Deutscher Drucksache 13/7400 13. Wahlperiode 07.04.97

Sachgebiet 1101

Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" *)

Konzept Nachhaltigkeit Fundamente für die Gesellschaft von morgen

*) Eingesetzt durch Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Juni 1995 - Drucksache 13/1533. Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode

Zusammensetzung der Enquete-Kommission

Marion Caspers-Merk, MdB, Vorsitzende Erich G. Fritz, MdB, stellvertretender Vorsitzender

Abgeordnete Ordentliche Mitglieder: Stellvertretende Mitglieder:

CDU/CSU Wilhelm Dietzel Erich G. Fritz Dr. Renate Hellwig Kurt-Dieter Grill Dr. Christian Ruck Christa Reichard Prof. Dr. Norbert Rieder (Sprecher) Wolfgang Zöller

SPD (Sprecherin) Reinhard Schultz (Everswinkel) Marion Caspers-Merk Ernst Schwanhold Sabine Kaspereit (bis 18. Februar 1997) Antje-Marie Steen Dr. Angelica Schwall-Düren (seit 18. Februar 1997) Prof. Dr. Bodo Teichmann Dr. Dietrich Sperling

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Prof. Dr. Jürgen Rochlitz (Sprecher) Ulrike Höfken

F.D.P. Birgit Homburger (Sprecherin) Prof. Dr. Gisela Frick

PDS Rolf Köhne Eva-Maria Bulling-Schröter

Sachverständige Dr. Joachim Borner: Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universiät zu Berlin Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio: Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Trier (Kommissionsmitglied bis 6. Fe- bruar 1996) Prof. Dr. Kurt Findeisen: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Abteilung Umweltschutz, Köln Dr. Henning Friege: Beigeordneter der Landeshauptstadt Düsseldorf, Dezernent für Umweltschutz und öffentliche Ein- richtungen Prof. Dr. Georges Fülgraff: Professor für Gesundheitswissenschaften an der Technischen Universität Berlin Prof. Dr. Arnim von Gleich: Professor für das Lehrgebiet Technikbewe rtung am Fachbereich Maschinenbau und Chemieingenieurwesen der Fachhochschule Hamburg Prof. Dr. Paul Klemmer: Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI), Essen Prof. Dr. Immo Lieberoth: Vizepräsident der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (Kommissionsmitglied seit 22. November 1996) Prof. Dr. Otto Rentz: Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Karlsruhe, Leiter des Deutsch-Französischen Instituts für Umweltforschung und des Instituts für Industriebetriebslehre und indust rielle Produktion Dr. Wilfried Sahm: Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie e.V. (VCI), Frankfurt Prof. Dr. Rolf-Ulrich Sprenger: Leiter der Abteilung Umweltökonomie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Mün- chen Prof. Dr. Jürgen Starnick: Professor für Technische Chemie an der Technischen Universität Berlin Jürgen Walter: Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG Chemie-Papier-Keramik, Hannover

Kommissionssekretariat Leiter des Sekretariates: Ministe rialrat Friedhelm Dreyling Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; Dr. Martin Baumert, Diplom-Wirtschaftswissenschaftler Dörte Bernhardt, Diplom-Chemieingenieurin Dr. Peter Büchler, Diplom-Biologe Claudia Engelhardt, Diplom-Biologin Doris Gerking, Diplom-Okonomin Dr. Nicola Schuldt, Diplom-Volkswi rtin Heinrich Strößenreuther, Diplom-Wirtschaftsinformatiker Sachbearbeiterin/Büroleiterin: Lieselotte Hamann Sekretärin: Christiane Kahlert Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Vorwort

„Bitte sage mir, welchen Weg ich gehen soll!"

- „Das hängt davon ab, wohin Du willst" (Lewis Carroll, Alice im Wunderland)

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, herrscht zunächst währleistet, daß die Empfehlungen der Kommission einmal Einigkeit. Alle, von Umweltorganisationen auf nationaler Ebene umgesetzt werden können. bis hin zu Industrieverbänden, von der Bundesregie- Schnell wurde der Kommission klar, daß unser rung bis hin zu den Kommunen, haben das Leitbild Bauen und Wohnen alles andere als nachhaltig ist. der Nachhaltigen Entwicklung auf ihre Fahnen ge- Schier unaufhaltsam schreitet die Zersiedelung der schrieben. Landschaft voran, Einfamilienhaussiedlungen wu- Die Forderung, kommenden Generationen eine le- chern im Umkreis der Städte. Von den Umweltme- benswerte Umwelt zu hinterlassen und daher in Zu- dien ist damit der Boden am stärksten von unserem kunft nicht mehr vom Naturkapital selbst, sondern nicht nachhaltigen Bauen und Wohnen betroffen. Er von dessen Zinsen zu leben, findet breite Zustim- verschwindet unter Teer und Beton und wird mit mung. Doch wenn es darum geht, zu klären, wie das schädlichen Stoffeinträgen überfrachtet. „Raumschiff Erde" ganz konkret in ein nachhaltig Die Arbeit der Enquete-Kommission soll allerdings zukunftsverträgliches 21. Jahrhundert gesteuert wer- nicht nur einen Beitrag zu nachhaltigem Bauen und den soll, gehen die Meinungen auseinander. Wohnen oder zu einem nachhaltigen Umgang mit- der begrenzten Ressource Boden liefern. Sie soll dar- Um bei der Beantwortung der Frage nach einem über hinaus auch als Beispiel für andere Bereiche gangbaren Weg in die Zukunft voranzukommen, hat dienen, so daß schließlich am Ende eines breit ange- der Deutsche Bundestag die Enquete-Kommission legten Prozesses ein Nationaler Umweltplan stehen „Schutz des Menschen und der Umwelt, Ziele und könnte, der Deutschland den Weg ins 21. Jahrhun- Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsver- dert weist. Dabei stehen wir allerdings noch am An- träglichen Entwicklung" eingesetzt. Die Enquete fang, und dieser Weg wird alles andere als einfach Kommission versteht sich als „Runder Tisch im Parla- sein. Die Enquete-Kommission wird Maßnahmen ment", an dem die unterschiedlichsten Standpunkte und Instrumente zur Erreichung der formulierten zusammengefaßt werden. Die Kommission hat 1995 Ziele vorschlagen. Nachhaltige Entwicklung bedeu- ihre Arbeit aufgenommen und legt nun einen Zwi- tet die Umstellung unserer Lebens- und Wirtschafts- schenbericht vor, um Parlament und Öffentlichkeit weise, denn weder unsere Konsumgewohnheiten einen Überblick über die bisherigen Arbeiten zu ge- noch unsere Produktionsweisen sind nachhaltig. ben. Der Bericht erscheint damit rechtzeitig zur Rio- Derartig tiefgreifende Reformen werden jedoch auf Folgekonferenz in New York, auf der Bilanz gezogen Widerstände stoßen, denen wir begegnen müssen. wird und die Unterzeichnerstaaten der Agenda 21 Daß dies gelingt, hängt davon ab, ob wir eine weitere über ihre nationalen Beiträge zur weltweiten Umset- Hürde auf dem Weg zu einer nachhaltig zukunfts- zung des Nachhaltigkeitskonzepts berichten. verträglichen Entwicklung überwinden. Nachhaltig- keit beginnt im Kopf und verlangt die Verwirk- Der Enquete-Kommission ist es nun gelungen, für lichung politischer und gesellschaftlicher Vorstellun- den Schutz des Umweltmediums Boden einvernehm- gen in neuen Partnerschaften. Doch die erste Voraus- lich, das heißt über alle Parteigrenzen hinweg, Ziel- setzung für die Bildung solcher Partnerschaften ist vorstellungen zu erarbeiten. Der Flächenverbrauch die Vermittlung von Informationen. Die Nachhaltig- soll wesentlich verringert, die Stoffeinträge müssen keitsidee wird in Fachkreisen zwar breit diskutiert, reduziert werden. in der Bevölkerung ist sie jedoch kaum bekannt. Um dieses Defizit auszugleichen, wendet sich die Um bei der Nachhaltigkeitsdiskussion nicht auf ei- Enquete-Kommission gezielt an die Öffentlichkeit. nem abstrakten Niveau stehenzubleiben, hat sich die Enquete-Kommission auf den Arbeitsschwerpunkt In diesem Sinne wünsche ich mir, daß dieser Zwi- „Bauen und Wohnen" verständigt. Dieser Bereich schenbericht dazu beiträgt, die Diskussion über ein entspricht einem Grundbedürfnis, geht also uns alle nachhaltig zukunftsverträgliches Deutschland auf an, und hat den Vorteil, daß seine internationale Ver- eine breite Basis zu stellen und ein gutes Stück vor- flechtung vergleichsweise gering ist. Dadurch ist ge anzubringen.

Marion Caspers-Merk Vorsitzende der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis

Seite

Zusammenfassung 6

1 Auftrag, Organisation und Vorgehen der Enquete-Kommission 8

1.1 Entstehung und Auftrag der Kommission 8

1.2 Arbeitsweise der Enquete-Kommission 9

2 Vom Leitbild zur Politik einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent wicklung 12

2.1 Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung 12

2.2 Umsetzung in eine integrative Politik der Nachhaltigkeit 12

2.2.1 Zur Bedeutung von Umweltzielen, Umweltstrategien und Umweltplä - nen 15

2.2.2 Zur Bedeutung von sozialen und ökonomischen Zielen 18

2.3 Entwicklung von Maßnahmen und Instrumenten für eine integrative Politik der Nachhaltigkeit 19

3 Entwicklung von Umweltzielen 21

3.1 Begriffsdefinitionen 21

3.2 Auswahl des Problembereichs „Böden" 22 .

3.3 Bodenfunktionen 22

3.4 Vorschläge für Umweltziele, Umweltqualitätsziele und Umwelthand- lungsziele im Bereich „Böden" 23

3.4.1 Böden als Lagerstätten von Rohstoffen 24

3.4.2 Fläche 24

3.4.3 Bodenerosion und Bodenschadverdichtung 35

3.4.4 Grundwasser 36

3.4.5 Stoffeinträge 38

4 Beispielfeld Bauen und Wohnen 44

4.1 Bauen und Wohnen als Beispielfeld für die Enquete-Kommission 44

4.1.1 Bedeutung des Beispielfeldes für die Arbeit der Enquete-Kommission 44

4.1.2 Begründung für die Auswahl des Lebensbereiches „Bauen und Woh nen" als Beispielfeld 44

4.1.3 Schwerpunktsetzung und Vorgehen 45

4.2 Die ökologische, ökonomische und soziale Dimension im Lebens- bereich „Bauen und Wohnen" 45

4.3 Ziele der Enquete-Kommission im Bereich „Bauen und Wohnen" 53 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Seite

4.4 Rahmenbedingungen und Konflikte mit den Umweltqualitätszielen . . 56

4.4.1 Bevölkerung 56

4.4.2 Entwicklung der Haushalte 58

4.4.3 Einkommensentwicklung und Wohnungsgröße 59

4.4.4 Wohnflächen- und Wohnraumversorgung 59

4.4.5 Entwicklung des Wohnbaulandes 64

4.4.6 Institutionelle Grundlagen der Wohnungs- und Siedlungspolitik 68

4.5 Möglichkeiten und Potentiale 69

4.6 Mögliche Instrumente und Maßnahmen 71

4.6.1 Instrumente im Bereich Bauen 71

4.6.2 Instrumente im Bereich Wohnen 74

5 Innovationen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung 75

5.1 Definition des Innovationsbegriffs 75

5.2 Der Begriff des Innovationssystems 75 - 5.3 Innovationsfähigkeit, Innovationsimpulse, Innovationshemmnisse 77

5.3.1 Innovationsfähigkeit 77

5.3.2 Innovationsimpulse 77

5.3.3 Innovationshemmnisse 78

5.3.4 Kriterien und Verfahren zur Bewe rtung von produkt- und verfahrens relevanten Innovationen 79

5.4 Innovation und nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung 80

5.4.1 Innovationsstrategien für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Ent wicklung 81

5.4.2 Innovationsimpulse im Kontext des Leitbilds 82

5.4.3 Zentrale Handlungsfelder für integrative Innovationsstrategien 82

6 Künftige Arbeitsschwerpunkte 88

Abkürzungsverzeichnis 89

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 91

Sachregister 92

Literaturverzeichnis 94

Kommissionsdrucksachen 98 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Zusammenfassung

Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Um- bei, Informations- und Kommunikationsprozesse zu welt und Entwicklung (UNCED) im Juni 1992 in Rio intensivieren, die sich als wichtige Erfolgs- und Inno- de Janeiro wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, der vationsbedingung für den Umweltschutz erwiesen darauf abzielt, von der Ebene der internationalen haben. Damit entsprechen nationale Nachhaltig- Politik über die nationalen Regierungen bis hin zu keitsstrategien der Komplexität von Innovationsbe- den Kommunen eine gemeinsame Zukunft zu gestal- dingungen und eignen sich besser als die bisherigen ten. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich Steuerungskonzepte der Umweltpolitik. damals auf das Leitbild einer nachhaltig zukunftsver- träglichen Entwicklung verständigt. Die mit dem In einem ersten Schritt zu einer nationalen Nachhal- Leitbild verbundene grundlegende Zielsetzung, die tigkeitsstrategie hat sich die Enquete-Kommission in der Agenda 21 niedergelegt ist, nämlich gleichzei- über allgemeine Definitionen für die von ihr vorge- tig die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, schlagenen Umweltziele, Umweltqualitätsziele und wirtschaftlichen Wohlstand zu ermöglichen und für Umwelthandlungsziele verständigt: soziale Gerechtigkeit zu sorgen, bedingt in den Un- Umweltziele sind am Leitbild einer nachhaltig terzeichnerstaaten Änderungen in sämtlichen Poli- zukunftsverträglichen Entwicklung angebunden, tikbereichen. Letztlich ist es erforderlich, die Defizite dessen vier grundlegende Regeln eine erste Ope- bisheriger Politik zu überwinden und flexible und rationalisierung darstellen. diskursive Strukturen in Wirtschaft, Politik und Ge- sellschaft zu schaffen, um eine integrative Politik Umweltqualitätsziele beschreiben, ausgehend von einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung einem identifizierten ökologischen Problembereich gestalten zu können. [langfristig] angestrebte, am Leitbild der nach- haltig zukunftsverträglichen Entwicklung und am Die langfristige Sicherung der natürlichen Lebens- Nachhaltigkeitsziel der Erhaltung der Funktions- grundlagen und die Verbesserung der ökonomischen fähigkeit des natürlichen Realkapitals orientierte und sozialen Lebensbedingungen bilden die drei Zustände oder Eigenschaften (= Sollwerte) der Um- Dimensionen, die das Leitbild einer nachhaltig zu- welt bezogen auf Systeme, Medien oder Objekte. kunftsverträglichen Entwicklung zu vereinbaren Sie streben eine Erhaltung oder Veränderung kon- sucht. Die Komplexität dieser drei Dimensionen, die kreter Eigenschaften oder Zustände auf globaler, Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Aktivitä- regionaler oder lokaler Ebene an. ten, Produktions- und Handelsverflechtungen, Le- bens- und Konsumgewohnheiten und den damit ver- Grundlage für die Erarbeitung von Umweltquali- bundenen Stoffströmen und Umweltbelastungen ver- tätszielen sind einerseits der wissenschaftliche Er- langen einen Richtungswechsel, der mit Einzelfall- kenntnisstand über qualitative und, soweit verfüg- regelungen nicht zu erreichen ist. bar, quantitative Ursache-Wirkungs-Beziehungen und andererseits auf den Zustand oder die Eigen- Für den Richtungswechsel hin zu einer nachhaltig schaften der Umwelt bezogene gesellschaftliche zukunftsverträglichen Entwicklung sind Zielvorga- Wertvorstellungen. Letztere sind als normative ben erforderlich, die den ökologischen, ökonomi- Vorgaben unverzichtbar, da Umweltqualitätsziele schen und sozialen Aspekten gleichermaßen Rech- nicht ausschließlich wissenschaftlich abzuleiten nung tragen. Die Enquete-Kommission hat sich für und zu begründen sind. Aufgabe der Wissenschaft den „ökologischen" Zugang zur Nachhaltigkeitsde- ist es vielmehr in erster Linie, naturwissenschaft- batte entschieden. Damit steht die Entwicklung von lich begründete Orientierungen zur Entwicklung Umweltzielen im Vordergrund des vorliegenden Be- gesellschaftlicher Wertvorstellungen zu liefern. richtes. Die notwendige Integration der drei Dimen- sionen Ökologie, Ökonomie und Soziales will die En- Umwelthandlungsziele geben die Schritte an, die quete-Kommission nicht auf der allgemeinen und ab- notwendig sind, um die in Umweltqualitätszielen strakten Ebene, sondern am konkreten Problem- beschriebenen Zustände oder Eigenschaften der bzw. Handlungsfeld bewerkstelligen. Umwelt zu erreichen. Dazu bedarf es der Formulie- rung quantifizierter und meßbarer oder anderweitig Im Sinne der Agenda 21 sind nationale Nachhaltig- überprüfbarer Ziele, die sich an verschiedenen Be- keitsstrategien erforderlich, um das Leitbild der nach- lastungsfaktoren orientieren und Vorgaben für not- haltig zukunftsverträglichen Entwicklung in kon- wendige Entlastungen (Belastungsminderung) ent- krete Ziele und Maßnahmen zu übersetzen. Dazu ge- halten. Bei der Formulierung der dazugehörigen hören klare umweltpolitische Ziele und Zeithorizonte, Zeitvorgaben sind die sozialen und ökonomischen die die Wahl der Mittel zur Zielerreichung offenhal- Rahmenbedingungen und Wirkungen zu beachten. ten. Transparente und verbindliche Zielvorgaben,

umgesetzt in kalkulierbare zeitliche Schritte und Im Problembereich „ Böden" wurde von der Kommis- Maßnahmen sowie die klare Benennung von Verant- sion ein umfassender Katalog von Umweltqualitäts- wortlichkeiten schaffen Innovationsanreize und zu- zielen und Umwelthandlungszielen erstellt. Als gleich höhere Investitionssicherheit. Sie tragen dazu Konkretisierung ökologischer Zielvorstellungen be- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 schreiben Umweltqualitätsziele auf der Basis des gen - zerschnitten. Ausgehend von den ökologi- wissenschaftlichen Kenntnisstandes den langfristig schen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhän- angestrebten Zustand von Böden. Sie orientieren sich gen im Bereich „Bauen und Wohnen" hat die En- an den vier grundlegenden Regeln zum Umgang mit quete-Kommission ein Zieldreieck entworfen, das die Ressourcen, Stoffen und der Natur, die die Enquete ökologische, die ökonomische und die soziale Di- Kommission des 12. Deutschen Bundestages aufge- mension in einem Leitbild „Wohnen" miteinander zu stellt hat, und beziehen sich auf die Funktionen, die verknüpfen versucht. Die Maßnahmen und Instru- Böden für den Menschen wahrnehmen. Nachhaltig mente, die die Umsetzung der Umweltqualitäts- und zukunftsverträgliche Nutzung der Böden heißt, die Umwelthandlungsziele unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und die Lebensraum- und Rege- vorliegenden sozialen, ökonomischen und woh- lungsfunktion der Böden nicht dauerhaft zu beein- nungspolitischen Zielsetzungen befördern sollen, trächtigen. Im einzelnen wurden folgende Aspekte sollten sich an diesem Zieldreieck orientieren. für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Nutzung Das Leitbild verlangt, das bestehende wohnungspoli- von Böden unterschieden: Böden als Lagerstätte für tische Instrumentarium und die Städtebauförderung Rohstoffe, Stoffeinträge in Böden, Böden als Filter anzupassen. Gegebenenfalls sind zusätzliche Instru- und Speicher von Grundwasser, Erosion und Ver- mente einzusetzen bzw. Teile des angewendeten In- dichtung von Böden sowie Böden als begrenzte Flä- strumentenmixes zu ersetzen. In einer ersten Nähe- chenressource. Die Verknappung bzw. Gefährdung rung hat die Kommission einen Katalog von Instru- der Böden geht auf Versiegelung, (nutzungsbe- menten zusammengestellt, die in ihrer Wirkung auf dingte) Bodenabträge, Bodenverdichtung oder auf den Flächenverbrauch noch einer weiteren Überprü- Stoffeinträge zurück. An zwei konkreten Beispielen, fung bedürfen. der Bodenversauerung und der Verkehrs- und Sied- lungsflächennutzung, wird mit in Auftrag gegebenen Auf dem Weg zu einer nachhaltig zukunftsver- Studien noch geprüft werden, wie die Rahmenbedin- träglichen Entwicklung nimmt die Förderung gesell- gungen zu gestalten sind, damit den ökologischen schaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Innova- - Erfordernissen Rechnung getragen wird und gleich- tionen eine Schlüsselstellung ein. zeitig ökonomische und soziale Probleme nicht ver- Während in der Vergangenheit ökonomische und schärft werden. gesellschaftliche Aspekte wesentliche Ursachen und Triebkräfte von Innovationen waren, müssen Innova- Die erheblichen Auswirkungen zusätzlicher Flä- tionen künftig die Bedürfnisse einer wachsenden cheninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrs- Zahl von Menschen bei einer gleichzeitigen Begren- zwecke sowie der quantitativ und auch qualitativ be- zung des Abbaus natürlicher Ressourcen und der deutsamen Stoffflüsse auf die Lebensräume von Verminderung von Umweltbelastungen berücksichti- Menschen, Tieren und Pflanzen hat die Enquete gen. Im Sinne des integrativen Konzeptes einer nach- Kommission zum Anlaß genommen, das Bedürfnis- haltig zukunftsverträglichen Entwicklung umfassen „ unter dem Aspekt einer feld Bauen und Wohnen" Innovationen wissenschaftlich-technische, ökonomi- nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung näher sche, ökologische, soziale und kulturelle Kompo- zu betrachten: Wohnen ist ein grundlegendes Be- nenten. dürfnis, Bauen und Wohnen ist ein wichtiger Be- standteil der Kultur, und die Bauwirtschaft hat eine Um den Weg für Innovationen in Richtung Nachhal- große wirtschaftliche Bedeutung. Aber: Die Bereit- tigkeit frei zu machen, müssen Hemmnisse überwun- stellung von Wohnraum - generell die Errichtung den und neue Impulse möglichst schnell, flexibel und von Gebäuden - greift auf vielfältige Weise in den mutig aufgegriffen werden können. Zentrales Anlie- Naturhaushalt ein und führt zu teils erheblichen Be- gen ist daher, die Innovationsfähigkeit, die Entschei- lastungen der Umwelt. Je mehr Fläche genutzt und dungskompetenz, das Wissen aller gesellschaftlichen je mehr Material eingesetzt wird, desto größer ist in Akteure und ihr Engagement zu fördern und breite der Regel die damit einhergehende Umweltbe- Akzeptanz zu schaffen. Dies setzt gesellschaftliche einträchtigung. Eine Fortschreibung der derzeitigen Lern-, Verständigungs- und. Gestaltungsprozesse Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsflächen- voraus, wobei im Einzelfall stets die drei Bewertungs- nutzung dürfte zu erheblichen ökologischen Proble- dimensionen Ökonomieverträglichkeit, Sozialver- men führen. Die anhaltende Zersiedelung der Land- träglichkeit und Umweltverträglichkeit zu berück- schaft und die damit einhergehende Flächenversie- sichtigen sind. Die Enquete-Kommission hat darauf gelung verändern die Lebensräume für Menschen, aufbauend unterschiedliche Aktionsfelder identifi- Tiere und Pflanzen. Die Landschaft und gewachsene ziert, an denen sich Innovationsstrategien für eine Naturräume werden - vor allem durch den mit der nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung aus- Besiedlung einhergehenden Bau von Verkehrswe richten können.

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

1 Auftrag, Organisation und Vorgehen der Enquete-Kommission

1.1 Entstehung und Auftrag der Kommission lung zu klären. Einerseits können Umweltziele nur unter Berücksichtigung der ökologischen, sozialen Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und wirtschaftlichen Folgen formuliert werden. und der Umwelt - Bewertungskriterien und Perspek- Andererseits können soziale und wirtschaftliche tiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der In- Ziele nicht ohne Rücksicht auf ökologische Aus- dustriegesellschaft" des 12. Deutschen Bundestages wirkungen erreicht werden. Die Entwicklung hat ihre Arbeit mit der Vorlage des Berichtes „Die In- neuer Konzepte und Strukturen wird oft notwen- dustriegesellschaft gestalten - Perspektiven für einen dig sein. nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströ- Die Begrenzung des Eintrages von Schadstoff in men" im Jahr 1994 abgeschlossen. Hierzu gehörte die Umwelt und von klimaschädlichen Emissionen die Ableitung grundlegender Regeln zum Umgang sind wesentliche Voraussetzungen, um eine nach- mit Stoffen, die Auseinandersetzung mit der Bedeu- haltig zukunftsverträgliche Entwicklung zu errei- tung des Produktionsfaktors Natur als eines Engpaß- chen. Dem umfassenden Anspruch des Leitbildes faktors für die wirtschaftliche Entwicklung sowie die folgend, sind nicht nur die regional begrenzten Beschreibung von ökonomischen, ökologischen und unerwünschten Auswirkungen auf das Ökosystem sozialen Kriterien für_ eine nachhaltig zukunftsver- zu betrachten, sondern auch die globalen Wirkun- trägliche Entwicklung. In dem Bericht wird darauf gen. hingewiesen, daß die Kommission Teilbereiche ihres - Auftrages nicht in dem wünschenswerten Umfang Im Hinblick auf die Ausgestaltung nationaler Ziele bearbeiten konnte. Entsprechend empfahl die Kom- wie auch der Maßnahmen zu ihrer Erreichung mission dem Deutschen Bundestag, die Arbeit in müssen daher die Möglichkeiten zur internationa- der 13. Legislaturpe riode über die Einrichtung einer len Ausweitung berücksichtigt werden. neuen Enquete-Kommission fortzuführen. Um Maßstäbe für die Umweltpolitik zu erhalten, Auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, sind folgende Arbeiten zu bewältigen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. setzte der 13. Deutsche Bundestag am 1. Juni 1995 die En- - Bestandsaufnahme der Umwelt unter besonde- quete-Kommission „Schutz des Menschen und der rer Berücksichtigung der Quellen und der Sen- Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer ken belastender Stoffe, nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" ein. Identifikation von konkreten Problemfeldern Diese wurde am 21. Juni 1995 durch die Präsidentin und Stoffströmen, des Deutschen Bundestages konstituiert. Zum Vor- sitzenden der Kommission wurde der Abgeordnete Fortentwicklung übergeordneter Bewertungs- Ernst Schwanhold, SPD, bestimmt, zu dessen Stell- kriterien für den Umgang mit Stoffen, beson- vertreter der Abgeordnete E rich G. Fritz, CDU/CSU. ders bei umweltoffener Anwendung, Aufgrund der Wahl zum wirtschaftspolitischen Spre- Normative Festlegung von Umweltzielen und cher seiner Fraktion legte der Abgeordnete Ernst Umweltqualitätszielen, Schwanhold in der 4. Sitzung am 5. Oktober 1995 sein Amt als Vorsitzender der Enquete-Kommission - Erarbeitung von Grundlagen für einen nationa- nieder. Neue Vorsitzende wurde die Abgeordnete len Umweltplan. Marion Caspers-Merk, SPD.

Der Einsetzungsbeschluß formuliert den Auftrag 2. Erarbeitung ökonomischer und sozialer der Enquete-Kommission wie folgt (BT-Drucksache Rahmenbedingungen für eine nachhaltig 13/1533): zukunftsverträgliche Entwicklung

Der Deutsche Bundestag beauftragt die Enquete Zur Erarbeitung ökonomischer und sozialer Rah- Kommission, folgende Schwerpunkte zu bearbeiten: menbedingungen sind folgende Schritte notwen- dig:

1. Erarbeitung von Umweltzielen für eine - In- einem ersten Schritt müssen die Anpassungs nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit des bestehenden Sy- Im Zuge einer Orientierung von Wirtschaft und stems einer sozialen Marktwirtschaft und des be- Gesellschaft am Leitbild „Sustainable Develop- stehenden sozio-kulturellen Systems analysiert ment" ist ein Strukturwandel im Wirtschafts- und und beschrieben werden. Die Grenzen ihrer Gesellschaftssystem erforderlich. Wandlungsfähigkeit im Rahmen einer nach- haltig zukunftsverträglichen Entwicklung müs- Die Bedingungen für eine nachhaltige Entwick sen herausgearbeitet, Mindestanforderungen lung können nicht benannt werden, ohne die Fra zur nachhaltigen Sicherung der Stabilität dieser ge nach den Randbedingungen dieser Entwick Systeme gegebenenfalls definiert werden.

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

- In einem nächsten Schritt gilt es, die Wechsel- Weise bislang von der Allgemeinheit getragene wirkungen zwischen den sozioökonomischen nachteilige Effekte am besten verursachergerecht Aspekten und Rahmenbedingungen auch in in interne Kosten überführt werden können. Verbindung mit den ökologischen Zielsetzun- Dabei sind folgende Bereiche verstärkt zu behan- gen darzustellen. deln: - Schließlich geht es um die Analyse der sozio- - Überprüfung und Weiterentwicklung des um- ökonomischen Systeme im Hinblick auf ihre weltpolitischen Instrumentariums: fundamentalen Steuerungsprinzipien und -me- chanismen. Dabei ist zu untersuchen, wie sich O Vorschläge zur verbesserten Anpassung ord- die Prinzipien der Marktsteuerung, Vertrags- nungsrechtlicher Bestimmungen an die An- freiheit, Eigentumsordnung sowie die Vorstel- forderungen und Möglichkeiten eines be- lungen von Freiheit und Gerechtigkeit an das triebs- und medienübergreifenden Umwelt- Leitbild anpassen lassen. schutzes, O Untersuchung und Bewertung der Einsatz- 3. Notwendigkeit gesellschaftlicher, möglichkeiten ökonomischer Instrumente in wirtschaftlicher und technischer Innovationen einer sozialen und ökologischen Marktwirt- schaft anhand konkreter Beispiele aus ver- Eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung schiedenen Bereichen (Abgaben, Steuern ist nur durch einen Wandel zu erreichen, der neben [z. B. „ökologische Steuerreform"], Zertifi- technischen auch soziale und gesellschaftliche In- kate, Haftungsrecht etc.), novationen umfaßt. O Überprüfung der Möglichkeiten zur Förde- Die Umsetzung des Leitbildes „Sustainable Devel- rung informatorischer Instrumente und frei- opment" kann letztlich nur durch das Zusammen- williger Maßnahmen (Umweltmanagement- wirken aller Akteure auf Basis eines entwickelten systeme, Öko-Audit, Ökobilanzen, Environ-- Problembewußtseins gelingen. mental Performance Evaluation, Responsible Es ist daher nötig: Care, etc.), - Strategien zur Förderung neuer, ressourcen- - Überprüfung bzw. Neubewertung staatlicher schonender und schadstoffvermeidender Ver- Einnahmen und Ausgaben auf ihre Umweltwir- fahren, Produkte und Strukturen zu entwickeln, kung, - Darlegung der ökologischen Folgen von Geset - Szenarien zur Erreichung des übergeordneten zesvorhaben, Leitbildes einer nachhaltig zukunftsverträg- lichen Entwicklung im internationalen Rahmen - Weiterentwicklung der Methodik des Stoff- zu entwickeln, strommanagements unter besonderer Berück- sichtigung diskursiver und kooperativer Vorge- - Schwerpunktsetzungen im Bildungsbereich zur hensweisen, Vermittlung des Leitbildes und der zu seiner Verwirklichung erforderlichen Qualifikationen - Diskussion darüber, wie Instrumente einzeln vorzunehmen, oder in Kombination eingesetzt werden können, um konkrete Umweltziele treffsicher und effi- - innovationsfördernde Rahmenbedingungen in zient zu erreichen (Untersuchung an konkreten Kultur und Gesellschaft zu verbessern, Beispielen aus verschiedenen Bereichen). - die Einflußfaktoren auf das Handeln und Ver- halten von Konsumenten und Produzenten im Hinblick auf die individuelle Umsetzung von 1.2 Arbeitsweise der Enquete -Kommission Umwelteinstellungen zu analysieren, - den notwendigen Wandel zur Umsetzung des Zusammensetzung der Enquete-Kommission Leitbildes und die damit einhergehende Neube- wertung von Werthaltungen, Einstellungen, Die Enquete-Kommission setzt sich aus 11 Mitglie- Konsummustern und Lebensstilen auf Basis der dern der im Deutschen Bundestag vertretenen Frak- gesellschaftlichen Ziele und vorhandener Er- tionen und 11 Sachverständigen zusammen. Die fahrungswerte zu beschreiben. Gruppe PDS wirkt entsprechend den Beschlüssen des Bundestages und den Vereinbarungen des Älte- stenrates mit einem Mitglied beratend mit. Sie hat 4. Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltig von der vereinbarten Möglichkeit Gebrauch ge- zukunftsverträglichen Entwicklung macht, einen Sachverständigen ohne Stimmrecht zu Zur Wahrnehmung seiner Aufgabe, geeignete benennen. Ein Sekretariat unterstützt die Arbeit der Rahmenbedingungen für gesellschaftliche, wirt- Kommission in organisatorischer und wissenschaft- schaftliche und technische Innovationen zu schaf- licher Hinsicht. fen, stehen dem Staat verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die im Sinne der aus dem Leitbild Beratungsverlauf abgeleiteten gesellschaftlichen Ziele entworfen, umgestaltet, ergänzt oder kombiniert werden müs- Die Kommission führte in der Zeit von ihrer Konsti sen. Im Lichte der Knappheit der Umwelt und an- tuierung am 21. Juni 1995 bis zur Verabschiedung derer Güter ist die Frage zu klären, auf welche des Zwischenberichts in der Sitzung am 6. März 1997

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

39 Sitzungen sowie eine zweitägige Klausurtagung Im Rahmen der Arbeitsgruppen der Enquete-Kom- durch. mission fanden weitere Anhörungen bzw. Fachge- spräche zu den Themen „ Neue Energiedienstleistun- Zur Unterstützung der Arbeit richtete die Kommis- gen", „Aktuelle Innovationsprozesse in Deutsch- sion Arbeitsgruppen zu den Themen „ Umweltziele land", „ Innovationsprozesse und Umwelttechnik" so- und Instrumente", „ Handlungsspielräume/Ökonomi wie „ Langfristperspektive der Weltenergiesituation" sche und soziale Rahmenbedingungen", „ Innovatio- statt. nen" sowie „ Bauen und Wohnen" ein. In das Aufga- bengebiet der Arbeitsgruppen fielen neben der the- matischen Vorstrukturierung und Vorbereitung öf- Auswärtige Kommissionssitzungen fentlicher und interner Anhörungen auch die Erar- Die Kommission führte zwei auswärtige Kommis- beitung von Vorschlägen für die Vergabe von Stu- sionssitzungen durch. Sie traf am 14. Oktober 1996 in dien und Berichtstexten. Insgesamt haben die Ar- Aachen mit Mitgliedern des Ausschusses für Umwelt beitsgruppen bis zur Verabschiedung des Zwischen- der Zweiten Kammer im niederländischen Parlament berichtes 77 mal getagt. zur Erörterung der Themen „Nationaler Umwelt- Die Arbeit der Kommission wurde unterstützt durch plan", „Freiwillige Vereinbarungen" und „Ökonomi- das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deut- sche Instrumente" zusammen. schen Bundestag (TAB), Vertreter des Bundesmini- Am 20. Januar 1997 informierte sich die Kommission steriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- in Gelsenkirchen am Standort der Internationalen heit (BMU), des Umweltbundesamtes (UBA), des Bauausstellung - Emscher Park - über das Struktur- Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen programm des Landes Nordrhein-Westfalen zur öko- und Städtebau (BMBau), der Bundesanstalt für Lan- logischen und städtebaulichen Erneuerung der Indu- deskunde und Raumordnung (BfLR), des Bundesmi- strieregion nördliches Ruhrgebiet. nisteriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), des Bundesministeriums für - Wirtschaft (BMWi), des Bundesministeriums für Er- Informationsreisen nährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) und Im Auftrag der Enquete-Kommission reisten Delega- durch Vertreter der Länder. tionen zu Gesprächen mit der Kommission der Euro- päischen Gemeinschaften nach Brüssel sowie nach Österreich, Schweden, Dänemark, Frankreich und in Anhörungen die Schweiz. Neben Begegnungen mit Vertretern Die Enquete-Kommission führte öffentliche Anhö- von Regierung und Parlament zum Thema „Strate- rungen von externen Sachverständigen zu folgenden gien zur Umsetzung des Leitbildes der nachhaltig zu- Themen durch: kunftsverträglichen Entwicklung" nutzten die Dele- gationen die Gelegenheit zum Informations- und - „ Elemente für ein Konzept der nachhaltigen Ent- Meinungsaustausch mit internationalen Organisatio- wicklung" - Vorstellung der Diskussionsgrundlage nen wie der Europäischen Umweltagentur (Environ- des Interdepartementalen Ausschusses Rio (IDA- mental Protection Agency - EPA) in Kopenhagen, der Rio), Schweiz (26. Februar 1996) Welthandelsorganisation (World Trade Organization - WTO) in Genf, den Regionalbüros bzw. Vertretun- „ Umweltökonomische Gesamtrechnungen (UGR)" gen des United Nations Environment Programme - Vorstellung des Konzeptes des Statistischen Bun- (UNEP) in Genf und Paris, der Organisation für wirt- desamtes (26. Februar 1996) schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Orga-

- „ Nachhaltigkeitskonzepte in der Wirtschaft" nization for Economic Co-operation and Develop- (29. und 30. April 1996) ment - OECD) und der Internationalen Handelskam- mer (International Chamber of Commerce - ICC) in - „ Soziale Entwicklungen und Innovationen im Le- Paris. bensbereich Bauen und Wohnen" (3. und 4. Juni 1996) Berichte der Bundesminister vor der Kommission - „ Kommunen und nachhaltige Entwicklung - Bei- träge zur Umsetzung der Agenda 21" (18. Novem- Die Kommission führte einen intensiven Dialog mit ber 1996) und Vertretern der Bundesregierung. Die Bundesministe- rin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - „ EXPO 2000 - Themenpark Mensch-Natur-Tech- unterrichtete die Kommission über die Schwerpunkte (2. Dezember 1996) nik" ihrer Arbeit für eine nachhaltige Entwicklung, na- Die Sitzungsniederschriften dieser Anhörungen sind mentlich über die Aufnahme des Diskurses mit wich- ebenso wie die schriftlich vorgelegten Stellungnah- tigen Akteuren in zentralen Gebieten der Umwelt- men der Öffentlichkeit zugänglich (siehe Anhang). politik im Rahmen des Rio-Nachfolgeprozesses. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Darüber hinaus wurden interne Anhörungen bzw. Städtebau unterrrichtete die Kommission im Vorfeld

Fachgespräche zu den Themen „ Nachhaltig zu- der Weltkonferenz zu Fragen der menschlichen Sied- kunftsverträgliche Entwicklung: - Indikatoren für lungen (Habitat II) im Juni 1996 in Istanbul und im Nachhaltigkeit, Umweltqualitätsziele und Umwelt- Hinblick auf das Schwerpunktthema der Kommission ziele - Diskussionsstand und Perspektiven" und „ Bo- über die Arbeiten seines Resso rts im Themenfeld den - Ressource, Stoffeinträge" durchgeführt. „Nachhaltiges Bauen und Wohnen". Der Bundesmi-

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 nister für Wirtschaft äußerte sich zu den Chancen • „Auswirkungen der Triebkräfte und Trends der und Restriktionen der nachhaltig zukunftsverträgli- Globalisierung auf eine nationale Politik der Nach- chen Entwicklung für den Standort Deutschland und haltigkeit" zu Handlungsspielräumen, die er für Deutschland im Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IOW), internationalen Rahmen und angesichts der Globa- Berlin lisierung sieht. • „Auswirkungen der Trends und Triebkräfte der Globalisierung auf eine nationale Politik der Nach- Studien haltigkeit" Neben der Durchführung von externen und internen Institut für Regionale Studien in Europa (EURES), Anhörungen und der Erstellung von Arbeitspapieren Freiburg aus den Reihen der Kommission wurden die Frage- • „ Umweltbewußtsein und -verhalten" stellungen der Enquete-Kommission insbesondere Privatdozent Dr. Udo Kuckartz, Freie Universität durch die Vergabe von Studien bearbeitet. Durch Berlin Abstimmung mit den Bundesressorts wurde sicher- gestellt, daß es einerseits zu keiner Doppelvergabe • „ Risiko- und Technikakzeptanz" kam und andererseits die Ergebnisse von anderwei- Akademie für Technikfolgenabschätzung des Lan- tig veranlaßten Studien von der Enquete-Kommission des Baden-Württemberg, Stuttga rt verwendet werden können. Die von der Kommission in Auftrag gegebenen Studien werden als Verlags- • „ Stoffströme und Kosten in den Bereichen Bauen publikationen gesondert veröffentlicht. und Wohnen" Folgende - zum Teil noch nicht ausgewertete - Stu- Institut für Technikfolgenabschätzung und Sy- dien liegen der Enquete-Kommission vor: stemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe (ITAS) und Institut für industrielle Bauproduktion • „ Erstellung eines Nationalen Umweltplanes" der Universität Karlsruhe (ifib) Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und ecologic, Gesellschaft für • „ Baumaterialien und gebäudebedingte Erkran- Internationale und Europäische Umweltforschung, kungen" Berlin Armin Radünz, Bonn

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2 Vom Leitbild zur Politik einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung

2.1 Leitbild einer nachhaltig pital, Wissen, Humankapital und das den sozialen zukunftsverträglichen Entwicklung Frieden sichernde institutionelle Kapital weiterzuge- ben und für nachfolgende Generationen nutzbar zu machen, um ihnen Chancen und Optionen für die Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt- eigene Entwicklung offen zu halten. und Entwicklung (UNCED), die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand, erklärte eine nachhaltig zu- kunftsverträgliche Entwicklung') zur zentralen Zu- Sustainable development ist ein Leitbild, das unmit- kunftsaufgabe unserer Gesellschaften für das telbar jede der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit 21. Jahrhundert. Mit diesem Treffen der Staats- und betrifft. Die Komplexität einzelner Teilbereiche, de- Regierungschefs wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, ren vielfältige Wechselbeziehungen und die Unge- der darauf abzielt, von der Ebene der internationalen wißheit zukünftiger Entwicklungspfade lassen keine Politik über die nationalen Regierungen bis hin zu einfachen, endgültigen Zielbestimmungen für die den Kommunen eine gemeinsame Zukunft zu gestal- weitere Entwicklung zu. Problemempfinden und ten. Mit dem bereits von der Brundtland-Kommission Prioritäten hängen von Kulturkreisen sowie von so- für Umwelt und Entwicklung 1987 formulierten Prin- zialen und wirtschaftlichen Entwicklungszuständen zip der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwick- ab und unterliegen einem permanenten Wandel. Das lung wurde eine zunächst abstrakte Formel gefun- Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- den, die von allen Beteiligten mitgetragen werden wicklung muß dabei immer wieder aufs neue opera- konnte. Danach bedeutet sustainable development tionalisiert werden. Der dazu notwendige Such-, eine Entwicklung, welche den Bedürfnissen der ge- Lern- und Erfahrungsprozeß vollzieht sich im politi- genwärtig lebenden Menschen entspricht, ohne die schen und gesellschaftlichen Wettbewerb um die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Befrie- „besten Ideen und erfordert die Diskurs- und Lernfä- digung ihrer Bedürfnisse zu gefährden. higkeit bzw. -willigkeit der am Prozeß Beteiligten. Gefordert sind vor allem flexible und diskursive Die Unterzeichnerstaaten haben sich dazu bekannt, Strukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um diesen politisch formulierten Anspruch zu konkreti- sich auf die unterschiedlichen und wechselnden An- sieren, auszugestalten und mit Inhalten zu füllen. Die forderungen des Entwicklungsprozesses einstellen damit verbundene Verpflichtung, auf nationalstaat- zu können. licher Ebene zielführende Beiträge zu leisten, ist nur über eine Willensbildung im Rahmen komplexer Eine zentrale Aufgabe der Zukunft wird es sein, die Beziehungsgeflechte, Abhängigkeiten und Wesens- Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen zwi- merkmale eigener und anderer nationalstaatlicher schen einzelnen, politischen Teilbereichen zu ermit- und gesellschaftlicher Eigen- und Besonderheiten zu teln, damit übergreifende Antworten gefunden wer- realisieren. Das in den Unterzeichnerstaaten zugrun- den können. Eine solche integrative Politik für eine deliegende gesellschaftliche Selbstverständnis, kul- zukunftsverträgliche Entwicklung liegt im gesamtge- turelle Traditionen sowie der jeweilige wirtschaftli- sellschaftlichen Interesse. che und soziale Entwicklungsstand sind Teil der Rah- menbedingungen für nationalstaatliches Handeln.

Eine derartige, nachhaltig zukunftsverträgliche Ent- wicklung steht vor der Herausforderung, im Rahmen 2.2 Umsetzung in eine integrative Politik des von der Brundtland-Kommission aufgestellten der Nachhaltigkeit Prinzips ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielsetzungen gleichgewichtig Rechnung zu tragen und damit die ethische Verantwortung für die Ge- Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen rechtigkeit zwischen den heute lebenden Menschen und der Umwelt des 12. Deutschen Bundestages und zukünftigen Generationen wahrzunehmen. Es bezeichnete soziale, ökonomische und ökologische handelt sich damit um ein Leitbild, das weit über die Ziele als tragende Säulen des Leitbildes einer nach- Betrachtung der umweltpolitischen Komponente hin- haltig zukunftsverträglichen Entwicklung. „Es wird ausgeht und unmittelbar ökonomische, ökologische immer klarer, daß die verfügbaren Umweltressour- und soziale Entwicklungsprozesse berührt. cen, vor allem die Aufnahmekapazitäten der Umwelt, begrenzt sind, was die Möglichkeit ihrer Nutzung Neben dem Erhalt des natürlichen Realkapitals geht durch uns dramatisch einschränkt. Wechselwirkun- es bei dieser Herausforderung auch darum, Sachka- gen zu wirtschaftlichen und sozialen Krisenerschei- nungen werden deutlich. Aus dieser existentiell be- 1 ) Diese Übersetzung des englischen Begriffes „sustainable drohlichen Situation gibt es nur dann einen wirkli- development' wurde von der Enquete-Kommission „Schutz chen Ausweg, wenn Ökonomie, Ökologie und sozia- des Menschen und der Umwelt" des 12. Deutschen Bundes- tages aus der Vielzahl der Übersetzungsmöglichkeiten ge- ler Ausgleich als Einheit beg riffen werden, wenn wählt. politisches wie wirtschaftliches Handeln künftig alle

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 drei Aspekte gleichermaßen ins Kalkül einbezieht, In diesem Sinne muß Umweltpolitik auf wirtschaft- statt sie gegeneinander auszuspielen. 2 ) liche und soziale Bedingungen eingehen. Aber ange- sichts fortschreitender Belastung der Naturhaushalte Einerseits muß eine daraus abzuleitende integrative muß Wirtschaftspolitik ihrerseits auf die Umwelt und Politik darauf abzielen, das „natürliche Kapital lang- wegen der Verteilungswirkungen auch auf Soziales fristig zu sichern. Die Idee einer nachhaltig zukunfts- Rücksicht nehmen. Und genauso muß Sozialpolitik verträglichen Entwicklung geht bei der Beschrei- unter Berücksichtigung von Umwelt- und Wi rt bung des Begriffs „natürliches Kapital" von den -schaftsverhältnissen formuliert werden. Funktionen aus, die das natürliche System (Öko- sphäre) für das wi rtschaftliche System (Techno- Dies zwingt zur Klärung des Verhältnisses von ökolo- sphäre) wahrnimmt: gischen, ökonomischen und sozialen Zielen, denen • Die Produktionsfunktionen haben die Versorgung eine nachhaltig zukunftsverträgliche Politik zu die- der Gesellschaft mit Produkten und Gütern der nen hat. Ökonomische und soziale Ziele sind in ei- natürlichen Umwelt zum Gegenstand, um Elemen- nem langen Prozeß gesellschaftlicher Auseinander- tarbedürfnisse zu erfüllen bzw. natürliche Ressour- setzungen entstanden. cen verfügbar zu machen. Für die Ableitung von ökologischen Zielen hat die • Die Trägerfunktionen bestehen da rin, daß die Akti- Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der vitäten, Erzeugnisse und Abfälle menschlichen Umwelt - Bewertungskriterien und Perspektiven für Handelns von der Umwelt aufgenommen und „er- umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industrie- tragen werden müssen. gesellschaft" bereits in der 12. Legislaturperiode vier grundlegende Regeln über den Umgang mit Ressour- • Die Informationsfunktionen erfüllen den Fluß oder cen, Stoffen und Natur aufgestellt. Diese sind nicht Austausch von Informationen zwischen Umwelt nur auf die Sicherung der Leistungsfähigkeit des na- und Mensch bzw. Gesellschaft sowie anderen türlichen Produktionssystems „Ökosphäre ausgerich- Lebewesen. Informationen dienen zur Orientie- tet, sondern betonen die Notwendigkeit der Erhal- rung und vor allem zur Regelung von Bedürfnisbe- tung der Funktionsfähigkeit des „natürlichen Kapi- friedigungen. tals zugunsten späterer Generationen. • Die Regelungsfunktionen werden benötigt, um Die Beachtung der grundlegenden Regeln soll dafür grundsätzliche wichtige Vorgänge des Naturhaus- sorgen, daß spätere Generationen bezüglich der Um- haltes, die durch Mensch oder Gesellschaft bean- weltqualität und der Versorgung mit natürlichen Res- sprucht oder erwartet werden, im Gleichgewicht sourcen nicht schlechter gestellt sind. Die Regeln lau- zu halten, um die Folgen von Eingriffen aufzufan- ten im einzelnen: gen oder auszugleichen.

• Ästhetische und Erholungsfunktionen der Natur (1) Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll haben eine große soziale und kulturelle Bedeu- deren Regenerationsrate nicht überschreiten. Dies tung. " 3 ) entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit, d. h. (minde- Andererseits ist eine nachhaltig zukunftsverträgliche stens) nach Erhaltung des von den Funktionen her Politik nicht allein aus ökologischer Sicht zu formu- definierten ökologischen Realkapitals. lieren. Auch die intensivste Ressourcenschonung im Interesse zukünftiger Generationen muß gegenwärti- (2) Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in gen menschlichen Bedürfnissen gerecht werden. dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch Darum drängen sich Überlegungen zum gleichzeiti- und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form erneu- gen Betrachten ökonomischer und sozialer Notwen- erbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der er- digkeiten auf, wenn man ökologischen Orientierun- neuerbaren sowie der nicht-erneuerbaren Ressour- gen Wirksamkeit verschaffen will. „Nachhaltig zu- cen geschaffen wird. kunftsverträgliches Wi rtschaften verlangt also auch eine erhöhte Anpassungsbereitschaft der Bevölke- (3) Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der rung und Wirtschaft. Solche Anpassungsbereitschaft Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren, wobei ist aber angesichts von Verteilungs- und Arbeits- alle Funktionen zu berücksichtigen sind, nicht zu- marktkonflikten begrenzt. Hierin könnte sogar ein letzt auch die „stille und empfindlichere Regelungs- größeres Problem künftiger Entwicklung liegen als in funktion. der ökologischen und ökonomischen Anpassungs- (4) Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Ein- fähigkeit. Daher muß die Sozialverträglichkeit der griffe in die Umwelt muß im ausgewogenen Verhält- künftigen Wirtschaftsentwicklung stets mitberück- nis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der sichtigt werden. Diese hängt aber stark von der Lern- Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen. fähigkeit eines Systems und damit von der Vermitt- lung der Sinnhaftigkeit umweltpolitischen Handelns Vergleichbare Grundregeln gibt es bislang für öko- ab. 4 ) nomische und soziale Ziele nicht. Grundregeln für die Ableitung ökonomischer und sozialer Ziele auf- 2) Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um- zustellen und diese Ziele dann analog zu den noch welt" (1994) 54 darzulegenden Umweltqualitäts- und -handlungszie- 3) SRU (1987a), Tz. 5, 15; zitiert nach Enquete-Kommission len zu entwickeln, überschreitet die Möglichkeiten „Schutz des Menschen und der Umwelt" (1994) 31f 4) Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um- dieser Enquete-Kommission. So würde z. B. der Streit welt" (1994) 55 um quantifizierte soziale Handlungsziele bei der

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Konsenssuche nach ökologischen Handlungszielen aber gegebenenfalls nur noch begrenzt im nationa- lähmend wirken. len Rahmen sinnvoll durchsetzbar sein.

Aus den in diesem Zusammenhang innerhalb der En- Auch Sozialpolitik, die den inneren Frieden wahrt, quete-Kommission geführten Diskussionen folgte läßt sich als kostensparend betrachten, wenn die letztlich die Einsicht, daß die Formulierung ökonomi- Alternative die Überlastung oder den Zusammen- scher und sozialer Ziele in analoger Form zu den Um- bruch erheblicher Teile des Wi rtschaftssystems mit weltqualitäts- und Umwelthandlungszielen die Korn- sich brächte. mission zudem über ihren Auftrag hinaustreiben würde. Man einigte sich auf die Vorgehensweise, Ein wichtiger Schlüssel für die Lösung von Proble- daß man pragmatisch in den aus ökologischer Sicht men, die mit den Zielsetzungen der Nachhaltigkeit ausgewählten Handlungsfeldern überprüfen werde, in Verbindung stehen, sind Innovationen auf allen welche ökonomischen und sozialen Ziele mitbedacht gesellschaftlichen Ebenen sowie technische Neue- und welche Maßnahmen und Instrumente durch öko- rungen und Weiterentwicklungen im besonderen. In- nomische und soziale Rahmenbedingungen mitge- novationen in Richtung Nachhaltigkeit sind um so formt werden müssen, um Nachhaltigkeit zu erzie- eher zu erwarten, je mehr die gesellschaftlichen len. Mögliche, ja wahrscheinliche Zielkonflikte in- Gruppen dazu bereit sind, sich an dem gemeinsamen nerhalb der Dreidimensionalität müßten im Zusam- Leitbild zu orientieren. menhang mit konkreten Maßnahmen und Instru- Die Bereitschaft und Fähigkeit von Politik, Wi rtschaft menten ausgetragen werden. und Gesellschaft zu Neuerungen im weitesten Sinne Gleichzeitig muß im Rahmen eines gesellschaftlichen ist damit unverzichtbar, um die notwendige Integra- Suchprozesses nicht nur die Gleichrangigkeit der tion der Dimensionen der Nachhaltigkeit zu bewerk- Dimensionen der Nachhaltigkeit, sondern auch die stelligen. Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Gene- rationen zum integralen Bestandteil der Modernisie- Sondervotum der Kommissionsmitglieder rung von Wirtschaft und Gesellschaft werden. Dies Prof. Dr. Jürgen Rochlitz setzt eine Langfristorientierung bei Entscheidungen und Prof. Dr. Arnim von Gleich: in allen Politikbereichen voraus. Gleichzeitig wird -dadurch ein gesellschaftlich-politischer Bewertungs „Die Kommission hat zudem weitergehende Vorschläge zu und Abwägungsprozeß gefördert, der mögliche Ziel- diesen Managementregeln der Nachhaltigkeit diskutiert. So konflikte zwischen den drei Dimensionen und zwi- die vom Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem schen den Generationen offenlegt. Ein umfassender Umweltgutachten für notwendig erachtete Ergänzung des gesellschaftlicher Diskurs schafft die notwendigen Leitbildes der dauerhaft umweltgerechten Entwicklung um den Aspekt der Risikovorsorge: „Gefahren und unvertret- Voraussetzungen für eine größere gesellschaftliche bare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthro- Akzeptanz der bestehenden gesellschaftlichen Rah- pogene Einwirkungen sind zu vermeiden. (SRU 1994, S. 41) menbedingungen und der politischen Entscheidun- und die in dieselbe Richtung gehende Formulierung des In- gen. terdepartementalen Ausschusses Rio der Schweizerischen Bundesregierung: „Unfallrisiken mit Auswirkungen auf Für die Arbeit der Kommission ergibt sich das Grund- Mensch und Biosphäre sind nur so weit zulässig, als sie auch verständnis, die gegenwärtigen Formen des Produ- beim größten möglichen Schadensereignis keine dauerhaf- zierens und Konsumierens mit den ökologischen Er- ten Schäden über eine Generation an Menschen, Pflanzen, Tieren und Ökosystemen verursachen können. (IDARio fordernissen in Einklang zu bringen. Es gilt, die not- 1995, Seite 14). Zur Begründung heißt es dort: „Wird ein wendigen Anpassungsprozesse im Rahmen der Schadensausmaß so groß, daß es unabhängig von der noch marktwirtschaftlichen Ordnung zu vollziehen. 5 ) Dies so geringen Wahrscheinlichkeit als unakzeptabel bewe rtet führt zu Veränderungen, die gegebenenfalls bei der wird, so ist die entsprechende Anlage oder Technik mit Verteilung des Wirtschaftsergebnisses unter den ge- Nachhaltigkeit unve rträglich. (IDARio 1995, Seite 42). sellschaftlichen Gruppen sowie vom Staat zu berück- Die Vorsorge gegenüber extremen technischen Risiken mit sichtigen sind. Es muß beachtet werden, daß damit potentiellen Auswirkungen auf ganze Landstriche und auf auch Verluste an Wettbewerbsfähigkeit oder eine zukünftige Generationen gehört unverzichtbar zum Nach- Abwanderung von Produktionen in andere Länder, haltigkeitsparadigma und zwar unter ökologischen, ökono- die wesentlich weniger auf Ökologieverträglichkeit mischen und sozialen Aspekten. Die bisher formulierten vier achten, verbunden sein können. Dann nämlich er- Managementregeln sind sehr stark auf Stoffentnahme und folgte anschließend der Import von Produkten, deren Stoffeinträge in die Natur konzentriert. Das Vorsorgeprinzip im Hinblick auf extreme technische Risiken ist u. E. darin Erzeugung umweltbelastender wirkte, als wenn die nicht enthalten. Die Notwendigkeit, eine entsprechende Produktion nicht „verdrängt worden wäre. 5. Managementregel explizit zu formulieren, ergibt sich um so dringlicher, als derzeit die reale Gefahr besteht, daß die Umstellungsprozesse brauchen Zeit, folglich ist über geforderte Effizienzrevolution ,technisch', d. h. auf der Basis Fristen nachzudenken. Vor diesem Hintergrund stellt extrem wirkmächtiger Risikotechnologien wie Atomtechnik, sich Ökologie großenteils als Langzeitökonomie dar. synthetische Chemie und Gentechnik umgesetzt wird." Entsprechende Anpassungen der Produktions- und

Konsumprozesse an ökologische Erfordernisse wir- 5 ) Dazu der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: „A ll ken dann im Sinne einer langfristigen Kostenvermei- dies erfordert zugleich eine grundlegende ökonomische dungsstrategie. Die ist aber mit dem ökonomischen Transformation: die Abkehr vom traditionellen wirtschaftli- chen Fortschritts- und Wachstumsmodell. und die Hinwen- Ziel der Effizienz durchaus in Einklang zu bringen: dung zum Modell der Entkoppelung von wi rtschaftlicher Ent- Die Internalisierung bisher externer Kosten würde wicklung einerseits, Ressourcenverbrauch und Beeinträchti- sich dann als effiziente Kostenvermeidung darstellen, gung der Umweltfunktionen andererseits." SRU (1994) Tz. 9

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2.2.1 Zur Bedeutung von Umweltzielen, anders entspricht als mechanistisch-lineare Steue- Umweltstrategien und Umweltplänen rungskonzepte, wie sie in der „Instrumentendebatte der Umweltpolitik bisher vorherrschen. Umwelt- Das Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen pläne, die Ziele und Zeithorizonte klar vorgeben, die Entwicklung verweist auf die Problembereiche, aus Mittelwahl aber für Innovationsprozesse offenhalten, denen heraus sich Notwendigkeiten der langfristigen sind eine sinnvolle Form, neue Entwicklungen in Veränderung von Lebens- und Wirtschaftsweise un- Technik und Gesellschaft gleichermaßen zu stimulie- serer Gesellschaft ergeben. Die ins Auge zu fassen- ren und zu fokussieren. Durch kalkulierbare gesell- den Handlungsfelder waren in Vorarbeiten geklärt, schaftliche Zielvorgaben schaffen sie ebenso Innova- die die Kommission der 12. Legislaturperiode, der tionsanreize wie höhere Investitionssicherheit; zu- Sachverständigenrat für Umweltfragen sowie der gleich intensivieren sie Informations- und Kommuni- Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltverände- kationsprozesse, die sich als wichtige Erfolgs- und In rungen der Bundesregierung geleistet hatten. novationsbedingung des Umweltschutzes erwiesen Mit einer Anhörung hat sich die Enquete-Kommis- haben. sion über den Zielbildungsprozeß, Begrifflichkeiten und internationale Erfahrungen informiert. Danach Die Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen hat sie Begriffsdefinitionen und mit Hilfe der grund- in die Entscheidungsfindung der politischen und pla- legenden Regeln einen ersten Vorschlag für Umwelt- nerischen Ebene ist entsprechend der Agenda ein ziele erarbeitet. Sie sind der Ausgangspunkt für die entscheidender Schritt in der Umsetzung des Leitbil- Definition von Umweltqualitäts- und Umwelthand- des in eine integrative Politik der Nachhaltigkeit. lungszielen für ausgewählte Bereiche oder Bedürf- Etwa zwei Drittel der Industrieländer haben Umwelt- nisfelder. Die Kommission beschränkt sich auf die strategien oder Umweltplanungsprozesse entwickelt Zieldefinitionen für diese ausgewählten Bereiche oder sind - wie die Enquete-Kommission bei einer und Felder (siehe Kapitel 3 „Entwicklung von Delegationsreise in die Schweiz feststellen konnte - dabei, dies zu tun. In insgesamt 60 Ländern - darun- Umweltzielen, Seite 21 und Kapitel 4 „Beispielfeld - Bauen und Wohnen, Seite 44). ter auch eine große Zahl von Entwicklungs- und Schwellenländern - wurden Umweltaktionspläne, Mit der Agenda 21 stellt sich auch für die Bundes- Ziele oder erste Schritte hin zu einer Strategie für republik Deutschland das Thema der „zusammenfas- eine integrative Politik der Nachhaltigkeit formuliert. senden Umweltstrategie, also einer Zusammenfas- Auch die Diskussionsprozesse zur Verabschiedung sung von Zielen und Schritten zur Zielverfolgung. einer „Lokalen Agenda 21 in vielen Städten und Ge- Mit vergleichbaren internationalen und nationalen meinden sind Beispiele für solche konsensualen mit- Überlegungen hat sich die Enquete-Kommission in telfristigen Planungsverfahren unter Einbeziehung unterschiedlichen Arbeitsschritten befaßt. der Betroffenen. So sind Zielsetzungen im Umwelt- schutz und ihre Zusammenfassung in Umweltstrate- Nationale Umweltpläne in Entwicklungs- und gien als Ergebnis diskursiver Prozesse und gemein- Schwellenländern, die seit 1987 von der Weltbank samer Orientierung der beteiligten Akteure zu erar- und verschiedenen VN-Organisationen initiiert und beiten. gefördert wurden, folgen einer breiten Zielsetzung. Sie richten sich zunächst auf die Stärkung der Einsichtig ist auch, daß viele Umweltziele nur im in- umweltpolitischen Kapazitäten durch die Schaffung ternationalen Zusammenhang und unter gemeinsa- eigenständiger Umweltverwaltungen und umwelt- men Anstrengungen vieler Staaten umgesetzt wer- politischer Institutionen und eine Stärkung des Um- den können; es ist damit auch international abge- weltschutzes gegenüber anderen Politikzielen. Die stimmtes Handeln erforderlich. Mitwirkung gesellschaftlicher Gruppen hat einen hohen Stellenwert. Durch die UNCED-Konferenz Mit der Vergabe einer Studie und Gesprächen in den 1992 in Rio de Janeiro wurden diese beiden Strömun- Nachbarländern versuchte die Kommission, sich die gen teilweise zusammengeführt. So wird im Bericht Erfahrungen anderer Staaten nachvollziehbar zu ma- der Bundesregierung über die Konferenz der Verein- chen. ten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro festgehalten: „Umweltschutz- und Entwick- Die Ergebnisse der von der Enquete-Kommission ver- lungsziele sollen künftig in das Zentrum der wirt- gebenen Studie „Erarbeitung eines nationalen Um- schaftlichen und politischen Entscheidungsfindung weltplans" (siehe Kapitel 1, Seite 11) zeigen, daß in gestellt und in alle Politikfelder integ riert werden. den meisten Ländern regelmäßige Berichte über den Dies macht eine grundlegende Umgestaltung institu- Fortschritt des Planungsprozesses vorgesehen sind. tionalisierter Strukturen und Prozesse notwendig. Hinsichtlich der Qualität dieser Berichte bestehen Insbesondere sollen unter stärkerer Beteiligung be jedoch große Unterschiede. In den Niederlanden troffener gesellschaftlicher Gruppen und der Öffent- werden langfristige Umweltziele immer wieder lichkeit die Entscheidungsfindungsprozesse auf allen überprüft: Ein solcher revolvierender Prozeß bietet Ebenen und in allen Ministe rien verbessert wer- die institutionalisierte und regelmäßige Gelegenheit, den. 6 ) die bisherigen Ergebnisse zu evaluieren sowie Ziele und Maßnahmen, falls nötig, anzupassen. Auch die Umweltpläne im Sinne der Agenda 21 sind eine Form britische Strategie ist im Hinblick auf die regel- staatlicher und gesellschaftlicher Einflußnahme, die mäßige Berichterstattung interessant, da sie sowohl der Komplexität von Innovationsbedingungen ganz jährliche nationale Berichte als auch Umweltkapitel in den Jahresberichten aller anderen Ministerien vor-

6) Deutscher Bundestag (1992) 23 sieht.

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Im Ergebnis zeigt sich, daß die Umweltpläne der Nie- aufeinander abzustimmen. Bereits vorhandene Ziel- derlande, Schweiz, Österreichs, Großbritanniens und vorgaben in Gesetzen, Programmen und internatio- Kanadas, unabhängig vom Grad der Konkretisierung nalen Abkommen lassen sich darüber hinaus in ei- ihrer Ziele, zumindest als Referenzdokument für zu- nem übergreifenden Plan transparent machen (Bei- künftige Regierungsmaßnahmen dienen und in der spiel Klimaschutz). Ein nationaler Umweltplan bietet Folge als Orientierungsrahmen für ein breites Spek- Möglichkeiten der Integration bereits vorhandener trum von Akteuren wirken. Der Erfolg von Umwelt- Selbstverpflichtungen von Branchen und Städten. plänen lag bisher allerdings weniger im Ergebnis der Eine Umweltstrategie, die eine gesellschaftlich ak- Umsetzung der formulierten Ziele als vielmehr in zeptierte Zielbildung und Kommunikation in den dem politischen und gesellschaftlichen Lernprozeß, Vordergrund rückt und für die Implementation einen der institutionelle Änderungen einschloß, dessen breiten Handlungs- und Innovationsspielraum de- Langfristeffekte bisher allerdings nicht evaluiert wer- zentraler Akteure eröffnet, kann die Verwaltung ent- den können. lasten. In den Niederlanden wie in Neuseeland war Die OECD betont den Prozeßcharakter nationaler die Umweltplanung mit konkreten Gesetzes- und Umweltplanung. Dabei ist von längeren Zeiträumen Verwaltungsvereinfachungen verbunden (Regelun- auszugehen: Die formelle Planerstellung dauerte im gen im Umweltmanagementgesetz von 1993 und im internationalen Vergleich zwischen sechs Monaten Resource Management Act von 1991). (Frankreich) und drei Jahren (Neuseeland). Die fakti- Des weiteren können auch ökonomische Gründe für sche Planungsperiode ist allerdings länger anzu- eine nationale Umweltplanung sprechen. Dies gilt setzen, so waren es in Österreich z. B. fünf und in vor allem dann, wenn sich durch einen Umweltplan - den Niederlanden sechs Jahre. Erforderlich ist also im Vergleich zu einer weniger ausgeprägt koordi- ein langer Atem. Ebenso unerläßlich ist die Lern- nierten, dem „Schadstoff des Monats folgenden und und Konsensfähigkeit aller Beteiligten. in ihren Schwerpunkten und Zielsetzungen entspre- In der von der Enquete-Kommission vergebenen chend häufig wechselnden Umweltpolitik - langfri- Studie wurden Verfahren zur Umsetzung einer natio- stig verläßliche, in ihren Prioritäten durchschaubare nalen Umweltplanung in der Bundesrepublik und damit auch prognostizierbare ökologische Rah- Deutschland empfohlen. Darin wird zunächst die menbedingungen für unternehmerische Handlungs- staatliche Initiativfunktion betont. Die folgende spielräume ergeben. Zudem hat die Umweltplanung Übersicht ist dieser Studie entnommen. Die Enquete- in einigen Ländern eine ökonomische Modernisie- Kommission identifiziert sich nicht mit den darin ent- rungsfunktion zur Steigerung der Wettbewerbsfähig- haltenen Einzelheiten. Sie hält es eher mit folgendem keit der dort ansässigen Unternehmen. Dabei geht es Zitat: ,,Trying to achieve the perfect plan can be vor allem um kostendämpfende Effizienzsteigerun- counterproductive. The motto should be: Just get on gen beim betrieblichen Ressourceneinsatz, um neue with it!') Märkte und first-mover advantages (Vorteile der Vor- reiter) für umweltfreundliche Technologien und Pro- Die vorhandenen nationalen Umweltpläne bzw. dukte. Positive ökonomische Effekte im Sinne von Nachhaltigkeitsstrategien sind in der Regel durch Rationalisierungs- und Effizienzfortschritten können zentralstaatlich initiierte Prozesse entstanden. Dies sich auch durch eine mit dem Umweltplan verbun- wurde entweder durch die Größe des Landes und/ dene Verwaltungsmodernisierung im öffentlichen oder die jeweilige Regierungsform begünstigt. Die Bereich ergeben. legitimatorischen und institutionellen Ressourcen des Staates waren zu Beginn des Prozesses ebenso erfor- Der Deutsche Bundestag hat solche Überlegungen derlich wie in der Phase, in der es darum ging, den aufgegriffen und hierzu einstimmig folgenden Be- Prozeß der Planung auf eine dauerhafte Basis zu stel- schluß gefaßt: „Der Deutsche Bundestag fordert die len. Bundesregierung auf, ein ressortübergreifendes Ge- samtkonzept - eine konsensfähige nationale Um- Dies bestätigen auch die Gespräche, die Delegatio- weltstrategie - zur Konkretisierung und Umsetzung nen der Enquete-Kommission im Rahmen von Infor- des Leitbildes „sustainable development im Dialog mationsreisen nach Skandinavien, Österreich, in die mit Wissenschaft, Wirtschaft und gesellschaftlichen Schweiz bzw. bei einem Treffen mit niederländischen Gruppen zu entwickeln und dem Deutschen Bundes- Parlamentariern geführt haben. tag vorzulegen. Bestandteil ist die Festlegung von Im Juni 1997 findet eine Sondersitzung der VN-Voll- • Umweltzielen, versammlung statt, die die Umsetzung der Agenda • politischen Instrumenten, 21 evaluieren wird. Dazu gehört auch eine langfristi- ge Umweltplanung. Sie kann mithin dazu dienen, • Forschungsbedarf und Forschungsprioritäten, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Einzelplanungen, wie z. B. Abfallwirtschafts- und • Evaluierungsverfahren. " 8 ) Entsorgungspläne, wasserwirtschaftliche Rahmen- Die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Schwe- planungen, Gewässerschutzplanung, Luftreinhalte- den, aber auch Kanada, die USA, Japan oder Süd- pläne , Landschaftsplanung, Raumordnung besser Korea verfolgen beispielsweise mit ihren Umweltplä- nen und Nachhaltigkeitsstrategien zugleich auch

7 ) OECD (1995) 17 wirtschafts -und technologiepolitische Ziele, die die Die deutsche Übersetzung lautet: „Der Versuch, den perfek- ten Plan zu erstellen kann kontraproduktiv sein. Das Motto sollte vielmehr heißen: Einfach weitermachen!" 8 ) Deutscher Bundestag (1997) 6

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Abbildung 1

Schema des vom Studiennehmer vorgeschlagenen Planerstellungsprozesses

Funktion Träger

1. Sondierung Informelle Trägergruppe (Basis: BMU)

2. Wissensbasis:

a) Synopse bestehender Umweltplanun UBA, BMU gen, (internat.) Zielvorgaben und Selbstverpflichtungen b) Wissenschaftl. Darstellung zentraler Umweltbundesamt, Umweltprobleme, wiss. Zielempfehlun Forschungsinstitute gen, Optionen, best practice

3. Formelle Eröffnung des nationalen Bundespräsident, Kanzler - Diskurses, Vorkonferenz

4. Einholung von Stellungnahmen um- BMU weltrelevanter Akteure

5 . Erstellung eines Planentwurfs UBA, BMU, Forschungsinstitute

6. Beratung und Vorabklärung des „Rat für Umweltplanung" Entwurfs (Vors.: Bundeskanzler oder sich abwechselnde Minister)

a) interministerielle Vorabklärung: Exekutivkomitee des Rates (BMU, BMWi, BMV, BMBau, BML, BMBF) b) Beratung: Plenum des Rates (Vertreter v. Bundesverwaltungen, Bundestag, Bundesländern, Verbänden und Wissenschaft)

c) Konsensgespräche mit Arbeitsgruppen des Rates wichtigen Zielgruppen: (organisiert nach Verursacherbereichen)

7. Verabschiedung und Vorlage des Rat für Umweltplanung Planes

8. Dezentrale Vereinbarung und Länder / Kommunen Selbstverpflichtung Branchen / Unternehmen

9. Monitoring der Umsetzung UBA und Forschungsinstitute

10. Bewertung der Umsetzung, Rat für Umweltplanung Revision Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Wettbewerbsbedingungen des eigenen Landes ver- lungszielen im Vordergrund der aktuellen Arbeiten. bessern sollen. In den Niederlanden hat der Anteil Am konkreten Beispielfeld „Bauen und Wohnen soll integrierter Umwelttechnik im Vergleich zu der Be- gezeigt werden, wie die Analyse um die ökonomi- handlung mit nachsorgenden Technologien mit dem sche und soziale Dimension erweitert werden muß, ersten Umweltplan nachweislich zugenommen. Im um eine umfassende Nachhaltigkeitsdiskussion füh- Zwischenbericht des schweizerischen Interdeparte- ren zu können. mentalen Ausschusses Rio (IDARio) heißt es: „Eine Noch offen ist die Frage, ob im konkreten Beispiel- Erhöhung der Ressourcenproduktivität ist nicht nur bzw. Problemfeld für die ökonomische und soziale sinnvoll in bezug auf eine Verringerung des ,Natur- Dimension eigenständige Entwicklungsziele abgelei- verbrauchs' und der Reduktion schädlicher Emissio- tet werden sollen oder ob es im Sinne der Nachhal- nen, sondern wirkt sich auch positiv auf die volks- tigkeit für die Kommissionsarbeit zunächst ausrei- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. 9) Der ameri- chend ist, die ökonomischen und sozialen Rahmen- kanische National Science and Technology Council bedingungen mit den dahinterstehenden und bereits legte 1994 den Bericht „Technology for a Sustainable vorliegenden ökonomischen und sozialen Interessen Future - A Framework for Action vor, der die Ent- und Zielsetzungen zu behandeln. Ebenfalls noch wicklung fortgeschrittener Umwelttechnologien zu- nicht geklärt wurde die Frage der Demokratie- gleich als Exportstrategie konzipiert. Die angeführ- verträglichkeit insbesondere langfristiger, über die ten Beispiele verweisen auf die Möglichkeit, daß sich Dauer von Legislaturpe rioden hinausreichender Ziel- im Zeichen des Rio-Folgeprozesses zugleich ein in- setzungen. Schließlich ist auch zu prüfen, in welcher ternationaler Wettbewerb um effiziente Regulations Form die Berücksichtigung der Interessen zukünf- muster zur Förderung exportfähiger integ rierter Um- tiger, heute noch nicht einmal geborener Generatio- welttechnologien entwickelt oder bereits entwickelt nen erfolgen kann. Vor allem muß geklärt werden, hat. Vorhandene nationale Umweltpläne bzw. Nach- wie eine Gesellschaft wie die unsere dazu in der haltigkeitsstrategien in hochentwickelten Ländern Lage ist, diese noch nicht bekannten Interessen so dürften die Nachfrage- und Angebotsstruktur des - hoch zu bewerten, daß sich hieraus norm- und wert- Weltmarktes zunehmend beeinflussen. bildende Prozesse einstellen.

Die Enquete-Kommission hat sich in der 12. Legisla- 2.2.2 Zur Bedeutung von sozialen turperiode mit allgemeinen ökonomischen und sozia- und ökonomischen Zielen len Schutz- und Gestaltungszielen beschäftigt. 10) Da- Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten bei wurde unterschieden zwischen Zielen, die sich Umweltziele sind Vorgaben, die den gegenwärtigen aus der Forderung nach dem Erhalt des Naturkapi- Stand eines gesellschaftlichen Prozesses der Ent- tals ableiten lassen und solchen, die auf den Erhalt scheidungsfindung bezeichnen. Der „Schutz des der Funktionsfähigkeit ökonomischer und sozialer Menschen und der Umwelt ist Ziel vieler Menschen, Systeme ausgerichtet sind. gesellschaftlicher Gruppen und des Staates und wird „In einer marktwirtschaftlichen Grundordnung bei Handlungen und Entscheidungen heute zweifels- kommt den individuellen Akteuren des Wirtschafts- ohne schon mehr beachtet als früher. Soziale und prozesses - Produzenten, Handel, Arbeitnehmern ökonomische Ziele haben zeitlich gesehen schon viel und Verbrauchern - eine entscheidende Bedeutung länger einen gesellschaftlichen Reifeprozeß hinter zu. Deshalb stehen die auf der individuellen Ebene sich. Wie bei ökologischen steht auch bei sozialen anzusetzenden Ziele an erster Stelle (...) Freiheit ist Zielen das normative Element im Vordergrund. Bei in Form von individueller Freiheit und Handlungsau- den ökonomischen Zielen ist dagegen zu unterschei- tonomie in einer entwickelten Marktwirtschaft von den, ob Ökonomie als Methode für den Ausgleich zentraler Bedeutung. 11 ) Eine gesellschaftliche Ord- unterschiedlicher Ansprüche verstanden wird: In die- nung, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit als sem Fall würde die Betrachtung der ökonomischen Grundrecht anerkennt, muß demnach dafür sorgen, Dimension automatisch erfolgen. Es ergäbe sich un- daß größtmögliche Handlungs- und Entscheidungs- ter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten beispielsweise freiräume für jeden eröffnet werden. Die individuel- die Frage, wie man vor dem Hintergrund sozialer len Entfaltungsräume sind dort begrenzt, wo die und ökologischer Vermittlungsprozesse Langfrist- Handlungsspielräume anderer Individuen in ihren und Kurzfristökonomie aufeinander zubewegen Grundrechten bedroht und/oder verletzt werden kann. Man kann der ökonomischen Dimension je- oder gesellschaftliche Grundwerte gefährdet sind. doch auch eine Eigenständigkeit dera rt zugestehen, Die Gesellschaft braucht insofern eine die Freiheit daß sich im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsan- definierende Ordnung, die jedes Individuum in die liegen auch eigene Entwicklungsziele formulieren Lage versetzt, seine Lebensplanungen in Abhängig- lassen, die dann ebenso wie ökologische und soziale keit seiner Leistungsfähigkeit frei zu gestalten. Ist es Ziele in einem normativen Vorgang entstehen. dabei Risiken ausgesetzt, deren Auswirkungen es Die Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen nicht allein überblicken bzw. bewältigen kann, be- und der Umwelt des 12. und des 13. Deutschen Bun- darf es übergeordneter Institutionen, die diese Risi- destages haben sich für den „ökologischen Zugang ken auffangen. Hierbei geht es z. B. um den Schutz zur Nachhaltigkeitsdebatte als Problemeinstieg aus- gesprochen. Damit steht die Entwicklung von Um- weltzielen, Umweltqualitätszielen und Umwelthand- 10) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" (1994) 480 ff. 11) Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um- 9 ) IDARio (1996) 10 welt" (1994) 4821.

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 vor Gesundheitsrisiken, Altersarmut und die Siche- Kommission sein, hierzu geeignete, von den Hand- rung der Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung lungsfeldern unabhängige Verfahrensweisen zu ent- durch Arbeit. Die Pflichten und Rechte, die sich dar- wickeln und vorzuschlagen. aus ergeben, sollen allen Mitgliedern der Gesell- schaft menschenwürdige Lebensbedingungen er- möglichen bzw. erhalten. Soziale Stabilität und in- 2.3 Entwicklung von Maßnahmen dividuelle Freiheit sind unverzichtbare Pfeiler für und Instrumenten für eine integrative eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung Politik der Nachhaltigkeit der Industriegesellschaft.

Auf makroökonomischer Ebene wurden die Schaf- Neben Innovationen und Zielen als Orientierung fung und Erhaltung wirtschaftlicher Stabilität und sind Maßnahmen und Instrumente notwendig, um die damit verbundenen ökonomischen Einzelziele als einen geeigneten Rahmen für das Handeln, Leben elementare Zielkategorien identifiziert. 12 ) Diese Ziele und Wirtschaften in unserer Gesellschaft und unserer beziehen sich vor allem auf die Aufrechterhaltung sozialen Marktwirtschaft zu schaffen. Die Entwick- des Preismechanismus zur Herausbildung effizienter lung von Maßnahmen und Instrumenten beruht da- Allokationslösungen. Die grundsätzliche Ausrich- bei auf der Akzeptanz von Mechanismen, Verfahren tung gesamtwirtschaftlicher Zielsetzungen ist damit und Methoden, die im konkreten Einzelfall tragen die Schaffung und Erhaltung der Effizienz von Inter- und die regulative Idee der Nachhaltigkeit fördern aktionsprozessen. Die in den meisten Industrielän- sollen. Für die Suche nach geeigneten Instrumenten dern festgelegte Markt- und Wettbewerbsordnung und Maßnahmen sind sowohl die damit zu verfolgen- ist letztlich grundsätzlich darauf angelegt, die Her- den Ziele bzw. zu berücksichtigenden „Leitplanken ausbildung von Preisen einem durch Markt und zugrundezulegen (Zielansatz) als auch die zur Um- Wettbewerb institutionalisierten Verfahren anheim setzung notwendigen Verfahren prozeßdynamisch zu zustellen. Die der regulativen Idee der Nachhaltig- entwickeln (Ordnungsansatz). - keit 13 ) innewohnende Vorstellung eines Such- und Von der Enquete-Kommission des 12. Deutschen Lernprozesses findet im Wettbewerb der Marktwirt- Bundestages sind ordnungsrechtliche, ökonomische, schaft seine ökonomische Ausprägung. Die Alloka- informatorische und förderpolitische Instrumente an- tion der Ressourcen, ihre Zuordnung auf die ver- satzweise bereits untersucht worden. Die verschiede- schiedenen Verwendungen an den geeigneten nen Instrumente wurden nicht nur allgemein disku- Standorten mit den effizientesten Verfahren, wird als tiert, sondern z. T. auch in den Bedürfnisfeldern kon- die eigentliche Aufgabe der Marktsteuerung angese- kretisiert. Über die Erarbeitung von Umweltzielen hen. und Bewertungsverfahren hinaus schlug damals die Kommission dem Bundestag vor, diese Untersuchung Die Enquete-Kommission ist nach mehreren Beratun- fortzusetzen. Diese Empfehlungen finden sich im Be- gen übereingekommen, keine allgemeine ökologi- schluß des 13. Deutschen Bundestages zur Einset- sche, ökonomische und soziale Zieldebatte zu führen, zung der Enquete-Kommission „Schutz des Men- sondern die für eine nachhaltig zukunftsverträgliche schen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedin- Entwicklung notwendige Integration der drei Dimen- gungen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Ent- sionen am konkreten Problemfall vorzunehmen. wicklung wieder. Folglich ist die soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit am jeweiligen ausgewählten Bei- Ausgehend von den entwickelten Umweltzielen will spielfeld hinsichtlich ihrer Ziele und Rahmenbedin- die Enquete-Kommission das umweltpolitische In- gungen zu konkretisieren und auf Verträglichkeiten strumentarium konkret in einzelnen Themenfeldern mit den ökologischen Zielsetzungen durchzuprüfen, überprüfen und weiterentwickeln: Im Vordergrund bevor einzelne Maßnahmen und Instrumente abge- stehen dabei die Umweltziele beim Flächenver- leitet werden können. Auch ist es denkbar, daß sich brauch, bei Umweltbelastungen durch Stoffeinträge Konflikte nicht auf der Zielebene, sondern nur in Ab- und im Handlungsfeld „Bauen und Wohnen. Darüber hängigkeit von den einzusetzenden Maßnahmen hinaus werden institutionelle Reformen für eine Poli- und Instrumenten ergeben. In solchen Fällen können tik der Nachhaltigkeit diskutiert, um unabhängig Verträglichkeiten erst auf der Handlungsebene ge- von den zu untersuchenden Bereichen Erkenntnisse prüft werden. Es wird eine Aufgabe der Enquete- über institutionelle Arrangements zu gewinnen, die die regulative Idee der Nachhaltigkeit unterstützen. Ziel ist es schließlich, Vorschläge für einzelne Instru- 12) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der mente und Reformmaßnahmen zu entwickeln. Umwelt" (1994) 484 13) „Nachhaltigkeit" ist wie „Gesundheit", „Wohlstand" oder Von besonderer Bedeutung ist die Förderung von In- „Freiheit" ein offener Begriff, für den es nur vorläufige und hypothetische Zwischenbestimmungen geben kann, ver- novationen als strategisches Handlungsfeld für eine gleichbar der Suche nach „variablen Leitplanken". Nach- nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung. Wis- haltigkeit als regulative Idee bezeichnet in diesem Sinne senschaft und Technik werden zwar vielfach eine eine Heuristik und kommt der Ausrichtung einer gesell- Schlüsselrolle zuerkannt; dennoch erfordern und er- schaftlichen Entwicklung auf einen anzustrebenden Zu- stand - den der Nachhaltigkeit - gleich, der aber selbst nicht möglichen Innovationen selbstverantwortliches Han- quantitativ festlegbar oder qualitativ eindeutig zu operatio- deln in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik und füh- nalisieren ist. Ohne daß vorweg eine operationalisierbare ren zu wünschenswerten Veränderungsprozessen in Definition von Nachhaltigkeit notwendig ist, lenkt die regu- Richtung einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- lative Idee Such-, Lern- und Erfahrungsprozesse in eine be- stimmte Richtung und bewahrt davor, „mit der Stange im wickung, die politisch gefördert, aber nicht staatlich Nebel herumzustochern". organisiert werden können.

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Maßnahmen und Instrumente müssen sowohl im • Die Notwendigkeit einer Vernetzung bzw. Integra- Hinblick auf ihre Wirksamkeit zur Erreichung der tion von Politikbereichen erfordert gleichermaßen Umweltziele als auch mit Bezug auf die Handlungs die Vernetzung bzw. Integration geeigneter Maß- möglichkeiten und Rahmenbedingungen der betrof- nahmen und Instrumente. Die Enquete-Kommis- fenen und handelnden Akteure formuliert werden. sion hat das Beispielfeld „Bauen und Wohnen" Dazu können die Bewertungs- und Gestaltungskrite- ausgewählt, um hier exemplarisch die Vernetztheit rien aus der Vorarbeit der Enquete-Kommission ökonomischer, ökologischer und sozialer Problem- „Schutz des Menschen und der Umwelt - Bewer- lagen darzustellen, darauf aufbauend Ziele für tungskriterien und Perspektiven für umweltverträgli- eine integrative Politik zu entwickeln und schließ- che Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft des lich Vorschläge für Maßnahmen und Instrumente 12. Deutschen Bundestages herangezogen werden. einer integrativen Politik im Bereich „Bauen und Wohnen" zu formulieren. Eine integrative Politik der Nachhaltigkeit muß glei- chermaßen zum Erhalt des Naturkapitals beitragen • Innovationen sind gesellschaftliche Such-, Lern- und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ent- und Erfahrungsprozesse und sind der Schlüssel zur wicklungsdimensionen des Leitbildes der nachhaltig Integration der Nachhaltigkeitsdimensionen. Dis- zukunftsverträglichen Entwicklung gerecht werden. kursive Verfahren sind hierzu notwendig, um die Sie basiert im Verständnis der Enquete-Kommission gesellschaftliche Zustimmung zur Umsetzung von auf Umwelthandlungszielen, die aus Umweltzielen Maßnahmen herzustellen. In diesem Zusammen- und Umweltqualitätszielen abgeleitet und auf ihre hang stehen die vorhandenen institutionellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele und Regelungen auf dem Prüfstand bzw. geht es dar- Rahmenbedingungen hin untersucht und entspre- um, durch geeignete institutionelle Innovationen chend dieser Ergebnisse überarbeitet wurden. Sie Potentiale für eine nachhaltig zukunftsverträgliche schlägt Maßnahmen und Instrumente vor, welche die Entwicklung zu erschließen. Spielräume der Handelnden in Wirtschaft, Politik - und Gesellschaft so ändern, daß kurz-, mittel- bis • Die Globalität vieler ökologischer, ökonomischer langfristig ein nachhaltig zukunftsverträglicher Ent- und sozialer Probleme zeigt die Dringlichkeit inter- wicklungspfad zum Erhalt der Lebensgrundlagen nationaler Zusammenarbeit. eingeschlagen werden kann.

Dabei sind nach Auffassung der Enquete-Kommis- Die vor dem jeweiligen Problemhintergrund zu ent- sion folgende Bedingungen bzw. gesellschaftliche wickelnden Maßnahmen und Instrumente sind Trends zu beachten: schließlich anhand vorher festzulegender Kriterien hinsichtlich der Effektivität der Zielerreichung, ihrer • Eine integrative Politik der Nachhaltigkeit erfor- Effizienz, Flexibilität und Reversibilität, ihrer Prakti- dert einen Politikstil, der den Gedanken der Nach- kabilität und Demokratieverträglichkeit zu überprü- haltigkeit bei der Gestaltung und Umsetzung in al- fen. Damit soll sichergestellt werden, daß jeweils die- len Politikbereichen integriert. Außerdem sind die jenigen Maßnahmen und Instrumente ausgewählt Forschungs-, Technologie-, Wirtschafts-, Umwelt- werden, die sich zur Problemlösung am besten eig- und Sozialpolitik im Hinblick auf das Nachhaltig- nen. keitspostulat abzustimmen.

• Maßnahmen und Instrumente müssen für den kon- Um Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen, dürfte es in kreten Einzelfall, der durch ökologische, ökonomi- der praktischen Umsetzung leichter sein, sich darauf sche und soziale Eigenschaften beschrieben ist, zu verständigen, was dem Leitbild der Nachhaltig- entwickelt werden. keit jeweils konkret widerspricht.

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

3 Entwicklung von Umweltzielen

Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen Umweltqualitätsziele beschreiben, ausgehend von und der Umwelt" des 12. Deutschen Bundestages hat einem identifizierten ökologischen Problembereich grundlegende Regeln einer nachhaltig zukunftsver- [langfristig] angestrebte, am Leitbild der nachhaltig träglichen Entwicklung beschrieben, die den Res- zukunftsverträglichen Entwicklung und am Nachhal- sourcenverbrauch, die Belastbarkeit der Ökosysteme tigkeitsziel der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des und die Geschwindigkeit der Eingriffe im Verhältnis natürlichen Realkapitals orientierte Zustände oder zur Reaktionsfähigkeit der Ökosysteme betreffen. 14 ) Eigenschaften (= Sollwerte) der Umwelt bezogen auf In einem nächsten Schritt hat sie Schutz- und Gestal- Systeme, Medien oder Objekte. Sie streben eine Er- tungsziele für die drei Dimensionen Ökologie, Öko- haltung oder Veränderung konkreter Eigenschaften nomie und Soziales formuliert - orientiert am Leitbild oder Zustände auf globaler, regionaler oder lokaler einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung. Ebene an. Die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und So- ziales sind gleichgewichtig; daher hat politisches wie Grundlage für die Erarbeitung von Umweltquali- auch wirtschaftliches Handeln alle drei Aspekte in tätszielen sind einerseits der wissenschaftliche Er- den Blick zu nehmen, statt sie gegeneinander auszu- kenntnisstand über qualitative und, soweit ver- spielen. In den allgemeinen ökologischen Schutz- fügbar, quantitative Ursache-Wirkungs-Beziehun- und Gestaltungszielen hatte die Enquete-Kommis- gen und andererseits auf den Zustand oder die sion insbesondere die Erhaltung der Gesundheit, der Eigenschaften der Umwelt bezogene gesellschaft- Strukturen und Funktionen von Ökosystemen sowie liche Wertvorstellungen. Letztere sind als norma- die Schonung der Ressourcen berücksichtigt. tive Vorgaben unverzichtbar, da Umweltqualitäts- ziele nicht ausschließlich wissenschaftlich abzulei- ten und zu begründen sind. Aufgabe der Wissen- schaft ist es vielmehr, in erster Linie naturwissen- 3.1 Begriffsdefinitionen schaftlich begründete Orientierungen zur Ent- wicklung gesellschaftlicher Wertvorstellungen zu Umweltpolitische Zieldefinitionen sind in großer Zahl liefern. und unterschiedlicher Form vorgeschlagen worden. Sie finden sich in Zweckbestimmungen von Geset- Umweltqualitätsziele geben Zustände oder Eigen- zen, politischen Programmen, Entwicklungsplänen, schaften umschriebener Teilbereiche der Umwelt an, Forderungen von Wissenschaftlern, in Studien von die auf dem Weg zu einer nachhaltig zukunftsver- Umweltgremien und Organisationen. Die Bezeich- träglichen Entwicklung angestrebt werden. Nicht ob, nungen reichen von Standards, Konzepten, Umwelt- sondern inwieweit dabei dem Vorsorgeprinzip Rech- qualitätskriterien, Reduktionszielen, Diskussions- nung getragen wird, ist regelmäßig Gegenstand nor- oder Orientierungswerten bis zu Grenz,- Leit-, mativer Abwägungen im Zieldreieck aus Ökologie, Schwellen- oder Referenzwerten. Häufig werden die Ökonomie und Sozialem. Termini nicht nur auf den verschiedenen Ebenen (re- gional, national, international), sondern auch von ver- Umwelthandlungsziele geben die Schritte an, die schiedenen Autoren in unterschiedlicher Weise be- notwendig sind, um die in Umweltqualitätszielen nutzt. Darüber hinaus existieren verschiedene Va- beschriebenen Zustände oder Eigenschaften der rianten von Zielen: „weiche" Zielsetzungen, wie z. B. Umwelt zu erreichen. Dazu bedarf es der Formu- „umweltfreundliche Mobilität" und „harte" Ziele, die lierung quantifizierter und meßbarer oder ander- eindeutige Grenzwerte oder Reduktionsmengen pro weitig überprüfbarer Ziele, die sich an verschiedenen Zeiteinheit enthalten, wie z. B. der europäische Stu- Belastungsfaktoren orientieren und Vorgaben für not- fenplan zur Reduktion der Schadstoffemissionen der wendige Entlastungen (Belastungsminderung) ent- Kraftfahrzeuge (EURO-Normen). halten. Bei der Formulierung der dazugehöri- Systematisch unterscheidet die Enquete-Kommission gen Zeitvorgaben sind die sozialen und ökonomischen drei Zielkategorien: Rahmenbedingungen und Wirkungen zu beachten.

Umweltziele sind übergreifende Ziele für einen um- Umwelthandlungsziele operationalisieren Umwelt- weltpolitischen Problembereich oder für ein Umwelt- qualitätsziele. Indikatoren geben den angestrebten medium, die aus den grundlegenden Regeln (siehe bzw. zu vermeidenden Bereich an. Indikatoren kön- Seite 13) unmittelbar abgeleitet werden. Umweltziele nen Zahlenwerte enthalten, wie z. B. Grenzwerte für sollen sich am Leitbild einer nachhaltig zukunftsver- 502, oder beschreibend sein, wenn sie z. B. die Ge- träglichen Entwicklung orientieren. Ein Umweltziel fährdung von Pflanzen- und Tierarten nach Gefähr- kann durch eines oder mehrere Umweltqualitätsziele dungsklassen der Roten Liste oder schutzwürdige konkretisiert werden. Biotope nach § 20 c BNatSchG angeben. 15)

14) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der 15 ) Scholles (1990) spricht von kardinalen, ordinalen und nomi- Umwelt" (1994) 42 ff nalen Indikatoren

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Zur Setzung von Umwelthandlungszielen der genetischen Vielfalt und des Grundwassers. Der Schutz der endlichen Ressource Boden muß nut- Die Abstimmung zwischen ökologischen, ökonomi- zungs- und immissionsbedingte Verdichtung und schen und sozialen Zielen schlägt sich insbesondere Erosion ebenso vermindern wie Einträge eutrophie in der zeitlichen Vorgabe zur Erreichung der Um- render, versauernd wirkender oder toxischer Stoffe. welthandlungsziele nieder. Wird das Umwelthand- Die Enquete-Kommission strukturierte den Problem- lungsziel z. B. durch ein quantifiziertes Reduktions- bereich Böden in folgender Weise: Als endliche Res- ziel bestimmt, so kann das angestrebte Reduktions- sourcen werden „Böden als Lagerstätten von Rohstof- ausmaß einen weiteren Ansatzpunkt zur Berücksich- fen" (Kap. 3.4.1), „Fläche" (3.4.2), Bodenmaterial als tigung eventuell vorliegender Zielkonflikte darstel- gefährdet durch „Bodenerosion und Bodenschadver- len. Um die Anpassungsmöglichkeiten der Akteure dichtung" (3.4.3) und „Grundwasser" (3.4.4) betrach- zu verbessern, aber auch um Bezugspunkte für Kon- tet. Hiervon werden Bodenbelastungen durch „Stoff- trollen und Bewertungen des Ausmaßes zu setzen, in einträge" unterschieden, nämlich durch persistente, dem Umwelthandlungsziele erreicht wurden, kann toxische Stoffe, Nährstoffe und Säurebildner (3.4.5). es sinnvoll sein, die Erfüllung der Zielvorgaben zeit- lich zu staffeln und über mehrere Jahre zu strecken. Die Enquete-Kommission hat bei der Erarbeitung von Umweltqualitätszielen und Umwelthandlungs- Die nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung der zielen für den Bereich Böden ökonomische und so- Gesellschaft bedarf des Einbeziehens aller gesell- ziale Rahmenbedingungen zwar bedacht und inso- schaftlichen Akteure. Nur so erhalten die Umwelt- weit implizit berücksichtigt, jedoch nicht systema- ziele die notwendige politische Unterstützung und tisch untersucht. Vor allem zur Quantifizierung der langfristige Gültigkeit. Umwelthandlungsziele steht dies noch aus. Das Leit- Auch das Bundesumweltministerium hat einen Dis- bild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwick- kussionsprozeß in Gang gesetzt, in dem Vertreter lung verlangt zur Operationalisierung die Integration verschiedener gesellschaftlicher Gruppen umweltbe- ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele und- zogene Zielvorstellungen miteinander abstimmen Rahmenbedingungen. sollen. Dabei verwendet das Umweltministerium die Begriffsdefinitionen von Umweltqualitätszielen und Umwelthandlungszielen im Sinne der Enquete-Kom- 3.3 Bodenfunktionen mission. 16) Boden ist die oberste Schicht der Erdkruste. Er ist mit seinen flüssigen, gasförmigen, mineralischen, natür- 3.2 Auswahl des Problembereichs „Böden" lich-organischen Bestandteilen Träger der Boden- funktionen und entsteht durch bodenbildende Pro- Die Enquete-Kommission betrachtet Böden als end- zesse wie Verwitterung, Mineralneubildung, Zerset- liche Ressourcen und zugleich als Senken für einen zung und Humifizierung, Gefügebildung und ver- großen Teil aller Emissionen. Böden nehmen im Öko- schiedene Stoffumlagerungen. system eine Schlüsselstellung ein. Zudem verlangen Die Entwicklung vom undifferenzie rten Gestein zu akute Probleme, wie nutzungsbedingte Bodenerosion, oft stark gegliedertem Boden kann in unterschiedli- Hochwassergefahr, Waldschäden, Grundwasserbela- chen Landschaften sehr differenzie rt verlaufen und stung, Biotopverlust sowie die „schleichende" Anrei- ist abhängig von der Kombination der vor Ort herr- cherung von Schwermetallen und persistenten organi- schenden Faktoren der Bodenentwicklung (unter an- schen Verbindungen in Böden, nach effektiven Lösun- derem Klima, Ausgangsgestein, Relief, Flora, Fauna, gen. Wasser) und von Art und Ausmaß der Bodennutzun- Warnzeichen der Gefährdung der Böden sind die gen. Die genannten Faktoren wirken dabei wechsel- weiter zunehmenden Flächenansprüche für Siedlun- seitig aufeinander und beeinflussen gegenseitig Aus- gen, Verkehr, Wirtschaft, Ver- und Entsorgungsanla- maß und Richtung des Wirkens. Vielfach befinden gen, die Schäden der Wälder, der zunehmende Auf- sich die Faktoren aber auch mit dem Boden selbst in wand bei der Versorgung der Bevölkerung mit ein- einer Wechselwirkung, was insbesondere für die Flo- wandfreiem Trinkwasser, die Belastungen durch ra und Fauna gilt. Je nach der herrschenden Konstel- Stoffeinträge, die Probleme mit Altlasten, die Über- lation dieser Faktoren und der Dauer der Einwirkung nutzung von Landschaften durch Freizeit und Erho- entstehen Böden unterschiedlicher Entwicklungsstu- lung, die Intensität agrarischer Bodennutzung mit ih- fen und Profildifferenzierung., deren Eigenschaften ren Folgen für das Ökosystem sowie die Eingriffe in ihrerseits stetig verändert werden. Eine Änderung Böden und Landschaftsbild bei der Rohstoffgewin- der Faktoren (z. B. Klimawechsel) kann dabei der Bo- nung. Sie geben Anlaß zu der Sorge, daß bisher nicht denentwicklung eine neue Richtung geben. Auch ausreichende Vorkehrungen getroffen wurden, um der Mensch beeinflußt maßgeblich die Bodenent- auch langfristig schwerwiegende oder gar irrepara- wicklung, indem er bewußt oder unbewußt die Bö- ble Schädigungen der Böden zu vermeiden. den selbst oder die natürlichen Faktoren verändert.

Beim Schutz des Bodens werden weitere Schutzgüter Boden ist der Sammelbegriff für eine Vielzahl quali- und verschiedene Umweltbelastungen mit einbezo- tativ unterschiedlicher Böden. Sie bilden ein Mosaik gen. So ist die Erhaltung der Bodenfunktionen eine von verschiedenen Formen. Die einzelnen „Mosaik- Voraussetzung für den Schutz des Lebens an Land, steine" können dabei Ausdehnungen von wenigen Quadratmetern bis hin zu Quadratkilometern aufwei- 16) Vgl. BMU (1996 a) sen, scharf gegeneinander abgegrenzt sein oder all-

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 mählich ineinander übergehen. Die Böden einer den, welche Art von Belastung (stofflich/nicht stoff- Landschaft sind miteinander durch Stofftransporte lich) auf die Bodenfunktionen einwirkt. Des weiteren verknüpft. Sie beeinflussen sich gegenseitig und bil- sind regionale Besonderheiten (Klima, Bodenart und den mit anderen Bestandteilen der Landschaft, dem Bodentyp) zu beachten. Daraus ergibt sich eine Viel- Luftraum und den Lebewesen, ein gemeinsames Wir- zahl von Möglichkeiten, die zeigt, daß im Bereich Bö- kungsgefüge, ein Ökosystem. den nur ein differenzie rtes Herangehen möglich ist und daß dadurch eine pauschale Beantwortung der Böden erfüllen fünf wesentliche Funktionen: Frage, welche Bodenfunktionen in Deutschland am • Lebensraumfunktion: Böden als Lebensgrundlage stärksten gefährdet sind, nicht oder nur sehr schwer und Lebensraum für den Menschen und für Flora möglich ist. und Fauna in ihrer genetischen Vielfalt, insbeson- dere für eine spezifische Bodenflora und -fauna • Regelungsfunktion: die abiotische und biotische 3.4 Vorschläge für Umweltziele, Stoffumwandlung, insbesondere der mikrobielle Umweltqualitätsziele und Abbau organischer Stoffe einschließlich des Ab- Umwelthandlungsziele im Bereich „Böden" baus von Schadstoffen sowie die physikalische und chemische Puffer- und Filterfunktion sowie Im Rahmen des Leitbildes der nachhaltig zukunfts- die Wassergewinnung verträglichen Entwicklung sind die vier grundlegen- • Trägerfunktion: die Bereitstellung von Raum und den Regeln erste Schritte zur Operationalisierung. 17 ) Struktur für Wirtschaft, Verkehr, Siedlung, Ver- Die grundlegenden Regeln haben unmittelbare Kon- und Entsorgung, Freizeit und Erholung; Senke für sequenzen für den Schutz der Böden und zugleich Emissionen und Abfälle Bedeutung für die Formulierung von Umweltquali- • Kulturfunktion: Böden als spezifische Lebens- tätszielen und Umwelthandlungszielen. Umwelt- räume sind die Grundlage menschlicher Ge- handlungsziele müssen quantitative Angaben ent- halten sowohl hinsichtlich der Belastungsminderung schichte und Kultur, aber auch durch ihre Spei- - cherfunktion eine Art Geschichtsbuch, an dem sich als auch hinsichtlich der Zeit, innerhalb derer diese viele historische Vorgänge ablesen lassen erreicht werden soll. Ohne diese Quantifizierung sind Umwelthandlungsziele weder operational noch • Produktionsfunktion: Produktion in Land- und instrumentierbar. Die Wahl eines umweltpolitischen Forstwirtschaft, Gartenbau und Rohstoffgewin- Instruments und die möglichen ökonomischen und nung. sozialen Folgen hängen nicht nur von der Zielrich- Die Funktionen der Böden sind dauerhaft als Lebens- tung, sondern entscheidend von der Größe und Ge- grundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, schwindigkeit der angestrebten Veränderung ab. Die Pflanzen und Mikroorganismen, als Bestandteil des Kommission ist sich zwar dieses Mangels der von ihr Naturhaushalts, als Abbau- und Ausgleichsmedium formulierten Umwelthandlungsziele bewußt, doch für stoffliche Einwirkungen, insbesondere auch zum waren quantitative Vorgaben zum Zeitpunkt der Re- Schutz des Grundwassers, zu erhalten. Die Nutzung daktion des Zwischenberichts noch nicht ausrei- der Böden für den Menschen bei der Gewinnung von chend untersucht. Rohstoffen, als Standort für die land- und forstwirt- Böden stellen im Sinne der zweiten grundlegenden schaftliche Nutzung, als Standort für wi rtschaftliche Regel eine nicht erneuerbare und damit begrenzte Aktivitäten, Verkehr, Ver- und Entsorgung, als Flä- Ressource dar. Ein wesentlicher Ansatzpunkt für Um- che für Siedlung und Erholung als Archiv der Natur- welthandlungsziele ist damit die Begrenzung bzw. und Kulturgeschichte usw. sollen die Leistungsfähig- Reduktion des Flächenverbrauchs. Ein weiterer An- keit und die ökologischen Funktionen der Böden so satzpunkt ist der Schutz der Böden vor schädlichen, wenig wie möglich und vor allem nicht dauerhaft be- unnatürlichen Abträgen. Aus der ersten grundlegen- einträchtigen. den Regel zur Nutzung erneuerbarer Ressourcen läßt Die Leistungsfähigkeit der natürlichen Bodenfunk- sich für das Grundwasser ableiten, daß die Grund- tionen kann je nach Art, Umfang und Intensität der wassernutzung die Grundwasserneubildung nicht Bodennutzung teilweise oder ganz reduziert werden. überschreiten soll. Aus der dritten grundlegenden Zur Erhaltung und Schonung der Naturressourcen Regel ergibt sich, daß Stoffeinträge in Böden deren und damit auch des Bodens und seiner natürlichen Belastbarkeit nicht überschreiten dürfen, wobei alle Funktionen verlangt bereits heute der Gesetzgeber Funktionen zu berücksichtigen sind. Überdies ver- (§ 8 BNatSchG), daß schädigende Eingriffe in den langt die vierte grundlegende Regel, daß das Zeit- Naturhaushalt und seine natürlichen Ressourcen maß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in Böden nach Möglichkeit zu vermeiden, sonst auszugleichen in einem ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der oder zu entschädigen sind. Darüber hinaus schreibt für das Reaktionsvermögen der Böden relevanten na- das Baugesetzbuch bei der Inanspruchnahme von türlichen Prozesse steht. Daher sind Einträge persi- Bodenflächen gleichwe rtig den sparsamen wie den stenter, bioakkumulierbarer, humantoxischer und schonenden Umgang mit Grund und Boden vor (Op- ökotoxischer Stoffe mit irreversibler Wirkung in Bö- timierungsgebot). den aus industriellen und gewerblichen Anlagen, aus der Landwirtschaft, aus p rivaten Haushalten und aus Die Frage, ob Böden in Deutschland stark gefährdet dem Straßenverkehr oder sonstigen Quellen zu ver- sind, läßt sich allgemein nicht beantworten. Zunächst meiden. wäre zu klären, welche Bodenfunktionen in welcher regionalen Ausdehnung im einzelnen betrachtet 17) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der werden sollen. Darüber hinaus muß angegeben wer Umwelt" (1994) 45 ff

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Übergreifende Umweltziele sind oberschicht ist möglichst schonend abzulagern und sollte für die Wiedernutzbarmachung abgebauten die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Funktio- Geländes oder für eine hochwertige Verwertung (z. B. nen der Böden Bau-, Landschaftsgestaltungs- oder Sanierungsmaß- der sorgsame Umgang mit Böden als endlichen nahmen) genutzt werden. Als Hilfsmittel sollte der Ressourcen Aufbau von Boden-Börsen vorangetrieben werden.

Im folgenden werden Umweltqualitätsziele und Um- welthandlungsziele für Böden vorgeschlagen und er- 3.4.2 Fläche läutert. Hierbei werden die beiden Themenkreise Die verschiedenen Nutzungsarten des knappen Gu- „Böden als endliche Ressourcen" (Kapitel 3.4.1 bis tes Bodenfläche überlagern und beeinflussen sich 3.4.4) und „Stoffeinträge" (Kapitel 3.4.5) getrennt be- gegenseitig und stehen nicht nur in Verdichtungsge- handelt. Böden sind auch endliche Ressourcen, die bieten, sondern auch in ländlichen Räumen miteinan- abgetragen werden können, um die darunter liegen- der in Konkurrenz. Die Ausweitung einer Nutzungs- den Rohstofflagerstätten nutzen zu können. Zudem art führt in der Regel zur Einschränkung anderer sind Böden endliche Ressourcen als Flächen für ver- Nutzungsarten. Bestimmte Nutzungsarten schließen schiedene Zwecke und Funktionen, als Bodenmate- einen beliebigen Wechsel zu anderen Nutzungsarten rial im Zusammenhang mit Erosion und Verdichtung aus. Die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutsch- sowie als Filter und Speicher für Grundwasser. Zu- land (35 697 000 ha) teilte sich 1993 folgendermaßen sammenfassend geht die Verknappung bzw. Gefähr- auf die verschiedenen Nutzungsarten auf: 18) dung der Böden auf Bodenabträge, Versiegelung oder auf Stoffeinträge zurück. Tabelle 1 Anteil der Flächennutzungsarten an der 3.4.1 Böden als Lagerstätten von Rohstoffen Bodenfläche der Bundesrepublik Deutschland 1993 - An bestimmten Standorten lagern in oder unter den in % der Böden wichtige Rohstoffe, die für die Volkswirtschaft, in Gesamt- insbesondere Industrie und Bauwesen, von Bedeu- 1 000 ha fläche tung sind (z. B. Kaolin, Ton, Steine, Sand, Kies, Gips, Kohle), bzw. das Bodenmaterial selbst wird als Roh- Siedlungs- und Verkehrsfläche 4 016,6 11,3 stoff angesehen (Torf). Im Sinne der grundlegenden Regeln kommt dem Bodenschutz dabei eine doppelte darunter: Bedeutung zu. Gebäude- und Freiflächen . 2 065,7 5,8 Betriebsflächen Umweltqualitätsziel (ohne Abbauland) 55,0 0,2 Erholungsfläche 230,7 0,6 Sparsame Nutzung bodennaher Lagerstätten und Verkehrsfläche 1632,7 4,6 Schonung des Oberbodens Friedhofsflächen 32,5 0,1 Umwelthandlungsziele Abbauland Substitution von Boden-Rohstoffen durch Recyc- (Flächen, die durch Abbau lingprodukte oder industrielle Reststoffe so weit der Bodensubstanz genutzt möglich werden) 187,8 0,5

Bodenschutz zielt auf den sparsamen Abbau und die Landwirtschaftsfläche 19 543,3 54,7 nachhaltige Nutzung dieser in menschlichen Zeitdi- mensionen nicht erneuerbaren Ressource ab, um sie Waldfläche 10 432,6 29,2 soweit wie möglich auch für zukünftige Nutzungen vorzuhalten. Die Zugriffsmöglichkeiten auf diese Wasserfläche 779,8 2,2 Ressourcenvorräte sollten im Rahmen der techni- schen und wirtschaftlichen Möglichkeiten durch Flächen anderer Nutzung 736,9 2,1 Substitution von Boden-Rohstoffen durch Recycling- produkte oder indust rielle Reststoffe (z. B. Naturgips Gesamtfläche der durch REA-Gips) verlängert werden. Bundesrepublik Deutschland 35 697,0 100

Abbau von Lagerstätten so, daß Böden als Deckflä- Quelle : Statistisches Bundesamt (1995) chen so weit wie möglich unberührt oder in ihren Funktionen unbeeinträchtigt bleiben Die Inanspruchnahme von Fläche als Siedlungs- und Mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Bo- Verkehrsfläche führt zu einer Veränderung der natür- denfunktionen „Lagerstätte" geht oftmals notwen- lichen Bodenfunktionen. Nach dem Beitritt der neuen digerweise die Zerstörung der gewachsenen Ober- Bundesländer hatte die Siedlungs- und Verkehrsflä- bodenschicht (der „belebte" Boden) einher. Pro- che einen Anteil von 11,3 % an der Gesamtfläche der blematisch ist, daß hochwertiges Bodenmaterial ab- Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1993. Der Anteil gelagert, deponiert und dadurch entwertet wird. Hier ist eine Verbesserung wünschenswert, die Bodenma- 18) Vgl. Statistisches Bundesamt (1995) 173; Statistisches Bun- terial als begrenzte Ressource aufwertet. Die Boden desamt (1993) 66 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Abbildung 2

Veränderung der Bodennutzung

nach Losch (1992); Daten: BfLR

der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtflä- Bruttowohnbauland. 21 ) Die tägliche Zunahme der che der alten Bundesländer stieg von 7,1 % im Jahr Siedlungs- und Verkehrsfläche ist von 87 ha pro Tag 1950 auf 12,7 % Ende 1992. Die Flächeninanspruch- im Zeitraum von 1985 bis 1989 auf 71 ha pro Tag im nahme hat damit um 80 % zugenommen. 19) Zeitraum von 1989 bis 1992 gesunken; damit ist eine stetige Ausweitung des Flächenanteils verbunden. 22) Einer der größten Flächenkonsumenten ist das Ver- kehrssystem, hauptsächlich bedingt durch den gro- Die Veränderungen in der Bodennutzung und insbe- ßen Flächenbedarf des Autoverkehrs. Der Anteil der sondere der Rückgang der Landwirtschaftsfläche 23) Verkehrsfläche an der Siedlungs- und Verkehrsflä- im Zeitraum von 1989 bis 1992 zeigt die obenstehen- che betrug mit 1632,7 ha im Jahr 1993 20 ) rund 40,7 % de Abbildung. und an der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland etwa 4,6 % (siehe Tabelle 1). Die Bun- 21) Zum Bruttowohnbauland werden sowohl die Grundstücks- desforschungsanstalt für Landeskunde und Raum- fläche (Nettowohnland) als auch die zugehörigen Verkehrs-, ordnung rechnet in ihrer Raumordnungsprognose Grün- und Erholungsflächen inkl. Kinderspielplätze gerech- net; ausdrücklich ausgenommen sind überregionale Ver- 2010 mit einem starken Wohnungsneubau, der zwi- kehrswege. Vgl. BfLR (1996c) 24 schen 1991 und 2010 etwa 370 000 ha Fläche in An- 22) Vgl. Losch (1992) 92 ff; BfLR (1996c) 19; Apel / Henckel u.a. spruch nehmen wird; dies wären täglich rund 51 ha (1995) 29 23) Die landwirtschaftlich genutzte Fläche hat sowohl in den al- ten Bundesländern (1979: 45,1 %, 1987: 43,3 %) als auch in 19) Vgl. Apel / Henckel u.a. (1995) 29 der ehemaligen DDR (1979: 58,7 %, 1987: 57,1 %) deutlich 20) Vgl. Statistisches Bundesamt (1995) 173 abgenommen. Vgl. Eckart / Wollkopf u.a. (1994) 44 f Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Vom hohen Rückgang der Landwirtschaftsfläche ha- Böden. Die Biosphäre ist vorstellbar als die belebte ben neben den Siedlungs- und Verkehrsflächen auch Hülle der Erde. Sie umfaßt das Leben auf und im Bo- die Wald- und Gewässerflächen profitiert, wobei Auf- den, das Leben im Wasser und das Leben in der Luft. forstungsmaßnahmen und neu geschaffene Gewäs- Der stärker belebte Teil des Bodens wird im allgemei- serflächen (u. a. Baggerseen) ausschlaggebend wa- nen mit einer mittleren Tiefe von 80 cm angegeben, ren. 24) die in bestimmten Fällen entweder unter- oder we- sentlich überschritten werden kann. Böden sind der Der sparsame und schonende Umgang mit Grund Lebensraum einer vielfältigen Bodenmikroflora und und Boden (Bodenschutzklauseln) ist im Raumord- Bodenfauna, die wesentlich an der Regelungsfunk- nungsgesetz und im Baugesetzbuch in der Zweckbe- tion und Produktionsfunktion der Böden durch zahl- stimmung gefordert. Somit müssen neben den raum- reiche Stoffumwandlungen beteiligt sind. Zugleich ordnerischen, den politischen und wi rtschaftlichen stellen Böden das Substrat allen Lebens an Land dar, Zielen der jeweiligen Flächennutzungen auch quali- von dem die Primärproduktion grüner Pflanzen, die tative und quantitative Aspekte des Bodenschutzes im Boden wurzeln, abhängt. Die Bedeutung der Bö- berücksichtigt werden. 25 ) Eine optimale Raumnut- den für die biologische Vielfalt ist also zweifach: Bö- zung, die die bestmögliche Form, Intensität und Ver- den sind Lebensraum für Bodenorganismen, deren netzung der Nutzungsarten finden soll, setzt die ge- Vielfalt auf stoffliche und nicht stoffliche Bodenbela- genseitige Abstimmung der verschiedenen Nut- stungen unmittelbar reagie rt. Zugleich sind Böden zungsarten und das Abwägen von Zielkonflikten vor- von grundlegender Bedeutung für die Lebensräume aus. aller terrestrischen (sowie vieler aquatischen) Pflan- zen und Tiere. Bodenbelastungen führen daher oft unmittelbar oder mittelbar - meist über eine gestörte Natur- und Landschaftsschutzftäche Regelungsfunktion - zu einer Schmälerung der biolo- Naturschutz hat die Aufgabe, die vielfältigen Funk- gischen Vielfalt. tionen des Natur- und Landschaftshaushaltes sowie die Eigenarten von Landschaften zu erhalten und die Die Bodenorganismen werden der Bodenmikroflora natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch, Tier und oder der Bodenfauna zugerechnet. Bodenmikroflora Pflanze auf Dauer zu sichern. Naturschutz umfaßt und Bodenfauna bewerkstelligen den Abbau, Umbau den komplexen Schutz des Naturhaushalts, den Ar- und Aufbau von Stoffen in den Böden. Im Ökosystem tenschutz sowie Landschaftsschutz, Landschaftspfle- sind Bodenmikroflora und Bodenfauna die Zersetzer ge und -entwicklung. Deshalb dürfen die Ziele des (Destruenten oder Reduzenten), die tote pflanzliche Naturschutzes sich nicht nur auf den Schutz einzel- und tierische Substanz bis zur Stufe der anorgani- ner Flächen oder Gebiete beziehen, sondern müssen schen Ausgangsstoffe abbauen. Daneben sind grüne auf den Schutz der gesamten natürlichen Umwelt ge- Pflanzen die Primärproduzenten und die übrigen Tie- richtet sein. Das internationale Übereinkommen über ren einschließlich des Menschen die Konsumenten. die biologische Vielfalt, die EG-Richtlinie zur Erhal- Der Stoffabbau der Destruenten läßt sich in zwei tung der natürlichen Lebensräume sowie der wildle- Hauptschritte gliedern: Vor allem Pilze und der größte benden Tiere und Pflanzen, das Konzept eines „Eu- Teil der Bodentiere bauen einerseits die tote organi- ropäischen Ökologischen Netzes" (Natura 2000) und sche Substanz bis zu einer Zwischenstufe ab, anderer- auf nationaler Ebene die Entschließung der Minister- seits synthetisieren sie neue organische Bodenstoffe konferenz für Raumordnung zum „Aufbau eines öko- (Humus). Den endgültigen Schritt der Mineralisation, logischen Verbundsystems in der räumlichen Pla- d. h. des Abbaus bis zu CO2 und mineralischen Pflan- nung" beinhalten einen staatenübergreifenden und zennährstoffen, sowie den Aufbau zu Humusstoffen, umfassenden Naturschutz. 26) Die Belange des Natur- besorgen Bakterien. Bodentiere spielen neben ihrer schutzes und der Landschaftspflege sollten also auf Zersetzungstätigkeit eine wichtige Rolle, indem sie der gesamten Landesfläche - in unterschiedlichem die Tätigkeit der Mikroorganismen regulieren, das Umfang und in unterschiedlicher A rt und Weise - ge- Porenvolumen des Bodens erhöhen, seine Krümel- sichert werden. 27 ) struktur bedingen und den Boden durchmischen.

Über die Artenvielfalt von Bodenorganismen sind Umweltqualitätsziel keine genauen Angaben in der Literatur zu finden. Dunger (1970) hat aufgrund von Angaben verschie- Sicherung und Weiterentwicklung der Vielfalt, dener Autoren annähernde Individuenzahlen und Eigenart 28) und Schönheit von Natur und Land- Gewichte der wichtigsten Gruppen der Bodenorga- schaft sowie Erhalt der biologischen Vielfalt nismen für europäische Böden zusammengestellt. Die Anzahl der Bakterien-, Pilz- und Tierarten, die im Essentiell für alles Leben auf dem Land und für die Boden leben, geht zweifellos in die Tausende mit ei- biologische Vielfalt ist die Lebensraumfunktion von nem unbekannten Anteil unbesch riebener Arten. Selbst wenn wir in der Lage wären, die Vielzahl der 24) Vgl. Losch (1992) 92 ff niederen Tier- und Pflanzenarten im Boden zu regi- 25) Vgl. Losch (1992) 92 ff strieren, würde es immer ein Wunschtraum bleiben, 26) Vgl. SRU (1996a) Tz. 235 27) UMK (1995) die Populationsstruktur, d. h. die formalen und funk- 28) Zur Eigenart von Natur und Landschaft zählen auch Flächen tionalen Eigenschaften der Populationen und ihr zwi- mit „seltenen Böden", die sich aufgrund besonderer Stand- schenartliches Wechselspiel, zu begreifen. 29 ) ortverhältnisse (Ausgangsgestein, Klima, Nutzungsform etc.) bilden konnten und heute meist als Naturdenkmäler oder Schutzgebiete anzusehen sind 29) Vgl. Schuhmann (1985)

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Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen der Funktionen der Böden gefordert. Der Rat von wies in seinem Gutachten zur Landwirtschaft darauf Sachverständigen für Umweltfragen weist in seinem hin, der Schutz der Böden erfordere insbesondere, Sondergutachten zur dauerhaft-umweltgerechten daß die Meso- und Makrofauna in bestmöglichem Nutzung ländlicher Räume darauf hin, daß das Kon- Umfang erhalten bleibt. 30) In seinem Jahresgutach- zept der „Erhaltung der biologischen Vielfalt und der ten 1987 forderte er, daß ein Schutz der Böden so an- nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile" nur auf der gelegt sein muß, daß die gesamte Bodenlebewelt in gesamten Fläche unter Zusammenwirken von Natur- diese Schutzanstrengungen mit einbezogen wird. schutz, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gewässer- Der Schutz dürfe sich weder auf einzelne Arten oder nutzung und Wasserwirtschaft gelingen wird und Gruppen beschränken, die z. B. besonders auffällig diese Aufgabe auch weit über diesen Nutzerkreis (Regenwürmer) oder zu hohen Stoffumsatzleistungen hinausreicht. Der Rat von Sachverständigen für Um- fähig sind (Bakterien, Pilze), noch dürfe er bestimmte weltfragen spricht sich in diesem Zusammenhang für Böden bzw. Bodennutzungen ausklammern. Die Bö- eine differenzie rte Landnutzung, d. h. eine partielle den könnten ihre Rolle im Naturhaushalt nur mit ei- Segregation aus. Im Vordergrund künftiger Maßnah- nem vielfältigen und aktiven Bodenleben erfüllen. 31) men muß die Eindämmung der Uniformierung von Natur und Landschaft und von solchen Eingriffen in Über die Bedeutung als Lebensraum der Bodenorga- den Landschaftswasserhaushalt stehen, die zu einer nismen hinaus spielen Böden eine zentrale Rolle in fortschreitenden Verarmung an wildlebenden Pflan- den Biotopen der Gemeinschaften aus Pflanzen- und zen, Tieren und Lebensräumen, zu einer Einengung Tierarten. In der Bundesrepublik Deutschland wer- des Nutzpflanzen- und Nutztierspektrums und zur den 509 Biotoptypen unterschieden wie etwa ver- Veränderung von Stoffflüssen im Naturhaushalt ge- schiedene Typen Trocken- und Halbtrockenrasen, ar- führt haben. 35) tenreiches Grünland, Weichholz- und Hartholzauen, Nieder- und Hochmoore, Salzwiesen, Strandwiesen oder Wanderdünen. 32 ) In allen Fällen geben Böden mit ihren spezifischen Standortverhältnissen wichti- Umwelthandlungsziele ge Voraussetzungen für die jeweils charakteristi- Neben besonders zu schützenden Flächen, die nur schen Lebensgemeinschaften aus Pflanzen, Tieren wenige Prozente der Gesamtfläche Deutschlands um- und Mikroorganismen vor. Insoweit nehmen Böden fassen sollen, ist auf der Gesamtfläche der Bundesre- nach Typ, Fläche und Qualität, die von der jewei ligen publik eine Nutzung anzustreben, die besser als bis- Bodennutzung und -belastung mit bestimmt wird, her Aspekte der Artenvielfalt und der Produktion Einfluß auf die Biodiversität. Wie stark die Zusam- von Nahrungsmitteln und anderen nachwachsen- mensetzung der Tier- und Pflanzenwelt von Eigen- den Rohstoffen bei gleichzeitigem Erhalt der natür- schaften der Böden abhängt, ist durch unzählige lichen Schönheit und Vielfalt der Landschaft sichert praktische Erfahrungen belegt, wenn etwa Feucht- gebiete für die landwirtschaftliche Nutzung trocken- Da unsere Landschaft nahezu vollständig aus einem gelegt oder nährstoffarme Böden durch andauernden Mosaik der verschiedensten Formen - auch verschie- Nährstoffeintrag über den Luft- und Wasserpfad ver- denster Intensität - menschlicher Nutzung entstan- ändert werden. In beiden Fällen verändert sich ein den ist, ist ein Totalschutz nur auf einem geringen Ökosystem mit einer charakteristischen Lebensge- Teil der Flächen anzustreben. In der Regel sind des- meinschaft. Diese Veränderung kann dabei sowohl halb dem Schutzzweck angepaßte Nutzungskon- zu einer Verarmung als auch zu einer Bereicherung zepte zu erarbeiten. Da es eine geraume Zeit dauern beitragen, je nachdem, wie die umliegenden Lebens- wird, bis solche Nutzungskonzepte erarbeitet und räume strukturiert sind. angewandt werden können, ist für eine Übergangs- zeit anzustreben, solche Nutzungskonzepte für etwa Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt 10 % der Fläche aufzubauen. Die Idee des Biosphä- 33) (Convention on Biological Diversity) ist das erste renparkes sollte als Grundlage für solche Konzepte völkerrechtlich bindende internationale Abkommen, dienen, um daraus weitergehende Nutzungskon- das einen Querschnittsansatz zum Schutz der globa- zepte für die gesamte Landschaft einschließlich der len Biodiversität verwendet. 34 ) Im Gegensatz zu den besiedelten Teile zu entwickeln. Der Idee des Bio- bereits existierenden Konventionen - zum Beispiel sphärenparkes liegt der integ rierende Naturschutz das Übereinkommen zur Erhaltung der antarktischen zugrunde, der im Gegensatz zum Konzept des übli- Robben, das Übereinkommen über den internationa- chen segregierenden Naturschutzes steht (siehe fol- len Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere gendes Umwelthandlungsziel). und Pflanzen oder die Bonner Konvention zur Erhal- tung der wandernden wildlebenden Tierarten - wird Aufbau eines funktionsfähigen Biotopverbunds auf kein sektoraler Ansatz verfolgt, sondern das Thema der gesamten Fläche. Der Flächenanteil dafür soll in seiner ganzen Breite behandelt. Wenn die Staaten durchschnittlich 10 % der Gesamtfläche betragen. sich in der Biodiversitätskonvention zur Erhaltung In den verschiedenen Naturräumen bzw. Agrarge- der biologischen Vielfalt und zu deren nachhaltiger bieten kann dieser Wert von 5 % bis über 20 % Nutzung verpflichten, ist hierbei vor allem der Schutz schwanken Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 30) Vgl. SRU (1985) Tz. 1304 empfiehlt seit dem Jahr 1985 große Biotopverbundsy- 31) Vgl. SRU (1987a) Tz. 563 sterne als integ rierende Lösungen für Biotopschutz 32) Vgl. Bundesamt für Naturschutz (1994) 33) UNEP (1992) 34) Vgl. WBGU (1996) 174 35) Vgl. SRU (1996b) Tz.12 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode und Landschaftspflege. Angesichts der vielfältigen Naturschutzgebiete als Flächen höchster Schutzin- Zielvorstellungen - Artenschutz, integ rierter Pflan- tensität in einem repräsentativen, integ rierten zenschutz, Erosions- und Gewässerschutz sowie Er- Schutzflächensystem (Biotopverbundsystem) mit der holungslandschaft - reicht es keineswegs aus, an be- Gewährleistung einer ausreichenden repräsentativen liebiger Stelle einen bestimmten Flächenanteil von Verteilung sowie die Verbesserung der Situation und landwirtschaftlicher Nutzung auszunehmen. Im Ge- Qualität der Naturschutzgebiete voraus. Solch ein gensatz zum traditionellen Naturschutz, der sich auf Konzept des integ rierenden Naturschutzes erfordert den Schutz einzelner Flächen und Bestände konzen- aber - neben der Grundkonzeption - die aktive Ein- triert, kommt es künftig bei der Herstellung eines ge- bindung der Bevölkerung, speziell des ländlichen schlossenen Flächenverbundes zusätzlich darauf an, Raums, die ja die angepaßte Nutzung bzw. Pflege die Isolierung einzelner Biotope und der auf ihnen le- durchführen sollte. Zwangsläufig müssen deshalb benden Populationen zu verhindern. Erst der umfas- parallel zur Grundkonzeption entsprechende Finan- sende Verbund von Lebensräumen ermöglicht einen zierungskonzepte erarbeitet werden, die vom direk- ständigen Standortwechsel der Arten und damit ei- ten Finanzausgleich bis zum Ökomarketing reichen nen steten Austausch des vorhandenen genetischen können. Materials. Die nach wie vor unverzichtbaren großräu- Erhalt und Wiederherstellung einzigartiger Öko- migen ökologischen Vorranggebiete, die vornehm- systeme von überregionaler Bedeutung (z. B. in lich als Naturschutzgebiete im ländlichen Raum ver- Alpenregion und Wattenmeer) streut liegen, sind daher durch ein möglichst dichtes Netz „punkt- und linienförmiger naturbetonter Flä- Einzigartige Ökosysteme wie Küstengebiete oder al- chen" zu ergänzen. 36 ) Diese Flächen sind, wie oben pine Regionen erfreuen sich großer touristischer Be- schon angedeutet wurde, nicht von der Nutzung aus- liebtheit. Vielfältige wirtschaftliche und Freizeitakti- zunehmen, sondern sachgerecht zu nutzen bzw. zu vitäten können aber zur Aushöhlung der Schutzfunk- pflegen. Auch dies wird nicht allen Forderungen ge- tion führen. Folgen können zum Beispiel die Zerstö- nügen können, so daß sich zwangsläufig ein weite- rung oder Beeinträchtigung der Pflanzendecke und res, noch ehrgeizigeres Umwelthandlungsziel ergibt: der Baumvegetation mit Erosionsfolgen durch Wasser und Wind, aber auch zunehmende Luftbelastung, Integration von Naturschutzgebieten als Kernbe- steigendes Abwasser- und Abfallaufkommen sowie reiche des Schutzes der biologischen Vielfalt in steigender Flächenbedarf sein. 40 ) Mit der Forderung eine umfassende, flächendeckende Konzeption für nach Erhalt und Wiederherstellung einzigartiger Natur- und Umweltschutz Ökosysteme wird hier ein besonderer Schutz dieser Flächen gefordert. Die Aspekte des Tourismus wer- Die Zahl der deutschen Naturschutzgebiete nach den im Abschnitt „Fläche für Erholung, Spo rt und dem Bundesnaturschutzgesetz hat in den vergange- Fremdenverkehr" behandelt. nen Jahren leicht zugenommen, während der Flä- chenanteil stagniert. Der Anteil an der Gesamtfläche 37) Deutschlands betrug 1995 1,8 %. Bei der Formulie- Siedlungs- und Verkehrsfläche rung von Umweltzielen sind aber neben dem quanti- tativen Aspekt auch die Qualität der Schutzgebiete Werden Flächen zur Befriedigung menschlicher Be- zu berücksichtigen. Der Großteil der Naturschutzge- dürfnisse nach Wohnen und Mobilität überbaut, so biete - der schärfsten Schutzkategorie - ist kleiner stellen sie Träger bzw. Standorte für Siedlungen, Ge- als 50 ha, 47% sind sogar kleiner als 20 ha und wei- werbe- und Industrieanlagen sowie Verkehrsflächen sen damit einen Insel-Charakter auf. 38 ) Die heutigen dar. Diese Bodenbeanspruchungen verwenden nicht Flächen der Naturschutzgebiete sind zu klein, um oder nur in sehr eingeschränktem Umfang das ökolo- allen gefährdeten Arten auf Dauer das Überleben zu gische Leistungspotential der Böden; im Gegenteil, garantieren, 39) auch wenn sie optimal miteinander dieses wird durch Nebeneffekte der Bebauung wie vernetzt werden. Deshalb sollte grundsätzlich der in- Oberflächenversiegelung und -verdichtung sowie tegrierte Ansatz des Naturschutzes auf der gesamten Landschaftszerschneidungen und -veränderungen Fläche Deutschlands angestrebt werden, wobei nur -negativ tangiert. Lebensraumfunktion, Regelungs ausgewählte Gebiete nach bestimmten Kriterien un- und Produktionsfunktion der Böden werden weitge- ter besonderen Schutz gestellt würden. Wenn Böden hend beseitigt oder zumindest eingeschränkt. 41) als naturnahe Flächen belassen werden, was zum Überbauungen führen beispielsweise zu einer Zer- Beispiel bei Naturschutzflächen der Fall sein kann, störung und Verlagerung der belebten Bodenschich- können sie ihre Lebensraum- und Regelungsfunktion ten; der Boden verliert seine Funktion als Pflanzen- erfüllen. Aber auch in anderen Fällen können - bei standort sowie als Filter und Puffer für stoffliche Ein- entsprechender Nutzung - diese Funktionen ausrei- wirkungen. Es versickert weniger Wasser, dadurch chend erfüllt werden. Dies setzt die Sicherung der kommt es zu einem erhöhten Abfluß von Oberflä- chenwasser und es wird weniger Grundwasser neu gebildet. 42) Während die tägliche Umwandlung von 36) Vgl. SRU (1985) Tz. 1214 f 37) Vgl. Statistisches Bundesamt (1995) 16 unbebauter Fläche in Siedlungs- und Verkehrs- 38) Vgl. SRU (1996a) Tz. 223 ff; SRU (1996b) Tz. 108 fläche 43 ) den Bestand an Freiflächen immer weiter 39) Als Mindestgröße für Naturschutzgebiete werden 50 bis 100 schrumpfen läßt und Stadtklima, Wasserhaushalt, ha angegeben, für Arten an der Spitze der Nahrungspyrami- de (Greifvögel, große Beutegreifer etc.) 1000 bis 10000 ha. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, daß z. B. Fleder- 40) Vgl. WBGU (1994) 233f mäuse, Gänse, Amphibien und Tagfalter verschiedene Bio- 41) Vgl. Hecht / Werbeck (1995) 162 ff tope als Laich- und Nahrungsplätze, Winter- bzw. Sommer- 42) Vgl. E-BBodSchG (1996) Begründung quartiere beanspruchen. Vgl. Heinrich / Hergt (1990) 228 43) Vgl. BfLR (1996b) 5 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Schadstoffilterung und Arten- und Biotopschutz be- auskommen müssen, die wir jetzt dafür in Nutzung einflußt, sind andererseits in den neuausgewiesenen haben." 48) Siedlungs- und Verkehrsflächen auch Gärten- und Grünanlagen und damit Freiflächen im Siedlungsbe- Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Freiflächen reich enthalten. Unbest ritten ist jedoch, daß Flächen Unter Freiflächen werden Flächen im Ortsbereich begrenzte natürliche Ressourcen sind, für die eine verstanden, die noch nicht baulich oder nicht anders flächensparende Siedlungsentwicklung und Boden- dauerhaft genutzt werden. 49 ) Freiflächen in Ortsbe- politik entwickelt werden muß. Die Bundesfor- reichen verbessern in dër Regel die Qualität des schungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung Wohnumfeldes und sind unerläßlich für ein gutes Mi- weist auf die städtebaulichen Aufgaben auf dem kroklima, da sie zur Temperaturregulierung und Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung hin. Sie Durchlüftung beitragen. Verdichtungen von Sied- fordert die Stärkung der Innenentwicklung und Ein- lungsflächen sollen deshalb eher durch „Bauen in sparung von Flächen durch intensivere Flächennut- die Höhe" als durch „Bauen in die Flächen" erfolgen. zung sowie die Verringerung der räumlichen Ausein- Dabei sind allerdings die mikroklimatischen Gege- anderentwicklung von Nutzungen in den Städten benheiten zu beachten. und Stadtregionen. 44 ) Diese Aspekte werden auch in den von der Enquete-Kommission formulierten Um- Verringerung der Inanspruchnahme von zusätz- weltqualitäts- und Umwelthandlungszielen berück- lichen Flächen für Wohnen, Gewerbe und Verkehr sichtigt. Am Beispielfeld „Bauen und Wohnen" wer- den diese Ziele für Siedlungsflächen und do rt für das Durch flächensparendes Bauen, so Bundesminister Bauen im Bestand konkretisiert. Töpfer, ließe sich allein in der Bundesrepublik Deutschland der bis Jahre 2010 prognostizierte Bau- landbedarf von 370 000 ha auf 255 000 ha begren- Umweltqualitätsziele ' zen. 50) Begrenzung bzw. Reduktion des Flächenver- brauchs Anstreben von räumlicher Nähe zwischen Wohnen und Arbeiten Der Flächenverbrauch oder auch die Flächeninan- Langfristig angestrebt wird eine Abkehr vom Leitbild spruchnahme betrifft die Umwidmung von unbebau- der Charta von Athen der Dreißiger Jahre, demzufol- ter Fläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche. Etwa ge Siedlungs- und Gewerbegebiete entmischt wer- die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche ist den sollen und das bis heute der Baunutzungsverord- überbaut bzw. versiegelt. Das sind ca. 2 Mio. ha oder nung zugrundeliegt. Eine Abkehr von diesem Leit- knapp 6 % der Fläche der Bundesrepublik - mit stei- bild kann auf der anderen Seite zu Zielkonflikten mit gender Tendenz. 45 ) Flächenversiegelung ist die dem Immissionsschutz führen. stärkste Belastung, die Böden in überbauten Gebie- ten erfahren. Die ökologischen Auswirkungen der Das BImSchG und die LärmSchVO haben aber be- Überbauung sind vor allem unter Gesichtspunkten reits eine so weitgehende Emissionsminderung be- der Störung des Wasserhaushaltes zu finden. Das wirkt, daß der Straßenverkehr zur maßgeblichen Einsickern von Niederschlagswasser in den Boden Quelle geworden ist. In der Bauleitplanung können und die Grundwasserneubildung werden verhindert, deshalb zunehmend innerörtliche Bereiche als stattdessen der Oberflächenabfluß erheblich vergrö- Mischgebiete ausgewiesen werden. ßert. Bodenversiegelung durch Überbauung wird vor allem dort zu einem Problem, wo sie größere zusam- menhängende Flächen beansprucht. 46) Umwelthandlungsziele Entkoppelung des Flächenverbrauchs von Wirt- Um die Böden zu schützen ist es daher erforderlich, schafts- und Bevölkerungswachstum; deutliche den Flächenverbrauch einzuschränken. Das Land Verlangsamung der Umwandlung von unbebauten Schleswig-Holstein beispielsweise hat diesen Aspekt Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen: Anzu- des Bodenschutzes in seinem Landesnaturschutzge- streben ist eine Verringerung der Umwandlungsra- setz festgehalten: „Mit den Bodenflächen ist sparsam te bis 2010 auf 10 % der Rate, die für die Jahre umzugehen. Unbebaute Bereiche sind wegen ihrer 1993 bis 1995 festgestellt wurde. 51) Langfristig soll Bedeutung für den Naturhaushalt in der dafür erfor- die Umwandlung von unbebauten Flächen in be- derlichen Größe und Beschaffenheit frei von bauli- baute durch gleichzeitige Erneuerung (Entsiege- chen Anlagen zu halten. Der Verbrauch von Land- lung u. a.) vollständig kompensiert werden. schaft, insbesondere durch Versiegelung, Abbau von Bodenbestandteilen oder Zerschneidung durch Tras- Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat sich in der sen und oberirdische Leitungen aller Art, ist auf das Bundesrepublik Deutschland in den letzten fünfzig notwendige Maß zu beschränken." 47) Auch Bundes- Jahren mehr als verdoppelt. Besonders dramatische bauminister Töpfer spricht sich für den Schutz vor Umwandlungsraten zeigen die Agglomerations Versiegelung und Flächenverbrauch aus: „... im Kern werden wir für unsere Bedürfnisse mit den Flächen 48) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" (1996a) 11, 9 49) Vgl. Statistisches Bundesamt (1993) 67 50) Vgl. BMBau (1996a) 44) Vgl. BfLR (1996b) 67 f 51) Die Enquete-Kommission wird in einer Studie „Mögliche 45) Vgl. BfLR (1996a) 1f Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steuerung 46) Vgl. SRU (1987a) Tz. 620 ff der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung” untersuchen 47) § 1 (2) Ziffer 4 LNatSchG Schleswig-Holstein (1993) lassen und Konsequenzen daraus ziehen. Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode räume und deren Umland. Diese Entwicklung ist An verschiedenen Standorten zeigt sich eine unter- nicht zukunftsverträglich und kann daher nicht fo rt schiedliche Verteilung, Dichte und Verknüpfung -geschrieben werden. Der von der Bebauung und (Verkehrsvolumen) der Nutzungsarten. 60) Die Kom- dem Verkehr herrührende Nutzungsdruck wird zu mission empfiehlt daher, für unterschiedliche Regio- einer Bedrohung für die ökologische Funktionalität nen, zum Beispiel mit wachsender und stagnierender der Böden. Diese Entwicklung wurde neben der Be- Bevölkerungszahl unterschiedliche Vorgaben für den völkerungszunahme insbesondere durch das Wi rt noch erlaubten zusätzlichen Flächenverbrauch aus- -schaftswachstum und den gestiegenen gesellschaftli- zusprechen. Derartige Vorgaben müßten flexibel und chen Wohlstand ausgelöst. So stieg die Anzahl der anpassungsfähig sein. pro Kopf genutzten m 2 Wohnfläche in den alten Bun- Damit Entsiegelungspotentiale frühzeitig erkannt desländern von 19 m2 im Jahr 1960 auf 37 m 2 Wohn- und genutzt werden, wurde das zweite Umwelthand- fläche 1990 52 ) und die Anzahl der Autos von 0,043 lungsziel formuliert. pro Kopf in 1960 auf 0,425 pro Kopf in 1990. 53 ) Die Kopplung von Bruttoinlandprodukt und Flächen- Sondervotum der Kommissionsmitglider Kurt-Dieter verbrauch zeigt sich in dem gleichförmigen Wachs Grill, Birgit Homburger, Prof. Dr. Paul Klemmer, tum beider Größen. Erst mit der Entkopplung von Dr. Wilfried Sahm, Prof. Dr. Jürgen Starnick Flächenverbrauch und Wirtschafts- und Bevölke- rungswachstum ist ein Wirtschaftswachstum ohne „Grundsätzlich ist dem Wunsch nach Entkopplung des Flä- gleichzeitig ansteigenden Flächenverbrauch mög- chenverbrauchs vom Wirtschafts- und Bevölkerungswachs- lich. tum zuzustimmen. Das hier festgelegte Reduktionsziel der Umwandlungsrate erscheint uns jedoch willkürlich gegriffen Bundesbauminister Töpfer fordert, daß es zu keiner und nicht nachvollziehbar. Die Relativierung dieses Umwelt- weiteren Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflä- handlungsziels durch die Fußnote reicht nicht aus, um die- che kommen sollte. 5 4 ) Einige Bundesländer wollen ses Problem zu lösen." den steigenden Flächenverbrauch zumindest ein- - Nutzung der bestehenden Entsiegelungspotentiale dämmen. So fordert beispielsweise das Land Rhein- durch den Rückbau versiegelter Flächen sowie die land-Pfalz in seinem Umweltprogramm eine Trend- qualitative Flächenaufwertung wende im Landverbrauch durch die Begrenzung der Flächeninanspruchnahme für Siedlung, Indust rie Ziel ist dabei die Wiederherstellung natürlicher bzw. und Verkehr. Das Land Sachsen setzt sich zum Ziel, naturnaher Bodenverhältnisse auf den dafür jeweils die Flächeninanspruchnahme für bodenverbrau- geeigneten Flächen, um die Versickerung von Was- chende Nutzungen zu minimieren 55 ), und Schleswig ser zu fördern (Hochwasserschutz), den Bodenhaus- Holstein will Bodenverluste und damit den Flächen- halt zu verbessern, ein angenehmes Wohnumfeldkli- verbrauch (Versiegelung) vermindern. 56) ma zu schaffen usw.. Auf mindergenutzten Verkehrs- Bis zum Jahr 2010 wird eine Baulandnachfrage in flächen, bei öffentlichen Bauten, bei Block- und Höhe von 370 000 ha 57 ) für die Bundesrepublik Blockrandbebauung oder durch die Entkernung von Deutschland prognostizie rt; das sind täglich ca. 51 ha Innenhöfen gibt es beträchtliche Entsiegelungspo- Bruttowohnbauland. Über den Prognosezeitraum tentiale. Die Bundesforschungsanstalt für Landes- sind unterschiedliche Nachfrageentwicklungen zu kunde und Raumordnung schätzt das gesamte Ent- erwarten. Tendenziell wächst die Nachfrage bis zum siegelungspotential auf ca. 10 % der versiegelten Jahr 2000. Danach ist sie in den alten Ländern eher Fläche innerhalb des bebauten Bereiches. Auf weite- rückläufig, in den neuen Ländern verstärkt sich die ren 22 % der versiegelten Fläche ließe sich der Belag Nachfrage voraussichtlich. Die Nachfrage nach durch versickerungsfreundlichere Beläge ersetzen. Wohnbauland wird vor allem von den Ein- und Zwei- Nach Erhebungen zu nutzungsspezifischen Entsie- familienhäusern ausgehen. Eine weitere Ausdeh- gelungs- und Belagsänderungspotentialen haben nung der Siedlungsfläche im Umland ist damit wahr- Verkehrsflächen die höchsten Ensiegelungspoten- scheinlich. Dagegen ist die Nachfrage nach Wohn- tiale (im Fußwegebereich bis zu 37 %), gefolgt von bauland für flächensparende Mehrfamilienhäuser Wohnflächen mit 15-20 %, Grundstücksflächen, Ge- verhältnismäßig gering. 58) Im Jahr 1993 nahm das werbe- und Industrieflächen, Erholungsflächen und Bruttowohnbauland ca. 40% (dies sind ca. 4,5% der -Betriebsflächen. Etwa 6 % der gesamten Siedlungs Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland) der und Verkehrsfläche wären zu entsiegeln, auf weite- 61 ) Zur Bestim- Siedlungs- und Verkehrsfläche ein. 59) ren 11 % ließe sich der Belag ändern. mung der räumlichen Ausdehnung dieser Flächen 52) Vgl. Apel / Henckel u.a. (1995) 31. In den neuen Bundeslän- sowie der Entsiegelungsmöglichkeiten in bestimm- dern betrug 1990 die Wohnfläche pro Kopf 28,3 m 2 (1993: ten Zeiträumen ist eine Analyse der Bodenversiege- 29,5 m2 ; im gesamten Bundesgebiet 36,2 m 2 ); vgl. BfLR lung und deren räumlicher Verteilung auf der Ge- (1996d) 6 samtfläche der Bundesrepublik notwendig. 53) Baumert (1995) 49; Der Bestand an Pkw und Kombi betrug im Jahr 1960 4 260 000 und im Jahr 1990 30 685 000. Vgl. Verankerung und Beschreibung des Leitbildes der BMV (1990) 216, 219 54) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der „regionalen Differenzierung" in der Raumordnung Umwelt" (1996a) 55) Vgl. Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landes- Aus Artikel 172 Abs. 1 GG und § 1 Abs. 1 Raumord entwicklung (1994) 219 nungsgesetz (ROG) wird für die Raumordnungspoli 56) Vgl. Ministerin für Natur und Umwelt des Landes Schles- tik die Forderung nach gleichwertiger Ausstattung wig-Holstein (1995) 51 Vgl. BfLR (1996b) 71 58) Vgl. BfLR (1996c) 36 ff 60) Vgl. Apel / Henckel u.a. (1995) 37 ff 59) Vgl. BfLR (1996c) 1,9 61) Vgl. BfLR (1996a) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 der Räume mit Infrastruktur und öffentlichen Dienst- der geringeren Knappheit und der niedrigeren Ge- leistungen (das sogenannte Gleichwertigkeitsziel) werbeflächenpreise im Stadtumland. Ursachen für abgeleitet. Obwohl die Verfassungsordnung keine die Zunahme des Flächenverbrauchs liegen auch in strenge räumliche Gleichheit gebietet und auch § 1 Standardsteigerungen, im verschwenderischen Um- Abs. 1 ROG so ausgelegt werden kann, daß viel Platz gang mit Bodenflächen z. B. durch eingeschossige für eine räumliche Differenzierung bleibt, hat das Bauweise, großzügige Anlage von Parkplätzen, Vor- Gleichwertigkeitspostulat in der Vergangenheit doch haltung von Reserveflächen, Einbeziehung von das Anspruchsniveau der Raumplanung be- Grünflächen etc. 66) herrscht. 62 ) Der Rat von Sachverständigen für Um- weltfragen verlangt daher: „Die derzeitig nicht nur in Die Enquete-Kommission hat bereits konkrete Vor- den dünn besiedelten Gebieten der neuen Bundes- schläge für eine höhere Verdichtung von Siedlungs- länder unbefriedigende Lage, die häufig durch eine räumen diskutiert. Vorgeschlagen wurde in normal unausgewogene Siedlungsstruktur, mangelhafte In- verdichteten Wohnsiedlungsgebieten eine minimale frastrukturausstattung, schlechte Wirtschafts- und Geschoßflächenzahl (GFZ) von 0,3 bis 0,4. In Bal- Arbeitsmarktstrukturen sowie dem Nebeneinander lungsräumen ist eine deutlich höhere Verdichtung von Regionen mit einem sehr großen ökologischen nötig und sinnvoll. Geschoßflächenzahlen von we- Potential gekennzeichnet sind, erfordert aus raum- nigstens 0,7 mit entsprechender Höhenentwicklung ordnerischer Sicht ein Überdenken der bisherigen werden von Stadtplanern als sinnvoller Kompromiß Prioritätensetzung in den Leitlinien (...). Ein Ersatz zwischen Verdichtung und Wohnqualität angese- der raumordnungspolitischen Leitvorstellung der hen. 67 ) Die Enquete-Kommission hat sich auch im Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen durch Rahmen des Themenfeldes „Bauen und Wohnen" das Leitbild der ,regionalen Differenzierung' in der mit der Frage der baulichen Verdichtung beschäftigt Raumordnung ist daher erforderlich." 63) (siehe Kapitel 4 „Beispielfeld Bauen und Wohnen", Seite 44). Vorrang der Verdichtung von Siedlungsgebieten vor der Neuausweisung von Siedlungsflächen Optimierung des Verhältnisses von Verkehrsfläche- Höhere Verdichtung von Siedlungsräumen mit zu Siedlungsfläche dem Ziel, künftig nicht mehr Grundstücksfläche pro Kopf bzw. Grundfläche 64) pro Kopf der Bevöl Strukturierung der Siedlungsräume mit dem Ziel kerung als gegenwärtig in Anspruch zu nehmen der Konzentration auf durch den öffentlichen Per- sonennahverkehr gut erschlossene bzw. erschließ Das Handlungsziel enthält sowohl die Forderung bare Bereiche nach verdichteten Siedlungsräumen in der Planung sowie die Nachverdichtung bestehender Siedlungs- Siedlungsdispersion und funktionale Entmischung räume. Die Frage der Verdichtung von Siedlungsge- führen zu vielfältigen Verflechtungen zwischen den bieten wird in Kapitel 4 „Beispielfeld Bauen und einzelnen Gebieten und zeigen sich in zunehmenden Wohnen" detailliert behandelt. Austauschbeziehungen. Das damit verbundene Ver- kehrsaufkommen stößt in den Kernstädten selbst und Die Nachfrage nach Wohnfläche hängt unter ande- auf den radialen Verbindungen in die Kernstädte rem von der Entwicklung der durchschnittlichen mittlerweile vielerorts an die Kapazitätsgrenzen. Zu- Haushaltsgröße (1994: 2,2 Personen) und der Real- nehmende Individualisierung und wachsende Erleb- einkommen ab. Daneben ist die Dichte der Bebau- nisorientierung in unserer Gesellschaft sind eine wei- ung städtebaupolitisch von erheblichem Gewicht, tere Ursache für die Ausdehnung der Aktionsräume weil durch die Vorgabe baulicher Maße zugleich die Nutzungsintensität auf den Grundstücken vorgege- ben wird. Weiterhin werden Bodenpreisniveau, 66) Vgl. Apel / Henckel u.a. (1995) 31f Wohnqualitäten, Verkehrs- und Beschäftigtendichten )67 Die BfLR erklärt in ihrer Stellungnahme zur Anhörung, daß durch eine moderate flächensparende Bauweise mit einer oder das Ausmaß des Flächenbedarfes durch Bebau- GFZ von 0,6 teilweise mehr als die Hälfte des beanspruchten ungsdichten entscheidend beeinflußt. Die Nachfrage Baulandes eingespart werden könnte. Sie kommentiert die nach Fläche wird um so größer, je niedriger die bau- Abhängigkeit zwischen durchschnittlichem Grundstücks- liche Dichte wird. Dieser Zusammenhang ist jedoch und Verkehrsflächenaufwand je m 2 Geschoßfläche von der mittleren Geschoßflächenzahl wie folgt: „Nach den Kurven- nicht linear, weil Bauflächen durch höhere Geschoß verläufen ... sind beim Wohnbauland wie bei den zugehöri- zahlen „gespart" werden können, andererseits nen- gen Verkehrsflächen massive Flächenersparnisse vor allem nenswerte Flächenersparnisse ab einer Geschoßflä- bei den geringen baulichen Dichten zu erreichen. Mit stei- chenzahl von 0,8 nur schwer zu erreichen sind. 65) gender baulicher Dichte werden die Flächenersparnisse im- mer geringer. Da nennenswerte Flächenersparnisse nur bis Diskutiert wurde darüber hinaus auch, Friedhofsflä- zu einer GFZ von 0,7 zu erzielen sind, müßten fiskalische In- chen durch die Einführung keltischer Bestattungsri- strumente so ausgerichtet sein, daß sie Flächenersparnisse, ten (Hockstellung) einzusparen. die eine GFZ von mehr als 0,7 haben, nicht mehr fördern, da sonst Bodenflächen ,kaputtgespart' werden. Denn die Erhal- Betrachtet man den Gewerbeflächenverbrauch pro tung der Bodenflächen ist unabdingbare Voraussetzung für Einwohner, so zeigt sich, daß er mit abnehmender alle ökologischen Prozesse auch in der Stadt. Sie können nicht vollgültig durch z. B. Dachbegrünungen u.a.m. ersetzt Stadtgröße zunimmt. Dies ist eine unmittelbare Folge werden. " Vgl. KDrs. 13/2c, BfLR, 83 ff. Im Falle einer Reduk- tion autoverkehrsorientierter Erschließungsflächen sind 62) Vgl. SRU (1996b) Tz. 26f; Tz. 72 weitergehende Flächenersparnisse im Sinne einer Geschoß- 63) SRU (1996b) Tz. 29 flächendichte oberhalb einer GFZ von 0,7 denkbar. Gemäß 64) Die Grundfläche ist der Teil des Grundstückes, der überbaut § 16 Abs. 1 BauNVO ist beispielsweise in Wohn- und Misch- werden darf. gebieten eine GFZ von L2 zulässig. Vgl. Apel / Henckel 65) Vgl. BfLR (1996c) 20 (1995) 70; vgl. Stadt Düsseldorf, Umweltamt (1996)

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode von Haushalten und Dienstleistungen, in deren Folge Anteil der Landwirtschaftsfläche belief sich auf rund das Verkehrsaufkommen weiter steigt. -55 %. Sie nimmt seit 1950 zugunsten der Siedlungs und Verkehrsfläche ab. Im früheren Bundesgebiet Die Auswirkungen dieser Entwicklungstrends gehen verringerte sich von 1981 bis 1993 71 ) die Landwirt- mit einer wachsenden Ressourceninanspruchnahme schaftsfläche von rund 13,7 Mio. ha um 2,9 % auf und einer zunehmenden Belastung der Umwelt ein- rund 13,3 Mio. ha. Das entspricht einer jährlichen her. 68) Abnahme von 0,23 %. Die Waldfläche nimmt dage- Beachtung regionaler Gegebenheiten bei der Er- gen beständig leicht zu, im Zeitraum von 1981 bis haltung und Wiederherstellung von Freiflächen, da 1993 um rund 1,8 % von 7,3 Mio. ha auf 7,5 Mio. ha. Frei- und Siedlungsflächen an unterschiedlichen Die Ursache für diese Entwicklung ist der große Be-

Orten unterschiedlich „ wertvoll" sein können darf an Siedlungs-, Verkehrs- und Erholungsflächen, der vor allem aus der Landwirtschaftsfläche gedeckt Vorrang der Wiedernutzung von Gewerbe-, Indu- wird. Die Zunahme der Waldfläche ist auf die Auffor- strie- und Infrastrukturflächen sowie der Bebauung stung nicht mehr wirtschaftlich nutzbarer landwirt- innerörtlicher unbebauter Restflächen vor der In- schaftlicher Flächen zurückzuführen, die innerhalb anspruchnahme von noch nicht zersiedelten Flä- der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- chen im Außenbereich rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" ge- Nutzung oder nutzungsbezogene Sanierung nicht fördert wird. mehr benötigter Gewerbe-, Industrie- und Infra- strukturflächen für bauliche Zwecke In der DDR war eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche Die für Gewerbe absehbare zunehmende Flächen- nahm im Zeitraum von 1979 bis 1987 um 1,6 % nachfrage muß nicht zwangsläufig zu einer entspre- ab. 72 ) Nach dem Beitritt wurde die Agrarstruktur in chenden proportionalen Neuausweisung von Sied- den neuen Ländern tiefgreifend verändert. Der u. a. lungsflächen für Arbeiten und Verkehr und den da- durch die Übernahme der EU-Agrarmarktordnun- mit negativen Folgen verbunden sein. So gibt es be- gen, den Wegfall direkter und indirekter Subventio- trächtliche Wiedernutzungspotentiale, das heißt städ- nen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Wettbe- tebauliche Brach- und Konversionsflächen, deren werbsschwäche vieler landwirtschaftlicher Unter- Mobilisierung eine Neuausweisung von Bauland und nehmen sowie die Anwendung des Rechtssystems ein weiteres Siedlungsflächenwachstum teilweise der Bundesrepublik Deutschland verursachte An- kompensieren könnte. 69 ) passungsdruck hatte weitreichende Konsequenzen, Deutliche Verringerung des Flächenverbrauchs auch für die landwirtschaftliche Flächennutzung. beim Bau und bei der Nutzung von Parkraum im Der Anbau von Marktfrüchten (insbesondere Getrei- Gewerbebereich de, Zuckerrüben und Ölsaaten) hat auch in den neu- Die Kommission empfiehlt, bei der Ausweisung und en Ländern zulasten des Feldfutterbaus, der Grün- beim Bau von Parkplätzen sowie bei der Nutzung landnutzung und des Kartoffelbaus stark zugenom- von Parkraum im Gewerbebereich deutlich flächen- men. sparender vorzugehen. In Bereichen mit guter An- Die im Wirtschaftsjahr 1988/89 erstmals begonnene bindung an den Öffentlichen Personennahverkehr Flächenstillegung zur Marktentlastung umfaßte in (ÖPNV) wurde die Verringerung auf einen Stellplatz der Bundesrepublik Deutschland zur Ernte 1996 pro 5 bis 10 Arbeitsplätze vorgeschlagen. In Groß- rund 1,2 Mio. ha, das sind rund 7,4 % der landwirt- städten wie Hamburg, Nürnberg oder Düsseldorf schaftlich genutzten Fläche. Die inzwischen ausge- gibt es bereits vielfach „Stellplatzeinschränkungssat- laufene 5jährige freiwillige Stillegung und das eben- zungen", um den Flächenverbrauch durch fließenden falls ausgelaufene freiwillige einjährige Flächenstill- und ruhenden Verkehr zu vermindern. Dies ist ein legungsprogramm zeigten keine eindeutige Orien- Trend auch in ausländischen Metropolen wie Lon- tierung auf bessere oder schlechtere Standorte. 73 ) don, Tokyo oder New York. Die Flächenstillegungen im Rahmen der EU-Agrar- Weitgehende Deckung des Wohnungsbedarfs im reform sind quasi obligatorisch, da nur Landwirte Bestand; Begünstigung des Bestandserhalts und Anspruch auf Preisausgleichszahlungen haben, die des Um- und Ausbaus gegenüber dem Neubau im Wirtschaftsjahr 1996/97 5 % ihrer Anbauflächen für Getreide, Ölsaaten und Eiweißpflanzen stillegen. Begünstigung der Innenentwicklung bei notwendi- Die obligatorischen Stillegungssätze lagen 1993/94 gen Neubaumaßnahmen durch Sanierung bzw. noch bei 15 % und 1994/95 bei 10 % dieser Anbau- Umnutzung ehemaliger Industrie- oder Militär- flächen. standorte Eine umfassende Bewe rtung agrarpolitischer Optio- nen kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Da- Land- und Forstwirtschaftsfläche her werden im folgenden Umweltqualitätsziele und Der Anteil der Landwirtschafts- und Waldfläche an Umwelthandlungsziele als Bausteine für eine nach- der gesamten Bodenfläche der Bundesrepublik haltig zukunftsverträgliche Landwirtschaft für die Deutschland betrug im Jahr 1993 rund 84 %. 70 ) Der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen.

68) Vgl. BfLR (1996b) 7f 69) Vgl. BfLR (1996b) 53 71) Eine Vergleichbarkeit mit Daten vor 1979 ist nicht gegeben 70) Vgl. Statististisches Bundesamt (1993), nächste Erhebung 72) Vgl. Eckart / Wollkopf u. a. (1994) 45 1997 73) Vgl. BMBau (1994) 127; UBA (1994b) 197

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Umweltqualitätsziel fähig sind. Die konkreten Entwicklungsziele hängen dabei von den geographisch-naturräumlichen Aus- Erhalt der Standorteigenschaften, des Ertragspoten- gangsbedingungen, den sozioökonomischen Stand- tials und der Bodenfruchtbarkeit für eine nachhaltig ortfaktoren und Entwicklungspotentialen der ent- zukunftsverträgliche Land- und Forstwirtschaft sprechenden Region sowie den Zielvorstellungen der Nach der internationalen Norm ISO 8157 (1984) Bevölkerung ab. Patentrezepte kann es hier nicht ge- Punkt 1.20 ist „Bodenfruchtbarkeit: Die Eignung ei- ben. Mögliche Ansatzpunkte, um die komparativen nes Bodens, Pflanzenwachstum sicherzustellen." Vorteile ländlicher Regionen im Rahmen eines inte- Dementsprechend ist Bodenfruchtbarkeit ein kom- grierten regionalen Gesamtkonzeptes zu nutzen, plexer Ausdruck für alle das Pflanzenwachstum un- sind z. B. mittelbar und mittelbar, positiv und negativ beein- • Wirtschaftsentwicklung mit dem Schwerpunkt ei- flussenden chemischen, mineralogischen, physikali- ner ressourcenschonenden Produktion und Dist ri schen und biologischen Eigenschaften des Bodens -bution innerhalb eines bestehenden Klimas. 74 ) • integrierte nachhaltige Landnutzungskonzepte (z. T. Intensivierung, z. T. ökologische Bewirtschaf- Umwelthandlungsziele tung) Standortgerechte Land- und Forstwirtschaft • Umwelt- und Naturschutzprojekte, die insbeson- dere auch Arbeitsplätze sichern oder schaffen Ausrichtung der land-, forst- und weinwirtschaft lichen Produktion auf die Schonung des Bodens, • dezentrale Ver- und Entsorgungseinrichtungen die Erhaltung und Mehrung der Bodenfruchtbar- (u. a. im Energie-, Wasser- und Abfallbereich) keit und des Biomasseproduktionspotentials • angepaßte Entwicklung des Fremdenverkehrs (Ertragsfähigkeit) • umweltverträgliche integ rierte Verkehrskonzepte Eine Konkretisierung der standortgerechten Land- zur äußeren und inneren Erschließung der Region.- wirtschaft findet sich in „Grundsätze einer ordnungs- Vor dem Hintergrund dieses Leitbildes werden ge- gemäßen Landbewirtschaftung" der Agrarminister genwärtig in der agrar-umweltpolitischen Diskussion der Länder vom 1. Oktober 1993 in Daun. Die do rt folgende alternative Strategien vertreten: beschriebenen Grundsätze, die eine standortgerech- te Landwirtschaft zu beachten hat, betreffen: • „flächendeckende Extensivierung" (umweltpoli- tisch geprägte Ausrichtung der agrarpolitischen 1. die Gestaltung der Feldflur (Agrarlandschaft) Maßnahmen unter weitgehender Bewahrung der 2. die Bodenbearbeitung Agrarstruktur) oder 3. den Anbau und die Bodennutzung • „standortangepaßte Flächennutzung" (einerseits 4. die Pflanzenernährung (Düngung) Orientierung auf wettbewerbsfähige Unternehmen 5. den Pflanzenschutz mit standortangepaßter und dadurch umweltge- rechter Erzeugung und andererseits dezentral - 6. die Tierhaltung nicht im Rahmen der landwirtschaftlichen Flächen- 7. die Anlage von Feldmieten für Gärfutter, Festmist bewirtschaftung - gesteuerte Landschaftspflege und Mistkompost und Naturschutzmaßnahmen). 8. die Beregnung. Verbesserung der Landschafts- und Kulturpflege- Die Gestaltung ländlicher Räume wird in Zukunft leistung einschließlich der Entwicklung von Krite- noch stärker von den Bedürfnissen verdichteter rien für die Erbringung dieser Leistungen (städtischer) Regionen bestimmt werden. Multifunk- Für die Leistungen in der Landwirtschaft zur Erhal- tionale integrative Konzepte nachhaltiger ländlicher tung und Pflege der Kulturlandschaft ist eine Hono- Entwicklung müssen unterschiedliche Ansprüche rierung vorzusehen. Die in den Agrarumweltpro- der Nutzer (Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirt- grammen des Bundes und der Länder auf der Grund- schaft, Industrie/Gewerbe, Femdenverkehr, Umwelt- lage der Verordnung EWG 2078/92 für umweltge- und Naturschutz, Verbraucher) aufeinander abstim- rechte und den natürlichen Lebensraum schützende men sowie gemeinsame Nutzungsstrategien regio- landwirtschaftliche Produktionsverfahren dazu u. a. nalbezogen entwickeln. Der Land- und Forstwirt- vorgesehenen Fördermaßnahmen sollten weiterent- schaft kommt dabei als bedeutendster Flächennutze- wickelt und gegebenenfalls verstärkt werden, wie es rin und -gestalterin eine besondere Bedeutung zu. auch der Rat von Sachverständigen für Umweltfra- Integrierte Konzepte einer nachhaltigen ländlichen gen empfiehlt (z. B. Ausgleichszahlungen nach dem Entwicklung erfordern darüber hinaus eine enge Ab- Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich stimmung zwischen Raumordnungs-, Wirtschafts-, des Landes Baden-Württemberg). 75) Verkehrs-, Infrastruktur- und Umweltpolitik.

Aufgrund der hohen Flächenanteile der Land- und Fläche für Erholung, Sport und Fremdenverkehr Forstwirtschaft in ländlichen Räumen und der sich daraus ergebenden Schlüsselfunktion für deren Viele Freizeitaktivitäten, insbesondere Spo rt und Er nachhaltige Entwicklung sind daher Nutzungen not- holung in der Natur, beeinträchtigen die Umwelt wendig, die ökologisch, ökonomisch und sozial trag- zum einen durch die Beanspruchung von Flächen für

74 ) Vgl. Lieberoth (1982) 75 ) Vgl. MEKA (1996); SRU (1996b) Tz. 230 ff

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode bauliche Anlagen und die Infrastruktur, zum anderen Die Vielfalt an Vorstellungen unter dem Stichwort durch die Ausübung der Aktivitäten selbst. Insbeson- „umweltverträglicher Tourismus" oder „sanfter Tou- dere das unmittelbare landschaftliche Umfeld der rismus" ist groß und verwirrend. Die Internationale Verdichtungsräume ist dabei durch die Vielzahl der Alpenschutzkommission, CIPRA, hat in ihrer „Dekla- Erholungssuchenden, durch die zeitliche und örtliche ration von Chur 1984" eine auf weitgehendem Kon- Konzentration der Besucherströme und der Aktivität sens beruhende Definition dieser Tourismusform ge- wachsenden Belastungen ausgesetzt. 76) geben: „Die CIPRA versteht unter sanftem Tourismus einen Gästeverkehr, der gegenseitiges Verständnis Größere ökologische Belastungen ergeben sich, des Einheimischen und Gastes füreinander schafft, wenn Tourismus bzw. Freizeitaktivitäten als Massen- die kulturelle Eigenart des besuchten Gebietes nicht erscheinung auftreten. Dann beeinträchtigen insbe- beeinträchtigt und der Landschaft mit größtmögli- sondere Freizeitaktivitäten mit hohem Erlebniswert, cher Gewaltlosigkeit begegnet. Erholungssuchende d. h. in abwechslungsreicher, naturbetonter Land- im Sinne des ,sanften Tourismus' benutzen vor allem schaft, die Umwelt in erheblichem Maße. Neben den die in einem Raum vorhandenen Einrichtungen der Breitensportarten werden durch sogenannte Trend- Bevölkerung mit und verzichten auf wesentliche zu- sportarten immer neue Naturräume beansprucht und sätzliche landschaftsbelastende Tourismuseinrich- gefährdet, wenn diese sich von der Trend- zur Mas- tungen. " 79) sensportart entwickeln. 77 ) Dann können neben dem Motorsport mit Geländefahrzeugen selbst durch Rad- Der Deutsche Fremdenverkehrsverband (DFV) rich- fahren abseits der Wege erhebliche Bodenabträge tet gemeinsam mit dem Bundesministerium für Um- bzw. Bodenverdichtungen erfolgen, einhergehend welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem mit der Zerstörung der Pflanzendecke und einer Be- Bundesministerium für Wirtschaft den Bundeswett- einträchtigung der Tierwelt. Besonders starken Erho- bewerb „Umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte lungs- und Freizeitaktivitäten sind die Gewässer und in Deutschland" aus. Bewe rtet werden die Aktivitä- deren Ufer ausgesetzt, die von immer größeren Mas- ten der Fremdenverkehrsgemeinden im Sektor „Na- sen von Sporttreibenden in Anspruch genommen tur und Landschaft" sowie in fünf weiteren Hand- werden. Über den sich verschärfenden Konflikt zwi- lungsfeldern (Verkehr, Lärm, Luft und Klima (als ei- schen (Natur-)Sport und Naturschutz diskutierten nem Feld), Abfall, Wasser und Abwasser, Energie Vertreter des Deutschen Sport-Bundes und des Deut- und Umweltmanagement) . 80) schen Naturschutzrings auf dem Kongreß „Leitbilder Beachtung ökologischer Gesichtspunkte bei der Er- eines natur- und landschaftsverträglichen Sports vom schließung neuer touristischer Gebiete, was zu- 11. bis 13. Oktober 1996 in Wiesbaden. gleich bedeutet, daß naturnahe Erholung in ökolo- Zur Entschärfung des Konfliktes zwischen Touris- gisch wertvollen, aber weniger empfindlichen Ge- mus, Freizeitaktivitäten und Umweltbeeinträchtigun- bieten mit hoher Erlebniswirksamkeit ermöglicht gen schlug der Rat von Sachverständigen für Um- wird, in denen Naturschutz, landschaftsbezogene, weltfragen vor, Obergrenzen der touristischen Ent- infrastrukturarme Erholung und extensive Land- wicklung in bereits hochentwickelten Gebieten fest- nutzungen als gleichrangig zu betrachten sind zulegen, während in sich erst entwickelnden Gebie- Nur in Regionen mit Ökosystemen, die gegenüber ten nicht-technisierte Ausbauten und Einrichtungen Störungen relativ unempfindlich sind, dürfen Touris- bevorzugt werden sollten. Die Ortsansässigen sollten mus und Erholung ermöglicht werden. Dabei kann an Entscheidungen über die touristische Entwick- es sich um Tourismus und Erholung mit hohem Erleb- lung beteiligt werden. 78) Die Enquete-Kommission niswert handeln, soweit Natur und Landschaft ab- hält es für erforderlich, Umweltqualitätsziele und wechslungsreich und ökologisch vielfältig sind und Umwelthandlungsziele für Flächen für Tourismus, als schön empfunden werden. In Gebieten mit emp- Sport und Erholung zu formulieren. findlichen Ökosystemen dagegen sollten keine ent- sprechenden Infrastrukturen für Tourismus und Er- Umweltqualitätsziel holung geschaffen werden. Ökologisch verträgliche Flächennutzung für Tou- Verbesserung der Möglichkeiten zur Naherholung rismus, Sport und Erholung sowohl in den Städten selbst als auch in ihrer un- mittelbaren Umgebung (siehe auch Umweltqualitätsziel unter „Natur- und Landschaftsschutzfläche", Seite 26) Bündelung der Nutzungen für Erholung in bisher intensiv genutzten Zonen des städtischen bzw. ländlichen Raums oder verkehrsgünstig gelegener Umwelthandlungsziele Flächen, die durch eine entsprechende Infrastruk- tur erschlossen werden, zur Schonung ökologisch Entwicklung von vom Fremdenverkehr geprägten empfindlicher Gebiete Regionen unter dem Leitbild des umweltverträgli- chen Tourismus und Festlegung von Belastungs- Bei diesem Umwelthandlungsziel geht es um eine Er- grenzen für die Nutzung durch Tourismus und Er- weiterung der Möglichkeiten für die Naherholung in holung unter Berücksichtigung der bisherigen Nut- Siedlungsgebieten durch aktive Angebote für Erho- zungsintensität lung, Sport und Freizeit. Dies können unterschiedlich genutzte Flächen sein. 76) Vgl. Becker u. a. (1991) 14 ff 77) Vgl. BMU (1996b) 79) SRU (1987a) Tz. 2246 78) Vgl. SRU (1987a) Tz. 2256 f 80) Vgl. BMU (1996c) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Erschließung von Freizeiteinrichtungen über öffent- Der natürliche, durch die Bodenbildung bedingte liche Verkehrsverbände Verdichtungszustand der Böden wird mit dem Beg riff Normalverdichtung gekennzeichnet, der aus Sak- Mit diesem Umwelthandlungsziel soll der Flächen- kung, Einlagerung und Quellung resultiert. Werden verbrauch im Außenbereich durch die Anlagen selbst feuchte Böden mit schwerem Gerät bearbeitet, so wie auch die zu ihnen führenden Straßen verringert entstehen durch Druck und knetende Wirkung von werden. Antriebsrädern stärker verdichtete Bodenschichten. Dabei wird das Porenvolumen vermindert, was vor allem den Luft- und Wasseraustausch beeinträchtigt 3.4.3 Bodenerosion und Bodenschadverdichtung und durch erhöhten Oberflächenabfluß auch den Bo- Unter Bodenerosion (Wassererosion und Windero- denabtrag fördert. Bewirtschaftungsbedingte, durch sion) werden die durch Eingriffe des Menschen er- den Einsatz von Technik hervorgerufene Gefüge- möglichten und durch erosive Niederschläge oder schäden - technogene Gefügeschäden -, werden un- erosiven Wind ausgelösten Prozesse der Ablösung, ter dem Begriff Bodenverdichtung zusammengefaßt. des Transportes und der Ablagerung/Akkumulation Dieser zwar eindeutig definierte, jedoch wertungs- von Bodenpartikeln verstanden. 81 ) Meist kommt es freie Begriff sollte durch Bodenschadverdichtung er- zu einer erosionsbedingten Stoffverlagerung über setzt werden, um auf eingetretene Qualitätsverände- den Rand der eigentlichen Abtragungsfläche hinaus rungen hinzuweisen. Mit der fortschreitenden kom- in benachbarte Agrar-, Grünland- und Waldöko- plexen Mechanisierung aller Arbeitsprozesse bei der systeme und Vorfluter sowie in weiter entfernte Ge- Bodenbewirtschaftung hat die mechanische Bela- wässer oder in die Atmosphäre. Wasser- und Wind- stung der Böden durch die Fahrwerke von Maschi- erosion sind globale Probleme mit erheblichen sozia- nen, Geräten und Transportmitteln erheblich zuge- len, ökonomischen und ökologischen Auswirkun- nommen. In den letzten Jahrzehnten sind besonders gen, 82 ) d. h. auf die ökologische Funktionsfähigkeit die, Gesamtmassen und die Radlasten der Geräte der Böden (Onsite-Wirkungen) sowie auf benach- durch die Einführung leistungsstarker Großmaschi- barte Ökotope durch erosionsbedingte Nähr-, Schad- nen deutlich gestiegen. In der landwirtschaftlichen oder Feststoffemissionen (Offsite-Wirkungen). 83 ) Pflanzenproduktion erhöhte sich die Befahrhäufig- keit, weil zahlreiche Arbeitsgänge der Bestandsfüh- Zur Wassererosion kommt es, wenn die schützende rung neu in den Produktionsprozeß aufgenommen Pflanzendecke des Bodens an steilen Hängen zer- worden sind. 84 ) Dem wirken die Bündelung von stört wird oder aber fehlt, so daß abfließendes Nie- Arbeitsgängen und der Einsatz von Maschinen in derschlagswasser die oberen Bodenschichten weg- Leichtbauweise entgegen. schwemmen kann. Flächenerosion kann bereits bei Hangneigungen von 1° einsetzen. Rinnenerosion tritt Vom Bodengefüge (von der Bodenstruktur) sind In- bei Starkregen auf, wenn Niederschlagswasser in tensität und Richtung aller im Boden ablaufenden Rinnen, auch auf ebenem Gelände, abfließt. Prozesse abhängig. Deshalb muß die Ausbildung und Erhaltung solcher Gefügeformen, die optimale Winderosion - die Verlagerung von Bodenteilchen Bodenfunktionen bedingen, als zentrale Aufgabe der durch Windkräfte - spielt im feuchten Klima Mittel- Bodennutzung und des Bodenschutzes besonderes europas eine der Wassererosion untergeordnete Rol- gesellschaftliches Interesse erfahren. le. Normalerweise verhindert eine dichte Pflanzen- decke und deren Wurzelwerk ein Abtragen der obe- ren wertvollen Humusschicht durch den Wind und Umweltqualitätsziel . das Wasser. Bei landwirtschaftlicher Nutzung ist der Boden meist periodisch (z. B. nach dem Umpflügen Erhalt der Struktur der Böden und solang die neu gesäten oder gepflanzten Kultur- pflanzen noch klein sind) den negativen Einflüssen von Wind und Wasser voll ausgesetzt. Umwelthandlungsziele

Die Erosion schädigt die Multifunktionalität von Bö- Schutz der Böden vor Erosion den nicht nur ökosystemar, sondern auch in ackerbau- licher Hinsicht. Zur Erhaltung der ackerbaulichen Stabilisierung des Bodengefüges ökosystemaren Leistungsfähigkeit muß der Gefahr Verminderung andauernder bewirtschaftungsbe- der latenten Bodenverschlechterung vorgebeugt wer- dingter Bodenabträge den. Wenn dauerhafte Bodenabträge von mehr als 10 t/ha a vorkommen, so wird sich nach wenigen Jah- Zunächst ist davon auszugehen, daß die Verwitte- ren eine schädliche Bodenveränderung einstellen. rung auf verschiedenen Bodenarten unterschiedlich Besondere Ereignisse wie abrutschende Weinberg- ist. Die Bodenneubildung verläuft unter den klimati- hänge oder Verluste durch Hochwasser sind geson- schen Bedingungen Mitteleuropas mit durchschnitt- dert zu bewerten. Ansonsten könnte man solche Ab- lich weniger als einer Tonne pro Hektar und Jahr tragungsraten durch Schätzungen oder Modellierun- äußerst langsam. 85 ) Ein Vergleich mit den Abtrags- gen der Bodenerosionen erfassen. Besonders gefähr- raten zeigt, daß der Verlust auch über einen langen det sind Ackerbaustandorte mit höherem Gefälle. Zeitraum nicht annähernd ausgeglichen werden kann. 81) Vgl. Bork (1988) 82) Vgl. Morgan (1996) 84) Vgl. Dürru. a. (1995) 83) Vgl. Frielinghaus u. a. (1993); Deumlich/Frielinghaus (1994) 85) Vgl. Bork (1996) Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Erosion kann nur regions- und standortspezifisch be- Kontaktfläche und maximale Radlasten sowie Über- urteilt werden, da es sonst in der Regel zu einer Über- rollhäufigkeiten der Fahrwerke) zu empfehlen. 92) Da- oder Unterschätzung der. Abtrags- oder Verlage- bei müssen die Belastungsgrenzwerte dem Verfor- rungsraten kommt. Wasser- und Winderosion werden mungswiderstand des intakten, nicht schadverdich- von externen Faktoren wie Niederschlag und Wind teten Bodens entsprechen. sowie von internen Faktoren hervorgerufen, ge- steuert und beeinflußt. Die dadurch entstehende Die tolerierbare Obergrenze für Radlasten ist ein mittlerer Wert. Sie richtet sich im einzelnen nach Art, mannigfaltige Faktorenkostellation ist stets beson- ders stark von der jeweiligen Landnutzung abhän- Struktur und Bewuchs der Böden, Witterung, Über- gig. 86 ) Die Ursachen der Bodenerosion sind gegen- rollhäufigkeiten, dem absoluten Gewicht der Maschi- wärtig zu einem großen Teil bewirtschaftungsbe- nen sowie nach Reifenbreite, -profil und -druck. „Der Radlast hat im Hinblick auf Bodenschonung beson- dingt. 87 ) Bodenverlagerungen bis zu 170 Tonnen je Hektar und Jahr wurden gemessen. Das entspräche deres Augenmerk zu gelten (...) Obere Richtwerte für bei einem flächenhaften Abtrag einer „Häutung" von die Radlast bzw. den Kontaktflächendruck sind daher dringend notwendig." 93) ca. 10 Millimeter Stärke pro Jahr. 88 ) An das transpor- tierte Sediment sind Stoffe gebunden, die aus der landwirtschaftlichen Nutzung (Agrochemikalien) so 3.4.4 Grundwasser wie aus der Deposition über den Luftpfad stammen. Sie werden während des Erosionsereignisses verla- Die Grundwasserneubildung erfolgt im wesentlichen gert und an anderer Stelle akkumuliert. Dies trägt er- durch Versickerung von Niederschlagswasser über heblich zur Gewässereutrophierung bei. So werden die Böden, zum geringen Teil auch durch Infiltration 64,5 % der diffusen Phosphoreinträge in Nord- und aus Oberflächengewässern. Lange Zeit wurde die Ostsee und 11,5 % der diffusen Stickstoffeinträge auf Schutzfunktion der Böden für das Grundwasser mit- erosionsbedingte Stoffverlagerungen zurückge- tels ihrer Filter- und Abbaukapazitäten als ausrei- führt. 89 ) Die flächeninternen Raten sind schwer zu chend angesehen. Heute ist klar, daß von stofflichen - kalkulieren, aber in einigen Regionen sind über 40 % Belastungen der Böden aus punktuellen und diffusen der Böden durch Erosion überformt. 90 ) Quellen bzw. von bestimmten Bodennutzungen Ge- fährdungen des Grundwassers ausgehen können, Bei chronischen, bewirtschaftungsbedingten Abträ- d. h. die Schutzfunktion der Böden ist überfordert. gen von mehr als 20 t/ha a sind Maßnahmen zur Ge- Darüber hinaus können Bodennutzungen wie Versie- fahrenabwehr geboten. Diese können in einer stand- gelung, Entwässerung bei Baumaßnahmen, Entwäs- ortgerechten Bodenbewirtschaftung und in geeigne- serung im Tagebau sowie Entwässerung zu land- ten Fruchtfolgen unter Berücksichtigung der natürli- und forstwirtschaftlichen Zwecken (Drainagen), Be- chen Boden- und Klimabedingungen bestehen. Eine wässerung in der Landwirtschaft, Änderungen der Schlüsselstellung sowohl für die Verminderung der landwirtschaftlichen Bodennutzung und Ausbau von Bodenerosion als auch für die Vermeidung von Gewässern die Grundwasserneubildung bzw. die Schadverdichtungen nimmt die konservierende Bo- Grundwasservorräte verringern. denbearbeitung ein. 91 ) Während das mengenmäßige Wasserdargebot in der Maßnahmen zum Schutz besonders erosionsge- „wasserreichen" Bundesrepublik Deutschland insge- fährdeter Standorte samt ausreichend ist, und nur lokal oder regional bis- Wenn Flächenstillegungen erforderlich sind, sollten her Mengenprobleme infolge von Grundwassernut- 1. erosionsgefährdete Böden, 2. schwer bewirtschaft- zungen bzw. Kostenprobleme bei der Versorgung bare Böden und 3. ertragsarme Böden berücksichtigt entfernter Regionen auftreten, bestehen Probleme werden, wobei gleichzeitig der Erosion durch dauer- bei der Qualität des Grundwassers, die künftig auch hafte Bedeckung entgegengewirkt werden soll. zu Mengenproblemen führen können. Das oberflä- chennahe Grundwasser ist mehr oder weniger star- Verminderung der Winderosion durch geeignete ken anthropogenen Einträgen ausgesetzt. Grund Landschaftsgestaltung wasserrelevante Stoffeinträge gehen von einer Viel- Neben Produktionsmethoden wie Mischkulturen und zahl von Stoffgruppen und von einer Mehrzahl von Bodendeckung mit organischem Material schützen Verursacherbereichen aus: Landwirtschaft, Industrie vor allem Hecken und Baumreihen in der Feldflur und Gewerbe, Energieversorgung, Verkehr, Abwas- vor Winderosion. serentsorgung und Altlasten. Gefahren drohen dem Grundwasser in Siedlungsgebieten und Ballungsräu- Berücksichtigung der standortspezifischen Boden- men vor allem durch punktuelle Quellen, linienför- tragfähigkeit beim Einsatz von Maschinen und Ge- mig entlang der Verkehrswegenetze und in ländli- räten chen Regionen durch diffuse Einträge. Obwohl in ei- nigen Gegenden Deutschlands die Grundwasserbe- Zum Schutz der Böden vor dauerhaften Schadver lastung durch Nitrat zurückgeht, stellen die teilweise dichtungen sind standortspezifische Richtwerte der noch steigenden Grundwasserbelastungen mit Nitrat zulässigen Bodenbelastung (maximaler Druck in der aufgrund der erheblichen Zeitverzögerung zwischen landwirtschaftlicher Düngung und einem möglichen 86) Vgl. Auerswald (1993) Auftreten von Nitrat im Grundwasser regional noch 87) Vgl. Frielinghaus u.a. (1994) 88) Vgl. Frielinghaus (1988) ein Problem dar. Auch Pestizide belasten das Grund- 89) Vgl. Weingarten/Frohberg (1996) 90) Vgl. Frielinghaus u.a. (1991); Schmidt (1991) 92) Vgl. Dürru. a. (1995) 91) Vgl. Sommer / Brunotte (1996) 93) Dürr u. a. (1995) 137f Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 wasser. Es ist zu erwarten, daß die Belastung zurück- an dieser Stelle vielmehr, daß potentielle Verursacher gehen wird, da die Einträge von Pestiziden im Mittel nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen geringer und ihre Halbwertszeiten in Böden kürzer Erkenntnisse darzulegen haben, welche Erkennt- geworden sind, und dieser Trend sich in Zukunft fo rt nisse und Wertvorstellungen sie zu dem Ergebnis -setzen wird. führen, daß ihr Tun unbedenklich sei.

Schutz des Grundwassers durch Reduktion schädli- Umweltqualitätsziele cher Stoffeinträge in den Boden bei bestehenden Bodenbelastungen Die Grundwassernutzung soll regional - soweit möglich - der Grundwasserneubildung entspre- Dazu zählt die zeitliche und mengenmäßige Begren- chen zung des Ausbringens von Düngemitteln. Als ein Schritt in diese Richtung wird die Düngeverordnung Flächendeckende Erhaltung des Grundwassers in gesehen, die am 7. Februar 1996 in Kraft getreten ist. seiner jeweiligen geogenen Beschaffenheit Sie enthält Vorschriften über die Anwendung von Angestrebt wird eine Beschaffenheit des Grundwas- Düngemitteln, die Ausbringung von Wirtschaftsdün- sers, die in Übereinstimmung mit der Länderarbeits- ger, die Düngebedarfsermittlung, das Erstellen von gemeinschaft Wasser (LAWA) 94 ) nur durch die jewei- Nährstoffvergleichen, die Aufbewahrung von Unter- lige geogene Hintergrundbelastung - ausgedrückt lagen, Bußgeldtatbestände sowie Übergangsvor- durch geogene Hintergrundwerte - auf der gesamten schriften. Fläche der Bundesrepublik Deutschland charakteri- Für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger gilt zu- siert ist. Nicht alle Grundwässer dieser Beschaffen- sätzlich die sich aus der EG Nitratrichtlinie ergeben- heit sind zur Nutzung geeignet wie zum Beispiel de Obergrenze für die Ausbringung von Stickstoff Grundwasser natürlich arsenhaltiger Böden und Ge- aus Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft. Danach steine. darf ab dem 1. Juli 1997 die mit diesen Düngern aus- - Das Grundwasser bedarf eines hohen Schutzniveaus, gebrachte Menge an Gesamtstickstoff je ha und Jahr weil im Betriebsdurchschnitt auf Ackerland 170 kg (auf Grünland 210 kg) nicht überschreiten. Die Ausbrin- • Einträge über extrem lange Zeit darin verbleiben gung von Phosphat und Kali in Wirtschaftsdüngern und flächenhaft nicht mehr sanierungsfähig sind ist auf sehr hoch mit diesen Nährstoffen versorgten („Elefantengedächtnis"), Böden nur bis zur Höhe des Nährstoffentzuges durch • Grundwasser im Vergleich zu Oberflächengewäs- den Pflanzenbestand erlaubt. In der Zeit vom 15. No- ser nur geringe biologische Aktivität aufweist, vember bis 15. Januar besteht ein grundsätzliches Ausbringungsverbot für Gülle, Jauche und flüssigen • aus Grundwasser mit einfachen Aufbereitungs- Geflügelkot. schritten oder direkt ein Lebensmittel, nämlich Trinkwasser, erzeugt wird und Bei bestehenden Bodenbelastungen darf das Grund- wasser nicht mehr als geringfügig beeinträchtigt • dem Boden nicht die mechanische Filter- und werden. Der „Dachverband Wissenschaftlicher Ge- Rückhaltefunktionen zukommen, die man ihm frü- sellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veteri- her zugeschrieben hat. när- und Umweltforschung e.V." (DAF), der „Deut- sche Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau Umwelthandlungsziele e.V." (DVWK), die „Deutsche Gesellschaft für Limno- logie e.V." (DGL) und die „Fachgruppe Wasserche- Vermeidung problematischer anthropogener Ein- mie" (FW) der „Gesellschaft Deutscher Chemiker" er- träge in das Grundwasser achten es für notwendig, anhand von tolerierbaren Nährstoff-Saldoüberschüssen die Düngung auf ein Der Begriff „problematisch" wurde hier gewählt, weil umweit- und somit auch gewässerverträgliches Maß er neben dem Schadensverdacht auch nicht auf den zu beschränken. Als erster pragmatischer Schritt Schaden bezogene, z. B. ethische Bedenken umfaßt. wird von den Verbänden/Gesellschaften die Begren- Die Enquete-Kommission ist sich bewußt, daß bei zung des maximal tolerierbaren Nährstoff-Saldoüber- Schadensverdacht ein „Nachweis der Unschädlich- schusses auf 50 kg Stickstoff/ha a bzw. 5 kg Phos- keit" nicht erbracht werden kann. 95 ) Gefordert wird phor/ha a vorgeschlagen. Dazu werden betriebs- und schlagspezifische Aufzeichnungen der Nährstoff 94) LAWA 2000 (o. J. b): „Das Grundwasser ist flächendeckend ströme für notwendig erachtet. 96) Zur Beurteilung der vor nachteiligen Veränderungen zu schützen. Dies ist durch vorsorgende, dem Besorgnisgrundsatz genügende und an Frage, für welche Böden welche Stickstoff-Bilanz- der Quelle von Gefährdungen ansetzende Maßnahmen zu überschüsse tolerabel sind, kann in erster Näherung verwirklichen." Darüber hinaus hat die LAWA 2000 (o. J. a) das standörtliche Verlagerungspotential herangezo- „Deutsche Anforderungen an einen fortschrittlichen (zu- gen werden. Eine wichtige Einflußgröße hierbei ist kunftsweisenden) Grundwasserschutz in der Europäischen Gemeinschaft" erarbeitet: „ 1. Das Grundwasser ist flächen- die Sickerwasserspende. deckend zu schützen (...) 2. Das Grundwasser ist soweit als irgend möglich in seiner natürlichen Beschaffenheit zu er- Eine weitere Gefährdung des Grundwassers kann halten; Grundwasserverunreinigungen sind zu sanieren. vom Eintrag cadmiumhaltiger Phosphatdünger in Qualitätsziele für das Grundwasser, die sich nicht an dieser der Landwirtschaft ausgehen. Die Enquete-Kommis- natürlichen Beschaffenheit orientieren, würden zur Sanktio- sion „Schutz des Menschen und der Umwelt" des nierung von Verschmutzungen anstatt zu einer Sanierung führen." 95) Vgl. SRU (1987a) 96) Vgl. DVWK (1995)

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

12. Deutschen Bundestages hatte zur Verminderung Mit dem Umwelthandlungsziel wird verlangt, grund des Cadmiumeintrages über Düngemittel festge- wasserrelevante Bodenverunreinigungen zur Gefah- stellt, daß sich die Verwendung von Phosphatdün- renabwehr so zu sanieren, daß eine weitere Bela- gern auf das notwendige Maß in Abhängigkeit von stung des Grundwassers dauerhaft ausgeschlossen der Bodenbeschaffenheit und der angebauten Nutz ist (Dekontamination oder Sicherung). pflanze beschränken sollte. Hierzu sollen die Auf- Grundwasser ist nach den Maßstäben des Wasser- bringungsverordnung des Bundes sowie die Schad- haushaltsgesetzes grundsätzlich nutzungsunabhän- stoffhöchstmengenverordnung, in der Richtwerte für gig und flächendeckend zu schützen. Eine Verdün- Cadmiumgehalte in Lebensmitteln festgesetzt wer- nung von Schadstoffen darf deshalb bei der Gefah- den, einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Kommis- renbeurteilung nicht in Rechnung gestellt werden; sion war der Auffassung, daß klare Grenzwerte für sie kann ggf. in Überlegungen zur Verhältnismäßig- Cadmium in Lebensmitteln insbesondere dazu bei- keit von Sanierungsmaßnahmen einfließen. tragen, daß die Erzeuger wirtschaftlicher Produkte bei belasteten Flächen auf cadmiumunempfindliche Altlasten sind dann eine Gefahr für das Grundwas- Pflanzen ausweichen. Um wirksam zu sein, müssen ser, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit da- allerdings die Grenzwerte unter den jetzigen Richt- von auszugehen ist, daß bei ungehindertem Gesche- werten liegen. Da der Einsatz cadmiumarmer Roh- hensablauf in absehbarer Zeit ein Schaden eintritt. phosphate durch begrenzte Vorkommen limitiert ist, Dies kann durch Messungen im Grundwasser festge- muß die dauerhafte Verringerung des Cadmiumein- stellt oder durch Messungen der Schadstoffe im Bo- trages in den Boden ausschließlich durch angepaßte den prognostiziert werden. Letztlich ist entschei- Düngerangaben jedoch angezweifelt werden. Eine dend, ob und wieviele Schadstoffe in welchen Men- zusätzliche Entfernung des Cadmiums aus Rohphos- gen aus dem Boden in das Grundwasser übertreten. phaten, z. B. mit Hilfe des CFB-Verfahrens, ist des- halb mittelfristig notwendig. Die Weiterentwicklung Fragen der Verhältnismäßigkeit spielen bei der Sa- entsprechender Verfahren sollte durch Forschungs- nierung von Grundwasserschäden eine große Rolle. - gelder der öffentlichen Hand gefördert werden. Zum Beispiel kann von Bedeutung sein, ob Aufwand Überdies sprach sich die Kommission für den Einsatz und Zweck einer Maßnahme, insbesondere im Hin- praktikabler Methoden der EDV zur Optimierung blick auf die Kontamination der Umgebung des des Düngemittelverbrauchs aus. 97 ) Schadensortes (weiße Inseln in grauer Umgebung), die schon eingetretene und die noch zu erwartende Verbesserung der Versickerungsmöglichkeiten von Kontamination sowie die Nutzung des Grundwassers Regenwasser (Niederschlagswasser) verhältnismäßig ist.

Dieses Umwelthandlungsziel steht in enger Verbin- Die Verhältnismäßigkeit wird nach gängiger Voll- dung mit dem Umwelthandlungsziel „Nutzung der zugspraxis bei der Entscheidung über mögliche Maß- bestehenden Entsiegelungspotentiale durch den nahmen berücksichtigt. Die Feststellung eines Scha- Rückbau versiegelter Flächen sowie die qualitative dens soll unabhängig von der Prüfung der Verhält- Flächenaufwertung" im Abschnitt „Siedlungs- und nismäßigkeit von Maßnahmen erfolgen. Verkehrsfläche" sowie mit der Anmerkung zu diesem Umwelthandlungsziel. Mit dem Umwelthandlungsziel soll darauf hingewie- sen werden, daß die Präzisierung der Verhältnismä- Sanierung von Grundwasser zur Gefahrenabwehr ßigkeit bei Maßnahmen gegen Grundwasserschäden durch Altlasten klarer und nach einheitlichen Krite- Eine beachtliche Gefahr für das Grundwasser geht rien erfolgen soll. von „Altlasten" aus. Altlasten im Sinne des Regie- rungsentwurfs für ein Bundesbodenschutzgesetz Von einem Bundesbodenschutzgesetz wird erwartet, sind: daß es die Rechtssicherheit bei der Grundwassersa- nierung verbessert, indem dieses Umwelthandlungs- 1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie son- ziel mit entsprechenden technischen Konkretisierun- stige Grundstücke, auf denen Abfälle zur Beseiti- gen umgesetzt wird. gung behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen) und

2. stillgelegte Anlagen, ausgenommen Anlagen, 3.4.5 Stoffeinträge deren Stillegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf, und sonstige Grundstücke, Stoffeinträge allgemein auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umge- Die Bodenfläche ist nicht vermehrbar, und Boden gangen worden ist, soweit die Anlagen oder wird nur sehr langsam neu gebildet. Böden verfügen Grundstücke gewerblichen Zwecken dienten oder über eine regional unterschiedliche, überwiegend im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Ver- begrenzte Belastbarkeit; eingetretene Schäden sind wendung fanden (Altstandorte), häufig nicht oder nur mit erheblichem materiellen durch die schädliche Bodenveränderungen oder son- Aufwand reparabel. Umso größer sind die Gefahren, stige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemein- die sich aus einer schleichenden Anreicherung von heit hervorgerufen werden. 98 ) Stoffen im Boden ergeben, die die Bodenfunktio- nen nachhaltig gefährden. Die dadurch bewirkten Veränderungen bleiben vielfach zunächst unbe- 97) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" (1993) 135f merkt, führen auf Dauer aber zu einer oft nicht 98) § 2 (5) E-BBodSchG (1996) wieder rückgängig zu machenden Schädigung des

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Bodens. Wird die Belastbarkeit des Bodens erst über- Belastungen von Böden (z. B. Altlasten) gehen nicht schritten, so kann dies beispielsweise über die Nah- in die Ermittlung dieser Werte ein. Hintergrundwerte rungskette zu einer Weitergabe von Schadstoffen in wurden nach Substrat (z, B. Ausgangsgestein, Bo- Lebensmittel oder über Wanderung im Boden zu denart), Nutzung (z. B. Acker, Grünland, Wald) und einer Veränderung des Grundwassers führen. Über Siedlungsstruktur differenzie rt. Es wurden länder- die bloße Gefahrenabwehr hinausgehend müssen übergreifende Hintergrundwerte für anorganische vorsorgeorientierte Anforderungen zusätzlich einen Stoffe und länderspezifische Hintergrundwerte auf langfristigen Schutz der Funktionen des Bodens ge- der Basis landesspezifischer Untersuchungen aufge- währleisten. Dies gilt insbesondere gegenüber einem stellt. 100 ) allmählichen Eintrag umweltgefährdender Stoffe, Der Eintrag problematischer Stoffe muß vermieden der auf Dauer zu nicht mehr umkehrbaren Schädi- oder fortlaufend verringert werden, damit Vorsorge gungen der Böden führt. 99) gegen Gefahren getroffen und künftig ein Gleichge- wicht zwischen dem Stoffeintrag und den Regelungs- 101 ) Umweltqualitätsziel funktionen des Bodens erreicht wird.

Erhaltung der für die standörtlich mögliche Boden- Die für den Schutz der Meeresumwelt der Nordsee nutzung notwendigen Bodenfunktionen und ihrer zuständigen Minister und die Umweltkommissarin regenerativen Kräfte der Europäischen Union erklärten auf der Vierten Internationalen Nordseeschutz-Konferenz am 8. und Aus diesem Umweltqualitätsziel ergibt sich hinsicht- 9. Juni 1995 in Esbjerg, daß zur Verhütung der Ver- lich des Eintrages von Stoffen folgendes übergeord- schmutzung der Nordsee Einleitungen, Emissionen netes, allgemeines Umwelthandlungsziel: und Verluste 102 ) gefährlicher Stoffe kontinuierlich verringert werden sollen, um auf diese Weise auf das Ziel ihrer Einstellung im Laufe einer Generation Umwelthandlungsziel (25 Jahre) hinzuarbeiten. Die Schlußerklärung des Verminderung des Eintrags von Stoffen, welche die Treffens zum Übereinkommen zum Schutz der Mee- notwendigen Bodenfunktionen dauerhaft gefähr- resumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Überein- den kommen) im Jahr 1992 hat das Ziel festgelegt, daß Einleitungen und Emissionen von Stoffen, die toxisch Für die Konkretisierung einzelner Umwelthand- und persistent sind und zu Bioakkumulation neigen lungsziele müssen zunächst die Obergrenzen der re- (insbesondere organische Halogenverbindungen) gionalspezifisch und nutzungsabhängig noch tole- und in die Meeresumwelt gelangen könnten, bis zum rierbaren Anreicherung in Böden bestimmt werden. Jahr 2000 auf Konzentrationen zu verringern sind, Dabei sind sowohl die diffusen, luftgetragenen Ein- die für den Menschen oder die Natur nicht schädlich träge sowie die als unvermeidlich hinzunehmenden sind, mit dem Ziel einer vollständigen Beseiti- gezielten Einträge (z. B. mit der Aufbringung von gung. 103 ) Klärschlamm und Kompost) zugrundezulegen. Die auf Emissionsminderung ausgerichteten Umwelt- Daraus ergibt sich als handlungsziele müssen jeweils vor dem Hintergrund einer regionalen, nutzungsbezogenen sowie funk- Umwelthandlungsziel tionsbezogenen Differenzierung entwickelt werden. Deshalb sind Bodenvorsorgewerte zu erarbeiten, die Vermeidung des Eintrags persistenter, human- aufgrund des Substrataufbaus der Böden und des und/oder ökotoxischer und bioakkumulierbarer regionalen Klimas, aufgrund von Daten zu den Wir- Stoffe, insbesondere solcher mit irreversiblen Wir- kungen von Stoffen und Stoffgemischen sowie zur kungen Empfindlichkeit der ökologischen Bodenfunktionen abzuleiten sind. In einem letzten Schritt werden die noch zulässigen Frachten, ausgedrückt z. B. in Eintrag von Nährstoffen Gramm pro Hektar und Jahr, festgelegt. Durch die hohen anthropogenen Emissionen stick- Die Vorstellungen über eine erwünschte Bodenquali- stoffhaltiger Verbindungen kommt es zu teilweise er- tät müssen Grundlage für die Überlegungen zur Vor- heblichen Stickstoffeinträgen in terrestrische und sorge und zu den tolerierbaren Bodenbelastungen aquatische Ökosysteme. Die auf der Grundlage des sein. Das dazu notwendige Wissen über bodendyna- Konzepts der „critical loads " berechneten Belastungs- mische Vorgänge und die erforderlichen Bodendaten grenzen werden durch die derzeitigen Einträge in sind jedoch nur lückenhaft vorhanden. So legte eine einzelnen Regionen Deutschlands auf den nicht be- Arbeitsgruppe der ,,Bund-Länder-Arbeitsgemein- wirtschafteten Flächen überschritten. Die Menge des schaft Bodenschutz" (LABO) in einem ersten Schritt eingetragenen Stickstoffs hat regional bereits zu be- eine länderübergreifende Bestandsaufnahme von Hintergrundwerten von geogenen Stoffgehalten in 100) Vgl. UBA (1994a) Böden vor. Hintergrundwerte für Böden geben die 101) Vgl. Deutscher Bundestag (1988) 102) Einleitungen sind gewollte Einträge von Stoffen von Wasser naturbedingten (geogenen) Stoffgehalte sowie die zu Wasser; Emissionen bezeichnen Einträge aus Anlagen allgemein vorhandene, anthropogene Zusatzbela- über den Luftpfad; Verluste sind Einträge, die nicht auf dem stung von Böden durch Schadstoffe an. Punktuelle Wege der Emission über die Luft oder gewollte direkte Ein- leitung in die Nordsee gelangen, z. B. Auswaschungen aus Deponien, Verluste von Schmierölen 99) Vgl. E-BBodSchG (1996), Begründung 1 u. 3 103) Vgl. OSPAR (1992) Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

denklichen Anreicherungen in Ökosystemen mit der sterkonferenz vertritt die Auffassung, daß eine Min- Folge des Austrags anderer Nährstoffe geführt. derung des gesamten Stickstoffaustrages um 35 % Durch ihre eutrophierende und versauernde Wir- bis zum Jahr 2005 gegenüber 1992/93 mit überwie- kung belasten und gefährden die atmosphärischen gend technischen oder verfahrenstechnischen Maß- Stickstoffdepositionen die Waldökosysteme. Auch nahmen möglich ist. Das Minderungspotential für die Eutrophierung naturnaher Magerstandorte Stickstoffausträge über den Luftpfad beträgt dem- (Hochmoore, Magerrasen, Heiden) sowie die Verän- nach 650 000 t (40 % des Stickstoffaustrages in die derung und Verarmung des Artenspektrums bis hin Atmosphäre). Dieses Minderungspotential in Höhe zu irreversiblen Biotopveränderungen sind Folgen von 40 % gliedert sich wie folgt auf die Sektoren auf: von Stickstoffdepositionen. Anthropogene Stickstoff- Landwirtschaft: 22 %; Verkehr: 8. %; Energiesektor: überschüsse beeinträchtigen die Qualität der Gewäs- 5 %; Bereich der menschlichen Ernährung: 5 %. Das ser. Weitere Wirkungen von Stickstoffverbindungen Minderungspotential für Stickstoffausträge in den in der Umwelt: Lachgasemissionen aus Böden und Wasserpfad wird auf 310 000 t Rein-Stickstoff festge- Gewässern sind an der Zerstörung der stratosphäri- setzt, was einem Anteil von 27 % aller Stickstoffaus schen Ozonschicht und am Treibhauseffekt beteiligt. träge über den Wasserpfad entspricht. Das Minde- Stickoxidemissionen tragen als Vorläufersubstanz rungspotential der Landwirtschaft liegt hier bei 21 %; zur Bildung von troposphärischem Ozon (Sommer- weitere 6 % könnten durch Abwasserreinigung ge- smog) bei, das bereits in geringen Konzentrationen mindert werden. Aus dem Verkehrs- und Energie- toxische Wirkungen auf Organismen ausüben kann. sektor wird kein Stickstoff über den Wasserpfad aus- Zudem verstärkt das photochemisch gebildete tro- getragen. 106) posphärische Ozon wiederum den anthropogenen Treibhauseffekt. 104 ) Erhöhte Frachten von Phosphat Zur Bekämpfung und Verhütung der Eutrophierung sind mit verursachend für die Eutrophierung vor al- wollen die für den Schutz der Meeresumwelt der lem der stehenden Binnengewässer und der konti- Nordsee zuständigen Minister und die Umweltkom- nentalen Küstengewässer mit den bekannten Folgen missarin der Europäischen Union eine umfassende - (Algenwachstum). Strategie entwickeln, die sowohl einen quellen- als auch einen zielorientierten Ansatz beinhaltet, damit Als wesentliche Verursacher erhöhter Stickstoffein- die ökologische Qualität der Nordsee erhalten wer- träge in die Umwelt gelten die Bereiche Landwirt- den kann. Zu diesem Zweck soll der Eintrag von schaft, Verkehr, Energieumwandlung, Heizung so- Nährstoffen in die Ost- und Nordsee aus punktförmi- wie Humanernährung mit den Folgebereichen Ab- gen und diffusen Quellen über alle wichtigen Bela- wasserbeseitigung, Reststoff- und Abfallwirtschaft. stungspfade bereits bei der Entstehung verringert Um die größten Minderungspotentiale zu identifizie- werden. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei den ren, müssen die Anteile der verschiedenen Bereiche Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft und dem an der Gesamtstickstoffemission quantifiziert und Verkehr zukommen. 107 ) regional differenzie rt werden. Für die weitere Arbeit der Enquete-Kommission wird die Frage nach den Möglichkeiten zur Nutzung dieser Potentiale mit Umweltqualitätsziele Hilfe von Maßnahmen und Instrumenten einen zen- Erhaltung eines regionalspezifischen natürlichen tralen Stellenwert haben. Diese Fragen sind Gegen- Gehaltes an Nährstoffen zuzüglich eines unver- stand der von der Kommission in Auftrag gegebenen meidlichen aber tolerierbaren Anteils in Folge von Studie „Rahmenbedingungen, Akteure und Instru- Bewirtschaftung mente beim Eintrag versauernd wirkender Substan- zen". Vorsorge gegenüber zu hohen Nährstoffeinträgen insbesondere in Form von Stickstoff- und Phosphor Der Stickstoffstrom in Deutschland zählt sicher zu verbindungen den für die Umwelt wesentlichen Stoffströmen. Eine deutliche Reduktion der Einträge ist aufgrund zahl- reicher Probleme dringend erforderlich, wie Bilanzie- Umwelthandlungsziel rungen zeigen. 105 ) Reduktion des Eintrags von Nährstoffen unter Die 47. Umweltministerkonferenz hat am 11. und Berücksichtigung aller Dünger auf ein Maß, das 12. Dezember 1996 ein Stickstoffminderungspro- das Grundwasser nicht beeinträchtigt und Oberflä- gramm beschlossen, das gemeinsam von Vertretern chengewässer nicht so belastet, daß dies zur Eutro- der Umwelt- und Agrarministerkonferenz erarbeitet phierung und ökotoxikologischen Belastung der wurde. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, daß jähr- Küstengewässer führen kann lich aus dem landwirtschaftlichen Bereich schät- zungsweise 1,33 Mio. t Stickstoff (überwiegend in Der Eintrag zu hoher Nährstoffmengen in landwirt- Form von Ammoniak und Nitrat), aus dem Bereich schaftlich genutzte Böden ist bereits nach geltender Verkehr ca. 595 000 t, aus dem Bereich Energiege- Rechtslage (Düngeverordnung) unzulässig. Die Bela- winnung ca. 354 000 t (in Form von NOx) und aus stung von Böden und Gewässern mit Phosphaten dem Bereich der Humanernährung ca. 474 000 t wird hauptsächlich durch Mineral- und Wirtschafts- Stickstoff in die Umwelt gelangen. Die Umweltmini- dünger in der Landwirtschaft mit nachfolgender Ero- sion phosphatreichen Bodens und durch Einleitun-

104) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" (1992) 33 106) Vgl. UMK (1996) 112 105) Vgl. Friege (1995) 107) Vgl. 4. Internationale Nordseeschutz-Konferenz (1995) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 gen aus den kommunalen Kläranlagen sowie der mit geringer Pufferkapazität sowie entsprechender Phosphat-Industrie verursacht. Exposition der Böden schlagen Versauerungen bis zum Grundwasser und zu den Oberflächengewäs- Unabhängig davon fordern einige Verbände einen sern durch. 110) Geschieht dies, kommt es zu einer Mo- nach Bodenart und Verlagerungsfähigkeit differen- bilisierung von phytotoxischem Aluminium und toxi- zierten maximal tolerierbaren Stickstoff-Saldoüber- schen Schwermetallen, was bei der Trinkwasserge- schuß, der die Obergrenze von 50 kg je Hektar und winnung Probleme bereitet. Jahr nicht überschreiten soll. Die Obergrenze für Phosphor beträgt 5 kg/ha a.108) Um Böden mit ihren ökologischen Funktionen dauer- haft zu erhalten, sind die Einträge von Säurebildnern Zur Reduzierung dieser Einträge wurden bereits fol- auf Mengen unterhalb der ,,critical loads" (s. u.) an- gende Maßnahmen ergriffen bzw. vorgeschlagen: zustreben. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins empfiehlt für Phosphate als mittlere Zielvor- Stickstoffeinträge können sowohl zur Überdüngung gabe einen Stoffgehalt im Wasser von 150 Mikro- und damit zur Eutrophierung als auch zur Versaue gramm Gesamt-Phosphat pro Liter. Für stehende Ge- rung von Ökosystemen führen. Diese beiden Effekte wässer wird die Einhaltung eines maximalen Som- machen es schwierig, kritische Einträge zu definie- mermittelwertes von 50-100 Mikrogramm Gesamt- ren. Erschwert wird dies noch dadurch, daß biotische phosphat pro Liter gefordert. 109) Faktoren wie die Produktivität und Zusammenset-

zung der Vegetation, die Aktivität der . Mikroorganis- men sowie das Wasser- und Temperaturregime die Eintrag von Säurebildnern Höhe des kritischen Wertes beeinflussen. Da viele Die Versauerung von Böden hat verschiedene Ursa- terrestrische Ökosysteme durch den Faktor Stickstoff chen. Zum einen sind es Einträge (Depositionen) von limitiert sind, haben zusätzliche Stickstoffeinträge Säuren und Säurebildnern aus der Atmosphäre. Da- einen Düngeeffekt. Dies führt in der Regel zu Verän- derungen in den Ökosystemen durch Veränderung bei dominieren die Schwefel- und Stickstoffverbin- - dungen, die gasförmig als Schwefeldioxid und Stick- des Konkurrenzverhaltens von Pflanzen, die sich vor oxide, überwiegend aber als trockene und nasse De- allem durch die verschiedenen Nährstoffbedürfnisse, position (z. B. als Schwefelsäure, Nitrat) in Böden ge- durch Resistenzverschiebungen gegenüber Insekten langen. Zum anderen wirken Einträge von Ammoni- und Pilzen sowie durch Reduktion der Frost- und umverbindungen oder solche mit organisch gebun- Trockenheitsresistenz ergibt. Weiter können ver- denem Stickstoff aufgrund der Stickstoffoxidation stärktes Wachstum und Biomassebildung die boden- durch Bodenbakterien als Säurebildner. In welchem interne Versauerung erhöhen. Geht man von den na- Ausmaß die Versauerung wirksam wird und wie türlichen Depositionen in Höhe von 3 bis 6 kg Stick- hoch die Belastbarkeit von Böden ist, hängt von der stoff pro Hektar und Jahr aus, wie sie in abgelegenen Pufferfähigkeit der Böden ab. Diese resultiert aus der Regionen gemessen werden, so sind die angegebe- jeweils vorhandenen mineralischen Ausstattung (Si- nen Werte eher im oberen Bereich angesiedelt. Be- likate, Karbonate), der Bodenart (Körnung) und dem trachtet man die Stickstoffdepositionen von 20 bis Humusgehalt. Ohne die genaue Kenntnis der Stand- 40 kg pro Hektar und Jahr, wie sie heute im Mittel in ortbedingungen läßt sich weder die Säurebelastung deutschen Waldökosystemen gemessen werden, so noch die Pufferfähigkeit eindeutig definieren. sind diese Depositionen als überhöht anzusehen.

Die Folgen der Versauerung, das heißt der Anreiche- rung von H+-Ionen in Böden, sind insbesondere: Umweltqualitätsziel • Nährstoffverarmung an Kalzium, Magnesium, Ka- Vorsorge gegenüber im Boden versauernd wirken- lium und Natrium, der Stoffeinträge • Freisetzung von toxisch wirkenden Ionen (z. B. Aluminiumionen) und von Schwermetallen Umwelthandlungsziel Daraus können zum einen Nährstoffarmut und Nähr- Reduktion der sauren Deposition aus atmosphäri- stoffungleichgewichte in Pflanzen resultieren, zum schen Einträgen von Stickoxiden und Verminde- anderen Schädigungen der Wurzelsysteme. Weiter rung der Einträge von Schwefeldioxid, Ammoniak kann sich aus der Bodenversauerung eine Verände- und anderen Säurebildnern unterhalb des jeweili- rung der Organismengesellschaften auf und in den gen kritischen Eintrags durch Verminderung der Böden und damit verbunden eine Entkoppelung der Emissionen aus Kraftwerken, industriellen Anla- Mineralisation und Nährstoffaufnahme ergeben. Ver- gen, Hausbrand, Verbrennungsmotoren und Land- stärkt werden diese Effekte, wenn die Bodenversaue- wirtschaft rung mit gleichzeitiger Stickstofferhöhung verbun- den ist. Dieser Prozeß ist heute für Waldböden weit- In Mitteleuropa sind die Eintragsraten von Stickstoff räumig zu beobachten, während die Versauerung in Waldökosysteme durch anthropogene Beeinflus- landwirtschaftlicher Böden meist durch Kalkungen sungen um den Faktor 10 erhöht, von Säuren, vielen neutralisiert wird. Die Versauerung bleibt vielerorts Schwermetallen und organischen Stoffen um den nicht auf Böden beschränkt. Besonders in Regionen Faktor 100 und mehr gegenüber wenig belasteten, von Emittenten weit entfernten Gebieten wie z. B. im 108) Vgl. mit Ausführungen zum zweitgenannten Umwelthand- lungsziel in Kapitel 3.4.4, Seite 37 110) Vgl. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (1995); 109) Vgl. IKSR (1992) Benecke (1993); Frings (1993)

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode nördlichen Skandinavien oder in Sibirien. Um festzu nach Abschätzung der ökonomischen und sozialen Auswir- legen, in welchem Maße die deponierten Säuren die kungen - u. U. zu korrigieren. Belastbarkeit von Böden überschreiten und um fest- Allerdings sind für eine Abschätzung der ökonomischen zustellen, wie stark die Emissionen reduziert werden und sozialen Auswirkungen der für die Erreichung der Um- müssen, ist es notwendig, die Grenzen der Belastbar- welthandlungsziele einzusetzenden Maßnahmen und In- keit von Böden zu ermitteln. Für Schwefel (Säure) strumente konkrete quantitative Umweltziele erforderlich. Denn die ökonomischen und sozialen Auswirkungen sind und Stickstoff 111) hat sich in den vergangenen Jahren von dem Ausmaß der Umweltziele und des Zeithorizontes das „critical loads-Konzept" durchgesetzt. Es wurde und den entsprechend zu ergreifenden Maßnahmen und In- im Jahr 1988 von der UN/ECE in das Übereinkom- strumenten abhängig. Ein Reduzierungsziel von 80 % wird men „Convention on Long Range Transboundary Air andere Maßnahmen und Instrumente erfordern und entspre- Pollution” übernommen und zu einer wesentlichen chend andere ökonomische und soziale Auswirkungen nach Grundlage für internationale Abkommen der ECE sich ziehen als ein Reduzierungsziel von 20 %. zur Emissionsreduktion gemacht. Ein kritischer Ein- trag ist als ein quantitatives Maß für die Exposition zu Kapitel 3.4.2 Fläche gegenüber einem oder mehreren Schadstoffen defi- Böden sind eine endliche Ressource, da sie nicht vermehrbar niert, unterhalb dessen nach heutigem Wissen keine sind. Dies gilt ebenso für die Bodenfläche, damit für die nachteiligen Wirkungen bei empfindlichen Öko- Fläche schlechthin; für sie gibt es überhaupt keinen Ersatz. systemelementen auftreten. Betrachtet man die flä- Allenfalls lassen sich freie Flächen wiedergewinnen durch Entsiegelung oder Abriß. chenhaften Auswertungen der Säurebelastungen in der Europäischen Union, wie sie vom Koordinations- Natur- und Landschaftsschutzfläche zentrum für Depositionseffekte in den Niederlanden durchgeführt werden, so waren im Jahr 1990 auf Umweltqualitätsziele 24 % der Waldfläche (33 Mio. ha) die kritischen Werte Erhalt der biologischen Vielfalt und der einzelnen Arten für Versauerung überschritten, in Deutschland allein Sicherung und Weiterentwicklung der Vielfalt, Eigenart und auf 80 % der Gesamtwaldfläche. 112 ) Es sollte dabei Schönheit von Natur und Landschaft - auch der natürliche Verlauf der Versauerung berück- sichtigt und bei der Beurteilung des Standard- (Nor- Umwelthandlungsziele mal)wertes herangezogen werden. Allerdings sind Aufbau eines funktionsfähigen Biotopverbunds auf der ge- die Emissionen einzelner Säurebildner zwischen samten Fläche bis zum Jahr 2010. Der Flächenanteil dafür 1989 und 1994 in Deutschland merklich vermindert soll bis 2010 durchschnittlich mindestens 10% der Gesamt- worden. So konnten die SO2-Emissionen um 52 fläche betragen reduziert werden, die NO.- und die Ammoniakemis- Die Vorrangflächen für den Naturschutz sollen vermehrt und sionen sanken im gleichen Zeitraum um jeweils ausgedehnt werden - über eine Verdoppelung der gegen- 24 %. 113 ) Immissionsmessungen zeigen allerdings wärtigen Schutzfläche bis zum Jahr 2000 - schließlich bis zu eine derartige Abnahme nicht. 15% im Jahr 2010 Auf der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland ist Die UN/ECE hat eine standardisierte Methode ent- noch bis zur Jahrhundertwende eine Nutzung anzustreben, wickelt, um die Depositionen in Europa zu erfassen die wirkungsvoll die Artenvielfalt auch bei der Produktion und die Gefährdungspotentiale darzustellen. In nicht von Nahrungsmitteln bzw. nachwachsenden Rohstoffen und landwirtschaftlich genutzten Böden in Deutschland bei gleichzeitigem Erhalt der natürlichen Schönheit und werden die kritischen Einträge für Säure in 85 % der Vielfalt der Landschaft sichert Flächen überschritten, in 50% der Fälle sogar in be- Bis zum Jahr 2000 Stop der Zerstörung, dann Wiederherstel- trächtlichem Maße. 114 ) lung einzigartiger Ökosysteme von überregionaler Bedeu- tung wie die Alpenregion und das Wattenmeer

Sondervotum des Kommissionsmitglieds Siedlungs- und Verkehrsfläche Prof. Dr. Jürgen Rochlitz: Umweltqualitätsziele

„Die folgende Zusammenstellung von Umweltqualitäts- und Begrenzung, schließlich Reduktion des Flächenverbrauchs Umwelthandlungszielen erfolgt allein unter dem Gesichts- Verringerung der Inanspruchnahme von weiteren Flächen punkt ökologischer Notwendigkeiten. Die angegebenen für Wohnen, Industrie, Gewerbe und Verkehr Zeithorizonte berücksichtigen, daß sich sowohl die gegen- wärtige Umweltpolitik als auch alle Ansätze in Richtung auf Vermehrung des Anteils naturnaher städtischer Flächen eine Politik der Nachhaltigkeit bzw. der Zukunftsfähigkeit weit entfernt von dieser ökologischen Notwendigkeit befin- Umwelthandlungsziele den. Es wird daher in vielen Fällen keine Zeit zu verlieren sein, um eine Politik des rein Ökonomischen zu verlassen. Nutzung der bestehenden Entsiegelungs- und Sanierungs- Dennoch wird es notwendig sein, die ökologischen Ziele mit potentiale durch den Rückbau versiegelter Flächen sowie den Instrumenten und Maßnahmen hinsichtlich ihrer ökono- die qualitative Flächenaufwertung bis zu einem Gleichge- mischen und sozialen Auswirkungen zu überprüfen. Die wicht zwischen Flächenverbrauch und Flächenrecycling im anfänglich formulierten Umwelthandlungsziele sind dann - Jahr 2010 Höhere Verdichtung von Siedlungsräumen mit dem Ziel, bis 111) Wenn im folgenden die Rede von Schwefel und Stickstoff zum Jahr 2005 weniger Grundstücksfläche pro Kopf bzw. ist, sind alle Schwefel- und Stickstoffverbindungen ge- Grundfläche pro Kopf der Bevölkerung als gegenwärtig in meint, die versauernd wirken. Mengenangaben beziehen Anspruch zu nehmen. (Die Grundfläche ist der Teil des sich auf den Anteil von Schwefel und Stickstoff in diesen Grundstücks, der überbaut werden darf) Verbindungen 112) Vgl. Johannesson (1996) Reduzierung des Verhältnisses von Verkehrsfläche zu Sied- 113) Vgl. Deutscher Bundestag (1996) 5 lungsfläche durch Ausbau des öffentlichen Personennahver- 114) Vgl. Downing u. a. (1993) kehrs Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Vorrang der Sanierung und Wiedernutzung von stillgelegten zu Kapitel 3.4.4 Grundwasser ehemaligen Gewerbe-, Industrie- und Infrastrukturflächen sowie der Bebauung innerörtlicher unbebauter Restflächen Umweltqualitätsziele vor der Inanspruchnahme von noch nicht zersiedelten Flä- Die Grundwassernutzung soll regionalbezogen der Grund- chen im Außenbereich wasserneubildung entsprechen Vollständige Sanierung nicht mehr benötigter Gewerbe-, In- dustrie- und Infrastrukturflächen für wohnbauliche Zwecke Flächendeckender Grundwasser- und Gewässerschutz oder für die Schaffung naturnaher Erholungsflächen Deutliche Verringerung des Flächenverbrauchs beim Bau und bei der Nutzung von Parkraum; bis zum Jahr 2010 sollte Umwelthandlungsziele dieser Flächenverbrauch gänzlich eingestellt sein Vermeidung anthropogener Einträge Vermehrte Ausweisung von Kleingartengebieten als Ange- bot extensiver Naherholung; Verdreifachung der bisherigen Unterbindung von Stoffeinträgen in den Boden bei vorhan- Fläche bis zum Jahr 2010 denen Belastungen

Land- und Forstwirtschaftsfläche Vermeidung unausgeglichener Nährstoffbilanzen

Umweltqualitätsziel Verbesserung der Regenwasser-Versickerung

Erhalt der Lebensraum- und Regelungsfunktion bei nachhal- Sanierung anthropogen belasteter Grundwasserleiter bis tiger Bewirtschaftung z um Jahr 2010

Umwelthandlungsziele Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft sowie nachhaltiger zu Kapitel 3.4.5 Stoffeinträge Weinbau, die standortgerecht der Belastbarkeit des Bodens angepaßt sind Umweltqualitätsziele

Extensivierung und Ökologisierung der Land-, Forst- und Erhaltung eines regionsspezifischen geogenen Zustands - Weinwirtschaft bis spätestens zum Jahr 2005 Erhalt der Bodenfunktionen durch Schutz vor Eutrophie Ausrichtung der land-, forst- und weinwirtschaftlichen Pro- rung, Versauerung und ökotoxischer Wirkungen duktion auf die schonende Bodennutzung und den Erhalt der biologischen Vielfalt Vorsorge gegenüber Nährstoffschäden durch insbesondere Erhalt bzw. Wiederherstellung von naturnahen Kulturland- Stickstoff- und Phosphorverbindungen

schaftsräumen im Rahmen von „ Kulturlandschaftsprog ram- men", die sowohl finanzielle Anreize bieten als auch voll- Schutz vor dem Eintrag persistenter, human- und/oder öko- zugsfreundlich sind toxischer Stoffe, sowie vor solchen, die sich bioakkumulieren können oder irreversible Wirkungen besitzen

Fläche für Erholung, Sport und Fremdenverkehr

Umwelthandlungsziel Umwelthandlungsziele Entwicklung der vom Fremdenverkehr geprägten Regionen unter dem Leitbild des umweltverträglichen Tourismus und Reduzierung des Eintrags von Nährstoffen auf den natürli- Festlegung von Belastungsgrenzen bis zum Jahr 2005 für chen Verbrauch des Pflanzenbewuchses die Nutzung durch Tourismus und Erholung Reduzierung der atmosphärischen Einträge von Schwefeldi- oxid, Stickoxiden, Ammoniak und anderen Säurebildnern zu Kapitel 3.4.3 Erosion und Bodenverdichtung und die sie verstärkenden Kohlenwasserstoffe (VOC) aus Umweltqualitätsziele Kraftwerken, Industrieanlagen, Hausbrand, dem Verkehrs- wesen und der Landwirtschaft kontinuierlich um 80% bis Erhalt der naturnahen Struktur des Bodens zum Jahr 2010 Schutz des Bodens vor Abträgen und unnötiger Verdichtung Beendigung von Einträgen persistenter und bioakkumulati- ver Organika und von Stoffen mit irreversiblen Wirkungen Umwelthandlungsziele bis zum Jahr 2000; der Eintrag von Schwermetallen soll bis Naturangepaßte Schutzmaßnahmen für erosionsgefährdete zum Jahr 2005 nicht mehr zum Uberschreiten der regions Standorte, insbesondere bei exponierten Hanglagen spezifischen geogenen Konzentrationen führen Verhinderung bewirtschaftungsbedingter Bodenabträge Reduktion des Eintrags von Fremdstoffen (Xenobiotika) mit Verminderung von Winderosion durch Landschaftsgestal- zum Teil noch unbekannten Wirkungen auf Ökosysteme bis tung zum Jahr 2010 um 50%, dann um weitere 50% bis zum Jahr Reduktion der Erosion auf 10% des derzeitigen Abtrags bis 2020 zum Jahr 2010 Anpassung der Viehbestände an eine Bodenverträglichkeit Verminderung bewirtschaftungsbedingter Bodenverdichtun- gemäß dem erstgenannten Umwelthandlungsziel bis zum gen Jahr 2010"

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

4 Beispielfeld Bauen und Wohnen

4.1 Bauen und Wohnen als Beispielfeld kelt haben und weiter entwickeln. Die Bereitstellung für die Enquete-Kommission von Wohnraum - einem nicht substituierbaren Gut - greift auf vielfältige Weise in die Naturhaushalte - ebenfalls nicht substituierbare Güter - ein und führt 4.1.1 Bedeutung des Beispielfeldes zu erheblichen Belastungen der Umwelt. Je mehr für die Arbeit der Enquete-Kommission Fläche genutzt und je mehr Mate rial eingesetzt wird, Zur Umsetzung des Leitbildes der nachhaltig zu- um den Bedarf nach Wohnraum oder gewerblich ge- kunftsverträglichen Entwicklung in politisches Han- nutztem Raum zu decken, desto größer ist die damit deln hat die Enquete-Kommission für den Problem- einhergehende Umweltbeeinträchtigung. Gewin- bereich Böden Ziele formuliert, an denen sich unser nung, Herstellung und Transport der Baustoffe sowie Wirtschaften und der damit verbundene Umgang mit der Bauvorgang selbst, aber auch die Nutzung und der Natur orientieren soll (siehe Kapitel 3.4, Seite 23). später der Abriß verbrauchen in der Regel Fläche, Diese Ziele sind verbindliche Richtschnur für alltäg- Energie und Rohstoffe, belasten Luft und Wasser mit liche Entscheidungsprozesse und Verhaltensweisen. Schadstoffen, induzieren große Abfallströme, und Es werden ihnen konkrete, teilweise weitreichende nicht zuletzt verursachen sie Lärm. Die mit der räum- Veränderungen folgen müssen. lichen Ausdehnung verbundene Flächeninanspruch- nahme führt in der Regel zu einem höheren Energie- Was bedeutet nachhaltig zukunftsverträgliche Ent- verbrauch und Umsatz von Stoffen. Außerdem wer- wicklung? Wie können Ökologie, Ökonomie und so- - den neue Verkehrsströme erzeugt, die kosten- und ziale Implikationen miteinander vereinbart werden? energieintensive Infrastruktureinrichtungen benöti- Was muß geändert und was kann nicht geändert wer- gen. Insgesamt führt dieser Prozeß zu einem höheren den? Die Enquete-Kommission hat sich darauf ver- Ausstoß an CO2. Infolge der Bodenversiegelung und ständigt, die Integration der ökologischen, ökonomi- der Zerschneidung natürlicher Lebensräume treten schen und sozialen Dimension durch den Einstieg häufig zusätzliche klein-klimatische, biologische und über die ökologische Dimension vorzunehmen. Es landschaftliche Veränderungen auf. soll an konkreten Problemfeldern erprobt werden, wie Rahmenbedingungen zu gestalten sind, die den ökologischen Erfordernissen Rechnung tragen und Mit der Erstellung von Wohnraum, der Planung und gleichzeitig ökonomische und soziale Probleme nicht Gestaltung der Siedlungsgebiete und der Errichtung verschärfen. Als Beispiel hat die Enquete-Kommis- der dazugehörenden Infrastruktur einschließlich des sion den Lebensbereich „Bauen und Wohnen" ge- Verkehrswegenetzes wird auf viele Jahre hinaus die wählt. Sozusagen als „Nagelprobe" soll dieses Bei- Gestalt des Lebensraums festgelegt. Mit den Ent- spiel dazu dienen, den methodischen Prozeß - von scheidungen, die heute getroffen werden, beeinflus- der Ableitung von Umweltqualitäts- und Umwelt- sen wir nicht nur den Lebensraum der heutigen Ge- handlungszielen über die Überprüfung bestehender nerationen, sondern greifen auf die Lebensbedin- Rahmenbedingungen und die Untersuchung geeig- gungen künftiger Generationen vor. Mit der Schaf- neter Maßnahmen bis hin zur Empfehlung umsetzba- fung des Wohn- und Lebensraumes wurde und wird rer politischer Handlungsoptionen und Instrumente - in direkter, sichtbarer und erlebbarer Weise Umwelt auf seine praktische Übertragbarkeit zu überprüfen. „geformt". Weniger direkt wahrnehmbar sind die Eingriffe in die sensiblen natürlichen Funktionszu- sammenhänge von Böden. 4.1.2 Begründung für die Auswahl des Lebensbereiches „Bauen und Wohnen" als Beispielfeld Das „Produkt Wohnraum" zeichnet sich in der Regel durch hohe Langlebigkeit aus. Nicht nur architekto- Wohnen gehört wie Ernährung oder Kleidung zu den nische oder städteplanerische Strukturen bleiben der Grundbedürfnissen der Menschen. Städte, Gebäude, Nachwelt erhalten, auch die eingebrachten Stoff- Freiräume, die Gestalt der von Menschen besiedel- ströme sind in Gebäuden über Jahrzehnte gewisser- ten und kultivierten Landschaft bilden die räumliche maßen eingefroren. Von ihrer weiteren Nutzung Hülle für das Alltagsleben, für die Gesellschaft und haben kommende Generationen Vorteile; zugleich für die Kultur der Menschen, die in ihnen leben. Sie obliegt ihnen aber auch Bet rieb, Entsorgung bzw. sind Produkte von Vorstellungen über individuelle Verwertung. Im Sinne einer nachhaltig zukunftsver- und gesellschaftliche Aktivitäten und zugleich Aus- träglichen Entwicklung ist daher dieser Lebens- druck der alltäglichen Kultur, die sich in ihnen ge- bereich so zu gestalten, daß künftige Generationen - genwärtig entfaltet und zukünftig entfalten wird. mindestens - gleiche natürliche Voraussetzungen Diese räumliche Hülle wird verändert durch Bautä- vorfinden sollen, wie sie heute lebenden Generatio- tigkeit. Die Bautätigkeit ist das Mittel zur Anpassung nen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollten sie der Umgebung an die individuellen Bedürfnisse der - auf der stofflichen Seite - nicht vor bereits heute ab- Menschen, die sich - über die Befriedigung des sehbare schwierige Handhabungs- bzw. Entsor- Grundbedürfnisses nach Wohnraum hinaus - entwik gungsprobleme gestellt werden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Die Enquete-Kommission hat das Beispiel „Bauen 4.2 Die ökologische, ökonomische und soziale und Wohnen" gewählt, da sich hier nicht nur die Dimension im Lebensbereich „Bauen und Wechselwirkungen zwischen Umweltbeeinflussung Wohnen" und Lebensstilen, sozialen Strukturen und Bedürfnis- sen, Arbeits- und Konsumgewohnheiten besonders Die Inanspruchnahme von Flächen für das Wohnen, deutlich zeigen, sondern auch deshalb, weil die Neu- Wirtschaften und den Verkehr findet unter dem gestaltung eines so zentralen Lebensbereichs nach Schlagwort „Landschaftsverbrauch" oder „Landver- den Zielvorgaben einer nachhaltig zukunftsverträg- brauch" seit Mitte der siebziger Jahre zunehmend lichen Entwicklung eine zentrale Herausforderung politische und öffentliche Aufmerksamkeit. Bereits darstellt. Es scheint gerade in diesem Bereich beson- 1985 forderte die Bodenschutzkonzeption der Bun- ders aussichtsreich zu sein, alle drei Dimensionen desregierung eine „Trendwende im Landver- der Nachhaltigkeit, die sozialen, ökonomischen und brauch". 115 ) Eine solche Trendwende hat bislang ökologischen Zielvorstellungen miteinander zu verei- nicht oder nur unzureichend stattgefunden. Allein nen. Die Wohnungspolitik von morgen läßt sich nicht die Siedlungsfläche hat sich in den letzten vierzig mehr traditionell wohnungspolitisch zuordnen; sie ist Jahren im früheren Bundesgebiet nahezu verdoppelt. neben Familienpolitik auch Jugend- und Altenpoli- Jeden Tag werden durchschnittlich schätzungsweise tik, Sozial- und Kulturpolitik, Umwelt- und Arbeits- 100 bis 120 Hektar Fläche - das entspricht der Fläche marktpolitik, Stadt- und Ausländerpolitik. Eine nach- von ca. 100 bis 120 Fußballfeldern - neu bebaut. Ein haltig zukunftsverträgliche Gestaltung des Bereiches mathematisches Gedankenspiel stellt den Zusam- Bauen und Wohnen ist eine Querschnittaufgabe. menhang zwischen Wirtschaftswachstum und Flä- Ein weiterer Aspekt, der für die Wahl des Beispielfel- chenverbrauch her und verdeutlicht, wie schnell bei des sprach, war die relativ geringe internationale einem ungebremsten Flächenverbrauch das Ende Verflechtung einer an der nachhaltig zukunftsver- der Verfügbarkeit freier Flächen erreicht sein könnte: träglichen Entwicklung orientierten Wohnungsbau-, „Wir fragen danach, wieviele Jahre uns noch verblei- Stoff- und Planungspolitik. Damit zog die Kommis- ben, um ein bestimmtes Wachstum ohne Entkopp- sion aus den Erfahrungen der Enquete-Kommission lung durchzustehen. Bisher haben wir ein durch- der vergangenen Legislaturpe riode Konsequenzen: schnittliches Wachstum von 0,8 ha Flächenverbrauch Die damaligen Untersuchungen der Stoffströme im oder Siedlungsflächenzuwachs pro Mio. DM BIP. Bedürfnisfeld „Textilien" und der Versuch, nationale Real betrug der Durchschnittswert des Wirtschafts- Handlungsoptionen zu erarbeiten, bereiteten do rt wachstums in den letzten 30 Jahren 3 %. Man könnte Schwierigkeiten, wo die internationalen Verflechtun- nun ganz mutig fragen, was wäre, wenn man die Re- gen der Stoffströme den nationalen Einflußmöglich- gressionsfunktion in die Zukunft verlängert. Wenn keiten Grenzen setzten. Die mit dem Baubereich ver- man diesen Wert in die Funktion einsetzt, käme man bundenen Stoff- und Energieströme sowie die Flä- auf noch verbleibende 81 Jahre bis die Bundesrepu- chennutzung werden hingegen größtenteils durch blik komplett zugebaut wäre. " 116) Zwar sind die die- nationale Politik beeinflußt. ser Rechnung zugrundegelegten Hypothesen nicht unbedingt realistisch, dennoch veranschaulicht die- ses Gedankenspiel deutlich die Endlichkeit der Res- 4.1.3 Schwerpunktsetzung und Vorgehen source „Fläche" (siehe Abbildung 3). In vielen Städ- ten ist die Ressource Fläche bereits heute erschöpft. Die Enquete-Kommission konzentrierte sich auf die aus ökologischer Sicht drängendsten Problemfelder Fläche kann zwar nicht im eigentlichen Sinn wie et- „Flächenverbrauch" und „Stoffströme". Diese Ein- wa Rohstoffe verbraucht, aber sie kann lediglich für grenzung erfolgte auch vor dem Hintergrund, daß eine begrenzte Anzahl von Funktionen gleichzeitig hier aus Sicht der Kommission - im Vergleich zu genutzt werden. Zudem reichen die Beeinträchtigun- Bereichen wie Energie oder Verkehr - zusätzlicher gen des Zustandes der Fläche (Bodenfunktionen, Untersuchungsbedarf besteht. Zwar können Energie Grundwasser) oftmals weit über die Zeit der planmä- und Verkehr nicht gänzlich ausgeklammert werden, ßigen Nutzung hinaus. Eine Fortschreibung der der- aber es kann größtenteils auf bereits geleistete Vor- zeitigen Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrs- arbeiten z. B. der Enquete-Kommission „Schutz flächen führt über kurz oder lang zu erheblichen öko- der Erdatmosphäre" und der Enquete-Kommission logischen Problemen. Die anhaltende Zersiedelung „Schutz des Menschen und der Umwelt" des 11. und der Landschaft und die damit einhergehende Flä- 12. Deutschen Bundestages aufgebaut werden. Die chenversiegelung verändern die Lebensräume für Kommission hat zu dem Thema „Stoffströme" eine Menschen, Tiere und Pflanzen. Flächenversiegelung umfangreiche Studie vergeben, deren Auswertung wirkt sich negativ auf Bodenorganismen, Tiere und bzw. Ableitung politischer Handlungsempfehlungen Pflanzen und den Wasserhaushalt aus. Die zuneh- noch nicht abgeschlossen ist. Der Themenbereich mende Zersiedelung der Landschaft zerschneidet „Stoffströme" wird im Abschlußbericht behandelt und zerstückelt gewachsene Naturräume - vor allem werden. Die folgenden Ausführungen haben ihren durch den mit der Besiedlung einhergehenden Bau Schwerpunkt in dem Themenbereich „Flächenver- von Verkehrswegen. Man kann davon ausgehen, brauch". Für diesen Bereich wurden von der En- daß viele Tier- und Pflanzenarten eine bestimmte Le- quete-Kommission bereits Umweltqualitäts- und Um- bensraumgröße beanspruchen und bei Zerschnei- welthandlungsziele aufgestellt, deren Umsetzung nach oben beschriebener Vorgehensweise am kon- 115) Vgl. Deutscher Bundestag (1985) kreten Beispiel „Bauen und Wohnen" überprüft wer- 16) Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um- den soll. welt" (1996b); Radermacher (1996)

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 3 Lebens- und Wirtschaftsweisen, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre und darüber hinaus ein neuer Wachstum von Siedlungs- und Verkehrsfläche Schub der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- im Zusammenhang zwecke bevorsteht. Die spezifischen Flächenansprü- mit dem Wirtschaftswachstum che für Wohnen, Arbeiten und Verkehr haben sich in der Vergangenheit ständig erhöht, und es gibt mittel- bis langfristig keine Anzeichen, die auf eine Trend- umkehr schließen lassen. Ohne eine Neuorientierung der Wohnungs- und Siedlungspolitik wird die höhere spezifische Flächeninanspruchnahme (pro Einwoh- ner, pro Arbeitsplatz und pro Auto) daher weiterge- hen und den Verstädterungsprozeß, das Wachstum der Städte in die Fläche, zusätzlich antreiben.

Zur wirtschaftlichen und sozialen Situation in den Städten heißt es im Nationalbericht der Bundesregierung (Habitat II): „Mit der Wirtschaftsentwicklung in West und Ost wandeln sich die sozialen Strukturen in den Städten: Während die mittleren Einkommens- gruppen in der langen Wachstumsphase nach Quelle: Radermacher (1996) dem Zweiten Weltkrieg in den westdeutschen Stadtregionen stark gewachsen sind, zeichnet dung dann von dort verschwinden. Die Zerschnei- sich mit der Entwicklung der ersten Hälfte der dung von Lebensräumen, z. B. durch den Straßen- neunziger Jahre eher eine polarisierte Struktur bau, kann daher dazu führen, daß viele einheimische ab. In den Städten konzentrieren sich einerseits Arten zugunsten anspruchsloser Arten zurückge- die hochqualifizierten und gutbezahlten produk- drängt werden. 117 ) Für Menschen ist die zunehmende tions- und unternehmensorientierten Dienstlei- Zerstückelung der Landschaft mit dem Verlust von stungstätigkeiten, während Fertigungsarbeits- Erholungsflächen verbunden - O rte, an denen z. B. plätze abnehmen. Zugleich nehmen aber auch kein Verkehrslärm zu hören ist, sind rar geworden. jene Segmente des Arbeitsmarktes zu, in denen Wie sollen diese Lebensräume in zwanzig, vierzig der Anteil von niedrigen Qualifikationen, niedri- oder hundert Jahren aussehen? ger Bezahlung, Teilzeitarbeit, auch der Anteil von rechtlich nicht abgesicherten informellen Be- Die aktuelle Entwicklung ist vor allem durch eine in- schäftigungen, besonders hoch ist. In ostdeut- tensive Ausdehnung der Siedlungsflächen in das nä- schen Städten läuft dieser Prozeß der Tertiarisie- here und weitere Umland der Agglomerationsräume rung beschleunigt ab und führt in der Folge gekennzeichnet. Die Ursachen für die Zunahme und ebenfalls zu veränderten Strukturen. 118 ) Ausweitung der Siedlungsfläche sind vielfältig, aber eindeutig: Wachsende und veränderte Wohnflächen- Probleme der hauptsächlich über Arbeitslosigkeit ansprüche pro Kopf erhöhen die Neuinanspruchnah- produzierten Armut und sozialen Ausgrenzung, me von Flächen. Ebenso nimmt in der gewerblichen die seit einigen Jahren in Deutschland zuneh- Wirtschaft die Flächeninanspruchnahme u. a. auf- men, werden oftmals unter städtischen Lebens- grund von Automation, staatlichen Auflagen wie Ab- bedingungen erst offenkundig und stellen sich standsregelungen, Lärmschutzbestimmungen und um so verschärfter dar. (...) Konzentration von die Nutzung als Optionsflächen von Jahr zu Jahr zu. Einkommensschwächeren und Entmischungs- Der mehrgeschossige Gewerbe- und Industriebau prozesse finden vor allem in drei städtischen wird zur Zeit allenfalls in Städten mit Baulandengpäs- Teilräumen statt: in den Innenstädten, Wohnsied- sen verwirklicht. Und auch Handel und Dienstleistun- lungen des sozialen Wohnungsbaus der 60er/ gen benötigen mehr Fläche, sei es das großflächige, 70er Jahre und ehemaligen Arbeiterquartieren. autogünstig gelegene Einzelhandelszentrum „auf der Mit zunehmender Verarmung der do rt lebenden grünen Wiese" oder seien es Büroarbeitsplätze mit ho- Bevölkerung werden diese Wohngebiete für Bes- her technischer Ausstattung. Die Antriebskräfte der sergestellte unattraktiv. Die sozialen Probleme anhaltenden Flächeninanspruchnahme sind in erster nehmen zu. Mit Zuwanderung von Bevölke- Linie die Ansprüche von bestehenden bzw. hinzu- rungsgruppen anderer Kulturen verschärfen sich kommenden Haushalten an Wohnung und Wohnum- die Konfliktlagen noch zusätzlich. P rivate Inve- feld sowie die Standortansprüche von Bet rieben mit storen ziehen sich aus solchen Stadtquartieren der damit verknüpften Infrastruktur. zurück. Es fehlen städtische Mittel um die Desin- vestitionsentscheidungen zu beseitigen und so- Ohne Änderung der Rahmenbedingungen ist mittel- mit weiteren Desinvestitionsentscheidungen ent- fristig kein Stillstand oder gar eine Trendwende im gegenzuwirken. Ursachen hierfür sind einerseits „Landverbrauch" zu erwarten. Vielmehr sprechen höhere Ausgaben im Sozialbereich (Sozialhilfe), alle Anzeichen dafür, daß, sowohl als Folge der vor andererseits spürbare Einbußen im Steuerauf- allem im Westen Deutschlands erwarteten Bevöl- kerungszunahme als auch als Folge veränderter

117) Vgl. WBGU (1994) 133 118) Vgl. BMBau (1996b) 26 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Insgesamt wird unter Status-quo-Annahmen die Flä- kommen durch die Abwanderung von Betrieben cheninanspruchnahme für Siedlungszwecke eine und einkommensstarken Bevölkerungsgrup pen " 119) Größenordnung erreichen, die in nahezu allen Agglomerationen die Freiraumsituation zwangsläu- fig verschlechtern wird. Weitere Baulandausweisun In der Raumordnungsprognose 2010 prognostizierte gen werden zu Lasten bestehender Freiflächen ge- die BfLR - unter Einbeziehung der Verkehrs- und hen („Freifläche als Baulandreserve"). Die hohe Gewerbeflächen - täglich 100 bis 120 Hektar neube- Siedlungsflächennachfrage fordert eine haushälteri- anspruchtes Bauland, von dem etwa ein Viertel ver- sche Bodenpolitik als zentrales Handlungsfeld einer siegelt und bei einem weiteren Viertel der Oberbo- nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung ge- den zerstört würde. Daneben wurde der Wohnungs- radezu heraus. neubau geschätzt, der unter Beibehaltung der bishe- rigen Rahmenbedingungen zwangsläufig eine ent- Die Ausweitung der Siedlungsflächen und der damit sprechende Wohnbaulandnachfrage nach sich zöge. verbundene Ausbau des Verkehrswegenetzes führen Diese beliefe sich zwischen 1991 und 2010 auf ins- aber nicht nur zur Flächenversiegelung und -zersie- gesamt etwa 370 000 Hektar, das hieße täglich rund delung. Sie gehen auch mit einer hohen Inanspruch- 51 Hektar Bruttowohnbauland. 120 ) Über den ge- nahme anderer Ressourcen einher. Kaum ein anderes samten Prognosezeitraum sind unterschiedliche Bedürfnisfeld kann als so materialintensiv bezeichnet Nachfrageentwicklungen zu erwarten. Tendenziell werden wie der Baubereich. Der jährliche Stoffein- wächst, laut BfLR, die Nachfrage bis zum Jahr 2000. satz allein im Hochbau einschließlich Ausbau ist im- Danach ist sie in den alten Ländern eher rückläufig, mens. Zur Bereitstellung der Baurohstoffe wird in während sie sich in den neuen Ländern eher ver- Naturräume eingegriffen, und auch diese natürlichen stärkt, da hier ein entsprechender Nachholbedarf Ressourcen sind nicht unbegrenzt vorhanden. Damit besteht. Die Wohnbaulandnachfrage wird vor allem betrifft das Gebot des sparsamen und effizienten Um- von den Ein- und Zweifamilienhäusern ausgehen. gangs mit begrenzten Ressourcen auch die Baustoffe. Eine weitere Ausdehnung der Siedlungsfläche im Das Gebot des sparsamen und effizienten Umgangs- Umland ist damit wahrscheinlich. Dagegen ist die ergibt sich auch aus ökonomischen Überlegungen. Wohnbaulandnachfrage für die flächensparenden Man kann den Gebäudebestand mit einem „riesigen Mehrfamilienhäuser verhältnismäßig gering und Zwischenlager" vergleichen. Der hieraus abfließende über den gesamten Prognosezeitraum eher rückläu- Abfall macht nach Gewicht fast die Hälfte des ge- fig. samten jährlichen Abfallaufkommens in der Bundes- republik Deutschland aus. Angesichts des sich ver- Auch die Flächennachfrage für wirtschaftliche knappenden Deponieraumes werden auch hieraus Zwecke dürfte mittelfristig unter Status-quo-Annah- erhebliche Probleme in der Zukunft erwachsen. So men weiter zunehmen und nicht wesentlich unter gehen nicht nur mit der Erstellung von Gebäuden, der für Wohnbauland liegen. Insbesondere bei Ge- sondern auch mit den Abfallströmen erhebliche Um- werbebauland besteht kein Anreiz, sparsam mit Flä- weltbeeinträchtigungen einher. Auf quantitative und chen umzugehen. Bestehende Baurechte werden im- qualitative Probleme der Stoffströme im Baubereich mer weniger ausgeschöpft, sei es aus Gründen der soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. Vorhaltung von Reserveflächen oder aus gestalteri- Eine detaillierte Darstellung und mögliche Lösungs- schen Gründen. Speziell im Handel führt die Um- ansätze bedürfen noch der Beratung in der Kommis- strukturierung in Richtung auf großflächige Einrich- sion. tungen außerhalb des bisherigen Siedlungsgebietes sowie die zunehmende Spezialisierung dieser Ein- Studien „Stoffströme und Kosten in den Berei- richtungen zu einem erheblichen zusätzlichen Flä- chen Bauen und Wohnen" und „Baumaterialien chenaufwand. und gebäudebedingte Erkrankungen"

Einer der größten Flächenkonsumenten in der Stadt Die Enquete-Kommission hat die mit dem Be- ist das Verkehrssystem, hauptsächlich bedingt durch reich „Bauen und Wohnen" verbundenen Stoff- den großen spezifischen Flächenbedarf des Autover- ströme und die sie beeinflussenden Steuergrößen kehrs im Vergleich mit den anderen Verkehrsmitteln. und Rahmenbedingungen untersucht. Dazu hat Beispielsweise benötigt ein Auto je nach Besetzung sie zwei Studien in Auftrag gegeben (siehe und Geschwindigkeit zwischen 20 und 60 m2 Fläche Kapitel 1.2, Seite 11), deren Ergebnisse und pro Person (Bus: 3,1 bis 9,4 m 2 , Fahrrad: 3,0 m 2 , Fuß- Schlußfolgerungen nachfolgend kurz skizziert gänger: 0,8 m 2 , U-Bahn (20 km/h): 1,5 bis 4,6 m 2). 121 ) werden. Eine Bewertung der Studie durch die Hinzu kommen die benötigten Parkplätze. Bei einem Enquete-Kommission wurde bislang nicht vorge- anhaltenden dispersen Verstädterungsprozeß und nommen. Eine ausführliche Darstellung ist für der damit verbundenen weiteren Zunahme der Mo- den Schlußbericht vorgesehen. torisierung beziehungsweise eines Verkehrssystems, in dem noch immer das Auto dominiert, dürfte die In- anspruchnahme zusätzlicher Flächen für Verkehr Stoffströme und Kosten in den Bereichen Bauen weiter anhalten. und Wohnen In dem Bereich „Bauen und Wohnen" fallen

19) Vgl. BMBau (1996b) 42 große Teile der von Menschen verursachten 120) Vgl. BfLR (1996 c) Stoffströme an (ca. ein Viertel der mineralischen 121) Vgl. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Stoffflüsse). Die Problematik dieser großen Stoff- Umwelt" (1994) 290 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

ströme und Materialmengen spiegelt sich in der den jährlichen Stoffumsatz mit 300 Mio. Tonnen Tatsache wider, daß fast die Hälfte des Abfallauf- für das Jahr 1991 einen doppelt so hohen Wert. kommens dem Bausektor zuzurechnen ist (der- Für die (Netto-)Abfallmenge wird demgegenüber zeit rund 40%). Die gegenwärtig jährlich anfal- für dasselbe Jahr ein um den Faktor 2 kleinerer lenden Abfallmengen sind erheblich geringer als Wert angegeben (ca. 30 Mio. Tonnen). Aus die Materialmengen, die neu im Bauwesen Ver- methodischen Gründen konnten beim top-down- wendung finden. Die Relation von Stoffinput zu Ansatz keine vergleichbaren Daten für den Be- Stoffoutput liegt je nach Rechenmodell zwischen reich Sondermüll angegeben werden. Die auf- 2 :1 und 10:1. getretenen Diskrepanzen zwischen dem makro- ökonomischen Ansatz und dem Gebäudebe- Neben den großen Baustoffströmen bereiten standsmodell konnten im Rahmen der Studie zunehmend eher kleinere Massenströme von nur ansatzweise geklärt werden. Teilweise sind einzelnen Komponenten und Beimengungen sie z. B. auf unterschiedliche Systemgrenzen, zu Baustoffen Probleme. Einige sind toxisch ganz wesentlich aber auf Lücken der statisti- (Arbeitsschutzproblematik, Grundwassergefähr- schen Erfassung der Stoffumsätze zurückzufüh- dung, etc.) und manche wirken sich negativ auf ren. die Innenraumluft aus. Diese Entwicklung ist erst wenige Jahrzehnte alt und deshalb als Entsor- Nur knapp über 1 % des vorhandenen Gebäu- gungsproblem bislang nur in geringem Umfang debestandes entsteht, nach Aussage der Studien- deutlich geworden. Die heute verbauten Stoffe nehmer, jährlich neu. Von dem Baubestand, der werden in der Regel erst in 30 bis 100 Jahren zum im Jahr 2020 genutzt werden wird, existieren Bauabfall. Der Einsatz einer Vielzahl von zum gegenwärtig also schon rund 75 %. Jede Politik Teil neuen Bauhilfsstoffen bei Neubau und Sa- eines umfassenden Stoffstrom- und Energiema- nierung sowie der Trend zum Gebrauch von nagements im Bauwesen wird ihre entscheiden- Verbundmaterialien führen angesichts wachsen- den Einflußgrößen daher in einem intelligenten der Stoffströme zu erheblichen Schwierigkeiten Management des Bestandes suchen. bei einem späteren Recycling des Bauschutts. Eine Politik der Nachhaltigkeit für den Bau- Mit Hilfe des im Rahmen der Studie entwickelten bereich schließt neben der ökonomischen und dynamischen Modells des deutschen Gebäude- ökologischen auch eine kulturelle und soziale 122 bestands (bottom-up-Ansatz )) wurden fol- Dimension der Verantwortung für die Zukunft gende Trends für die Stoffumsätze im Hochbau ein. Eine solche Politik würde beispielsweise ermittelt: fordern:

Die jährlichen Stoffumsätze steigen von gegen- • daß die vorhandenen Baukonstruktionen mög- wärtig 140 Mio. Tonnen auf 150 Mio. Tonnen im lichst lange auf einem hohen Niveau weiter- Jahre 2000, um dann in den Jahren 2011-2020 genutzt werden, auf 90 Mio. Tonnen jährlich zurückzugehen. Die Abfallmengen werden von heute 70 Mio. Tonnen • daß der existierende Gebäudebestand effizient pro Jahr auf über 90 Mio. Tonnen im Jahre 2020 gepflegt und genutzt wird, steigen. Dies bedeutet, daß in der zweiten Deka- • daß der Energiebedarf für die Produktion und de des nächsten Jahrhunderts Stoffoutput und Nutzung von Gebäuden weiter gesenkt wird, Stoffinput ins Gleichgewicht kommen könnten. Das Aufkommen an Sondermüll aus Bauschutt • daß möglichst wenig neu gebaut wird, wird sich stetig erhöhen, von 3,3 Mio. Tonnen im Jahre 1991 auf 5,6 Mio. Tonnen im Jahre 2020. • daß möglichst wenige bisher unbebaute Flä- Damit wächst das Problem des Bauschuttrecyc- chen neu bebaut werden, lings in quantitativer und qualitativer Hinsicht. • daß ungiftige, trennbare und weiterverwend- Im Gegensatz zum bottom-up-Ansatz ermittelten bare Baustoffe entwickelt und eingesetzt wer- die Studiennehmer unter Verwendung von amtli- den, chen bzw. allgemein zugänglichen Statistiken (makro-ökonomischer top-down-Ansatz 123)) für • daß neue Baukonstruktionen sowohl dauer- haft, reparaturfreudig, pflegefreundlich und energiesparend im Betrieb geplant werden, 122) Methodischer Ansatz des Instituts für Indust rielle Baupro- duktion der Universität Karlsruhe (ifib): Berechnung von • daß bei Baumaßnahmen ein hoher Anteil von Stoff- und Energieströmen sowie Kosten von Gebäuden bereits existierenden Baustoffen wiederver- durch detaillierte Prozeßkettenanalyse (Vorstufen-Energie- bereitstellung, Baustoffherstellung, Bau- und Erneuerungs- wendet wird, prozesse, Nutzungsprozesse, Entsorgungsprozesse) unter Zuhilfenahme eines dynamischen Modells des deutschen • daß kulturelle Kapitalien in ihrer Bedeutung Gebäudebestandes. für ganzheitliche Werterhaltungen erkannt 123) Methodischer Ansatz des Instituts für Technikfolgenab- und berücksichtigt werden und schätzung und Systemtechnik im Forschungszentrum Karlsruhe (ITAS): Berechnung von Stoff- und Energieströ- • daß der arbeitsmarktpolitisch/soziale Effekt men sowie Emissionen für einzelne Wirtschaftbereiche/ Teilbereiche aus makroökonomischen Daten mit Hilfe der eines Ersatzes von Ressourcen durch Arbeit im Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes und Rahmen einer Bestandspflege erkannt und Emissionskoeffizienten des Umweltbundesamtes (Emitten- genutzt wird.) tenstruktur). Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Baumaterialien und gebäudebedingte Im Gegensatz zur Außenluft oder zum Trinkwas- Erkrankungen ser existieren bislang keine bundeseinheitlichen Beurteilungswerte für die Qualität der Innen- Die Studie „Baumaterialien und gebäudebe- raumluft. Immissionsbezogene Richt- oder gar dingte Erkrankungen" behandelt die Schad- Grenzwerte liegen nur für eine sehr begrenzte stoffemissionen von Baumaterialien und -chemi- Anzahl von Stoffen (z. B. Formaldehyd, PCB, kalien als Teilsegment der Stoffstromanalyse. Asbestfasern) vor, und es fehlen bindende Ver- Auf der Basis derzeit verfügbarer Daten über pflichtungen zur Reduzierung von Schadstoffge- stoffliche Belastungen, Beeinträchtigungen der halten in Baumaterialien und -chemikalien. Eine menschlichen Gesundheit sowie Daten über die Reduzierung auf freiwilliger Basis wird durch das Zusammensetzung von Baumaterialien und -che- Fehlen entsprechender Kennzeichnungsvor- mikalien und ihren Einsatz werden Vorschläge schriften behindert. Im Hinblick auf einen vor- zur Vermeidung und Substitution besonders pro- beugenden Gesundheitsschutz wird die rechtli- blematischer Produkte gemacht und mögliche che Situation insgesamt als unbefriedigend be- Maßnahmen bei rechtlichen Regelungen aufge- wertet. zeigt. Da für den Umgang mit Bauindustrieabfällen In bezug auf den Schutz von Arbeitnehmern vor keine Verwertungs- und Entsorgungsrichtlinien Schadstoffen in der Luft am Arbeitsplatz stellt die existieren, sieht die Studie die langfristig effek- Studie, zumindest was die Regelungsdichte be- tivsten Maßnahmen zum einen in der Entfrach- trifft, keine Mängel fest. Probleme liegen hier vor tung neuer Baumaterialien von Schadstoffen allem in der teilweise unzureichenden Umset- bzw. in der Reduzierung des Einsatzes problema- zung der Bestimmungen (Vollzugsdefizite). So tischer Bauchemikalien. Zum anderen sollte eine schreiben z. B. die Regeln für Gefahrstoffe zur Verwertung auf möglichst hohem Niveau an- Vermeidung von Zementekzemen (sogenannten gestrebt werden. Bei der Wiederverwendung „Maurerkrätze") die Verwendung von chromat- bzw. -verwertung von Baustoffen für identische armen Zementqualitäten vor; diese gab es bis Zwecke ist eine Kontamination mit „fremden" Ende 1996 nur aus ausländischer Produktion. Stoffen möglichst zu vermeiden. Auffällig gering ausgeprägt sind dagegen die Um gesundheitliche Gefahren für Bauarbeitneh- Schutzbestimmungen für die Bewohner von Ge- mer und Nutzer von Gebäuden sicher auszu- bäuden. Beispielsweise erfordern die hier gülti- schließen, muß zu recycelndes Baumaterial auf gen Regelungen für Produkthaftung stets den mögliche Kontaminationen geprüft werden. Nachweis eines Ursachenzusammenhangs, der u. a. aufgrund von unspezifischen Gesundheits- beschwerden und mangelnden toxikologischen Vor den beschriebenen Hintergründen stellt sich die Erkenntnissen meist nicht geführt werden kann. Frage, ob die weiterhin anzustrebende ausreichende In Folge des Sondergutachtens „Luftverunreini- Versorgung mit Wohnraum mit einem weiteren Neu- gungen in Innenräumen" des Rates von Sach- bau und einer weiteren Ausweitung der Siedlungs- verständigen für Umweltfragen 124 ) wurde im Jahr flächen im bisherigen Maße zwangsläufig verbunden 1992 von einer interministeriellen Arbeitsgruppe sein muß, und eine Verschärfung der damit verbun- eine „Konzeption der Bundesregierung zur Ver- denen ökologischen Probleme unabwendbar ist? Die besserung der Luftqualität in Innenräumen" 125) künftige Entwicklung der Siedlungsstrukturen muß vorgelegt. Darin werden die Problematik der ökologische Aspekte mit den Bedürfnissen nach Luftverunreinigungen in Innenräumen für die Wohnraum in Einklang bringen. Nutzer ausführlich beschrieben und politische Nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung ist oft Instrumente zur Verbesserung der Situation auf- mit Zielkonflikten verbunden, weil die umweltpoli- gezeigt. Die Konzeption der Bundesregierung tisch unerwünschte Nutzung für die Nutzer in der listet eine Vielzahl von staatlichen und privaten Regel mit individuellen Vorteilen verbunden ist. Dies Forschungsanstrengungen und Maßnahmen zur gilt auch . und besonders ausgeprägt für die Flächen- Ermittlung und Vermeidung von Schadstoffquel- nutzung und damit für einen zentralen Bereich des len auf. Als potentielle Schadstoffquellen in Wohnens. Der Nutzer von Fläche zahlt nicht unbe- Innenräumen kommen neben Baumaterialien und dingt einen an der Endlichkeit der Ressource Fläche -chemikalien Tabakrauch, offene Feuerstellen, orientierten Preis. „Die Wünsche der Eigentümer Reinigungs- und Pflegeartikel, Möbel und Ein- und der Mieter, preiswert große Flächen nutzen zu richtungsgegenstände, Heimwerker-, Hobby- können, konkurrieren mit den Zielen einer nachhalti- und Bastelartikel, Mikroorganismen und Aller- gen Entwicklung, mit der knappen Ressource Fläche gene, raumlufttechnische Anlagen und der Bau- sparsam und schonend umzugehen. grund in Frage. Neben äußeren Parametern, wie z. B. den raumklimatischen Bedingungen oder Dieser Konflikt schlägt sich auch politisch nieder: den Lüftungsbedingungen, sind die Emissions- Aus Sicht der Wohnungsbaupolitik ist eine verstärkte rate und die Fläche des Schadstoffemittenten von Ausweisung von Bauland geboten, aus Sicht der Um- entscheidender Bedeutung. weltpolitik ist dagegen eine restriktivere Praxis er- wünscht. Versuche, flächensparende und boden- schonende Kriterien als Standard für Bauen - insbe- 124)Vgl. SRU (1987 b) 125)Vgl. BMU (1992) sondere bei Siedlungserweiterungen - zu etablieren, Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode können diesen Konflikt abmildern; aufheben können Wohnungsmärkten noch zum Zuge kommen? Wel- sie ihn wohl nicht. 126) chen Preis muß das Wohnen haben, um Ressourcen zu schonen und wie können Anreize zu ressourcen- Aus der Sicht einer nachhaltig zukunftsverträg- schonender Wohnweise vermittelt werden? lichen Entwicklung sind Grund und Boden, sind Flächen nicht-erneuerbare Ressourcen, mit denen Wohnungspolitische Strategien unter dem Primat besonders sparsam umzugehen ist - im Grenzfall nachhaltig zukunftsverträglicher Entwicklung kön- kann dies keine weitere Flächeninanspruchnahme nen insgesamt mit Verzichtsleistungen (zum Beispiel bedeuten. Dies stößt sich mit der traditionellen auf Wohnflächenzuwächse in bisherigem Umfang), Wohnungspolitik, die die Schaffung zusätzlichen mit höheren Wohnkosten, mit höherer Umzugsmobi- Wohnraums in der Regel mit weiterem Flächen- lität und auch mit einer Abkehr von gewohnten Mu- verbrauch verbindet. Denn aus Sicht der Wohnungs- stern im Wohnungsbau und in der Wohnungsvertei- politik ist es wünschenswert, soviel Wohnfläche wie lung verbunden sein. Außerdem spielen emotionale notwendig, so preiswert wie möglich zur Verfügung Bindungen an Nachbarschaften und Quartiere sowie zu stellen. aus der Eigentumsbindung resultierende Behar- rungstendenzen eine große Rolle. Schließlich ist ein Eine Strategie, die eine Reduzierung der Flächenin- gewisses Maß an Autonomie im Wohnbereich für anspruchnahme für Wohnzwecke erreichen möchte viele Haushalte noch gar nicht oder eben erst er- und dabei am Wohnen - ohne Gewerbe- und Ver- reicht, so daß neue Eingriffe in den Besitzstand ent- kehrsflächen zu vergessen - ansetzt, kann dies errei- sprechend kritisch betrachtet werden. chen, wenn - unter Beachtung der Grenzen - die Bebauungsdichte erhöht und/oder die Wohnungs- größe geringer bzw. das individue lle Anspruchs- Ganz besonders deutlich werden die hohen Anforde- wachstum für Wohnen, Arbeiten und Verkehr deut- rungen an eine Wohnungspolitik im Rahmen nach- lich reduziert wird. Würde die Flächennutzung und/ haltig zukunftsverträglicher Entwicklung in Regio- oder die Wohnfläche verteuert, so würden die poten- nen mit einer anhaltend hohen Wohnungsnachfrage. tiellen Nutzer unter dem Druck des Preises vermut- Sie erfordert Begrenzungen des Flächenverbrauchs lich versuchen, die Fläche entweder intensiver zu im Wohnungsbau gerade do rt , wo eigentlich mehr nutzen oder aber ihre Nachfrage nach Wohnraum Wohnungen benötigt werden. Dies führt zu Überle- gungen zur Umverteilung von Wohnraum. Wider- zurückzunehmen. sprüchliche Ziele wie Umverteilung, Begrenzung, Die sozialen Konflikte dieser Strategie liegen auf der aber auch Zuwachs sollen gleichzeitig erreicht wer- Hand. Eine Erhöhung der Flächenpreise schlägt u. U. den. auf die Wohnungsmieten durch. Gerade für Haus- halte mit geringen Einkommen kann dies zu einer er- Die Durchsetzung von Zielen nachhaltiger Entwick- heblichen Belastung führen. Insofern besteht ein lung unter anderem über eine effiziente Nutzung des Spannungsverhältnis zu dem wohnungs- und sozial- Wohnungsbestandes kann nur über funktionsfähige politischen Ziel, angemessenen Wohnraum preiswert Wohnungsmärkte und für den Fall einer Intervention bereitzustellen. Viele Haushalte müßten einen größe- mit wohnungsmarktkompatiblen Instrumenten ge- ren Teil ihres Einkommens für Wohnzwecke aufwen- schehen, wenn nicht in dirigistischer Weise Wohnun- den. Um die gegenwärtige Versorgungslage bedürf- gen umverteilt werden sollen. tiger Haushalte zu erhalten, wäre staatliche Unter- stützung in erhöhtem Umfang notwendig; das Wohn- Seit jeher hat der Staat vor allem im Interesse finan- geld müßte erhöht werden. ziell Schlechtergestellter in die Wohnraumversor- gung eingegriffen. Der Wohnungsmarkt ist kein Weiterhin gilt es zu verhindern, daß eine isolierte Markt wie jeder andere. Eine Besonderheit dieses Verteuerung von Bauland und Wohnflächen lediglich Marktes ist, daß das auf dem Wohnungsmarkt ge- zu räumlichen Verschiebungen führt. Werden durch handelte Gut immobil ist. Hieraus ergeben sich Be- gestiegene Preise die Nutzungen ins „preiswerte" sonderheiten in der Finanzierung: den u. a. über die Umland verdrängt, wäre dies ökologisch vermutlich Immobilie gesicherten Kredit. Die Nutzungskosten kontraproduktiv. Entsprechende Lenkungsinstru- des Gutes enthalten darum ggf. auch die Kosten ei- mente müßten regional differenzie rt ausgestaltet ner langgestreckten Finanzierung. Das existenzielle werden. Gut Wohnung beansprucht einen erheblichen Teil der Aufwendungen für die laufende Lebenshaltung. Nach den Prognosen der BfLR werden weiterhin zu- sätzliche Wohnungen benötigt. Dieser Zuwachs an Wohnungen wird mit Ressourcenverbrauch verbun- den sein. Gleiches gilt für Gewerbeflächen. Daraus Sondervotum des Kommissionsmitglieds ergeben sich die Fragen: Bestehen zukünftig realisti- Prof. Dr. Jürgen Rochlitz: sche Chancen, eine ökologisch ausgerichtete und gleichzeitig auch angemessene Wohnungsversor- Wohngeld kann nur eine kurzfristige und zusätzliche Strate- gung mit gewissen Mindeststandards zu erreichen? gie sein. Unter der Bedingung langfristiger Bindung ist der Können die Anforderungen nachhaltig zukunftsver- Objektförderung Vorrang zu geben vor der Subjektförde- träglicher Entwicklung im Zuge der Angebotsaus- rung. Mit der Objektförderung werden Werte geschaffen, weitung auf zukünftig weniger stark regulierten die der Staat langfristig für Mieter nutzen kann. Wohngeld muß so nicht ständig Mietsteigerungen angepaßt werden, und es können langfristig Haushaltsmittel eingespart wer- 126) BfLR (1996 e) 95 den. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Abbildung 4 am wertvollsten in der Hand der „Hochbesteuerten", am wenigsten wertvoll in der Hand derjenigen, die wegen ihres niedrigen Einkommens kaum oder gar Zusammenhang zwischen Siedlungsflächen keine Steuern zahlen. Über den Umfang der steuer- bedarf pro Einwohner bei unterschiedlicher lich bedingten Vermögensbildung gibt es nur unzu- Bebauungsdichte, ausgedrückt in Geschoß längliches statistisches Material. Die staatliche För- flächenzahl (GFZ) unter Berücksichtigung der derung des Wohnungsbaus (Mietwohnungs- und Wohnfolgeeinrichtungen Eigenheimbau) durch direkte und indirekte Förde- rungsmaßnahmen liegt nach Schätzungen der „Expertenkommission Wohnungspolitik" bei einem Finanzvolumen von geschätzten 30 bis 40 Mrd. Mark jährlich. 128 ) Die gesichertsten Zahlen gibt es auf der Ausgabenseite, hier insbesondere bei der Förderung von Wohneigentum. Für diese direkten Subventio- nen wird von Seiten des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ein Betrag von 17,3 Mrd. DM angesetzt. 129) Die steuerlichen In- strumente, vor allem die Abschreibungsregelungen für den Neubau, führen zu einer Entlastung von In- vestoren und Mietern. Diese Regelungen können aber nur im Zusammenhang mit anderen Regelun- gen des Wohnungsmarktes, zum Beispiel dem Miet- recht, richtig bewertet werden. Hinsichtlich der Wir- kungen direkter und indirekter Wohnungsbauförde- rung gilt jedoch nach wie vor, daß eine zielgenaue - Entlastung sozial bedürftiger Schichten am besten mit einer direkten Förderung erreicht werden kann. Quelle : Städtebaulicher Bericht der Bundesregierung „Nach- Schätzungsweise werden etwa zwei Drittel der ge- haltige Stadtentwicklung", 1996, BT-Drucksache 13/ samten Wohnungsbauförderung in Deutschland über 5490, 81 Steuervergünstigungen ausgeschüttet. Nach Berech- Das Bedürfnisfeld Wohnen ist stärker reguliert als an- nungen des DIW stammen 90 % der bei Lohn- und dere. Die Erschließung von Bauland, die Organisation Einkommensteuer geltend gemachten Verluste aus der Kreditsicherung, die Beurkundung eines Eigen- Vermietungen und Verpachtungen. 130) Besonders tümerwechsels, die Finanzierung von Ansparvorgän- ausgeprägt war diese Entwicklung in Ostdeutsch- gen, die steuerliche Behandlung von Grundvermögen land (bis zu 50 % Sonder-AfA bis zum 31. Dezember und Baukosten, dies alles ist staatlich geregelt. Boden-, 1996). Bau- und Finanzierungskosten für das Gut Wohnung Die „Expertenkommission Wohnungspolitik" kommt sind Gegenstand der Politik. Folglich gab es durch zu dem Schluß, daß der größte Teil der steuerlichen Jahrzehnte hindurch staatliches, häufig politisch um- Förderung, die Investoren gewährt wird, anderen strittenes Bemühen um einen ausreichenden zusätzli- Marktpartnern zugute kommt. Etwa 75 % der ver- chen Wohnungsneubau. Steuerrecht und Subventio- minderten Steuerlast würden an die Mieter weiterge- nen sorgten dafür, daß Bau- und Finanzierungskosten geben und damit zu einer Abflachung des Trends bei und damit auch die Nutzungskosten „tragbar" blieben. der Mietentwicklung beitragen. Die mittelbare Wir- Die staatlichen Eingriffe haben sowohl Investoren an- kung dieses Mechanismus war eine vom Nutzer nur gelockt als auch andere verdrängt. Die früheren soge- teilweise zu bezahlende Größe von Wohnungen und nannten „institutionellen Anleger" (Versicherungen den zu ihrer Herstellung nötigen Flächen. Zu 20 % aller Art), die sich im Mietwohnungsbau engagierten, schlagen sie sich in Wertsteigerungen bei Wohn- haben sich weitgehend zurückgezogen; Bauherren- immobilien und zu 5 % in Werterhöhungen bei unbe- modelle und andere Anlageformen dominieren. Son- bautem Bauland nieder. 131 ) Die Bereitstellung relativ derabschreibungen, Verrechnung anderer Einkom- preiswerten und hochwertigen Wohnraums hat 1995 men mit Verlusten aus Vermietung und Verpachtung, zu einem nachlassenden Druck auf den Wohnungs- häufigerer Verkauf des Anlageobjektes nach unbe- markt beigetragen. Zum ersten Mal seit Mitte der steuert bleibender Wertsteigerung waren steuerrecht- achtziger Jahre kam es zu einem generellen Rück- liche Hilfsmittel beim Bau von „vermietbaren" Eigen- gang der Erst- und Wiedervertragsmieten (siehe Ta- tumswohnungen. Die „Expertenkommission Woh- belle 2). Anfang des Jahres 1996 lagen diese Mieten nungspolitik" verglich die unterschiedlichen Formen jeweils etwa 5 % unter dem Vorjahresniveau. Diese von Kapitalanlagen und fand heraus, daß die mehr- Marktentspannung trat zuerst bei den Erstbezugs- fach verkaufte Eigentumswohnung sich vor allen an- wohnungen, dann bei den frei finanzierten Wohnun- deren weit heraushob, weil sie nach jedem Verkauf wieder abgeschrieben werden kann und weil die Wertsteigerungsgewinne nicht versteuert werden. 127 ) 128) Vgl. Deutscher Bundestag (1994) 64 f 129) Vgl. Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Die wichtigsten Steuervergünstigungen für die Miet (1995) 130) Ein führender bayrischer Politiker hat unlängst laut einer wohnung, die Abschreibungserleichterungen, sind Zeitungsmeldung erklärt, der Steuerspartrieb der Deut- schen sei ausgeprägter als ihr Sexualtrieb. 127) Vgl. Deutscher Bundestag (1994) 131) Deutscher Bundestag (1994) 8106 f Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Tabelle 2 Entwicklung der Erst- und Wiedervertragsmieten in den alten Bundesländern auf der Grundlage der RDM-Statistik

Nachverdichtungspotential bei genehmigten Gebäuden im Bundesgebiet 1995

Wohngebäude Nichtwohngebäude

Geschoßfläche je m 2 Geschoßfläche je m 2 Lage der Gebäude Grundstücksfläche durch- Grundstücksfläche durch- im Baugebietstyp schnittliche schnittliche Grundstücks- Grundstücks genutzte zulässige größe in m2 genutzte zulässige größe in m 2 GFD 1 ) GFZ 2) g GFD 1 ) GFZ 2) g

Kleinsiedlungsgebiete 0,251 0,4 744 - 0,4 2 350 Reine Wohngebiete 0,402 1,2 644 0,265 1,2 2 308 Allgemeine Wohngebiete 0,392 1,2 733 0,427 1,2 2 109 Besondere Wohngebiete 0,796 1,6 746 0,477 1,6 2 120 Dorfgebiete 0,275 1,2 854 0,233 1,2 2 119 Mischgebiete 0,483 1,2 910 0,381 1,2 3 147 Kerngebiete 0,868 3,0 1 309 1,194 3,0 3 455 Gewerbegebiete 0,295 3,0 1 309 1,194 3,0 3 455 Industriegebiete 0,355 2,4 1 074 0,279 2,4 7 170- Sonstige Sondergebiete 0,440 2,4 2 644 0,524 2,4 4 363

1) Geschoßflächendichte (GFD) der genehmigten Gebäude nach „Bautätigkeit und Wohnungen", Fachserie 5, Reihe 1, Bautätig- keit 1995 alte Länder ohne Baye rn 2) Geschoßflächenzahl (GFZ) nach § 17 Abs. 1 BauNVO, gültige Obergrenze des Maßes baulicher Nutzung Quelle: Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung, 1996, 28, BT-Drucksache 13/4254.

gen und zuletzt bei den Altbauten auf. Von dieser verzögerte Reaktion potentieller Investoren auf eine Entwicklung profitieren somit alle Bevölkerungs- akute Nachfragesituation bringt die Wohnungswirt- schichten, insbesondere auch sozial schwache Grup- schaft selbst zyklische Bewegungen hervor. Die sich pen. Die jährlichen Mietsteigerungen liegen aber aus Konjunkturgründen mindernde Nachfrage wur- nach wie vor über den Steigerungen der allgemeinen de in der Politik gelegentlich als Marktsättigung fehl- Lebenshaltungskosten. Ob die Entspannung auf dem gedeutet und mit Änderung der Abschreibungssätze Markt anhält, und ob sie sich - was bisher nicht ge- begleitet. Der damit verstärkte konjunkturelle Ab- schehen ist - im vermieteten Wohnungsbestand nie- schwung der Bauwirtschaft führte zum Kapazitätsab- derschlägt, bleibt abzuwarten. bau. Heftige zyklische Bewegungen auf den Woh- nungsmärkten sorgten in der Vergangenheit häufig Steuerbegünstigte Vermögensbildung mittels Ver- für überzogene steuernde Eingriffe der Politik. minderung der Bemessungsgrundlage des zu be- steuernden Einkommens durch Anrechnung von Die mangelnde Verstetigung politischer Eingriffe hat Verlusten aus Vermietung und Verpachtung führten vermutlich bewirkt, daß die unauffällig wirksamen in Westdeutschland zu Wohnstandards, die in der steuerlichen Mechanismen keine Beachtung erhiel- Welt bei Betrachtung des Wohnungsdurchschnitts in ten und ihre Verzerrungswirkung unbemerkt wach- solcher Breite „Spitze" wurden. sen konnte. Überraschend am Mietwohnungsmarkt ist, daß die steuerlich geltend gemachten Verluste Herstellungs- und Finanzierungskosten wurden zu der Vermieter fast zwei Drittel der Umsätze ausma- erheblichen Teilen weder von den Eigentümern noch chen. 132) 133) Diese Beobachtung steht allerdings im von den Nutzern neu errichteter Wohnungen getra- Einklang mit den oben referierten steuerlichen Be- gen, sondern von der Gesamtheit der Steuerzahler günstigungen von unterschiedlichen Kapitalanlagen, und damit auch von denjenigen, die nicht auf gleiche wie sie von der Expertenkommission berichtet wur- Weise ihre Steuerlast vermindert haben. den (ohne große Aufmerksamkeit zu erregen). Da die Nachfrage und das Angebot von Wohnungen durch die erforderlichen Zeiträume beim Bau von Die Wohnungsnachfrage (hinsichtlich Größe und Wohnungen zeitlich auseinanderfallen, tritt auch hier Menge) ist mit der Einkommensentwicklung und der das als „Schweinezyklus" bezeichnete Phänomen Veränderung der Wohnflächenansprüche verknüpft. auf. Da politische Entscheidungen häufig länger dau- erten, verzerrte der Zeitbedarf für politisches Han- 132) Stimpel (1990) 60 133) Das Gesamtvolumen der Umsätze betrug rund 100 Mrd. deln noch die Anpassungszeiträume, in denen sich DM; die gegenüber anderen Einkommen geltend gemach- Investoren auf Änderungen einstellten. Durch die ten Verluste lagen bei rund 66 Mrd. DM Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Staatliche Eingriffe erfolgen hier, weil der Staat das Das Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen Ziel verfolgt, Wohnraum für möglichst viele Men- Entwicklung kann nur dann Realität werden, wenn schen zu schaffen, und er mit den Ergebnissen, die die Idee und ihre praktischen Konsequenzen poli- sich auf dem freien Markt ergeben würden, nicht zu- tisch konsensfähig sind. frieden ist. Sozialer Wohnungsbau, direkte und indi- Der Strukturwandel, der die Gesellschaft in Richtung rekte Subventionen, steuerliche Instrumente und ge- einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung setzlicher Kündigungsschutz seien an dieser Stelle bewegen soll, muß sozial und ökonomisch verträglich nur als Stichworte genannt (siehe Kapitel 5.6). Die organisiert werden. Er muß als integrativer Prozeß Wahl der Mittel und deren Erfolg ist angesichts des begriffen werden. Dabei darf die Einbeziehung so- ungedeckten Bedarfs an günstigem Wohnraum um- zialer und ökonomischer Komponenten nicht als rei- stritten. Eine Wohnungsnot im eigentlichen Sinne be- ne Sozialtechnologie verstanden werden. Es muß ver- steht nicht, aber es gibt ein regionales und soziales sucht werden, mit den betroffenen Akteuren gemein- Problem der Verteilung von Wohnraum, das durch sam jenen Prozeß zu organisieren, der auf der einen Um- oder Neubaumaßnahmen gelöst werden kann. Seite ökologisch notwendig ist und auf der anderen Der Wohnbausektor hat eine hohe volkswirtschaftli- Seite aber auch von den einzelnen Akteuren mitge- che Bedeutung. Um das Gut „Wohnen" existiert ein tragen werden kann. großer, umsatzstarker Markt. Die hohe konjunktu- relle Bedeutung einerseits und die starke Beeinflus- Dieser Prozeß wird konfliktreich sein, weil die hier- sung durch staatliche Eingriffe andererseits machen mit einhergehenden Veränderungen tiefe Einschnitte - auch ohne die bislang zu wenig beachteten ökolo- mit sich bringen. Es dürfen aber nicht nur die Kon- gischen Parameter - den Wohnungbau zu einem poli- flikte, es müssen auch die Potentiale gesehen wer- tisch heftig umstrittenen Bereich. den, die auf einem Weg zu einer nachhaltig zukunfts- verträglichen Entwicklung geweckt werden können. Der Anteil der Bauinvestitionen am Bruttoinlandpro- Die Integration der ökonomischen, ökologischen und dukt (BIP) betrug 12 % im Jahr 1994. Auf Wohnungs- sozialen Ziele muß erreicht werden, wozu auch eine bauinvestitionen fielen 7 % des BIP. Ein wesentlicher Offenlegung der aus den verschiedenen Zielen her- Teil der Wohnungsbauinvestitionen floß in die neuen rührenden Konflikte gehört. Bundesländer. Im Vergleich zum Jahr zuvor stiegen dort die Investitionen um 44 %, in den alten Ländern Die aus Sicht der nachhaltig zukunftsverträglichen um 11 %. 134 ) Die Leistungen des Baugewerbes für Entwicklung notwendigen Grenzziehungen - und die inländische Bauproduktion sowie Beiträge ande- die daraus resultierenden Folgen - werden mit star- rer Wirtschaftsbereiche zur Erstellung und Instand- ken privaten Interessen und Ansprüchen kollidieren. haltung von Bauwerken, einschließlich militärischer Der Wohlstand der Industriegesellschaften wird Bauwerke, wird vom Deutschen Institut für Wi rt mittlerweile durch die Verknappung der Umweltres- -schaftsforschung auf 571 Mrd. DM geschätzt. Davon sourcen bedroht. Der Versuch, diese Ressourcen in betrugen die Investitionen für neu errichtete Gebäu- der Substanz zu erhalten, wird dann aber leicht mit de 472 Mrd. DM. Hiervon entfielen wiederum 52 % etablierten Wohlstandsmodellen und Konsummu- auf den Wohnungsbaubereich. 135 ) Laut Handwerks- stern in Konflikt geraten. Gerade die Gefahr einer berichterstattung waren 1994 im früheren Bundesge- Aufgabe mühsam erworbener, oft als Privileg ange- biet 734.000 Arbeitnehmer im Ausbaugewerbe be- sehener Konsummöglichkeiten - immer größere schäftigt. Im Bauhauptgewerbe waren es insgesamt Wohnungen, schnellere Autos, Urlaubsflugreisen 1 534 000 Arbeitnehmer im gesamten Bundesge- über wachsende Entfernungen - wird auf heftigen biet. 136) Widerstand stoßen. Dennoch muß der Versuchung widerstanden werden, dera rtige Konflikte herunter- Die große wirtschaftliche Bedeutung des Wohnungs- zuspielen. marktes und die Finanznöte der öffentlichen Hand machen es notwendig, den Einsatz der staatlichen Wenn die Preise der Güter steigen, die früher unter Mittel und Instrumente aus sozialer, ökonomischer Inkaufnahme hoher Umweltbelastungen produziert und ökologischer Sicht effektiver zu gestalten. Ein er- wurden, wird dies einkommensschwache Haushalte ster Schritt in die richtige Richtung ist die Neugestal- stärker treffen als andere; die sozialpolitische Unver- tung der Eigentumsförderung. träglichkeit liegt auf der Hand. Wenn als Konsequenz nachhaltig zukunftsverträglicher Entwicklung gefor- dert wird, weitere Flächeninanspruchnahme für Siedlungserweiterungen zu begrenzen und gleich- 4.3 Ziele der Enquete-Kommission zeitig aus wohnungspolitischer Sicht eine forcierte im Bereich „Bauen und Wohnen" Baulandausweisung als wünschenswert gilt, ist der Konflikt offensichtlich. Die Diskussion über „sustainable development" nimmt ihren Ausgangspunkt in einer Diskussion Die angestrebte Entwicklung wird deutlich spürbare über ökologische Ziele. Dabei wird besonders zu be- (Verteilungs-)Wirkungen für die p rivaten Haushalte achten sein, daß eine Strategie nachhaltig zukunfts- nach sich ziehen. Nicht nur Preise und Verfügbarkeit verträglicher Entwicklung Bezüge sowohl zu sozialen von Gütern können betroffen sein, sondern auch - re- als auch zu ökonomischen Belangen herstellen muß. gional und sektoral unterschiedlich - Einkommen und Arbeitsplätze. Sollten einschneidende Verände- rungen auftreten, besteht die Gefahr, daß der Prozeß 134) Vgl. BMBau (1995) 90 135) Vgl. BMBau (1995) 91 des Wandels blockiert wird. Hier sind kluge politi- 136) Vgl. BMBau (1995) 93 sche Maßnahmen erforderlich. Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Eine wichtige Voraussetzung für die politische Kon- Ausgehend von ökologischen Belastbarkeiten hat die sensfähigkeit dieses Prozesses sind kooperative und Enquete-Kommission zunächst für den Bereich „Bö- flexible Planungs- und Entscheidungsverfahren - mit den" Umweltqualitäts- und Umwelthandlungsziele gleichberechtigten und gleichgewichtigen Koopera- aufgestellt (siehe Kapitel 3, Seite 21). Gemäß den tionspartnern. Solche Verfahren stellen eine wichtige oben geschilderten Zusammenhängen müssen im Ressource dar, die auf dem Weg in die Nachhaltigkeit Sinne einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- dringend aktiviert werden muß. So kann geklärt wer- wicklung die Konflikte zwischen ökologischen, öko- den, unter welchen sozialen und ökonomischen Be- nomischen und sozialen Notwendigkeiten benannt, dingungen die einzelnen mehr als nur Verständnis gegebene Rahmenbedingungen untersucht und Kom- und Akzeptanz für eine nachhaltig zukunftsverträg- promißlösungen gefunden werden. liche Entwicklung aufbringen, und unter welchen Bedingungen sie bereit sind, ihre Lebensgewohnhei- Die Enquete-Kommission hat - wie bereits anfangs ten entsprechend zu ändern. dargestellt - im Bereich „Bauen und Wohnen" ver- sucht, den methodischen Prozeß von der Formulie- Im Sinne der nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- rung von Zielen bis zur Ableitung von Instrumenten wicklung sind die zu berücksichtigenden ökologi- an einem Beispiel zu prüfen (Umweltqualitäts- und schen, ökonomischen und sozialen Interessen - ideal- -Umwelthandlungsziele für den Bereich Siedlungs typisch betrachtet - zunächst einmal gleichrangig. Es und Verkehrsfläche siehe Kapitel 3, Seite 28). hat sich jedoch gezeigt, daß die ökologischen Interes- Die einzuleitenden Veränderungen sollten für alle sen bisher nicht automatisch mit berücksichtigt wur- beteiligten Akteuren tragbar sein und sich an dem den. auf Seite 55 geschilderten übergeordneten Zieldrei- Betrachtet man Nachhaltigkeit von der ökologischen eck orientieren. Die Kommission sieht gute Chancen, Seite, so gilt es, so zu handeln, daß der „ökologische diese Ziele im Sinne einer Optimierung der drei Di- Kapitalstock" nicht gefährdet wird. Da die Erhaltung mensionen zu erreichen. Die strikte Trennung von des „ökologischen Kapitalstocks " gleichzeitig eine Arbeit und Wohnen, die als zunächst sinnvolle Kon- Erhaltung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen sequenz rauchender Schlote und lärmender Fabriken bedeutet, würden so auch ökonomische und soziale eingeführt wurde, hat in Verbindung mit zunehmen- Ziele mit berücksichtigt. der Mobilität zu einer früher nie gekannten Ausdeh- nung der Siedlungsflächen und einer großen Flä- Wendet man das Leitbild der nachhaltig zukunftsver- cheninanspruchnahme für den Verkehr geführt. An- träglichen Entwicklung auf den Flächenverbrauch gesichts des Wandels der Industriegesellschaft und an, so gilt es auch hier, in Zukunft die Gewichtung der Minderung der Emissionen aus der Indust rie ökologischer Interessen - neben den bisher berück- können und müssen Arbeiten, Wohnen und Erholung sichtigten ökonomischen und sozialen - sicherzustel- wieder soweit wie möglich zusammengeführt wer- len. Dies bringt im Sinne der nachhaltig zukunftsver- den. träglichen Entwicklung langfristig auch ökonomi- sche und soziale Vorteile. Deutschland ist geprägt durch die dezentrale Kon- zentration von Siedlungen, was zu einer abwechs- Wohnen ist ein grundlegendes Bedürfnis des Men- lungsreichen, lebendigen Stadtlandschaft geführt schen. Bauen und Wohnen belasten immer die Um- hat. Angesichts der ökologischen Erfordernisse, der welt und die natürlichen Lebensgrundlagen. Bauen Finanzknappheit der öffentlichen Hand und der Tat- ohne Umweltbelastungen gibt es ebensowenig wie sache, daß im Sinne der Richtlinien für den sozialen das umweltfreundliche Auto. Nachhaltig zukunfts- Wohnungsbau eigentlich genügend Wohnraum exi- verträgliche Entwicklung bedeutet für das Bedürfnis- stiert, spricht sich die Enquete-Kommission für fol- feld „Bauen und Wohnen" und für die Siedlungsent- gendes Konzept aus: wicklung, daß zwischen dem Bedarf an Wohnungen • Vorrang der Bestandspolitik und einer flexiblen und Arbeitsplätzen, dem Wunsch nach Flächen für Nutzung von Wohnraum vor der Neubaupolitik, Freizeit und Erholung und dem Erhalt der natürli- chen Ressourcen Kompromisse zu schließen sind. Im • Vorrang der Stadterneuerung vor der Stadterwei- Bereich der Bauwirtschaft wird es zum Beispiel terung, Strukturprobleme bei Unternehmen geben, die in- • Vorrang der Sanierung von Industriebrachen vor tensiv die Ressource Umwelt genutzt bzw. übernutzt dem Bau auf der grünen Wiese, haben (stoffgewinnende Bauwirtschaft, Kies-, Sand- abbau etc.). Allerdings wird der notwendige Struk- • Vorrang der Energieeinsparung im Wohnungs- turwandel auch Kreativität freisetzen und damit neue bestand vor dem Bau neuer Niedrigstenergie- Chancen im Rahmen des ressourcenschonenden Ma- gebäude. nagements von Stoffströmen bieten. Dies bedeutet nicht, daß auf Neubau - insbesondere Vor dem Hintergund der angesprochenen Problema- bei Verdichtungsmaßnahmen - verzichtet werden tik schlägt die Kommission zur Optimierung der öko- muß. Politisch gefordert ist eine Strategie der Gegen- logischen, der ökonomischen und der sozialen Di- steuerung in Richtung „nachhaltige Siedlung". Die mension des Leitbildes der nachhaltig zukunftsver- Voraussetzungen sind gut, nicht nur die ökologische träglichen Entwicklung ein übergeordnetes Zieldrei- Dimension des Städtebaus und der Stadtentwicklung eck vor. Jeder Winkel des Dreiecks ist durch jeweils erheblich zu verbessern, sondern auch die öffentliche eine der Dimensionen besetzt, die dann wiederum Hand zu entlasten und mittelfristig eine sozial ausge- aus Zielen eines Bereiches besteht. wogene Wohnungsversorgung zu erreichen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Abbildung 5

Ausgewählte Zieldimensionen für den Bereich "Bauen und Wohnen"

Soziale Dimension • Sicherung bedarfgerechten Wohn- raums nach Alter und Haushaltsgröße; erträgliche Ausgaben für „Wohnen" auch für Gruppen geringeren Einkom- mens im Sinne eines angemessenen Anteils des Haushaltseinkommens

• Schaffung eines geeigneten Wohnum- Ökonomische Dimension feldes, soziale Integration, Vermei- dung von Ghettos • Minimierung der Lebenszykluskosten von Gebäuden (Erstellung, Betrieb, In- • Vernetzung von Arbeiten, Wohnen und standhaltung, Rückbau, Recycling etc.) Freizeit in der Siedlungsstruktur

• relative Verbilligung von Umbau- und • „Gesundes Wohnen" innerhalb wie Erhaltungsinvestitionen im Vergleich zum außerhalb der Wohnung - Neubau • Erhöhung der WohnEigentumsquote • Optimierung der Aufwendung für techni- unter Entkopplung von Eigentumsbil- sche und soziale Infrastruktur dung und Flächenverbrauch

• Verringerung des Sub • Schaffung bzw. Siche ventionsaufwandes rung von Arbeitsplätzen im Bau- und Woh nungsbereich

Nr.:1‘ Ökologische Dimension

• Reduzierung des Flächenverbrauchs

• Beendigung der Zer- siedelung der Landschaft

• Geringhaltung zusätzlicher Bodenversiegelung und Ausschöpfung von Entsiege- lungspotentialen

• Orientierung der Stoffströme im Baubereich an den Zielen der Ressourcenschonung

• Vermeidung von Verwendung und Eintrag von Schadstoffen in Gebäude bei Neubau, Umbau und Nutzung; Beachtung dieser Prinzipien bei der Schließung des Stoff- kreislaufs bei Baumaterialien

• Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen der Gebäude im Sinne des Beschlusses der Bundesregierung zur 25%-igen Reduktion insgesamt bis zum Jahr 2005 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Vor der Ableitung notwendiger Maßnahmen zur Um- wurde durch deren Aktivitäten über viele Gene- setzung dieser Ziele und der Empfehlung von In- rationen hinweg eine Kulturlandschaft geschaf- strumenten, die diese Prozesse befördern könnten, fen, die vielen Tier- und Pflanzenarten Lebens- müssen die gegebenen Rahmenbedingungen für die räume bietet. Insofern sind Land- und Forstwirt- Entwicklung des Flächenverbrauchs untersucht wer- schaft für die Erhaltung der Umwelt und den den. Schutz von Lebensräumen unverzichtbar. Auf der anderen Seite bringen Intensivierung und Die Kommission hat sich im wesentlichen mit der Si- Spezialisierung zahlreiche ökologische Probleme tuation der Agglomerationsräume beschäftigt, bei mit sich (siehe Kapitel 3.4.2, Seite 26; Kapitel denen das Spannungsfeld zwischen Metropole und 3.4.3, Seite 35; Kapitel 3.4.4, Seite 36; Kapitel Umlandgemeinden besonders deutlich hervortritt. 3.4.5, Seite 38). Aufgrund der bereits eingetrete- Die weiteren Ausführungen sind aber auch auf Städ- nen Schädigungen muß die Schutz- und Rese rve- te im ländlichen Raum anwendbar. Aus Zeitgründen funktion ländlicher Räume in Zukunft viel mehr vermochte die Kommission nicht, Nachhaltigkeits- Beachtung finden. Der Erhalt und die nachhal- ziele auch für den ländlichen Raum abzuleiten. Eini- tige Nutzung natürlicher Ressourcen bedeuten ge Hinweise seien jedoch in Ergänzung zu den Aus- für die Land- und Forstwirtschaft eine wesentlich führungen in Kapitel 3 auch an dieser Stelle ge- stärkere Orientierung an den natürlichen Stand- macht: ortbedingungen als bisher.

Exkurs: Die ländlichen Regionen müssen daher Leitbilder entwickeln, die den wirtschaftlichen Schwer- Im vorliegenden Bericht steht das Thema Flä- punkt auf eine ressourcenschonende Produktion chenverbrauch und damit die Problematik der und Distribution legen, nachhaltige Landnut- Agglomerationsräume im Vordergrund. Im länd- zungskonzepte integrieren, die die äußere und lichen Raum ist auf der einen Seite ebenfalls eine innere Erschließung der Region umweltverträg- Zersiedelung zu beobachten, auf der anderen lich gestalten und die damit auch durch Ein- Seite kann der ländliche Raum durch eine Auf- beziehung der Umwelt- und Naturschutzprojekte wertung der Flächen im Sinne der in Kapitel 3 eine angepaßte Entwicklung des Fremdenver- genannten Ziele einen wesentlichen Beitrag zur kehrs ermöglichen. nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung leisten. Dies bedingt allerdings, daß mehrere Konflikte, die im folgenden kurz beschrieben werden, gelöst werden müssen. Vor dem Hintergrund zunehmender Freizeit in 4.4 Rahmenbedingungen und Konflikte unserer Gesellschaft sowie damit verknüpfter mit den Umweltqualitätszielen Umweltbeeinträchtigungen gewinnt die Freizeit- und Erholungsfläche des ländlichen Raumes für Die Entwicklung des Flächenverbrauchs wird durch die Bevölkerung immer größere Bedeutung. Wie die gegenwärtigen und zukünftigen Rahmenbedin- die Landwirtschaft hängen auch der Bereich gungen entscheidend beeinflußt. Wichtige Einfluß- „Freizeit und Erholung" und der Dienstleistungs- faktoren sind die Entwicklung der Bevölkerungs- sektor - wenn auch in unterschiedlicher Weise - dichte und -verteilung, der Haushaltsgrößen, der Hö- von den natürlichen Standortverhältnissen und he und Verteilung von Einkommen und Vermögen, deren Qualität (Klima, Vegetation, Topographie der Größe und Verteilung der beanspruchten Wohn- etc.) ab. Wichtige Faktoren für die Freizeit- und fläche und Wohnungen sowie des verfügbaren Erholungseignung ländlicher Räume sind dane- Wohnbaulandes. ben u. a. eine schnelle und kostengünstige Erreichbarkeit, eine leistungsfähige Infrastruktur und eine günstige Lage zu Verdichtungsräumen 4.4.1 Bevölkerung und großen Städten mit entsprechender Nach- frage. Indem einerseits der Bet rieb von Freizeit- einrichtungen die Wirtschaftskraft in ländlichen Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsverteilung Räumen erhöht und die vorhandene Infrastruktur In der Bundesrepublik Deutschland leben auf einer auslasten kann, werden sich andererseits durch Fläche von ca. 357 000 km 2 etwa 81,5 Mio. Menschen. umweltunverträgliche Angebote zusätzliche Be- Mit einer Bevölkerungsdichte von 228 Einwohnern lastungen ergeben. pro km2 zählt Deutschland zu einem der am dichte- Wesentlich sind in diesem Zusammenhang die sten besiedelten Staaten in Europa und wird nur Erreichbarkeit der entsprechenden Einrichtun- noch von den Niederlanden, Belgien und Großbritan- gen über den Umweltverbund und flächenspa- nien übertroffen. Über 50 % der Bevölkerung leben rende und die ökologischen Grundlagen der in sogenannten Agglomerationsräumen, das sind jeweiligen Räume schonende Freizeiteinrichtun- Regionen mit einem Oberzentrum von mindestens gen. 300 000 Einwohnern und/oder einer Bevölkerungs- dichte von über 300 E/km 2 . In verstädterten Räumen Die Schutz- und Reservefunktionen ländlicher - Regionen mit einem Oberzentrum von über 100 000 Räume sind weitgehend abhängig von einer die Einwohnern und/oder einer Bevölkerungsdichte von natürlichen Lebensgrundlagen schonenden über 150 E/km 2 - leben fast 30 %, und in den ländli- Land- und Forstwirtschaft. Auf der einen Seite chen Räumen leben nur noch 16 % der Bevölkerung. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Abbildung 6 Anteile der städtischen Bevölkerung in den Jahren 1994 und 2025

Quelle : World Urbanisations Prospects, United Nations, New York, 1993

Die größeren, überregional bedeutsamen Wi rt spricht einer Zunahme in der Größenordnung der -schafts- und Arbeitsmarktzentren liegen in Oberzen- Einwohnerzahl von Mecklenburg-Vorpommern und tren mit mehr als 100 000 Einwohnern. Drei Viertel Rheinland-Pfalz zusammengenommen. In den neuen der deutschen Bevölkerung können ein solches Ländern dagegen werden 1,3 Mio. Menschen weni- Oberzentrum innerhalb von 30 Minuten erreichen. ger leben. Die Bevölkerungszu- bzw. -abnahmen Mit fast 11 Mio. Einwohnern ist das Gebiet Rhein- konzentrieren sich auf bestimmte Regionen: In den Ruhr mit Abstand der größte Agglomerationsraum in alten Ländern verzeichnen die Agglomerationsräume Deutschland, gefolgt von Berlin (4 Mio.), Rhein-Main eine überproportionale Bevölkerungszunahme, in und Stuttgart (je 3 Mio.) und Hamburg und München den neuen Ländern trifft die Bevölkerungsabnahme (je 2 Mio.). In den neuen Ländern sind - abgesehen vor allem die ohnehin schon gering besiedelten Teil- von Berlin - Halle/Leipzig und Chemnitz/Zwickau räume am stärksten. Insgesamt ist mit einer stärkeren mit jeweils etwa einer Million Einwohner die größten großräumigen Ungleichheit der Bevölkerungsvertei- Agglomerationsräume 137) lung zu rechnen.

Die Zuwanderungen von außerhalb Deutschlands in den neunziger Jahren leisten den mit Abstand be- Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2010 deutsamsten Beitrag zum Bevölkerungswachstum, auch wenn das tatsächliche Volumen dieses Beitrags Die Bevölkerungsprognosen für Deutschland für das relativ ungewiß ist. In den alten Bundesländern tra- Jahr 2010 schwanken zwischen rund 84 Mio. Ein- gen sie fast ausschließlich die starke Bevölkerungs- wohnern 138 ) und 86 Mio. Einwohnern. 139) zunahme. Fast zwei Drittel entfallen auf die großen Verdichtungsräume, was den Prozeß der großräumi- Die Bevölkerungsentwicklung wird wesentlich durch Zuwanderung bestimmt sein. Man geht davon aus, gen Bevölkerungskonzentration und damit den Sied- daß sich die Bevölkerungszunahme vor allem auf das lungsdruck in den Agglomerationsräumen verstär- Gebiet der alten Bundesländer konzentriert. Hier ken dürfte. Man muß also davon ausgehen, daß in werden im Vergleich zu 1990 im Jahr 2010 voraus- den westdeutschen Agglomerationsräumen die dis- sichtlich 5 Mio. mehr Einwohner leben - das ent- perse Siedlungsentwicklung anhalten und es zu einer weiteren flächenhaften und flächenzehrenden Suburbanisierung kommen wird - verbunden mit 137) Vgl. BMBau (1996b) 17f 138) Vgl. ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (1996) 74 den bekannten werkehrlichen und ökologischen Pro- 139) Vgl. BfLR (1994) 4 blemen. Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 7 wächst in der Regel auch die Nachfrage nach Woh- nungen und Flächen. Bis zum Jahr 2010 dürfte die Bevölkerungsprognosen Zahl der Haushalte von 35 Mio. (1990) auf 39 Mio. für Gesamtdeutschland steigen. Dies ist zu 7,5 % auf Bevölkerungswachstum und zu 3,3 % auf die Verkleinerung von Haushalten zurückzuführen. Fast ein Viertel des prognostizie rten Zuwachses wird sich auf die sechs Regionen Berlin, Stuttgart , Hamburg, München, Köln und Frankfu rt konzentrieren. 140)

Die durchschnittliche Haushaltgröße wird sich ver- ringern. Bei kontinuierlichem Rückgang wird für das Jahr 2010 von 2,22 (alte Länder) bzw. 2,12 (neue Län- der) Personen pro Haushalt ausgegangen 141 ) (andere Berechnungen gehen von 2,05 Personen pro Haus- halt im Jahr 2010 aus). 142)

Die Haushaltsstrukturen verändern sich und damit auch die Art der nachgefragten Wohnungen. Kleine Haushalte fragen auch kleinere Wohnungen nach. Allerdings ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnflä- che bei kleinen Haushalten in der Regel größer als bei großen Haushalten (gemeinsam genutzte Räume). Damit haben Verschiebungen in den Haus- haltsstrukturen Auswirkungen auf die Wohnflächen- nachfrage selbst dann, wenn die Bevölkerungszahl - konstant bliebe.

Die Bevölkerungsprognosen der BfLR gehen von ei- nem weiter ansteigenden Anteil der Einpersonen Haushalte aus. Das Statistische Bundesamt erwartet in seiner Haushaltsvorausberechnung bis 2015 einen Anstieg auf 14 Mio. (eine Zunahme von 10,2 % ge- genüber 1994). Ihr Anteil an allen Haushalten wird demnach von 34,7 % (1994) auf 36,4 % (2015) stei- gen. 143) Dieser anhaltende, obgleich abgeflachte Trend zu Einpersonen-Haushalten wird in spürbarem Maße zu einer erhöhten Wohnungsnachfrage beitra- gen. Der Anstieg ist sowohl auf demographische Ent- wicklungen als auch auf eine Veränderung der Le- bensformen zurückzuführen.

Als wichtigste Veränderungen der gesellschaftlichen Entwicklung kann man die zunehmende Individuali- sierung mit dem Anspruch auf Selbstverwirklichung, die Veränderung der Familienstrukturen einschließ- lich der gestiegenen Scheidungsraten sowie den Trend zu Zweitwohnungen aufgrund einer Verbesse- rung der Einkommensverhältnisse oder bedingt durch die vom Arbeitsmarkt erwartete höhere Mobi- lität hervorheben. Quelle : Bauvorausschätzung Westdeutschland 1996-2006, Institut für Wirtschaftsforschung, München, Dezem- In diesem Zusammenhang spielen die sich wandeln- ber 1996 (unveröffentlicht) den Familienstrukturen eine Rolle. Die soziale Ein- heit des Wohnens, der Haushalt, ist immer seltener eine Familie. Neben dem und anstelle des Familien- In Ostdeutschland könnten - vor allem in den heute haushaltes entwickeln sich neue Haushaltstypen schon dünn besiedelten Regionen - zunehmende (Alleinerziehende, unverheiratete, getrenntlebende Probleme für die Aufrechterhaltung funktionsfähiger Paare). Junge Menschen verlassen früher das Eltern- regionaler Arbeits- und „Versorgungsmärkte" auftre- haus, sei es um eine Berufsausbildung oder ein ten. Vor allem die Bevölkerungsabnahme durch an- Studium an einem anderen Wohnort zu absolvieren haltende selektive Abwanderung droht die langfristi- oder schlicht aus einem gestiegenen Bedürfnis nach gen Standortbedingungen zu verschlechtern. Unabhängigkeit und Selbständigkeit heraus. Gleich- zeitig verändert sich der Stellenwert der ehelichen

4.4.2 Entwicklung der Haushalte 140) Vgl. BfLR (1996c) 25 141) Vgl. KDrs 13/2c (1996) 2, Halstenberg Nachfrageträger von Wohnungen und Flächen sind 142) Vgl. ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (1996) 74 die Haushalte. Wächst die Zahl der Haushalte, so 143) Vgl. KDrs 13/2g (1996) 12, BMBau Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Lebensgemeinschaft. Die Abkehr von der Großfami- kommen von unter 800 DM im Schnitt Wohnungen lie und die steigende Scheidungsquote tragen zu mit einer Fläche von 59 m 2 , Haushalte mit einem Ein- einer Zunahme des Anteils kleinerer Haushalte bei. kommen von 7 550 DM und mehr dagegen 135 m 2 . Eine Aufbereitung der Gebäude- und Wohnungs- Neben den Haushaltsverkleinerungen ist die sich in stichprobe des Jahres 1993, die die Wohnfläche nach der demographischen Entwicklung abzeichnende Einkommen und Haushaltsgröße ausweist und eine „Alterung" eine zweite Ursache für einen steigenden entsprechende Analyse zuläßt, existiert derzeit nicht. Wohnflächenkonsum. Familien fragen mit zuneh- Dennoch ist für die alten Bundesländer von einem re- mender Familiengröße auch größere Wohnungen lativ eindeutigen Zusammenhang auszugehen (siehe nach. Eine Verringerung der Wohnungsgröße bei Abbildung 8). Für die neuen Bundesländer hat sich Abnahme der Familiengröße erfolgt jedoch nicht in bislang bei den Hauptmieterhaushalten nur ein aus- gleichem Maße. Das Verharren in der Wohnung - zu- gesprochen geringer Zusammenhang zwischen mal wenn es sich um Eigentum handelt - nach dem Haushaltseinkommen und Wohnfläche herausgebil- Wegzug der Kinder oder dem Tod des Partners führt det. Hierbei schlägt sich die Belegungspolitik der zu einer höheren Pro-Kopf-Versorgung, ohne daß DDR und das von 1990 bis 1995 gültige Belegungs- sich am Wohnungsmarkt eine zusätzliche Nachfrage rechtsgesetz nieder, das für rund 80 % des Mietwoh- der betreffenden Personengruppe manifestiert hätte. nungsbestandes nur eine an der Haushaltsgröße Nicht der aktuelle, sondern der frühere Familien- orientierte Belegung der Mietwohnungen zuließ. 147 ) stand spiegelt sich dann in der jeweiligen Wohn- raumsituation wider. Eine aus statistischer Sicht „al- Die Mietbelastungsquote nimmt mit höherem Ein- ternde" Bevölkerung wird daher tendenziell ihren kommen überproportional ab (siehe Abbildung 10). Wohnflächenkonsum ausweiten. Dies sind Effekte, Die Abnahme ist um so stärker, je kleiner der Haus- die von ökonomischen Entwicklungen abgekoppelt halt ist. 148 ) Gleichzeitig steigt der Wohnflächenver- verlaufen. Nach der Raumordnungsprognose der brauch (bei unteren Einkommensgruppen ist der BfLR wird sich bis zum Jahr 2010 die Bevölkerungs- Wert für das Verhältnis von Einkommen und Mietan- gruppe der älteren Menschen (> 60 Jahre) am stärk- teil durch das Wohngeld verfälscht). - sten vergrößern. Aus der Altersstruktur der Bevölke- rung und aus der gestiegenen Lebenserwartung er- In diesem Zusammenhang sei auch auf den Einfluß der gibt sich nicht nur eine Zunahme des Anteils, son- Mietrichtwerttabellen hingewiesen. Sie enthalten häufig Vereinbarungen, nach denen bei der Festle- dern auch eine absolute Steigerung der älteren Be- völkerung: Der Anteil der Bevölkerung im Alter ab gung des Mietzinses oder bei Mieterhöhung für Woh- 60 Jahren wird bis 2020 um 38 % zunehmen, d. h. nungen mit einer Wohnfläche von über 100 m 2 erhebli- von 16,6 Mio. (1993) auf 22,9 Mio. steigen. 144 ) che Abschläge bei der Miete in Kauf genommen wer- den müssen. So legt beispielsweise die Mietrichtwert Ältere Menschen bleiben mangels entsprechender tabelle für die Stadt Düsseldorf fest, daß bei Großwoh- Angebote häufig in ihrer alten Wohnung, obwohl sie nungen mit 100 bis 106 m 2 Wohnfläche ein Abschlag diese subjektiv als zu groß empfinden. 40 % aller von 3 %, darüber hinaus je weitere angefangene 6 m 2 Einpersonen-Haushalte in der Altersgruppe über maximal 20 % vom ein Abschlag von 1 %, und zwar bis 55 Jahre, die in einer Wohnung zwischen 76 und Mietrichtwert zulässig ist. Vereinbarungen dieser Art 90 m 2 leben, beurteilen ihre Wohnung als „zu groß". mindern die Umzugsbereitschaft aus extrem unterbe- Bei 91 bis 125 m 2 Wohnfläche sind dies in der glei- legten Wohnungen und fördern dadurch den Wohnflä- chen Altersgruppe 60 %. 145 ) In der Bereitstellung chenkonsum. Durch die geringe Mobilität kommen kleinerer, altengerechter Wohnungen und einer Er- weniger große Bestandswohnungen zur Wiederver- leichterung der Umzugsmöglichkeiten liegen erheb- mietung auf den Markt, so daß an anderer Stelle mit liche Wohnflächenreserven. großem Förderaufwand und Flächenverbrauch fami- liengerechter Wohnraum neu gebaut werden muß. Die höchsten Wohnbauaktivitäten und die stärkste Nachfrage nach Wohnungen und Bauland entfaltet die Bevölkerungsgruppe der 20- bis 60jährigen. Al- 4.4.4 Wohnflächen- und Wohnraumversorgung lerdings wird diese Bevölkerungsgruppe am wenig- sten wachsen. Wohnflächen

Die Größe der individuellen Wohnfläche bestimmt 4.4.3 Einkommensentwicklung und Wohnungsgröße maßgeblich die Höhe des benötigten Baulandes. Für die Prognose der Wohnfläche pro Person wurden für Mit steigendem Einkommen steigt der Wohnflächen- das Ausgangsjahr 1990 in den alten Ländern 37,8 m 2 verbrauch. 146) Zwischen 1962 und 1991 sind die rea- 2 zugrundegelegt. und für die neuen Länder 28,3 m len Ausgaben für das Wohnen um 40 % stärker ge- Nach der Wohnflächenprognose der BfLR nimmt der stiegen als das verfügbare Realeinkommen. Die bes individuelle Wohnflächenkonsum bei Trendfort- sere Wohnraumversorgung zählt zu den Nachfrage- schreibung weiter zu: im Durchschnitt (über alle bereichen, in denen die Bereitschaft zu höheren Aus- Haushaltsgrößen, für Mieter und Eigentümer) um gaben besonders ausgeprägt ist. Der Zusammenhang 4 m2 im Westen und um 11 m2 im Osten. Damit wird zwischen Einkommen und Flächenverbrauch läßt sich der Wohnflächenkonsum der neuen Bundeslän- sich vereinfacht darstellen. Im Jahr 1993 bewohnten der voraussichtlich im Jahr 2010 dem Westniveau an- in den alten Ländern Haushalte mit einem Nettoein- genähert haben.

144) Vgl. KDrs 13/2 (1996) 5, Veser 145) Vgl. Schader-Stiftung (1996) 147) Vgl. KDrs 13/2f (1996) 15, Veser 146) Vgl. KDrs 13/2c (1996) 9, Halstenberg 148) Vgl. KDrs 13/2 (1996) 8, Halstenberg Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 8

Wohnfläche in Abhängigkeit vom Haushalts-Nettoeinkommen in den alten und neuen Bundesländern im Jahre 1993

Quelle: Veser, KDrs 13/2f (1996)

Zur regionalen Verteilung der Wohnfläche pro Per- keit der Wohnflächengröße von Mietkosten und son liegen keine aktuellen Daten vor. Die letzte Son- Kaufpreisen sichtbar. In den Städten der Ballungs- derauswertung des Statistischen Bundesamtes (mit räume sind Wohnungen und auch die Grundstücke Berechnungen der BfLR) von 1987 weist folgende in der Regel kleiner, weil die Grundstücks- und Bau- Verteilungen aus: kosten und damit auch die realisierbaren Verkaufs- und Mietkosten limitierend wirken. • große Verdichtungsräume: 34,7 m 2/pro Person

• Räume mit Verdichtungsansätzen: 37,8 m 2/pro Per- Die Bildung von Wohneigentum wird weiter zuneh- son men. Die geburtenstarken Jahrgänge wollen als jun- ge Familien mit Kindern verstärkt Wohneigentum er- • ländliche Regionen: 38,7 m 2/pro Person werben. Insbesondere aber auch die Bürger der neu- Diese Verteilungen weisen auf die deutlich bessere en Länder planen ab der Jahrtausendwende ver- Wohnflächenversorgung in den ländlichen Regionen stärkt den Erwerb von Wohneigentum. Nach dem gegenüber den Verdichtungsräumen hin. Nach Jahr 2000 wird hier eine hinlängliche Ansparphase Schätzungen des Instituts für Wohnen und Umwelt zur Bildung von Eigenkapital abgeschlossen sein. können für Hessen beispielhaft folgende Aussagen Die Eigentümerquote im Westen steigt voraussicht- gemacht werden: 149) Die Wohnfläche ist in den länd- lich auf 45 %, im Osten auf 34 %. Da Eigentümer bis lichenKreisen deutlich größer als in den Kernstädten zu 20 m2 mehr Wohnfläche pro Kopf beanspruchen oder verdichteten Kreisen. Hier wird die Abhängig- als Mieter, wird sich mit der Zunahme der Eigen- tümerquote zugleich auch die Flächennachfrage er- 149) Vgl. KDrs 13/2f (1996) 4f, We rner höhen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Abbildung 9

Verfügbares Einkommen nach Haushaltsgruppen 1993

-

Quelle : Halstenberg, KDrs 13/2d (1996), 61

Bei kleineren Haushalten liegt die Eigentümerquote te von allen Haushalten auf. In der Eigentumsbil- erheblich niedriger als bei großen Familien. In der dung insbesondere der geburtenstarken Jahrgänge Statistik wurde die Steigerung der Eigentümerquote und der weiteren Steigerung der Eigentümerquote durch die Zunahme der kleinen Haushalte von liegt einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für 8,3 Prozentpunkten auf 2,2 Prozentpunkte gedrückt. die Ausweitung der Wohnfläche pro Person. Ob diese Junge Ein-Personen-Haushalte spielen in diesem Zu- Tendenz auch in Zukunft anhält, ist unklar. Für die sammenhang eine entscheidende Rolle; sie haben weitere Entwicklung des Wohnflächenverbrauchs ist durch die Haushaltsgründung der geburtenstarken von Bedeutung, daß die geburtenstarken Jahrgänge, Jahrgänge in den 70er und 80er Jahren stark zuge- zumindest in den alten Bundesländern, in den nommen, weisen aber die niedrigste Eigentümerquo kommenden Jahren in die Altersgruppe gelangen (>35 Jahre), in denen wesentlich die Eigentumsbil- dung stattfindet. Daraus kann ein zusätzlicher Schub für den Wohnflächenverbrauch pro Kopf resultie- ren. 150 ) Abbildung 10 Die Nachfrage nach Wohnungen wird auch dadurch Mietbelastungsquote 1993 bestimmt sein, ob und wie es gelingt, Obdachlose und Aussiedler mit Wohnraum zu versorgen. Ihre An- zahl läßt sich nur schätzen. Auf der Grundlage empi- rischer Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für den Stichtag 2. Juni 1992 wird die Gesamtzahl obdachloser Personen auf 260 000 in den alten Bundesländern geschätzt (einschließlich der Personen in Unterkünften, Einrichtungen freier Träger, Billig-Hotels und Pensionen), wovon ca. 40 000 Personen auf der Straße lebten. Hinzu kamen schätzungsweise 260 000 Aussiedler, die in der ersten Zeit nach der Einreise vorübergehend in behelfsmä- ßigen Unterkünften untergebracht waren. 151 ) Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.

150) Vgl. KDrs 13/2c (1996) 10 f, BfLR 151) Vgl. KDrs 13/2g (1996) 11, BMBau, ergänzt durch aktuelle Quelle : Halstenberg, KDrs 13/2d (1996), 62 Angaben des BMBau Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 11 Abbildung 12

Wohnfläche pro Person nach Haushaltsgröße Wohnfläche pro Person nach Altersgruppen bei Hauptmietern und selbstgenutztem bei Hauptmietern und selbstnutzenden Eigentum in den alten Ländern 1993 Eigentümern in den alten Ländern 1993

Quelle : Veser, KDrs 13/2f (1996) 11 Quelle: Veser, KDrs 13/2f (1996) 10

Quoten langanhaltender Arbeitslosigkeit haben zur geht für denselben Personenkreis für das Jahr 1995 Folge, daß auch Angehörige mittlerer Einkommens- von einer Jahresgesamtzahl zwischen 870 000 und schichten verarmen und damit als Nachfrager auf dem 960 000 aus (gegenüber 1992: ca. 490 000), davon in normalen Wohnungsmarkt nicht mehr mithalten kön- den neuen Ländern rund 43 000 (gegenüber 1992: ca. nen. 154 ) Dieser besonderen Problematik wird bei der 23 000). Die Zahl beziffert alle während eines Jahres Entwicklung zukünftiger wohnungs- und siedlungs- wohnungslosen Personen. 152) 153) politischer Stategien Rechnung zu tragen sein.

Neben den Obdachlosen gibt es eine nicht bekannte Insgesamt wird die Wohnungsbaunachfrage der Zahl unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohter nächsten 15 Jahre vor allem von folgenden Faktoren Menschen (Räumungsklagen, unzumutbare Wohn- beeinflußt: verhältnisse, Überbelegung etc.). Personen mit gerin- • demographische Faktoren im Zusammenhang mit gem Einkommen oder sonstigen finanziellen Proble- Nachfragefaktoren wie die Eigentumsnachfrage men, z. B. als Folge von Arbeitslosigkeit oder Über- der geburtenstarken Jahrgänge in der Familien- schuldung, haben am Wohnungsmarkt besondere gründungsphase oder die Geschoßwohnungsnach- Schwierigkeiten. Ein zu geringes Angebot an preis- frage durch Zuwanderer im Rahmen ihrer Integra- günstigen Wohnungen vor allem in Großstädten, tion, Mietsteigerungen und bestehende Vorurteile gegen- • Nachholbedarf im Wohneigentumserwerb in den über bestimmten Personengruppen führen zu sozia- neuen Bundesländern, 155) len Ausgrenzungen. Die Bezahlung angemessenen Wohnraums ist für viele Wohnungssuchende unterer • Änderung bei der Vermögensbildung zur Alters- Einkommensschichten oft nicht mehr möglich. Hohe sicherung (verstärkte Anlage in Immobilien),

152)Vgl. KDrs 13/2a (1996) 52, ARGEBAU 154)Vgl. KDrs 13/12c (1996) 38, BfLR 153)Vgl. KDrs 13/2c (1996) 38, BfLR 155) BfLR (1996c) 43 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

• zunehmende Vermögensübertragung über Schen- Im Jahr 1995 wurden über 600 000 neue Wohnun- kung und Vererbung von Immobilien und gen fertiggestellt. Jährlich werden ca. 20 000 Woh- nungen abgerissen. 159 ) Hinzu kommen schätzungs- • Veränderung der relativen Preise, die im Falle weise 80 000 Wohnungen, die durch Zusammenle- steuerlicher Reformen den Mietwohnungsbau be- gung und Umwidmung verlorengehen. Insgesamt einflussen können. besteht ein Überhang im Angebot von Wohnungen gehobener Kategorie und ein Mangel bei Wohnun- gen, die für die sozial schwachen Bevölkerungs- Entwicklung des Wohnungs- und Gebäudebestandes schichten erforderlich sind. 160) Art, Umfang und Entwicklung des Gebäudebestan- Leerstehende Wohnungen sind in der öffentlichen des ist später für die Frage bedeutsam, ob und in wel- Statistik nicht enthalten. Aussagen hierzu beruhen chem Maße der Siedlungs- und Verkehrsflächenver- nur auf Schätzungen: Nach einer Gebäude- und brauch, z. B. durch die Aktivierung unternutzter oder Wohnungsstichprobe von 1993 stehen bundesweit zu großer Wohnungen und Flächen, reduziert wer- insgesamt 1,2 Mio. Wohnungen leer. Nach neueren den kann. Laut amtlicher Statistik gab es bis zum Schätzungen des Bundesministeriums für Raumord- 31. Dezember 1994 in den alten Bundesländern nung, Bauwesen und Städtebau liegt der Gebäude- 28,4 Mio. Wohnungen in Wohn- und Nichtwohnge- leerstand in den neuen Bundesländern bei ca. 6,6 %, bäuden mit einer durchschnittlichen Wohnungsgröße in den alten Bundesländern bei ca. 3 %. Der „alte" von 87 m2.156) Dabei entfielen auf jeden Einwohner Leerstand - also nicht vermieteter, aber vermietbarer 37,4 m2 Wohnfläche. Hinzu kommen 7,1 Mio. Woh- Wohnraum - wird auf 1,5 % für Gesamtdeutschland nungen der neuen Länder mit einer durchschnitt- geschätzt. 161 ) Für das Bundesland Thüringen liegen lichen Wohnungfläche von 65 m 2 . Die Anzahl der folgende Schätzungen vor: 71 000 Wohnungen ste- Räume entspricht mit 3,9 fast der der alten Bundes- hen leer. Die Gründe liegen teilweise in einem sich länder. verändernden Bedarf nach Auflösung der Industrie- Eine entscheidende Veränderung im Wohnungsbe- betriebe, in mangelhafter Renovierung und Fo rt stand der Bundesrepublik Deutschland seit den 60er -schreiten des Verfalls sowie in überhöhten Mieten. Jahren ist die Tendenz zu größeren Wohnungen. Sie Demgegenüber steht die Zahl von ca. 70 000 woh- 162 läßt sich sowohl mit der Raumzahl als auch mit der nungssuchenden Haushalten. ) Durch nicht ver- Wohnfläche belegen. Während im Jahr 1965 der An- mietbare Wohnungen im Hochpreisbereich entste- teil von 1 bis 3-Zimmer Wohnungen noch 40 % be- hen ebenfalls Leerstände. trug, hat er sich bis zum Jahr 1993 auf 30 % reduziert. Der Instandsetzung und Pflege des existierenden Ge- Dagegen stieg der Anteil von 5-Zimmer- und größe- bäudebestandes wird zunehmende Bedeutung zuge- rer Wohnungen im selben Zeitraum von 27 auf fast messen. Die Bauinvestitionen haben sich in den letz- 40 %. Dies hängt auch mit der Zunahme sowohl von ten Jahren stark zugunsten der Bestandspflege ver- Eigentümerwohnungen als auch von Ein- und Zwei- ändert. Während Ende der 70er Jahre ca. 20 % des familienhäusern zusammen, die in der Regel geräu- Investitionsvolumens in die Bestandspflege flossen, miger sind als Mietwohnungen bzw. Wohnungen im waren es Mitte der 80er Jahre 50 %.163) Die Instand- Geschoßwohnungsbau. Der Trend zu größeren Woh- setzung, aber auch die Modernisierung mit dem Ziel nungen läßt sich auch mit Durchschnittswerten bele- der Anpassung an den heutigen Wohnungsstandard, gen. Während im Jahr 1965 die Wohnungen im gilt steuerrechtlich als „Erhaltungsaufwand" und Durchschnitt aus 4 Räumen bestanden und eine Flä- ist insoweit steuerlich sofort voll abziehbar. Handelt che von ca 68 m 2 hatten, betrug im Jahr 1993 die es sich demgegenüber bei den baulichen Maßnah- durchschnittliche Zahl der Räume je Wohnung 4,4, men an Mietwohnungen um Herstellungskosten, so und die durchschnittliche Wohnfläche lag bei 88 m 2 . kommt nur der Abzug in Form von Absetzungen für Daraus ergibt sich bei einer gleichzeitigen Abnahme Abnutzung (AfA) in Betracht. In den neuen Bundes- der Haushaltsgrößen eine Erhöhung der durch- ländern können bei Modernisierungsmaßnahmen, im schnittlich zur Verfügung stehenden Fläche pro Per- Sinne von Herstellungskosten, neben der linearen son von 22 m2 (1965) auf 37,8 m 2 (1993). Dies ent- AfA auch Sonderabschreibungen in Höhe von 40 % spricht einer Steigerungsrate von knapp 70 %. 157 ) in Anspruch genommen werden. Sofern es die ört- Die Wohnungsnachfrageprognose der BfLR beziffert lichen Verhältnisse am Mietwohnungsmarkt zulas- die Angebotsausweitung zur Befriedigung der Woh- sen, können die Vermieter außerdem bis zu 11 % der nungsnachfrage bis zum Jahr 2000 auf jährlich ca. Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umlegen. 470 000 Wohnungen (400 000 West, 70 000 Ost). 158 ) Bestandsrenovierung ist vor allem in den neuen Län- dern notwendig: Die Wohnungsinstandsetzung in 156) Dabei werden allerdings die Wohnungsabgänge nicht voll- ständig erfaßt. Neben den jährlich erfaßten (meldepflich- den Städten der neuen Bundesländer wurde stark tige) Wohnungsabrissen verringert sich der verfügbare Be- vernachlässigt. Daraus resultiert ein Investitionsrück- stand an Wohnungen auch (und erfahrungsgemäß in größe- rem Umfang) durch Umwandlung in nicht Wohnzwecken dienende Räumlichkeiten (z. B. Arztpraxen, Anwaltskanz- 159)Mündliche Angabe des BMBau zur öffentliche Anhörung leien, Büros für Softwarefirmen oder Forschungsinstitute) der Enquete-Kommission zum Thema „Soziale Entwick- sowie durch Zusammenlegung von zwei oder mehr Woh- lung und Innovationen im Lebensbereich Bauen und Woh- nungen zu einer Wohnung (hierzu zählt auch die Auflösung nen" am 3./4. Juni 1996 von Einliegerwohnungen in „unechten" Zweifamilienhäu- 160) Vgl. KDrs 13/2 a (1996) 52, ARGEBAU sern). Vgl. ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (1996) 161) BMBau (1996c) 157) Vgl. KDrs 13/2c (1996) 33 ff, BfLR 162)Vgl. KDrs 13/2b (1996) 18, Lützkendorf 158) Vgl. KDrs 13/2g (1996) 15, BMBau 163) Vgl. KDrs 13/2f (1996) 9, Werner Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode stau von bis zu 1 500 DM pro m 2 Wohnfläche. 164 ) Die ohne. Fenster u. a.) und daher für den Umbau und für Eigentümer sind an der Instandsetzung häufig nicht eine flexible Nutzung in der Regel wenig geeignet interessiert . Je schlechter die Bausubstanz im Altbau sind; hier müßte noch eine genauere Analyse bezüg- ist, desto schwieriger lassen sich Investoren finden, lich der flexiblen Nutzbarkeit erfolgen. Wohnungen da sich diese Kosten nicht auf die Mieter abwälzen aus der Gründerzeit erfüllen relativ oft die Anforde- lassen würden. Auf die Wohnungsbestände der neu- rungen an Nutzungsvariabilität 169 ), allerdings hängt en Bundesländer entfallen schätzungsweise 70 % der die Flexibilität eines Altbaus stark vom statischen notwendigen Instandsetzungsinvestitionen, obwohl System und der Spannweite ab. Mehrgeschossige deren Anteil am . Gesamtwohnungsbestand der Bun- Altbauten gelten als sehr anpassungsfähig an verän- desrepublik lediglich 20 % ausmacht. 165 ) In den neu- derte Bedürfnisse. 170) Besonders gut zur Umnutzung en Bundesländern gibt es eine erhebliche Zahl von im Bestand eignen sich mittelgroße Wohnungen, am Wohnungen, die dauerhaft leer stehen, weil sie in ih besten mit gemauerten Wänden. Schlecht eignen rem jetzigen Zustand keine Nachfrager finden. Zum sich viele Einfamilienhäuser und große Wohnanla- Zeitpunkt der Gebäude- und Wohnungszählung im gen, hier besonders solche mit tragenden Betonwän- November 1995 waren dies mehr als 260 000 Woh- den. 171 ) nungen. Auch Plattenbauten dürften ohne Verbesse- Zur Akzeptanz von Umbaumöglichkeiten anstelle rungsmaßnahmen in absehbarer Zeit von Leerstand des Neubaus im Zusammenhang mit Eigentum- bedroht sein. Um spätere Abrisse zu vermeiden, sind erwerb sei an dieser Stelle auf ein Modellprojekt im sehr große Bauaktivitäten notwendig, deshalb sollte Rahmen des experimentellen Wohnungs- und Städ- ein wesentlich höherer Teil des Bauvolumens als in tebaus des BMBau in Dresden verwiesen. Hier wurde den alten Bundesländern in den Wohnungsbestand der Nachweis erbracht, daß auf Basis der Privatisie- fließen. Dies dient auch einer Verringerung der Inan- rung und eigentumsrechtlicher Modelle private Inve- spruchnahme zusätzlicher Siedlungsflächen. Insge- samt wird gerade das Potential der Bestandsnutzung storen dazu bereit gewesen wären, anstatt in den Neubau eines Eigenheimes in Umbau- und Renovie- in den neuen Ländern als besonders hoch eingestuft. rungsmaßnahmen zu investieren. Allerdings wurde- Beispielsweise wäre der Dachgeschoßausbau in den das Vorhaben nicht realisie rt. Architektonisch wäre alten Ländern bei 250 000 Wohnungen (1995) mög- dort die Umnutzung sowohl innerhalb der Wohnun- lich, in den neuen Ländern liegt dieser Anteil wahr- 166 gen als auch durch Dachaus- und aufbau leicht mög- scheinlich wesentlich höher. ) Die Investitionen sind 172 ) bislang insbesondere in die Nachkriegsbauten ge- lich. gangen; dies müßte sich nach Ansicht der Experten in Richtung Altbauten verschieben. 4.4.5 Entwicklung des Wohnbaulandes Angesichts des relativ hohen Anteils großer Wohnun- gen und der sich abzeichnenden Tendenz zu kleine Neubaugrundstücke ren Haushalten gewinnt die Frage nach der flexiblen Die Verfügbarkeit von Neubaugrundstücken hat für Nutzbarkeit bestehenden und noch geplanten Wohn- eine flächensparende Wohnungs- und Baupolitik raums an Gewicht. Die Umnutzung, Sanierung und eine zentrale Bedeutung. Ob genügend Bauland zur Renovierung bestehenden Wohnraums führt meist Verfügung steht oder nicht, ist umstritten. In der öf- zu deutlich geringeren Kosten als Abriß und Neubau fentlichen Debatte ist immer wieder von Bauland- an gleicher Stelle. 167 ) In der Regel wird der Neubau engpässen die Rede, die sich aber nicht ohne weite- gesamtwirtschaftlich teurer sein als Baumaßnahmen res bestätigen. Befunde aus der Bautätigkeitsstatistik im Bestand. 166 ) Wie hoch das Potential zur Umge- weisen z. B. nicht auf solche Engpässe hin. Die Zahl staltung für eine flexible Nutzung im Bestand tat- der genehmigten Wohnungen stieg in den alten Bun- sächlich ist, wird unterschiedlich eingeschätzt und desländern von jährlich rund 170 000 im Jahr 1987 bedarf noch der genaueren Ermittlung. Die Daten- auf rund 515 000 im Jahr 1994 - die höchste Zahl seit lage kann insgesamt als unzufriedenstellend be- 20 Jahren. Von durchgängig gravierenden Bauland- zeichnet werden. Dies liegt sicherlich zum Teil darin engpässen kann angesichts dieser Steigerung an begründet, daß sich wohnungspolitische, planerische Wohnungsproduktion nicht ausgegangen werden. und architektonische Ansätze der letzten Jahrzehnte Dabei sollen Baulandengpässe in großen Städten stärker auf den Neubau konzentriert haben. In den nicht in Zweifel gezogen werden. Die Ursache hier- alten Ländern sind bei Bauten der 60er Jahre jetzt für ist jedoch häufig im Zurückhalten bebaubarer verstärkte Instandhaltungsmaßnahmen fällig. Dies Grundstücke zu suchen. Baulandengpässe stellen ei- sind jedoch Wohnungen, die sehr „hierarchisch" nen wichtigen Grund dar, die Grundstücke kleiner aufgebaut sind (z. B. großes Wohnzimmer, großes zu gestalten und intensiver zu nutzen, um mehr Woh- Elternschlafzimmer, kleine Kinderzimmer, Küche nungen auf gleicher Grundfläche erstellen zu kön-

164) Vgl- KDrs 13/2b (1996) 23, Lützkendorf 165) Vgl. KDrs 13/2a (1996) 63, ARGEBAU 169) Vgl. KDrs 13/2f (1996) 9, Werner 166) Lützkendorf, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommissi- 170 ) Großmann, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommission on zum Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im zum Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im Le- Lebensbereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 bensbereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 167) Veser, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommission zum 171) Stimpel, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommission Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im Lebens- zum Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im Le- bereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 bensbereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 166) BMBau, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommission 172) Hahn, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommission zum zum Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im Le- Thema „Soziale Entwicklung und Innovationen im Lebens- bensbereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 bereich Bauen und Wohnen" am 3./4. Juni 1996 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 nen. Allerdings zeichnen sich die neu bebauten Woh- bleibt festzuhalten, daß bei Neubaugrundstücken nungsgrundstücke bei fertiggestellten wie bei der- das gesetzlich zulässige Maß für die Bebauungs- zeit genehmigten Wohn- und Nichtwohngebäuden dichte in der Regel bei weitem nicht ausgeschöpft eher durch eine regional unterschiedliche, teilweise wird. So stellte sich im Jahr 1995 das Verhältnis von beachtliche Unternutzung der bebauten Grundstük- Grundstücksgrößen und baulicher Ausnutzung wie ke als durch eine zu hohe Nutzung aus. Generell folgt dar:

Tabelle 3 Nachverdichtungspotential bei genehmigten Gebäuden im Bundesgebiet 1995

Wohngebäude Nichtwohngebäude

Geschoßfläche je m2 Geschoßfläche je m2 Lage der Gebäude durch- durch- Grundstücksfläche Grundstücksfläche im Baugebietstyp schnittliche schnittliche Grundstücks Grundstücks- genutzte GFZzulässige 2 genutzte zulässige GFD 1 größe in m2 größe in m 2 GFD 1 GFZ 2

Kleinsiedlungsgebiete 0,251 0,4 744 - 0,4 2 350 Reine Wohngebiete 0,402 1,2 644 0,265 1,2 2 308 Allgemeine Wohngebiete 0,392 1,2 733 0,427 1,2 2 109 Besondere Wohngebiete 0,796 1,6 746 0,477 1,6 2 120 Dorfgebiete 0,275 1,2 854 0,233 1,2 2 119 - Mischgebiete 0,483 1,2 910 0,381 1,2 3 147 Kerngebiete 0,868 3,0 1 309 1,194 3,0 3 455 Gewerbegebiete 0,295 3,0 1 309 1,194 3,0 3 455 Industriegebiete 0,355 2,4 1 074 0,279 2,4 7 170 Sonstige Sondergebiete 0,440 2,4 2 644 0,524 2,4 4 363

1) Geschoßflächendichte (GFD) der genehmigten Gebäude nach „Bautätigkeit und Wohnungen", Fachserie 5, Reihe 1, Bautätig- keit 1995 alte Länder ohne Bayern 2) Geschoßflächenzahl (GFZ) nach § 17 Abs. 1 BauNVO, gültige Obergrenze des Maßes baulicher Nutzung

Zwar wird bei der Errichtung neuer Gebäude in den 0,273 (GFD). Eine Anhebung der Dichte auf nur 0,4 Sonder-, Misch- und Kerngebieten deutlich dichter würde mehr als 3.000 ha einsparen und immer noch gebaut als in den übrigen Wohn- und Gewerbege- zu einer durchschnittlichen Grundstückgröße von bieten, doch das gesetzlich mögliche Maß baulicher 467 m2 führen. Verdichtung wird nicht annähernd ausgeschöpft. Die hier beispielhaft für das Jahr 1995 dargestellte Allein im Baugebietstyp „Allgemeines Wohngebiet" Unternutzung von Neubaugrundstücken ist auch für wurden 229 095 Wohnungen auf Grundstücksflächen die Jahre zuvor nachweisbar. Allerdings werden von insgesamt rund 6 622 ha genehmigt. Dies ent- diese Nachweise nach 1996 nicht mehr möglich sein, spricht einer durchschnittlichen Geschoßflächen- da mit der letzten Statistikänderungsverordnung die dichte 173 ) (GFD) von etwa 0,4. Eine flächensparende städtebaulichen Untersuchungen der Bautätigkeits- Bauweise mit einer Geschoßflächenzahl 174 ) (GFZ) statistik gestrichen wurden. Nachhaltige Siedlungs- von nur 0,6 (zulässig ist 1,2) könnte 2 290 ha, also gut entwicklung ist ohne diese Informationen schwer ein Drittel der beanspuchten Fläche einsparen. Noch realisierbar. größere Einsparpotentiale (fast zwei Drittel) wären im Gewerbebereich zu erreichen, wenn die gesetz- Überlegt gestaltete Nutzungdichten werden von den lich zulässige Bebauungsdichte nur zur Hälfte ausge- Bewohnern erlebt als Dichte von Erfahrungen, Bezie- schöpft würde. hungen und Ereignissen. Sie bestimmen vielerorts das positive Image von Stadtteilen oder ganzen Städ- Differenziert nach Gebäudearten ergeben sich vor ten. Städtebauliche Verdichtung durch bloße Steige- allem für die Ein- und Zweifamilienhäuser erhebliche rung des Bauvolumens auf gleicher Fläche ist nicht Unternutzungspotentiale. Bei einer durchschnittli- uneingeschränkt das Mittel der Wahl. Der Vorteil der chen Grundstückgröße von 683 m 2 wurden 1995 Be- Flächeneinsparung auf der einen Seite kann insbe- bauungen für eine Fläche von über 10 000 ha geneh- sondere dann zunichte gemacht werden, wenn auf migt. Die durchschnittliche bauliche Dichte betrug der anderen Seite bestehende Bau- und Raumquali- täten in Frage gestellt sind. Örtlich angepaßte Lösun- 173) Die Geschoßflächendichte ist das Maß für die tatsächliche gen sollten das Wohnumfeld sozial, wirtschaftlich bauliche Dichte. Sie wird statistisch erhoben. 174) Die Geschoßflächenzahl ist das zulässige Maß für die bauli- und ökologisch nicht verschlechtern, sondern verbes- che Nutzung. sern. Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Baulandreserven Generell rechnen Dienstleistungsunternehmen in der Logistik mit einem wachsenden Grundflächenbe- Bundesweit liegen keine detaillie rten Informationen darf pro Betriebseinheit, weil neben den Park- und über die bauliche Nutzung der bebauten Grundstük- Rangierflächen Flächen für Standardverpackungen, ke im Bestand vor. Daher können Aussagen zu Ver- Ladegefäße, Wechselbrücken usw. benötigt werden. dichtungspotentialen im Bestand nur qualitativ ge- troffen werden (z. B. Potentiale für den Dachausbau). Die schnellere Veränderung von Produktionen und Auch die unbebauten Grundstücke werden nicht als Produkten kann gleichfalls eine Beschleunigung der Baulandreserven erfaßt. Diese Lücke schließt die Flächennutzungszyklen bedingen. Gebäude müssen BfLR-Baulandumfrage bei ausgewählten Städten schneller ersetzt oder umgebaut werden, was das und Gemeinden, die aufgefordert waren, ihre Bau- Vorhalten von Flächenreserven für diesen Zweck er- landversorgung einzuschätzen. Danach werden in fordert und zu relativ großen Grundstücken bei den der Mehrzahl der Städte mittelfristig Engpässe in der Gewerbebetrieben führt. Wohnungsversorgung erwartet. Kurzfristig wird ten- Die Möglichkeit der Wiedernutzung moderner Ge- denziell nur eine leichte Entspannung angenommen. bäude wird in der Regel durch die hohen Anforde- Geringere Wohnbaulandbedarfe werden vornehm- rungen moderner Produktion begrenzt (u. a. Boden- lich in Mein- und Mittelstädten erwartet, während tragfähigkeit, Deckenhöhe). Ihre Umwandlung dage- die Großstädte mit einem anhaltenden, z. T. sogar gen für Büronutzungen, für Erziehungs-, For- steigenden Baulandmangel rechnen. Großräumig schungs- oder für Laborzwecke wird durchaus mit zeichnet sich insbesondere in den neuen Ländern Erfolg praktiziert. eine Entspannung in der Wohnbaulandversorgung ab, während sich in Nord- und Süddeutschland die Die dargestellten wi rtschaftlichen Faktoren in Ver- Baulandengpässe verstärken. bindung mit relativ niedrigen Bodenpreisen, die auf- grund der Konkurrenz der Gemeinden um Gewerbe- Anders ist die Situation auf den Gewerbebauland steuerzahler häufig heruntersubventioniert sind, füh-- märkten. Die meisten Regionen sind mit einem Über- ren dazu, daß beim Neubau aus Gründen der Flä- angebot an baureifen Gewerbeflächen und umfang- chenvorsorge auf großen Grundstücken extensiv ge- reichen Wiedernutzungspotentialen ausgestattet. In baut wird. Die Betriebs- und Handels- bzw. Lagerge- den meisten Regionen besteht aktuell und mittelfri- bäude weisen mit Geschoßflächenzahlen von 0,33 stig Bedarfsdeckung. Im Nordwesten und in den eine sehr niedrige Ausnutzung auf (alte Bundeslän- neuen Ländern übertreffen die bauleitplanerisch ge- der), während Bürogebäude immerhin bei Geschoß- sicherten Gewerbebaulandreserven die Bedarfe vie- flächenzahlen um 0,68 liegen. 15 ) lerorts schon um ein Vielfaches. Die Befunde aus der Bautätigkeitsstatistik zur bauli- Die Flächennachfrage für gewerbliche Zwecke chen Nutzung des Bestandes und die Einschätzun- dürfte in Abhängigkeit von der Wirtschaftsentwick- gen der Städte und Gemeinden bezüglich ihrer Bau- lung weiter zunehmen. Zunächst führt der ständige landreserven erscheinen widersprüchlich. Sie spie- Strukturwandel, der mit dem Entstehen und Wach- geln jedoch die gegenwärtige Situation rea listisch sen neuer Industrien einhergeht, häufig auch zu wider: Die Einschätzungen der Baulandreserven sind einer innerörtlichen oder regionalen Verschiebung nur Baulandpotentiale, d. h. es steht grundsätzlich im der wirtschaftlichen Schwerpunkte. Eine solche Ver- Belieben des Grundstückeigentümers, ob und in wel- schiebung hin zu den neuen ökonomischen Schwer- chem Maße er das baureife Grundstück auch tatsäch- punkten erfordert zusätzliche Flächen, hinterläßt lich baulich nutzt. Bauland ist daher nur zum Bebau- aber an den alten Standorten häufig Kümmernutzun- en verfügbar, wenn es der Eigentümer selbst bebaut gen oder gar industrielle Brachflächen. oder (für Bauzwecke) verkauft.

Wachstum der Produktion und des Umsatzes führen Hohe Baulandreserven an baureifem Bauland für bei Auslastung der Anlagen auf Dauer zu einer Er- Ein- bis Zweifamilienhäuser werden - trotz hoher Bo- weiterung des Maschinenparks und der Belegschaft, denpreise - für eine bauliche Verdichtung vor allem was oft eine Flächenexpansion zur Folge hat. Ab ei- bei der Erstbebauung nicht genutzt. Mehr als zwei ner Schwelle von etwa 4 % Umsatzwachstum pro Drittel der Ein- und Zweifamilienhäuser dürften auf Jahr steigt auch das Flächenwachstum erheblich an. baureifen Grundstücken errichtet werden, die nicht Dagegen führt Schrumpfung der Produktion nicht am Markt angeboten worden sind, sondern innerhalb automatisch zum Rückgang des Flächenvebrauchs, der Familien weitergegeben werden. Das Maß an weil die Flächen entweder schon belegt sind oder als baulicher Verdichtung wird wesentlich durch (häufig Reserve für Umnutzungen oder Erweiterungen vor- begrenztes) Baukapital bestimmt. Teilweise könnte gehalten werden. durch flächensparende Bauweise auf mehr als die Hälfte des Grundstücks verzichtet werden, ohne daß Um die Kapitalbindung zu senken, wird zunehmend eine übermäßige bauliche Dichte erreicht würde. die Lagerhaltung reduziert. Dies müßte das Vorhal- Bauwillige Haushalte, die ihr Grundstück kaufen ten von Lagerflächen senken. Gegenläufig wirkt je- müssen, weichen in Randgebiete aus, in denen billi- doch, daß Betriebe, die ihre Lagerhaltung reduzie- ge Baugrundstücke angeboten werden (Suburbani- ren, diese Lagerhaltung häufig auf Lieferbetriebe sation und Dispersion). So erklärt sich auch die seit und Spediteure abwälzen, was hier zu weiteren Flä- Jahren zu beobachtende geringe Dichte der bauli- cheninanspruchnahmen führt (Just-in-time-Kon- zepte). 175) Vgl. BfLR (1996d) 72 f

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 chen Nutzung von neu bebauten Ein- bis Zweifami- der Umsetzung. Dies hat verschiedene Ursachen: Es lienhausgrundstücken. besteht nach wie vor keine Sicherheit, ab wann und bis zu welcher Qualität ein kontaminierter Boden zu sanieren ist. Mit dem geplanten Bundesbodenschutz- Nachfrage nach Wohnbauland gesetz soll Klarheit geschaffen werden. Durch ein- heitlich vorgegebene nutzungsbezogene Prüfwerte Als Folge der steigenden Wohnflächenansprüche, wird festgelegt, ab wann es eine Kontamination - un- aber auch aufgrund wachsender Bevölkerungs- und ter Berücksichtigung standortspezifischer Paramater Haushaltszahlen sowie der vermehrten Wohneigen- - erfordert festzustellen, ob eine Altlast oder eine tumsbildung wird die Nachfrage nach Bauland unter schädliche Bodenveränderung vorliegt. Der Gesetz- Status-quo-Bedingungen weiterhin steigen. Welche entwurf sieht nicht vor, das Ziel der Sanierung ein- Wirkungen die beabsichtigte Steuerreform haben heitlich vorzugeben. Vielmehr wird davon ausgegan- wird, ist zur Zeit nicht abzusehen. Die Wohnbauland gen, daß eine Sanierung in der Regel zur Unter- nachfrage wird in den alten Ländern in den Agglo- schreitung der jeweils in Frage kommenden Prüf- merationsräumen zwar mengenmäßig in nahezu glei- werte führt. Insofern ist das Sanierungsziel nach den cher Größenordnung zu erwarten sein wie in den ver- Maßstäben des Gesetzentwurfes jeweils im Einzelfall städterten Räumen, jedoch fällt das benötigte Bau- und mit Blick auf die planungsrechtlich zulässige land für Mehrfamilienhäuser in den Agglomerations Nutzung festzulegen. räumen deutlich höher aus. Für die neuen Bundes- länder ist diese erhöhte Nachfrage nach Wohnungs- Vielfach scheitert die Sanierung daran, daß es keinen bauland für Mehrfamilienhäuser in den Agglomera- bzw. keinen liquiden Verursacher der Boden- und tionsräumen noch ausgeprägter. Die Nachfrage Grundwasserbelastungen mehr gibt. In diesen Fällen bleibt aber trotz erhöhten Nachholbedarfs an Woh- sind die Sanierungskosten vom Investor oder Grund- nungen und Häusern weit unter dem Nachfrage- stückseigentümer zu tragen. Potentielle Investoren niveau der alten Bundesländer. werden diese Kosten jedoch nur in den Fällen zu tra- - gen bereit sein, in denen sich die beabsichtigte Insgesamt sind die Einsparpotentiale do rt am höch- Grundstücksnutzung trotz der zum Teil erheblichen sten, wo Ein- und Zweifamilienhäuser besonders Sanierungskosten noch als wirtschaftlich attraktiv er- häufig nachgefragt werden, also in den ländlichen weist. Wohnungsbauprojekte auf Altlasten sind unter Räumen. Dort ist Bauland weder besonders knapp diesem Gesichtspunkt für p rivate Investoren in der noch überdurchschnittlich teuer. Der von steigenden Regel nicht ausreichend lukrativ. Bodenpreisen ausgehende Anreiz zum flächenspa- renden Bauen wird dort eher gering sein. Die Heranziehung des Grundeigentümers im Sinne Wohnbauland kann prinzipiell in allen Regionen des des Ordnungsrechtes ist möglich und wird mit Aus- Bundesgebietes in geringerem Maße beansprucht nahme von Härtefällen auch praktiziert. Allerdings werden, es zeigen sich jedoch deutliche regionale ist die Bereitschaft von Grundstückseigentümern, die Unterschiede (siehe Tabelle 3, Seite 65). Die Einspar- notwendigen Sanierungskosten zu tragen, sofern sie potentiale im Osten sind am größten, verringern sich selbst kein Interesse an der Neunutzung der Flächen über Nordwestdeutschland nach Süddeutschland zu- haben, in der Regel begrenzt. Dies führt zu langwie- nehmend. Im Vergleich zu einer Fortschreibung des rigen gerichtlichen Auseinandersetzungen, die zu- Status-quo könnten bei flächensparender Bauweise sätzlich einem zügigen Flächenrecycling entgegen- bei Ein- und Zwei-Familienhäusern rund 35 %, bei stehen. In einer großen Zahl von Fällen, in denen Mehrfamilienhäusern aber nur 11 % eingespart wer- durch die Sanierung von Altlasten kein wirtschaft- den. Aufgrund dieser Flächensparpotentiale zeigt licher Vorteil erzielbar ist (Sanierung ohne Neu- sich, daß im Sinne einer Reduzierung des Flächen- nutzungsinteresse bzw. mit wenig ertragreicher verbrauchs, dort wo neu gebaut werden soll, zumin- Neunutzung) müssen die Sanierungskosten von der dest flächensparend gebaut wird. 176) jeweiligen Gebietskörperschaft getragen, was ange- sichts der Knappheit der öffentlichen Haushalte sehr häufig zur Unterlassung notwendiger Sanierungs- Potentiale des Flächenrecyclings maßnahmen führt. Nachdem von Seiten der Bundes- regierung in den 80er Jahren die Schaffung eines Industriebrachen stellen mittlerweile ein erhebliches Altlastenfonds nach dem Muster des amerikanischen Potential für neue Wohn- und Gewerbeansiedlungen Superfund abgelehnt worden ist, haben einige Län- dar, soweit sie verkehrsgünstig, d. h. in städtischen der derartige Fonds mit unterschiedlichen gesetzli- Agglomerationsräumen, gelegen sind. Darunter fal- chen Konstruktionen gegründet. In Nordrhein-West- len in der Regel allerdings keine Konversionsflächen, falen wird über eine Abgabe auf Sonderabfälle ein abgesehen von innerstädtischen Kasernenbauten. Fonds gespeist, der jährlich über 50 Mio. DM Zu- Die Wiedernutzung von Industriebrachen stößt häu- schüsse zur Sanierung solcher Altlasten leistet, für fig auf Probleme infolge von Boden- und Grundwas- die kein Verursacher mehr gefunden werden kann. serkontaminationen. Da die Technik der Altlastensa- Gegen dieses Modell ist jedoch Klage erhoben wor- nierung in den letzten 10 Jahren erhebliche Fo rt den. Ferner gibt es einen speziellen Grundstücks- -schritte gemacht hat, lassen sich Bodenbelastungen fonds zur Sanierung von Altlasten in Bereichen ehe- heute in der Regel deutlich preisgünstiger beseitigen maliger Bergbau- und Stahlverarbeitungsgelände. als früher, dennoch gibt es erhebliche Probleme bei Wenn den Kommunen keine Mittel zur Sanierung „herrenloser" Altlasten zur Verfügung stehen, ist mit 176) Vgl. BfLR (1996 c) 39 dem Fortbestehen von Industriebrachen zu rechnen.

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Um dem Investor bzw. dem oder den späteren Nut- desländer. Allerdings sind zur Entschärfung der An- zern des Geländes eine wi rtschaftliche Sicherheit zu passungsschwierigkeiten im Einigungsvertrag soge- verschaffen und die Rechtsansprüche der Gemeinde nannte Überleitungsregelungen getroffen worden. durchzusetzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Treten die beiden zur Zeit in Beratung befindlichen Sofern die Altlast im wesentlichen an Ort und Stelle Novellierungen des ROG und des BauGB in Kraft, verbleibt und gesichert wird, sollten entsprechende laufen diese Überleitungsregelungen - voraussicht- Baulasten eingetragen werden; bei entsprechenden lich am 1. Januar 1998 - aus. Auflagen sind diese selbstverständlich auch im Bebauungsplan zu kennzeichnen. Der Umfang der Die Ebene der Länder: Die Länder sind die zentrale Sanierungsmaßnahmen, der Ausführungszeitraum Ebene der räumlichen Planung. Sie füllen den weiten und die Kostentragung werden heute in der Regel in Raum zwischen der rahmensetzenden Kompetenz öffentlich-rechtlichen Verträgen abgesichert. des Bundes und der kommunalen Selbstverwaltung. Die Landesplanung hat die Aufgabe, für das Land Heute findet in der Regel eine nutzungsbezogene Sa- Landesentwicklungsprogramme und -pläne aufzu- nierung von Altlasten statt, es bleiben jedoch Restbe- stellen. Sowohl die Fachressorts (wie Verkehr, Land- lastungen zurück, die zu Auflagen bei der zukünfti- wirtschaft etc.) als auch die Gemeinden müssen ihre gen Nutzung führen können (z. B. Erhalt der Errich- Planungen an die Landesplanung anpassen. Beide tung versiegelter Flächen, Verbot von Grundwasser- steuern schließlich die staatlichen und p rivaten Vor- nutzungen, Verbot von Nutzpflanzenanbau oder der haben, die letzlich die Siedlungsstruktur prägen und Pflanzung tief wurzelnder Bäume). Werden belastete verändern. Vor allem die Fachressorts sind über so- Materialien sogar lediglich umgelagert und in Form genannte Raumordnungsklauseln in den einzelnen von „Landschaftsbauwerken" oder ähnlichem gesi- Fachgesetzen sowie im Baugesetzbuch in die räum- chert auf der Fläche belassen, sind für solche Berei- liche Planung eingebunden und sind aufgefordert, che nur noch ausgewählte Nutzungen (z. B. Lärm- die Belange der integ rierenden Planung zu beach- schutzwall, Grünflächen ohne Spielbereiche, Stra- ten. ßendamm, Parkplatz etc.) ausweisbar. - Die Ebene der Regionen: Die Regionalplanung hat eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der Landes- 4.4.6 Institutionelle- Grundlagen der Wohnungs planung und der kommunalen Bauleitplanung. In und Siedlungspolitik den einzelnen Bundesländern unterscheidet sie sich vor allem in der Frage, wie bindend die von der Die Siedlungspolitik ist in das föderale System inte- Regionalplanung festgelegten Siedlungsflächen und griert. Nicht nur der Bund, sondern auch die Länder Freiräume für die Gemeinden sind. Zwar sind die haben Staatsqualität. Die Gemeinden sind den Län- Gemeinden darum bemüht, sich möglichst große dern zugeordnet, wobei das Recht der Kommunen Handlungsspielräume zu sichern; die wachsenden auf Selbstverwaltung grundgesetzlich verankert ist. wirtschaftlichen Verflechtungen und sich verstärken- Siedlungspolitik ist eine hoheitliche Aufgabe, hat de Standortkonkurrenzen sollten jedoch vermehrt aber auf den verschiedenen Ebenen unterschiedliche ein Denken in regionalen Zusammenhängen fördern. Kompetenzen. Es lassen sich innerhalb der Sied- Auch der bereits dargestellte zunehmende Verstäd- lungspolitik einmal die räumlichen Gesamtplanun- terungsprozeß und die damit verbundenen Verflech- gen (Raumordnung, Landesplanung, Regionalpla- tungen zwischen Stadt- und Umlandgemeinden ma- nung und Bauleitplanung auf kommunaler Ebene) chen eine stärkere Zusammenarbeit der Kommunen von den für die Siedlungspolitik relevanten Planun- notwendig. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis gen wie z. B. Landschaftsplanung und Landschafts- durch, daß Probleme und Aufgaben - wie etwa bei rahmenplanung unterscheiden. Hinzu kommen Be- der Reduzierung des Flächenverbrauchs -, die alle reiche der Fachpolitik, die in die Siedlungspolitik Städte und Gemeinden tangieren, auch in einer ge- hineinwirken: Wohnungspolitik, Verkehrspolitik, So- meinsamen Verantwortung gelöst werden müssen. zialpolitik, regionale und überregionale Wirtschafts- politik, Kulturpolitik und schließlich die Umweltpoli- Zum Städtebaurecht des Bundes und der gemeind- tik. Derzeit arbeitet die Bundesrepublik Deutschland lichen Ebene: Das Städtebaurecht ist Sache des Bun- in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten des. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen sind das der Europäischen Union an einem europäischen Baugesetzuch (BauGB) und die Baunutzungsverord- Raumentwicklungskonzept. Hier soll diskutiert wer- nung (BauNVO). Das Baugesetzbuch regelt die ge- den, wie das Leitbild einer nachhaltig zukunftsver- meindliche Bauleitplanung, die für die Siedlungsent- träglichen Entwicklung zum Grundprinzip werden wicklung die wichtigste Planung ist. Das Recht der kann. Bauleitplanung wird den Gemeinden durch das Grundgesetz garantiert. Die Gemeinden stellen die Die Ebene des Bundes: Für die gesamträumliche Pla- Bauleitpläne daher in eigener Verantwortung auf. nung des Bundesgebietes kann der Bund nur gesetz- Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und liche Rahmenbedingungen festlegen. Das ist 1965 sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde mit dem Erlaß des Raumordnungsgesetzes gesche- nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten und zu lei- hen. Das Raumordnungsgesetz (ROG) regelt das ten. Anlaß für eine Bauleitplanung kann sowohl der System der Raumordnung und der Landesplanung, baugesetzlich verankerte Schutz der natürlichen Le- das Baugesetzbuch (BauGB) die gemeindliche Bau- bensgrundlagen als auch ein städtebaulich begrün- leitplanung. deter Umweltschutz sein. Als räumliche Gesamtpla- Seit der Wiedervereinigung gelten Raumordnungs nung muß sich die Bauleitplanung zuvor aber mit gesetz und Baugesetzbuch auch für die neuen Bun allen anderen Interessenten an der Bodennutzung

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 auseinandergesetzt haben. Welche Interessen sich beneinander dieser Nutzung. Dabei haben sich die letztlich in der Bauleitplanung widerspiegeln, hängt Voraussetzungen und Ansichten über die Möglich- von der Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen keiten des Nebeneinander und die Notwendigkeiten Akteure ab. Zugleich müssen die Bauleitpläne den der Trennung in den vergangenen Jahren immer Zielen der Raumordnung entsprechen, die in Landes- wieder gewandelt, was in der bebauten Stadtstruktur entwicklungsprogrammen, Landesentwicklungsplä- der verschiedenen Epochen durchaus erkennbar ist. nen und Regionalplänen niedergelegt sind. Die wohl sichtbarsten Wirkungen auf die Siedlungs- struktur hat die Zunahme des Verkehrs ausgeübt. Die Bauleitpläne der Kommunen sind der Flächen Raumordnung einerseits und Personen- bzw. Güter- nutzungsplan und der Bebauungsplan. Der Flächen transport andererseits sind eng miteinander ver- nutzungsplan gilt für das gesamte Gemeindegebiet, knüpft. Bis 1850 dominierte in Europa im wesentli- während der Bebauungsplan nur für Teilbereiche der chen die fußläufig erschlossene Stadt, eine Struktur Gemeinde aufgestellt wird. Daneben gibt es die mit hoher Dichte und gemischten Nutzungen; in gro- Möglichkeit, Baumaßnahmen im Bestand gemäß § 34 ßen Städten waren die Stadtteile im großen und gan- BauGB zu genehmigen, von der zunehmend Ge- zen für sich autark. Die Industrialisierung brachte die brauch gemacht wird. Der Flächennutzungsplan Entwicklung von neuen Stadtteilen mit sich, deren stellt die von der Gemeinde beabsichtigte räumliche Bezug zur Stadtmitte vor allem durch Straßenbahn- Entwicklung der Gemeinde in den Grundzügen dar und Eisenbahnlinien sichergestellt wurde. Erst mit und entfaltet behördeninterne Bindungswirkung. Der der allgemeinen Verfügbarkeit über Automobile war Bebauungsplan ist dagegen auch für die Bürger die flächenhafte Ausdehnung der Städte möglich, rechtsverbindlich und setzt fest, was und wie gebaut wie sie in ihrer konsequentesten Struktur heute etwa bzw. umgebaut werden darf. Der Inhalt der Bauleit- in den USA (z. B. Los Angeles, Houston) und Austra- pläne wird durch die Darstellungs- und Festsetzungs- lien (z.B. Sydney) verwirklicht ist. Die enge Bezie- möglichkeiten nach dem BauGB und der BauNVO hung zwischen Entwicklungsstruktur, Inanspruch- bestimmt; die Gemeinde kann hier auf verschiedene nahme von Flächen und Energieverbrauch läßt sich Typen von Neuflächen und Baugebieten zurückgrei- - etwa daran ablesen, daß zwischen der Bevölkerungs- fen. Unter Zugrundelegung der Vorgaben der Bau- dichte und dem Treibstoffverbrauch pro Kopf eine nutzungsverordnung kann die Gemeinde die Art und Verknüpfung besteht (siehe Abbildung 13). 177 ) das Maß der baulichen Nutzung sowie die zulässige Ausnutzung der Baugrundstücke festlegen. Eine Politik der nachhaltigen Siedlungsentwicklung Der Vollzug der Bauleitplanung geschieht gleichfalls berücksichtigt daher nicht nur die Notwendigkeit an- auf kommunaler Ebene. Hierzu gehören die Boden- gemessenen Wohnraums für alle Haushalte, sondern ordnung, die Erschließung durch die verkehrliche zielt darauf ab, Siedlungstätigkeit mit den natürli- Anbindung und den Anschluß an Ver- und Entsor- chen Lebensgrundlagen zu versöhnen. Dabei sind gungsleitungen. Ist die Erschließung gesichert, ist die Konzepte zur Erreichung der Nachhaltigkeit sehr auf der Grundlage der Bebauungspläne von den unterschiedlich - sie reichen von technischen Refor hierfür zuständigen Behörden den Vorhabenträgern men und Innovationen, etwa im Bereich der Ver- die Baugenehmigung zu erteilen. Zugleich wird in kehrstechnologie , der Versorgungs- und Entsor- dem nach Landesrecht (Landesbauordnung) in der gungstechnik, bis hin zu radikalen Ansätzen eines Regel durchzuführenden Baugenehmigungsverfah- ökologischen Strukturwandels, bei dem das Naturka- ren die Übereinstimmung der baulichen Anlage mit pital in und um die Siedlungen herum zur wesentli- anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, hier ins- chen Grundlage der Siedlungsentwicklung wird. besondere mit dem Bauordnungsrecht, geprüft. Ent- Grundlagen der nachhaltigen Siedlungspolitik sind scheidend für die Umsetzung der Planung ist, ob der bereits in den vergangenen Jahren in der deutschen Bebauungsplan als sogenannter „Angebotsplan" ver- Städtebaupolitik gelegt worden: Hier sind zum einen abschiedet worden ist - dann bleibt die Initiative zur die Bemühungen um eine „Stadt der kurzen Wege" Umsetzung privaten Investoren oder Unternehmen zu nennen, in der Wohnen, Arbeiten, Freizeit und überlassen oder ob er von vertraglichen Vollzugs- Einkaufen räumlich miteinander verzahnt sind. Die pflichten flankiert ist. Ein solcher vorhabenbezoge- „Stadt der kurzen Wege" ist im Sinne einer nachhal- ner Bebauungsplan oder auch ein sog. gesondert ge- tig zukunftsverträglichen Entwicklung zweifelsohne regelter, in der Sache aber vergleichbarer Vorhaben- auch das siedlungsstrukturelle Leitbild, das in Zu- und Erschließungsplan, verpflichtet den Bauherren kunft Bestand haben wird. 178 ) Die seit über 50 Jahren unmittelbar zur Verwirklichung der Bauvorhaben. übliche Trennung von Wohnungen und Arbeitsplät- zen, die zum Schutz der Wohnbevölkerng vor stark emittierenden Industrieanlagen früher auch sinnvoll 4.5 Möglichkeiten und Potentiale gewesen ist, verliert angesichts der deutlich verrin- gerten Emissionen aus dem Indust rie- und Gewerbe- Wohnung, Arbeitsplatz und Infrastruktur bilden in bereich und durch die Zunahme von Arbeitsplätzen der Regel die Voraussetzung für eine bef riedigende im Dienstleistungsbereich an Bedeutung. Wohnge- Lebensqualität. Zur Infrastruktur zählen die Ver- biete werden heute durch die massive Steigerung kehrswege, Versorgung, Entsorgung, soziale und des Individualverkehrs zum Erreichen des Arbeits- kulturelle Einrichtungen sowie Freizeitanlagen. Eine platzes und der Steigerung des Lkw-Verkehrs bela- günstige Siedlungs- und Stadtstruktur muß einen stet. Kompromiß finden zwischen größtmöglicher Nähe der Zuordnung von Wohnen, Arbeiten und infra- 177) Newman / Kenworthy (1989) strukturellen Anlagen sowie dem störungsfreien Ne 178 ) BMBau (1996 b)

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 13

Zusammenhang zwischen Besiedlungsdichte und Benzinverbrauch pro Einwohner

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Die Realisierung des Leitbildes „Stadt der kuzen tes und ohne die fachliche Ableitung von Zielen und Wege" fordert eine Nutzungsmischung sowie eine Maßnahmen für Landschaftspflege und Natur- und moderate Verdichtung. In größeren Städten beinhal- Umweltschutz durchzuführen ist, ist die Landschafts- tet dies im Sinne der „dezentralen Konzentration" planung heute noch dem Flächennutzungsplan auch die Erhaltung bzw. Wiederherstellung in sich untergeordnet. Die Umweltverträglichkeitsuntersu- lebensfähiger Stadtteile mit ausreichender, gut er- chung ist in der Bauleitplanung unvollkommen aus- reichbarer Ausstattung an Arbeitsplätzen, Einkaufs- geprägt und in den einzelnen Städten unterschied- möglichkeiten und Sozialeinrichtungen. lich. Dies führt auch dazu, daß weiterhin erheblicher Druck auf den freien Raum ausgeübt wird. Besonders Deutschland ist kein Land mit großen Metropolen, schätzenswert ist der sogenannte Außenbereich, der sondern die städtebauliche Entwicklung hat - basie- grundsätzlich nicht bebaut werden sollte. Hier sind rend auf vielen kleinen Zentren - zu einer Fülle mitt- nur sogenannte privilegierte Vorhaben wie Bauern- lerer Großstädte und einigen Agglomerationsräumen höfe oder bestimmte Bet riebe zulässig. Ansonsten geführt. Diese für Deutschland typische Raumord- darf nur im Bereich von Bebauungsplänen oder in- nung mit einem außerordentlich vielfältigen Erschei- nerhalb bereits bebauter Ortsteile gebaut werden. nungsbild ist eine gute Voraussetzung für die Weiter- Die Inanspruchnahme freier Fläche für weitere Sied- entwicklung der Siedlungspolitik in Richtung nach- lungsnutzung muß kanalisiert werden. Zentrale Auf- haltig zukunftsverträgliche Entwicklung. gabe des Städtebaus ist es daher, dieses Siedlungs- Nachhaltig zukunftsverträgliche Stadtplanung sorgt wachstum und die damit verbundene Nachfrage dafür, daß einzelne Nutzungen so angeordnet sind, nach Siedlungsflächen umweltverträglich zu bewälti- daß sie sich gegenseitig möglichst wenig stören und gen. Wünsche nach zusätzlichem Bauland sollten zugleich die Auswirkungen auf die natürlichen Le- möglichst im Innenbereich der Städte gedeckt wer- bensgrundlagen möglichst gering sind. Auch wenn den (Strategie der städtebaulichen Innenentwick- eine solche Stadtentwicklung nicht mehr ohne die lung). Dies ist trotz der hohen Bedeutung innerstädti- fundierte Analyse und Beachtung des Naturhaushal scher Freiräume für die Wohn- und Lebensqualität in Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400 der Regel gut möglich. Der sparsame Umgang mit • einer direkten Förderung, die entweder objektbe- Grund und Boden bietet generell Vorteile, wenn Ge- zogen an die Investoren von Miet- und/oder Eigen- biete mit ökologischen Ausgleichsfunktionen ge- tümerwohnungen gezahlt (Objektförderung) oder schont werden. Vorhandene Siedlungen mit relativ subjektbezogen dem Wohnungsnutzer zugewen- lockerer Struktur können zur Schaffung weiteren det wird (Subjektförderung) und Wohnraums genutzt werden durch • einer indirekten Förderung, die entweder durch • die Aufstockung vorhandener Gebäude, zeitweilige oder dauerhafte Steuerentlastungen im wesentlichen bei den Ertragssteuern (Einkommen- • die Neuaufteilung vorhandener Gebäude, steuer, Körperschaftsteuer, Grundsteuer) erfolgt • die Schließung von Baulücken und oder durch eine Beinflussung von Rahmendaten wie der Vorgabe von Regeln für die Anpassung • den Neubau von Wohngebäuden in bestehenden, von Mieten in laufenden Verträgen oder für den sehr großzügig geschnittenen Wohnanlagen. Schutz des Mieters vor Kündigungen wirkt.

Diese Maßnahmen werden unter dem Stichwort Daneben sind eher vermögenspolitisch ausgerichtete „Nachverdichtung" zusammengefaßt. Durch Nut- Maßnahmen als Anregung zu verstärkter Eigentums- zungsmischung ist es möglich, polyzentrische Sied- bildung zu beachten. Insgesamt hat sich so ein Sy- lungsstrukturen zu erreichen. Dies gilt sowohl für die stem entwickelt, das sich an einem Konzept eines zukünftige Entwicklung größerer Agglomrations- ,,sozial flankierten Wachstums” 180) orientiert. Dabei räume wie auch für die Entwicklung von Mittelstäd- stößt die bisherige Praxis einer „Wohnungsversor- ten im Umfeld von Ballungsräumen, die zu attrak- gung durch Wohnraumausdehnung" infolge des da- tiven „Full-Service- Zentren" und Arbeitsmarktzen- mit notwendigerweise verbundenen Flächenver- tren ausgebaut werden sollten, um die Großstädte zu brauchs inzwischen an die Grenzen des ökologisch entlasten und die Pendlerströme zwischen Kernland Vertretbaren. Vor diesem Hintergrund war es u. a. und Umland zu reduzieren. 179) ein Ziel der Enquete-Kommission, Informationen und - Meinungen darüber zu sammeln, inwiefern das be- Die hier nur grob skizzierten Leitlinien nachhaltiger stehende Stadtentwicklungs- und wohnungspoliti- Raumordnungs- bzw. Siedlungsentwicklung sind sche Instrumentarium mit einer nachhaltig zukunfts- heute vielfach anerkannt, werden jedoch durch die verträglichen Entwicklung konform geht bzw. inwie- vorhandenen Rahmenbedingungen kaum gefördert. weit es dahingehend modifiziert werden kann oder Die bisherige Baunutzungsverordnung wie auch die muß. Zudem sollte in Erfahrung gebracht werden, herrschende Immissionsschutzgesetzgebung bevor- welche Instrumente u. U. zusätzlich eingesetzt bzw. zugen weiterhin eine erhebliche Trennung verschie- welche Teile des bestehenden Instrumentenmixes er- dener Entwicklungsfunktionen. Die Verkehrspolitik setzt werden sollten. der vergangenen Jahrzehnte wie auch die bislang noch gültigen steuerlichen Absetzbarkeiten der Nachfolgend werden Aussagen und Vorschläge zur Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz führen Reform einzelner Instrumente nach Themenschwer- zu einem weiteren Anwachsen der Pendlerströme. punkten geordnet wiedergegeben. Sie sind das Er- Die Schwierigkeiten mit der Aktivierung innerstädti- gebnis einer öffentlichen Expertenanhörung und be- scher Brachflächen aufgrund unklarer Rechtssitua- dürfen einer weiteren Untersuchung. tion haben z. B. in den neuen Bundesländern zu mas- siven Eingriffen in die freie Landschaft durch Neu- bau von großflächigen Einkaufszentren geführt. 4.6.1 Instrumente im Bereich Bauen

Wenn die angedachten Änderungen der einschlägi- Instrumente. der Planung gen Gesetze greifen, werden die Ziele der nachhaltig Zu den Instrumenten der Planung gehören das Pla- zukunftsverträglichen Siedlungs- und Stadtentwick- nungsrecht und die Raumordnung. Es ist zu prüfen, lung verstärkt berücksichtigt werden. inwieweit eine Übertragung der Planungshoheit von den Gemeinden auf größere Einheiten, die selbstver- ständlich einer demokratischen Legitimation bedür- fen, möglich und sinnvoll ist. Hier kann z. B. in 4.6 Mögliche Instrumente und Maßnahmen Ballungsräumen ein Interessenausgleich zwischen Kernstädten und deren Umlandgemeinden herge- stellt werden. Auch die Weiterentwicklung und Stär- Die Notwendigkeit der staatlichen Einflußnahme auf kung regionaler Zweckverbände sollte diesem Ziel den Wohnungsmarkt wurde bereits in Kapitel 4.2, dienen. Um die konstruktive Mitarbeit in dera rtigen Seite 45 ff begründet. Bereits heute besteht ein Sy- regionalen Planungsbereichen zu verbessern, könn- stem öffentlicher Hilfen mit einer Vielzahl unter- ten die finanziellen Zuweisungen der Länder an die schiedlicher Instrumente und Maßnahmen, die seit Gemeinden an die Bildung solcher Einheiten gekop- Anfang der fünfziger Jahre entwickelt und vor dem pelt werden. Hintergrund veränderter Ziele ständig modifiziert und verfeinert wurden. Ein weiterer Vorschlag aus dem Bereich der Planung entstammt dem Bereich des regionalen Planungsaus In einer groben Systematik kann dabei unterschie- gleichs. Es wird vorgeschlagen, eine Verknüpfung den werden zwischen 180) Halstenberg, öffentliche Anhörung der Enquete-Kommis- 179) BMBau (1996b) sion am 3./4. Juni 1996

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode des gesamten Planungsrechts auf örtlicher und über- einer Änderung der Bemessungsgrundlage für die örtlicher Ebene vorzunehmen, so daß eine räumlich Besteuerung von Grundstücken und Gebäuden integrierte Planung entsteht. Die Leitvorstellung der kommen. Die vermögens- und erbschaftsteuerrecht- Raumordnung sollte insgesamt auf eine nachhaltig lichen Regelungen sind bereits geändert worden. zukunftsverträgliche Raumentwicklung ausgerichtet Ob diese Änderungen eine Lenkungswirkung auf werden. Dabei sollte insbesondere die Wiedernut- den Flächenverbrauch haben, ist noch nicht abzu- zung brachgefallener Siedlungsflächen berücksich- sehen. tigt werden. Als alternative Maßnahme wird die Abschaffung der Die Planung muß sich an dem Leitbild der „Stadt der bisherigen Grundsteuer vorgeschlagen. Statt dessen kurzen Wege" orientieren. Im landesrechtlichen Pla- sollte die Einführung einer flächen- und/oder wert- nungsrecht sollte bei Neuausweisung von Bau- und bezogenen Steuer definiert werden. Die Bodenwert- Gewerbegebieten sowie von Verkehrsflächen ein Be- steuer ist eine mit der derzeitigen Grundsteuer zu darfsnachweis für die Region verlangt werden. vergleichende Steuer, die den ,Bodenwert zur Be- steuerungsgrundlage macht. Da die gesamte Steuer- last auf dem Boden ruht und ihre Höhe ausschließlich vom Bodenwert abhängig sein soll, unabhängig da- Steuern und Subventionen im Bereich Bauen von, ob der Boden baulich oder sonst wie genutzt Es geht hier zunächst nicht um die Konzeption neuer wird, bedeutet das bei Aufkommensneutralität, daß Steuern, sondern um die Veränderungen bereits vor- unbebaute Grundstücke bei der Einführung der Bo- handener Steuern und Subventionen, um eine Len- denwertsteuer höher besteue rt werden sollen als bis- kungswirkung in Richtung der Ziele der Enquete her, sich diese Steuerlast aber durch eine Bebauung Kommission zu erreichen. nicht ändert, sondern gleich bleibt. Das Vorhalten von unbebauten Grundstücken würde sich damit Eine Möglichkeit zur Realisierung dieser Ziele wäre verteuern. Je besser der Boden entsprechend der vor- eine Veränderung der derzeitigen Grundsteuer . Die gesehenen Planung ausgenutzt wird, umso leichter- Grundsteuer ist eine bundesrechtlich geregelte Steu- fällt es dem Steuerpflichtigen die Bodenwertsteuer er, die auf den Wert der in der Gemeinde gelegenen zu erwirtschaften. Da die steuerliche Belastung des Grundstücke erhoben wird. Besteue rt werden der Eigentümers eines intensiv genutzten Grundstücks Grundstückwert und der Wert der Gebäude, die sich (Mietwohnungen unter Ausnutzung der zulässigen auf dem Grund befinden. Die Gemeinde legt fest, ob Grundflächenzahl) weniger ins Gewicht fällt als bei Grundsteuer erhoben wird (§ 1 GrStG), auch Hebe- Eigentümern, die Grundstücke weniger gut nutzen sätze und Ertragshoheit liegen bei den Gemeinden. und für ihre Zwecke große Bodenflächen brauchen Die derzeitige Grundsteuer hat zwei unterschiedliche (Einfamilienhaus auf großem Grundstück), würde Tarife A und B. Durch die Möglichkeit der Umlegung eine Bodenwertsteuer einem starken Bodenver- auf die Miete ist sie letztlich auch eine einwohnerbe- brauch vorbeugen. zogene Steuer. Die Grunderwerbsteuer ist ein weiteres Mittel zur Ein Vorschlag .zur Änderung der derzeitigen Grund- Realisierung von Zielen im Bereich Bauen und Woh- steuer im Sinne der Ziele der Kommission wäre die nen. Die Grunderwerbsteuer wird beim Kauf von Einführung eines weiteren Ta rifs C, der sogenannten Grundstücken erhoben. Es handelt sich um eine Bun- Baulandsteuer, die derzeit auf kommunaler Ebene in- dessteuer, deren Ertrag den Ländern zufließt. Disku- tensiv diskutiert wird. Die Baulandsteuer sieht einen tiert wird die Abschaffung dieser Grunderwerbsteuer Tarif für unbebaute und baureife Grundstücke vor. und statt dessen die Einführung einer Umsatzsteuer Pro Jahr, in dem das Grundstück nicht bebaut wird, auf den Verkauf von Neubauten, nicht auf Altbauten. soll sich die Steuer erhöhen. Damit sollen innerstädti- Allerdings besteht hier hinsichtlich der bestehenden sche Baureserven aktiviert werden. EU-Ausnahmeregelung noch weiterer Klärungsbe- darf . Ein weiterer Vorschlag ist die Einführung des zonier- ten Satzungsrechts. Die derzeitige Grundsteuer wür- Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es Aufgabe de beibehalten. Heute können die Kommunen die des Staates ist, über die Verteilung der Wohnflä- Hebesätze nur für ihr gesamtes Gebiet festlegen. Der che zu befinden. Das geltende Steuerrecht macht Bund könnte durch eine Änderung des Grundsteuer- bisher Investitionen mit dem Ziel der Steuerver- gesetzes das zonierte Satzungsrecht einführen. Da- meidung möglich, die zur Vermögensbildung mit mit soll es den Kommunen ermöglicht werden, den übergroßen Wohnungen führen, deren Baukosten bisher einheitlichen Hebesatz für ihr Gebiet kraft nicht durch Mieteinnahmen gedeckt werden. Das Satzung gebietsweise zu variieren. Eine Lenkungs- Steuerrecht sollte so ausgestaltet sein, daß die res- wirkung könnte dann entstehen, wenn ein höherer sourcenschonende Modernisierung des Gebäude- Hebesatz auf nicht bebaute Grundstücke in Bauge- und Wohnungsbestandes verstärkt und die res- bieten festgelegt würde. sourcenschonende Nutzung von Wohnraum begün- stigt werden. Die Lenkungswirkung der derzeitigen Grundsteuer ist gering. Aufgrund der Beschlüsse des Bundesver Zusätzlich könnten ökologische Mindeststandards fassungsgerichtes vom 22. Juni 1995 181 ) wird es zu für die Förderung eingeführt und zur Bedingung ge- macht werden. Ebenfalls könnten Öko-Boni für flä-

181 ) Aktenzeichen II BvL 37I91 und II BvR 552/91; BGH E 93, chen-, ressourcen-, und engergiesparendes Bauen S. 121 ff gewährt werden.

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Um flächensparendes Bauen und Wohnen zu för- Das Instrument der Ge- und Verbote im Bereich Bauen dern, könnten weiterhin die Wohnbaufördermittel des Bundes und der Länder zu einen größeren Teil Ein Gebot im Bereich Bauen sind die Bauvorga- auf den Bestand umgelenkt werden. Hier sollte ein ben. In der Vergangenheit wurde beim Neubau Sonderprogramm für die Bestandssanierung entwik- die Grundstücksnutzung durch Vorgaben wie ma- kelt werden. Dabei sollte der Schwerpunkt auf die ximale Geschoßflächenzahl nach oben begrenzt. Modernisierung preiswerter Altbaubestände gelegt Auch Baumaßnahmen im Bestand (Nachverdich- werden. Der Wohnungsbau- und Städtebauförder- tung, Sanierung) stießen durch kommunale Vorga- nug kommt hier eine wichtige Rolle zu. Um der Ver- ben auf Hemmnisse, z. B. resultierend aus extensi- ödung, vor allem der Innenstädte im Osten Deutsch- ver Auslegung des Denkmalschutzes, Ensemble lands entgegenzuwirken, könnte die Aktivierung der Schutz etc.. großen Flächenreserven (Baulücken, Abbruchhäu- Eine effiziente Grundstücksnutzung könnte durch ser, Arrondierung) gezielt gefördert werden. die Einhaltung von Mindestkennziffern beim Neubau Der soziale Wohnungsbau könnte Vorreiter für inno- (in Agglomerationsräumen) und durch die Erleichte- vatives Bauen unter ökologischen, ökonomischen rung der Nachverdichtung (z. B. Geschoßwohnungs- und sozialen Gesichtspunkten werden. Es ist eine bau) einschließlich der Sanierung im Bestand durch Gesamtkonzeption zu finden, wie ein Höchstmaß an den Abbau von Hemmnissen erreicht werden. Fördergerechtigkeit und Effizienz der eingesetzten Neue Regelungen in Bereichen der Ausbildung der Mittel zu erreichen ist. Es ist zu überlegen, auf Architekten, der Bauberufe, des Baustellenbetriebes welche Haushalte (z. B. Familien mit Kindern) die und des Projekt-Controlling sind erforderlich. Durch Fördermittel konzentriert werden sollen, und ob die eine ganzheitliche Betrachtung in der Ausbildung Förderinstrumente einkommensorientiert gestaltet von Architekten und Handwerkern könnten Nach- werden sollen. Weiterhin ist die Differenzierung der haltigkeitsziele Berücksichtigung finden. Dazu ge- Fehlbelegungsabgabe nach Einkommen und be- hört auch die Einbeziehung ökologischer Gesichts- - wohnter Fläche zu prüfen. Über eine richtig gestal- punkte in die Ausbildung. tete Fehlbelegungsabgabe können Mietvorteile ab- geschöpft werden. Die Regelungen sollten zwischen Die Schaffung von Strukturen, die die Zusammenar- den Ländern abgestimmt und bundeseinheitlich ge- beit von Handwerkern der verschiedenen Gewerke staltet werden. in einem Team bewirken, dürften neben einer Sen- kung der Kosten und Bauzeiten auch zur Realisie- Um einen Anreiz zur Benutzung öffentlicher Ver- rung von nachhaltigen Lösungen beitragen. kehrsmittel zu schaffen und die weitere Zersiedelung einzuschränken, sollte eine Veränderung der bisheri- Die Honorarordnung der Architekten sollte so ge- gen Regelungen der Kilometerpauschale erreicht staltet werden, daß Anreize bestehen, eine ökolo- werden. Diskutiert werden dabei sowohl die Ab- gische und kostengünstige Lösung anzubieten. schaffung der Kilometerpauschale als auch deren Dazu könnte eine Abkoppelung des Architekten- Umwandlung in eine einheitliche, verkehrsmittelun- honorars von den Baukosten und die Vereinba- abhängige Entfernungspauschale. rung von Festpreisen beitragen, die bei Über- schreitung von Kosten und Standards zur Honorar- Die steuerliche Absetzbarkeit der Fahrten von der minderungen führen. Wohnung zur Arbeitsstätte ergibt sich aus der Über- legung, daß die Wahl der Wohnung ein vorgegebe- Zum Bereich der Ge- und Verbote gehören auch die ner Sachverhalt (Angelegenheit der p rivaten Le- Normen. Die Ausrichtung von Normen auf Neubau- bensführung) und die Fahrt zur Arbeitsstätte eine ten berücksichtigen zuwenig die Probleme im Alt- sich daraus ergebende Folge ist. Dies führt unter baubereich. Die Formulierung und Änderung der Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips, Normen ist in Deutschland vornehmlich Aufgabe des das allgemein bei Werbungsausgaben zur Grundla- Deutschen Instituts für Normung (DIN). Hierbei wer- ge gemacht wird, zur Anerkennung von Kilometer- den im wesentlichen Industrieverbände beteiligt, die pauschalen, während für die Nutzung anderer Ver- über das erforderliche Sachwissen verfügen. Dies gilt kehrsmittel nur die tatsächlichen Ausgaben geltend analog für die internationalen Gremien für Normung gemacht werden dürfen. Die Kilometerpauschale (CEN, ISO). Hier kann die Einbeziehung ökologisch begünstigt in ihrer bisherigen Form die Kfz-Nut- ausgerichteter Verbände zur Reform der Normen bei- zung im Berufsverkehr, da damit ein Deckungsbei- tragen. trag des Halters auch für die p rivate Nutzung er- zielt wird. Zu den Geboten im Bereich Bauen gehören Vor- schriften zur Erstellung von Gebäudepässen. Hier Daneben sind eine Reihe weiterer Steuervergünsti- könnten Bauherren oder deren Beauftragte zur Er- gungen im Bereich der Einkommensteuer, der stellung von Gebäudepässen sowie von „Gebrauchs- Schenkungs- und der Erbschaftssteuer zu überden- anleitungen" für Gebäude verpflichtet werden. Der ken, denen Einfluß auf den Flächenverbrauch zuge- Gebäudepaß sollte wesentliche ' Angaben über die schrieben wird. Dazu zählen z. B. Sonderabschrei- beim Bau verwendeten Materialien und Installatio- bungen bei Neubaumaßnahmen, Verrechnungsmög- nen enthalten und bei Instandhaltungs- und Moder- lichkeiten von wohnungswirtschaftlichen Verlusten nisierungsarbeiten fortgeschrieben werden. Die mit privaten Einkünften und die Steuerfreiheit von Wohnungsnutzungsanweisung könnte der Orientie- Veräußerungsgewinnen nach Ablauf der Spekula- rung der Bewohner dienen, um das Gebäude in ener- tionsfrist. getischer und stofflicher Hinsicht optimal zu nutzen.

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4.6.2 Instrumente im Bereich Wohnen Das Durchsetzen besserer Wärmedämmung im Be- stand setzt das Investieren von Selbstnutzern, Ver- Steuern und Subventionen im Bereich Wohnen mietern und/oder Mietern voraus. Selbstnutzer kön- nen die durch bessere Dämmung bewirkte Senkung Im Bereich Wohnen kann eine Erhöhung der Flexibi- der Verbrauchskosten als Vorteil für sich verbuchen. lität am Wohnungsmarkt die Zielsetzung fördern, daß Es würde Sinn machen, das gleiche Interesse auch Menschen einen ihrer Lebenssituation angemesse- für Investitionen von Mietern zu wecken. Das ginge nen Wohnraum finden. Dies würde nach den Ergeb- nur, wenn Mieter die Investitionen als Minderung nissen der öffentlichen Anhörung „Soziale Entwick- der Verbrauchskosten zurückerhielten. Das aber lungen und Inovationen im Lebensbereich Bauen setzt die Schaffung . entsprechender Schutzbestim- und Wohnen" am 3. und 4. Juni 1996 gleichzeitig zu mungen voraus. Im übrigen wären Investitionen im einer Reduzierung des Flächenverbrauchs führen. Bestand ein außerordentlich wirksames Arbeitsbe- Es müßten z. B. Instrumente gefunden werden, die schaffungsprogramm. 182) den Wohnungstausch zwischen Mietern erleichtern könnten. Vorgeschlagen wird der Aufbau eines Um- Ein weiterer großer Bereich der Ge- und Verbote sind zugsmanagements, das zum einen eine größere die Vorschriften und Regulierungen des Wohnungs- Transparenz auf dem Wohnungsmarkt schafft und marktes. Hier ist zu prüfen, inwieweit Art und Um- zum anderen auszugswilligen Mietern aus zu großen fang der Regelungen im Mietrecht die Ziele einer Wohnungen den Umzug in kleinere und preiswertere nachhaltigen Wohnungspolitik konterkarieren. Es ist Wohnungen ermöglicht. Dieses Umzugsmanagement zu überprüfen, inwieweit hier eine Vereinfachung könnte aus Wohnungsförderungsmitteln finanziert der Vorschriften helfen könnte. werden. Zur Annäherung an die Nachhaltigkeitsziele, wie sie Daneben könnte die Verteilung der Vorteile einer auf Seite 54 f beschrieben sind, werden die hier auf- Energieparungsinvestition zwischen Mieter und Ver- gelisteten und beschriebenen Instrumente in der mieter geregelt werden. Versieht man das Instrument Enquete-Kommission erörtert und vervollständigt der Modernisierung durch den Mieter mit Anreizen, werden. Hierzu hat die Enquete-Kommission eine so könnte die Sicherheit der Amortisierung von Studie in Auftrag gegeben, die verschiedene Instru- Modernisierungsinvestitionen verbessert werden. mente und Maßnahmen u. a. auf ihre ökonomischen und sozialen Auswirkungen hin untersucht. Schon Das Instrument der Ge- und Verbote im Bereich Wohnen jetzt herrscht in der Enquete-Kommission Einigkeit darüber, daß keinesfalls zusätzliche Regulierungen Eine Maßnahme der Gebote im Bereich Wohnen ist gewünscht werden, sondern eher deren Abbau ange- die Wärmeschutzverordnung. In verbesserter Wär- strebt wird. Im Vordergund steht, daß im Bereich des medämmung im Bestand liegt das größte Energieein- Flächenverbrauchs zukünftig das Verhältnis von sparpotential. Das Einsparpotential im Neubau ist Nutzen und Kosten für Flächen an deren begrenzter demgegenüber vergleichsweise gering und die für Verfügbarkeit ausgerichtet werden sollte. ihn geltenden Dämmvorschriften auch nur mit gerin- gen Wirkungen verbesserbar. Im Prinzip sollten für Neubau und Bestand dieselben Vorschriften zur Wär- 182) Inwieweit eine Verbesserung der Akteurskooperation beim medämmung gelten. Die Umsetzung ist bei manchen Umbau und der Energiesanierung von Wohngebäuden zu einer effektiveren Nutzung von Dämmstoffen beitragen Altbauten allerdings schwieriger als im Neubau, da- kann, wird derzeit in einem von der Enquete-Kommission her sind begründete Ausnahmen nicht zu vermeiden. vergebenen Studienprojekt untersucht

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5 Innovationen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung

Nach Auffassung der Enquete-Kommission sind In- Die Enquete-Kommission hat deshalb in einem er- novationen der Schlüssel zu einer nachhaltig zu- sten Schritt die Innovationssysteme in bezug auf kunftsverträglichen Entwicklung; sie ist ohne Inno- Trends, Mechanismen, Akteure und Hemmnisse vationen schlechterdings nicht möglich. Die En- beschrieben. Weiterhin hat sie zur Beantwortung quete-Kommission bezieht sich mit ihrem Innova- spezifischer Fragestellungen Experten-Anhörungen tionsbegriff nicht nur auf technische Aspekte, son- durchgeführt und Studien zu den Themen „Technik- dern auch auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und und Risikoakzeptanz" sowie „Umweltbewußtsein kulturelle Veränderungen. Im Sinne des integrativen und Umweltverhalten" vergeben. Konzeptes der nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- wicklung bilden wissenschaftlich-technische, ökono- mische, soziale und kulturelle Innovationen eine 5.1 Definition des Innovationsbegriffs Handlungseinheit. In der Vergangenheit ist die öko- logische Komponente jedoch nur am Rande berück- Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen sichtigt worden, während ökonomische und gesell- und der Umwelt" schließt sich der Definition der Eu- schaftliche Aspekte des Wandels wesentliche Ursa- ropäischen Kommission in ihrem Grünbuch zur Inno- chen und Triebkräfte von Innovationen waren. vation an. 183 ) Danach bedeutet Innovation, in Wi rt -schaft und Gesellschaft Neuerungen hervorzubrin- Innovationen, die dem Ziel der nachhaltig zukunfts- gen, zu übernehmen und erfolgreich zu nutzen. verträglichen Entwicklung dienen sollen, müssen sich aus ökologischer Sicht daran messen lassen, ob sie zu Erläuterung: mehr Effizienz, Suffizienz und Konsistenz führen. Un- Der Begriff Innovation ist mehrdeutig, denn er bezieht sich ter Steigerung der Effizienz wird beispielsweise ver- auf unterschiedliche Ebenen und bezeichnet sowohl einen standen, Produkte und Dienstleistungen mit geringe- Prozeß als auch ein Ergebnis. rem Einsatz von Energie und Mate rial bereit zu stel- Im ersteren Sinne sind Innovationen Prozesse der Erneue- len. Suffizienz beinhaltet u. a. Wertewandel und da- rung. Sie entstehen und entwickeln sich in einem Netzwerk mit Veränderungen des Konsumverhaltens aus ökolo- von Wechselwirkungen zwischen einzelnen Funktionen und gischem Bewußtsein heraus. Konsistenz meint, die Akteuren. Ihre Entwicklung (Diffusion) unterliegt einem Formen des Produzierens und Konsumierens besser Ausleseprozeß, vermittelt z. B. durch Preise, Bedürfnisse, Er- in den Naturkreislauf einzuschmiegen. Für Innovatio- kenntnisse und Wünsche, Einkommen, etc. und kann auf nen gilt daher in verstärktem Maße, daß sie die Be- verschiedenen Wegen erfolgen, z. B. durch Einführung, Imi- tation, Verbesserung und Ergänzung, bzw. Verbreiterung dürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen bei des Anwendungs- oder Ausführungsprofils und Ablösung einer gleichzeitigen Begrenzung des Abbaus natürli- und „Entsorgung" infolge eines weiteren Innovationsschu- cher Ressourcen und der Umweltbelastungen berück- bes. sichtigen müssen. Hieraus läßt sich ein Auftrag an die In der zweiten Bedeutung (Innovation als Ergebnis) ist das gesamte Gesellschaft, d. h. den Staat und an natürli- Schwergewicht auf das Ergebnis des Prozesses gelegt. Hier che und juristische Personen - damit auch an Unter- geht es - je nach Erklärungsebene - um neue Produkte, Ver- nehmen und Verbände - formulieren: Es sind diejeni- fahren und Dienstleistungen, aber auch um Resultate des gen Neuerungen zu unterstützen, die die ökonomi- gesellschaftlichen oder organisatorischen Wandels. Dabei schen, gesellschaftlichen und ökologischen Dimen- unterscheidet man zwischen Basisinnovation, die einen neu- sionen der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwick- en Entwicklungspfad eröffnet, und Verbesserungsinnova- tion, bei der die Ergebnisse von Aktivitäten schrittweise ent- lung miteinander verbinden. Aus diesem Auftrag er- lang bestehender Entwicklungslinien optimiert werden. gibt sich gleichzeitig die grundlegende Fragestel- lung: Wie können die Innovationssysteme in Deutsch- land in Richtung einer nachhaltig zukunftsverträgli- chen Entwicklung gefördert werden? 5.2 Der Begriff des Innovationssystems

Das Ziel einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- Der Begriff des Innovationssystems betont die Ver- wicklung muß von der gesamten Gesellschaft ange- netzung der Innovationsakteure und die Integration strebt werden. Es spricht somit gleichzeitig nicht ihrer Handlungen. Er sollte nach Auffassung der En- nur unterschiedliche Akteure, sondern auch unter- quete-Kommission nicht allein auf Forschung und schiedliche Entwicklungsträger (Technik/Technolo- Entwicklung bezogen werden. Unter Forschung und gie, Wirtschaft, gesellschaftliche Institutionen, Wis- Entwicklung versteht man vor allem die Forschungs- senschaft, etc.) an. Da zwischen diesen Bereichen tätigkeit an Universitäten und anderen wissenschaft- systematische Wechselwirkungen bestehen, ist ent- lichen Institutionen sowie in der Indust rie. Die Kom- scheidend, daß der Gedanke der nachhaltig zukunfts- plexität des von der Kommission gewählten Innovati- verträglichen Entwicklung interdisziplinär in alle Be- onsbegriffs erfordert darüber hinaus die Einbezie- reiche hinein getragen wird, damit er do rt seine spezi- hung der Rahmenbedingungen, die auf den Funk- fische Eigendynamik zugunsten einer nachhaltig zu- kunftsverträglichen Entwicklung entfalten kann. 183) Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1995) Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Abbildung 14

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tionsmechanismus eines modernen Innovations chenbezogen liegen die Stärken im Bereich der Che- systems einwirken. Hierzu gehören staatliche, halb- mie, dem Verkehrssektor und dem Maschinen- und staatliche und private Institutionen, die die For- Instrumentenbau. Gleichzeitig wird jedoch auch der schung und Entwicklung durch Maßnahmen der Fi- Verlust von Innovationsvorsprüngen sowie eine viel- nanzierung, Regulierung und Normensetzung mit fach mangelnde Risiko- und Investitionsbereitschaft prägen. Neben der klassischen Forschungs- und zur Realisierung von Innovationen beklagt. Technologiepolitik haben Politikfelder wie Wi rt -schaft, Finanzen, Umwelt, Verkehr, Kommunikation Wichtige Einflußfaktoren auf Innovationen sind: und Soziales sowie weitere Faktoren wie Humanka- • stetige• Ausweitung des internationalen Güter- und pital, Ausbildungssysteme, Infrastruktur, Kultur und Kapitalverkehrs, Lebens- und Konsumstile einen ausschlaggebenden Einfluß auf das Innovationssystem. • zunehmende internationale Verfügbarkeit von Wissen und Informationen sowie Forschungs- und Die Bedeutung nationaler und regionaler Innova- Entwicklungsleistungen, tionssysteme für die Wettbewerbsfähigkeit der jewei- • vielfach gesättigte Märkte, ein sich intensivieren- ligen Länder und Regionen und ihre Fähigkeit, den gesellschaftlichen Bedarf an Problemlösungen zu be- der Wettbewerb, zunehmend sich beschleunigen- friedigen, ist immer wieder hervorgehoben worden. de Innovationszyklen, Nationale und regionale Innovationssysteme sind da- • wirtschaftliche und politische Rahmenbedingun her trotz Internationalisierung und Globalisierung gen (z. B Steuersystem und Ordnungsrahmen), weiterhin von Bedeutung. • Verfügbarkeit von Risikokapital, Das wirtschaftliche System Deutschlands ist als eine • Kurzfristigkeit unternehmerischen Handelns im ressourcenarme, lohnintensive, stark exportorien- Hinblick auf schnellen Return on Investment und tierte soziale Marktwirtschaft zu kennzeichnen. Hier- auf Steigerung des shareholder-value, aus ergeben sich besondere Umstände für das Inno- vationssystem in Deutschland. Einer der international • zunehmende Arbeitslosigkeit mit den Folgen De- anerkannten Wettbewerbsvorteile liegt vor allem im qualifizierung und steigenden Belastungen der öf- hochqualifizierten und breit gefächerten Ausbil- fentlichen Haushalte, dungstand, also im Humankapital. Spezifische Inno- • das Bildungssystem und vationsstärken Deutschlands zeigen sich in erster Li- nie in den mittelhohen Technologiebereichen. Bran • Wertesystem und Wertewandel. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

5.3 Innovationsfähigkeit, Innovationsimpulse, • die Kompetenz, Legitimität und Potenz erwerben, Innovationshemmnisse um schnell neue, notwendige Kapazitäten zu ent- wickeln, alte zu reformieren und alle zielorientiert auszurichten. 5.3.1 Innovationsfähigkeit

Gesellschaften und Unternehmen, die sich in einer sich rasch verändernden Wirklichkeit behaupten und 5.3.2 Innovationsimpulse gestaltend eingreifen wollen, müssen in der Lage In der Geschichte der Menschheit wurden Innovatio- sein, flexibel auf neue Chancen und Risiken zu rea- nen häufig durch wissenschaftliche Erkenntnisse gieren. Voraussetzung dafür ist die Kompetenz der bzw. technische Erfindungen angestoßen. Umge- Akteure, in offenen Problemsituationen adäquate kehrt gingen aber auch gesellschaftliche Neuerun- Entscheidungen treffen und kompetent handeln zu gen wie z. B. neue Weltanschauungen oder Institutio- können. nen, wissenschaftlich-technischen Entdeckungen Innovationsfähigkeit wird wesentlich bestimmt durch und Erfindungen voraus. Im Hinblick auf ökono- die Qualität und Qualifikation der einzelnen Akteu- misch relevante Innovationen unterscheidet die Inno- re, durch den Aufbau und die Ausrichtung der Inno vationsforschung zwischen Innovationen, für die die vationssysteme und vor allem durch das Zusammen- Impulse eher aus der wissenschaftlichen Forschung spiel der Akteure in den Innovationssystemen, sowie und der technischen Entwicklung kommen (techno- durch das Innovationsklima. logy-push), und solchen, für die die Impulse eher aus der gesellschaftlichen Nachfrage bzw. aus dem ge- Innovationen für eine nachhaltig zukunftsverträgli- sellschaftlichen Problemdruck kommen (demand che Entwicklung stellen strengere Anforderungen an pull). Vieles spricht dafür, daß in den gesättigten und die Innovationsfähigkeit als die bereits dargestellten stark fragmentierten dynamischen Märkten der Ge- Kriterien. Unter den Bedingungen globaler Vernet- genwart und für die Orientierung an einer nachhaltig zungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft so- zukunftsverträglichen Entwicklung „demand-pull-- wie eines hohen Komplexitätsgrades sozialer, ökono- Faktoren" wie Leitbilder, Konsum- und Lebensstile, mischer und ökologischer Entwicklungsprozesse ist Umweltprobleme und -gesetze, Standards und Nor- Innovationsfähigkeit vor allem auch dadurch charak- men sowie Rohstoff- und Energiepreise an Bedeu- terisiert, daß die Akteure und Institutionen in der La- tung gewinnen. Gleichzeitig sehen sich die Unter- ge sind, langfristige Ziele koordiniert und über län- nehmen einer starken Beschleunigung der technolo- gere Zeiträume hinweg durchzusetzen. Sie müssen giegetriebenen Innovationszyklen ausgesetzt bzw. integrations-, konsens-, lernfähig und fehlertolerant tragen sie mit ihren technischen und Produktinnova- sein, um im Rahmen eines kooperativen Politikstils tionen selbst zur Verkürzung der Zyklen bei. einen breiteren Kreis von Akteuren zu integ rieren und zu ausgehandelten und akzeptierten Lösungen Exkurs: zu kommen, und um die notwendige Flexibilität aus- bilden zu können. Schließlich müssen Akteure und Technik- und nachfragegetriebene Institutionen in der Lage sein, schnell neue Kapazitä- Innovationsimpulse am Beispiel ten zu entwickeln, alte anzupassen und zielorientiert „Neue Werkstoffe" auszurichten. Innovationen im Werkstoffbereich stellen eine wichtige Voraussetzung für die Konkurrenzfähig- Unter den Bedingungen globaler Vernetzung, eines keit der Bundesrepublik Deutschland als Wirt- hohen Komplexitätsgrades und hoher Veränderungs- schaftsstandort dar, weil sie attraktive Märkte er- dichte sozialer, ökonomischer und ökologischer Ent- öffnen und neue Anwendungen in Hoch- und wicklungsprozesse, eines wachsenden ökologischen Schlüsseltechnologien ermöglichen. Gleichzeitig Gefährdungspotentials und zunehmender Risiko- kann der Einsatz neuer Werkstoffe während des wahrnehmung - unter dem Leitbild der nachhaltig gesamten Produktlebenszyklus zu beträchtlichen zukunftsverträglichen Entwicklung also - ist Innova- Einsparungen an Grundstoffen und Energie und tionsfähigkeit aber zusätzlich dadurch charakteri- somit zu spürbaren Entlastungen der Umwelt füh- siert, daß die Innovateure und die sie beeinflussen- ren. Diesen positiven Aspekten müssen jedoch den Institutionen möglicherweise negative Umweltbeeinflussungen • strategiefähig, d. h. in der Lage sind, langfristige gegenübergestellt werden. Nämlich dann, wenn Ziele koordiniert und über längere Zeiträume hin- sich neue Werkstoffe durch eine große stoffliche weg durchzusetzen, und energetische Eingriffstiefe auszeichnen, wenn sie schwer abbaubar sind oder nur mit be- • zu diesem Zweck die Fähigkeit ausprägen, über ei- trächtlichem Aufwand wieder in indust rielle Stoff- nen kooperativen Politikstil in die Entscheidungs- kreisläufe rückführbar sind. findung entwicklungspolitischer Leitlinien einen Eine zunehmende ökologische Belastung in einem breiten Kreis von Akteuren zu integ rieren und zu Teil des Werkstoffzyklus ist nach Meinung der ausgehandelten und akzeptierten Lösungen zu Kommission jedoch nicht von vornherein unver- kommen, d. h. integrations- und konsensfähig sind, tretbar. Sie muß immer in Relation gesetzt werden • sich strukturell fehlerfähig organisieren, d. h. zur insgesamt erwartbaren ökomischen, gesell- strukturelle und strategische Flexibilität ausbilden, schaftlichen und ökologischen Bilanz des Um- durch die der Gefahr irreversibler Zustandsände- gangs mit diesen Werkstoffen. Dies verweist auf rungen begegnet werden kann und dazu die Notwendigkeit von Verfahren zur voraus- Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

schauenden Technikbewertung. Insgesamt kann das Management von Stoffströmen keine ausrei- die umweltverträgliche Gestaltung von Werkstof- chenden Impulse. fen einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Nach Meinung der Kommission ist . die Verknüp- stofflichen und energetischen Belastungen darstel- fung von technology-push und demand-pull-Inno- len. Dazu gehört, daß bei der Werkstoffwahl und vationsstrategien im Sinne der Vernetzung von -entwicklung nicht nur auf Wirtschaftlichkeit, son- Entwicklern, Herstellern, Nutzern und Entsorgern dern auch auf optimalen Energie- und Ressourcen- von Werkstoffen entlang der Produktlinie, sowie einsatz, hochwertige Rezyklierungs- bzw. Demon- deren Verbindung mit Wissenschaftlern, die sich tagefähigkeit sowie weitgehend belastungsfreie mit Ökobilanzen beschäftigen, ein möglicher und Entsorgungsmöglichkeiten geachtet wird. unterstützungswürdiger Weg zur Verbindung von Damit die Integration des ökonomischen und des stoffökologischen Aspekten mit sozial-ökonomi- ökologischen Effizienzzieles gelingen kann, be- schen Nutzenaspekten. 185 ) Von den Akteuren der darf es zum einen einer Herangehensweise, bei Wirtschaft angestoßene Kooperationen im Stoff- der materialwissenschaftliche und ökonomisch strom bzw. in der Produktkette führen erfahrungs- technische Aspekte der Werkstoffherstellung und gemäß dann zu Innovationen mit ökologischer -verarbeitung schon auf einer sehr frühen Ent- Orientierung, wenn die Unternehmen oder min- wicklungsstufe gemeinsam mit stoffökologischen destens einer der wesentlichen Akteure im ökolo- Aspekten bearbeitet werden. Das heißt, die wis- gischen Sinne proaktiv handelt und der staatliche senschaftliche Forschung und die technologische Rahmen dem zumindest nicht entgegensteht. Entwicklung muß sich den ökologischen Anforde- Insbesondere für kleine und mittlere Unterneh- rungen widmen und entsprechend umweltver- men sollte ein Förderschwerpunkt für diese Form träglichere Neuentwicklungen anstoßen (techno- der bereichsübergreifenden Forschung und Ko- logy-push). Weiterhin müssen aber auch Wege ge- operation gebildet werden, da diese aus eigener funden werden, daß ökologisch motivierte Investi- Kraft oftmals kaum in der Lage sind, Innovationen tionsrisiken - also ein insgesamt neu zu entwik- mit hohem ökologischen Anspruch allein voranzu-- kelndes Werkstoffangebot - durch eine entspre- bringen und umzusetzen. Im Rahmen der For- chende Nachfrage bzw. Nutzenerwartung der po- schungsförderung über Verbundprojekte könnte tentiellen Anwender aufgefangen werden. Inso- diesen Unternehmen die Möglichkeit gegeben fern erfordert eine umweltverträglichere Gestal- werden, rechtliche Probleme bei der Entwicklung tung von Werkstoffen im Regelfall gemeinsame aber auch bei der Überführung neuer Werkstoffe Anstrengungen von Herstellern Anwendern und durch entsprechende Projektpartner untersuchen in einer branchenübergreifenden (vertikalen) Ko- zu lassen. In diesem Zusammenhang ist die Kom- operation entlang der gesamten Wertschöpfungs- mission der Auffassung, daß wettbewerbsrecht- kette (demand-pull). 184) liche Probleme positiv geklärt werden sollten.

Innovationsstrategien: „ technology-push"

und „ demand-pull" 5.3.3 Innovationshemmnisse Für Werkstoffsubstitutionen und -innovationen können sowohl angebots- oder/und nachfragesei- Innovationshemmnisse sind all diejenigen Faktoren, tige Innovationstrategien eingesetzt werden. Die die die Innovationsfähigkeit auf den verschiedenen angebotsseitigen technology-push-Strategien set- Handlungsebenen behindern, z. B.: zen bei Inputfaktoren des Innovationssprozesses, • ein schlechtes Innovationsklima, weil Trägheiten bei konkreten Innovationen bzw. bei Unterneh- und eingefahrene Routinen im System überwie- men an. Die demand-pull-Strategie setzt demge- gen, weil das Vertrauen zwischen den Akteuren genüber auf nachfrageseitige Anreize für Werk- fehlt, weil kein Ziel oder Leitbild allgemein aner- stoffsubstitutionen und -innovationen. Nachfrage- kannt ist und sich die Akteure gegenseitig eher seitige Anreize bieten inzwischen Regelungen im blockieren, Rahmen des Chemikaliengesetzes, im Kreislauf-

wirtschafts- und Abfallgesetz, im Bereich der tech- 185 ) Auf ökologische Innovationen ausgerichtete Kommunika- nischen Normung sowie der Qualitätssicherung tions- und Kooperationsprozesse, die die gesamte Produkt- nach DIN/ISO 9000, des Öko-Audits, im Bereich linie umfassen, sind in der deutschen Wirtschaft derzeit des Arbeitsschutzes sowie im Rahmen der Gefahr- noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Mit dem Zweck, den wirtschaftlichen und politischen Akteuren die stoffverordnung und schließlich auch im Bereich Möglichkeiten derartiger Prozesse bekannt zu machen, des Haftungsrechts. wurde im Jahre 1995 vom Umweltbundesamt in Deutsch- land ein Forschungprojekt „Produktliniencontrolling am Allerdings sind heute die Einflußfaktoren auch für Beispiel Flammschutzmittel" angestoßen. Das Konzept des Innovationen im Werkstoffbereich einerseits sehr Produktliniencontrolling beinhaltet drei Ziele: Erstens die komplex, andererseits bestehen im Hinblick auf wissenschaftliche Integration von multidisziplinären Infor- die Umsetzung der vier grundlegenden Regeln für mationen zu Stoff- und Produktströmen (z. B. mit Hilfe des sogenannten Produktstammbaums). Zweitens die Suche nach- Möglichkeiten, Stoffströme durch eine unternehmens 184) Der Lebensweg eines Produktes wird im Verlaufe sei- und branchenübergreifende Bündelung von ökonomi- ner Lebensstationen (Produktions-, Nutzungs-, Entsor- schem, technischem, ökologischem und anderem nut- gunsphase) durch unterschiedlich handelnde Personen zungsrelevanten Fachverstand insgesamt zu bewe rten. und Unternehmen geprägt. Die Enquete-Kommission Und drittens den Versuch, die betrachteten Produktlinien des 12. Deutschen Bundestages hat diese Tatsache in und Stoffflüsse durch Kooperations- und Kommunikations- ihren Ausführungen über das Stoffstrommanagement prozesse zwischen den relevanten Akteuren insgesamt ausdrücklich betont. umweltverträglicher zu gestaltete. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

• Mängel im betrieblichen Innovationssystem, wie Risiko, der Ökotoxizität und Persistenz von Stoffen Vernachlässigung von langfristiger Unterneh- bzw. der Irreversibilität von Eingriffen insbesonde- mensstrategie, Unternehmenskultur, fehlende An- re die Nachhaltigkeitskriterien Regenerierbarkeit reize und Innovationen fördernde Institutionen im von Stoff- und Energiequellen und deren Nutzung Unternehmen, mangelndes Zusammenspiel mit unterhalb der Regenerationsrate, wozu 'auch Kunden und Zulieferern, mit Dienstleistern, Bera- Aspekte der Ressourcenproduktivität wie Mate rial- tung, Marketing und Konkurrenten, und Energieeffizienz, ein hochwertiges Recycling (Wieder- und Weiterverwendbarkeit auf hohem eine unzureichende Ausrichtung der Innovations- • Ordnungsniveau) und Aspekte der Langlebigkeit prozesse und -systeme am gesellschaftlichen Be- von Produkten gehören (Mehrfachnutzung, Repa- darf, ein unzureichendes Zusammenspiel der Ak- rierbarkeit usw.). teure aufgrund von Verständigungsproblemen, mangelnder Transparenz, zu hohe Transaktions- Neben der empirischen Ausfüllung der einzelnen Be- kosten, wertungskriterien ist auch eine Gewichtung dieser Kriterien erforderlich. In der Regel sind für einzelne • fehlende Handlungsspielräume aufgrund von in- Methoden trade-offs zwischen den einzelnen Krite- flexibler und inadäquater Regulierung durch Ge- rien zu erwarten, die von den jewei ligen Entschei- setze, Standards, Normen und Genehmigungspra- dungsträgern (einzelwirtschaftlich oder politisch) ab- xis, fehlende Verläßlichkeit staatlich gesetzter Rah- zuwägen sind. Im folgenden soll diskutiert werden, menbedingungen, welche Verfahren zur Bewe rtung vorliegen und wel- • fehlende Voraussetzungen im Innovationssystem che Hilfestellung sie bei diesem Abstimmungsprozeß und bei den Akteuren wie das Vorhandensein von leisten oder leisten können. Risikokapital und Aussicht auf Amortisation der In- Innovationen wurden schon immer bewertet, im Un- vestitionen, fehlender Wettbewerb, Monopolisie- ternehmen im Zuge der Vorbereitung von Verfah- rung, „falsche" Preissignale, Nicht-Erreichen einer rens-, Produkt- und organisatorischen Innovationen, notwendigen kritischen Größe (Cluster), fehlende auf dem Markt durch Kunden, Nachfrager und Ver- Qualifikationen, Mängel in der FuE-Infrastruktur, braucher und - insbesondere bei sozialen und institu- Fehlen eines anspruchsvollen Nachfragesegmentes. tionellen Innovationen - durch Politiker, Medien und Interessenverbände. Im wesentlichen ging und geht 5.3.4 Kriterien und Verfahren zur Bewertung es dabei um Fragen der Realisierbarkeit und um Ko- von produkt- und verfahrensrelevanten sten-Nutzen-Abwägungen, aber auch Fragen der Innovationen Produkt- und Produktionssicherheit, der ökonomi- schen Stabilität und der Akzeptanz haben dabei Die Kriterien zur Bewe rtung von produkt- und ver- schon immer eine Rolle gespielt. Zunehmend ge- fahrensrelevanten Innovationen hinsichtlich ihres winnt das ökologische Kriterium an Bedeutung. Beitrages zum Ziel der nachhaltig zukunftsverträgli- chen Entwicklung müssen die drei Bewertungsdi- Bei Innovationsbewertungen bedienen sich die ver- mensionen Ökonomieverträglichkeit, Sozialverträg- schiedenen Akteure je nach Fragestellung unter- lichkeit und Umweltverträglichkeit berücksichtigen. schiedlicher Instrumente, wobei ein Instrument je nach Reichweite jeweils unterschiedlich eingesetzt • Zu den Kriterien der Ökonomieverträglichkeit ge- werden kann: hören neben den Kriterien Kosten und Nutzen • Kosten-Nutzen-Analysen, auch der Beitrag der Innovation zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit (Unterneh- • Methoden der Berechnung externer Kosten und menskompetenzen, Qualitätssicherung, Service, externer Nutzen, radikale Kundenorientierung, Erschließung neuer • Risikoanalysen, Märkte). • risk-assessment, • Zu den Kriterien der Sozialverträglichkeit gehören - neben den gesellschaftlich akzeptierten Kosten, • Ökobilanzen, Nutzen und Verminderung von technischen Risi- • Szenarienmethoden, kopotentialen - die Zahl und Qualität der mit der Innovation verbundenen Arbeitsplätze. Aber auch • Nutzwertanalyse, Kriterien zur Abschätzung der Berührung wesent- • expert-judgement, licher individueller und gesellschaftlicher Werte sind hier zu nennen, wie Identität/Integrität der • Panel-Methode, Person (von der Organverpflanzung bis zum Da- • Monetarisierungsmethoden und tenschutz), Gesundheitsgefährdung (von der Schadstoffproblematik über ergonomische Fragen • Ökotoxikologische Tests. bis zum Streß), soziale Gerechtigkeit, Frieden (u. a. Betrachtet man die Stärken und Schwächen der ein- auch internationale Verträglichkeit), bis hin zur in- zelnen Methoden in einer Zusammenschau, so ist tergenerationellen Gerechtigkeit, die. im Rahmen festzuhalten, daß sie weder für sich betrachtet, noch der Nachhaltigkeitsdebatte stärker in den Vorder- in Kombination alle drei Bewertungsdimensionen an- grund gerückt wurde. gemessen abdecken. Um dies zu verdeutlichen, • Zu den Kriterien der Umweltverträglichkeit gehö- greift die Enquete-Kommission vier Methoden her- ren - neben den externen Kosten, dem technischen aus.

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• Die konventionelle ökonomische Kosten-Nutzen raten der Ökobilanz tendenziell alle nicht direkt Analyse wird zunehmend erweitert durch die Ein- mit der Größe der Stoff- und Energieströme korre- beziehung „externer" Kosten und Nutzen. Mit ex- lierenden Umweltwirkungen aus dem Blick, insbe- ternen Kosten werden soziale und ökologische Fol- sondere (öko)toxikologische Aspekte, strukturelle gekosten bezeichnet, die bisher im Produkt- bzw. Schäden und technische Risiken. Dienstleistungspreis nicht enthalten sind, die aber • Für die Bewertung von Basisinnovationen und ihrer bei deren Herstellung, Nutzung und Entsorgung ggf. sehr weitreichenden Folgen bietet sich eher verursacht und damit der Allgemeinheit, zukünfti- die Szenariomethode an. Mit dieser Methode soll gen Generationen oder der Natur aufgebürdet nicht die wahrscheinlichste Entwicklung progno- werden. Externe Nutzen sind durch Interdepen- stiziert werden, es soll vielmehr das Spektrum denzen entstehende Nutzen ohne finanziellen „möglicher zukünftiger Entwicklungen" in Form Ausgleich. Ziel einer erweiterten Kosten-Nutzen von integrierten und in sich stimmigen Szenarien Analyse ist deshalb die Internalisierung der exter- aufbereitet und so dargestellt werden, daß eine ra- nen sozialen und ökologischen Folgekosten sowie tionale Diskussion über diese Optionen und recht- der externen Nutzen. Doch wie bei jeder Bewer- zeitige Weichenstellungen ermöglicht werden. Die tungsmethode gibt es auch hier Stärken und Szenariomethode ist sehr aufwendig. Sie wird der- Schwächen. Die Stärke liegt sicher in der direkten zeit, teilweise schon untermauert durch Computer- Anschlußfähigkeit an ökonomische Kosten-Nut- modelle und Modellrechnungen, vor allem in den zen-Kalküle. Zentrale Probleme dieser Methode Bereichen Klima, Energie und Verkehr sowie in liegen allerdings in der Bestimmung der Höhe der der langfristigen strategischen Unternehmenspla- externen Kosten und Nutzen, insbesondere für den nung eingesetzt. Verlust oder Gewinn an Lebenszeit und Lebens- qualität von Menschen, den Wert der Biodiversität Grundsätzlich bleibt aber das Problem der Gewich- oder den Erlebniswert der Natur sowie in der Be- tung der einzelnen Bewertungskriterien sowohl in- stimmung des Diskontierungssatzes mit Blick auf nerhalb der gleichen Dimension (z. B. der Sozialver-- zukünftige Generationen. träglichkeit) als auch zwischen den drei Bewertungs- dimensionen ungelöst. Ein weiteres Dilemma bei der • Mit der Risikoanalyse wird versucht, die mit Pro- Anwendung der verschiedenen Methoden der Be- dukten, Verfahren und Technologien verbundenen wertung liegt darin, daß sie eine unterschiedliche Risiken für Mensch und Natur abzuschätzen. Reichweite (Abschneidekriterien, Systemgrenzen) Wenn dies quantitativ geschehen soll, wird der ver- aufweisen und sich auf unterschiedliche - einzelwirt- sicherungsmathematische Risikobegriff verwen- schaftliche, regionale, gesamtwirtschaftliche - Be- det, wobei die Höhe des Risikos durch die Multipli- trachtungsebenen beziehen können. Vor dem Hinter- kation der Eintrittswahrscheinlichkeit mit der po- grund der Förderung nachhaltiger Innovationen er- tentiellen Schadenshöhe bestimmt wird. Problema- hält die Frage besonderes Gewicht, welche Institutio- tisch an diesem stark eingeschränkten, am techni- nen für die Durchführung dera rtiger, alle drei Dimen- schen Versagen bzw. Unfall orientierten Risikobe- sionen umfassenden Bewe rtungen hinreichend kom- griff ist die Nichtberücksichtigung der Risiken des petent und unabhängig sind. Die Enquete-Kommis- Normalbetriebs, d. h. der schleichenden Neben- sion hat alle diese Fragen andiskutiert und weitere wirkungen und langfristigen Folgewirkungen so- Beratungen für den Schlußbericht vorgesehen. wie insbesondere die Nichtberücksichtigung noch unbekannter Risiken. Letzteres führt zu der pro- blematischen Konsequenz, daß mit dem Grad der Unsicherheit, mit steigendem Nicht-Wissen über 5.4 Innovation und nachhaltig die potentiellen Schadensmöglichkeiten und deren zukunftsverträgliche Entwicklung Eintrittswahrscheinlichkeiten das quantifizierbare Risiko eher sinkt anstatt steigt. Deshalb versucht Das Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen man, dieses Manko durch eine qualitative Risiko-, Entwicklung trägt der Notwendigkeit Rechnung, die Technik- und Fehlerbaumanalyse (Systemaufbau, Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen Komplexitätsgrad, Eingriffstiefe) und durch Plausi- bei einer gleichzeitigen Begrenzung des Abbaus na- bilitätsbetrachtungen über bisher noch unbe- türlicher Ressourcen und der Verminderung der Um- kannte Schadensmöglichkeiten zu verringern. weltbelastung auf lange Sicht zu befriedigen. Damit • Bei der Ökobilanz werden Produkte v. a. hinsicht- diese Entwicklung stabil und langfristig wirksam lich der mit ihnen verbundenen Energie- und Stoff- sein kann, muß sie gleichermaßen ökonomischen, flüsse bewertet. Auch ihre Produktionsverfahren ökologischen und sozialen Zielsetzungen genügen. und Betriebsstandorte können mit einer solchen Denn einerseits ergibt sich durch die ökologischen Input-Output-Analyse bewe rtet werden. Zentrale Grenzen die grundlegende Herausforderung für In- Probleme sind bei der Ökobilanz die Beschaffung novationen, die gegenwärtigen Formen des Produ- und Aktualität der Daten für die Sachbilanz, ggf. zierens und Konsumierens mit den ökologischen Er- fehlende Wirkungsmodelle in der Wirkungsbilanz fordernissen in Einklang zu bringen. Andererseits und die Nichtvergleichbarkeit bzw. Nichtverre- muß eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwick- chenbarkeit verschiedener Wirkungsbereiche bei lung auch soziale und ökonomische Grenzen aner- der Bewertung (z. B. wenn mit dem einen Produkt kennen, deren dauerhafte Überbeanspruchung letzt- ein größerer Flächenverbrauch, mit dem anderen lich zu existenziellem Sprengpotential führen kann. ein höherer CO2-Ausstoß verbunden ist). Durch ih- Hieraus läßt sich die Notwendigkeit und der Auftrag re Konzentration auf Stoff- und Energieströme ge an die Gesellschaft ableiten, Innovationsstrategien

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im Sinne des integrativen Ansatzes des Leitbildes zu schung zu erzielen sein. Zeitgemäße Innovationsstra- fördern. Innovationen auf allen gesellschaftlichen tegien orientieren sich am gesellschaftlichen Bedarf, Ebenen wird damit die Schlüsselrolle bei der Opera- tragen den berechtigten Bedürfnissen nach Technik- tionalisierung der regulativen Idee des sustainable bewertung und Transparenz der Entscheidungen development zugewiesen. Rechnung und werden kommuniziert. Die Studie weist in ihren Empfehlungen auf Möglichkeiten hin, durch eine stärkere Partizipation der Betroffenen 5.4.1 Innovationsstrategien für eine nachhaltig (z. B. Berücksichtigung von Kundenwünschen bei zukunftsverträgliche Entwicklung Produktplanungen, Einbeziehung von Anliegern bei Innovationsstrategien im Sinne des integrativen An Planung industrieller Anlagen, Dialog über Schwer- satzes des Leitbildes Nachhaltigkeit zielen auf eine punkte der Forschungs- und Technologieförderung) umfassende, d. h. ganzheitlich wirtschaftlich-techni- und Mithilfe geeigneter Verfahren, wie z. B. backca- sche, ökologische und soziale Modernisierung von sting- und Mediationsverfahren, Konflikte über neue Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ab. Einzeloptimie- Technologien zu lösen und die Voraussetzungen für rungen im Sinne partieller Modernisierungsstrate- einen gesellschaftlich getragenen Innovationsprozeß gien können allenfalls kurzfristige Erfolge gewährlei- zu schaffen. Bei der Formulierung konkreter Hand- sten, reichen aber nicht aus, um den Strukturwandel lungsstrategien ist nach den Erkenntnissen der Stu- langfristig und nachhaltig zu gestalten. die der Dialog und die Kommunikation zwischen und innerhalb der unterschiedlichen Anspruchsgruppen Um Innovationsprozesse in Richtung einer nachhal- unerläßlich. Dabei helfen jedoch weder Chancen- tig zukunftsverträglichen Entwicklung zu fördern, noch Risikokommunikation; notwendig ist vielmehr kommt es darauf an, vorhandene Hemmnisse und die Gestaltungskommunikation, die die Chancen Ansatzpunkte zur Förderung zu erkennen. Im Rah- und Risiken von Neuerungen sowie die Folgen eines men dieser komplexen Fragestellungen hat die En- Verzichts auf Neuerungen möglichst objektiv und quete-Kommission zwei Studien in Auftrag gegeben, emotionslos gegenüberstellt. die sich u. a. mit der Bereitschaft der Gesellschaft, - sich zu erneuern und neue Wege zu gehen, beschäf- Die Studie zur Diskrepanz zwischen „ Umweltbewußt tigt haben. Voraussetzung für nachhaltig zukunfts- sein und Umweltverhalten" betont die Erkenntnis, verträgliche Innovationen ist die Fähigkeit von Men- daß eine nachhaltige Entwicklung nur realisierbar er- schen, in ihren individuellen und sozialen Bezügen scheint, wenn sich in den Industriegesellschaften die Entscheidungen so zu treffen, daß diese mit Nachhal- Formen des Wirtschaftens und Konsumierens sowie tigkeitszielen vereinbar sind, bzw. sich daran aus- die Lebensstile verändern. Dies setzt individuelle richten. Die Suche nach Strategien und Ansatzpunk- Verhaltensänderungen voraus. In der Studie wird er- ten zur Förderung von nachhaltig zukunftsverträgli- neut das hohe Umweltbewußtsein in Deutschland chen Innovationen muß von daher an vorhandenen betont. Soziale Merkmale wie Geschlecht, Bildungs- Einstellungen und Verhaltensmustern ansetzen. Dies stand oder die Berufszugehörigkeit seien jedoch setzt das Wissen darüber voraus. keine entscheidenden Einflußfaktoren für Umweltbe- wußtsein und -verhalten. Strategien, die allein auf Die Studie „ Risiko- und Technikakzeptanz" geht vor Wissensvermittlung setzen und dadurch schnelle allem auf Technikeinstellungen in Deutschland ein Verhaltensänderungen bewirken wollen, greifen und kommt zu dem Ergebnis, daß es in Deutschland demnach zu kurz. Umweltgerechtes Verhalten kann keine generelle Technik- und Risikofeindlichkeit laut Studie nur zu 15 bis 20% durch erhöhtes Wissen gibt. Vielmehr ist in Deutschland, wie in allen ver- über die Umwelt erklärt werden. Maßgeblich für zu gleichbaren Industriestaaten, in den letzten 20 Jah- beobachtendes Verhalten sind individuelle Kosten- ren eine differenzie rte, zumeist ambivalente Einstel- Nutzen-Abwägungen oder Fragen des individuellen lung gegenüber neuen Techniken entstanden. Wäh- Wohlbefindens; Umweltverhalten ergibt sich vor al- rend neue Techniken im Konsum- und Freizeitbe- lem aus unterschiedlichen Lebensstilen. reich sowie am Arbeitsplatz überwiegend positiv be- urteilt werden, besteht Skepsis oder Aversion gegen- In der Studie werden drei sich ergänzende Vorschlä- über Techniken, die die Menschen nicht unmittelbar ge für notwendige Vermittlungs- und Kommunika- nutzen, aber deren Risiken sie sich ausgesetzt fühlen tionsprozesse im Sinne des Leitbildes vorgestellt: Im („externe” Technologien). 186 ) Die ambivalente Hal- Rahmen eines Popularisierungskonzeptes könnte tung erklärt sich vor allem aus der Kluft zwischen über Bilder und Symbole die Vision einer umweltver- den in der Vergangenheit von Wi rtschaft, Wissen- träglichen Wirtschafts- und Lebensweise attraktiv schaft und Politik geweckten Erwartungen an neue gemacht werden, im Rahmen eines Machbarkeits- Technologien und den tatsächlichen Erfahrungen der konzeptes könnte über Programme zur Ökologisie- Menschen. Dies bezieht auch die Angst vor Arbeits- rung z. B. von Schulen und Hochschulen ein verant- platzverlusten, sozialen Folgeproblemen und Um- wortungsvoller Umgang mit Ressourcen demonst riert weltgefahren ein. Gesellschaftliche Unterstützung und erfahrbar gemacht werden. Ein neues, langfri- von Neuerungen wird auch zukünftig nicht durch stig orientiertes Bildungskonzept hätte die Imple- klassische Risikoberechnungen und Akzeptanzfor- mentierung von sustainability in alle Bereiche des Bildungswesens (vorschulische Erziehung, Schule, 186) Der Begriff Risikotechnologie" läßt sich definieren als Hochschule, betriebliche Ausbildung, Weiterbil- großtechnisches Projekt, dem ein hohes Katastrophenpo- dung) zum Ziel. Umweltgerechtes Verhalten und das tential zugeschrieben wird und dessen Risiken als aufge- zwungen, ungleich verteilt und nur unzureichend kontrol- integrierte Bearbeiten von sozialen, ökonomischen lierbar angesehen werden. und ökologischen Fragestellungen muß genauso

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode selbstverständlich werden wie Lesen und Schreiben. weil sich entgegengesetzte Interessen durchsetzen Um die heutigen Wissensdefizite über Umweltbe- oder notwendige Strukturen und Institutionen in Po- wußtsein und -verhalten zu beseitigen, ist der Aus- litik, Wirtschaft und Gesellschaft fehlen. bau der geistes- und sozialwissenschaftlichen For- Dessen ungeachtet lassen sich weitestgehend im Zu- schung, insbesondere im Bereich des Alltagsverhal- sammenhang mit dem Leitbild übergeordnete Pro- tens, vordringlich auszubauen. blembereiche identifizieren, die zwischenzeitlich als Die beiden Studien heben die Entstehung und Arti- Herausforderung für die Weltgesellschaften aner- kulation individueller Meinungen und Einstellungen, kannt sind und an denen sich die für eine nachhaltig des gesellschaftlichen Bedarfs an Problemlösungen zukunftsverträgliche Entwicklung notwendigen In- und die Bedeutung von Leitbildern für die gesell- novationsimpulse grundsätzlich orientieren müssen. schaftliche Entwicklung in den Vordergrund. Innova- Diese stellen eine ständige Herausforderung für die tionsstrategien, die die nachhaltig zukunftsverträgli- Weltgesellschaften dar und geben den für eine nach- che Entwicklung erfolgreich kommunizieren und haltig zukunftsverträgliche Entwicklung notwendi- u. a. technische Innovationen mit Lebensstil und Ver- gen Innovationsstrategien eine grundsätzliche Orien- haltensänderungen verknüpfen wollen, müssen der tierung vor. Dahinter verbirgt sich jeweils eine Viel- sozialen Differenzie rtheit, der Ausprägung indivi- zahl von Einzelfragen, die ökologische, ökonomische dueller Lebensstile und den gesellschaftlichen Betei- und soziale Aspekte beinhalten. Als die wichtigsten ligungswünschen gerecht werden. Eine Entwicklung Ziele von Innovationen sind Lösungsansätze für fol- wird nur dann nachhaltig zukunftsverträglich sein, gende zentrale Problembereiche zu sehen: wenn sie die Zustimmung der Gesellschaft findet. • das dynamische Wachstum der Weltbevölkerung, Die zu wählenden Innovationsstrategien müssen da- her einen Suchprozeß gewährleisten, der unter- • die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen, schiedliche individuelle Interessen und Entscheidun- • die begrenzte Belastbarkeit der Ökosysteme, gen so zusammenführt, daß gesellschaftliche Hand- • das Problem des jobless growth in den entwickel- lungsfähigkeit im Sinne von sustainability entsteht. ten Industrieländern, Institutionellen Innovationen wird in diesem Zusam- menhang eine zentrale Funktion zugewiesen. • die sozialen und wirtschaftlichen Defizite, insbe- sondere die Unterversorgung großer Teile der Neben den Verhaltensweisen und -normen einzelner Weltbevölkerung (nicht nur in den Entwicklungs-, ist das Verhalten von Organisationen und Institutio- sondern auch in den Schwellen- und Industrielän- nen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu beurtei- dern). len. Die von der Enquete-Kommission Ende 1996 in

Auftrag gegebene Studie „ Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit" soll unter ande- 5.4.3 Zentrale Handlungsfelder rem die vorliegenden institutionellen Rahmenbedin- für integrative Innovationsstrategien gungen untersuchen sowie Optionen für institutio- Nach Auffassung der Enquete-Kommission sind In- nelle Reformen darstellen. novationen nicht nur ein wirtschaftlicher Mechanis- mus oder ein technischer Prozeß. Sie sind vor allem ein soziales Phänomen, in dem die Kreativität und 5.4.2 Innovationsimpulse im Kontext des Leitbilds die Durchsetzungsmöglichkeit von Einzelpersonen, Das Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen Interessengruppen und Gesellschaften, ihre Bedürf- Entwicklung zielt auf die Sicherung der natürlichen nisse oder Wünsche zum Ausdruck kommen. Von Lebensgrundlagen, den Erhalt der wirtschaftlichen daher sind Zweckbestimmungen, Folgen und Rah- Leistungsfähigkeit und die gerechte Verteilung von menbedingungen der Innovation eng mit der Ge- Arbeit, Einkommen und Lebenschancen ab. Jegliche schichte, der Kultur, der Bildung bzw. dem Wissen, ökonomische und soziale Entwicklung setzt aber den den politischen und institutionellen Organisationen Erhalt der Umwelt voraus. Zugleich kann die Ökolo- sowie den wirtschaftlichen und technischen Struk- gie eine dynamisierende Schlüsselrolle für Innovatio- turen und Möglichkeiten einer Gesellschaft ver- nen, Beschäftigungssicherung und die Steigerung knüpft. wirtschaftlicher Effizienz übernehmen. Für die Förderung von Innovationen ergeben sich da- Gegenwärtig wird in der Regel sowohl in den Indu- mit zwei Ansatzebenen: striestaaten als auch in den Regionen der sogenann- ten Dritten Welt die Lösung der aktuellen ökonomi- 1. Die Ebene des Könnens schen, sozialen und ökologischen Herausforderun- repräsentiert durch gen noch nicht gemeinsam angegangen. Die Ge- • die technische Problemlösungskompetenz, wichtung zwischen ökonomischen, sozialen und öko- logischen Zielen fällt in den Weltregionen unter- • das ökonomische Handlungswissen, schiedlich aus, oft werden sie gegeneinander ausge- • die Wissenschaft, spielt. • die Lern-, Verständigungs- und Gestaltungs- Die Innovationschancen einer integ rierten Betrach- prozesse der Gesellschaft, tung - auch im Rahmen der Globalisierung von wirt- 2. Die Ebene des Wollens schaftlichen Aktivitäten einerseits und Verarmungs- repräsentiert durch die Akteure in den jeweiligen tendenzen sowie der Globalisierung von Umweltge- Innovationssystemen. fahren andererseits - werden unzureichend genutzt,

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Da erfolgversprechende Maßnahmen zur Förderung die Mittel und Wege für weltweite Aktivitäten fehlen von Innovationen beide Ansatzebenen gleichzeitig oder sie auf heimische Märkte ausgerichtet sind. Ins- berücksichtigen müssen, empfiehlt sich aus pragma- besondere kleine und mittlere Unternehmen leiden tischen Gründen eine Verdichtung von Förderungs- aber erheblich unter dem Preisdruck von Impo rten, strategien auf „Aktionsfelder". Hier wären beispiel- die aus Ländern mit günstigerer Kostenstruktur zu haft zu nennen: uns kommen. Die Innovationsförderung muß sich da- her auf diese Unternehmen konzentrieren, damit ih- • Aktionsfeld „Unternehmen", nen ein Überleben im weltweiten Wettbewerb und • Aktionsfeld „Organisationsstrukturen", damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht wird. Darüber hinaus sind die Rahmenbedingungen für • Aktionsfeld „Bildung und Kommunikation", ausländische Investoren in Deutschland zu verbes- • Aktionsfeld „Produkte, Verfahren, Technologie", sern, um das arbeitsplatzschaffende Potential von In- vestitionen ausländischer Unternehmen zu nutzen. • Aktionsfeld „Wissenschaft und Forschung”.

Nach Meinung der Enquete-Kommission sollten Ansatzpunkte hierzu gibt es u. a. im Zusammenhang Maßnahmen zur Förderung von Innovationen in mit einer Neuorientierung in der Umweltpolitik. In Richtung Nachhaltigkeit in Aktionsfeldern Schwer- ihrem von der Enquete-Kommission in Auftrag gege- punkte setzen. benen Gutachten zur „ Erstellung eines nationalen Umweltplans" geben Jänicke und Kraemer wichtige Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten bei den Aktionsfeld „Unternehmen" für ausländische Investoren kaum nachvollziehbaren und damit oft prohibitiv wirkenden gesetzlichen und Den Unternehmen wird im Zusammenhang mit Inno- untergesetzlichen Regelungen. Die Autoren zeigen vationen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche die Vorteile langfristiger, realistischer und erreichba- Entwicklung eine entscheidende Rolle zugewiesen. rer Umweltziele im Rahmen eines nationalen Um- Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die ent- weltplans gegenüber einem sich ständig verändern- scheidenden Innovationsimpulse im Unternehmens- den dichten Geflecht von Regulierungen auf. Damit sektor letztlich immer bet riebswirtschaftlich motiviert würde Deutschland - bezogen auf die Umweltpolitik sind. Die Wahrnehmung von Anliegen, die eine - für ausländische und deutsche Investoren gleicher- nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung betref- maßen zu einem verläßlicheren Standort. Gleichzei- fen, durch die Unternehmen ist damit ebenfalls ein tig ergäbe sich mit einer verstetigten Umweltpolitik Ergebnis betriebswirtschaftlich rationalen Verhal- ein längerfristig kalkulierbarer Rahmen für Innova- tens. Beispiele sind der zunehmende Übergang von tionen: Vorrang sollte ein Vorgehen [Anm.: damit ist additiven zu integrierten Umwelttechnologien, die der Umweltplan gemeint] haben, das die Vorteile Automatisierung von Betriebsabläufen, Ressourcen- einer politischen und ökonomischen Modernisierung einsparungen und Kooperationsstrategien, die letzt- betont - eine Strategie, die umweltpolitische Ver- lich auf einem ökonomischem Kalkül der Unterneh- waltungs-, Integrations-, und Zielbildungsprozesse men basieren. Damit ergeben sich im Hinblick auf in- erleichtert und eine Strategie, die nach Form und In- tegrative Innovationsstrategien folgende Ansatz- halt ökonomische Vorteile (win-win-Lösungen) sucht punkte für die Unternehmen: Es ist vor allem zu prü- und Innovationsprozesse stimuliert. Auch hinsicht- fen, wie Zielkonflikte zwischen kurzfristigen Ge- lich der Modernisierung des Produktionsapparates winnerwartungen und längerfristigen strategischen könnte ein entsprechend ausgestalteter Umweltplan Zielen sowie einzelwirtschaftlicher und betriebswirt- effizientere Anreize setzen als selektive Modernisie- schaftlicher Rationalität einerseits und gesellschaft- rungsstrategien. Der Trend zum integ e en Umwelt- lich bzw. volkswirtschaftlich Notwendigem oder ri rt schutz wird durch langfristige Zielvorgaben und kla- Wünschenswertem andererseits gelöst oder zumin- re Rahmensetzung weitere Impulse erhalten, da sich dest in ihren Auswirkungen gemildert werden kön- die Investitionssicherheit erhöht, wenn Unternehmen nen. Eine der zentralen Zukunftsaufgaben liegt im die Technologiewahl und den Investitionszeitpunkt Spannungsfeld Globalisierung der Märkte und des kalkulieren können. Wettbewerbs. Hier gilt es, die Globalisierung der Un- ternehmensaktivitäten mit gesellschaftlichen An- Ökologische Modernisierung wird zunehmend zur sprüchen soweit wie möglich in Einklang zu bringen. integrativen Innovationsstrategie, wenn man berück- Dabei sind sowohl die mit der Globalisierung verbun- denen Chancen als auch die Risiken im Hinblick auf sichtigt, daß ökologisch motivierte Veränderungen letztlich immer auch wirtschaftliche Unternehmens- eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung zu ziele sowie transparente Maßnahmen und Zeitvor- untersuchen. Insbesondere ist es notwendig, die sich gaben berühren und im Rahmen der Unternehmens- aus der Globalisierung von Unternehmensaktivitäten organisation und -kommunikation auch die Partizipa- bietenden Chancen für die Umsetzung von Nachhal- tion der Mitarbeiter bet rifft. tigkeitszielen zu nutzen (Vernetzung, Standards, Un- ternehmenssicherung, Sicherung bestehender und Schließlich ist zu untersuchen, welche Kooperations- Schaffung neuer Arbeitsplätze). strategien dazu führen können, daß die Ausrichtung Allerdings sind in aller Regel große Konzerne in der von Neuerungen nicht auf der eigenen Wertschöp- Lage, ihre Unternehmensaktivitäten global auszu- fungsstufe verharrt und damit möglicherweise schei- richten. Kleinere und mittlere Unternehmen sind da- tert. Damit bietet sich nicht nur die Kooperation auf gegen häufig an den deutschen Standort oder den horizontaler Ebene an, sondern auch die Einbezie- europäischen Markt gebunden, da ihnen entweder hung des Kunden in die Innovationsprozesse.

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Aktionsfeld „Organisationsstrukturen" Wertvorstellungen vollzieht sich jedoch erst im Wechsel von Generationen bzw. im Verlauf des Die vielfach in Politik, Verwaltung und Wi rtschaft Heranwachsens neuer Generationen, die ihr Erwach- vorzufindenen internen Organisationsstrukturen sind senenleben bereits mit veränderten Wertvorstellun- nach Auffassung vieler Wissenschaftler nicht geeig- gen beginnen. Es ist daher notwendig, das Leitbild net, ein „management of change" umzusetzen. Inte- der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung grative Innovationsstrategien müssen darauf abzie- schwerpunktmäßig in alle Bereiche der Bildungs- len, innovationshemmende betriebsinterne Struktu- und Ausbildungssysteme zu integrieren. Darüber ren zu verändern und zu einer Modernisierung von hinaus sollten im Sinne der „Popularisierungsstrate- Politik und Verwaltung sowie der Unternehmen bei- gie" Institutionen selbst zum Ort des exemplarischen zutragen. In den Unternehmen müssen sich „quer- Lernens für Nachhaltigkeit werden. denkende Visionäre" stärker gegenüber den „kühlen Analysten" behaupten und durchsetzen können. Es gilt, in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesell- schaft Freiräume zu schaffen, in denen Elemente ler- Aktionsfeld „Produkte, Verfahren, Technologien" nender Organisationsstrukturen realisie rt werden Produkte sowie Verfahren und Technologien, die zu können. Innovationsprozesse sind arbeitsteilige Pro- ihrer Erstellung notwendig sind, bilden einen zentra- zesse, in denen vor-, nach- und nebengelagerte Be- len Ansatzpunkt für Innovationsstrategien. Techni- reiche mit spezifischen know-how-Beständen koope- scher Fortschritt, neue Entdeckungen, auftretende rieren. Die lernende Organisation ist gefordert, Inno- Unverträglichkeiten, geänderte Verhaltensweisen vation als reflexiven Prozeß zu verstehen und Visio- und steigende Anforderungen an Produkte und Pro- nären und Analysten gleichermaßen den notwendi- duktqualität und schließlich der nationale und inter- gen Freiraum zu geben. nationale Wettbewerb führen zu einem kontinuierli- Der Innovationsprozeß berührt damit in einer lernen- chen Neuerungsprozeß im Bereich Produkte und den Organisation - sowohl in Wirtschaft als auch Ver- Verfahren. Dieser Wandlungsprozeß vollzieht sich in - waltung - Fragen nach der Führung von Organisatio- Sprüngen oder in kleinen Schritten. Der Bezug zur nen, nach der Hierarchie, nach der Beteiligung an Nachhaltigkeit ergibt sich unmittelbar durch die ho- Lern- und Innovationsprozessen, nach der Kommuni- he ökonomische, ökologische und soziale Relevanz kation innerhalb der Organisation und nach dem von Produktion und Konsumtion. Einsatz und der Qualifizierung von Mitarbeitern. Die -Produkte sind das Ergebnis von Stoffumwandlungs „Innovationsfitness" der am Innovationsprozeß betei- und Bearbeitungsprozessen. Mit Hilfe eines oder ligten Akteure kann durch eine Vielzahl von Maß- mehrerer geeigneter Verfahren sowie der zur Verfü- nahmen gefördert werden, die sich vor allem auf die gung stehenden Technologien werden dabei Pri- Qualifikation sowie die Möglichkeit ihrer Verschrän- mär- oder Sekundärrohstoffe in praktische Problem- kung beziehen. lösungen für Konsum oder Weiterverarbeitung um- gewandelt. Das Produkt erfüllt damit eine spezifi- Aktionsfeld „Bildung und Kommunikation" sche Funktion für seinen Nutzer, es „stiftet individu- elle Nutzen", denen allerdings volkswirtschaftliche Bildung und Kommunikation sind Schlüsselgrößen Kosten in Form „nicht-internalisierter" (ökonomi- für den Erfolg von Innovationsstrategien. Während scher, ökologischer und/oder sozialer) Kosten und Bildungserfolge in der Regel erst langfristig - und Risiken gegenüberstehen können. Die Wertschät- in bezug auf gewünschtes Nachhaltigkeitsverhal- zung des Nutzers für das Produkt kann in dem Preis ten nur sehr eingeschränkt - wirksam werden, ent- ausgedrückt werden, den dieser dafür zu zahlen be- falten Kommunikationsstrategien oftmals unmittel- reit ist. bar ihre Wirkungen. So haben Angstkommunikation einerseits und überzogene Nutzen- und Sicher- Ein innovatives Produkt wird in aller Regel durch heitsversprechen andererseits bei einzelnen Techno- Dienstleistungen, wie z. B. Forschung und Entwick- logielinien zu einer Polarisierung der Diskussion um lung, Service, Beratung und Reparatur ergänzt. Es ist ökologische, ökonomische und soziale Risiken von auch denkbar, daß ein Produkt als reine Dienstlei- Innovationen und einer damit einhergehenden Ver- stung erstellt wird und damit keinen physischen Kern härtung der Fronten geführt. Das traditionelle Vor- aufweist. Eine gewünschte Problemlösung kann in gehen im Sinne „Gutachten versus Gegengutach- der Regel durch mehrere Produktalternativen bereit- ten" zeigt deutliche Grenzen. Zur Herstellung eines gestellt werden. positiven Innovationsklimas ist eine „Gestaltungs- Innovationsstrategien, die an Produkten oder Pro- kommunikation" erforderlich, bei der auf der Basis duktionsverfahren ansetzen, sollen auf Verbesserung breiter Beteiligung und transparenter Informationen im Sinne der Nachhaltigkeit abzielen. Dafür sind Nutzen und Risiken sowie Auswahl und Bedingun- Kriterien zu entwickeln, welche derzeitige und zu- gen von Technikanwendungen im Mittelpunkt ste- künftige Produkte und Verfahren im Hinblick auf ih- hen. re Nachhaltigkeit überprüfen (siehe Kapitel 5.3.4, Langfristiges Anliegen von Innovationsstrategien Seite 79). Grundsätzlich sind Innovationen im Sinne muß es sein, die für die erforderlichen Neuorientie- der grundlegenden Regeln, wie sie von der Enquete rungen notwendigen Lern- und Kommunikationspro- Kommission des 12. Deutschen Bundestages aufge- zesse zu organisieren, da die Umsetzung des Leitbil- stellt wurden, zu fördern. Im Idealfall führen die da- des letztlich nur auf Basis eines entwickelten Pro- mit verbundenen Prozeß- und/oder Produktinnova- blembewußtseins gelingen kann. Der Wandel von tionen zu:

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• einer Verbesserung der Ressourcenproduktivität, deutung. Während bei letzterem die Produkte und Verfahren im wesentlichen unverändert bleiben, • einer verstärkten Nutzung regenerierbarer Ener- bietet der produkt- und produktionsintegrierte gie- und Stoffquellen, Umweltschutz den Vorteil, daß ökologische • einer höheren Umweltverträglichkeit bei Produk- Aspekte schon von Anfang an in die Produkt- und tion, Nutzung und Entsorgung, Prozeßplanung einfließen. Dieser Trend könnte • einer höheren Produktqualität, insbesondere hin- sich verstärken, wenn im Rahmen einer Neuorien- sichtlich Langlebigkeit, Modulbauweise, Moderni- tierung der Umweltpolitik über langfristige Ziel- sierbarkeit und Multifunktionalität, vorgaben eine höhere Flexibilität der Wirtschaft entlang der Zeitachse gewährleistet werden kann. • einer Verbesserung der Möglichkeiten für ein hochwertiges Recycling (Produkt- und Komponen- • Von der Steigerung der Ressourcenproduktivität tenrecycling vor Materialrecycling), können Unternehmen, Arbeit und Umwelt glei- chermaßen profitieren. • einem Ersatz besonders problematischer Stoffe, Verfahren und Produkte und zur Vermeidung ex- tremer technischer Risiken, Aktionsfeld „Wissenschaft und Forschung"

• einem aus Sicht des Nutzers akzeptablen Preis-/ Neues Wissen und seine intelligente Anwendung Leistungsverhältnis, sind der Schlüssel zur Lösung der ökologischen, • einer steigenden Produkt- bzw. Anwendersicher- sozialen und ökonomischen Herausforderungen des heit, 21. Jahrhunderts. • einer Zunahme der Arbeitssicherheit bei der Lei- In einem diskursiven Prozeß - im Sinne eines gesell- stungserstellung, schaftlichen Zukunftsdiskurses zwischen Wissen- schaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat - ist der • positiven betriebs- und volkswirtschaftlichen Net- Bedarf an Problemlösungen, an Handlungswissen toeffekten, wie z. B. einer Sicherung von Marktan- - und an technischen Entwicklungen für eine zu- teilen, Renditen, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeits- kunftsfähige Entwicklung zu erarbeiten und wissen- plätzen und sozialer Sicherung und schaftlich zu fundieren. So läßt z. B. allein die Ent- • einem Einbezug betrieblicher Akteure. wicklung von Nachhaltigkeitszielen im Rahmen dis- kursiver Methoden die Fülle offener Fragen an Wis- Ob eine Produkt- oder Verfahrensinnovation nach- senschaft und Forschung erahnen. -haltiger ist als eine andere, kann immer nur kontext und zeitabhängig entschieden werden. In dem Suchprozeß nach Wegen zur Nachhaltigkeit sind die Fähigkeit zur Selbstregulation und eigenver- Ungeachtet der Notwendigkeit, die Vorteilhaftigkeit antwortliches Handeln von Wissenschaftlern in von Neuerungsprozessen im Einzelfall prüfen zu Hochschulen, in außeruniversitären Forschungsein- müssen, können einige generelle Trends im Bereich richtungen und in den Forschungs- und Entwick- Produkte und Verfahren identifiziert werden, die im lungsabteilungen der Wi rtschaft in besonderem Ma- Rahmen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- ße erforderlich. wicklung grundsätzlich zu unterstützen sind: • In der Vergangenheit dominierte die Bereitstellung Bereits in der 12. Legislaturperiode hat die Enquete von Einzelstoffen und Produkten. Heute werden Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" anstelle einzelner Stoffe oder Produkte zunehmend Anforderungen an „Forschung und Wissenschaft" integrierte, intelligente, d. h. ressourcen- und ener- formuliert, die sich aus einem Paradigmenwechsel im giesparende sowie funktionsorientierte Produkt- Sinne des Leitbildes einer nachhaltig zukunftsver- konzeptionen oder Systemlösungen mit einem hö- träglichen Entwicklung ergeben. Danach sollen u. a. heren Dienstleistungsanteil umgesetzt. Umweltverträglichkeiten, Verringerung der Ein- griffstiefe in die Natur, Sozialverträglichkeit, Nach- • Es gelingt heute zunehmend, die Prinzipien zu er- haltigkeit in der wirtschaftlichen Nutzung, Fehlerto- kennen, welche die Natur im Laufe der Evolution leranz von Technik als inhaltliche Kriterien bei der im Umgang mit Materie, Energie und Information Formulierung von Forschungszielen und -program entwickelt hat ( „von der Natur lernen"). Sowohl men sowie der Gestaltung von Forschungsprozessen natürliche Wirkprinzipien (Anwendungsbereiche: und technischen Entwicklungsvorhaben Anwen- Pharma, Ernährung, Pflanzenschutz) als auch na- dung finden. Wissenschaft und Forschung müssen türliche Strukturen (Anwendungsbereiche: Kon- ihren Beitrag dazu leisten, zugleich zukunftssichere struktion) dienen zunehmend als Vorbilder für Arbeitsplätze und soziale Sicherheit zu schaffen, die neuartige Problemlösungen. Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und die • Die Kunden werden zunehmend bei der Produkt- natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. planung in den Produktionsprozeß einbezogen. Die erforderliche Neuorientierung von Forschung Dies führt zu höheren Funktionalitäten und einem und Wissenschaft kann durch eine Konzentration auf steigenden Dienstleistungsanteil der Produkte und neue Themen und inhaltliche Fragestellungen allein verschafft dem kundennahen Hersteller Wettbe- nicht hinreichend beschrieben werden. Die Integra- werbsvorteile auch bei homogenen Standardpro- tion von ökologischen, sozialen, ökonomischen und dukten für die industrielle Weiterverarbeitung. technischen Fragestellungen benötigt auch neue me • Gegenüber dem integ rierten Umweltschutz ver- thodisch-konzeptionelle Zugänge in Forschung und liert der additive Umweltschutz zunehmend an Be Wissenschaft, die sich im wissenschaftlichen Selbst-

Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode verständnis, in strukturellen Veränderungen in der schungen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Wissenschafts- und Forschungslandschaft und in den Entwicklung. Instrumenten der Forschungsförderung niederschla- Aus neuen methodisch-konzeptionellen Zugängen gen müssen. ergeben sich zugleich neue Aufgaben und Anforde- Gegenwärtig werden für die Neuausrichtung von rungen für die staatliche Förderung von Forschung Forschung und Wissenschaft folgende methodisch und Entwicklung. In der Bundesrepublik Deutsch- konzeptionellen Kriterien diskutiert: land werden weit über die Hälfte der Forschungsaus- gaben von der Wirtschaft getragen. Die staatlichen • Die problemorientierte Interdisziplinarität: Die in- Möglichkeiten der Einflußnahme auf Innovationspro- terdisziplinäre Zusammenarbeit von natur-, inge- zesse in der Wirtschaft durch Förderprogramme sind nieur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen begrenzt. Doch der Staat setzt - allerdings begrenzt Disziplinen ist unverzichtbares Element zur Her- auf den nationalen Bereich - Rahmenbedingungen ausbildung von Innovationen für eine nachhaltige für Forschung und Technologieentwicklung. Er kann Entwicklung. Die Formulierung der wissenschaftli- die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die chen Fragestellungen sollte sich weniger aus der Anwendung beschleunigen und die Marktchancen internen Entwicklung einer Disziplin ergeben als neuer Produkte beeinflussen. Die Ergebnisse staatli- aus dem gemeinsamen Bezug auf konkrete Pro- cher Forschungsförderung liefern in erheblichem blemlagen. Ausmaß auch die Grundlagen für Gesetzgebung und • Die Verbindung von grundlagen- und anwen- Normenbildung in den verschiedensten Politikfel- dungsbezogener Forschung: Die moderne Form dern. Um diesem Beitrag und dem Einfluß der staat- der Wissensgewinnung überwindet die klassische lichen Förderung von Forschung und Entwicklung Trennung zwischen Grundlagen- und anwen- entsprechend Rechnung zu tragen, muß das Leitbild dungsbezogener Forschung. Darüber hinaus einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung macht der hohe Bedarf an innovativen Problemlö- auch zum Leitziel der Forschungs- und Technologie- sungen einen möglichst effizienten Wissenstrans- politik werden. - fer und eine schnelle Umsetzung von Forschungs- Die zentrale Aufgabe der Forschungs- und Technolo- ergebnissen in die Anwendung erforderlich. giepolitik im Sinne des neuen Leitbildes besteht dar- • Die Zukunfts- und Folgenabschätzungsorientie- in, Wissen und Forschungsprozesse zu Umwelt, Ge- rung: Durch die Zukunftsorientierung entstehen sellschaft, Wirtschaft und Technik in einen produkti- neue Zeithorizonte für Forschung und Wissen- ven Zusammenhang zu bringen, für integrierte schaft. Anstelle der kurzfristigen Optimierung be- Handlungs- und Entwicklungsstrategien nutzbar zu stehender Technologie- und Produktlinien rückt machen und die Umsetzung in Innovationen zu för- eine Zukunfts- und Folgenabschätzungsorientie- dern. In der Förderpolitik gilt es, die inhaltlich-pro- rung in den Vordergrund. Dies stellt neue Anforde- grammatischen Ziele und Kriterien einer nachhalti- rungen insbesondere an die wissenschaftliche gen Entwicklung umzusetzen und die neuen metho- Prognosefähigkeit über soziale, gesellschaftliche, disch-konzeptionellen Zugänge zu eröffnen. Damit ökonomische und ökologische Entwicklungen, an wird die Förderung des öffentlichen Diskurses über die Früherkennung wissenschaftlich-technischer Zukunftsvisionen und neue Technologien zu einer Trends und die Analysefähigkeit und Abschätzung weiteren wichtigen Aufgabe der Forschungs- und möglicher Folgen auch der grundlagennahen For- Technologiepolitik . schungen. Für die Neuorientierung der Forschungs- und Tech- • Die Verbindung von regionalen und globalen Ana- nologiepolitik ergeben sich daraus Fragestellungen, lyseebenen: Fragen der „Global-Change-For- die zum einen eine Änderung ihrer inhaltlichen Ziel- schung" und internationaler Entwicklungen sind perspektiven (Ressourcenschonung, Integration so- mit der Entwicklung von Analysen und Hand- zialer Ziele etc.) umfassen. Zum anderen ist zu über- lungsmöglichkeiten auf nationaler, regionaler und prüfen, lokaler Ebene in Beziehung zu setzen, um dem Ziel wie Transparenz und Mitwirkung in der For- einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise • näher zu kommen. schungs-, Technologie- und Innovationspolitik zu verbessern sind, • Die Orientierung an Bedürfnisfeldern: Die Orien- tierung an Bedürfnisfeldern bedeutet einen Per- • wie neue Verfahren zur Abschätzung künftiger spektivenwechsel. Die entscheidenden Innovatio- Entwicklungen, des gesellschaftlichen Bedarfs und nen liegen nicht mehr primär in der isolierten Ver- der wissenschaftlichen Problemlösungsfähigkeit besserung einzelner Produkte oder Technologien, etabliert werden können, sondern in der Nachhaltigkeit der Bef riedigung • wie die inhaltlichen und methodisch-konzeptionel- von Bedürfnissen in den Bereichen Bauen und len Neuorientierungen auf der Ebene der Förder- Wohnen, Ernährung, Arbeit, Bekleidung, Bildung, programme umgesetzt werden können, Mobilität, Freizeit etc.. • welche Instrumente der Forschungsförderung den • Die Akteursorientierung: Sie umfaßt die Analyse neuen Anforderungen gerecht werden, von Innovationssperren und Handlungsmöglich- keiten unterschiedlicher Akteure in Gesellschaft, • welche strukturellen Änderungen in der Wissen- Wirtschaft und Staat und die Einbeziehung ihrer schafts- und Forschungslandschaft gefördert wer- Problemwahrnehmungen und ihres Wissens in For den müssen,

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• wie die weltweite Verflechtung der „wissenschaft- sondere oder Neuartige für Innovationsprozesse und für lichen Szene" in nationalen Förderprogrammen die Gestaltung des Innovationssystems, das sich aus dem entsprechend berücksichtigt werden kann, da eine Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwick- lung ableitet? neue Forschungs- und Technologiepolitik von der Vorstellung, neue Technologien und Verfahren sei- 3. Im historischen Rückblick zeichnet sich ein enger Zusam- en monopolisierbar, Abschied nehmen muß und . menhang zwischen Art und Weise des Wirtschaftens und seiner technischen Mittel ab. Das Mittelalter hatte die • wo staatliche Forschungsförderung ihre Grenzen Handmühle, die industrielle Revolution schuf für die hat bzw. in Frage zu stellen ist. Marktwirtschaft die Dampfmühle. Ist es da nicht logisch zu fragen: Welche Mühle paßt z. B. zu den von der Kom- mission formulierten grundlegenden Regeln? Auf welche Sondervotum des Kommissionsmitgliedes Weise kommt diese Neuerung zustande, und wie breitet Dr. Joachim Borner: sie sich aus? Welche Kriterien und welche Methoden sind Das Votum gilt nicht einzelnen Teilen sondern dem konzep- notwendig, um Innovationen aus dem Anspruch nachhal- tionellen Ansatz des Kapitel 5, hinter dem die Einzelab- tig zukunftsverträglicher Entwicklung heraus (der ja ein schnitte zweitrangig werden. Ich gebe es vor allem wegen Zwang der Umstände ist) bewerten zu können? Wer ent- der unterlassenen Fragen ab. scheidet über die Bewe rtung (über die Grenze zwischen vertretbarem und gefährdendem Risiko), was ist zu ent- 1. Wenn es dem Leitbild der nachhaltig zukunftsverträgli- scheiden und wie (in welchem demokratischen Verfah- chen Entwicklung darum geht, das Entwicklungs- oder ren) wird entschieden? Modernisierungsparadigma zu ändern, dann geht das nicht ohne Innovationen. Diese Erkenntnis ist eine Bin- 4. Nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung muß exi- senwahrheit, zu deren Begründung man nicht einmal das stentiellen Forderungen genügen: Sie hat umweltverträg- Beispiel der „Industriellen Revolution" heranziehen muß. lich, sozialverträglich und ökonomisch verträglich zu- Jeder erlebt den dynamischen Veränderungsprozeß der gleich zu sein. Was ist damit aber gesagt? Doch nicht, daß zivilisierten Gesellschaft und ihrer Wi rtschaft als eine per- nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung die Befrie- manente Aufeinanderfolge von Neuerungen. Und daß digung dieser drei (widersprüchlichen) Lebensinteressen moderne Neuerungen nicht nur (mehr) technischer Natur konfliktfrei macht. Was aber ist dann die Frage? Aus mei- sind, sondern ebenfa lls institutionelle Innovationen be- ner Sicht die, wie die Konflikte ausgetragen werden. Und- treffen, erfährt Bürger und Bürgerin z. B. mit dem Wach- das wiederum ist an die Frage gekoppelt, wie sich die sen der Europäischen Union und der Schwächung des drei Forderungen und Interessen(-gruppen) zueinander Nationalstaates. Das (also die Notwendigkeit von Innova- verhalten. Kooperativ oder „antagonistisch”. Da es immer tionen sowie von Innovationen, die sowohl über Markt- auch Innovationen sind, über die die Konflikte ausgetra- als auch über politische Prozesse stattfinden) ist also nicht gen werden, sind die Innovationen und ihre Ergebnisse das, was es noch zu erkennen und verbreiten gilt. Spiegelbild und Reproduktionsfaktor der herrschenden Verhaltensnorm. Wäre die Frage nicht interessant, was 2. Die Kommission hat die Operationalisierung des Sustai- Kooperation für ein Innovationssystem hervorbringen nability-Konzepts in einer längerfristigen Perspektive als könnte? Auftrag ihrer Arbeit übernommen. Ob man die Operatio- nalisierung einen nationalen Umweltplan nennt, ist rela- 5. Käme man spätestens dann nicht zu der Frage, das - und tiv unbedeutend. Wesentlich dagegen ist - wie man dem wenn ja - welche gesellschaftlichen Innovationen Not Kapitel 2 entnehmen kann - eine Richtungsaussage (Stra- tun? Nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung ist ein tegie) sowie eine Aussage über die sich daraus ableiten- Langzeitprojekt. Doch maßgebliche Institutionen, wie der den Konsequenzen auf politischer, wirtschaftlicher und Wahlzyklus, die Börse, drängen auf kurzfristige Hand sozio-kultureller Ebene (Umweltqualitäts- und Hand- lungs- und Innovationsperspektiven. Könnte es sein, daß lungsziele, Instrumente usw. und den demokratischen der Entwicklungsstau (oder die Standortprobleme) nicht Verfahren, mittels derer sie bestimmt, entschieden und in erster Linie von der Unwilligkeit der Wirtschaftsunter- gesellschaftlich akzeptiert werden). Das gilt - und anders nehmen, sondern von den politischen Rahmenbedingun- gibt es überhaupt keinen Sinn - insbesondere für die am- gen herrührt? Ist z. B. die politische Elite durch die Über- bitionierte Themenstellung „Innovationen für eine nach- komplexität der Problemlagen gelähmt? Hat sie Sorge vor haltig zukunftsverträgliche Entwicklung”. Ist dann aber Unsicherheiten, die in gesellschaftspolitischen Basisinno- nicht zu fragen: Wodurch ist das heutige Innovationssy- vationen stecken könnte, und handelt deshalb nicht? Gibt stem, sein Mechanismus, charakterisiert, daß es zu einer es möglicherweise eine Selbstblockade der Gesellschaft Produktions- und Lebensweise kommt, die nicht-nach- infolge prinzipiell verschiedener Interpreta tion von Fort haltig ist? Um dann fragen und suchen zu können: Wo- -schritt? Kann man innovativ nicht anders auf das Pro- durch ist ein Innovationssystem charakterisiert, das eine blemgemenge reagieren als mit exportoffensiven Wachs- nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung fördert? tumsmodellen? Wie ist im Rahmen der nachhaltig zu- Welchem Muster (Paradigma), welchen Motivationen, In- kunftsverträglichen Entwicklung überhaupt das Verhält- teressen folgen Innovationsprozesse heute und welche nis von gesellschaftspolitischen Basis- und Verbesse- würden zu einer nachhaltig zukunftsverträglichen Ent- rungsinnovationen zu bewe rten? In welcher Beziehung wicklung passen? Gemessen an den Problemen, denen (Hierachie) stehen Innovationen im gesellschaftspoliti- sich die moderne Gesellschaft durch Umweltbelastungen schen Bereich und im wissenschaftlich-technologischen und „weniger Arbeit" ausgesetzt sieht, ist die Frage nach Fortschritt? dem qualitativen Unterschied zwischen beiden Mustern doch naheliegend. Oder anders: Was ist das historisch Be Und so weiter.

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6 Künftige Arbeitsschwerpunkte

Eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie erfordert, Die Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltig zu- den ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziel- kunftsverträglichen Entwicklung kann nur durch das richtungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Zusammenwirken aller Akteure in Politik, Wirtschaft Entwicklung gleichermaßen Rechnung zu tragen. und Gesellschaft gelingen. Die Enquete-Kommission Die Integration der drei Dimensionen im konkreten trägt dieser Tatsache durch die Durchführung einer Problemfall verlangt die Konkretisierung der sozialen Reihe von öffentlichen Anhörungen Rechnung. Den und ökonomischen Dimension hinsichtlich ihrer Ziele Veranstaltungen über Nachhaltigkeitskonzepte in und Rahmenbedingungen. Die Enquete-Kommission der Wirtschaft und über die Lokale Agenda 21 wird hat sich für den „ökologischen" Zugang zur Nachhal- eine Anhörung der Repräsentanten von Nicht-Regie- tigkeitsdebatte entschieden. Es wird nun darum ge- rungsorganisationen folgen. Gegenstand dieser An- hen, die ökonomischen und sozialen Zielbereiche zu hörung ist neben der generellen Frage nach der Rolle einem Gesamtkontext zu integ rieren, der Hand- zivilgesellschaftlicher Akteure im Entwicklungspro- lungsmöglichkeiten jenseits einzelpolitischer Ziel- zeß einer nationalen Nachhaltigkeitsstratgie auch die richtungen ermöglicht. Dabei haben die Umwelt- Erörterung spezieller Fragen nach der Ausrichtung handlungsziele vorläufig noch einen rein qualitativen von Werthaltungen, Konsummustern und Lebenssti- Charakter. Erst im Verlauf des weiteren Integrations- len. prozesses werden Quantifizierungen und Zielvorga- Spezifische Fragen innovationsorientierter Strategien ben zur Erreichung überprüfbarer „Etappenziele" im - Sinne des Prozeßcharakters der regulativen Idee der werden mit den Themen „Stoffströme" und „Sied- Nachhaltigkeit erreichbar sein. lungs- und Verkehrsflächennutzung" im Bedürfnis- feld „Bauen und Wohnen" liegen. Zum Beispiel wird Die Zusammenführung der Ziele, die Identifizierung sich die Kommission im Zusammenhang mit den Be- gesellschaftlicher Akteure sowie die Erarbeitung von mühungen um eine Verminderung der CO2-Emissio- Maßnahmen und Instrumenten sowie deren Wech- nen mit der Frage beschäftigen, wie die Akteursko- sel- und Folgewirkungen hinsichtlich der „Dreidi- operation im Baubereich verbessert werden kann. mensionalität" der Nachhaltigkeit soll exemplarisch Hierzu wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die die an den Fragestellungen Kooperationsmöglichkeiten im Bereich der Wärme- dämmung untersucht. • Stoffeinträge am Beispiel versauernd wirkender Substanzen, Einen weiteren Schwerpunkt wird das Thema „Innovationen für eine nachhaltig zukunftsverträg- • Flächennutzung und Stoffströme am Beispiel liche Entwicklung" bilden. Hier hat die Kommission „Bauen und Wohnen" und bereits eine Studie zur Frage der stofflichen Aspekte • Stoffströme im Bereich der Informations- und Kom- der Informations- und Kommunikationstechniken munikationstechnologie vergeben, um einen Bereich mit besonders kurzen Innovationszyklen zu untersuchen. Da mit einer erfolgen. Orientierung am Leitbild einer nachhaltig zukunfts- verträglichen Entwicklung ein Veränderungsprozeß Darüber hinaus werden institutionelle Innovationen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem erforder- eine zentrale Rolle spielen. lich ist, reduziert die Kommission den Innovations begriff nicht auf technisch-naturwissenschaftliche Die Kommission hat mit der Vergabe von Studien Neuerungen; er umfaßt vielmehr auch soziale, kul- und der Konzeption von Anhörungen nächste turelle und institutionelle Innovationen. Die not- Schritte in Richtung einer nationalen Nachhaltig- wendigen Schritte in Richtung einer nachhaltig zu- keitsstrategie eingeleitet: Im Themenbereich Böden kunftsverträglichen Entwicklung können nicht ge- hat sie zwei konkrete Ziele ausgewählt und Studien nannt werden, ohne die Frage nach den Zielen, in Auftrag gegeben, die ihre Arbeit unterstützen sol- Rahmenbedingungen und Handlungsspielräumen len. Eine Studie befaßt sich mit „ Rahmenbedingun- dieser Entwicklung zu klären. Die Enquete-Kommis- gen, Akteuren und Instrumenten beim Eintrag ver- sion wird sich deshalb insbesondere den Themenfel- sauernd wirkender Substanzen", die andere behan- dern „ Trends und Triebkräfte der Globalisierung: delt „ Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wir- Handlungsspielräume für eine Politik der Nachhal- kungen einer Steuerung der Siedlungs- und Ver- tigkeit" und „ Institutionelle Reformen für eine Politik kehrsflächennutzung". Beide Studien sollen die Ver- der Nachhaltigkeit" widmen. Zu beiden Themen flechtung ökologischer, ökonomischer und sozialer wurden Studien vergeben und sind Workshops ge- Ziele in den gewählten Themenfeldern aufzeigen plant. und - mit Hilfe von Bewertungs- und Gestaltungskri- terien - eine Grundlage für die Empfehlung geeigne- Ziel der Enquete-Kommission ist es, mit ihren Ergeb- ter Instrumente bzw. Instrumentenkombinationen nissen Bausteine für eine Strategie einer nachhaltig zur Umsetzung der Umwelthandlungsziele schaffen. zukunftsverträglichen Entwicklung vorzulegen.

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Abkürzungsverzeichnis

a Jahr AfA Abschreibung für Abnutzungen Anm. Anmerkung BauGB Baugesetzbuch BauNVO Baunutzungsverordnung BIP Bruttoinlandsprodukt BDI Bundesverband der Deutschen Indust rie BfLR Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung BGH E Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, amtliche Sammlung, zitiert nach Band und Seite BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz

BMBau Bundesministerium für Raumordnung . , Bauwesen und Städtebau BMBF Bundesminsterium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie BMI Bundesminsterium des Innern BML Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BMV Bundesministerium für Verkehr BMWi Bundesminsterium für Wirtschaft BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BT Bundestag CEN Comité Européen de Normalisation - Europäisches Komitee für Normung CFB Chemische Fabrik Budenheim CIPRA Internationale Alpenschutzkommission CO2 Kohlendioxid d Tag DAF Dachverband Wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär- und Umweltforschung e. V. DGL Deutsche Gesellschaft für Limnologie e. V. DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIN Deutsches Institut für Normung e. V. DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. E-BBodSchG Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes ECE United Nations Economic Commission for Europe - Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa EDV Elektronische Datenverarbeitung EG Europäische Gemeinschaften E/km2 Einwohner pro Quadratkilometer EPA Environmental Protection Agency (US-amerikanische Umweltschutzbehörde) EU Europäische Union FuE Forschung und Entwicklung FW Fachgruppe Wasserchemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker GFD Geschoßflächendichte GFZ Geschoßflächenzahl GrStG Grundsteuergesetz H Wasserstoff Hg. Herausgeber h Stunde Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

ha Hektar ICC International Chamber of Commerce IDARio Interdepartementaler Ausschuß Rio des Bundesrates der Schweiz IKSR Internationale Kommission zum Schutz des Rheins ISO International Organization for Standardization KDrs Kommissionsdrucksache kg Kilogramm km2 Quadratkilometer LABO Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz LärmSchVO Lärmschutzverordnung LAWA Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LNatSchg Landesnaturschutzgesetz MEKA Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich des Landes Baden-Württemberg NO Sammelbezeichnung für alle bei Verbrennungsvorgängen entstehenden gasförmigen Stick- oxide mit unterschiedlichen Oxidationsstufen. OECD Organization for Economic Co-operation and Development ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr OSPAR Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkom- men) p.a. Pro Jahr - per annum PCB Polychlorierte Biphenyle RDM Ring Deutscher Makler ROG Raumordnungsgesetz s Sekunde SO2 Schwefeldioxid SRU Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen t Tonne TAB Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag Tz. Textziffer UBA Umweltbundesamt UGR Umweltökonomische Gesamtrechnungen UNCED United Nations Conference on Environment and Development (Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen) UN/ECE United Nations Economic Commission for Europe - Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa UNEP United Nations Environment Programme VCI Verband der Chemischen Industrie VN Vereinte Nationen VO Verordnung VOC Volatile organic compounds - flüchtige organische Verbindungen WBGU Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung WTO World Trade Organization - Welthandelsorganisation Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Seite

Abbildung 1: Schema des vom Studiennehmer vorgeschlagenen Planer- stellungsprozesses 7

Abbildung 2: Veränderung der Bodennutzung 25

Abbildung 3: Wachstum von Siedlungs- und Verkehrsfläche im Zusam- menhang mit dem Wirtschaftswachstum 46

Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Siedlungsflächenbedarf pro Ein- wohner bei unterschiedlicher Bebauuungsdichte, ausge- drückt in Geschoßflächenzahl (GFZ) unter Berücksichti- gung der Wohnfolgeeinrichtungen 51

Abbildung 5: Ausgewählte Zieldimensionen für den Bereich Bauen und Wohnen 55

Abbildung 6: Anteile der städtischen Bevölkerung in den Jahren 1994 und 2025 57

Abbildung 7: Bevölkerungsprognosen für Gesamtdeutschland 58

Abbildung 8: Wohnfläche in Anhängigkeit vom Haushalts-Nettoeinkom- men in den alten und neuen Bundesländern im Jahre 1993 60

Abbildung 9: Verfügbares Einkommen nach Haushaltsgruppen 1993 61

Abbildung 10: Mietbelastungsquote 1993 61

Abbildung 11: Wohnfläche pro Person nach Haushaltsgröße bei Haupt- mietern und selbstgenutztem Eigentum in den alten Län- dern 1993 62

Abbildung 12: Wohnfläche pro Person nach Altersgruppen bei Hauptmie- tern und selbstnutzenden Eigentümern in den alten Län- dern 1993 62

Abbildung 13: Zusammenhang zwischen Besiedlungsdichte und Benzin- verbrauch pro Einwohner 70

Abbildung 14: Akteure im Innovationssystem 76

Tabelle 1: Anteil der Flächennutzungsarten an der Bodenfläche der Bundesrepublik Deutschland 1993 24

Tabelle 2: Entwicklung der Erst- und Wiedervertragsmieten in den alten Bundesländern auf Grundlage der RDM-Statistik 52

Tabelle 3: Nachverdichtungspotential bei genehmigten Gebäuden im Bundesgebiet 1995 65 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode

Sachregister

Agenda 21 15 Instrumente 19 Agglomerationsräume 56 integrative Politik der Nachhaltigkeit 12, 19 Altlasten 67 Internalisierung externer Kosten 14 Bauinvestitionen 53 Kilometerpauschale 73 Baulandreserven 66 Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt Bauvorgaben 73 und Entwicklung (UNCED) 12 Bevölkerung Lebensraum 26 Altersstruktur der Bevölkerung 59 Lebensraumfunktion 26, 28 Bevölkerungsdichte 56 Leitbild 12 Bevölkerungsentwicklung 57 Maßnahmen 19 Bevölkerungsverteilung 56 Mindestkennziffern 73 Bewertungs- und Gestaltungskriterien 20 Nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung 12 Biodiversität 27 Nachhaltigkeit 12 Biosphärenpark 27 Nährstoffe 39 Biotop 27 Naturschutz 26 Biotopverbundsystem 27 Naturschutzgebiet 28 Böden 23 Ökonomieverträglichkeit 79 Bodenerosion 35 Ökosphäre 13 Bodenfruchtbarkeit 33 Funktionen der Ökosphäre 13 Bodenneubildung 35 Planungs- und Entscheidungsverfahren 54 Bodenschadverdichtung 35 flexible Planungs- und Bodenorganismen 26 Entscheidungsverfahren 54 Bodenschutz 24 kooperative Planungs- und Bodenwertsteuer 72 Entscheidungsverfahren 54 Brundtland-Kommission für Umwelt Planungshoheit 71 und Entwicklung 12 räumliche Verdichtung 31 39 critical loads Raumordnung 30 demandpull 78 regionaler Planungsausgleich 71 Düngemittel 37 Risiko- und Technikakzeptanz 81 Eigentümerquote 61 Rohstoffe 24 Einsparpotentiale 67 sozialer Wohnungsbau 73 Fläche 24 Sozialpolitik 13 Fläche für Erholung, Spo rt Sozialverträglichkeit 79 und Fremdenverkehr 33 Steuern 72 Flächenrecycling 67 Steuervergünstigung 51 Flächenverbrauch 23, 29 Stoffeinträge 38 Forstwirtschaftsfläche 32 Stoffumsätze im Baubereich 47 Freifläche 29, 32 Landwirtschaftsfläche 32 Subventionen 72 Natur- und Landschaftsschutzfläche 26 sustainable development 12 Siedlungs- und Verkehrsfläche 28 technology-push 78 Flächenstillegung 32 Tourismus, umweltverträglicher 34 flexible Nutzung 64 Umweltbewußstein und Umweltverhalten 81 Gebäudebestand 63 Umweltplan 15 Grunderwerbsteuer 72 Umweltpolitik 13 grundlegende Regeln 13 Umweltverträglichkeit 79 Grundsteuer 72 Umweltziele 12, 15, 23, 53 Grundwasser 36 Umweltziele für „Böden" 23 Industriebrachen 67 Umzugsmanagement 74 Innovation 75 Versauernd wirkende Substanzen 41 Begriff 75 Versiegelung 28 Innovationsfähigkeit 77 Entsiegelungspotentiale 30 Innovationshemmnisse 78 Wirtschaftspolitik 13 Innovationsimpulse 77 Wohnbaufördermittel 73 Innovationssystem 75 Wohnbauland 64 Kriterien 79 Wohnbaulandnachfrage 47, 67 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Wohnfläche Wohnungsmarkt 50 Wohnflächenkonsum 59 Eigenheiten des Wohnungsmarktes 50 Wohnfläche pro Kopf 30 Wohnungsnachfrage 58 Wohnungsbau Wohnungsbauförderung 51 Ziele 12, 14, 18 Wohnungsbaunachfrage 62 Ziele im Bereich Bauen und Wohnen 53 Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Literaturverzeichnis

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Kommissionsdrucksachen

Nr. Titel Datum

1 Fragen- und Sachverständigenkatalog 2. Februar 1996 für die öffentliche Anhörung am 29./30. Ap ril 1996 zum Thema: „Nachhaltigkeitskonzepte in der Wi rtschaft" 1 a Stellungnahmen der Sachverständigen 2. April 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) für die öffentliche Anhörung am 29./30. April 1996

VEBA AG Institut der deutschen Wirtschaft (Forschungsstelle Ökonomie/Ökologie) Wilkhahn, Wilkening + Hahne GmbH & Co Henkel KGaA AURO GmbH Haindl Papier GmbH

1 b Stellungnahmen der Sachverständigen 10. April 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) ' für die öffentliche Anhörung am 29./30. April 1996

Neumarkter Lammsbräu Institut für Weltwirtschaft Unternehmensgruppe Tengelmann AEG Hausgeräte GmbH 1 c Stellungnahmen der Sachverständigen 16. April 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) für die öffentliche Anhörung am 29./30. April 1996

Rank Xerox GmbH Günther GmbH & Co. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung BASF Schwarzheide GmbH Mannesmann AG Max Schön GmbH 1 d Stellungnahmen der Sachverständigen 18. April 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) für die öffentliche Anhörung am 29./30. Ap ril 1996 Warsteiner Brauerei Haus Cramer GmbH & Co. KG Stahlwerke Bremen GmbH Lurgi Energie und Umwelt GmbH Kunert AG Migros-Genossenschafts-Bund 1 e Stellungnahmen der Sachverständigen 23. April 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) für die öffentliche Anhörung am 29./30. April ,1996 Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH Pelzer Haustechnik GmbH Wilkhahn, Wilkening + Hahne GmbH + Co, Modifizierte Stellungnahme zu 13/1a 1 f Stellungnahmen der Sachverständigen 22. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/1) für die öffentliche Anhörung am 29./30. April 1996

Dupré Bau GmbH & Co. KG Hermann Wärmesysteme GmbH Pelzer Haustechnik GmbH, Modifizierte Stellungnahme zu 13/1e Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/7400

Nr. Titel Datum

2 Fragen- und Sachverständigenkatalog 19. März 1996 für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 zum Thema: „Soziale Entwicklungen und Innovationen im Lebensbereich Bauen und Wohnen"

2 neu Fragen- und Sachverständigenkatalog 26. April 1996 für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 zum Thema: „Soziale Entwicklungen und Innovationen im Lebensbereich Bauen und Wohnen"

2 a Stellungnahmen der Sachverständigen 21. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Deutsches Institut für Urbanistik Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e. V. Wochenpost Berliner Verlag GmbH Umweltbundesamt Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder Humboldt Universität Berlin

2 b Stellungnahmen der Sachverständigen 23. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar Technische Universität Berlin

2 c Stellungnahmen der Sachverständigen 28. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, Ergänzung

2 d Stellungnahmen der Sachverständigen 30. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 314 .. Juni 1996 Firma Baufritz, Erkheim Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen, Ergänzung

2 e Stellungnahmen der Sachverständigen 31. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Deutscher Städtetag

2 f Stellungnahmen der Sachverständigen 31. Mai 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH Institut für Wohnen und Umwelt GmbH

2 g Stellungnahmen der Sachverständigen 3. Juni 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 13/7400 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode

Nr. Titel Datum

2 h Stellungnahmen der Sachverständigen 5. Juni 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/2) für die öffentliche Anhörung am 3./4. Juni 1996 ' Architekt Reinhard Großmann, Berlin Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V., Ergänzung Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, Ergänzung Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Ergänzung 3 Fragen- und Sachverständigenkatalog 24. September 1996 für die öffentliche Anhörung am 18. November 1996 zu dem Thema: „Kommunen und nachhaltige Entwicklung - Beiträge zur Umsetzung der Agenda 21" 3 a Stellungnahmen der Sachverständigen 6. November 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/3) für die öffentliche Anhörung am 18. November 1996 Stadtbezirk Berlin-Köpenick Stadt Germering Landeshauptstadt München Stadt Osnabrück Stadt Leipzig Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wi rtschaftsentwicklung e.V. Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände 3 b Stellungnahmen der Sachverständigen 12. November 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/3) für die öffentliche Anhörung am 18. November 1996 ICLEI - Internationaler Rat für kommunale Umweltinitiativen Gemeinde Dörverden Freie und Hansestadt Hamburg 3 c Stellungnahmen der Sachverständigen 14. November 1996 zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/3) für die öffentliche Anhörung am 18. November 1996 Stadt Heidelberg Stadt Rostock .