Dieter Schloten Dr. Margrit Wetzel Renate Gradistanac Dr. Elke Leonhard Horst Schmidbauer (Nürn- Dr. Norbert Wieczorek Günter Graf (Friesoythe) Eckhart Lewering berg) Jürgen Wieczorek (Böhlen) Angelika Graf (Rosenheim) Götz-Peter Lohmann Ulla Schmidt (Aachen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Grasedieck (Neubrandenburg) Silvia Schmidt (Eisleben) Klaus Wiesehügel Kerstin Griese Christa Lörcher Dagmar Schmidt (Meschede) Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Achim Großmann Erika Lotz Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Engelbert Wistuba Wolfgang Grotthaus Dr. Christine Lucyga Regina Schmidt-Zadel Barbara Wittig Hans-Joachim Hacker Dieter Maaß (Herne) Heinz Schmitt (Berg) Dr. Wolfgang Wodarg Klaus Hagemann Winfried Mante Carsten Schneider Verena Wohlleben Manfred Hampel Dirk Manzewski Dr. Emil Schnell Hanna Wolf (München) Christel Hanewinckel Tobias Marhold Walter Schöler Heidemarie Wright Alfred Hartenbach Lothar Mark Olaf Scholz Uta Zapf Anke Hartnagel Ulrike Mascher Karsten Schönfeld Dr. Christoph Zöpel Klaus Hasenfratz Christoph Matschie Fritz Schösser Peter Zumkley Nina Hauer Heide Mattischeck Ottmar Schreiner Hubertus Heil Markus Meckel Gisela Schröter BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Reinhold Hemker Ulrike Mehl Dr. Mathias Schubert NEN Frank Hempel Ulrike Merten Richard Schuhmann Gila Altmann (Aurich) Rolf Hempelmann Angelika Mertens (Delitzsch) Marieluise Beck (Bremen) Dr. Barbara Hendricks Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Brigitte Schulte (Hameln) Volker Beck (Köln) Gustav Herzog Ursula Mogg Volkmar Schultz (Köln) Angelika Beer (B) Monika Heubaum Christoph Moosbauer Ewald Schurer Matthias Berninger (D) Reinhold Hiller (Lübeck) Siegmar Mosdorf Dr. R. Werner Schuster Grietje Bettin Gerd Höfer Michael Müller (Düsseldorf) Dietmar Schütz (Oldenburg) Annelie Buntenbach Jelena Hoffmann (Chemnitz) Jutta Müller (Völklingen) Dr. Angelica Schwall-Düren Ekin Deligöz Walter Hoffmann (Darm- Christian Müller (Zittau) Rolf Schwanitz Dr. Thea Dückert stadt) Franz Müntefering Bodo Seidenthal Dr. Uschi Eid Iris Hoffmann (Wismar) Andrea Nahles Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Hans-Josef Fell Frank Hofmann (Volkach) Volker Neumann (Bramsche) Dr. Cornelie Sonntag- Joseph Fischer (Frankfurt) Ingrid Holzhüter Gerhard Neumann (Gotha) Wolgast Katrin Göring-Eckardt Eike Hovermann Dr. Edith Niehuis Wieland Sorge Rita Grießhaber Christel Humme Dr. Rolf Niese Wolfgang Spanier Winfried Hermann Lothar Ibrügger Dietmar Nietan Dr. Margrit Spielmann Antje Hermenau Barbara Imhof Günter Oesinghaus Jörg-Otto Spiller Ulrike Höfken Brunhilde Irber Eckhard Ohl Dr. Ditmar Staffelt Michaele Hustedt Gabriele Iwersen Leyla Onur Antje-Marie Steen Monika Knoche Renate Jäger Manfred Opel Ludwig Stiegler Dr. Angelika Köster-Loßack Jann-Peter Janssen Holger Ortel Rolf Stöckel Steffi Lemke Ilse Janz Adolf Ostertag Rita Streb-Hesse Dr. Helmut Lippelt Dr. Uwe Jens Kurt Palis Reinhold Strobl (Amberg) Dr. Reinhard Loske Volker Jung (Düsseldorf) Albrecht Papenroth Dr. Peter Struck Oswald Metzger Johannes Kahrs Dr. Martin Pfaff Joachim Stünker Kerstin Müller (Köln) Ulrich Kasparick Georg Pfannenstein Joachim Tappe Winfried Nachtwei Sabine Kaspereit Johannes Pflug Jörg Tauss Christa Nickels Hans-Peter Kemper Joachim Poß Jella Teuchner Cem Özdemir Klaus Kirschner Karin Rehbock-Zureich Dr. Gerald Thalheim Simone Probst Siegrun Klemmer Dr. Carola Reimann Wolfgang Thierse Christine Scheel Hans-Ulrich Klose Margot von Renesse Franz Thönnes Irmingard Schewe-Gerigk Fritz Rudolf Körper Renate Rennebach Uta Titze-Stecher Rezzo Schlauch Karin Kortmann Bernd Reuter Adelheid Tröscher Albert Schmidt (Hitzhofen) Anette Kramme Dr. Edelbert Richter Rüdiger Veit Werner Schulz (Leipzig) Nicolette Kressl Reinhold Robbe Simone Violka Christian Simmert Volker Kröning Gudrun Roos Hans Georg Wagner Christian Sterzing Angelika Krüger-Leißner René Röspel Hedi Wegener Hans-Christian Ströbele Horst Kubatschka Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Konstanze Wegner Jürgen Trittin 13516 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Präsident Wolfgang Thierse (A) Dr. Antje Vollmer Albrecht Feibel Hartmut Koschyk Dr. Klaus Rose (C) Dr. Ludger Volmer Ulf Fink Thomas Kossendey Kurt J. Rossmanith Sylvia Voß Ingrid Fischbach Dr. Martina Krogmann Adolf Roth (Gießen) Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Gerhard Friedrich (Erlan- Dr. Paul Krüger Norbert Röttgen gen) Dr. Karl A. Lamers (Heidel- Dr. Christian Ruck CDU/CSU Dr. Hans-Peter Friedrich berg) Anita Schäfer (Hof) Dr. Norbert Lammert Dr. Wolfgang Schäuble Ulrich Adam Erich G. Fritz Helmut Lamp Hartmut Schauerte Ilse Aigner Jochen-Konrad Fromme Dr. Paul Laufs Heinz Schemken Peter Altmaier Hans-Joachim Fuchtel Karl-Josef Laumann Gerhard Scheu Dietrich Austermann Dr. Jürgen Gehb Werner Lensing Bernd Schmidbauer Norbert Barthle Norbert Geis Peter Letzgus Christian Schmidt (Fürth) Dr. Wolf Bauer Dr. Heiner Geißler Ursula Lietz Andreas Schmidt (Mülheim) Günter Baumann Dr. Reinhard Göhner Walter Link (Diepholz) Birgit Schnieber-Jastram Brigitte Baumeister Peter Götz Eduard Lintner Dr. Rupert Scholz Meinrad Belle Dr. Wolfgang Götzer Dr. Manfred Lischewski Reinhard Freiherr von Schor- Dr. Sabine Bergmann-Pohl Kurt-Dieter Grill Wolfgang Lohmann (Lüden- lemer Otto Bernhardt Hermann Gröhe scheid) Dr. Erika Schuchardt Hans-Dirk Bierling Manfred Grund Dr. Michael Luther Gerhard Schulz Renate Blank Horst Günther (Duisburg) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Diethard Schütze (Berlin) Peter Bleser Gottfried Haschke (Großhen- Erwin Marschewski (Reck- Clemens Schwalbe Dr. Maria Böhmer nersdorf ) linghausen) Dr. Christian Schwarz- Sylvia Bonitz Hansgeorg Hauser (Red- Dr. Martin Mayer (Siegerts- Schilling Jochen Borchert nitzhembach) brunn) Wilhelm-Josef Sebastian Wolfgang Börnsen (Bön- Klaus-Jürgen Hedrich Wolfgang Meckelburg Heinz Seiffert strup) Helmut Heiderich Dr. Michael Meister Dr. h. c. Rudolf Seiters Wolfgang Bosbach Ursula Heinen Friedrich Merz Bernd Siebert Klaus Brähmig Manfred Heise Hans Michelbach Bärbel Sothmann Dr. Ralf Brauksiepe Siegfried Helias Meinolf Michels Margarete Späte Paul Breuer Hans Jochen Henke Bernward Müller (Jena) Wolfgang Steiger Monika Brudlewsky Peter Hintze Elmar Müller (Kirchheim) Andreas Storm Georg Brunnhuber Klaus Hofbauer Claudia Nolte Dorothea Störr-Ritter Hartmut Büttner Martin Hohmann Günter Nooke Max Straubinger (Schönebeck) Klaus Holetschek Franz Obermeier Matthäus Strebl Dankward Buwitt Josef Hollerith Friedhelm Ost Thomas Strobl (Heilbronn) (B) Manfred Carstens (Emstek) Dr. Karl-Heinz Hornhues Norbert Otto (Erfurt) Michael Stübgen (D) Peter H. Carstensen (Nord- Siegfried Hornung Dr. Peter Paziorek Dr. Susanne Tiemann strand) Joachim Hörster Anton Pfeifer Edeltraut Töpfer Leo Dautzenberg Hubert Hüppe Dr. Friedbert Pflüger Gunnar Uldall Wolfgang Dehnel Susanne Jaffke Ruprecht Polenz Arnold Vaatz Hubert Deittert Georg Janovsky Dr. Bernd Protzner Andrea Voßhoff Albert Deß Dr.-Ing. Rainer Jork Thomas Rachel Peter Weiß (Emmendingen) Renate Diemers Dr. Harald Kahl Dr. Peter Ramsauer Gerald Weiß (Groß-Gerau) Thomas Dörflinger Bartholomäus Kalb Helmut Rauber Annette Widmann-Mauz Hansjürgen Doss Steffen Kampeter Christa Reichard (Dresden) Heinz Wiese (Ehingen) Marie-Luise Dött Dr.-Ing. Dietmar Kansy Erika Reinhardt Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Maria Eichhorn Volker Kauder Hans-Peter Repnik Klaus-Peter Willsch Rainer Eppelmann Eckart von Klaeden Klaus Riegert Bernd Wilz Anke Eymer (Lübeck) Ulrich Klinkert Dr. Heinz Riesenhuber Werner Wittlich Ilse Falk Norbert Königshofen Franz Romer Aribert Wolf Dr. Hans Georg Faust Eva-Maria Kors Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Wolfgang Zöller

Nun rufe ich den Kollegen Heinz Schemken, CDU/ setz ignoriert und jetzt etwas beschließt, was von vorn- CSU-Fraktion auf. herein wieder darauf hinausläuft, für verfassungswidrig erklärt zu werden, und auch Unsicherheiten und Wider- Heinz Schemken (CDU/CSU): Herr Präsident! sprüche auslöst, kann ich erst recht nicht verstehen. Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekre- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tär, wenn man einem anderen schon einen Fehler nach- neten der F.D.P.) weisen kann und wenn Sie feststellen, dass Sie schon bei der seinerzeitigen Anhörung anderer Meinung waren, In der letzten Anhörung haben uns alle Beteiligten – dann kann ich nicht verstehen, dass man zwei Jahre lang egal, ob es die Vertreter der Gewerkschaften, der Sozial- regiert, ohne diesen Fehler zu korrigieren. versicherungsträger, der Wirtschaft oder des Handwerks waren – eindeutig darauf hingewiesen, dass das, was Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) beschlossen haben, eine Ungleichbehandlung darstellt Aber es kommt noch schlimmer: Dass man dann das Er- und dass dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht ge- gebnis der erneuten Anhörung zu dem vorliegenden Ge- klagt werden wird. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13517

Heinz Schemken (A) Das Senken der Bemessungsgrundlage für die gegenüber der Bestandskraft von Verwaltungsakten vor- (C) Beiträge der Arbeitslosenhilfeempfänger reißt ein rangig. weiteres Loch in die Kassen der ohnehin schon gebeutel- Abzulehnen sind auch die Regelungen – wir alle haben ten Krankenversicherungen. Das gilt im Übrigen auch für noch die glanzvollen Ausführungen der Koalitionsfrak- die Pflegeversicherung. Hier entsteht ein Loch von tionen anlässlich der gerade erfolgten Verabschiedung des 400 Millionen DM. Dadurch werden die Rücklagen der Haushalts vor Augen –, mit denen ab dem Jahr 2001 die Pflegeversicherung belastet und zu einer fragwürdigen Größe, und das, obwohl es dringend notwendig ist, die Kosten vom Bund auf die Bundesanstalt für Arbeit verla- Pflege insbesondere um Leistungen für Demenzkranke zu gert werden. ergänzen. Warum erwähne ich das? Ich erwähne das, weil Es gibt keine sachliche Begründung dafür, dass die Sie den eigentlich wichtigen Fragen, die mit dieser eher Finanzierungsgrundlage für die Strukturanpassungs- unbedeutenden Gesetzesinitiative zusammenhängen, we- maßnahmen geändert werden soll. Die finanzielle Betei- nig Beachtung geschenkt haben. Mit diesen möchte ich ligung des Bundes war und ist unserer Meinung nach mich jetzt beschäftigen. insbesondere dadurch begründet, dass diese Maßnahmen Zur Finanzierung der durch längerfristige Arbeitslo- die Arbeitslosenhilfeempfänger einbeziehen. Deshalb sigkeit entstehenden Kosten in der Arbeitslosenversiche- muss das sich daraus ergebende Risiko im Bundes- rung, für die eigentlich der Bund verantwortlich ist, wer- haushalt durch allgemeine Steuern abgedeckt werden. den – das ist unsolide – die durch die Neuregelung der Daran vermag auch die beabsichtigte Änderung des § 274 geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erzielten zu- des SGB III, die Sie hiermit umsetzen wollen, wonach sätzlichen Einnahmen verwendet. künftig Arbeitslosenhilfeempfänger nur noch in angemes- senem Umfang einbezogen werden sollen, nichts zu än- Übrigens, Herr Staatssekretär, ein Wort zum Aufwuchs dern. Es wäre sachlich und politisch nicht zu rechtferti- bei den Arbeitsplätzen: Der Bundesfinanzminister hat gen, Arbeitslosenhilfeempfängern den Zugang zu soeben davon gesprochen, dass 1998, 1999 und 2000 ins- Strukturanpassungsmaßnahmen mit der Begründung zu gesamt 1 Million neuer Arbeitsplätze entstanden seien. verschließen, dass sich der Bund nicht mehr an der Fi- Man muss gerechterweise hinzufügen, dass ein Teil die- nanzierung beteiligt. Vielmehr ist es so, dass er sich sei- ser neuen Arbeitsplätze, etwa 400 000, 1998, also ner Verantwortung für diese Finanzierung entzieht. während der Zeit der Vorgängerregierung, geschaffen worden sind. Ebenfalls nicht gerechtfertigt ist die Übertragung der finanziellen Lasten – das darf ich auch noch einmal fest- Zurück zu den Krankenkassen: Nach den Berechnun- stellen – für das Langzeitarbeitslosenprogramm auf die gen der Krankenkassen reichen die Mehreinnahmen in Bundesanstalt für Arbeit und damit auf die Beitragszahler. (B) Höhe von 1,2 Millionen DM, die sie aufgrund der Um- (D) schichtung zulasten der Arbeitslosenversicherung haben, (Zuruf von der CDU/CSU: Ein ständiges Hin nicht einmal annähernd aus, um dem Desaster in der und Her!) Krankenversicherung entgegenzuwirken. Angesichts der Bei dieser Maßnahme handelt es sich nämlich – da müss- Tatsache, dass die Krankenkassen 1999 nur knappe Über- ten Sie sich eigentlich ans Portepee fassen lassen – um ein schüsse aufweisen konnten, müssen weitere Belastungen Bundesprogrammm. Die Erfolge des Sonderprogramms der Krankenkassen automatisch zu Beitragssatzerhöhun- zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit rechnen Sie gen führen, die unvermeidlich sein werden. Dies zeigt die sich selbstbewusst und lauthals zu; von daher dürfen auch defizitäre Bilanz für das Jahr 2000 schon jetzt. die Kosten für dieses von Ihnen aufgelegte Programm Die ungerechte Behandlung bei den rückwirkenden nicht auf die Beitragszahler abgewälzt werden. Zahlungen des Krankengeldes widerspricht jeglichem (Beifall bei der CDU/CSU) Vertrauensschutz. Die Spitzenverbände der Sozialver- sicherungsträger hatten in der Vergangenheit deutlich ge- Das Nachholen von Schulabschlüssen oder anderen Ab- macht, dass ein Widerspruch gegen Krankengeldbe- schlüssen zu ermöglichen ist eine allgemeine staatliche scheide zur Wahrung etwaiger Ansprüche aufgrund der Aufgabe; zu deren Finanzierung können nicht die Bei- Verfassungsbeschwerde nicht notwendig ist. Öffentlich tragszahler verpflichtet werden. Hiermit wird zugleich wurde von den Krankenkassen verkündet, die Entschei- auch Ihre Aussage aufgekündigt, ein Programm für die dung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Bei- jungen Menschen aufzulegen; jetzt geht es nämlich in eine tragserhebung für das Krankengeld auf gleichgelagerte völlig andere Richtung. Dieses Sonderprogramm – da ste- Sachverhalte anzuwenden. Auf diesen Beschluss haben hen Sie im Wort – ist durch Steuern zu finanzieren. sowohl die Sozialversicherungsträger als auch das Bun- Ich weise auf weitere Sanierungstricks auf Kosten der desarbeitsministerium – Herr Staatssekretär Andres, da- betroffenen Beitragszahler hin: 1,7 Milliarden DM macht ran möchte ich Sie erinnern – die Versicherten immer das bei Strukturanpassungsmaßnahmen aus, 750 Milli- wieder hingewiesen. Darauf haben sich die Versicherten onen DM beim Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose, verlassen. Nun wird das Vertrauen erschüttert und das 400 Millionen DM bei der Absenkung des Pflichtver- Wort erneut gebrochen. sicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher, Zudem wird mit der geplanten Änderung des § 44 (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!) SGB X ein grundlegender Pfeiler unserer sozialversiche- rungsrechtlichen Rechtsordnung zerstört. Nach der Kern- 1,2 Milliarden DM bei der Absenkung des Kranken- aussage dieser Vorschrift sind die Interessen der Bürger versicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher, 13518 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Heinz Schemken (A) 535 Millionen DM bei der Absenkung des Renten- lich eine solche Tat gerade gegenüber den jungen Leuten, (C) versicherungsbeitrages für Wehr- und Zivildienstleis- die einen schweren Dienst in Altenheimen verrichten? tende und 4,1 Milliarden DM bei der Absenkung des (Beifall bei der CDU/CSU) Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfe- empfänger, Heinz Schemken (CDU/CSU): Herr Kollege (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Da wird ein ganzer Zug verschoben!) Laumann, ich hatte soeben schon darauf hingewiesen: Die Wirkung dieses Eingriffs in eine bisher gesetzlich festge- und zwar zum Schaden von Leuten, die eh schon in Zu- legte Regelung trifft natürlich den, der ohnehin nur mit ei- kunft nur eine geringe Rente bekommen. Arbeitnehmer ner geringen Rente zu rechnen hat und im Grunde am und Arbeitgeber sollen nun auch noch das JUMP-Pro- Rande des Existenzminimums liegt. Aber eigentlich hät- gramm mit 1,4 Milliarden DM finanzieren. ten wir beide das auch außerhalb besprechen können, Die Abgabe der Verantwortung für diese finanziellen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Lasten zugunsten des Bundeshaushalts an andere – auf BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) diese Weise kann man gut aus anderer Leute Leder Riemen schneiden – tragen wir nicht mit. Die weil es natürlich, meine Damen und Herren von der Ko- Sozialversicherungssysteme sind durch diese Mehrbelas- alition, im Kontext Ihrer Rentenphilosophie und Ihrer tung in Höhe von rund 10 Milliarden DM in gravierender Rentenpolitik liegt, für immer mehr Menschen immer Weise betroffen, weil dieses Geld dann in der Tat die weniger Rente zu sichern. Das ist der Gesichtspunkt, der Beitragszahler aufzubringen haben. uns in den nächsten drei Monaten auch noch beschäftigen wird. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler – das sollten wir uns auch einmal ehrlich und offen eingestehen Ich kann Ihnen dies also nur voll bestätigen, es ist so, und es den Bürgern draußen mitteilen –, die zu Zeiten ho- und wir werden dies für unseren Teil auch nicht zulassen. her Arbeitslosigkeit zwangsläufig höhere Beiträge zu zah- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) len hat, sollte eigentlich darauf vertrauen können Ich habe bereits auf den Zusammenhang hingewiesen, (Zuruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]) dass wir dann, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht, ein Nachdenken über die Senkung von Beiträgen erwarten, – das sage ich hier ausdrücklich, lieber Karl-Josef nicht aber die Finanzierung von Fremdleistungen. Im Laumann –, dass der Staat so gerecht handelt, dass die Hinblick auf die Bewertung der Fremdleistungen haben (B) (D) Beiträge dann gesenkt werden, wenn sich die Situation Sie in den vergangenen zehn Jahren immer kritisiert, ins- auf dem Arbeitsmarkt, wie es jetzt der Fall ist, entspannt. besondere seit der Wiedervereinigung, dass Fremdleis- tungen nicht in die Sozialversicherungssysteme hinein- Präsident Wolfgang Thierse: Kollege Schemken, passen. Sie buckeln hier um und packen das auf die gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laumann? Schultern der Beitragszahler. Wir sind der Meinung, Beiträge müssen gesenkt wer- Heinz Schemken (CDU/CSU): Bitte schön, Herr den. Das schafft Spielräume in den Betrieben, das schafft Laumann. Spielräume für Investitionen, und Investitionen bringen (Widerspruch bei der SPD) Arbeitsplätze. (Beifall bei der CDU/CSU) Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Herr Kollege Wir haben auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen, auch Schemken, Sie haben eben sehr eindrucksvoll dargestellt, bei den Haushaltsberatungen, haben entsprechende An- welche Lasten zugunsten des Bundeshaushalts den Sozi- träge gestellt, aber auch auf diesem Hintergrund und weil alversicherungen aufgebürdet werden sollen. Sie in diesem Gesetz die Bundesanstalt für Arbeit mit (Zuruf von der SPD: Was hat das mit dem Ein- 2,34 Milliarden DM mehr belasten, sehen wir keine Mög- malzahlungs-Neuregelungsgesetz zu tun?) lichkeit, diesem Gesetz zuzustimmen. Sie waren nicht be- reit, unseren Empfehlungen zu folgen, und deshalb lehnen Können Sie mir denn auch bestätigen, dass die Absen- wir dieses unsoziale Gesetz ab. kung der Zahlungen für die Bezieher von Arbeitslosen- hilfe in die Rentenversicherung für einen Arbeitslosen Schönen Dank. bedeutet, dass er im Jahr statt eines Rentenanspruchs von (Beifall bei der CDU/CSU – Andrea Nahles 39 DM Rente nur noch einen Anspruch von 15 DM er- [SPD]: Was ist denn daran unsozial? Das ist ja wirbt und dass man durch die Verschiebung bei den Zi- wirklich unverschämt!) vildienstleistenden dafür sorgt, dass ein Zivildienstleis- tender demnächst dann, wenn er Rentner ist, 100 DM weniger Rente hat, weil der Staat die Rentenversiche- Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile der Kolle- rungsbeiträge für Zivildienstleistende gekürzt hat? Wie gin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, das beurteilen Sie als sozialpolitisch erfahrener Mann eigent- Wort. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13519

(A) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wenig gesagt. Das gilt besonders für die Beitragsbelas- (C) NEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- tung, die wir senken. Inzwischen zeigt sich auch, wie wir gen! Lassen Sie mich vielleicht doch noch einmal kurz auf gestern gehört haben, in Ostdeutschland ein Erfolg auf das Gesetz eingehen, über das wir hier zu beraten haben. dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist der entscheidende Ich hoffe, dass aus meiner Fraktion keine Zwischenfragen Punkt. gestellt werden. Sie haben gesagt, wir hätten die Anhörung nicht ernst (Zuruf von der SPD: Zumindest sind vorab genommen. Sie wissen aber, dass auch von der Koalition keine bestellt!) Änderungsanträge gestellt wurden, gerade weil wir das, was auf der Anhörung gesagt wurde, ernst genommen ha- Lieber Herr Schemken, was Sie gerade als Begründung ben. Ich erwähne beispielsweise die Erörterung der Frage, dafür, dass Sie diesem Gesetz nicht zustimmen werden, ob die Einmalzahlungen rückwirkend auf individueller gesagt haben, wundert mich dann doch, weil es ja um et- oder auf pauschaler Basis berücksichtigt werden. Wir ha- was geht, was wir in unserer Regierungsverantwortung ben uns nach der Anhörung und nach den Versicherungen jetzt heilen, obwohl schon in Ihrer Regierungszeit vor- auszusehen gewesen war, dass es eindeutig verfassungs- der Kassen, der bürokratische Aufwand sei nicht so hoch, widrig war. dafür entschieden, eine individuelle Regelung zu treffen. Im Gesetzentwurf war ursprünglich eine pauschale Rege- Möglicherweise kann man noch anderer Meinung da- lung vorgesehen, weil wir befürchtet hatten, dass sonst ein rüber sein, wie man das heilen soll. Die F.D.P. hat ja dazu extrem hoher bürokratischer Aufwand droht. auch einen entsprechenden Vorschlag gemacht, auf den Herr Andres eingegangen ist. Ich will dem noch ein ande- Ich glaube, die Regelung auf individueller Basis ist der res Argument hinzufügen. richtige Weg, weil wir damit Ungerechtigkeiten – auch Überzahlungen – vermeiden und auf diese Weise dafür Wenn man auf die Beiträge verzichtet hätte, dann sorgen, dass die Menschen das bekommen, was ihnen zu- wären das nicht nur Einnahmeverluste gewesen, von de- steht. Diese Regelung ist vertretbar; denn die Spitzenver- nen ich finde, dass wir sie uns nicht leisten können, weil bände der Kassen haben uns gesagt, der bürokratische den Leistungen natürlich auch Beiträge gegenüberstehen Aufwand sei nicht so hoch, wie wir ursprünglich ange- müssen. Es hätte auch dazu geführt, dass selbstverständ- nommen haben. Sie können also sicher sein, dass wir das, lich bestimmte Lohnzahlungen auf Weihnachtsgeld und was in der Anhörung gesagt wurde, sehr ernsthaft ausge- Urlaubsgeld verschoben worden wären, um eben auch wertet haben. auf Arbeitgeberseite Sozialbeiträge zu sparen. Ich glaube, das kann nicht der Sinn eines solchen Gesetzes Wir haben das umgesetzt, was uns – eigentlich müsste sein. man sagen: Ihnen – durch das Bundesverfassungsge- (B) richtsurteil vorgegeben wurde. Sie sollten in Zukunft bei (D) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Ihren Stellungnahmen zu Urteilen des Bundesver- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) fassungsgerichts berücksichtigen, dass wir bei der Um- Zu den 400 000 Arbeitsplätzen, von denen Sie gespro- setzung von Urteilen den Grundsatz beachten müssen, chen haben und die im Jahr 1998 geschaffen worden dass nicht neue Ungerechtigkeiten entstehen. Das ge- seien, würde ich Sie gern an etwas erinnern, worauf ich währleisten wir mit diesem Gesetz. Ich bitte Sie um Ihre mich als Ostdeutsche gut besinnen kann: Dabei hat es sich Zustimmung. im Wesentlichen um Wahl-ABM gehandelt und nicht um Vielen Dank. echte arbeitsmarktpolitische Erfolge. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Damit bin ich auch bei einem anderen Punkt, den die- und bei der SPD) ser Gesetzentwurf enthält, nämlich bei den arbeitsmarkt- politischen Maßnahmen, die wir fortsetzen, weil wir sie sinnvoll finden. Das gilt beispielsweise für Strukturan- Präsident Wolfgang Thierse: Nun hat der Kollege passungsmaßnahmen, die ja dazu führen, dass das häu- Heinrich Kolb, F.D.P.-Fraktion, das Wort. fig benutzte Karussell von Arbeitsbeschaffungsmaßnah- men – jemand kommt in eine solche Maßnahme, arbeitet Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe sich ein, und wenn er es dann kann, muss er schon wieder Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst an aufhören – durchbrochen wird. Ich finde diese Maßnahme Herrn Staatssekretär Andres wenden, der wie so viele sinnvoll. Deswegen sollte sie auch fortgesetzt werden. Kollegen aus der rot-grünen Koalition jede Rede damit Ebenso sinnvoll finde ich, dass wir bei den Zuschüssen beginnt, es sei alles so furchtbar schrecklich, was er von für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dafür sorgen, uns übernommen hat. dass auch Träger, die keine oder nur eine sehr geringe Fi- (Erika Lotz [SPD]: 1,5 Billionen DM nanzkraft aufweisen, solche Maßnahmen anbieten kön- Schulden!) nen. Das gilt insbesondere für die Wohlfahrtsverbände, für kleine Vereine im Umweltbereich oder auch für Kir- Herr Kollege Andres, Sie müssen sich schon entscheiden, chengemeinden. Diese sinnvollen Regelungen, die Sie ob Sie regieren wollen oder nicht. angeregt haben, werden wir fortsetzen. (Lachen bei der SPD – Franz Thönnes [SPD]: Der eigentliche Erfolg unserer Politik ist auf dem ers- Das haben wir schon lange entschieden, Herr ten Arbeitsmarkt zu finden. Darüber haben Sie leider nur Kollege! Für die kommenden vier Jahre auch!) 13520 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Dr. Heinrich L. Kolb (A) Ich habe gestern schon einmal gesagt: Eine Erbschaft um- nanzielle Lasten vom Bundeshaushalt auf die Beitrags- (C) fasst Soll und Haben; das eine gehört dazu wie das andere. zahler abgewälzt. Dies werden wir nicht mitmachen. Über die 100 Milliarden DM aus dem Verkauf der UMTS- Lizenzen haben Sie sich ja auch nicht beschwert. Wenn Im Übrigen ist alles Mögliche in diesen Gesetzentwurf Sie nicht regieren können, dann sagen Sie es dem Volk. hineingestopft worden. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Wir stehen bereit, die Regierung von Ihnen wieder zu werden trotz ihrer Ineffektivität beibehalten. Dafür soll übernehmen. der steuerfinanzierte Anteil für diverse arbeitsmarktpoli- tische Maßnahmen, zum Beispiel für Strukturanpassungs- (Beifall bei der F.D.P. – Lachen bei der SPD – maßnahmen, wegfallen. Das heißt, diese Programme wer- Andrea Nahles [SPD]: Da kriegen wir aber den ebenso wie die Kosten für die Fortsetzung des Angst! – Weiterer Zuruf von der SPD: Mit die- sem Schreck sollen wir ins Wochenende ge- Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hen?) und für das Langzeitarbeitsprogramm in den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit verschoben, und zwar zulasten Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber der Beitragszahler und zum Preis höherer Lohnnebenko- die Wahl gelassen, entweder die Einmalzahlungen, auf die sten. Abgesehen davon wird diesem Hohen Hause da- Beiträge erhoben wurden, bei der Gewährung von Leis- durch die Kontrolle über diese Mittel entzogen. Auch da- tungen zu berücksichtigen oder aber die Einmalzahlungen mit sind wir in keinem Falle einverstanden. von Sozialversicherungsbeiträgen freizustellen. Das Letztere hätte zwar die Wirkung, dass die Einnahmen der Sie geben mit diesem Gesetz das falsche Signal. Es gibt Sozialkassen geringer sind. keinen Anreiz für mehr Beschäftigung. Im Gegenteil: (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Durch zusätzliche Belastungen werden jegliche Anreize NEN]: Das interessiert Sie ja auch nicht!) im Keim erstickt. Sie nähern die Transferleistungen den Arbeitseinkommen wieder einmal weiter an. Deswegen Dafür aber – das ist aus unserer Sicht ein ganz entschei- ist dieser Gesetzentwurf beschäftigungsfeindlich und dender Punkt, Frau Dückert – hätten die Arbeitgeber ge- gehört in den Papierkorb. ringere Lohnzusatzkosten und die Arbeitnehmer netto mehr Geld in der Tasche als bisher. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Diesen Schritt machen wir doch im Ge- gensatz zu Ihnen! Wir senken doch die Sozial- Präsident Wolfgang Thierse: Zu einer Kurzinter- beiträge!) vention erteile ich dem Kollegen Gerd Andres das Wort. (B) Keiner würde auch nur einen Pfennig weniger an Leistung (D) bekommen als bisher. Auch hätte die Arbeitslosenversi- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- cherung keine einzige Leistung einschränken müssen. ter für Arbeit und Sozialordnung: Ich möchte nur eine Aus unserer Sicht wäre dies die sachgerechtere Lösung kurze Antwort auf die Bemerkung von Herrn Kolb geben, gewesen. Wir bedauern sehr, dass Sie sich mit dem vor- dass wir uns entscheiden müssten, ob wir regieren wollen gelegten Gesetzentwurf nicht für diese Lösung, sondern oder nicht. Ich kann Ihnen frohen Herzens sagen, dass ich für den anderen Weg entschieden haben. gerne regiere. Das ändert aber überhaupt nichts an der Tat- Ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie behaupten, sache, dass wir viel Müll wegräumen müssen, den Sie uns Ihre Lösung sei günstiger als die andere. Im Gegenteil: hinterlassen haben. Dass die andere Lösung nicht sinnvoll ist, ist von Ihnen nie geprüft oder rechnerisch nachgewiesen worden. Ich möchte es wiederholen: Als Sie damals noch in der Koalition waren, haben Sie von den Menschen jahrelang Jetzt liegt Ihr Gesetzentwurf zur Neuregelung auf Beiträge gefordert, ohne ihnen eine entsprechende Leis- dem Tisch. Man muss sich schon fragen, warum nur die- tung zu gewähren. Das ist verfassungswidrig – das hat das jenigen rückwirkend in den Genuss der Leistungsaus- Bundesverfassungsgericht bestätigt – und das beenden weitung kommen sollen, die gegen ihre Bescheide Wi- wir mit diesem Gesetz. derspruch eingelegt haben. Viele Bürger haben sich auf die Informationen der Krankenkassen oder ihrer Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten werkschaftsvertreter verlassen, dass letztlich für alle ge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sorgt sein wird. Jetzt aber sollen diejenigen, deren Be- scheid schon bestandskräftig ist, leer ausgehen. Präsident Wolfgang Thierse: Kollege Kolb, Sie Man kann nun mit dem Kollegen Schemken darüber können erwidern. streiten, ob das verfassungswidrig ist oder nicht. Aber ei- nes ist klar: Es ist auf jeden Fall ungerecht, dass Beziehern von Kranken-, Verletzten- oder Übergangsgeld, die dafür Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Mit Blick auf die Zeit Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, keine Nach- nur wenige Sätze: Sie reden bei jeder Gelegenheit davon, zahlungen gewährt werden. Das heißt, die Bürger in die- dass Sie die Lohnnebenkosten senken wollen. Hier hätten sem Lande kommen nicht auf ihre Kosten, sondern blei- Sie die Gelegenheit gehabt, die Beitragszahler zu entlas- ben auf ihren Kosten sitzen. Das ist alles andere als sozial ten. Diese Chance haben Sie nicht genutzt. Deswegen ha- gerecht. Hier werden mal wieder nach altem Muster fi- ben Sie hier zu Recht Schelte und Prügel bezogen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13521

(A) Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile der Kolle- – Ja, es wird anders finanziert, aber das ändert nichts an (C) gin Pia Maier, PDS-Fraktion, das Wort. der Tatsache, dass eine solche Ungleichbehandlung für den Betroffenen nicht nachvollziehbar ist. Pia Maier (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und (Doris Barnett [SPD]: Das eine sind Beiträge, Herren! Der Disput zwischen Herrn Kolb und Herrn das andere sind Steuern! Das ist doch ein him- Andres hat mir noch einmal deutlich gemacht, warum mir melweiter Unterschied!) eine rot-grüne Bundesregierung doch ein wenig lieber ist – Es gibt nicht nur die Beitragsgerechtigkeit, sondern als die letzte. Herr Andres hat zumindest gesagt, dass es auch ein natürliches Gerechtigkeitsempfinden. Ich finde, ihm Leid tut, dass er nicht alles so regeln kann, wie er es Sie hätten in diesem Punkt etwas großzügiger sein kön- gerne möchte, weil es zu viel Geld kostet; dazu werde ich nen. Ihnen natürlich auch noch einen Vorwurf machen. Herrn Kolb hingegen geht das, was jetzt geregelt worden ist, im- (Beifall bei der PDS) mer noch nicht weit genug. Zum Abschluss: Es ist gut, dass Sie die Dauer der ar- Es ist immerhin ein Fortschritt in der Beratung des Ein- beitsmarktpolitischen Maßnahmen, die mit diesem Ge- malzahlungs-Neuregelungsgesetzes, dass jetzt auch die setz verbunden sind, verlängern. Es ist aber schade, dass CDU/CSU und die F.D.P. verstanden haben, was verfas- Sie die Finanzierung von Maßnahmen, die eigentlich in sungsgemäß ist und was nicht. Ich denke, damit haben der Verantwortung aller Menschen stehen, auf die Schul- Sie, werte Bundesregierung, zumindest einen Bildungs- tern der Beitragszahler verlagern. Das wäre nicht not- auftrag erfüllt. Dafür herzlichen Dank. wendig gewesen. Die Bundesanstalt für Arbeit könnte die Mittel aus den Beiträgen auch für andere arbeitsmarktpo- (Beifall bei der PDS) litische Maßnahmen sinnvoll einsetzen. Sie haben aber Herr Andres hat durchaus bedauert, dass die Altfälle mit dem vorliegenden Haushalt bereits vollendete Tatsa- nicht besser geregelt werden können. Ich fürchte, dass die chen geschaffen. Betroffenen selber für eine entsprechende Regelung sor- Danke. gen werden. Sie haben natürlich das Recht, dagegen zu klagen und das Ganze noch einmal vor das Bundesver- (Beifall bei der PDS) fassungsgericht zu bringen. So kann auch für diejenigen eine ordentliche Lösung herbeigeführt werden, denen die Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort Spitzenverbände gesagt haben: Ihr braucht nicht zu kla- dem Kollegen Franz Thönnes, SPD-Fraktion. gen, der Gesetzgeber wird das regeln. Es gibt einen Vor- behalt, der die Betroffenen schützt. Ich fürchte, Sie wer- (B) den nicht darum herumkommen, die Fälle noch einmal Franz Thönnes (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! (D) aufzurollen und dies im Sinne der Betroffenen zu regeln. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin- nen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Ein- (Beifall bei der PDS) malzahlungs-Neuregelungsgesetzes werden wir mehr Bei- Der zentrale Punkt meiner Kritik an dem Gesetzes- tragsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Verfas- paket ist aber, dass Sie die Arbeitslosenhilfeempfängerin- sungsgerechtigkeit herstellen. nen und -empfänger von der Neuregelung explizit aus- (Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD]) nehmen. Arbeitslosenhilfe wird von Ihnen richtigerweise als Sozialleistung definiert, bei der Berrechnung der Ar- beitslosenhilfe aber werden, Einmalzahlungen nicht Die Arbeitslosen- und die Krankengeldbezieher erhal- berücksichtigt, weil – das steht in der Begründung zum ten endlich die Ihnen im Verhältnis zu ihren Beiträgen zu- Gesetzentwurf – kein Anreiz dafür geschaffen werden stehenden Lohnersatzleistung. Die soziale Ungerechtig- soll, in der Arbeitslosenhilfe zu bleiben. Dadurch entsteht keit der alten Bundesregierung wird korrigiert; es lag ein natürlich für die Betroffenen die Situation, dass beim Be- zweimaliger Verstoß gegen das Verfassungsrecht vor. Das zug von Arbeitslosengeld die Einmalzahlungen berück- Bundesverfassungsgericht – wir haben es gehört – hat sichtigt werden, während sich nach dem Abstieg in die Ar- am 21. Juni 2000 und bereits 1995 entschieden, dass die beitslosenhilfe die Bemessungsgrundlage ändert. Ein von Ihnen verabschiedeten Regelungen verfassungswid- solches Vorgehen widerspricht dem gesunden Menschen- rig sind. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts ist verstand und jeglichem Gerechtigkeitsempfinden. eindeutig: (Doris Barnett [SPD]: Nein! Das sind unter- Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschät- schiedliche Finanzierungsformen!) zung der künftigen Entwicklung bei den Lohnersatz- leistungen waren schon zum Zeitpunkt der Gesetzes- – Frau Barnett, Sie widersprechen mir. Ich habe den Ge- beratungen keine hinreichenden Anhaltspunkte setzentwurf aber gelesen und ihn so verstanden; mir ist im vorhanden. Ausschuss auch nicht widersprochen worden. Auch in den Anhörungen ist deutlich geworden, dass Sie die Arbeitslo- Unsere Koalition macht jetzt mit der verfassungswidrigen senhilfeempfängerinnen und -empfänger deutlich anders Benachteiligung von Arbeitslosen und Kranken Schluss. behandeln. (Beifall bei der SPD – Wolfgang Meckelburg (Doris Barnett [SPD]: Es wird anders [CDU/CSU]: Die Experten in der Anhörung ha- finanziert!) ben es anders gesehen!) 13522 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Franz Thönnes (A) Damit wird auch eine weitere sozial ungerechte Hinter- Ebenso wichtig ist die gleichzeitige Verlängerung der (C) lassenschaft der alten Regierung beseitigt. Regelung des Anspruchs auf Struktur-Kurzarbeitergeld in Verbindung mit Qualifizierungs- und Weiterbildungs- Die Bundesregierung hat unverzüglich nach der Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts gehandelt. Be- maßnahmen. Arbeitslosigkeit und Weiterbildung werden reits seit Juli dieses Jahres ist durch eine unbürokratische hier sinnvoll miteinander verbunden. Dies dient der Be- Pauschalregelung das Arbeitslosen- und Unterhaltsgeld schäftigungssicherung und dazu, dass Menschen wieder angehoben worden. Zudem gibt es eine Pauschalzahlung in den Arbeitsmarkt kommen. in Höhe von 10 Prozent für die Alt- und Übergangsfälle. Vor diesem Hintergrund möchte ich an die Bemerkung Ab dem 1. Januar 2001 wird es eine individuelle Berech- von Frau Maier erinnern. Frau Maier, die Arbeitslosen- nung geben. Damit ist klar geregelt: Einmalzahlungen hilfe ist steuerfinanziert; wie Weihnachts- und Urlaubsgeld werden sich leistungs- erhöhend auf die Lohnersatzleistungen auswirken. Das (Pia Maier [PDS]: Das brauchen Sie mir nicht gilt für das Arbeitslosengeld, das Unterhaltsgeld, das zu sagen!) Krankengeld, das Übergangsgeld und das Verletztengeld. Da es keine „13. Beitragsleistung“ gibt, ist es falsch, hier Dadurch steigen die Lohnersatzleistungen um circa 8 Pro- zu fordern, es müsse eine Gegenleistung geben. zent. Das ist eine Stärkung des Versicherungsprinzips. Beitragsgerechtigkeit und Verfassungsgerechtigkeit wer- Ich fasse zusammen: Wir schaffen Beitrags- und Ver- den hier wieder hergestellt. fassungsgerechtigkeit. Wir schaffen Verlässlichkeit und Planbarkeit in der Arbeitsmarktpolitik. In Richtung F.D.P. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sage ich: Wir stärken das Vertrauen in die bewährten so- DIE GRÜNEN) zialen Sicherungssysteme in Deutschland. Tun Sie nicht so, als hätten wir die Äußerungen in der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Anhörung überhört. Wir haben den Vertretern der Kran- DIE GRÜNEN) kenkassen sehr gut zugehört. Wir sind auf ihre Anre- gungen eingegangen. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass eine individuelle Berechnung nach hinten sehr viel Präsident Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aus- leichter für sie möglich ist. Wir haben geregelt, dass die sprache. nicht bestandskräftigen Altfälle einbezogen werden. Wir Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- haben von der Pauschalregelung Abstand genommen. desregierung eingebrachten Entwurf eines Einmalzahlungs- Sich nun hierhin zu stellen und zu sagen, wir sollten die Neuregelungsgesetzes, Drucksachen 14/4371, 14/4409 und Beiträge senken, ist etwas verlogen. Der Bundesanstalt 14/4743. (B) für Arbeit entstehen bereits im Jahr 2000 Mehrkosten von (D) 2,4 Milliarden DM. Im Jahr 2001 werden die Mehrkosten Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS bei 3,7 Milliarden DM liegen und in den Folgejahren bei auf Drucksache 14/4859 vor, über den wir zuerst abstim- 3 Milliarden DM. Würde man rückwirkend alle An- men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer sprüche befriedigen, wären 18 Milliarden DM aufzuwen- stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Ände- den. Hätten Sie nicht diese Fehler gemacht, hätte Sie nicht rungsantrag mit den Stimmen des Hauses gegen die Stim- gegen die Verfassung verstoßen, gäbe es Spielraum, die men der PDS abgelehnt. Beitragssätze um 0,25 Prozent zu senken. Wir müssen Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- jetzt Ihre Lasten abtragen. Deswegen ist es unverschämt, schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen, wir müss- Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Ge- ten die Beiträge senken. setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die DIE GRÜNEN) Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. Abschließend will ich auf die beschäftigungsför- Wir kommen zur dernde Komponente hinweisen, die mit dieser gesetzli- chen Regelung verbunden ist. Wir haben die Situation, dritten Beratung dass im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahmen nur und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem bis zum 31. Dezember 2002 eine Förderung mit Lohnkos- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer tenzuschüssen möglich ist. Mit der Verlängerung dieser stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf Regelung bis zum Jahr 2006 schaffen wir die Möglich- ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grü- keit, eine verlässliche und verstetigte Arbeitsmarktpolitik nen gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenom- für die Länder, die Kommunen und die Träger der Be- men. schäftigungsmaßnahmen herzustellen. In den neuen Län- dern wird sich diese Regelung positiv auswirken. Allein Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI auf: dort haben bereits im September gut 90 000 Menschen in dieser Beschäftigungsform gearbeitet. Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform Das Gleiche gilt für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. des Zivilprozesses Auch diese Regelungen verlängern wir, und zwar bis zum 31. Dezember 2002. Damit tragen wir dazu bei, dass auch – Drucksache 14/4722 – weiterhin ein Lohnkostenzuschuss bis zu 100 Prozent des Überweisungsvorschlag: Arbeitsentgeltes gewährt werden kann. Rechtsausschuss Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13523

Franz Thönnes (A) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die einen Wettlauf „nach hinten“ starten, der erweist der (C) Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei- Justiz überhaupt keinen Dienst. nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesmi- DIE GRÜNEN) nisterin Dr. Herta Däubler-Gmelin das Wort. Wer das tut, der muss wissen, dass die Justiz den An- schluss an die Arbeit und an die Aufgaben des 21. Jahr- Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der hunderts nur dann halten kann, wenn sie bereit ist, sich zu Justiz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! modernisieren. Die Justiz kann ihre wichtige Rolle in un- Wir beraten die ZPO-Novelle heute zum zweiten Mal in serem demokratischen und sozialen Rechtsstaat nur be- erster Lesung. Dass wir das zum zweiten Mal tun, ist die haupten, wenn alle, Gerichte, Bund und Länder, die Mo- Erklärung für die kurze Beratungsdauer und für den Zeit- dernisierung gemeinsam vorantreiben. Wir tun das. punkt, an einem Freitagnachmittag. Ich möchte einige ganz wichtige Felder nennen, auf de- Vor gut vier Monaten, vor der Sommerpause, haben nen ich sehr viel sachliche Gemeinsamkeit sehe. Es han- wir die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs zum ersten delt sich nicht nur um die Tatsache, dass modernisiert Mal durchgeführt. Der Gesetzentwurf war von den Koali- werden muss; vielmehr geht es auch darum, dass die tionsfraktionen eingebracht worden. Damals ist viel über bisherige justizpolitische Debatte insbesondere die Amts- den Inhalt, aber auch über das Verfahren gesagt worden. gerichte sträflich vernachlässigt hat. Wir fanden es etwas merkwürdig, mit welchen Worten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ausgerechnet die CDU/CSU-Opposition das Vorgehen, DIE GRÜNEN) den Gesetzentwurf doppelt – einmal seitens der Koali- tionsfraktionen und einmal seitens der Bundesregierung – Uns liegen heute folgende Zahlen vor: Durchschnitt- in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen, geißelte. lich 1,5 Millionen Menschen klagen vor dem Amtsge- Wir haben das Doppelverfahren vor vier Monaten ge- richt. Die Klagen sind nicht etwa immer einfach und un- wählt, um die Zeit für öffentliche Diskussionen erheblich kompliziert, auch wenn ihr Streitwert bei weniger als zu verlängern. Die Richtigkeit dieses Vorgehens war völ- 10 000 DM liegt. Vor dem Amtsgericht treffen die Kläger selbstverständlich auf Einzelrichter – nicht etwa auf Kam- lig klar; das zeigt sich auch jetzt. mern –, die im Jahr zwischen 600 und 700 Fälle zu lösen Dieses Vorgehen entspricht der von uns eingeführten haben, schwierige wie einfache. – Die Möglichkeit der Praxis, die Transparenz der Gesetzgebung in der breiten Berufung in diesem Bereich ist sehr viel stärker einge- (B) Öffentlichkeit, also nicht allein gegenüber den Verbän- schränkt, als es ansonsten der Fall ist. – Die Richterinnen (D) den, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bür- und Richter eines Landgerichts – es handelt sich zu einem gern, zu verbessern. Dieses Ziel haben wir dadurch zu er- Teil um Einzelrichter, zum anderen Teil entscheiden reichen versucht, dass wir den Referentenentwurf und Kammern –, die für Klagen ab einem Streitwert von weitere Entwürfe zur unmittelbaren öffentlichen Diskus- 10 000 DM in erster Instanz zuständig sind – diese Fälle sion nicht nur versandt, sondern auch ins Internet gestellt sind keineswegs immer schwieriger als die mit einem ge- haben. ringeren Streitwert –, haben 170 Fälle im Jahr zu bearbei- ten. Wir haben die vergangenen vier Monate außerordent- lich gut genutzt. Wir haben mit allen diskutiert, die dazu Manchen mag das nicht stören. Wir sagen: Das wirkt bereit waren – mit Menschen, die nicht der Auffassung sich für die große Zahl der Recht suchenden Bürgerinnen sind, dass persönliche Injurien oder irgendwelche partei- und Bürger und für die Amtsrichterinnen und Amtsrichter taktisch motivierten Zurückweisungen Sachargumente negativ aus. Es gibt zu wenig Zeit für das Gespräch, es ersetzen –, und zwar sehr häufig, in sehr vielen Veranstal- gibt zu wenig Zeit für die Schlichtung. Dies muss sich än- tungen: mit Richterinnen, Richtern, Anwältinnen, Anwäl- dern. Deshalb stärken wir das Amtsgericht. ten, Verbänden, Einzelnen, Gerichten. Die Diskussion (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wird in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deut- DIE GRÜNEN) schen Bundestages am kommenden Mittwoch weiterge- hen. Wir werden und wollen – darin gibt es viel Übereinstim- mung – die Möglichkeiten der Berufung beim Amtsge- Lässt man einmal alle persönlichen Angriffe und auch richt verbessern. die parteitaktisch – häufig hört man den Begriff „strate- gisch“ – gemeinten Überlegungen unberücksichtigt, dann Wir halten das Prinzip des Einzelrichters für vernünf- zeigt sich Folgendes sehr klar: Es gibt eine Menge tig, übrigens nicht nur beim Amtsgericht, sondern auch Übereinstimmungen und einiges, worüber wir weiterhin beim Landgericht und bei den anderen Instanzen. Dass wir hier viel weniger weit gehen als Sie in den Gesetzent- diskutieren müssen. würfen, die Sie eingebracht haben, meine Damen und (Beifall des Abg. Alfred Hartenbach [SPD]) Herren von der Opposition, will ich nur am Rande be- merken. Es gibt Übereinstimmungen darüber, dass es höchste Zeit ist, auch die Justiz zu modernisieren. Wer meint, er könne An der Ersetzung der Streitwertrevision durch eine er- aus irgendwelchen Gründen vermeintlicher Liebedienerei weiterte Grundsatz- und Divergenzrevision gibt es, 13524 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) glaube ich, nicht viel zu kritisieren. Lassen Sie mich es Der Deutsche Juristentag – die Justizministerin war an- (C) noch einmal sagen: Wir halten auch die Zusammen- wesend, ich auch; es waren nur wenige von Ihnen da – führung der Berufungen bei den Oberlandesgerichten für lehnt diese Reform ab. richtig. All die Bedenken, die hier so unglaublich pole- (Joachim Stünker [SPD]: Sie waren immer auf misch geäußert werden, gibt es da, wo die Berufungen zu- der falschen Veranstaltung!) sammengeführt werden, überhaupt nicht: weder bei den Familiengerichten, noch im Bereich der Zivilgerichtsbar- Die Wirtschaftsverbände lehnen diese Reform ab. Die keit, noch bei den Arbeitsgerichten, den Sozialgerichten Verbraucherverbände lehnen diese Reform ab. Der Bun- oder den Verwaltungsgerichten. desrat lehnt diese Reform ab. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Alfred Hartenbach [SPD]: Den ADAC haben Sie vergessen!) Lassen Sie uns die Zeit nutzen, jetzt über Sachpunkte zu diskutieren. Mit Injurieren oder Polemik beindrucken Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen Sie niemanden; diejenigen, die wissen, dass modernisiert ist auch nicht für diese Reform. Die Stellungnahmen aus werden muss, am wenigsten. Damit verabschieden Sie der Anhörung liegen vor. Es gibt keinen Sachverständi- sich nur aus der eigentlichen Sachdiskussion. gen, auch nicht von denen, die von Ihnen benannt worden sind, der sagt: So, wie es vorgelegt ist, wollen wir das. Es Ich möchte dies sehr deutlich sagen: Die Justiz kann gibt eine flächendeckende, totale Ablehnung dieses Vor- ihre Rolle als tragender Pfeiler, als dritte Gewalt in unse- habens. Nehmen Sie das zur Kenntnis! rem sozialen und demokratischen Rechtstaat nur erhalten, wenn sie modernisiert wird. Und Zusammenarbeit wäre (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) mir allemal lieber als dieses Hickhack, das in dieser wich- Wer ist eigentlich für Ihre Reform? Welche Zeugen aus tigen und grundlegenden Frage veranstaltet wird. der Fachwelt können Sie aufführen? Es geht doch um die Herzlichen Dank. Diskussion in der Fachwelt. Einige von Ihnen waren auf dem Juristentag. Sind Sie denn taub, meine Damen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herren? (Ilse Janz [SPD]: Nein, wir haben alle den Hör- Präsident Wolfgang Thierse: Nun hat der Kollege test gemacht! – Alfred Hartenbach [SPD]: Herr Norbert Röttgen, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Röttgen, nicht diese Schärfe!) Entscheidend ist ja nicht, dass Sie diese Ablehnung er- (B) Norbert Röttgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine fahren haben. Es kann einmal passieren, dass ein Vor- (D) sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über schlag in der Sache in der Fachwelt eine totale Ablehnung die so genannte Justizreform dauert jetzt ziemlich genau erfährt. Es geht vielmehr um den neuen Stil in der Rechts- ein Jahr. politik seit 1998; das sage ich sehr ruhig und besorgt auch im Namen meiner Fraktion. Dieser Stilwandel besteht (Joachim Stünker [SPD]: 10 Jahre, Herr darin, das die Bundesjustizministerin noch nicht einmal Röttgen!) im Ansatz dazu bereit ist, auf diese Einwände einzugehen. In diesem Jahr der intensiven Diskussion hat es, wie das Ich bestreite gar nicht, dass Sie diskutieren. Sie diskutie- bei keinem anderen rechtspolitischen oder juristischen ren; aber Sie hören nicht zu und nehmen die Kritik nicht Thema in vergleichbarer Weise festgestellt werden kann, auf. ein eindeutiges und einhelliges Ergebnis gegeben. So et- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – was ist unter Juristen eigentlich gar nicht vorstellbar. Es Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE hat in der Fachwelt eine flächendeckende und totale Ab- GRÜNEN]: Sie lesen nicht!) lehnung gegeben. Sie erweisen sich als absolut argumentationsresistent. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU ) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Es geht hier nicht um parteitaktische Überlegungen. GRÜNEN]: Das Gegenteil ist wahr!) (Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Um Geld!) Bedauerlich ist, dass das nicht nur in diesem Bereich so – Es geht hier auch nicht um Geld. – Meine Damen und ist. Es ist leider typisch für die Rechtspolitik Ihrer Bun- Herren, nehmen Sie es doch endlich zur Kenntnis: Die desregierung; es ist der neue Stil der Rechtspolitik. Sie Richter in unserem Land lehnen diese Reform ab. peitschen das Gesetz zur Homosexuellenehe durch den Rechtsausschuss. (Joachim Stünker [SPD]: Nein!) (Ilse Janz [SPD]: Irgendwie habt ihr es mit der Die Anwälte in unserem Land lehnen diese Reform ab. Peitsche! Das ist euer Lieblingswort!) (Joachim Stünker [SPD]: Nein!) Die überwiegende Anzahl der Sachverständigen war da- Die Rechtswissenschaft lehnt diese Reform ab. gegen, aus unterschiedlichen Gründen. (Joachim Stünker [SPD]: Sie haben keine (Alfred Hartenbach [SPD]: Aber seit heute Ahnung!) haben wir ein Gesetz, Herr Röttgen!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13525

Norbert Röttgen (A) Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden ignoriert; Die Etikette, mit denen Sie diese Reform versehen, lau- (C) Sie peitschen das Gesetz durch. ten: Bürgernähe, Transparenz und Effizienz. Ich frage Sie und die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, ob Sie Sie schaffen es, eine Mietsrechtsreform vorzulegen, der Auffassung sind, dass die Verlagerung der Be- die sowohl auf den entschiedenen Widerspruch der Mie- rufungszuständigkeit an die wenigen, weiter entfernt ter wie der Vermieter stößt. Sie schaffen es, ein Urheber- liegenden Oberlandesgerichte mehr Bürgernähe bringt. vertragsgesetz in die Diskussion zu bringen, das sowohl bei den Autoren wie bei den Verlagen auf Protest stößt. Sie (Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist das dümm- drohen jetzt damit, das Schuldrecht, ein Herzstück des ste Argument, das ich je gehört habe!) Bürgerlichen Rechts, mit einer Generalüberholung übers Knie zu brechen. Auch in diesem Fall wurde aus der Ist die Justiz näher bei den Bürgerinnen und Bürgern oder Rechtswissenschaft starker Widerstand angekündigt. entfernt sie sich von ihnen, wenn Sie die Zuständigkeit auf die wenigen, zentralen Oberlandesgerichte in den Es ist bezeichnend, dass das wichtigste justizpolitische Flächenstaaten reduzieren und konzentrieren? Es ist we- Vorhaben der Bundesjustizministerin am Freitagnachmit- niger Bürgernähe; das ist doch unbestreitbar. tag als letzter Tagesordnungspunkt einer langen und an- strengenden Haushaltswoche platziert wird. Das sagt (Beifall bei der CDU/CSU) doch alles aus. Es macht die Justiz im Übrigen teurer, wie Ihnen alle Lan- (Aribert Wolf [CDU/CSU]: Schlechtes desjustizminister vorgerechnet haben. Gewissen ist das!) (Joachim Stünker [SPD]: Ein tolles Argument! Sie wollen die Öffentlichkeit meiden. Sie scheuen die Öf- Das überzeugt mich unheimlich!) fentlichkeit und wissen auch, warum: weil Sie schwach in Ich frage Sie: Ist es bürgernah, wenn die Berufung als der Sache sind. zweite Tatsacheninstanz grundsätzlich abgeschafft wer- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – den soll? Ist es bürgernah, wenn der Bürger seine Sache Alfred Hartenbach [SPD]: Ich habe gar nicht nicht mehr mündlich vortragen kann? Ist die Konsequenz, gewusst, dass Sie ein Niemand sind!) die dies haben wird, bürgernah, dass man nämlich in der Berufung nicht mehr über die Sache redet, sondern über Wenn diese Debatte einen Sinn machen soll, lieber die Formalien, über die Einhaltung des Verfahrens, dass in Herr Hartenbach – da wende ich mich an Sie und Ihre Kol- der Berufung nicht der Beweis erhoben, sondern darüber leginnen und Kollegen, an die Kolleginnen und Kollegen geredet wird, ob er in erster Instanz verfahrensfehlerfrei von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie an die erhoben worden ist? Fördert das die Akzeptanz der Justiz Kolleginnen und Kollegen von der PDS –, oder ist das Gegenteil der Fall? Das Gegenteil ist der Fall! (B) (D) (Alfred Hartenbach [SPD]: Aber sachlich, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bitte!) Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der Koali- dann besteht sie in dem Appell an Sie: Hören Sie auf da- tionsfraktionen: Führt es zu mehr Transparenz im zivilge- mit, nur zu sagen: Wir haben die Mehrheit, ihr die Argu- richtlichen Verfahren, wenn zukünftig die Möglichkeit mente. besteht, dass die Bürger – ohne mündliche Verhandlung – (Alfred Hartenbach [SPD]: Haben wir keine schriftlich beschieden werden, dass über ihre Sache nicht Mehrheit?) mehr verhandelt wird, ohne dass sie die Gelegenheit ha- ben, in die mündliche Verhandlung zu kommen und für Ich appelliere wirklich – ich sage das in ruhigem Ton, weil ihre Sache zu streiten? ich es wirklich ernst meine –: Kehren Sie zur argumenta- tiven politischen Auseinandersetzung in der Rechtspolitik Sie bekommen einen schriftlichen Bescheid mit dem In- zurück! Unsere Bitte an Sie ist, diesen Boden wieder zu halt: Verehrter Bürger, über deine Sache sprechen wir betreten. nicht mehr. – Ist das Transparenz? Ist das Bürgernähe? Es ist das glatte Gegenteil davon! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich will jetzt diese Auseinandersetzung in der Sache führen. Verehrte Frau Justizministerin, ich fand den allge- Sie von den Grünen, die einmal ein bürgerrechtliches meinen Charakter Ihrer Formulierungen ausgesprochen Selbstverständnis hatten, sollten sich gut überlegen, wie bemerkenswert. Sie sind gar nicht auf die konkreten Sie sich in dieser Frage verhalten. Punkte eingegangen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das in der Verwaltungs- GRÜNEN]: Sie auch nicht! – Ilse Janz [SPD]: gerichtsbarkeit?) Kein einziges sachliches Argument nennen Sie! Ich frage auch: Ist es effizient, wie Sie das Verfahren Nur heiße Luft!) organisieren? Sie sehen Folgendes vor: Zuerst kommt die All das, was konkret diskutiert wird, haben Sie mit allge- Berufungssache zum Senat des Oberlandesgerichtes. meinen Formulierungen zu überdecken versucht. Wir Der gesamte Senat muss sich dann mit der Frage beschäf- müssen konkret über die Sache reden. Dass Sie das nicht tigen, ob er die Berufung zurückweisen muss. Wenn er tun, ist das, was Ihnen vorgeworfen wird. Aber ich werde dieser Auffassung ist, muss er darüber die einzelnen Par- es gerne tun. teien informieren und den Berufungsführer über die 13526 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Norbert Röttgen (A) Gründe informieren, warum der Senat gedenkt, diese Be- Gesichtspunkten: Erstens ist das Vorhandensein einer um- (C) rufung zurückzuweisen. fassenden effektiven Kontrolle in den oberen Instanzen ein Instrument der Qualitätssicherung der erstinstanzli- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE chen Entscheidung. Richter, die wissen: „Wir haben eine GRÜNEN]: Rechtliches Gehör nennt man das!) effektive, umfassende Kontrolle“, bemühen sich auch. Dann nimmt der Berufungsführer dazu Stellung. Er nutzt Denn sie wissen, dass da noch einer über ihnen steht und Fristen aus. Es geht also Zeit ins Land. Dann kommt die kontrolliert, was getan worden ist. Das ist ein Instrument Stellungnahme an den Senat zurück. Der Senat muss er- der Qualitätssicherung. neut zusammentreten und sich damit beschäftigen. Nach Gemäß Ihrem neuen Modell werden zweitens die An- einem Zeitverlust von mehreren Monaten kommt er dann wälte – denn die erste Instanz ist ja im Grunde genommen zu dem Ergebnis: Die Sache können wir nicht zurückwei- der einzige Schuss, den man hat, um zum Erfolg zu kom- sen; sie wird dem Einzelrichter übertragen. men; die Berufung wird in vielen Fällen abgeschnitten, Das ist die Effizienzvorstellung, die diesem Gesetzent- und die Revision ist gesetzlich gar nicht mehr möglich –, wurf zugrunde liegt. Dies ist absurd, praxisfern und ohne eine relativ strenge Haftungsrechtsprechung des Bundes- jede Kenntnis von den Problemen des Justizprozesses. Sie gerichtshofes im Kopf habend, erstinstanzlich alles vor- sollten diese Argumente nicht mit Floskeln übertünchen, tragen, sondern den Menschen reinen Wein einschenken. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU) GRÜNEN]: Hoffentlich!) Ich frage Sie weiterhin: Ist es bürgernah, wenn Sie mit weil sie keinen Haftungsfall produzieren wollen. Sie wer- diesem Gesetzentwurf den Bürgern das Recht abschnei- den alles vortragen; ob dies unbedingt sachdienlich ist, ist den, mit ihrem Einzelfall vor den BGH zu treten? die Frage. (Joachim Stünker [SPD]: Sie haben nichts ver- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE standen, Herr Röttgen!) GRÜNEN]: Steht heute schon im Gesetz, dass sie alles vortragen müssen!) Sie sagen: Bürger, du darfst nur noch vor den BGH treten, wenn du behauptest, deine Sache diene der Rechtsfortbil- Die Richter werden bemüht sein, ihre Sache beru- dung. fungsfest zu machen. Sie werden alles dokumentieren. Denn wenn man nicht dokumentiert, ist die Sanktions- (Joachim Stünker [SPD]: Steht doch gar nicht folge, dass es nicht verfahrensfehlerfrei war, und das ist im Gesetz!) das einzige Nadelöhr, um überhaupt in die Rechtsmittel- (B) Was antworten Sie eigentlich dem Bürger auf seine Frage: instanz zu kommen. (D) „Was heißt hier Rechtsfortbildung? Ich habe doch nichts Das wird ohne jeden Zweifel zu einer Aufblähung, zu mit Rechtsfortbildung zu tun; ich will das Recht nicht einer Verlangsamung des erstinstanzlichen Verfahrens fortbilden; ich will es nur haben?“ führen. Sie werden die Amtsrichter mit noch mehr Ver- (Joachim Stünker [SPD]: Kriegt er doch!) antwortung belasten. Alles wird länger dauern. Nach dem, was Sie vorhaben, muss ihm dann geantwor- (Alfred Hartenbach [SPD]: Was haben Sie denn tet werden: Dann wirst du nicht gehört. gegen Verantwortung? – Joachim Stünker [SPD]: Die Verantwortung tragen die Amts- (Joachim Stünker [SPD]: Doch, wird er!) richter gern, Herr Röttgen!) – Lieber Herr Stünker, wissen Sie eigentlich, wie viel Pro- zent der Revisionsfälle Zulassungsberufungen oder Präsident Wolfgang Thierse: Herr Kollege Röttgen, Streitwertrevisionen sind? 99 Prozent der Fälle beruhen Sie bekommen nicht noch mehr Redezeit. Sie haben Ihre auf der Streitwert-, auf der Annahmerevision. Die alle Redezeit schon deutlich überschritten. wollen Sie beseitigen. Die kommen nicht mehr vor. Sie schaffen den Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zi- vilgericht, als eine Instanz ab, die der Einzelfallgerechtig- Norbert Röttgen (CDU/CSU): Einen Satz möchte ich keit dient. Das oberste Prinzip der Justiz ist es, Einzelfall- noch anfügen, weil gesagt worden ist, das seien parteipo- gerechtigkeit herzustellen. litische Gesichtspunkte. Ich war in dieser Woche in Köln auf einer großen Veranstaltung zur Justizreform. Da hat (Beifall bei der CDU/CSU) die offizielle Vertreterin des Landesjustizministeriums Ich stelle als Letztes fest: Die Aushöhlung des Rechts- von Nordrhein-Westfalen, die Vertreterin des Justizminis- mittelsystems – das wird auch gar nicht bestritten; es ters Jochen Dieckmann – dies ist nur ein Beispiel; diese wird ja immer gesagt, das alles seien Kröten, die wir Frau ist sicherlich nicht parteipolitisch verdächtig – schlucken müssten – (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Gegen die (Joachim Stünker [SPD]: Sie reden pro domo, sind Sie doch immer!) Herr Röttgen!) festgestellt: Das Land Nordrhein-Westfalen ist der Auf- führt nicht nur zur Schwächung der Rechtsmittelinstan- fassung, dass diese Reform weder praxistauglich noch kos- zen, sondern unweigerlich und notwendigerweise auch tenneutral ist. Das heißt, der Zivilprozess wird teurer und zur Schwächung der ersten Instanz, und zwar aus zwei schlechter. Ziehen Sie deshalb diesen Entwurf zurück, er Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13527

Norbert Röttgen (A) ist eine Demontage der funktionierenden Ziviljustiz in Meine Damen und Herren, wir stärken die erste Instanz (C) Deutschland. qualitativ und personell. In qualitativer Hinsicht erweitern Herzlichen Dank. und präzisieren wir die Hinweispflichten des Gerichts. Wir erweitern auch die gerichtlichen Anordnungskompe- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tenzen im Hinblick auf die Beibringung von Beweismit- teln. Damit fördern wir die Akzeptanz des erstinstanzli- Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort dem chen Urteils bei den Bürgerinnen und Bürgern, übrigens Kollegen Helmut Wilhelm, Bündnis 90/Die Grünen. auch bei denen, die nicht anwaltlich vertreten sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE sowie bei Abgeordneten der SPD) GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Vergleich zum alten Referentenentwurf sind in die- Die Reform des Zivilprozesses ist in erster Linie eine Re- sem Regierungsentwurf weitere Verbesserungen vorge- form für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. nommen worden. Es sind Lücken geschlossen worden; (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ich nenne nur die Regelungen über die Arbeitsgerichts- barkeit. Wir sind auch für weitere gut gemeinte Anregun- Die Rechtssuchenden werden von den Neuregelungen profitieren. Ich betone das deswegen, weil man in den gen und Bedenken an diesem Entwurf durchaus offen. Ich letzten Monaten – übrigens auch heute wieder – gele- sage hier ausdrücklich: Die Anhörung im Rechtsaus- gentlich den Eindruck gewinnen konnte, diese Reform schuss wird keine Schauveranstaltung; sie wird gewis- gehe nur die juristischen Verbände, die Anwaltschaft und senhaft ausgewertet. die Richterschaft etwas an. So ist es nicht und deswegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finden wir es gut, dass jetzt auch die Arbeitsgemeinschaft und bei der SPD) der Verbraucherverbände einen Kernpunkt unserer Re- form ganz besonders lobt: die Stärkung der Eingangs- Ich bin sehr gespannt, ob der eine oder andere Verband instanz. auch offiziell anfangen wird, eine Kompromisslinie zu entwickeln, oder ob er weiterhin mit altbekannten, uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht voll überzeugenden Argumenten unsere Vorschläge sowie bei Abgeordneten der SPD) alternativlos ablehnt. Ich halte es keineswegs für gut, Dort gerät der Rechtssuchende mit der Justiz zum ers- wenn Verbände meinen, nur wegen ihrer Basis eine harte ten Mal und – wenn alles gut läuft – auch zum letzten Mal Linie fahren zu müssen. in Kontakt. Wir müssen deswegen in erster Instanz die (B) notwendige Akzeptanz herstellen. Nur wenn dort die rich- Bei allem Verständnis für ihre Basis habe ich eine (D) tigen Mechanismen greifen, ist die Umgestaltung der Be- Empfehlung für die Damen und Herren Verbandsvertreter rufungsinstanz in ein Instrument vor allem der Fehler- – Sie können mir glauben, als Grüner verfüge ich durch- kontrolle und Fehlerbeseitigung gerechtfertigt. aus über einschlägige Erfahrungen –: Entwickeln Sie Kompromisslinien und zeigen Sie uns, dass Ihnen die Mo- Im Amtsgerichtssaal soll der Rechtssuchende zu jedem dernisierung der Justiz am Herzen liegt! Zeitpunkt nachvollziehen können, warum das Gericht eine Entscheidung trifft und wie es sie trifft. Das ist heute (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das tun sie nicht immer so. Das hat auch etwas damit zu tun, dass der halt nicht!) Amtsrichter rund 700 Verfahren im Jahr zu bearbeiten hat, Wer allerdings wie Herr Minister Weiß und andere (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist der durch die Lande zieht und dabei ernsthaft behauptet, Rot- CDU völlig egal!) Grün wolle die Amtsgerichte abschaffen, der zeigt, dass es ihm nicht um die Modernisierung der ZPO, sondern nur während beispielsweise sein Kollege am Oberlandes- um blanke Parteipolitik geht. gericht nur 75 Fälle pro Jahr auf dem Tisch liegen hat. Warum Sie diesen Zustand, verehrte Kolleginnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kollegen von der Opposition, seitdem Sie unsere Vor- und bei der SPD) schläge kennen, fortwährend als Idylle verkaufen wollen, an der nichts, aber auch gar nichts geändert werden muss, Für einen konstruktiven Dialog ist das eindeutig der verstehe ich wirklich nicht. falsche Weg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) und bei der SPD) Mir ist dies auch deshalb schleierhaft, weil ich mir Ihre alten Gesetzentwürfe zu diesem Thema angeschaut habe. Präsident Wolfgang Thierse: Nun hat Kollege Sie sollten uns lieber Beifall klatschen, weil wir eine Rainer Funke, F.D.P.-Fraktion, das Wort. komplette Reform machen, für die Sie immer nur Bruch- stücke auf Lager hatten, wenn Sie nicht ohnehin nur an Rainer Funke (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen der Streitwertschraube gedreht haben. und Herren! In der Haushaltsdebatte dieser Woche hat die (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Und das Bundesjustizministerin auf den angeblichen Reformstau noch falsch!) im Justizbereich hingewiesen. Auf der Suche nach diesem 13528 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Rainer Funke (A) Reformstau hat sie zunächst das Mietrecht ausfindig ge- Die Einzige, die glaubt, dass eine solche Reform notwen- (C) macht. dig sei, ist die Justizministerin. Da sie sich nicht ständiger Kritik ausgesetzt sehen will, versucht sie, das Gesetz im (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Jetzt kommt Eilverfahren durch das Parlament zu bekommen. Heute er mit persönlichen Angriffen! Reden Sie doch dürfen wir eine halbe Stunde über das für Sie so wahnsin- mal zur Sache! Ich sitze hier als Abgeordnete nig wichtige Reformgesetz debattieren. genau richtig!) (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wo ist denn – Ich weiß. Das habe ich schon sehr genau beobachtet. Es Herr Schmidt-Jortzig?) ist gut, dass Sie als Abgeordnete bei der SPD sitzen. Denn Ihr dauerndes Gerede von der Regierungsbank kann man – Er wird wahrscheinlich in seinem Wahlkreis sein. normalerweise nicht ertragen. In der nächsten Woche soll bereits die Anhörung im (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Rechtsausschuss erfolgen. Die Sachverständigen haben Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Nur nicht so noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich die Stel- wehleidig!) lungnahme der Bundesregierung zu dem ablehnenden Be- Dabei lassen Sie sich, Frau Abgeordnete, eher vom schluss des Bundesrates anzusehen. Sie ist jetzt erst ver- ideologischen Überbau der Wunschvorstellungen der Ar- sandt worden. Das ist schon ein eigenartiges Verfahren. beitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen aus den Aber Frau Justizministerin, 60er- und 70er-Jahren als von möglichen Mängeln im Justizwesen leiten. In der Tat muss man sich fragen: Was (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: haut in unserer Justiz nicht hin? Was muss verbessert wer- Abgeordnete!) den? Wenn dort Mängel vorhanden sind, dann muss man ich habe sehr wohl gehört, dass Sie bereit sind, mit uns ins an sie herangehen und versuchen, diese zu beseitigen. Gespräch zu kommen. Ich bin wirklich gespannt. Bislang Sowohl der Ansatz, sich vom ideologischen Überbau lei- waren allerdings die Gespräche, die wir im Ausschuss mit ten zu lassen, als auch der Gedanke, ausschließlich die Ihnen führen konnten, wenig effizient. Wenn Sie zu einem Kostengesichtspunkte der Länder zugrunde zu legen, sind echten Gespräch bereit sind und auch Kompromisse falsch gewählt. schließen wollen, Erstens. Die Justiz eignet sich schon wegen der Haus- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Ich habe Sie haltsgröße nicht als Sparschwein der Nation. Innere und schon fünfmal eingeladen! Sie haben es nie an- äußere Sicherheit und das Justizwesen sind Kernaufga- genommen, weil Sie alles besser wissen!) ben des Staates und dürfen gerade wegen des Funktionie- rens unseres Gemeinwesens nicht vernachlässigt werden. sind wir dazu bereit. (B) (D) Hinzu kommt, dass sich die Justiz gerade im Zivilbereich Vielen Dank. zum großen Teil selbst trägt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Zweitens. Der angestrebte Aufbau des Gerichtswesens und des Berufungsrechts verkürzen den Rechtsschutz des Bürgers, da praktisch die zweite Tatsacheninstanz Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile der Kolle- verloren geht. Was Effizienz und Transparenz angeht, hat gin Evelyn Kenzler, PDS-Fraktion, das Wort. Herr Röttgen schon alles gesagt. Zulasten des Bürgers wird der Anspruch auf individuellen Rechtsschutz erheb- Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Herr Präsident! Liebe lich eingeschränkt. Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir sogar noch Rechtsfrieden kann in der Gesellschaft nur entstehen, eine weitere erste Lesung zur Reform des Zivilprozesses, wenn dem Bürger hinreichend rechtliches Gehör gegeben jetzt allerdings zum Entwurf der Bundesregierung. Aber wird. Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung ist in auch nach der Diskussion in den letzten Wochen bleibt zu keiner Weise geeignet, dem Rechtsfrieden in der Gesell- konstatieren, dass es außer den Initiatoren der Justiz- schaft zu dienen. reform nur noch wenige Befürworter gibt. Ich halte diese geringe Akzeptanz angesichts eines so tiefen Einschnitts (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten in das Prozessrecht für wirklich bedenklich. der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der Er wird deswegen auch aus guten Gründen von allen Ver- CDU/CSU und der F.D.P.) bänden, die im Justizbereich tätig sind – der Anwaltschaft, der Richterschaft –, und von allen Wirtschaftsverbänden Angesichts der Tatsache, dass diejenigen, die die Reform bis hin zum ADAC abgelehnt. Ich jedenfalls habe keine umsetzen sollen, eine fast geschlossene Front der Ableh- positiven Stellungnahmen lesen können. Ich habe mich nung bilden, frage ich mich ernsthaft, wie die ZPO-Re- mit den Dingen beschäftigt. Es muss doch an irgendetwas form praktisch funktionieren soll. liegen, dass alle Verbände diesen Entwurf ablehnen. In der eilig einberufenen Sommerdebatte hatte ich die Der Bundesrat hat eine grundlegende Überarbeitung Reform in einigen Punkten begrüßt und in anderen Punk- gefordert. ten abgelehnt. Frau Ministerin, ich befinde mich jetzt in einer eigenartigen Situation. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rechtssuchenden haben keine (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wir sehen richtige Lobby!) es ja!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13529

Dr. Evelyn Kenzler (A) – Ja, wahrscheinlich wir alle. – Ich bekomme Briefe über nicht praktikabel sind, wiegen trotz einiger nun erfolgter (C) Briefe, in denen ich dringend darum gebeten werde, ge- positiver Korrekturen die vorgesehenen Rechtsschutzbe- gen Ihre Reform aufzutreten. Ich verteidige einerseits Ihre schneidungen in der Berufungs- und Revisionsinstanz Reform als überfällig und dringend notwendig, nicht auf. (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) (Beifall bei der PDS) kann ihr aber andererseits in der jetzt vorliegenden Form nicht zustimmen. Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle- (Joachim Stünker [SPD]: Das erkläre ich gen Joachim Stünker, SPD-Fraktion, das Wort. Ihnen!) – Das freut mich. Joachim Stünker (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- leginnen und Kollegen. Es ist hier nur noch eine kleine Der Regierungsentwurf hält weiter – ich meine: wider Runde versammelt. Art, Inhalt und Stil der rechtspoliti- besseres Wissen – an der Kostenneutralität fest. schen Diskussion über eine Reform des Zivilprozess- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Manchmal rechts in den letzten Wochen und Monaten sind in großen sind gute Sachen eben teuer!) Teilen der Bedeutung, dem Umfang und der Gewichtig- keit der zu lösenden Aufgabe nicht mehr gerecht gewor- Es wird nicht klargestellt, dass die so wichtige Stärkung den. der Eingangsinstanz ohne eine deutliche personelle Ver- stärkung und damit auch mit deutlich höheren Kosten (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rainer nicht erreichbar ist. Funke [F.D.P.]: Das erzählen Sie mal der Ministerin!) (Beifall bei der PDS) Was dort teilweise abgelaufen ist, wie sich die Diskus- Die Verschiebung von Richterstellen von der zweiten sion in Teilen der Fachöffentlichkeit entwickelt hat, war in die erste Instanz dürfte hier bei weitem nicht ausrei- für mich erschreckend. Dies gilt auch für die Reden der chen. Damit ist das Erreichen des begrüßenswerten Ziels Kollegen Funke und Röttgen heute hier an dieser Stelle. der Justizreform, die Stärkung der Eingangsinstanz, nicht gesichert. Die Reform kann in dem von uns gewünschten (Beifall bei der SPD und dem BÜND- bürgerfreundlichen Sinne so nicht gelingen. NIS 90/DIE GRÜNEN) Im Endeffekt – ich kenne das aus der Justizpraxis – Der Stil ist teilweise geradezu niveaulos geworden. werden die Rechtsschutzbeschränkungen bei den Rechts- Was sich die Bundesministerin der Justiz von Teilen der (B) mitteln bleiben. Wenn nicht zusammen mit den Ländern Fachöffentlichkeit hat sagen lassen und anhören müssen, (D) in das Fundament der Reform finanziell investiert wird, hat das Maß des politisch Erträglichen weit überschritten. bleibt es für die Richter in der ersten Instanz bei der der- (Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Kommen Sie zeitigen unbefriedigenden materiellen und personellen Si- tuation, allerdings bei deutlich gestiegenen Anforderun- zur Sache!) gen an ihre gerichtliche Entscheidungstätigkeit. Hier wäre von einigen der lautstärksten Kritiker schon (Rainer Funke [F.D.P.]: So ist es!) lange eine Entschuldigung fällig gewesen. Hier war vie- les rechtspolitisch einfach nicht mehr seriös. Dies bedeutet einen höheren Zeitaufwand für jede mündliche Verhandlung, vertiefte Tatsachenfeststellung, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des obligatorische Güteverhandlung und eine stärkere ge- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) richtliche Hinweispflicht. Wenn der Kollege Geis mittlerweile die schwierige Ar- (Rainer Funke [F.D.P.]: Und Beweiserhebun- beit im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages be- gen!) klagt, liegt das zuallererst daran, dass die Unionsparteien in diesem Haus ihre rechtspolitische Seriosität aufgrund Dies sind allesamt gute und vernünftige Vorschläge, ihrer immer noch nicht angenommenen Oppositionsrolle (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE dem kurzatmigen rechtspolitischen Populismus geopfert GRÜNEN]: Genau!) haben. aber deren Umsetzung ist bei gleich bleibender Arbeits- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ belastung einfach nicht zu schaffen. DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Dann haben Sie dem Kollegen entweder Wir sind für eine ZPO-Reform und – im Interesse der nicht zugehört oder ihn intellektuell nicht ver- Verfahrensstraffung – auch für einen dreistufigen Ge- standen! Es war eine super Rede! – Gegenruf richtsaufbau. der Abg. Ilse Janz [SPD]: Was hat er denn aus- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Es ist der gesagt in seiner „super Rede“?) Herr Scholz, der das will, und das ist auch Herr Unstreitig gibt es Reformbedarf. Die unbefriedigenden Schmidt-Jortzig von der F.D.P.) Zustände in der Ziviljustiz sind nicht ohne Grund in der Die wirklich positiven Vorschläge zur Stärkung der Ein- Vergangenheit auch von Anwaltsseite heftig beklagt wor- gangsinstanz, die unter den jetzigen Bedingungen jedoch den. Wer hier plötzlich behauptet, im Zivilprozess stehe 13530 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Joachim Stünker (A) alles zum Besten, der macht sich letzten Endes unglaub- eine Beschränkung auf eine Tatsachen- und eine (C) würdig. Rechtsinstanz. (Beifall bei der SPD) Das hat noch 1998, bevor wir unseren Entwurf vorgelegt hatten, der gute Professor Scholz geschrieben. Ich frage mich: Warum ist es nicht mehr richtig, was für alle ernst zu nehmenden Rechtspolitiker bis gestern noch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ an Übereinstimmung gegolten hat? DIE GRÜNEN) (Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wann kommt Recht haben sie alle, diese ehrenwerten Rechtspoliti- das erste Argument?) ker. Ich frage mich nur, warum das, was sie damals gesagt haben, heute nicht mehr gelten soll. Da sagt Steffen Heitmann im Februar 1997, damals noch Minister in Sachsen: (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Weil es ih- nen gerade passt!) Im gerichtlichen Verfahren muss die erste Instanz ge- stärkt werden. Sie darf nicht länger Durchlaufstation Dahinter steht reiner rechtspolitischer Populismus. Sie zum Berufungsgericht sein. Mit einer starken ersten betreiben Fundamentalopposition auf Kosten der Justiz Instanz kann der Rechtszug auf zwei Instanzen be- und der Rechtssuchenden in diesem Land. schränkt werden. Den Gipfel der Heuchelei leisten Sie sich in dieser Dis- Rainer Funke sagte damals bei derselben Veranstal- kussion hier im Deutschen Bundestag. Da muss ich Sie tung: persönlich ansprechen, Herr Röttgen. Sie haben in einer wirklich polemischen, bösen Rede am 7. Juli, als wir un- Das heute sehr differenzierte Rechtsmittelsystem seren Fraktionsentwurf diskutiert haben, wörtlich gesagt: sollte in seiner Gesamtheit überdacht werden. Sie verbieten dem Bürger den Mund vor Gericht. (Alfred Hartenbach [SPD]: Hört! Hört!) Das ist das Kernanliegen Ihres Vorhabens, das ist Ihr Und sein damaliger Minister Schmidt-Jortzig sagte auf Kerninstrument. Er soll nichts mehr sagen. Das ist dem Deutschen Juristentag in Bremen: Rechtspolitik à la Rot-Grün. Das zentrale Thema der nächsten Legislaturperiode (Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist Röttgen! wird die Justizreform sein. Wir brauchen eine grund- Der junge, wilde Röttgen!) legende, eine wirklich große Justizreform. Sie beziehen sich darauf, dass wir eine Regelung im Ent- Dann stellte er sein Modell vor, nämlich das Modell der wurf haben, nach der Berufungen zukünftig ohne münd- (B) Dreistufigkeit, letzten Endes in wesentlichen Punkten so, liche Verhandlung zurückgewiesen werden können, wenn (D) wie heute unser Entwurf aussieht. Das ist Ihre Glaubwür- der Senat einstimmig der Meinung ist, das sei ohne Aus- digkeit. sicht auf Erfolg. (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Kurzfrist- Sie verschweigen dabei, Herr Röttgen, dass Ihre Frak- gedächtnis!) tion am 8. Dezember 1998 in diesem Haus einen Entwurf eingebracht hat, Professor Goll, Minister in Baden-Württemberg, sagte noch im November 1998: (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) Ich bin für eine Umgestaltung der Berufungsinstanz der im Januar 1999 diskutiert wurde und der bis heute schrittweise in Richtung einer Rechtsüberprüfungs- noch nicht zurückgezogen worden ist. Darin sehen sie ei- instanz. nen neuen Paragraphen 519 c vor, der wie folgt lautet: (Beifall bei der SPD und dem BÜND- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das will er NIS 90/DIE GRÜNEN) jetzt nicht hören!) Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal auf In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche der Zunge zergehen lassen, was Herr Goll noch im No- Ansprüche, bei denen der Wert des Beschwerdege- vember 1998 gesagt hat und was heute alles nicht mehr genstandes 60 000 DM nicht übersteigt, ... kann das gelten soll. Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Ver- handlung durch einstimmigen Beschluss zurückwei- (Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist immer sen, wenn die Berufung nach der Berufungsbegrün- noch kein Argument! Wollen Sie gar nicht ar- dung keine Aussicht auf Erfolg hat. gumentieren in Ihrer Rede?) Meine Damen und Herren, das ist Ihre Rechtspolitik. Zum Schluss noch der Kollege Scholz, der es als Vor- sitzender des Rechtsausschusses ja auch nie nötig hat, hier (Alfred Hartenbach [SPD]: Sie sollten sich an den Debatten teilzunehmen. Er sagte in der „FAZ“ am schämen!) 23. November 1998 – das können Sie alles nachlesen –: Das heißt also: Der Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit be- Es muss an den Kern gegangen werden; die Zeit ginnt bei Ihnen erst bei einem Streitwert von über dafür ist überreif. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit 60 000 DM, weil es sich vielleicht dann auch von den Ge- ist ein dreistufiger Gerichtsaufbau einzuführen. Das bühren her eher lohnt. Herr Röttgen, das ist Ihre Rechts- System der Rechtsmittel ist zu ändern; notwendig ist politik. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13531

Joachim Stünker (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ist punktueller Art. Wir legen insbesondere Wert auf die (C) DIE GRÜNEN) – Dr. Herta Däubler-Gmelin Stärkung der ersten Instanz. Wir können uns zwar, wie es [SPD]: Peinlich! Doppelzüngigkeit!) der Deutsche Anwaltverein vorgeschlagen hat, durchaus eine Erweiterung der Befugnisse des Einzelrichters in Wenn Herr Geis, der es auch nicht nötig hat, heute hier der ersten Instanz vorstellen. Aber das muss unerlässlich zu sein, uns heute Morgen noch über den Ticker mitteilt, und zwingend daran gebunden sein, dass die erstinstanz- mit der Verstärkung der Einzelrichterentscheidung in liche Einzelrichterentscheidung von einem Kollegialge- unserem Entwurf sei ein Verlust an Rechtsschutz zu be- richt in der Berufung korrigiert werden kann. Das halten fürchten, dann kann ich Ihnen nur sagen: In die Begrün- wir für ein unerlässliches Junktim. Damit befinden wir dung des Entwurfs, den ich Ihnen eben vorgehalten habe uns in Übereinstimmung mit den Anregungen des DAV. und den ich sorgfältig studiert habe, schreiben Sie es sel- ber auch hinein. Da haben Sie die Steigerung des Einzel- Wir verweigern uns überhaupt nicht einer Reformdis- richtereinsatzes mit 70 Prozent angegeben. Das ist genau kussion im Bereich des Zivilprozesses; vielmehr bestäti- die Zahl, die wir auch erreichen. gen wir: Es gibt einen punktuellen Reformbedarf. Wir ha- ben dazu Vorschläge gemacht. Sie können nicht einfach (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Peinlich!) einzelne Punkte herausgreifen und sie kritisieren. Sie Ich komme sofort zum Schluss. Ich bin der letzte Red- müssen vielmehr die Konzepte miteinander vergleichen. ner heute Nachmittag. Ich stelle noch einmal fest, dass Sie für Ihr Konzept (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das weiß er kein Argument vorgetragen haben. Das ist bezeichnend. noch nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) – Herr Repnik, lassen Sie das. Wir werden daher den mit unserem Reformgesetz ein- Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort zu geschlagenen Weg der Modernisierung der ordentlichen einer weiteren Kurzintervention der Kollegin Herta Gerichtsbarkeit fortsetzen: Im ersten Schritt geht es um Däubler-Gmelin. die Zivilgerichtsbarkeit, dann um die Strafprozessord- nung und schließlich um die freiwillige Gerichtsbarkeit. Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Herr Präsident! Machen Sie mit bei diesem Vorhaben; denn es gilt der Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin vorher Satz, den der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, persönlich angesprochen worden. Herr Röttgen, hätten Rainer Voss, gesagt hat: Sie vorhin in Ihrer Rede deutlich gemacht, wo Sie tatsäch- Es müssen vor allem der Wille und die Kraft vor- lich Reformbedarf sehen, dann wären wir weiter. Mein (B) handen sein, aus dem bestehenden System auszubre- Kollege hat Ihnen die Äußerungen von Herrn Eylmann, (D) chen, anstatt an diesem ständig herumzuflicken. Herrn Scholz und von Herrn Schmidt-Jortzig und Zitate aus Ihrem eigenen Gesetzentwurf vorgehalten, in dem in Seien Sie sicher: Rot-Grün, diese Reformkoalition, hat der Tat all das steht, was Sie uns vorwerfen. Sie sagen diesen Willen und diese Kraft. jetzt, es gebe punktuellen Reformbedarf. Ich schlage Ih- Schönen Dank. nen vor: Lesen Sie im Stenographischen Bericht nach, was ich heute gesagt habe. Dann werden Sie feststellen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass ich Sie auch heute wieder zu einer sachlichen Dis- DIE GRÜNEN) kussion eingeladen habe. Tun Sie eines nicht: Starten Sie keinen Wettlauf um die Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle- Rücknahme von Modernisierungen, nur weil Sie meinen, gen Röttgen das Wort zu einer Kurzintervention. dass Sie damit bei einigen Interessengruppen gut ankom- men könnten. Das wäre das Schlechteste für die deutsche Norbert Röttgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Justiz. Wir können uns in der Sache gerne streiten, aber Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass Sie die Replik nur, wenn wir von Ihnen Argumente hören. nicht gerne hören wollen. Aber ich möchte noch etwas sa- gen, weil ich persönlich angesprochen worden bin. Präsident Wolfgang Thierse: Herr Kollege Stünker, Ich stelle erstens, lieber Herr Stünker, fest: Ihre Rede Sie haben das letzte Wort. war eine argumentationsfreie Zone. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Joachim Stünker (SPD): Herr Kollege Röttgen, ich Abgeordneten der F.D.P.) habe Sie in den Auseinandersetzungen im Rechtsaus- schuss eigentlich sehr schätzen gelernt. Nur, jetzt argu- Sie haben wirklich nicht ein einziges Argument für diese mentieren Sie unseriös und unredlich. Sie sollten einmal Reform gebracht. Das finde ich bemerkenswert. Offenbar die Argumentationskette nachlesen, die ich für die SPD- fällt Ihnen keines ein. Fraktion anlässlich der Einbringung unseres Fraktions- entwurfs am 7. Juli im Deutschen Bundestag dargestellt Zweitens – das sage ich ganz sicher auch im Namen der und begründet habe. Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion –: Es bestreitet niemand, dass es Reformbedarf im Bereich des Ich habe mich heute bewusst mit Ihrer Argumentation Zivilprozesses gibt. Wir sagen nur: Dieser Reformbedarf auseinander gesetzt, weil sie, wie gesagt, unredlich ist, 13532 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Joachim Stünker (A) Herr Röttgen. In Ihrem Entwurf nennen Sie die Grenze Präsident Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aus- (C) von 60 000 DM. Dann sagen Sie: Erst bei einem Streit- sprache. wert, der darüber liegt, fängt der Rechtsschutz an. Wenn Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- Sie das verteidigen, dann reden Sie hier pro domo, quasi fes auf Drucksache 14/4722 an den in der Tagesordnung als OLG-Anwalt, um es einmal ganz deutlich zu sagen, aufgeführten Ausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu an- Herr Röttgen. Sie wissen, was ich damit sagen will. derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich bin für eine redliche, sachliche und faire Diskus- sion über die Einzelpunkte. Deswegen sage ich: Lassen Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung. Sie uns diese Diskussion führen! Bereits in der nächsten Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- Woche gibt es eine Anhörung. Wir können dann Anfang tages auf Mittwoch, den 6. Dezember 2000, 13 Uhr, ein. des neuen Jahres weiterdiskutieren, in der Sache und zum Wohle der Justiz und nicht zum Wohle einzelner Interes- Ich wünsche Ihnen allen ein freundliches Wochenende. sengruppen. Die Sitzung ist geschlossen. (Beifall bei der SPD) (Schluss: 15.01 Uhr) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13533

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Balt, Monika PDS 01.12.2000 Schily, Otto SPD 01.12.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 01.12.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 01.12.2000 Joseph-Theodor Hans Peter Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 01.12.2000 von Schmude, Michael CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 01.12.2000 Andreas Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 01.12.2000 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 01.12.2000 Klaus Schultz (Everswinkel), SPD 01.12.2000 Bulling-Schröter, Eva PDS 01.12.2000 Reinhard Burchardt, Ursula SPD 01.12.2000 Simm, Erika SPD 01.12.2000 Caesar, Cajus CDU/CSU 01.12.2000 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 01.12.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Stadler, Max F.D.P. 01.12.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 01.12.2000 Dr. Freiherr von CDU/CSU 01.12.2000 Friedrich (Bayreuth), F.D.P. 01.12.2000 Stetten, Wolfgang Horst Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 01.12.2000 Gehrcke, Wolfgang PDS 01.12.2000 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 01.12.2000 Wiese (Hannover), SPD 01.12.2000 Girisch, Georg CDU/CSU 01.12.2000 (B) Heino (D) Dr. Grehn, Klaus PDS 01.12.2000 Wissmann, Matthias CDU/CSU 01.12.2000 Haack (Extertal), SPD 01.12.2000 Karl-Hermann Wohlleben, Verena SPD 01.12.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 01.12.2000 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 01.12.2000 Margareta DIE GRÜNEN Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 01.12.2000 Wülfing, Elke CDU/CSU 01.12.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 01.12.2000 DIE GRÜNEN Anlage 2 Hiksch, Uwe PDS 01.12.2000 Homburger, Birgit F.D.P. 01.12.2000 Erklärung Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 01.12.2000 der Abgeordneten Heidi Knake-Werner (PDS) Kelber, Ulrich SPD 01.12.2000 zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Kolbow, Walter SPD 01.12.2000 Fraktion der F.D.P. zu der zweiten Beratung des Lehn, Waltraud SPD 01.12.2000 Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 (Druck- sache 14/4829) und zur Abstimmung über den Louven, Julius CDU/CSU 01.12.2000 Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Müller (Berlin), PDS 01.12.2000 Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr Manfred 2001 (Drucksachen 14/4522 und 14/4523) Ostrowski, Christine PDS 01.12.2000 Für die PDS-Fraktion erkläre ich, dass wir irrtümlich Pau, Petra PDS 01.12.2000 bei der Abstimmung zum Haushaltsgesetz 2001 Pieper, Cornelia F.D.P. 01.12.2000 (Drucksache 14/4522 und 14/4523) sowie zum Rauen, Peter CDU/CSU 01.12.2000 Änderungsantrag der FDP § 25 Abs. 2 Satz 1 HHG mit Reiche, Katherina CDU/CSU 01.12.2000 Enthaltung gestimmt haben. Rühe, Volker CDU/CSU 01.12.2000 Das Votum der PDS-Fraktion lautet bei beiden Abstim- Schenk, Christina PDS 01.12.2000 mungen Nein. 13534 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

(A) Anlage 3 Drucksache 14/4170 Nr. 2.66 (C) Drucksache 14/4170 Nr. 2.67 Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben Drucksache 14/4170 Nr. 2.68 vom 30. November 2000 Drucksache 14/4170 Nr. 2.75 – den Antrag „Energiepreiserhöhung zurück- Drucksache 14/4170 Nr. 2.77 nehmen, Energiebesteuerung in Europa har- Drucksache 14/4170 Nr. 2.80 monisieren“ – Drucksache 14/293 –, Drucksache 14/4170 Nr. 2.85 Drucksache 14/4170 Nr. 2.88 – den Antrag „Rücknahme des „Steuerentlas- Drucksache 14/4170 Nr. 2.89 tungsgesetzes 1999/2000/2002“ des „Gesetzes Drucksache 14/4170 Nr. 2.92 zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ Drucksache 14/4309 Nr. 1.1 sowie des „Gesetzes zur Neuregelung der Drucksache 14/4309 Nr. 1.10 geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“ – Drucksache 14/4309 Nr. 1.11 Drucksache 14/536 – und Drucksache 14/4309 Nr. 1.12 Drucksache 14/4309 Nr. 1.23 – den Antrag „Diskriminierung von ‚Frauen bei- Drucksache 14/4309 Nr. 1.34 den Olympischen Spielen in Sydney 2000“ – Drucksache 14/4309 Nr. 1.35 Drucksache 14/2240 – Drucksache 14/4309 Nr. 1.43 zurückgezogen. Drucksache 14/4309 Nr. 1.47 Drucksache 14/4309 Nr. 1.48

Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- Drucksache 14/671 Nr. 2.32 ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung Drucksache 14/1708 Nr. 2.1 abgesehen hat. Drucksache 14/1708 Nr. 2.2 Drucksache 14/1708 Nr. 2.4 Drucksache 14/1708 Nr. 2.10 Innenausschuss Drucksache 14/1708 Nr. 2.14 Drucksache 14/3428 Nr. 1.7 Drucksache 14/1778 Nr. 2.1 Drucksache 14/1778 Nr. 2.8 Finanzausschuss Drucksache 14/1778 Nr. 2.9 Drucksache 14/4170 Nr. 2.44 Drucksache 14/2747 Nr. 2.16 (B) Drucksache 14/4170 Nr. 2.49 Drucksache 14/2747 Nr. 2.41 (D) Drucksache 14/4170 Nr. 2.72 Drucksache 14/2747 Nr. 2.42 Drucksache 14/4170 Nr. 2.79 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 14/4170 Nr. 2.87 Drucksache 14/4309 Nr. 1.15 Drucksache 14/3050 Nr. 2.25 Drucksache 14/4309 Nr. 1.31 Drucksache 14/3341 Nr. 2.28 Drucksache 14/3341 Nr. 2.38 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/2952 Nr. 2.8 Drucksache 14/2952 Nr. 2.14 Drucksache 14/4309 Nr. 1.30 Drucksache 14/2952 Nr. 2.16 Drucksache 14/4441 Nr. 1.5 Drucksache 14/2952 Nr. 2.17 Drucksache 14/4441 Nr. 1.18 Drucksache 14/2952 Nr. 2.19 Drucksache 14/2952 Nr. 2.27 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/2952 Nr. 2.31 Drucksache 14/3859 Nr. 1.1 Drucksache 14/2952 Nr. 2.32 Drucksache 14/3859 Nr. 2.1 Drucksache 14/2952 Nr. 2.33 Drucksache 14/3859 Nr. 2.9 Drucksache 14/2952 Nr. 2.34 Drucksache 14/3859 Nr. 2.12 Drucksache 14/3050 Nr. 2.28 Drucksache 14/4170 Nr. 2.59 Drucksache 14/3050 Nr. 2.29 Drucksache 14/4170 Nr. 2.62 Drucksache 14/3050 Nr. 2.30 Drucksache 14/3050 Nr. 2.31 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/3723 Nr. 2.4 Drucksache 14/4170 Nr. 1.14 Drucksache 14/4170 Nr. 1.2 Drucksache 14/4170 Nr. 2.13 Drucksache 14/4170 Nr. 2.2 Drucksache 14/4170 Nr. 2.15 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 14/4170 Nr. 2.32 Drucksache 14/4170 Nr. 2.43 Drucksache 14/3576 Nr. 1.4 Drucksache 14/4170 Nr. 2.46 Drucksache 14/3576 Nr. 1.5 Drucksache 14/4170 Nr. 2.56 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4170 Nr. 2.61 Drucksache 14/4170 Nr. 2.63 Drucksache 14/4441 Nr. 1.8 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13535

(A) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3409 Nr. 1.46 (C) Drucksache 14/4441 Nr. 1.24 Drucksache 14/3428 Nr. 2.17 Drucksache 14/4170 Nr. 1.7 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/4309 Nr. 1.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.65 Drucksache 14/4309 Nr. 1.27 Drucksache 14/4309 Nr. 1.39 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28 / 3 82 08 40, Telefax: 02 28 / 3 82 08 44 ISSN 0722-7980