Plenarprotokoll 14/171

Deutscher

Stenographischer Bericht

171. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Inhalt:

Zusatztagesordnungspunkt 13: Fraktion der CDU/CSU: EU-Richtlini- envorschlag zur Gewährung vorüber- Erste Beratung des von den Abgeordneten gehenden Schutzes im Falle eines Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, Massenzustroms überarbeiten weiteren Abgeordneten und der Fraktion (Drucksache 14/5754) ...... 16734 A der SPD sowie den Abgeordneten (Köln), Grietje Bettin, weiteren Ab- in Verbindung mit geordneten und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- Zusatztagesordnungspunkt 8: rung des Schuldrechts (Drucksache 14/6040) ...... 16719 A Antrag der Abgeordneten , Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Fraktion der PDS: EU-Richtlinienvor- BMJ ...... 16719 B schlag zu Mindeststandards in Asylver- CDU/CSU ...... 16721 B fahren ist ein wichtiger Schritt für einen wirksamen Flüchtlingsschutz in Europa Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Drucksache 14/6050) ...... 16734 B NEN ...... 16723 C (Recklinghausen) F.D.P...... 16725 C CDU/CSU ...... 16734 C Dr. Evelyn Kenzler PDS ...... 16727 C , Bundesminister BMI ...... 16735 D Dirk Manzewski SPD ...... 16728 B Dr. F.D.P...... 16738 C Dr. Andreas Birkmann, Minister (Thüringen) 16730 B Ulla Jelpke PDS ...... 16739 B Alfred Hartenbach SPD ...... 16732 A () BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 16740 B Ulla Jelpke PDS ...... 16742 A Tagesordnungspunkt 15: Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ...... 16742 D a) Antrag der Abgeordneten , Erwin Marschewski (Reck- Rüdiger Veit SPD ...... 16744 D linghausen), weiterer Abgeordneter und Erwin Marschewski (Recklinghausen) der Fraktion der CDU/CSU: EU-Richt- CDU/CSU ...... 16745 A linienvorschlag zu Mindestnormen in Asylverfahren überarbeiten (Drucksache 14/5759) ...... 16734 A Tagesordnungspunkt 16: b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang a) Antrag der Abgeordneten Jella Teuchner, Bosbach, Erwin Marschewski (Reckling- Matthias Weisheit, weiterer Abgeordne- hausen), weiterer Abgeordneter und der ter und der Fraktion der SPD sowie der II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. , Freitag, den 18. Mai 2001

Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE Lemke, weiterer Abgeordneter und der GRÜNEN ...... 16765 C Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Vorsorgende Verbraucher- Günter Nooke CDU/CSU ...... 16766 B politik gestalten und stärken Jürgen Türk F.D.P...... 16767 B (Drucksache 14/6067) ...... 16746 C (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE b) Antrag der Fraktion der CDU/CSU: GRÜNEN ...... 16768 A Verbraucherschutz auf nationaler und EU-Ebene fortentwickeln Günter Nooke CDU/CSU ...... 16768 D (Drucksache 14/6039) ...... 16746 D , Staatsminister BK ...... 16769 C in Verbindung mit PDS ...... 16770 C

Zusatztagesordnungspunkt 9: Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, a) Zweite und dritte Beratung des von der Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter Bundesregierung eingebrachten Entwurfs und der Fraktion der F.D.P.: Acht Maß- eines Zweiten Gesetzes zur Änderung nahmen für eine umfassende und eigen- und Ergänzung des Anspruchs- und ständige Verbraucherpolitik Anwartschaftsüberführungsgesetzes (Drucksache 14/6053) ...... 16747 A (2. AAÜG-Änderungsgesetz) Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 16747 B (Drucksache 14/5640, 14/6063, 14/6073) 16771 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 16748 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- Jella Teuchner SPD ...... 16750 B ordnung Gudrun Kopp F.D.P...... 16751 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Kersten Naumann PDS ...... 16753 A , , wei- Ilse Janz SPD ...... 16754 A terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Einheitliches Ver- Albert Deß CDU/CSU ...... 16755 C sorgungsrecht für die Eisenbahner Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16757 A herstellen Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ...... 16758 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Monika Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ...... 16759 A Balt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Regelung von An- Heinz Schmitt (Berg) SPD ...... 16760 B sprüchen und Anwartschaften aus den Systemen der Altersversor- gung der Deutschen Reichsbahn Tagesordnungspunkt 17: und der Deutschen Post der DDR a) Zweite und dritte Beratung des von den – zu dem Antrag der Abgeordneten Abgeordneten Günter Nooke, Ulrich Monika Balt, Petra Bläss, weiterer Adam, weiteren Abgeordneten und der Abgeordneter und der Fraktion der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten PDS: Anerkennung von renten- Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Be- rechtlichen Zeiten von Selbststän- reinigung von SED-Unrecht (Drittes digen und deren mithelfenden Fa- SED-Unrechtsbereinigungsgesetz) milienangehörigen in Land- und (Drucksachen 14/3665, 14/6064, Forstwirtschaft und im Hand- 14/6065) ...... 16761 C werk der DDR b) Beschlussempfehlung und Bericht des – zu dem Antrag der Abgeordneten Ausschusses für Angelegenheiten der Monika Balt, Petra Bläss, weiterer neuen Länder zu dem Antrag der Frak- Abgeordneter und der Fraktion der tion der PDS: Erleichterte und erwei- PDS: Anerkennung der Renten- terte Rehabilitierung und Entschädi- versicherungszeiten von Blinden- gung für Opfer der politischen und Sonderpflegegeldempfänge- Verfolgung in der DDR rinnen und Sonderpflegegeldemp- (Drucksachen 14/2928, 14/6062) . . . . 16761 D fängern der DDR Barbara Wittig SPD ...... 16762 A (Drucksachen 14/2522, 14/2729, 14/4038, Günter Nooke CDU/CSU ...... 16763 C 14/4041, 14/6063) ...... 16771 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 III

Erika Lotz SPD ...... 16772 A Zusatztagesordnungspunkt 10: Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 16772 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. , weite- Claudia Nolte CDU/CSU ...... 16774 A ren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16776 A zes zur Absicherung der verfassten Stu- Dr. F.D.P...... 16776 C dierendenschaft (Drucksache 14/5760) ...... 16788 C Monika Balt PDS ...... 16777 C Maritta Böttcher PDS ...... 16788 D

Tagesordnungspunkt 21: Tagesordnungspunkt 24: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Erste Beratung des von den Fraktionen der Ausschusses für Umwelt, Naturschutz SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE und Reaktorsicherheit zu der Verord- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines nung der Bundesregierung: Zweite Gesetzes zur Verbesserung des Hin- Verordnung zur Änderung der Ver- terbliebenenrentenrechts packungsverordnung (Drucksache 14/6043) ...... 16789 D (Drucksachen 14/5941, 14/6019 Nr. 2.2, 14/6072) ...... 16779 B in Verbindung mit b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz Zusatztagesordnungspunkt 11: und Reaktorsicherheit zu dem Antrag Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, der Abgeordneten Birgit Homburger, , weiterer Abgeordneter und Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU: Unzumutbare und der Fraktion der F.D.P.: Novellie- Belastungen in der Hinterbliebenensiche- rung der Verpackungsverordnung rung zurücknehmen und Flexibilisierung der Mehrweg- (Drucksache 14/6042) ...... 16789 D quote (Drucksachen 14/3814, 14/5301) . . . . 16779 B Tagesordnungspunkt 25: SPD ...... 16779 C Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Werner Wittlich CDU/CSU ...... 16782 A desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Eindämmung illegaler Betäti- Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 16784 A gung im Baugewerbe Birgit Homburger F.D.P...... 16785 C (Drucksachen 14/4658, 14/6071) ...... 16790 A

Eva Bulling-Schröter PDS ...... 16786 C Nächste Sitzung ...... 16790 C

Tagesordnungspunkt 19 Anlage 1 Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16791 A Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Für eine wirk- same und vernunftgeleitete Chemikalien- Anlage 2 gesetzgebung Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten (Drucksache 14/5761) ...... 16787 C Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des An- Tagesordnungspunkt 22: spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes Zweite und dritte Beratung des von der Bun- (2. AAÜG- Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 18 a) ...... 16792 B desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung eines register- gestützten Zensus (Zensusvorbereitungs- Anlage 3 gesetz) (Drucksachen 14/5736, 14/6068, 14/6069) 16787 C Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) zur Abstimmung Petra Pau PDS ...... 16788 A über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anlage 8 Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG- Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesord- nungspunkt 18 a) ...... 16792 C Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung der verfassten Studierendenschaft (Zusatztages- ordnungspunkt 10) ...... 16802 B Anlage 4 Dr. Peter Eckardt SPD ...... 16802 B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten CDU/CSU ...... 16803 C Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Zweite Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Verordnung zur Änderung der Verpackungs- NEN ...... 16804 C verordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) . . . . . 16793 C Ulrike Flach F.D.P...... 16805 A

Anlage 5 Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: (Hildesheim), René Röspel, , Heino Wiese (Hannover) – des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- und (alle SPD) zur Abstim- rung des Hinterbliebenenrentenrechts mung über die Beschlussempfehlung: Zweite – des Antrags: Unzumutbare Belastungen in Verordnung zur Änderung der Verpackungs- der Hinterbliebenenversicherung zurück- ordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) ...... 16794 B nehmen (Tagesordnungspunkt 24 und Zusatztagesord- Anlage 6 nungspunkt 11) ...... 16805 C Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Erika Lotz SPD ...... 16805 C Antrags: Für eine wirksame und vernunftgelei- Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...... 16807 A tete Chemikaliengesetzgebung (Tagesordnungs- punkt 19) ...... 16794 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 16808 B Dr. Carola Reimann SPD ...... 16794 D Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P...... 16809 A Dr. Paul Laufs CDU/CSU ...... 16795 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS ...... 16809 C BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ...... 16796 D Birgit Homburger F.D.P...... 16797 B Anlage 10 Eva Bulling-Schröter PDS ...... 16798 A Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung ille- galer Betätigung im Baugewerbe (Tagesord- Anlage 7 nungspunkt 25) ...... 16810 A Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Dieter Grasedieck SPD ...... 16810 A Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung ei- Elke Wülfing CDU/CSU ...... 16810 C nes registergestützten Zensus (Zensusvorberei- tungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) ...... 16798 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16811 D Barbara Wittig SPD ...... 16798 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P...... 16812 C CDU/CSU ...... 16799 B Heidemarie Ehlert PDS ...... 16813 A Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16800 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P...... 16800 D Anlage 11 Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 16801 C Amtliche Mitteilungen ...... 16813 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16719

(A) (C)

171. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : Guten machen und indem wir es europäisch und zugleich inter- Morgen, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist national kompatibel gestalten. eröffnet. Besonders ist dieses Vorhaben aber auch wegen seines Ich rufe den gestern Morgen aufgesetzten Zusatz- Hintergrundes. Jeder von uns weiß, dass gerade das deut- punkt 13 auf: sche Schuldrecht seit mehreren Jahrzehnten als moderni- sierungsbedürftig gilt. Seit dem Ende der 70er-Jahre hat Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred man in einem ersten Ansatz, später auch durch eine Hartenbach, Hermann Bachmaier, Bernhard Schuldrechtskommission versucht, zu vernünftigen Er- Brinkmann (Hildesheim), weiteren Abgeordneten gebnissen zu kommen. Diese wurde in den 80er-Jahren und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten eingesetzt. Sie hat 1991 ihren Bericht vorgelegt, einen Be- Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, Irmingard richt, der nicht nur von der damaligen Regierung – seiner- Schewe-Gerigk, weiteren Abgeordneten und der zeit war Herr Dr. Kinkel Justizminister – sehr gut aufge- Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (B) nommen wurde, sondern der auch vom Deutschen (D) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Mo- Juristentag im Jahr 1994 begrüßt wurde. dernisierung des Schuldrechts – Drucksache 14/6040 – Dieser Bericht wurde allerdings nicht in eine gesetzli- che Änderung umgearbeitet, wahrscheinlich weil es zum Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) einen Schwierigkeiten mit dem einen oder anderen Wirt- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie schaftsverband gab und weil zum anderen damals abseh- Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und bar war, dass in zentralen Punkten beispielsweise bei der Landwirtschaft Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf Arbeiten auf Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen europäischer Ebene stattfinden sollten. Die Beendigung dieser Arbeiten wollte man abwarten. Das halte ich für ei- Wie gestern beschlossen, beträgt die Dauer der Aus- nen vernünftigen Grund. Die genannte Richtlinie liegt sprache eine Stunde. jetzt vor. Ich eröffne die Aussprache. Da uns völlig klar war, dass die integrierte Umsetzung Als erste Rednerin spricht für die Bundesregierung die große Anforderungen stellen würde, habe ich bereits 1999 Bundesministerin Professor Dr. Herta Däubler-Gmelin. mit den Justizverwaltungen der Länder Kontakt aufge- nommen. Mit den Justizministern und deren Vorgängern habe ich, lieber Herr Kollege Birkmann, dieses Verfah- Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der ren – schicksalsbedingt – abgesprochen und überlegt, wie Justiz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die integrierten Regelungen zum Beispiel der Verbrauchs- Wir beginnen heute mit den parlamentarischen Beratun- güterkauf-Richtlinie, der Zahlungsverzugsrichtlinie und gen zu dem wirklich besonderen Vorhaben, drei bzw. die vertragsrechtlichen Bestimmungen der E-Commerce- zweieinhalb europäische Richtlinien umzusetzen. Das Richtlinie am vernünftigsten gemeinsam umzusetzen klingt zunächst einmal harmlos; das tun wir schließlich seien. häufiger. Die Besonderheit liegt aber darin, dass eine die- ser Richtlinien ganz zentral in unser deutsches Schuld- Wie häufig im Leben gibt es zwei grundsätzlich unter- recht eingreift. Wir setzen diese Richtlinien um, indem schiedliche Wege zur Umsetzung: Zum einen gibt es die wir unser Schuldrecht modernisieren, indem wir es für die 1:1-Umsetzung, von der ich höre, dass sich die Opposi- Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und für die tion für sie entschieden habe, wahrscheinlich schon des- Richterinnen und Richter sehr viel leichter anwendbar wegen, weil sie weiß, dass wir den anderen Weg wählen. 16720 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) Betrachten wir aber einmal diese 1:1-Umsetzung. Was Deswegen haben wir diesen falschen und kurzsichtigen (C) würde sie uns bringen? Sie würde, was die zeitliche Dimen- Weg nicht gewählt, abgesehen davon, dass uns natürlich sion angeht, gar nichts ändern, weil uns die EU aufgegeben die Wissenschaftler, die Anwender in der Praxis und mög- hat, diese wichtige Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie bis licherweise auch die Kolleginnen und Kollegen von der Ende dieses Jahres umzusetzen. Wir können diese Richtli- Union genau diesen Weg um die Ohren gehauen hätten, nie nicht später umsetzen, wenn wir vermeiden wollen, wenn wir ihn gewählt hätten. dass die Bundesrepublik schadensersatzpflichtig wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Sie wissen: Das hat es unter ( [CDU/CSU]: Das hätten wir mit der früheren Regierung im Zusammenhang mit der Pau- Sicherheit gemacht!) schalreiserichtlinie schon gegeben. Wir haben uns deshalb in Absprache mit Fachleuten (Alfred Hartenbach [SPD]: Sehr wahr!) aus der Wissenschaft, der Praxis und den Ländern für den integrierten Weg entschieden, der diese ganzen Nach- Das war nicht nur blamabel, sondern auch teuer. teile zwar vermeidet, aber von uns – das ist gar keine (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frage – eine Menge verlangt, ebenso wie von den Län- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dern, die seit Dezember letzten Jahres in Bund-Länder- Kommissionen mitarbeiten, wofür ich mich herzlich be- Aber die 1:1-Umsetzung würde bedeuten, dass die danke. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Wirtschaft und alle, die mit Gesetzen zu tun haben, er- Wissenschaftler erwähnen, die in einem Ausmaß mit- heblichen Änderungsbedarf hätten. Dies würde zudem arbeiten, das besonders gewürdigt werden soll. sehr hohe Umstellungskosten, aber auch Schwierigkei- ten in der Praxis bei den Wirtschaftsverbänden und Wir wählen den Weg der integrierten Umsetzung und Rechtsanwendern mit sich bringen. Das heißt, die ganzen gleichzeitig auch der Modernisierung. Wir haben – das Transaktionsprobleme und -kosten hätten wir bei der will ich nochmals mit Dankbarkeit erwähnen – nicht nur 1:1-Umstellung in ähnlichem Umfang wie bei einer inte- die Creme der deutschen Zivilrechtswissenschaft auf un- grierten Lösung. serer Seite, angefangen von Canaris über Medicus bis hin Es gibt noch ganz andere Nachteile. Wir hätten nicht zu Heldrich, sondern von den insgesamt etwa 600 Wis- nur einen erheblichen Aufwand, sondern zusätzlich noch senschaftlern – einige sind immer außen vor – die abso- eine Rechtszersplitterung in mehreren Bereichen, nämlich lute Mehrheit, etwa drei Viertel der Wissenschaftler. im Verbraucherrecht und im Verbraucherschutzrecht, die Lassen Sie mich an dieser Stelle ausdrücklich festhal- wir dann in den kommenden Jahren beheben müssten. Wir ten, dass wir mit Sicherheit auch die sachlichen Argu- hätten in diesem Fall die Umstellungsprozesse und Trans- mente derjenigen berücksichtigen werden – wenn sie aktionskosten mehrfach. Auch das war einer der Gründe, denn welche bringen –, (B) warum man in den Jahren 1991 bis 1994 entschieden hat, (D) dies zusammen mit der EU-Richtlinie zu machen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie bringen Wir hätten – das ist ein weiterer Nachteil – eine weitere welche!) Entwertung des Bürgerlichen Gesetzbuches, das schon die zögern oder die aus anderen Motiven meinen, sie heute die wirklich wichtigen Wirtschaftsbereiche nicht müssten jetzt in der Öffentlichkeit so tun, als sei die Zivil- mehr erfasst. Das Verbraucherkaufrecht wäre dann ein zu- rechtswissenschaft anderer Meinung; denn der gesamte sätzlicher Bereich. Das wollen wir nicht. Bei der Verab- Prozess ist außerordentlich stark auf breite Diskussion an- schiedung unserer Mietrechtsreform haben Sie gesehen, gelegt. dass wir die Absicht haben und diese auch durchsetzen, das Bürgerliche Gesetzbuch wieder zu dem zu machen, Drei wichtige Veränderungen: Erstens. Wir führen all- was es einmal war, nämlich ein Buch, in dem man nach- gemeine Verjährungsregelungen ein. Das sind aber schlagen kann, was in den wichtigsten privatrechtlichen keine neuen Ordnungsprinzipien, sondern sie orientieren und wirtschaftlichen Bereichen Recht und Verpflichtung sich an § 852 BGB und dem Rechtsgrundsatz, den wir sein soll. lange kennen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zweitens. Wir sind der Meinung, dass wir in der Tat im des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Leistungsstörungsrecht einen allgemeinen Tatbestand der Vor allem aber wäre ein weiterer Nachteil zu befürch- Pflichtverletzung einführen sollten. Auch das ist ver- ten. Wir hätten nämlich unter Umständen vier unter- nünftig. Das mag manchem, der viele elegante und diffe- schiedliche Systeme des Kaufrechts. Es gäbe also nicht renzierte Kurven hat lernen und anwenden müssen, ein nur das Kaufrecht für Verbraucher – das ist ohne Zweifel wenig zu Herzen gehen. Aber die Vorläufer dafür finden eine ganz wichtige Frage –, sondern auch den normalen wir bei der Rechtsprechung des Reichsgerichts ebenso BGB-Kauf. Wir hätten zudem den Kauf nach dem UN- wie im UN-Kaufrecht und natürlich auch in der Ver- Kaufrecht und den Handelskauf. All diese Systeme des brauchsgüterkauf-Richtlinie. Kaufrechts müssten noch an die verschiedenen Formen Drittens. Im Kaufrecht selbst haben wir neben den Än- des Kaufs angepasst werden, die wir heute haben: vom derungen beim Fehlerbegriff auch Änderungen bei den Haustürgeschäft bis hin zum E-Commerce. Dies wäre Rückgriffsregelungen und beim Nachbesserungsrecht wirklich ein Chaos für Anwender, Bürgerinnen und Bür- vorgenommen. Aber auch all das sind Dinge, die die ger, das wir nicht wollen. Rechtsprechung neben dem Gesetz längst entwickelt hat (Beifall bei der SPD) und mit denen sie sehr gut zurechtkommt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16721

Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (A) Wir sind dankbar, dass die internationalen Kommissio- – Sie sollten sich angesichts Ihres Alters durchaus zurück- (C) nen, vertreten durch Unidroit, Professor Schlechtriem als halten. deutsches Unidroit-Kommissionsmitglied, daran beteiligt Trotz zahlreicher Nebengesetze und Ergänzungen, sind. Wir sind auch dankbar, dass die Wissenschaft, die trotz der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung Wirtschaft und die Verbraucherverbände erkennen, dass blieb jedoch die dem Schuldrecht zugrunde liegende Sys- es in der Tat auch für sie eine Menge vernünftiger Ände- tematik weitgehend unverändert. Einer der Hauptgründe rungen gibt. Lassen Sie mich drei erwähnen: hierfür ist die hervorragende fachliche und intellektuelle Die Verbraucher werden als Gewährleistungsfrist nicht Arbeit der damals an der Entwicklung und Zusammen- die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten, sondern fassung des Zivilrechts in Deutschland beteiligten Juris- eine Verjährung von zwei Jahren erhalten, was sehr güns- ten. Über Jahre wurde an dem Gesetzeswerk gearbeitet. tig ist. Fachliche Überlegungen dominierten und sachliche Lösungen siegten über die meist parteipolitischen Inter- Die Handwerker und der Mittelstand kommen aus der essen. so genannten Gewährleistungsfalle heraus, die sich bisher häufig ergab. Ich schildere das an einem Beispiel, das man Das Resultat dieser Arbeit konnte und kann sich noch sich sehr plastisch vorstellen kann. Ein Handwerker baut immer sehen lassen. Das Bürgerliche Gesetzbuch und da- Fenster ein und kauft die Dichtungen für die Fenster dazu. mit das Schuldrecht sucht hinsichtlich der juristischen Die Dichtungen gehen kaputt. Dann haftet er gegenüber Qualität seinesgleichen: kurze, verständliche Paragra- seinem Kunden länger für die Dichtungen, als er an Ga- phen, eine geradezu mathematische Genauigkeit der De- rantie oder Gewährleistung von seinem Lieferanten be- finitionen, eine klare, von juristischem Sachverstand ge- kommen hat. Auch diese Gewährleistungsfalle werden prägte Struktur. Das alles soll sich nun nach dem Entwurf, wir also schließen. den wir heute hier diskutieren, ändern – ein bemerkens- werter Vorgang. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eines dazu sagen. Im letzten September haben wir den ersten Im Vergleich zu vielen heutzutage erlassenen Gesetzen Entwurf, den Diskussionsentwurf, den Ländern ebenso mit ihren Bandwurmparagraphen und ihren technischen zugestellt wie Ihnen. Ich bedanke mich nochmals für die und zum Teil unverständlichen Formulierungen ist das Bereitschaft der Länder, sehr breit mitzudiskutieren. Die BGB ein juristisches Meisterwerk, im wahrsten Sinne des Bereitschaft des Bundesministeriums der Justiz, dem Par- Wortes ein Jahrhundertwerk. Angesichts der Bemühun- lament, zum Beispiel in Berichterstattergesprächen, sehr gen der Schöpfer des BGB mutet der vorliegende Gesetz- entwurf dagegen – ich drücke mich einmal vorsichtig (B) schnell und ausreichend zur Verfügung zu stehen, möchte (D) ich an dieser Stelle ausdrücklich erklären. Ich freue mich aus – bescheiden an. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, meine Damen und mit heißer Nadel gestrickter Gesetzentwurf soll hier mit Herren. Ich glaube, es ist in der Tat ein gutes und ein be- aller Gewalt durch den Gesetzgebungsvorgang getrieben sonderes Vorhaben. werden. (Alfred Hartenbach [SPD]: Wo waren Sie denn Herzlichen Dank. in den letzten 25 Jahren, Herr Pofalla?) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Begründet wird diese Eile zunächst mit dem Ablauf der DIE GRÜNEN) Umsetzungsfristen dreier EU-Richtlinien bis Mitte nächsten Jahres. Der Gesetzentwurf hämmert nun die Präsident : Als nächster Redner Umsetzung der Richtlinien und die neun Jahre zurücklie- hat der Kollege Ronald Pofalla von der CDU/CSU-Frak- genden Ergebnisse der Schuldrechtskommission zusam- tion das Wort. men und verbindet sie mit der Aufnahme zahlreicher so- zusagen verwandter Nebengesetze in das BGB. Dann Ronald Pofalla (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe werden die Paragraphen noch schnell angeglichen und Kolleginnen und Kollegen! 101 Jahre ist das Bürgerliche fertig ist das große Reformvorhaben des Schuldrechts. Gesetzbuch Anfang dieses Jahres alt geworden. Am 1. Ja- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist uner- nuar 1900 trat es in Kraft. hört!) (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Sehr alt! – Diese Schuldrechtsreform wurde zwar seit Jahren ge- [SPD]: Wir machen es wieder fordert. Es gab aber gute Gründe für die Vorgängerbun- jung!) desregierungen, das bewährte, in seiner Klarheit und Deutlichkeit einzigartige Schuldrecht keiner kurzfristigen So alt können Sie gar nicht werden. Reform zu unterziehen. Es gibt eben kein besseres und Seit 101 Jahren gilt damit auch – in natürlich immer qualifizierteres Schuldrecht; ein solches wäre auch nur wieder veränderter und ergänzter Form – das im Bürger- über eine jahrelange Vorbereitung durch Wissenschaft lichen Gesetzbuch geregelte Schuldrecht. und Praxis zu erarbeiten. (Ludwig Stiegler [SPD]: Man sollte der Gnade (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Genau das haben des Herrn keine Grenzen setzen!) wir gemacht!) 16722 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Ronald Pofalla (A) Meine Damen und Herren von der SPD und von Bünd- damit unter Umständen die filigrane Systematik des be- (C) nis 90/Die Grünen, Reformvorhaben sind nicht so einfach stehenden Gesetzeswerkes zerstört wird? vorzubereiten, wie Sie glauben, das tun zu können. Ich will an dieser Stelle noch nicht auf die einzelnen im (Alfred Hartenbach [SPD]: Sie haben es ja in Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen eingehen, will 16 Jahren nicht geschafft! Sie waren ja unfähig, aber zumindest zu bedenken geben, dass es im Sinne der Herr Pofalla!) Sache, im Zusammenhang mit der Suche nach einem guten neuen Recht, doch konstruktiver wäre, wenn mit Natürlich gab es Gründe dafür, warum die Schuldrechts- größerer Ruhe und weniger Eile an der Reform des reform nicht schon längst durchgeführt worden ist. Schuldrechts gearbeitet werden könnte. (Alfred Hartenbach [SPD]: Weil Sie unfähig Mir stellt sich beispielsweise die Frage, warum die Ne- waren!) bengesetze, die hauptsächlich dem Verbraucherschutz Ein über 100 Jahre altes Gesetz bedarf selbstverständlich dienen, nicht in einem mit dem BGB korrespondierenden einer kritischen Überprüfung und gegebenenfalls einer eigenen Gesetz zusammengefasst werden; die neu umzu- Angleichung an veränderte gesellschaftliche, ökonomi- setzenden EU-Richtlinien könnten dabei gleich mit inte- sche und sonstige Gegebenheiten. Doch ein Gesetz kann griert werden. Über die notwendigen Änderungen des im nicht beliebig dem jeweiligen Zeitgeist angepasst werden. BGB verankerten Schuldrechts ließe sich dann in einer viel unverkrampfteren Art diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der F.D.P. – Alfred Hartenbach [SPD] [zur (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sehr gut!) CDU/CSU gewandt]: Das ist ja typisch! Beim Um es hier gleich zu Beginn der Diskussion über eine Wort „beliebig“ klatscht ihr!) Reform des Schuldrechts festzustellen: Die Union ver- – Herr Hartenbach, wenn ich Ihre Erregung sehe, nehme schließt sich keinesfalls einer Reform des Schuldrechts. ich an, dass in Ihrer Arbeitsgruppe und in Ihrem Gesetz- Wir verschließen uns allerdings einer Reform, die auf Er- entwurf einiges in Unordnung ist; sonst hätten Sie keine gebnisse hinausläuft, die qualitativ schlechter, unsyste- Veranlassung, sich so aufzuregen. matischer und ungenauer sein werden als das bestehende Recht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein Gesetz muss zwar den gesellschaftlichen Realitä- Wenn ich angesichts dieser Überlegungen an meine ten angepasst werden; aber ein Gesetzgebungsvorgang Ausgangsfrage denke, warum hier eine solche Eile bei der (B) von dieser Bedeutung muss Regelungen im Blick haben, Reform des Schuldrechts an den Tag gelegt wird, so (D) die eine dauernde Geltung beanspruchen können und drängt sich mir der Eindruck auf, dass hier ausschließlich nicht wieder in wenigen Jahren – das ist bei Ihrem Ent- parteipolitische Interessen verfolgt werden. wurf vorhersehbar – einer Änderung unterzogen werden (Widerspruch bei der SPD – Volker Beck müssen. [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Was ebenfalls wichtig ist: Es darf durch diese Volks- dem Schuldrecht gewinnt man keine Wahl, Herr vertretung kein schlechtes Recht geschaffen werden. Es Pofalla!) muss vermieden werden, dass infolge von zu großer Hast Es soll bewährtes Recht geopfert werden, damit die Re- im Gesetzgebungsverfahren Lücken entstehen oder Dinge gierungskoalition und die von ihr getragene Bundesregie- ungeregelt bleiben. Nicht umsonst haben unsere Vormüt- rung als die großen Reformer in den nächsten Wahlkampf ter und Vorväter das BGB gründlich vorbereitet, bevor es ziehen können. Frau Ministerin, Sie wollen von Ihrer ge- in Kraft getreten ist. Die vergleichsweise wenigen Lücken scheiterten ZPO-Reform ablenken. und Ungenauigkeiten beweisen dies eindrucksvoll. (Alfred Hartenbach [SPD]: Die haben wir doch Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- gestern durchgebracht! Wo waren Sie denn da?) tion, warum muss jetzt eine Gesetzesänderung übers Knie gebrochen werden, warum muss zum jetzigen Zeitpunkt – Lesen Sie doch die heute erschienenen Zeitungen! Der mit aller Macht eine Veränderung vorgenommen werden, Artikel in der heutigen Ausgabe der „FAZ“ zu Ihrer Re- obwohl das Ergebnis dieser Arbeit um Längen schlechter form, Frau Ministerin, trägt die Überschrift: „Zu- sein wird als das bestehende, geltende Recht? rechtgestutzt – Von den Plänen der Bundesjustizministe- rin zur Reform des Zivilprozesses ist nicht viel übrig“. So (Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Geis sehe auch ich es und so sieht es meine Fraktion ebenfalls. [CDU/CSU]: Das ist voraussehbar!) (Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach Es ist richtig: Die EU-Richtlinien müssen umgesetzt [SPD]: Zum Schuldrecht hat er nichts zu werden. Aber warum, um Himmels willen, sagen!) (Alfred Hartenbach [SPD]: Jetzt ruft er auch Frau Ministerin, Sie sind mit dem gestern verabschie- noch den Himmel an!) deten Gesetz an einer ganz zentralen Frage der von Ihnen muss diese Umsetzung mit der vollständigen Reform des beabsichtigten Politik gescheitert. Sie wollen durch eine Schuldrechts verbunden werden? Warum müssen auch andere umfassende Reform davon ablenken, die ungenü- die Nebengesetze in das BGB integriert werden, obwohl gend vorbereitet und in der Sache schlecht ausgeführt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16723

Ronald Pofalla (A) worden ist und bei der viele Gelegenheiten, mit den Ab- Legislaturperiode – dann natürlich unter unserer Füh- (C) geordneten des Deutschen Bundestages zu diskutieren, rung – ausgelassen worden sind. (Beifall bei Abgordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – eine grundlegende Reform des Schuldrechts vorzuneh- Joachim Stünker [SPD]: Herr Pofalla, Sie wis- men, die durchdacht und qualifiziert sein wird, sich am sen überhaupt nicht, wovon Sie reden!) Markt orientieren und in der Sache deutlich besser sein Ich verstehe deshalb Ihr Anliegen. wird als das, was diese Bundesregierung und die Koaliti- (Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: onsfraktionen jetzt vorgelegt haben. Peinlich!) Herzlichen Dank. Aber ich sage Ihnen: Das ist keine Entschuldigung dafür, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dass die Reform des Schuldrechts in dieser Art und Weise neten der F.D.P. – Dr. Michael Bürsch [SPD]: vorbereitet worden ist. Sie haben keine Vorchläge vorgelegt! – Alfred Die Bundesregierung hat, wenn ich mich richtig erin- Hartenbach [SPD]: Der rheinische Karneval nere, auf ihrer vorletzten Kabinettssitzung einen Gesetz- kommt erst im nächsten Jahr!) entwurf beschlossen, der mit dem jetzt vorliegenden wort- gleich ist. Ich sage denjenigen, die heute zuhören, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Folgendes, damit sie Bescheid wissen: Die Bundesregie- nächster Redner hat das Wort der Kollege Volker Beck rung hätte ihren Gesetzentwurf heute nicht zur Beratung von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. in den Deutschen Bundestag einbringen können; denn er ist zustimmungspflichtig und der Bundesrat hätte an den (Zuruf von der CDU/CSU: Der große Meister Beratungen beteiligt werden müssen. Das wollte die Bun- der Jurisprudenz!) desregierung nicht. Deshalb haben die Koalitionsfraktio- nen den Gesetzentwurf der Bundesregierung wortgleich Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): übernommen, um wochenlange Diskussionen mit dem Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was die Bundesrat und weitere Vorbereitungen abzublocken und Kollegen von der Union in den rechtspolitischen Debat- so bereits heute eine Diskussion über den Gesetzentwurf ten aufführen, ist mittlerweile kabarettreif. Gestern zu ermöglichen. musste Herr Geis einen Eiertanz aufführen, als er entdeckt (Alfred Hartenbach [SPD]: Die Ökosteuer hat, dass sein eigener Gesetzentwurf nichts taugt und er haben Sie vergessen!) ihn deshalb zurückziehen muss. (B) (D) Das ist ein Vorgehen, das für sich selber spricht und das (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ach ja?) wir entschieden ablehnen. Auf einmal standen Sie, Herr Geis, bei der Justizreform (Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Geis ohne Hemd und ohne Konzept da. Wir haben unsere Jus- [CDU/CSU]: Das ist die volle Wahrheit!) tizreform durchgesetzt. Sie wird sich bewähren. Ihrem parteipolitischen Eifer um jeden Preis ist jetzt (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- schon die Reform der Rente, des Betriebsverfassungsge- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) setzes, gestern die der Zivilprozessordnung und vor eini- Nun haben Sie heute, Herr Pofalla, einen ganz beson- gen Wochen des Mietrechts deren Sündenfall der Koalition festgestellt, den ich auch (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- frei bekenne. In der Tat: Die Koalitionsfraktionen haben NEN]: Das haben Sie nie gemacht? Das kennen einen Gesetzentwurf eingebracht und das Kabinett hat Sie von früher überhaupt nicht? Ein völlig den gleichen beschlossen. Der Bundesrat wird jetzt seine neues Verfahren? Erstaunlich!) Stellungnahme abgeben können und dann werden wir bei- des gemeinsam in die Ausschussberatungen einbeziehen. – ich weiß, dass Sie es nicht gerne hören – zum Opfer ge- Dieses Verfahren haben Sie in der letzten Wahlperiode fallen. In der Sache sind Lösungen gefunden worden, die wahrscheinlich mindestens 20-mal selber gewählt; aber Sie selber schon in wenigen Monaten und Jahren korri- wenn wir das machen, ist das natürlich ein besonderes De- gieren müssen; denn die Reformen sind nicht ausgereift. likt und verdient fast schon eine strafrechtliche Würdi- (Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Geis gung. [CDU/CSU]: Dann sind sie nicht mehr an der (Alfred Hartenbach [SPD]: Acht Jahre Regie- Regierung! – Alfred Hartenbach [SPD]: Soll ich rungshoheit!) Ihnen ein Taschentuch für Ihre Tränen geben?) Das ist wirklich Unsinn! Wir sollten vermeiden, dass wieder einmal ein halb ga- res Gesetz dieses Haus verlässt. Wir sollten alles daran Wenn wir frühzeitig etwas einbringen, damit sich auch setzen, die Teile aus dem Gesetzentwurf herauszuneh- das Parlament rechtzeitig damit befassen kann, dann men, die jetzt umgesetzt werden müssen. Das betrifft im wahrt dies doch gerade die Rechte der Opposition, weil Kern die Teile, mit denen die drei EU-Richtlinien in na- wir nicht im stillen Kämmerlein und in der Koalition be- tionales Recht umgesetzt werden sollen. Ich biete Ihnen raten, sondern eine Anhörung im Rechtsausschuss durch- für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion an, in der nächsten führen und Berichterstattergespräche führen, sodass wir 16724 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Volker Beck (Köln) (A) hinreichend Zeit haben, die fachlichen Einwände und Vor- eine Sache mangelhaft und ist der Fehler nicht im Bereich (C) schläge von Ihrer Seite und von den Sachverständigen zu des Letztverkäufers entstanden, so ist es nur gerecht, prüfen und eine vernünftige Reformdiskussion zu führen. wenn der Einzelhandel hier entsprechend gestärkt wird. Ich freue mich darüber, dass unter anderem auch wegen Dass wir einerseits diese Reform hinbekommen und dieser Regelung die Reform seitens des ZDH uneinge- andererseits aber auch den Sachverstand und die Diskus- schränkte Zustimmung erfährt. sion in der Gesellschaft und in den Fachkreisen umfas- send einbeziehen, das verunsichert Sie ja so. Dass das (Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Angst macht, verstehe ich, weil diese Koalition bei den So ist es!) Reformen durchaus etwas eifrig ist. Das liegt einfach da- Ob zwei oder drei Jahre Garantie: Es kommt zu einer ran, dass wir einen riesigen Reformstau vorgefunden ha- deutlichen Verbesserung des Verbraucherschutzes. ben, den wir abarbeiten müssen. Wir Bündnisgrünen haben im Verlauf der Beratungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entscheidend dazu beigetragen, dass die so verbesserte und bei der SPD) Rechtstellung des Käufers an anderer Stelle des Entwurfs Mit der Reform des Schuldrechts entrümpeln wir unser nicht wieder ausgehöhlt wird: Ich meine die noch im Dis- angestaubtes Bürgerliches Gesetzbuch und bringen es kussionsentwurf vorgesehene Pflicht, den Mangel einer wieder auf Hochglanz. Wir gleichen das BGB internatio- Ware innerhalb von zwei Monaten zu rügen. Mit solch ei- nalen Standards an und machen es für die Rechtsanwen- ner Regelung wäre die Ausdehnung der Garantiezeit quasi der, also für die Bürgerinnen und Bürger in unserem leer gelaufen. Ich freue mich deshalb, dass diese Pflicht Lande, verständlicher. jetzt vom Tisch ist. Diese Modernisierung ist auch zu Recht umfassend; Der Entwurf macht auch Schluss mit dem Ver- denn die Umsetzung der EU-Richtlinien allein hätte jährungsfristen-Wirrwarr im BGB. Für uns ist eine Re- eine unerträgliche Rechtszersplitterung zur Folge gehabt. gelverjährungsfrist von drei Jahren akzeptabel und für Die Modernisierung des Schuldrechts verhilft dem BGB den Bürger ist das eine große Hilfe bei der Rechtsanwen- wieder zu der herausragenden Bedeutung, die es ur- dung. Auch hier hat meine Fraktion auf eine maßgebliche sprünglich einmal besaß. Änderung im Vergleich zum Diskussionsentwurf ge- drängt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Ver- Mit der Integration wichtiger Gesetze wie des Ver- jährung erst mit Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Un- braucherkreditgesetzes oder des Fernabsatzgesetzes in kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände das BGB wird dieses wieder zu dem zentralen Gesetzbuch beginnt; auch die Person des Schuldners muss bekannt für die Bürgerinnen und Bürger. Die Schuldrechtsreform sein. Das ist jetzt eine faire Regelung. (B) ist eine Reform für die Verbraucher und sie dient letztlich (D) sogar dem Umweltschutz. Meine Damen und Herren, sicherlich wird es Umstel- lungen vor allem für diejenigen geben, die täglich mit dem (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich fürchte, Sie BGB arbeiten. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Ein verstehen nicht viel davon!) Gesetzbuch, das über 100 Jahre alt ist und das den Haupt- Denn die Verlängerung der kaufrechtlichen Gewährleis- fall der vertraglichen Leistungsstörungen, die so genannte tungspflicht von sechs Monaten auf zwei Jahre wird dazu positive Vertragsverletzung, noch nicht einmal explizit beitragen, dass in den Regalen künftig weniger Ramsch enthält, sondern mittlerweile alles der Rechtsprechung zu finden sein wird. Die verlängerten Garantiefristen sind überlässt, gehört auf Vordermann gebracht. auch ein Nachhaltigkeitsförderungsprogramm. Billigpro- Dies tun wir jetzt zum Beispiel mit der Einführung ei- dukte, die nach einigen Monaten ihren Geist aufgeben und nes einfachen und praktikablen Haftungssystems. Mit auf Mülldeponien landen, werden auf dem Markt früher dieser Lösung orientieren wir uns auch an dem Leis- oder später unter diesen neuen rechtlichen Rahmenbedin- tungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts, das die interna- gungen schlechtere Chancen haben. Der Ramsch ver- tionale Rechtsentwicklung und auch die europäischen schwindet, Qualität wird sich durchsetzen. Vertragsrechtsprinzipien entscheidend prägt. Daher bin Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass meine Fraktion ich mir sicher, dass wir uns bei den anstehenden Ver- auch mit einer Garantiezeit von drei Jahren, wie sie ur- handlungen über ein gemeinsames Europäisches Zivilge- sprünglich noch im Diskussionsentwurf angedacht war, setzbuch, die wir beeinflussen und auch vorantreiben wol- kein Problem gehabt hätte. Die Bedenken der Wirtschaft, len, mit diesem neuen BGB nicht verstecken müssen. es werde zu unverhältnismäßig großen Belastungen für Meine Damen und Herren, dieses Vorhaben hatte einen den Handel kommen, teile ich ausdrücklich nicht. Denn Beratungsvorlauf wie zuvor kaum ein anderes: Es ist auf einer Studie zufolge treten Mängel jedenfalls bei industri- nationaler und auch auf internationaler Ebene ausführ- ellen Massengütern ganz überwiegend während der ersten lichst erörtert und vorbereitet worden. Bis zuletzt hat das sechs Monate auf. Diese Studie wird auch in der Geset- BMJ mit Gesprächs- und Kompromissbereitschaft auf die zesbegründung zitiert. Bedenken und Anregungen aus Rechtswissenschaft und Eine weitere Befürchtung haben wir dem Handel ge- Praxis reagiert. Die Kritiker sind eingeladen worden, sich nommen: Mit dem Rückgriffsanspruch des Händlers ge- in Arbeitsgruppen einzubringen, und ihre Vorschläge sind gen den Hersteller werden die Letztverkäufer den An- berücksichtigt worden. Diese Offenheit hat maßgeblich sprüchen der Käufer nicht mehr schutzlos ausgesetzt. Ist dazu beigetragen, dass die Schuldrechtsreform „querbeet“, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16725

Volker Beck (Köln) (A) also bei Anwälten und Richtern, bei Verbraucherverbän- Herr Kinkel, Ihre Hoffnung erfüllt sich heute mit diesem (C) den und Wirtschaft sowie in den Ländern, auf große Zu- großartigen Reformwerk der rot-grünen Koalition. Meine stimmung stößt. lieben Kollegen von der F.D.P., es erweist sich wieder einmal: Mit Rot-Grün werden liberale Träume wahr. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Die wissen doch gar nicht, was darin steht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der F.D.P. – – Herr Kollege Geis, trotzdem werfen Sie uns vor, wir Norbert Geis [CDU/CSU]: Träumer!) würden den totalen Umbau des Schuldrechts durchpeit- schen; Herr Pofalla hat das auch gesagt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort Ich erinnere Sie nur an Folgendes: Seit den 70er- und hat jetzt der Kollege Rainer Funke von der F.D.P.-Frak- 80er-Jahren haben diverse Zivilrechtslehrertagungen tion. stattgefunden, unzählige Gutachten sind eingeholt wor- den und sieben Jahre lang hat sich die berühmte Schuld- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Jetzt gediegene rechtskommission mit dem Vorhaben beschäftigt. Wie er- Ausführungen zum deutschen Schuldrecht!) folgreich diese Expertenkommission gearbeitet hat, sieht man nicht nur daran, dass viele ihrer Vorschläge letztend- Rainer Funke (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen lich in diesen Entwurf eingeflossen sind. Die Ergebnisse und Herren! Die Bundesjustizministerin nimmt die Ver- der Schuldrechtskommission haben auch ganz massiv die pflichtung zur Umsetzung der schon erwähnten drei euro- EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie beeinflusst. Diese päischen Richtlinien zum Anlass, das gesamte Schuld- verbraucherfreundliche Richtlinie setzen wir heute eben- recht des BGB einer Revision zu unterziehen und zu falls in nationales Recht um, und zwar pünktlich und frist- verändern. Hierzu wird uns eine 686-seitige Drucksache gerecht. Denn anders, als es die Vorgängerregierung zum vorgelegt, die in kürzester Zeit im Bundestag zu beraten Beispiel beim Reisevertragsrecht gemacht hat, wollen wir sei. Dabei wird der übliche Weg einer Gesetzesinitiative unser Land nicht in die Gefahr von Schadensersatzforde- der Bundesregierung – von der Bundesregierung zum rungen bringen. Bundesrat, von dort wieder zurück zur Bundesregierung Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn und erst dann zum Bundestag – nicht verfolgt. Die fleißi- Sie uns gleichwohl vor dem Hintergrund dieser Historie gen Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben es übernommen, diese 686 Seiten durch Handauflegen in des Gesetzes vorwerfen, wir würden hier Rechtspolitik den Bundestag einzubringen. „mit der Brechstange“ betreiben und alles übereilen, so spricht daraus der blanke Neid. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Der Fleiß wird nicht bestritten!) (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) sowie des Abg. Alfred Hartenbach [SPD]) Ich möchte ganz offen sagen: Dieses verkürzte Verfah- ren hat natürlich auch Vorzüge. Dadurch erhalten wir Sie müssen ein weiteres Mal mit ansehen, wie die rot- nämlich die Möglichkeit, etwas länger über dieses Gesetz grüne Koalition nicht nur über Verbesserungen redet, son- zu beraten. Zugleich wird aber das Verfassungsorgan dern diese auch mutig umsetzt. Bundesrat missachtet. Herr Kollege Funke, was die „erhebliche Rechtsunsi- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist wahr!) cherheit“ anbelangt, die Sie in Ihrer Presseerklärung vom 10. Mai heraufbeschwören, so sollten Sie sich einmal die Der Bundesrat wird sicherlich auch eine Stellungnahme Mühe machen, die Grundzüge der Reform zu verinnerli- abgeben wollen. Diese Stellungnahme kann aber bei die- chen. Sie tun ja so, als würden wir das BGB abschaffen sem Verfahren im Bundestag gar nicht bzw. nur verspätet wollen und als würden in unserem Land ab nächstem Jahr berücksichtigt werden. völlig neue Rechtsprinzipien gelten. Das Gegenteil ist (Jörg van Essen [F.D.P.]: So ist es! – Zuruf von richtig: Wir restaurieren mithilfe europäischer Richtlinien der CDU/CSU: Und sie wäre ganz bestimmt das BGB; das geschieht auf der Grundlage der bisherigen hilfreich!) Kriterien. Aber in der Tat braucht man zu einer solchen Modernisierung etwas Mumm, und der fehlt den Libera- Man fragt sich ganz automatisch: Warum diese Hast? len ja häufig. Dadurch können nur Fehler passieren, wie sie der Bun- desregierung bei § 284 Abs. 3 BGB, der beim Gesetz zur (Lachen bei der F.D.P. – Alfred Hartenbach Beschleunigung fälliger Zahlungen geändert wurde, un- [SPD]: Mumm haben die nur, wenn sie Sekt terlaufen sind. Dieses Missgeschick in § 284 Abs. 3 BGB trinken!) wollen Sie jetzt schnell wieder ausbügeln. Auch kleine re- Es wird sich immer der eine oder andere Hochschullehrer daktionelle Fehler sind vorhanden; ich möchte nur § 309 finden lassen, der eine derart umfassende Reform kriti- BGB erwähnen, in dem Sie von Wertungswertungsmög- siert. Diese Kritik muss man auch aushalten können. lichkeit, nicht von Wertungsmöglichkeit sprechen. Das ist sprachlich nicht in Ordnung. Das passiert, wenn man Verehrte Kollegen von der F.D.P., es war Ihr damaliger große Hast an den Tag legt. Justizminister Kinkel, der 1991 den Abschlussbericht der Schuldrechtskommission mit den Worten kommentierte: Auch der Hinweis auf die drei umzusetzenden europä- ischen Richtlinien geht fehl, denn diese könnten, wie an- Ich hoffe, dass … wir in absehbarer Zeit zu einem dere Richtlinien vorher auch – im Übrigen mit Ihrer Un- Gesetzentwurf kommen werden. terstützung –, durch Sondergesetze in nationales Recht 16726 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Rainer Funke (A) umgesetzt werden. Wir bräuchten dazu nicht das gesamte Das BGB ist sechs Jahre lang im Reichstag beraten (C) BGB und insbesondere das Schuldrecht zu ändern. worden, nachdem die Wissenschaft viele Jahre darüber diskutiert hatte. Wir aber sollen im Bundestag in wenigen (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Wochen – es sind nur wenige Wochen, wenn man die Sommerpause abzieht – über dieses Gesetz beraten. Ich Es ist durchaus richtig, dass die Grundzüge des Schuld- glaube nicht, dass das eine angemessene Zeit ist. rechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit über 100 Jahren gelten. Was sich 100 Jahre bewährt hat, muss nicht unbe- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – dingt schlecht sein. Vieles, was sich an wirtschaftlichen Walter Hirche [F.D.P.]: Eine Zumutung der und gesellschaftspolitischen Entwicklungen getan hat, ist Regierung ans Parlament!) durch Gesetzesänderungen und durch die Rechtsprechung Nun will ich gar nicht beanspruchen, dass es hier einen aufgefangen worden. Dadurch wurden adäquate Ergän- solch langen Zeitraum wie bei der Beratung des BGB im zungen vorgenommen. Herr Kollege Beck, Sie erwähnen Reichstag geben muss. Aber die wenigen Wochen, die wir die positiven Vertragsverletzungen. Regelungen dazu hat für die Beratung haben, reichen mit Sicherheit nicht aus. bereits das Reichsgericht entwickelt. Es kann jedenfalls nicht richtig sein, dass das Bundes- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ministerium der Justiz mit all seinen hoch qualifizierten NEN]: Wird Zeit, dass es einmal ins Gesetz ge- Beamten zwei Jahre Vorbereitungszeit für diesen Gesetz- schrieben wird!) entwurf hat, während der Bundestag als zentrales Gesetz- gebungsorgan innerhalb weniger Wochen dieses so wich- Dies gilt auch für die culpa in contrahendo. Es ist nicht tige Gesetz abnicken soll. notwendig, für diese Regelungen eine Änderung des Schuldrechts vorzunehmen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Und das von der Ver- fassungsministerin! – Zuruf von der CDU/ Die Praxis – darauf weisen auch zahlreiche Wissen- CSU: Ungeheuerlich!) schaftler hin – kann mit dem derzeit geltenden Schuld- recht vernünftig umgehen. Der Rechtsschutz des Bürgers Aber so stellen Sie sich anscheinend die Arbeit des Parla- ist in keiner Weise gefährdet. Eine hastige Umsetzung des ments vor. Reformvorhabens ist nicht geboten. Die einzelnen Probleme des Entwurfs können auch (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten nicht durch eine eintägige Anhörung von Sachverständi- der CDU/CSU) gen hinreichend erörtert werden. Wir müssen die einzel- nen Gebiete miteinander gründlich beraten. Vielmehr sollten Anregungen und Bedenken der Schuld- (B) rechtskommission und der Schuldrechtslehrer, die in Re- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir brauchen fünf (D) gensburg und Berlin auf ihren extra durchgeführten Son- Anhörungen!) dertagungen heftige Kritik geäußert haben – Frau Wir haben über viele Jahre gesagt – im Übrigen auch Ministerin, das haben Sie nicht erwähnt –, berücksichtigt werden. von der Bundesjustizministerin, damals noch Oppositi- onsabgeordnete, unterstützt –, wir wollen die europä- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Im Gegen- ischen Richtlinien nicht ins BGB einstellen. Wir und auch satz zu Ihnen war ich dabei!) das Bundesjustizministerium haben aus guten Gründen – Ich war auch dabei. immer die Lösung favorisiert, aus den Richtlinien Son- dergesetze zu machen, um die Systematik des BGB nicht (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist zu zerstören. Sie aber haben eine Kehrtwendung gemacht aber fein! Wann denn?) und wollen die europäischen Richtlinien sowie die vielen Sie waren am Sonnabend dort und ich am Freitag. Nebengesetze in das BGB integrieren. Das kommt der Systematik des BGB sicherlich nicht entgegen. (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Freitag dauerte es zwei Stunden und es gab keine (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Kritik!) Man kann dann auch nicht mehr von Transparenz re- – Ihr Staatssekretär Geiger saß neben mir. Frau Ministe- den, wie das Herr Beck getan hat. Wir sollten uns um der rin, Sie sind erst am Sonnabendmorgen gekommen. Systematik des BGB willen auf die Aufnahme grundle- gender Änderungen beschränken und die vielen europä- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Nein, ich ischen Richtlinien in Nebengesetze – meinetwegen in ein war den ganzen Tag da! Deswegen weiß ich ge- Verbrauchergesetz – aufnehmen. nau, was diskutiert wurde!) Meine Anregung ist daher: Lassen Sie uns zügig an die – Das ist sehr schön. Beratung hinsichtlich der Umsetzung der drei europä- Ich habe genauso wie Sie in der „ZIP“ – die entspre- ischen Richtlinien in nationales Recht gehen. Von unserer chende Ausgabe der „ZIP“ ist uns in den letzten Tagen zu- Seite sichere ich Ihnen fristgerechte Umsetzung zu. Hin- gegangen – die Erörterung der Schuldrechtslehrer nach- sichtlich der Schuldrechtsmodernisierung sehen wir auch gelesen. Der Gesetzentwurf wirft eine Vielzahl neuer, aufgrund der Berichte der Schuldrechtskommission schwieriger Probleme auf, die mit den Praktikern in der Handlungsbedarf. Wir wollen die notwendigen Änderun- Wirtschaft und auch sicherlich mit den Schuldrechtsleh- gen, zum Beispiel im Bereich der Verjährung und der Ge- rern eingehend diskutiert werden müssen. währleistung, gemeinsam mit Ihnen gründlich beraten, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16727

Rainer Funke (A) ohne dass Verzögerungen eintreten. Aber es ist völlig aus- Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Herr Präsident! Liebe (C) reichend, wenn diese Schuldrechtsmodernisierung im Kolleginnen und Kollegen! Gerade erst wurde die Justiz- nächsten Jahr ohne Hast beschlossen wird reform beschlossen und schon folgt die Reform des Bür- (Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr vernünftig!) gerlichen Gesetzbuches. Eine Herausforderung jagt die andere. und dann etwa ein Jahr oder eineinhalb Jahre später in Kraft tritt. (Alfred Hartenbach [SPD]: Ja, so ist das Le- ben, Frau Dr. Kenzler!) Denken Sie bitte bei der Frage des In-Kraft-Tretens auch daran, dass Sie der Wirtschaft und ebenso den Ver- – Richtig. brauchern zum 1. Januar 2002 einiges zumuten: So neu ist der Wunsch, das Schuldrecht zu reformie- (Walter Hirche [F.D.P.]: So ist es!) ren, bekanntlich nicht. Die Bemühungen um eine grund- legende Schuldrechtsreform dauern bereits 20 Jahre an. Am 1. Januar 2002 soll nämlich die Änderung der ZPO in Die Umsetzung der drei EU-Richtlinien ist durchaus ein Kraft treten. Außerdem werden sich die Verbraucher und geeigneter Moment, um die Überarbeitung des Schuld- die Wirtschaft auf den Euro einstellen müssen. Jetzt soll rechts in Angriff zu nehmen. Aber der Entwurf kommt auch noch das Schuldrecht hinzukommen. Dessen Re- angesichts des Zieles, ihn bereits in sieben Monaten in form wird wahrscheinlich im November oder im Dezem- Kraft zu setzen, sehr spät. Ich sage das, auch wenn ich ber dieses Jahres im Bundesgesetzblatt stehen. Wer ein nicht verkenne, dass es dafür durchaus objektive Zwänge bisschen von der Wirtschaft versteht – das sollte eigent- gibt. lich auch eine Justizministerin –, der weiß – Das Problem ist meines Erachtens nicht so sehr die (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Gott sei Einhaltung der Zeitschiene im Parlament – daran sind wir Dank haben wir ja Sie, Herr Funke!) gewöhnt –, sondern die Umsetzung in der Rechtspraxis. – deswegen sage ich das; offensichtlich ist es notwendig, Im Moment wissen viele praktizierende Juristen und von Frau Ministerin –, der Reform betroffene Unternehmen in Wirtschaft und Handel noch nicht, dass es jetzt wirklich ernst wird. Ein (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Problem bei solchen Endlosdebatten ist ja, dass am NEN]: Die Welt braucht einfach mehr Ober- Schluss kaum noch jemand an ein greifbares Ergebnis lehrer!) glaubt. Das wird ein logistisches Problem, das noch aus dass sich das Wirtschaftsleben nicht nur an Paragraphen dem Weg geräumt werden muss. wie denen im BGB orientiert. (B) Nun zu der Reform selbst. Sie werden mir nachsehen, (D) (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Er weiß dass ich die über 28 000 Zeilen mit mehr als 1,5 Milli- alles!) onen Zeichen – die Leerzeichen eingerechnet – auf fast Zunächst müssen die Voraussetzungen geschaffen wer- 700 Seiten nicht in fünf Minuten Redezeit auch nur in den, damit Paragraphen in die Praxis umgesetzt werden groben Umrissen abhandeln kann. Ich bin zwar einiges können: Man braucht Formulare, man muss die Software gewöhnt; aber ein solches Missverhältnis zwischen der ändern; die Ziviljustiz muss Vorbereitungen treffen, man Redezeit und der Bedeutung der heutigen Debatte stellt braucht eine gewisse Kommentierung und Handreichun- ein groteskes Ausmaß dar. gen durch die Verbände. All das – das müsste doch jeder (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten einsehen – kann man nicht zwischen November 2001 und der F.D.P.) 1. Januar 2002 schaffen. Zunächst begrüße ich die Aktualisierung und die Mo- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten dernisierung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Wenn der der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Das angestrebte Zuwachs an Übersichtlichkeit, Rechtssicher- müsste auch einer Justizministerin einleuch- heit und Europafähigkeit erreicht werden könnte, dann ten!) wäre das in der Tat ein großer Gewinn. Positiv sind Die von Ihnen vorgesehene Frist für die Umsetzung bis grundsätzlich die Schaffung eines einheitlichen Tatbe- zum 1. Januar 2002 ist nicht nur unpraktikabel, sondern standes der Pflichtverletzung, die Verlängerung der sie wird uns in der Wirtschaft auch ganz erhebliche gesetzlichen Gewährleistungsfrist, die konsumenten- Schwierigkeiten bereiten. Wir sind auf jeden Fall zur kon- freundliche Beweislastumkehr in § 476 BGB, die Ver- struktiven Mitarbeit bereit, allerdings ohne Hast. Wir wol- pflichtung des Verkäufers, eine mangelfreie Ware zu lie- len eine gründliche Beratung. fern, einschließlich seiner Haftung für die versprochenen Eigenschaften und nach unserer Auffassung auch die In- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. tegration der verstreuten Verbraucherschutzgesetze in das (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten Schuldrecht. der CDU/CSU) Problematisch erscheint mir dagegen die Reduzierung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf drei Jahre. Diese Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Frist ist extrem knapp und wird wohl nicht selten zum nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Evelyn Kenzler von Verlust berechtigter Ansprüche führen. Schließlich wird der PDS-Fraktion das Wort. die Chance versäumt, auch völlig überholte Vorschriften 16728 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Dr. Evelyn Kenzler (A) anderer Titel des BGB der europäischen Rechtslage anzu- Schuldrechtsreform nun ein weiteres großes Gesetzesvor- (C) passen. So ist die Stellung einer Bürgschaft gemäß haben zur Modernisierung von Recht und Justiz an. Mit § 232 Abs. 2 BGB weiterhin als Ausnahmefall geregelt dem vorgelegten Gesetzentwurf werden nicht nur drei und § 239 BGB verlangt noch immer einen inländischen EU-Richtlinien, unter anderem die so bedeutsame Ver- Sitz. Jedenfalls die letztere Regelung entspricht nicht brauchsgüterkauf-Richtlinie, in deutsches Recht umge- mehr primärem europäischen Gemeinschaftsrecht und setzt. Das deutsche Schuldrecht wird auch – endlich, muss sollte ebenfalls angepasst werden. man wohl sagen – modernisiert und den heutigen Anfor- derungen angepasst. Alles in allem bin ich aber sehr gespannt auf die Ex- pertenanhörung. Abgesehen von Lob, Kritik und Vor- Was bedeutet das nun im Wesentlichen konkret, liebe schlägen zum Regelungsinhalt erwarte ich auf der An- Kolleginnen und Kollegen? Das Schuldrecht wird über- hörung zu dieser Reform auch Aussagen zur sichtlicher und vor allem vollständiger gestaltet werden. Verständlichkeit, also zur Übersichtlichkeit und Transpa- Insbesondere bisher in Sondervorschriften geregelte Ver- renz der Regelung. brauchergesetze wie das Haustürwiderrufsgesetz oder der materielle Teil des Gesetzes über die Allgemeinen Ge- (Beifall bei der PDS) schäftsbedingungen werden in das Bürgerliche Gesetz- Auch diesbezüglich scheint mir die eine oder andere buch integriert. Das BGB wird dadurch wieder zu dem, Nachbesserung zumindest wünschenswert. was es einmal war, nämlich die zentrale umfassende zi- vilrechtliche Gesetzessammlung. Mit einem Sprachbruch zugunsten der Allgemeinver- ständlichkeit und damit im Interesse der Bürgerinnen und Das Vertragsrecht wird wieder übersichtlicher, da das Bürger sollten Juristen auch leben können. Um nur ein geltende Recht nicht mehr aus den unterschiedlichsten Beispiel zu nennen: Was klimatisierte Räume sind, weiß Gesetzen zusammengesucht werden muss. Für den man, aber was soll sich der Bürger unter Verträgen vor- Rechtsanwender wird dies mehr Rechtsklarheit und stellen, die „unter Verwendung von ... automatisierten Ge- Transparenz bedeuten. Nichtjuristen werden eher in die schäftsräumen“ geschlossen werden, § 312 b? Lage versetzt werden, die sie betreffenden Vorschriften überhaupt zu finden. (Beifall des Abgeordneten Rainer Funke [F.D.P.]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da wir gestern erst die Justizreform verabschiedet ha- ben, möchte ich abschließend auf Folgendes aufmerksam Das so eminent wichtige Verjährungsrecht wird end- machen – Herr Funke hat bereits in der Richtung argu- lich eine Systematik erhalten. Allein das Bürgerliche Ge- (B) mentiert –: Mit der Schuldrechtsmodernisierung wird die setzbuch kennt Verjährungsfristen von sechs Wochen, von (D) Justizreform vor ihre erste richtige Bewährungsprobe ge- sechs Monaten, von einem, zwei, drei, vier, fünf oder stellt. Die Amtsrichter haben mit Beginn des neuen Jahres dreißig Jahren. Derzeit befinden sich in über 80 Gesetzen gleich mit einer dreifachen Belastung zu kämpfen: Ers- mehr als sage und schreibe 130 Verjährungsvorschriften. tens sind es die Anforderungen aufgrund der Justizreform. Dass hier kaum noch jemand durchblickt, ist nachvoll- Zum Zweiten sind es die neuen Anforderungen aus der ziehbar, zumal diese Regelungen weder aufeinander ab- Schuldrechtsmodernisierung in Verbindung mit ihrer ei- gestimmt sind noch vielfach den heutigen Erfordernissen genen Qualifizierung. Zum Dritten ist es auch die gewiss im Rechtsverkehr gerecht werden. ansteigende Zahl von Klagen aufgrund der Unsicherhei- (Rainer Funke [F.D.P.]: Das ist richtig!) ten und Fehler, die bei der Anwendung des neuen Rechts gemacht bzw. durch ihre Nichtanwendung entstehen Mit der Vereinheitlichung und Anpassung wird mit die- werden. sem Durcheinander Schluss gemacht. Das Verjährungs- recht wird hierdurch endlich verständlich und auf Dass diese Reform die öffentlichen Haushalte nichts die tatsächlichen Bedürfnisse im Rechtsverkehr zuge- kostet, wie es im Entwurf heißt, kann ich angesichts des schnitten. ganz erheblichen Fortbildungsbedarfs nicht glauben, auch nicht angesichts der Notwendigkeit, in erheblichem Um- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten fang neue Literatur anschaffen zu müssen. Da wird es des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rainer nicht bei den Nachlieferungen für den „Schönfelder“ blei- Funke [F.D.P.]: Das begrüßen wir! – Norbert ben können. Geis [CDU/CSU]: Auch wir begrüßen das, ich habe es gesagt!) (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Rainer Funke [F.D.P.]) Das Leistungsstörungsrecht wird neu geregelt. Die am häufigsten auftretende Art der Leistungsstörung, die Schlechtleistung, ist bislang im BGB nicht direkt geregelt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort gewesen. Die hierzu deshalb von der Rechtsprechung ent- hat jetzt der Kollege Dirk Manzewski von der SPD-Frak- wickelten Rechtsinstitute werden nun endlich – es ist tion. längst überfällig – festgeschrieben. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Verletzung von Verträgen werden Dirk Manzewski (SPD): Herr Präsident! Meine Da- einfacher geregelt werden. Die bisherige Alternativität men und Herren! Nach der Mietrechtsreform und der Zi- von Rücktritt und Schadensersatz wird zugunsten eines vilrechtsreform packt die Bundesregierung mit der Rücktritts mit Schadensersatzanspruch aufgegeben. Das Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16729

Dirk Manzewski (A) Recht auf Rücktritt wird davon abhängig gemacht, dass dies für eine umfangreiche Schuldrechtsüberarbeitung ge- (C) der Schuldner eine ihm vom Gläubiger gesetzte Nachfrist nutzt hat. ungenutzt verstreichen lässt. Wäre nur die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie umge- Das bedeutet, die Regularien bei Vertragsverletzung setzt worden, hätte dies bedeutet, dass für eine Vielzahl werden vereinheitlicht, verständlicher und dadurch von Bereichen nicht mehr die Bestimmungen des BGB, schlicht vereinfacht. sondern Sondernormen anzuwenden gewesen wären. (Beifall bei der SPD) (Ludwig Stiegler [SPD]: Dann wäre der Geis überhaupt nicht mehr durchgestiegen!) Den Vertragsparteien werden ihre Rechte und Pflichten hierdurch klarer werden. Das BGB hätte damit an Bedeutung nicht gewonnen, wie es hier vorhin behauptet worden ist, sondern verloren. Für Die Stellung der Verbraucher – auch dies ist bereits zur den Rechtsuchenden wäre es immer komplizierter gewor- Sprache gekommen – im alltäglichen Geschäftsverkehr den, die für seinen Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften wird unabhängig von der grundsätzlichen Vereinfachung überhaupt zu finden. von Vertragsrecht, Verjährung und Leistungsstörungs- recht weiter gestärkt. So soll der Verkäufer zukünftig zum Zudem wäre dies – auch da bin ich völlig anderer Mei- Beispiel auch dafür haften, dass eine Sache die angeprie- nung als Sie, Herr Kollege Funke – für den Wirtschafts- senen Eigenschaften aufweist, die der Hersteller in seiner verkehr verheerend gewesen. Wirtschaft und Verbraucher Werbung und Etikettierung angepriesen hat. Eine eigene wollen wissen, woran sie sind, und sich nicht im Zustand Zusicherung ist nicht mehr nötig. der Rechtsunsicherheit befinden. Ich bin mir durchaus bewusst, liebe Kolleginnen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kollegen von der Opposition, dass nicht nur viele Juristen DIE GRÜNEN – Rainer Funke [F.D.P.]: Das ist dieses Gesetzesvorhaben etwas ängstlich begleiten wer- richtig!) den, bedeutet es für sie doch in vielen Punkten ein Um- Aber nichts anderes wäre doch eingetreten, Kollege denken und die Aufgabe vieler lieb gewonnener Gewohn- Funke, wenn das Schuldrecht nach kurzer Zeit noch ein- heiten, was – das wissen wir alle – für Juristen nicht mal hätte geändert werden müssen. immer leicht ist. (Walter Hirche [F.D.P.]: Der Unterschied ist Soweit behauptet wird, dass das Gesetzgebungsverfah- nur, dass er mehr Ahnung hat! Er bewegt sich ren viel zu zügig durchgeführt wird – auch das ist hier bei im Unterschied zu Ihnen in der wirtschaftlichen Ihnen zur Sprache gekommen –, Praxis!) (B) (D) (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist Allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Kollege Hirche, doch auch gut!) ist damit die umfassende Reform des Schuldrechts ge- boten. kann ich das nicht ganz nachvollziehen. Ich erinnere an Folgendes: Der dem Gesetzentwurf vorangegangene Ich will Ihnen noch einen weiteren Gesichtspunkt nen- „Diskussionsentwurf“ ist schon Mitte letzten Jahres vor- nen, der mir in diesem Zusammenhang ebenso wichtig er- gelegt worden. scheint. Dabei geht es um die Entwicklung des Zivilrechts auf europäischer Ebene. Wer auf europäischer Ebene Ein- (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) fluss auf eine zukünftige zivilrechtliche Gesamtkodifika- Dieser wiederum basiert ganz maßgeblich auf den Ergeb- tion nehmen will, kann dies nur, wenn hierfür eine um- nissen der „Kommission zur Überarbeitung des Schuld- fassende nationale Regelung vorliegt, die modernen rechts“, die sich über einen Zeitraum von acht Jahren in- Ansprüchen genügt. Das ist wichtig. Der zurzeit beste- tensiv mit der Überarbeitung des Schuldrechts befasst hende deutsche „Flickenteppich“ aus BGB, Sonder- und hatte. Deren Abschlussbericht wurde im Übrigen bereits Nebengesetzen führt auf europäischer Ebene dazu, dass 1992 veröffentlicht. andere nationale Gesetzesregelungen, zum Beispiel die niederländische, von der Mehrheit der EU-Nationen zur (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) Grundlage der Diskussion gemacht werden. Dies kann Wer sich also informieren wollte, konnte dies auch recht- doch niemand von uns ernsthaft wollen. zeitig tun. Insoweit bin ich über die Verwunderung, die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie hier an den Tag legen, ein bisschen erstaunt. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich abschließend jemanden zitieren, der Natürlich ist es richtig, dass sich das Ministerium für diese ganze Angelegenheit viel besser auf den Punkt das Gesetzgebungsverfahren einen äußerst ehrgeizigen bringt, als ich es jemals könnte: Zeitplan gesetzt hat. Meiner Auffassung nach muss es das Wir sollten uns keine Illusionen machen – die Tür aber auch. Der enge Zeitplan ist nun einmal wegen der bis steht uns vermutlich nur jetzt offen. Denn sich Ende des Jahres notwendigen Umsetzung der so genann- zunächst auf eine Umsetzung der Richtlinie über den ten EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie zwingend not- Verbrauchsgüterkauf zu beschränken und darauf zu wendig. Ich halte es dabei trotz des Zeitdrucks aus fachli- vertrauen, dass man das Leistungsstörungsrecht spä- chen Gründen für völlig richtig, dass die Bundesregierung ter immer noch reformieren könne, halte ich für 16730 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Dirk Manzewski (A) ebenso unrealistisch wie unökonomisch, weil die mit das gestern verabschiedete Gesetz sein dürfte. Eben ist (C) der Änderung verbundenen Kosten und Lasten dann unter dem Aspekt der Redezeit das Volumen angespro- zweimal anfallen würden. chen worden. Alleine im BGB gehen die Änderungen so weit, dass auch das tiefste Erbrecht erfasst wird, und (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) zwar – ich habe eben einmal nachgeschaut und gehe da- Wer für eine „kleine“ Lösung plädiert, nimmt daher von aus, dass wir alle den Entwurf sehr gründlich gele- in Wahrheit zugleich das Risiko in Kauf – oder strebt sen haben, wenn wir heute darüber sprechen – bis zum es sogar unausgesprochen an –, dass es eine „große“ § 2376 BGB. Lösung auf unabsehbare Zeit nicht geben wird – und zwar weder hinsichtlich des Kaufrechts noch hin- Meine Damen und Herren, es ist keine Frage: Eine sichtlich der Reform des allgemeinen Leistungs- Modernisierung vor allem des schuldrechtlichen Teils störungsrechts, sodass dieses auf Dauer in seinem des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nötig. Was mich und derzeitigen mit mir die große Mehrheit der juristischen Fachöffent- lichkeit aber mit großer Sorge erfüllt, ist die Geschwin- – darauf verweise ich jetzt besonders – digkeit, mit der die Bundesregierung versucht, ein so be- antiquierten und teilweise desolaten Zustand verhar- deutsames Gesetzgebungswerk wie die Reform des ren wird ... Schuldrechts auf dem Rücken der Fachwelt und der Bür- ger durchzusetzen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Trotzdem brauchen Sie es nicht durchzupeitschen!) (Ludwig Stiegler [SPD]: Wir leben im Zeitalter der Globalisierung! Da geht es etwas schneller! – Kollege Hirche, dieses Zitat ist vom gestrigen Tage aus Im Postkutschenzeitalter konnte man sechs der „JZ“ und stammt von niemand Geringerem als von Jahre warten!) Professor Dr. Claus-Wilhelm Canaris, einer der größten juristischen Koryphäen unseres Landes. Geht es nach den Vorstellungen des Bundesregierung, müssen wir uns zum 1. Januar 2002 auf ein in wesentli- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Der aber nichts chen Teilen geändertes Zivilrecht einstellen, ohne darauf mit Schuldrecht zu tun hat!) auch nur ansatzweise vorbereitet zu sein. Ich spreche in- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo der Mann Recht hat, sofern von den Bürgern und damit von denen, die mit dem hat er Recht. Recht umgehen müssen. Selbst wenn der Gesetzentwurf im Eiltempo durch Bundestag und Bundesrat gebracht Ich danke Ihnen. wird, kann das Gesetz – der Abgeordnete Funke hat be- (B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ reits darauf hingewiesen – erst kurz vor Jahresbeginn ver- (D) DIE GRÜNEN) abschiedet werden; und wir können sicher sein, dass die- ses Gesetz bis zu diesem Zeitpunkt noch eine Menge Veränderungen erfahren wird. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Justizminister des Freistaates Thüringen, (Norbert Geis [CDU/CSU]: Hoffentlich!) Dr. Andreas Birkmann. Schon in den letzten Monaten hat das Bundesjustizmi- nisterium quasi im Monatsrhythmus immer wieder neue Dr. Andreas Birkmann, Minister (Thüringen): Herr Entwürfe vorgelegt, mit denen hektisch auf die Kritik aus Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur Wissenschaft und Praxis reagiert wurde. Auch der Inhalt wenige Stunden nach der Verabschiedung des von den der Regelungsmaterie änderte sich ständig: Einmal ist Ländern in der ursprünglichen Fassung hart attackierten eine umfangreiche Änderung des Werkvertragrechts Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses muss sich das dem Gesetzentwurf einverleibt, ein anderes Mal nicht. Hohe Haus heute – ich glaube, etwas überraschend – mit Die letzten Entwürfe – so auch der heute zu beratende – einem weiteren so genannten Reformwerk beschäftigen. sehen nunmehr massive Änderungen des Gewährleis- Ich meine, es wäre gut gewesen, wenn die Länder vorher tungsrechts beim Werkvertrag vor. Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten und Sie Durch das Gesetz sollen das gesamte Kaufrecht – das das Gesetzesvorhaben erst im Anschluss daran beraten Herzstück des besonderen Teils des Schuldrechts – sowie würden. das gesamte Leistungsstörungsrecht – der Kernbereich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – des allgemeinen Teils des Schuldrechts – völlig umge- Ludwig Stiegler [SPD]: Wie lange liegt es in der staltet werden. Gleiches gilt für das in der Praxis beson- Amtsstube?) ders bedeutsame Recht der Verjährung. Das alles muss innerhalb kürzester Zeit zur Umsetzung vorbereitet wer- Denn dann könnten von Anfang an all die Argumente ein- den. Herr Abgeordneter Funke hat auf die technischen fließen, die aus der Sicht der Länder vorzutragen sind. Ich Schwierigkeiten hingewiesen. Jeder, der im Rechts- und kann Ihnen sagen: Auch dieses Reformwerk ist bei den Geschäftsleben steht, weiß, welches Rechtschaos uns Ländern nicht unumstritten. dann blüht. Herr Abgeordneter Beck, auch Sie haben auf Es handelt sich bei dem Entwurf des Schuldrechts- die Schwierigkeiten bei der Umstellung hingewiesen; ich modernisierungsgesetzes um ein Reformwerk, das in wundere mich, dass Sie dem dann nicht Rechnung tragen seinen Auswirkungen sicherlich noch weitreichender als wollen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16731

Minister Dr. Andreas Birkmann (Thüringen) (A) Im Übrigen stehe ich mit meinen Befürchtungen nicht in Ruhe und mit der gebotenen Sorgfalt mit der Novellie- (C) allein da. Sie haben soeben 600 Zivilrechtsprofessoren rung des übrigen Schuldrechts. erwähnt. Unlängst haben aber 149 andere renommierte (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Zivilrechtsprofessoren Ich kann hier nur das wiederholen, was gestern schon (Ludwig Stiegler [SPD]: Aus der zweiten einmal gesagt wurde: Der Grundsatz „Tempo vor Sorg- Liga! – Alfred Hartenbach [SPD]: Regional- falt“ sollte nicht zum Tragen kommen. Ich weiß, dass ich liga, höchstens! – Gegenruf des Abg. Norbert mit dieser Forderung unzähligen Juristen aus der Seele Geis [CDU/CSU]: Nur keine Wertungen!) spreche, nicht nur den bereits erwähnten 149 Zivilrechts- in einer gemeinsamen Erklärung genau diese Befürchtun- lehrern. gen zum Ausdruck gebracht. Professor Wolfgang Ernst Verschiedentlich wurde der Vorschlag unterbreitet, aus , einer der Mitunterzeichner der Erklärung, man könne das anstehende Chaos dadurch verhindern, brachte es auf einer Diskussionsveranstaltung zu diesem dass man den Inkraftsetzungszeitpunkt für den Restteil, Entwurf auf den Punkt: „Wir fahren mit geschlossenen also für das, was über die EU-Richtlinie hinausgeht, auf Augen über die rote Ampel.“ das Jahr 2004 verschiebt. Ich denke, das ist Augenwi- (Alfred Hartenbach [SPD]: Sie machen das! – scherei. Das löst das eigentliche Problem nicht. Wir Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wir nicht!) benötigen weitere Zeit, um den vorliegenden – immerhin fast 700 Seiten – starken Entwurf in intensiver fachlicher – Sehr geehrter Herr Hartenbach, ich gehe noch ein Diskussion zu überarbeiten. Stückchen weiter: Die gleichen Töne werden sogar von Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das für viele steht Fachleuten angeschlagen, die wahrlich nicht in dem Ver- und zeigt, wie unausgegoren der Gesetzentwurf an vielen dacht stehen, der Bundesregierung im Allgemeinen und Stellen noch ist. Professor Löwisch, der bekannte Ar- der Bundesjustizministerin im Besonderen übel gesonnen beitsrechtler aus Freiburg, hat es vor wenigen Tagen in der zu sein. So hat der bekannte innen- und rechtspolitische „Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht“ formuliert: Die Neu- Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“, Heribert regelung des Leistungsstörungsrechts hat die – vom geis- Prantl, in einem Kommentar vom 17. April dieses Jahres tigen Urheber offensichtlich nicht bedachte – Folge, dass Folgendes ausgeführt: der durch die Neuregelung eingeführte erhöhte Verzugs- Im Schweinsgalopp kann die epochale Reform aber zinssatz für Schuldner auch für Arbeitnehmer gilt. wirklich nicht bewältigt werden, ohne dass das (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Nein!) Rechtswesen in den GAU stürzt. Dies dem Justizministerium vorgetragen, führt zu der (B) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Zumindest Prantl lapidaren Antwort: Dann sind Arbeitnehmer eben Ver- (D) muss man gelesen haben! – Alfred Hartenbach braucher, [SPD]: Den lesen wir immer! – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Diesen Eindruck habe ich auch!) (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sind sie zum Teil doch auch! Herr Kollege, auch Sie sind Warum also diese ungeheuere Eile? Schuld soll, so manchmal Verbraucher!) heißt es seitens der Bundesregierung, Europa sein, und zwar die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Ver- getreu der Devise: Osterhasen sind Weihnachtsmänner im brauchsgüterkauf und zweier weiterer Richtlinien in na- Sinne der Verordnung. tionales Recht bis Ende dieses Jahres. Der Ihnen heute (Alfred Hartenbach [SPD]: Aber die meisten vorliegende Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungs- Osterhasen werden schon vor Weihnachten pro- gesetzes geht weit über die Umsetzung dieser drei EU- duziert, jedenfalls in der Schokoladenindus- Richtlinien hinaus; das ist heute schon gesagt worden. Die trie! – Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Herr geplanten neuen Regelungen zum Kaufrecht sind viel Kollege, gelegentlich sind sogar Sie Verbrau- weitgehender, als dies die EU-Richtlinie zum Ver- cher!) brauchsgüterkauf vorsieht. Während sich die Richtlinie – Ich gebe Ihnen ja Recht. – Die Antwort ist zwar origi- nur auf das Verhältnis des Verbrauchers zum gewerbli- nell; aber das Problem löst sich dadurch nicht. Wie immer chen Verkäufer bezieht, sieht der Entwurf in großen Tei- steckt auch hier der Teufel im Detail. len die Umsetzung der Richtlinie für alle Kaufverträge, also insbesondere auch für solche unter Unternehmern Lassen Sie mich – meine Redezeit geht bald zu Ende – oder unter Verbrauchern, vor. noch ein anderes Beispiel nennen: Der durch § 439 des Entwurfs neu eingeführte Nachbesserungsanspruch gilt (Ludwig Stiegler [SPD]: Was haben Sie gegen nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf, sondern für alle Vereinfachung?) Kaufverträge. Dies hat – wenn ich einmal die praktischen – Dazu werde ich gleich kommen. Dann werden Sie se- Auswirkungen darlegen darf – zur Folge, dass ein Stu- hen, wie nachteilig die Vereinfachung ist. dent, der seinen 15 Jahre alten Gebrauchtwagen für 2 000 DM an einen Kommilitonen verkauft, für eventu- Mit einer solchen Übererfüllung der Richtlinie ste- elle Mängel genauso haftet und in Anspruch genommen hen wir in Europa völlig isoliert da. Deshalb mein Appell werden kann wie ein professioneller Gebrauchtwagen- an die Bundesregierung: Lassen Sie uns gemeinsam für händler. Ist der Gebrauchtwagen mangelhaft, so haftet un- eine saubere, fristgemäße Umsetzung der EU-Richtlinien ser Student nach dem Gesetz – entgegen der wirtschaftli- zum 1. Januar 2002 sorgen und beschäftigen wir uns dann chen Vernunft – seinem Kommilitonen zwei Jahre lang 16732 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Minister Dr. Andreas Birkmann (Thüringen) (A) auf Nachlieferung oder Nachbesserung, falls sich in die- von Kenntnis nimmt, heute hier mehr Kollegen Kenntnis (C) ser Zeit herausstellt, dass der Wagen beim Verkauf einen genommen hätten. Mangel aufgewiesen hat. Ich denke, ein Bedürfnis dafür, (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das gilt auch für den Verbraucherschutz auch auf Verträge zwischen Ver- die SPD-Fraktion!) brauchern zu erstrecken, ist schwer nachvollziehbar. Denn dies ist ein Gesetz, welches die persönlichen Ver- Damit komme ich auf die eben gestellte Frage: Der hältnisse aller, Diskussionsbedarf im Einzelnen ist noch groß. Das Thüringer Justizministerium plant, in diesem Sommer ein (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist wahr!) umfangreiches Symposium zum Thema der Schuld- ob sie nun Rechtsanwälte sind, ob sie einfache Bürger rechtsmodernisierung durchzuführen. Ich möchte Sie, sind, ob sie in der Industrie sind oder wo auch immer, re- Frau Bundesjustizministerin, schon jetzt herzlich nach geln wird, und zwar besser als das bisherige Gesetz regeln Thüringen einladen, um über dieses so wichtige Thema zu wird. diskutieren. Lassen Sie uns die notwendige Reform des Schuldrechts gemeinsam und mit der gebotenen Sorgfalt (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert angehen. Wir sind dazu gerne bereit. Geis [CDU/CSU]: Das ist wahr, aber ob es bes- ser ist, ist eine andere Frage!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- – Norbert, nun sei doch mal still. neten der F.D.P.) Nun beklagen Sie, meine lieben Kolleginnen und Kol- legen, und ziehen als Beispiel die Beratung des BGB von Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letz- vor 116 oder 118 Jahren heran, dass hier zu wenig Vor- ter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun der beratungszeit gegeben sei. Zunächst einmal stelle ich Kollege Alfred Hartenbach von der SPD-Fraktion das fest, dass sich seit 1974 namhafte Schuldrechtler mit der Wort. Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches befassen. Seit (Zurufe von der CDU/CSU: Es bleibt einem über einem Jahr steht der Gesetzestext in wesentlichen auch nichts erspart!) Formulierungen allen zur Beratung zur Verfügung. Nun beklagen Sie einen Akt, den wir hier begehen, nämlich dass wir nun die parlamentarische Beratung möglichst Alfred Hartenbach (SPD): Ich begrüße Sie sehr herz- schnell beginnen wollen. lich, Herr Präsident! Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie Interesse an der Rechtsdiskussion (Norbert Geis [CDU/CSU]: Es geht darum, haben. Und ich begrüße die Lümmel in der vierten Bank dass Sie es schnell durchführen wollen! – Ludwig Stiegler [SPD]: Er will nicht lesen!) (B) bei der CDU/CSU. Diese Reform wird eine spannende (D) Sache, aber zunächst einmal freue ich mich, dass das – Lieber Norbert, liebe Kolleginnen und Kollegen, da ver- Drehbuch manchmal richtig gut ist: Ich freue mich, dass stehe ich nun den selbstbewussten, frei gewählten und der ehemalige Bundesjustizminister und Bundesaußenmi- hier mit der ganzen Kraft seines Wortes stehenden Abge- nister Kinkel heute hier ist und miterleben darf, wie nun ordneten nicht mehr. Wollen Sie denn wirklich warten, bis endlich das, was Sie, Herr Dr. Kinkel, eigentlich auch ge- uns Verwaltungsbeamte vorgegeben haben, wie dieses wollt haben, woran Sie aber von der CDU gehindert wor- Gesetz aussehen soll? den sind, in die Tat umgesetzt wird. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir wollen genü- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gend Zeit zur Beratung haben!) DIE GRÜNEN) – Ich komme gleich noch dazu. Eben war auch noch Herr Professor Dr. Schmidt- Das zeigt – gestern habe ich es angekündigt, Herr Jortzig anwesend, der genauso daran gehindert worden Gerhardt –, dass Sie rechtspolitisch entwöhnt sind. Sie ha- ist, hier tätig zu werden. Ich weiß, dass er es wollte, aber ben 16 Jahre lang keine eigenen Ideen, keine eigenen Ge- nicht durfte. danken in der Rechtspolitik gehabt. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann kennen Sie (Ludwig Stiegler [SPD]: Nur eingeschlafene die Interna aber sehr gut!) Füße! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Warum be- leidigen Sie uns denn immer so?) Er ist von seinem Parlamentarischen Staatssekretär, dem ewiggestrigen Herrn Funke, gehindert worden. – So etwas macht man aber nicht. – Wir wollen Sie nun langsam wieder dahin führen, dass Sie eine eigenständige (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Rechtspolitik machen können. (BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Rainer Funke [F.D.P.]) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist aber gnädig!) Herr Pofalla, wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. Ich bin gern bereit, dieses auch zu konzedieren. Auch ich Dafür sollten Sie uns eigentlich dankbar sein. hätte mir gewünscht – was Sie gestern bei der ZPO-Re- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ form beklagt haben –, dass vom Einbringen dieses wich- DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: tigen Gesetzes, das wir extra in eine gute Debattenzeit Ich werde heute voller Dankbarkeit aus dem gelegt haben, damit die Bevölkerung in Deutschland da- Saal gehen!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16733

Alfred Hartenbach (A) Sie haben hier beklagt, dass wir angesichts der Tat- schon gesagt, wie wichtig es ist, ein Schuldrecht aus ei- (C) sache, dass das BGB im Reichstag sechs Jahre lang bera- nem Guss zu haben. ten worden ist, zu schnell vorgingen. Damals musste über (Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr!) das gesamte BGB, das fünf Bücher umfasst, beraten wer- den und es gab weder Fax noch Kopiergerät, auch kein In- Ich weiß, dass es in der Praxis keine Probleme mit der ternet. Alles musste mit der Hand geschrieben werden. Anwendung der ZPO und des neuen Mietrechts, wenn es Deshalb dauerte es sechs Jahre. in Kraft tritt, geben wird. Genauso wird es keine Probleme mit der Anwendung des neuen Schuldrechts geben. (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Das ist ein star- kes Argument!) (Ludwig Stiegler [SPD]: Für Herrn Geis machen wir ein Repetitorium!) Wir beraten heute über ein einziges Buch, nämlich über das Schuldrecht, und brauchen dafür ein Jahr. Das passt Als ich 1976 junger Staatsanwalt war, trat das Sechste doch zeitlich hundertprozentig zusammen. Strafrechtsänderungsgesetz in Kraft. Zwei meiner dama- ligen Kollegen bei der Staatsanwaltschaft Kassel sind da- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) raufhin in Pension gegangen; denn sie wollten die neuen Sie haben darauf hingewiesen, dass es in diesem Zu- Vorschriften nicht mehr lernen. Ich habe damals als jun- sammenhang unterschiedliche Lehrmeinungen gibt. Die ger, dynamischer Staatsanwalt gesagt: Es ist gut, dass die meisten, die ich hier sitzen sehe – bei einigen ist es schon in Rente gehen. Wenn es nun tatsächlich unter den Rich- so lange her, dass es in Vergessenheit geraten ist –, haben tern und Rechtsanwälten einige geben sollte, die es nicht anwenden wollen – es werden nur ganz wenige sein, weil einmal Jura studiert. Sie auch, Herr Gehb, oder? die große Mehrzahl dieses Gesetz richtig und vernünftig (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ja, mit Erfolg!) anwenden wird –, dann wäre es kein Schaden, wenn auch sie frühzeitig in Pension gingen. – Wunderbar. – Sie wissen also, dass es immer eine herrschende Meinung gibt, aber in jedem Kommentar (Ludwig Stiegler [SPD]: Die sollen ins Rechts- zu jedem Paragraphen auch diejenigen angeführt wer- historische Institut gehen! – Norbert Geis den, die anderer Ansicht sind. Im Palandt gibt es immer [CDU/CSU]: Aber nein! Sie wollen es ja an- mindestens fünf. Deswegen finde ich es überhaupt nicht wenden!) schlimm, wenn ein Teil der hoch qualifizierten Schuld- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der rechtslehrer anderer Ansicht ist als die große Mehrheit. CDU/CSU und der F.D.P., ich bitte Sie einmal, darüber Das ist ein Stück weit Freiheit von Forschung und nachzudenken, Lehre. (B) (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ob Sie nicht in (D) (Norbert Geis [CDU/CSU]: Anderer Ansicht: Rente gehen!) Alfred Hartenbach!) ob Sie nicht angesichts der Töne hier ein bisschen früh in Wir sollten uns diese Freiheit gewissermaßen zunutze ma- den Bundestagswahlkampf gestartet sind. Auch Sie könn- chen und dies in unsere Beratungen einbeziehen. ten in Rente gehen; das wäre kein Problem. Sie haben natürlich Recht: Das BGB ist ein Denkmal. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Diesen Gefallen Wenn Sie sich aber einmal meine abgegriffene Paper- tue ich euch nicht!) back-Ausgabe anschauen, dann sehen Sie, dass sie ei- Ich lade Sie wirklich ein: Zeigen Sie endlich einmal, gentlich renovierungsbedürftig ist. dass Sie sich von der Rechtspolitik des früheren Ministers (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich schenke Ihnen Kanther und von der Rechtspolitik in Bayern abgenabelt eine neue!) haben! Genauso ist es mit dem BGB als solchem. Ein Denkmal (Ludwig Stiegler [SPD]: Von der Fußfessel – muss gepflegt werden. Wenn es nicht gepflegt wird, stürzt Norbert Geis [CDU/CSU]: Bayern ist bekannt es in sich zusammen und ist kaputt. für eine hervorragende Rechtspolitik!) (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heute mussten Sie sich von Herrn Birkmann, weil Sie nicht genügend Redner zu diesem wichtigen Thema ha- Unser BGB ist kurz davor, weil Sie 16 Jahre lang nichts ben, sagen lassen, dass Sie sich von Ihren Ländern ab- gemacht haben. Sie haben noch nicht einmal den Tauben- genabelt haben. Zeigen Sie, dass Sie eine eigenständige dreck weggewischt, Herr Geis. Rechtspolitik machen können! Dazu lade ich Sie sehr (Beifall bei Abgeordneten der SPD) herzlich ein, auch unser Misanthröpchen Funke. Wir werden dieses Denkmal so renovieren, dass es zu Vielen Dank. unseren neuen internationalen Beziehungen, in denen wir (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ als Rechtsnation stehen, passt. Wir müssen diese EU- DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Auf Richtlinien umsetzen, wenn wir im internationalen Kon- zur Freiheit!) zert mithalten wollen. Nun haben Sie gesagt, man könne ja das eine so und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich das andere so machen. Alle meine Vorredner haben aber schließe die Aussprache. 16734 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzent- Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): (C) wurf auf der Drucksache 14/6040 zur federführenden Be- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ratung an den Rechtsausschuss, zur Mitberatung an den Wenn man einmal beschreiben will, was in den Bereichen Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Aus- Asyl und Einwanderung in Brüssel nahezu unbemerkt schuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt- von der Öffentlichkeit geschieht, so kann man es mit fol- schaft, den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung sowie genden Worten auf den Punkt bringen: In Brüssel be- den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu schließt man etwas, stellt es dann in den Raum und war- überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist tet, was passiert. Wenn es kein großes Geschrei und keine nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Aufstände gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was dort beschlossen wird, dann macht man weiter, und zwar Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b sowie Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt. Das ist den Zusatzpunkt 8 auf: Brüssel. Die Bundesregierung, Herr Bundesinnenmi- nister, schaut zu – mehr nicht. 15 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang (Beifall bei der CDU/CSU) Bosbach, Erwin Marschewski (Recklinghausen), , weiterer Abgeordneter und der Wir reden hier nicht über irgendetwas. Wir reden über Fraktion der CDU/CSU ein Thema, das im Zentrum der innenpolitischen Ausei- nandersetzungen steht: die Gestaltung unseres zukünfti- EU-Richtlinienvorschlag zu Mindestnormen in gen Zuwanderungs- und Asylrechts. Seit 1999 – Sie wis- Asylverfahren überarbeiten sen das – ist nach dem Amsterdamer Vertrag nicht mehr – Drucksache 14/5759 – Deutschland dafür zuständig. Wir, die Union, haben ein geschlossenes Gesamtkonzept mit Zahlenbegrenzung, so- Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) zialer Steuerung und Integration. Der europäische Be- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend reich nimmt bei uns einen breiten Raum ein. Nach unse- Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe rer Auffassung muss bereits auf europäischer Ebene alles Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union getan werden, um den Zuwanderungsdruck aus den Staa- ten der Dritten Welt nach Europa zu reduzieren. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Recklinghausen), (Beifall bei der CDU/CSU) Meinrad Belle, weiterer Abgeordneter und der Deswegen wollen wir gleiche Regelungen für die Auf- Fraktion der CDU/CSU nahme, den Aufenthalt und die Aufenthaltsbeendigung. (B) EU-Richtlinienvorschlag zur Gewährung vo- Wir wollen vor allen Dingen eine gerechte europäische (D) rübergehenden Schutzes im Falle eines Mas- Lastenverteilung bei Asylbewerbern und Bürgerkriegs- senzustroms überarbeiten flüchtlingen. – Drucksache 14/5754 – (Beifall bei der CDU/CSU) Überweisungsvorschlag: Deshalb, Herr Bundesinnenminister, darf Deutschland die Innenausschuss (f) vorliegenden Vorschläge der Europäischen Kommis- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sion nicht akzeptieren. Sie führen zu einer Ausweitung Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der ungesteuerten Zuwanderung. Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Beifall bei der CDU/CSU) ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Aber Sie, meine Damen und Herren von der Bundes- Jelpke, Carsten Hübner, Uwe Hiksch, Petra Pau regierung, haben bisher kein Konzept zur Zuwanderungs- und der Fraktion der PDS steuerung vorgelegt. Das gilt für die SPD-Fraktion und EU-Richtlinienvorschlag zu Mindeststandards auch für Sie, Herr Bundesinnenminister. Sie können es in Asylverfahren ist ein wichtiger Schritt für nämlich nicht. Während die eine Seite bei Ihnen immer einen wirksamen Flüchtlingsschutz in Europa noch von der multikulturellen Gesellschaft träumt und an- – Drucksache 14/6050 – gesichts des Verhaltens der EU Morgenluft wittert, bietet die andere Seite mit Ihnen, sehr verehrter Herr Bundesin- Überweisungsvorschlag: nenminister, einen Minister auf, der in den eigenen Rei- Innenausschuss (f) Rechtsausschuss hen leider völlig isoliert ist und im Parlament höchstens Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der Union unterstützt wird. Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Oje! – Susanne Kastner [SPD]: Lieber Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Gott!) Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich gebe Ihnen Beispiele en masse. Ein Beispiel sind die Familienzusammenführungsrichtlinien aus Brüs- Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der sel. Sie, Herr Bundesinnenminister, haben davor gewarnt, Kollege Erwin Marschewski von der CDU/CSU-Fraktion diese zu akzeptieren. In Brüssel haben die Sozialisten und das Wort. die Grünen dazu Ja gesagt. Die SPD-Bundestagsfraktion