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Plenarprotokoll 13/163

Deutscher

Stenographischer Bericht

163. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Inhalt:

Nachträgliche Glückwünsche zu den Ge- b) Erste Beratung des von den Fraktionen burtstagen der Abgeordneten Anni der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- Brandt-Elsweier, Dr. Bodo Teichmann ten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes und Antje-Marie Steen 14625 A zur Reform des Strafrechts (Strafrah- menharmonisierung) (Drucksache 13/ Bestimmung der Abgeordneten Michaela 7164) 14626 C Geiger als ordentliches und des Abgeord- neten Kurt J. Rossmanith als stellvertre- c) Erste Beratung des von den Fraktionen tendes Mitglied im Gemeinsamen Aus- der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- schuß nach Art. 53 a des Grundgesetzes . 14625 B ten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung der StPO (Zeugenschutz) Wahl des Abgeordneten Dr. Fritz Witt- (Drucksache 13/7165) 14626 C mann zum stellvertretenden Mitglied in d) Erste Beratung des von den Abgeord- der Parlamentarischen Versammlung des neten Dr. Edith Niehuis, Ch ristel Hane- Europarates 14625 B winckel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten 14625 C Erweiterung der Tagesordnung Entwurfs eines ... Gesetzes zur Ände rung des Grundgesetzes (Drucksache Absetzung der Punkte 171 und des Zusatz 13/7104) 14626 C punktes 13 von der Tagesordnung . . . 14626A, 14731 A e) Erste Beratung des von den Abgeord- neten , Dr. Uwe-Jens Heuer Geänderte Ausschußüberweisung . . . 14626 B und der Gruppe der PDS eingebrach- ten Entwurfs eines . Strafrechtsände- Begrüßung des Präsidenten der National- rungsgesetzes - Sicherungsverwah- versammlung der Islamischen Republik rung (Drucksache 13/2859) 14626 D Mauretanien mit einer Delegation . . . 14722 D f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- Begrüßung des Präsidenten der Abge- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes ordnetenkammer des Großherzogtums zur Bereinigung des Strafgesetzbu- Luxemburg mit einer Delegation . . . . 14725 A ches und zur Reform der Strafvor- schriften gegen Kinderhandel (Druck- sache 13/6038) 14626 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Fraktionen g) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes - ten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- zur Verbesserung der zivilrechtlichen kämpfung von Sexualdelikten und an- Entschädigung der Opfer von Straftaten deren gefährlichen Straftaten (Druck- (Zivilrechtliches Opferentschädigungs- sache 13/7163) 14626 B gesetz) (Drucksache 13/6831) . . . . 14626 D 14708 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. , Donnerstag, den 13. März 1997

Vizepräsidentin Dr. Dann rufe ich die Zusatzpunkte 8 bis 11 auf: Ultrarechten, die Neonazis keinen Fuß mehr auf den ZP8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Vol- Boden dieser Republik stellen oder in die Tür dieser Republik stemmen läßt. Dieser Konsens ist in den ker Beck (Köln), Gerald Häfner, Anne lie Bun- tenbach, weiterer Abgeordneter und der Frak- letzten Wochen aufgekündigt worden, und zwar von tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einer Partei, die in diesem Hause sitzt und diese Bun- desregierung mitträgt: von der CSU. Ich meine, daß Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen ein klares Wort der 1941 bis 1944" der Verantwortlichen in der Ch rist- lich-Sozialen Union und ein klares Wort dieser Bun- - Drucksache 13/7120 - desregierung dazu nötig ist. ZP9 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Wie ist es dazu gekommen? Die Ursache ist eine Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen Ausstellung, die bereits in 15 deutschen Städten ge- der Wehrmacht 1941 bis 1944" zeigt worden ist - sie ist gegenwärtig in München zu sehen -, eine Ausstellung über Verbrechen der - Drucksache 13/7162 - Wehrmacht 1941 bis 1944. Diese Ausstellung ist ZP10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Otto keine Pauschalverurteilung aller Wehrmachtsange- Schily, Günter Verheugen, , hörigen. Sie wissen, daß, wenn man die gesamte Zeit weiterer Abgeordneter und der Fraktion der des Zweiten Weltkrieges betrachtet, 18 Millionen SPD Deutsche in der Wehrmacht gedient haben. Darunter Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen sind viele, die dies aus Überzeugung taten, sicher der Wehrmacht 1941 bis 1944" aber auch viele, die ihren Wehrdienst wider eigenen - Drucksache 13/7175 - Willen erfüllt haben und die Taten mitgemacht oder sich verweigert haben, wenn sie diese selbst nicht ZP11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ger- billigen konnten und nicht richtig fanden. hard Zwerenz, Hein rich von Einsiedel, Dr. und der Gruppe der PDS Es geht also nicht um eine pauschale Verurteilung. Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen Vielmehr geht es darum, mit der Lüge aufzuhören, der Wehrmacht 1941 bis 1944" daß für alle schlimmen Taten nur die SS verantwort- - Drucksache 13/7188 - lich gewesen sei und daß die Wehrmacht im Osten einen sauberen, einen hehren, einen tapferen Feld- (Unruhe) zug geführt habe, der nichts mit den brutalen, nichts - Bevor wir in der Beratung fortfahren können, muß mit den rassistischen Ideen Hitlers und nichts mit den ich erst einmal um Ruhe bitten. Greueltaten dieses Krieges zu tun hatte. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Die Wahrheit ist, daß die Wehrmacht gerade im

Aussprache über die drei Anträge der Fraktionen je- Osten einen Eroberungs - und Vernichtungskrieg weils wiederum namentlich abstimmen werden. Die geführt hat und daß in diesem Krieg unter der Ver- Gruppe der PDS hat beantragt, daß auch über ihren antwortung der Wehrmacht Millionen von Zivilisten, Antrag namentlich abgestimmt wird. Nach unserer Frauen und Kinder, grundlos hingemordet worden Geschäftsordnung kann eine namentliche Abstim- sind. Wer zu dieser Wahrheit schweigt, wer sie ver- mung nur von einer Fraktion oder von mindestens drängen will, wer unsere eigene Geschichte ver- 34 Abgeordneten verlangt werden. Ob der Antrag fälscht, der trägt dazu bei, daß die Geschichtsklitte- der PDS das erforderliche Quorum erreicht, werde rung in diesem Land um sich greift, der trägt dazu ich vor der Abstimmung feststellen. bei, daß rechte Mythenbildung wieder fröhliche Ur- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für ständ feiert. Genau das passiert gegenwärtig in Mün- die Aussprache, die jetzt folgt, eine Stunde vorgese- chen. hen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat zunächst der Abgeordnete Gerald Häfner. Die Attacken auf den Initiator dieser Ausstellung, Jan Philipp Reemtsma, der Versuch, die Toten durch Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zigarettenrauch mehr zu dramatisieren als die Toten Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kol- im Zweiten Weltkrieg, der Versuch, Reemtsma sogar leginnen und Kollegen! Bei der heutigen Debatte damit zu diskreditieren, daß er im letzten Jahr Opfer geht es um unsere Haltung zu der schlimmsten und einer Entführung geworden ist, der Versuch, die entscheidenden Phase unserer eigenen deutschen Nürnberger Prozesse - während wir alle uns gegen- Geschichte, und es geht darum, wie wir heute dazu wärtig um einen internationalen Strafgerichtshof für beitragen können, daß sich die planmäßige Vernich- das frühere Jugoslawien und Ruanda einsetzen, da- tung von Menschen, von ganzen Völkern lediglich mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das auf Grund ihrer Rasse oder ihrer Überzeugungen nie Völkerrecht, gegen das Menschenrecht in Zukunft wiederholt. endlich abgeurteilt werden können - als „Sieger- justiz" und die Ausstellung als Teil eines ,,morali- Es gab in diesem Hause und in dieser Republik schen Vernichtungsfeldzuges gegen das deutsche lange Zeit einen Konsens zwischen den demokrati- Volk" zu bezeichnen, wie das der „Bayernkurier" schen Parteien, daß man die Rechtsextremen, die auf seiner Titelseite gemacht hat, das alles ist schlim- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14709 Gerlad Häfner mer als die schlimmste Propaganda von rechts, die Ich lese Ihnen ein kurzes Zitat vor: wir in diesem Lande bisher erdulden mußten. Rechtsextremistische Positionen ergeben sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weniger aus dem Parteiprogramm denn aus Be- und bei der SPD) gründungen und Verhaltensweisen von Funktio- nären, Gremien und Mitgliedern sowie aus den Deshalb war es nur folgerichtig, daß die NPD Peter Publikationsorganen. Gauweiler aufgefordert hat, die Hauptrede bei dem gespenstischen Aufmarsch der Ultrarechten in Mün- Was ist das für ein Zitat? Es ist die Einleitung zum chen zu halten und ihn darüber hinaus zur Mitglied- Kapitel „Die Republikaner" im Bundesverfassungs- schaft in der NPD eingeladen hat. schutzbericht aus dem vergangenen Jahr. Es folgt eine Reihe von Zitaten, in denen die Republikaner zum Beispiel die Nürnberger Prozesse als Sieger- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie justiz bezeichnen - genau wie der „Bayernkurier" eine Zwischenfrage des Kollegen Albe rt Schmidt? das vor wenigen Wochen getan hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte ,,Braune-Socken-Politik" der CSU, dieses Taktieren schön. mit dem ultrarechten Sumpf unserer Republik, dieser Versuch, die Opfer von Folter und Vernichtung zu Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE verdrängen und kein Mitleid für sie aufzubringen, GRÜNEN): Herr Kollege Häfner, sehen Sie den CSU- dafür aber um so mehr diejenigen anzuprangern, die Vorsitzenden und Abgeordneten Dr. im heute die Wahrheit über die historische Vergangen- Saal? Falls nicht, welche Schlüsse ziehen Sie daraus? heit feststellen wollen, und ihnen vorzuwerfen, sie führten einen „moralischen Vernichtungsfeldzug ge- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ gen das deutsche Volk", das ist etwas, was diese Re- DIE GRÜNEN]: Also, der gehört nun wirk publik nicht ertragen will, was sie nicht dulden kann lich hier hin! - Dr. und was sie zurückweisen muß. [F.D.P.]: Das war eine starke Zwischenfrage! - Zurufe von der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Deshalb haben wir dem Deutschen Bundestag ei- Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lie- ber Kollege Schmidt, ich glaube, daß der eigentliche nen Antrag vorgelegt, von dem ich hoffe, daß er in Skandal - so schrieb es z. B. „La Repubblica" in Ita- diesem Hause die Spreu vom Weizen scheiden wird. lien, und so schreiben es viele andere internationale Denn ich habe immer noch die Hoffnung, daß auch Zeitungen - gar nicht die Äußerungen von Gauwei- in der Union, in der CDU und in der CSU, genügend ler sind, sondern der eigentliche Skandal ist das Menschen - ich habe in den letzten Tagen mit vielen gesprochen - von dieser Politik und von diesen Äu- Schweigen der CSU und der Bundesregierung zu diesen Vorgängen. ßerungen angewidert sind - übrigens nicht nur von Gauweiler und der CSU in München, sondern auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von den Äußerungen von Frau Steinbach in Frank- bei der SPD und der PDS) furt und von vielen anderen, die sich in diese rechte Dreckwerferei einreihen. Was mich, lieber Kollege Schmidt, empört, ist, daß Theo Waigel, der Vorsitzende der CSU, der übrigens (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einmal Außenminister in diesem Land werden wollte bei der SPD und der PDS) - dabei hat kaum ein Politiker in den letzten Jahren Ich habe also immer noch die Hoffnung, daß es in diesem Land so schweren außenpolitischen Schaden Ihren Reihen noch genügend Menschen gibt, die be- zugefügt wie Gauweiler und seine politischen reit sind, sich davon zu distanzieren und die Worte zu Freunde -, nicht nur dazu schweigt, sondern offen- finden, die jetzt notwendig sind. Ich bin insbeson- sichtlich auch noch vor der Auseinandersetzung in dere gespannt darauf, wie sich der Bundesminister diesem Hause flieht. der Finanzen und Vorsitzende der CSU, Theo Waigel (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Er ist doch und der Bundeskanzler zu dieser Frage äußern wer- da!) den. Denn ich bin der Meinung: Nach all dem, was in diesem Land an Schaden ange richtet worden ist, - Da kommt er ja doch noch. Ich hoffe, lieber Kollege wäre Schweigen zu diesem Thema nicht länger hin- Waigel, daß Sie Gelegenheit ergreifen werden, heute nehmbar. zurechtzurücken, was Ihre Pa rtei gegenwärtig in Bayern aufführt. Wenn die Pressemeldungen, die ich Ich danke Ihnen. gelesen habe, stimmen, dann haben Sie das, was (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gauweiler und der „Bayernkurier" gesagt haben, als bei der SPD und der PDS) im Spektrum der CSU und „im Spektrum einer legi- timen Kritik liegend" bezeichnet. Ihr Sprecher, der - Sprecher des CSU-Landesvorstandes, Herr Schöberl, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat hat gesagt, Gauweilers Äußerungen lägen voll und jetzt der Herr Abgeordnete Dr. . ganz „auf der Linie der Bayerischen Staatsregierung (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und der CSU." DIE GRÜNEN) 14710 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU) (von Abgeordneten Kriegsverbrechen nicht beteiligt gewesen seien und der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! sich auch nicht sonstiger Kriegsverbrechen schuldig Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu- gemacht hätten. - „Die meisten", sage ich; das gilt nächst einige Bemerkungen zur Ausstellung und nicht für jeden. dann einige Gedanken zum historischen und politi- schen Teil des Problems. Zuvor, Herr Kollege Häfner: Fest steht, daß das deutsche Volk diesen Krieg Ihre Rede hat zum Konsens in diesem Hause nicht ebenso wenig wie das russische Volk und andere beigetragen. Völker gewollt hat, die in ihn hineingezogen worden sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Unglaub- Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]) lich!) Es waren undifferenzie rte Vorwürfe; sie waren nie- Anläßlich der Verabschiedung der letzten russischen derträchtig und zum großen Teil gemein. Ich weise Soldaten aus Deutschland am 31. August 1994 er- sie zurück. klärte der russische Präsident Jelzin in , das (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen und deutsche Volk sei an diesem Krieg nicht schuld ge- Widerspruch bei der SPD und dem BÜND wesen, man habe in Moskau immer zwischen dem NIS 90/DIE GRÜNEN) großen deutschen Volk und der verbrecherischen Clique, die sich seiner bemächtigt habe, zu unter- Meine Damen und Herren, zu der Wanderausstel- scheiden gewußt. Diese noble Feststellung ist richtig. lung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehr- Auch wir Deutsche unterscheiden selbstverständlich macht 1941-1944" ist zunächst festzustellen, daß sie zwischen dem großen russischen Volk, dem wir in eine Privatveranstaltung ist. Es sind zwei Männer, vielfacher Weise verbunden sind, und seiner verbre- die mit Hilfe dieser Ausstellung ihre Ansichten in cherischen Führung unter Stalin. Es ist interessant, Deutschland und Österreich propagieren wollen. Da- daß der Generalstaatsanwalt Rußlands zur Zeit Zehn- gegen ist nichts zu sagen. tausende von ehemaligen deutschen Kriegsgefange- Friedrich Karl Fromme merkt in der „FAZ" an, daß nen, die damals von sowjetischen Militärtribunalen diese Ausstellung inhaltlich nichts Neues b ringe, daß zu Unrecht verurteilt wurden, rehabilitieren läßt, wo- sie nicht einmal der kleinen Minderheit der absolut mit er eine Absprache zwischen Präsident Jelzin und Uneinsichtigen einen aufklärerischen Beitrag leiste. Bundeskanzler realisiert. Das führt zu der Frage, was diese Ausstellung soll, (Zuruf von der PDS: Was hat das mit der was sie leistet, was sie nicht leistet. Dazu gehört auch Sache zu tun?) die Frage, ob die Aussteller Heer und Reemtsma wis- senschaftlich und moralisch legitimiert sind, Meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur um einzelne, sondern um uns alle. Wie ein Volk nach (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht, Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ das sagt viel aus über seine moralische Substanz, DIE GRÜNEN]: Das ist ja unglaublich! - über seine Würde und seine innere Stärke - oder Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE Schwäche. GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf von der Millionen von Menschen, die sie nicht kennen, ihrem SPD: Furchtbar ist das! - Weitere Zurufe Urteil zu unterwerfen und sie in dieser Weise zu ver- von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE letzen, ohne einen auf die Person bezogenen Wahr- GRÜNEN) heitsbeweis führen zu können. Ich kann jeden Deutschen - auch die Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - dieses Hauses - nur bitten, sein Verhalten an diesen Anhaltende Zurufe von der SPD und dem Maßstäben auszurichten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf von der SPD: Das ist ja furchtbar!) Nun einige Gedanken zu dem historischen und politischen Teil des Problems: Auf den Beginn des Wie man Vergangenheit fruchtbar aufarbeiten Krieges und die Art der Kriegsführung hatten die kann, hat uns der frühere französische Staatspräsi- über 18 Millionen Soldaten der Wehrmacht nicht den dent Mitterrand am 8. Mai 1995 in Berlin in beein- geringsten Einfluß, was übrigens in gleicher Weise druckender Weise gezeigt. Er hat damals aus Anlaß für die Soldaten der ehemaligen Kriegsgegner gilt. des 50jährigen Endes des Zweiten Weltkrieges ge- Soldaten waren immer die Opfer des Krieges. sagt - ich zitiere -: ( [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Ich bin nicht gekommen, um den Sieg zu feiern, GRÜNEN]: Auch die Generalität?) über den ich mich 1945 für mein Land gefreut habe. Ich bin nicht gekommen, um die Nieder- Bedeutende Entscheidungen wurden nicht von lage der Deutschen zu unterstreichen, weil ich den Soldaten, sondern von den großen Kriegsherren die Kraft, die im deutschen Volk ruht, kenne, getroffen, die allein die politische Macht und die Be- seine Tugenden, seinen Mut. Und wenig bedeu- fehlsgewalt hatten. Die meisten der deutschen Solda- ten mir in diesem Zusammenhang die Uniformen- ten, die Leib und Leben für ihr Land riskierten und und selbst die Ideen, die in den Köpfen der Solda- unendliches Elend ertragen mußten, können zu ten damals gewohnt haben, die in so großer Zahl Recht darauf hinweisen, daß sie selbst an Hitlers gestorben sind. Sie waren mutig. Sie nahmen den Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14711

Dr. Alfred Dregger Verlust ihres Lebens hin für eine schlechte Sache. Sowjetunion schwieriger wurde, hat sich der Westen Aber ihre Haltung hatte damit nichts zu tun. Sie bei Bundeskanzler Adenauer um die Neuaufstellung liebten ihr Vaterland. Es ist notwendig, daß uns deutscher Streitkräfte bemüht. Diese Neuaufstellung das klar wird. Europa, das bauen wir. Aber un- wurde zu einer grundlegenden Militärreform ge- sere Vaterländer lieben wir. Bleiben wir uns nutzt. So entstand im Auftrage Konrad Adenauers selbst treu! und seiner Koalition, von erfahrenen Wehrmachtoffi- zieren herangebildet, unsere Bundeswehr, auf die (Gerald Häfner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ wir stolz sind. NEN]: Nie schien diese Ausstellung nötiger als bei Ihrer Rede!) (Beifall bei der CDU/CSU) - Ich zitiere jetzt den französischen Staatspräsiden- Auf eine weitere Tatsache muß hingewiesen wer- ten. Das sollten auch Sie sich anhören. Da können den: Bei den Soldaten des Zweiten Weltkrieges und Sie viel lernen. ihren Angehörigen geht es nicht um eine kleine, ab- grenzbare Gruppe unseres Volkes, sondern um die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gesamte Bevölkerung der damaligen Zeit. Fast alle Verbinden wir die Vergangenheit mit der Zu- Männer waren eingezogen. Natürlich waren auch kunft, und wir werden in Frieden den Geist die- die Mütter, die Schwestern, die Töchter, die Freun- ses Zeugnisses an jene weitergeben können, die dinnen und Ehefrauen der Soldaten mitbetroffen. Es uns nachfolgen. geht in dieser Frage also um unser Verhältnis zu ei- ner ganzen Generation unseres Volkes. Wer ver- sucht - diese Versuche gibt es -, die gesamte Kriegs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lip- generation pauschal als Angehörige und Helfershel- pelt? fer einer Verbrecherbande abzustempeln, (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU): Nein, Frau Präsi- NEN) dentin. der will Deutschland ins Mark treffen. Dagegen Mitterrand war ein französischer Pat riot - Gott sei wehren wir uns. Dank. Aber er hat mehr Einfühlungsvermögen und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- eine größere Bereitschaft, sich in die Lage des deut- ordneten der F.D.P. - Joseph Fischer schen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu versetzen, [] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: bewiesen, als es in Deutschland die große Mehrheit Das ist ja unglaublich!) der sogenannten politischen Klasse zu tun bereit ist. Das können wir nicht dulden; denn aus solchem (Zuruf von der SPD: Mordoffiziere waren Selbsthaß kann nichts Gutes entstehen: kein rationa- das!) les, berechenbares Verhalten in der Politik und keine Meine Damen und Herren, wir haben uns nicht wirkliche Versöhnung. Dieser Selbsthaß führt weg nur mit einem verlorenen Krieg auseinanderzuset- von dem, was eigentlich das Wichtigste ist und im zen, sondern auch mit deutscher Schuld und mit Ver- Zentrum stehen sollte: von der wirklich tief empfun- brechen, die von Deutschen verübt wurden. Nie- denen Trauer um die Opfer von Krieg und Gewalt- mand außer ein paar verwirrten Idioten leugnet das. herrschaft; von der Einsicht in das menschliche Leid, Dennoch sage ich in aller Klarheit: Diejenigen, die das damals grundgelegt wurde und bis heute nach- versuchen, die deutsche Wehrmacht pauschal als wirkt, verbrecherische Organisation darzustellen, (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ (Gerald Häfner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ DIE GRÜNEN]: Hitler fiel doch nicht vom NEN]: Wer tut denn das?) Himmel!) sagen nicht die Wahrheit. Sie hetzen und verleum- und - um ein Beispiel heranzuziehen - von dem un- den. Dem müssen wir entgegentreten. endlichen Verlust, den die Nazis durch die Vernich- tung der deutschen Juden vor allem auch Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge land zugefügt haben. Die Vernichtung der deutschen ordneten der F.D.P.) Juden war ein Verlust für Deutschland. Die Kritiker der Wehrmacht sollten bedenken, daß (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nicht einmal das Nürnberger Siegergericht die Wehr- ordneten der F.D.P. - Zuruf von der PDS: macht verurteilt hat und daß unsere ehemaligen Unglaublich!) Kriegsgegner ihr zum Teil hervorragende Zeugnisse ausgestellt haben. Ich nenne General de Gaulle, Ge- Wer weiß, was die deutschen Juden in der deutschen neral Eisenhower, Marschall Schukow und den be- Wissenschaft, in der deutschen Wi rtschaft und in der deutenden britischen Militärschriftsteller Liddel deutschen Kultur geleistet haben, der wird mir viel- Hart . leicht zustimmen. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND Noch eines sollten wir nicht vergessen: Die Vertrie- - NIS 90/DIE GRÜNEN) benen- und die Soldatenverbände haben als erste - zunächst mit unseren ehemaligen Kriegsgegnern im Als nach dem Krieg die Lage für den Westen ange- Westen, dann auch mit unseren ehemaligen Kriegs- sichts der beginnenden Auseinandersetzung mit der gegnern im Osten - zur Versöhnung aktiv beigetra- 14712 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Dr. Alfred Dregger gen. Das alles gehört zu den Friedenswerken, die Eu- Zu einer Kurzintervention erhält zunächst der Ab- ropa braucht, um den Frieden tief in den Herzen der geordnete Volker Beck das Wo rt . Menschen zu verankern. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Wenn die Ausstellung wenigstens ein Stückchen DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, Kollege eines Beitrages dazu geleistet hätte, hätte sie noch Schäuble forde rt einen Ordnungsruf und einen Sinn haben können. will eine Sondersitzung des Ältestenrates machen!) (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Haben Sie sie denn gesehen? Haben Sie sie sich denn angeschaut?) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Dregger, ich fand die Rede, die Sie hier Aber das ist nach meinem Eindruck nicht der Fa ll. Im gehalten haben, wirklich bestürzend. Sie haben in Gegenteil: Die Ausstellung versöhnt nicht, sie spal- Ihrer Rede die Verantwortung der Deutschen für die tet. Sie empört durch die A rt ihrer Darstellung die grauenhaften Verbrechen im Zweiten Weltkrieg und Generation der Großväter und Väter und verwirrt die im Dritten Reich zurückgewiesen. Sie haben die Pro- Generation der Söhne und Enkel. pagandalüge von der Pauschalverurteilung der Wehrmachtsdeserteure wiederholt. Mit dieser These (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ versucht man Raum zu schaffen für die Äußerungen DIE GRÜNEN]: Nein, nein, wir sind über von Gauweiler, von Frau Steinbach und ihren Freun- haupt nicht verwirrt! Wenn wir Sie hören, den in den rechtsextremistischen Parteien. sind wir so klar wie nur was! - Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD) und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD) Wer auf diese Weise einen Keil zwischen die Genera- tionen - - Halten Sie doch einmal die Klappe, Herr Auf der ersten Tafel am Eingang der Ausstellung - Fischer! Daß Sie laut schreien können, wissen wir wenn Sie sie denn einmal ansehen würden -, wird auch so. ausdrücklich erwähnt, daß ihr Ziel keine Pauschal- verurteilung aller Wehrmachtssoldaten ist. Diese (Beifall bei der CDU/CSU) Ausstellung bricht allerdings unwiderruflich mit der Mär, der Legende - die in diesem Volk, in dieser Re- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege publik lange en vogue war - von der sauberen Wehr- Dregger, ich muß Sie jetzt darauf hinweisen, daß die macht, von dem sauberen Krieg an der Ostfront. Sie angemeldete Redezeit weit überschritten ist. zeigt, daß der Befehlsebene klar war - das belegen Anweisungen an die Militärgerichtsbarkeit im Rah- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ men des Barbarossa-Feldzuges und der Kommissar- DIE GRÜNEN]: Herr befehlDregger, -, daß systematisch wir inte sindrnationales völ- Kriegs- lig klar im Kopf! Ein unsäglicher Dreck, den recht gebrochen werden sollte. Sie hier absondern! - Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) Die Deutschen haben Hitler an die Macht verhol- fen. Die Nazis kamen nicht wie braune Marsmen- (CDU/CSU): Frau Präsidentin, Dr. Alfred Dregger schen vom Himmel. Wir haben hier als Volk Verant- ich habe meine Rede gehalten, ohne auf das schlechte Benehmen einiger Kollegen hinzuweisen. wortung und Schuld auf uns geladen, zu der man sich auch bekennen muß. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN]: Schlechtes Benehmen? Das und bei der PDS - Zurufe von der CDU/ ist unglaublich, was Sie hier vortragen! - CSU) Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD) - Ich setze mich hier nicht, solange ich das Wo rt habe. Herr Fischer, so wie Sie sich heute hier verhalten ha- ben, verhält sich kein Parlamentarier. Sie können auch nicht leugnen, daß die deutsche Wehrmacht einen verbrecherischen Angriffs- und Ich danke Ihnen. Vernichtungskrieg im Osten geführt hat und daß ob- jektiv der deutsche Wehrmachtssoldat auf der fal- (Beifall bei der CDU/CSU - Gerald Häfner schen Seite gekämpft hat. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gab es Ver brechen der Wehrmacht oder nicht, Herr Ich finde es eine Schande, daß diejenigen, die die Dregger?) Waffen weggeworfen haben, die desertiert sind und diesen schmutzigen Krieg nicht mehr mit geführt ha- ben, rechtlich immer noch als Kriminelle behandelt Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Liebe Kollegin- werden. nen und Kollegen, ich glaube, wir wußten alle, als - dieses Thema aufgerufen wurde, daß es eine sehr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schwierige Debatte werden würde. Ich denke, wir sowie bei Abgeordneten der SPD und der sollten das berücksichtigen. PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14713

Volker Beck (Köln) Damit muß endlich Schluß sein. Sie wehren sich auch machtsausstellung, daß sie sich mit der Rolle der dabei mit dem absurden Argument, eine eindeutige Wehrmacht im Gefüge der Naziherrschaft auseinan- Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure käme ei- dersetzen. ner Pauschalverurteilung aller Wehrmachtssoldaten gleich. Ganz am Anfang des Katalogs zu dieser Ausstel- lung findet sich eine einleitende Bemerkung, die Man kann nicht leugnen, daß Einheiten der Wehr- Volker Beck schon zitiert hat, die die Zielrichtung der macht auf obersten Befehl an massenhaften Verbre- Ausstellung deutlich werden läßt. Ich zitiere: chen im Osten beteiligt waren. Mil lionen von Men- schen mußten außerhalb von kriegerischen Handlun- Die Ausstellung will kein verspätetes und pau- gen sterben, weil die Wehrmacht Zivilbevölkerung schales Urteil über eine ganze Generation ehe- erschossen, sich selbst am Judenmord beteiligt hat, maliger Soldaten fällen. Sie will eine Debatte er- Kriegsgefangene verhungern ließ und feige ermordet öffnen über das - neben Auschwitz - barbarisch- hat. ste Kapitel der deutschen und österreichischen Zu all diesen Verbrechen haben Sie in Ihrer Rede Geschichte, den Vernichtungskrieg der Wehr- geschwiegen und die Verantwortung und die Schuld macht 1941 bis 1944. in dieser historischen Epoche kleingeredet. Deshalb Den beschämenden Versuchen rechtsradikaler finde ich diese Rede eine Schande für dieses Parla- Kreise in der CSU und anderer Gruppierungen, ment. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zuruf von der CDU/CSU: Was soll das?) sowie bei Abgeordneten der SPD und der die Ausstellung zu diffamieren, müssen alle mit Ent- PDS) schiedenheit entgegentreten.

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich frage zu- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE nächst ganz formell: Wird Gegenrede gewünscht, GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- Herr Kollege Dregger? neten der F.D.P.)

Es ist beunruhigend, nein, es ist empörend, mit wel- (CDU/CSU): Nein. Dr. Alfred Dregger cher Dreistigkeit die übelsten nazistischen Parolen in Umlauf gesetzt werden in dem Bestreben, die Wahr- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich habe jetzt, heit über die Schrecken der Naziherrschaft und die verehrte Kolleginnen und Kollegen, noch zwei wei- Rolle der Wehrmacht aus dem historischen Bewußt- tere Anmeldungen für Kurzinterventionen. Ich werde sein zu verdrängen. sie aber erst am Ende der ersten Runde zulassen, weil ich finde, es ist angemessener, wenn zunächst Fast schlimmer ist die Tatsache, daß der bayerische einmal alle Fraktionen zu Wo rt kommen. Ministerpräsident und der CSU-Parteivorsitzende sich in Schweigen hüllen, anstatt sich an die Seite (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne der Kritiker in ihren eigenen Reihen, an die Seite der ten der F.D.P.) beiden CSU-Stadträte in München zu stellen. Das betrifft jetzt den Kollegen Duve und die Kollegin Christa Nickels. Ich bitte um Verständnis, daß Sie (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE erst am Ende der ersten Runde sprechen können. GRÜNEN und der PDS) Das Wort hat jetzt der Kollege , SPD. Kann es die deutsche Öffentlichkeit hinnehmen, daß gegen eine Wehrmachtsausstellung, zu der der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutsch- Otto Schily (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Das Thema, das wir heute dis- land, Ignatz Bubis, dankenswerterweise eine Eröff- kutieren, eignet sich nicht für Polemik. Aus diesem nungsrede am 13. April halten wird, zu der der Trä- Grunde werde ich mich zu Herrn Gauweiler nicht ger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, mehr äußern. Heiner Geißler hat dazu alles Notwen- Andrzej Szczypiorski, eine Eröffnungsrede gehalten dige in seinem Artikel in der „Bild am Sonntag" ge- hat, von Angehörigen einer traditionsreichen demo- sagt. kratischen Pa rtei die dumpfesten neonazistischen Ressentiments mobilisiert werden? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- neten der F.D.P.) Notwendig ist unsere heutige Aussprache als Teil einer Vergegenwärtigung unserer Geschichte, die Wer diesem Treiben nicht entschlossen entgegentritt, noch Jahrzehnte andauern wird. Es geht um den Un- handelt verantwortungslos. Er setzt das Ansehen willen und die Unfähigkeit vieler Menschen, sich auf Deutschlands aufs Spiel und gefährdet den demokra- die historische Wahrheit, was die Untaten der tischen Grundkonsens unserer Bundesrepublik. - Schreckenszeit der Naziherrschaft angeht, einzulas- sen. Es ist das hochanzuerkennende Verdienst des (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE von Jan Philipp Reemtsma gegründeten Instituts für GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- Sozialforschung und der von ihm erarbeiteten Wehr- neten der F.D.P.) 14714 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Otto Schily Ich rechne es Heiner Geißler und Volker Rühe hoch Nun sage ich einen Satz, der in seiner Härte und an, daß sie in dieser Richtung nie Undeutlichkeiten Klarheit von mir und uns allen angenommen werden haben aufkommen lassen. muß: Der einzige von allen vier genannten Personen - der einzige! -, der für eine gerechte Sache sein Le- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ben eingesetzt hat, war Jindrich Chajmovic. Denn er DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der kämpfte gegen eine Armee, in deren Rücken sich die CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) Gaskammern befanden, in denen seine Eltern und seine gesamte Familie ermordet wurden. Er kämpfte Die Debatte über die Rolle der Wehrmacht ist gegen eine Armee, die einen Ausrottungs- und Ver- schwierig und schmerzhaft, gewiß. Aber sie ist un- nichtungskrieg führte, die die Massenmorde der be- politischen Spra- ausweichlich. Die Grammatik der rüchtigten Einsatztruppen unterstützte oder diese je- bevorzugt leider häufig in der historischen Retro- che denfalls gewähren ließ. Er kämpfte, damit nicht wei- spektive die Passivform: es wurde, es passierte, es er- ter Tausende von Frauen, Kindern und Greisen auf eignete sich, es fand statt. Hinter diesen Wortgewe- brutalste Weise umgebracht wurden. Er kämpfte ge- ben verschwinden das Subjekt, das Individuum, die gen eine deutsche Wehrmacht, die sich zum Voll- Schuld und die Verantwortung. strecker des Rassenwahns, der Unmenschlichkeit Die Debatte kann uns aber auch in die Versuchung des Hitler-Regimes erniedrigt und damit ihre Ehre bringen - wer wollte das nicht eingestehen -, sie im verloren hatte. Stil einer selbstgefälligen Moral zu führen. Davor ist (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE niemand gefeit; davor sollten wir uns alle hüten. GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- Wenn wir ehrlich mit uns umgehen, wird jeder ein- neten der CDU/CSU) zelne von uns sich fragen müssen, wie er selbst in ei- ner Extremsituation gehandelt hätte. Wer von uns Was glauben Sie, wie auf einen, der als Pa rtisan für könnte ohne weiteres behaupten, daß er zum Bei- eine gerechte Sache gekämpft hat, folgender Kom- spiel den Mut eines deutschen Soldaten aufgebracht mentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hätte, der sich der Exekution von wehrlosen Zivili- vom 26. Februar 1997 zu der Wehrmachtsausstellung sten verweigerte und sich schweigend in ihre Reihe wirken würde? Ich zitiere: stellte, um den Tod mit ihnen zu teilen? Gewiß wirkt erschreckend, wenn zu sehen ist, (Der Redner hält inne) wie ein nach der Uniform unverkennbarer Wehr- Gestatten Sie mir an dieser Stelle einige persönli- machtssoldat jemandem den Strick um den Hals che Bemerkungen. Mein Onkel Fritz Schily, ein legt. Aber es verschwindet unter der scheinbar Mann von lauterem Charakter, war Oberst der Luft- dokumentarischen Suggestivkraft des Bildes, ob waffe. es sich um eine Hinrichtung von Pa rtisanen han- delt - bis heute gerechtfertigt vom Kriegsvölker- (Der Redner hält erneut inne) recht, das das Recht zum Töten den „Kom- - Entschuldigung. - Zum Ende des Krieges war er battanten" vorbehält, also den von ihrem Staat in Kommandeur eines Fliegerhorstes in der Nähe von die Pflicht des Tötens genommenen Soldaten. Ulm. Er suchte in Verzweiflung über die Verbrechen Selbst der NS-Staat hat, als er Ende 1944 das des Hitler-Regimes bei einem Tieffliegerbeschuß den letzte Aufgebot, den „Volkssturm", aus halben Tod. Kindern und gebrechlichen älteren Männern auf- stellte, darauf Bedacht genommen, die Reste der Mein ältester Bruder Peter Schily verweigerte sich Uniformvorräte zusammenzukratzen, damit die der Mitgliedschaft in der Hitler-Jugend und ver- Volkssturm-Männer als Kombattanten anerkannt suchte zunächst ins Ausland zu fliehen. Da ihm das würden. nicht gelang, meldete er sich freiwillig an die Front. Er wurde nach kurzer Ausbildung als Pionier im Ruß- Verstehen Sie, was in dieser eiskalten, trüben Lo- landfeldzug eingesetzt, erlitt schwere Verwundun- gik zum Ausdruck kommt? Gerechtfertigt war es, ei- gen und verlor ein Auge sowie die Bewegungsfähig- nen Menschen, der für eine gerechte Sache kämpfte, keit eines Armes. zu erhängen. Es war ganz selbstverständlich, daß die Soldaten vom NS-Staat zum Töten in die Pflicht ge- Mein Vater, eine herausragende Unternehmerper- nommen wurden. Der NS-Staat findet eine Huldi- sönlichkeit, dem ich unendlich viel für mein Leben gung, weil er in seiner verbrecherischen Energie im- verdanke, war ein erklärter Gegner des Nazi-Regi- mer noch so penibel ordnungsliebend blieb, daß er mes, empfand es aber als Reserveoffizier des Ersten die Kinder und Greise, die er am Schluß des Krieges Weltkrieges als tiefe Demütigung, daß er auf Grund in das Granatfeuer geschickt hat, mit Uniformen aus- seiner Mitgliedschaft in der von den Nazis verbote- stattete. nen anthroposophischen Gesellschaft nicht zum Wehrdienst eingezogen wurde. Erst später hat er die Meine Damen und Herren, das ist eine erbärmliche Verrücktheit - ich verwende seine eigenen Worte - Logik, die in der starren Welt formalistischer Be- seiner damaligen Einstellung erkannt. griffe nicht mehr die Wirklichkeit zu erreichen ver- mag. Der Vater meiner Frau, Jindrich Chajmovic, ein un- gewöhnlich mutiger und opferbereiter Mensch, hat (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE als jüdischer Partisan in Rußland gegen die deutsche GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- Wehrmacht gekämpft. neten der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14715

Otto Schily Wer sich aus dieser Starrheit nicht befreien kann, kommen läßt, überlassen. Der Hinweis auf macht sich blind dafür, was in jenen Schreckensjah- Rechtsnormen ist so wenig schal, wie das Ethos ren wirklich vor sich gegangen ist. der Sozialwissenschaften: die Welt zur Kenntnis zu nehmen. Zu den Starrsinnigen gehören - ich kann Ihnen das nicht ersparen, Herr Kollege Dr. Dregger - leider im- (Langanhaltender Beifall bei der SPD, dem mer noch Sie. Ich sage Ihnen, Herr Dr. Dregger: Wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS - haben hier im Hause festgestellt, daß Sie im Laufe Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie der Jahre zu einigen sehr beachtlichen Einsichten des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]) gelangt sind, für die Sie den Beifall des ganzen Hau- ses erhalten haben. Aber wenn Sie, Herr Dr. Dregger, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der äußern, die Wehrmachtsausstellung verdiene - ich zi- Kollege Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. tiere Sie wörtlich - „nur Verachtung, besser noch Nichtbeachtung", Dr. (F.D.P.): Herr Präsident! (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Meine CSU) Fraktion hat mich darum gebeten, in dieser Debatte zu sprechen, weil ich vom Mai 1944 bis Kriegsende schmähen Sie damit nicht auch Ignatz Bubis, Andrzej Angehöriger der deutschen Wehrmacht war. Ihr Hin- Szczypiorski, Jutta Limbach, die Präsidentin des weis, Herr Schily, Selbstgerechtigkeit zu vermeiden, Bundesverfassungsgerichts, und viele andere bedeu- ist nur zu berechtigt. Ich habe mich in den vergange- tende Persönlichkeiten, die Eröffnungsreden für nen Jahren oft genug gefragt: Wie hättest du wohl diese Wehrmachtsausstellung gehalten haben? als 18jähriger reagiert, wenn dir ein solcher Befehl erteilt worden wäre? Eine Antwort auf diese Frage (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE habe ich nie gewagt. GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord Ich war allerdings zu jung, um noch am Kriege in neten der F.D.P.) Rußland teilzunehmen. Deshalb geht es mir ähnlich, wie es Andrzej Szczypiorski in seiner Eröffnungs- Schlimmer aber ist, daß Sie - Sie haben das heute rede zur Münchner Ausstellung gesagt hat: wieder getan - immer noch an Ihrer These vom verlo- renen Zweiten Weltkrieg festhalten. Sie sollten sich Ich kann nur meine persönliche Auffassung zu endlich zu der Einsicht durchringen, daß Deutsch- diesem Thema äußern. Diese Auffassung wird land nur dadurch zur Demokratie geworden ist, daß aber subjektiv sein und auf keinen konkreten Nazi-Deutschland den Krieg verloren hat. Das ist die Fakten beruhen. Wahrheit. Kann man überhaupt anders als subjektiv und sehr persönlich zu den hier angesprochenen Problemen (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Stellung nehmen? Kann es hier etwa Partei- oder GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord Fraktionsmeinungen geben? Sicherlich nicht für ei- neten der CDU/CSU und der F.D.P.) nen Liberalen, eine liberale Partei, eine liberale Frak- tion. Herr Präsident, meine Damen und Herren, es sind noch viele Aufräumungsarbeiten im Bewußtsein un- Aus solchen Gründen erscheint mir das amtliche seres Volkes zu leisten. Wir dürfen unsere Augen Verdikt des bayerischen Kultusministers, die Ausstel- nicht von den Bildern des Schreckens abwenden, lung sei „nicht empfehlenswert", falsch. weil wir nicht nur die Vergangenheit, sondern auch Gegenwart und Zukunft zu verantworten haben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU] Die Wehrmachtsausstellung ist ein wichtiger Bei- sowie bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE trag zur Aufklärung. Sie verleiht den Opfern eine GRÜNEN und der PDS) Stimme und hoffentlich auch unserem Gewissen. Es wird offensichtlich nicht befolgt. Der Andrang in Dann können wir auch die Mahnung von Jan Philipp München ist groß. Als ich gestern da war, war die Zu- Reemtsma annehmen, die er in folgende Worte ge- sammensetzung der Besucher auffallend: sehr viele faßt hat, mit denen ich schließen möchte: junge Menschen, viele ältere Besucher - offensicht- lich Kriegsteilnehmer -, wenige, die vom Alter her Auch wenn wir am Ende dieses Jahrhunderts, an- dazwischen sind. Die Ausstellungsleitung bestätigte gesichts seiner Destruktivität, seiner Schrecken mir, daß dies gestern keine Momentaufnahme gewe- innewerdend und mit nichts in der Hand daste- sen ist. Es hat mich beeindruckt, mit welchem Ernst, hen als einer Buchführung über Verbrechen, Feh- mit welcher Stille sich die Besucher verhielten. Die ler, Versagen und skeptische Vorschläge zur Er- Stimmung erinnerte mich ein wenig an die Gedenk- gänzung internationaler Abmachungen, ist es stätten des Holocaust in Jerusalem oder in Washing- doch nicht statthaft, alles untergehen zu lassen in ton. einem summarischen „Jahrhundert der Barba- rei" . Ein Verbrechen hat Ort, Zeit, Täter, Opfer, - Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese Ausstel-- und man sollte sich nicht einem Sprachgebrauch, lung gut ist. Sie ist es nicht. Sie ist nicht differenzie rt der die forensische Präzision der Wörter „Täter" genug. Sie vermeidet nicht den Eindruck des Pau- und „Opfer" zu rheto rischen Passepartouts ver schalurteils über alle Angehörigen der Wehrmacht, 14716 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Dr. Otto Graf Lambsdorff trotz des schriftlichen Hinweises zu Beginn des Kata- Man könne bei einer komplizierten Mate rie nicht loges, Herr Schily; das ist zu wenig. Sie hat inhaltli- differenzieren, sonst bringe man sie um ihre Wir- che und historische Defizite. „Sie lügt nicht, und sie kung, meint im „Spiegel". Das Ge- lügt doch", schreibt Renate Schostack in der genteil ist richtig: Differenzierung, bessere histori- „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" . sche Zuordnung würde die Ausstellung nur überzeu- gender machen. Die Fakten sind leider so eindrucks- Trotz berechtigter Kritik sage ich aber: Die Ausstel- voll, daß eine sorgfältige Aufbereitung sie wahrlich lung ist notwendig. Es ist richtig, daß es sie gibt. nicht beeinträchtigen könnte.

(Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜND In einer Fernsehdiskussion hat Heribert Prantl vor NIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie einer unnützen Kragenspiegel-Diskussion gewarnt. bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wie wichtig diese aber ist, zeigt das Titelbild des „Spiegel" in dieser Woche. Rudolf Augstein schreibt Die schmerzliche Vergangenheit der jüngsten dazu, es handele sich um zwei Offiziere des Regi- deutschen Geschichte wird uns immer wieder einho- ments Groß-Deutschland. Das ist offensichtlich len. Es gehört zur Wahrheit dieser Vergangenheit, falsch. Es handelt sich um einen schießenden Wehr- daß auch Teile der Wehrmacht, ganze Einheiten, ein- machtsoffizier und einen hohen Offizier der Waffen- zelne Offiziere und Soldaten Kriegsverbrechen be- SS. gangen haben. Noch einmal Andrzej Szczypiorski: Es ist keine Haarspalterei, daß ich das hier sage. Es Dieser Krieg konnte nicht ehrlich geführt wer- zeigt, worauf uns Eugen Kogon kurz nach dem den, selbst wenn man es wollte. Denn dieser Kriege in seinem Buch „Der SS-Staat" aufmerksam Krieg war auf die Vernichtung von ganzen Völ- gemacht hat: die vom NS-Regime gezielt herbeige- kern und auf die Umwandlung von anderen Völ- führte Verstrickung der verschiedensten Organisatio- kern in Sklaven des tausendjährigen Reiches aus- nen. Dieser Verstrickung haben sich viele Befehlsha- gerichtet und kalkuliert. ber der Wehrmacht nicht entzogen. Der militärische Widerstand wird nicht erwähnt. Ebenso wahr ist aber auch, daß sich der größte Teil Schlimmer noch: Im sogenannten Forschungsband der deutschen Soldaten nicht schuldig gemacht hat. zur Ausstellung wird der führende Kopf des letzten Sie haben ihre Pflicht getan. Viele haben in dem auf das Attentat gerichteten Zeitabschnitts, Henning Konflikt gelebt, ihrer Eidespflicht genügen zu wollen von Tresckow, in die Nähe der Mittäter der Kriegs- oder zu müssen, obwohl sie die Natur der verbreche- verbrechen gerückt, weil er Lageberichte aus dem rischen Staatsführung erkannten oder ahnten. rückständigen Heeresgebiet abgezeichnet, also ge- kannt habe. Das ist bösartig; es ist verwerflich. Es Diesen Konflikt macht die Ausstellung nicht sicht- waren gerade die Verbrechen des Krieges in Ruß- bar. Dadurch erweckt sie den Eindruck von Einseitig- land, die die Attentäter zu ihrem Entschluß brachten, keit. Das beginnt mit ihrem Titel „Verbrechen der den schlimmsten aller Verbrecher zu töten. Wer das Wehrmacht". verschweigt oder gar verneint - das tut die Ausstel- lung leider -, entläßt die jugendlichen Besucher ohne Die Ausstellung läßt zuviel aus. Ich denke da weni- Hoffnung. ger an das Thema „Verbrechen der Roten Armee"; auch das ist diskutiert worden. Das muß nicht Ge- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU genstand dieser Dokumentation sein. Aber ich denke sowie bei Abgeordneten der SPD) an die Rolle des militärischen Widerstandes gegen . Der letzte Versuch der Offiziere um Stauffenberg, der Versuch von Leber, Leuschner, Goerdeler und Es ist zumindest ein erheblicher Mangel, daß die vielen anderen, aber war es, der für Deutschland und Ausstellung nirgendwo sagt, was sie ausläßt, was sie seine Geschichte so wichtig ist. Er entschuldigt keine aus dem Geschehen der Jahre 1941 bis 1944 nicht einzige Greueltat, aber er läßt Hoffnung für unsere zeigt - kein einziger Hinweis im Ausstellungsraum, Zukunft. nichts im Katalog. Das verstärkt den Eindruck der Einseitigkeit. Ich frage die Ausstellungsleitung: Ich sage es noch einmal mit den Worten Szczy- Diese Kritik hat es schon Anfang 1996 gegeben. piorskis in München: Warum wurde bisher nichts verbessert? Der ritterliche Glanz der Wehrmacht ist eine Le- gende, die Widerstandsbewegung in Deutsch- Die schrecklichen Zu den methodischen Mängeln. land ist aber keine. Sie war nicht stark, nicht zahl- Bilder sprechen eine gänzlich unmißverständliche reich, nicht wirksam. Aber es gab sie. Sprache. Der aufmerksame Beobachter aber muß sich fragen: Wie viele davon sind authentisch? Er Diese Menschen soll man nie vergessen. Denn sie muß sich fragen, wie sie im tatsächlichen Zusammen- waren Vertreter und Befürworter des wahren hang mit den beschriebenen Ereignissen stehen. Ich Deutschlands, das Achtung und Sympathie der fand es gestern bemerkenswert, wie intensiv die Be- Welt verdiente. sucher die vielen Texte studierten. Sie vermitteln - nämlich einen stärkeren Eindruck als die Fotografien Oder mit den Worten von Tresckows, als er am - auch in unserer Zeit, die wohl mehr in Bildern als in Abend des 20. oder 21. Juli in den gesuchten Tod in Buchstaben sieht und denkt. den vorderen Linien ging: Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14717

Dr. Otto Graf Lambsdorff Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er sollte man einmal nachdenken. Das ist doch eine Al- werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur ternative gewesen. zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne- auch Deutschland um unsertwillen nicht vernich- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ten wird. So haben einige Soldaten gehandelt. Sie sind aller- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU dings mit dem Tode bestraft worden. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es hat außerdem Widerständler der ersten Stunde gegeben, die schon 1933 gesagt haben: Hitler, das ist der Krieg. Aber das waren in der Hauptsache Kom- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege , PDS. munisten und nur ganz wenige Pazifisten und Katho- liken. Deswegen spricht man nicht so gern darüber. Man spricht erst über die Widerständler vom 20. Juli Gerhard Zwerenz (PDS): Herr Präsident! Meine Da- 1944. Auch das ist noch zu bewe rten. Ich muß fragen: men und Herren! Herr Kollege Lambsdorff, es Wie ist es dazu gekommen, daß wir - jetzt spreche scheint Ihrer Aufmerksamkeit entgangen zu sein, auch ich als Frontsoldat, als Infante rist - nach dem daß es eine Widerstandsausstellung und ein Wider- 20. Juli 1944 in eine ganz tiefe Verzweiflung gestürzt standsmuseum gibt. Es ist nichts dagegen zu sagen, worden sind? Das waren sehr viele; da gebe ich Ih- diese Ausstellungen zusammenzubringen und wei- nen recht, Herr Dr. Dregger. Da war uns klar, wie die- terhin zu vervollständigen. Aber so zu tun, als müsse ser Krieg enden würde. nun diese Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht, die es ein halbes Jahrhundert eben nicht Wir müssen uns auch daran erinnern, daß in die- gegeben hat, alle anderen Ausstellungen in sich auf- sem letzten Kriegsjahr mehr Menschen zu Tode ge- nehmen, hieße, diese beiden Ausstellungen zu über- kommen sind als in den gesamten Kriegsjahren zu- fordern. vor. Man muß also sagen: Diejenigen, die diesen Krieg beenden wollten - eingeschlossen die Deser- (Beifall bei der PDS, der SPD und dem teure, aber nicht nur sie -, haben doch wohl das Rich- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tige getan. Sie können sich aber nicht einmal jetzt dazu durchringen, das zuzugeben. Ich darf Sie, Herr Kollege Lambsdorff, noch auf den folgenden Punkt hinweisen: Man kann natürlich (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ darüber streiten, wie das Kapitel in dem Buch zur DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Ausstellung über die Blutschuld der späteren Wider- SPD) ständler und Attentäter zu bewe rten ist. Aber Sie können doch wohl nicht abstreiten, daß ein großer Der Antrag von CDU/CSU und F.D.P. beginnt mit Teil dieser Attentäter mit eigenem Blut die Blut- großen Worten im Wagnerschen Opernton. Ich zi- schuld, deren sie vorher schuldig geworden sind, ab- tiere: waschen wollte. Der Zweite Weltkrieg gehört zu den furchtbar- Ich muß Ihnen sagen: Der Widerstand ist sehr spät sten Tragödien der deutschen und europäischen gekommen. Wenn wir nur ganz bestimmte Generäle Geschichte. Ihr fielen Millionen auch deutscher nehmen, zum Beispiel den durchaus couragierten Pa- Soldaten und Zivilisten zum Opfer. riser Stadtkommandanten General Stülpnagel, und Das ist bezeichnend, meine Damen und Herren. andererseits sehen, was er für eine ungeheure Blut- Bevor Sie auch nur ein einziges jüdisches, polni- schuld auf sich geladen hat, bevor er Widerständler sches, russisches Opfer des deutschen Vernichtungs- geworden ist, dann können wir doch jetzt nicht so krieges genannt haben, denken Sie sofort an die tun, als wäre das alles nicht wahr. deutschen Opfer. Täter gibt es in Deutschland offen- sichtlich nicht. Dabei handelt es sich wohl nur um (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne ganz wenige; sie werden nicht mehr beim Namen ge- ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE nannt. GRÜNEN) (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ Aber darüber wollte ich gar nicht sprechen. DIE GRÜNEN) Was mich aufrichtig erzürnt, ist, daß es zwei ge- Das ist eine winzige Minderheit. stanzte Formeln gibt, nämlich erstens von der Wehr- macht, die in Kriegsverbrechen verstrickt gewesen Reden wir also nicht von „Verstrickung"; reden wir sei, und zweitens, daß die Wehrmachtsausstellung vom geplanten Genozid. Er ist eben nicht nur von eine pauschale Verurteilung aller 18 Mil lionen deut- Hitler und von den Leuten, die um ihn herum waren, scher Soldaten sei. Das redet einer dem anderen geplant worden. In den ersten sieben Monaten des nach. Denkt vielleicht wenigstens einer daran, was Rußlandkrieges sind 3,9 Millionen russische Gefan- gewesen wäre, wenn diese 18 Mil lionen Soldaten gene gemacht worden. Davon sind 2 Mil lionen ver- ausgerufen hätten: „Wir sind das Volk! Nie wieder hungert - sie hat man verhungern lassen -, und Krieg! Mit uns nicht!"? Wenn diese Soldaten dann 600 000 russische Gefangene hat man erschossen. nach Hause gegangen wären, wäre der Krieg aus ge- Dies ist geschehen, obwohl Sie von der CDU/CSU- wesen. Ohne diese Wehrmacht hätte es keinen Holo- doch fortwährend herbeten, daß so viele Generäle caust, keinen Genozid, keinen Zweiten Weltkrieg und Armeekommandeure den Kommissarbefehl und nicht seine 50 Millionen Toten gegeben. Darüber nicht an die Truppe weitergeben haben. Ja, wer hat 14718 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Gerhard Zwerenz denn dann die 600 000 Russen erschossen? Das war Vielmehr hat es die Neugründung einer demokra- doch nicht ausschließlich die SS; so viele SS-Leute tisch legitimierten Armee gegeben. gab es doch gar nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der PDS und des DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) PDS) Daß man versucht, sich um diese furchtbaren Herr Dr. Dregger, hieran kann man doch das dra- Wahrheiten herumzuschwindeln, das ist der eigentli- matische Mißverständnis der Kritiker der Ausstel- che Skandal unserer Zeit. lung und auch derjenigen, die diese Ausstellung für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen, festmachen. Ich sehe, daß ich am Ende meiner Redezeit von Jeder Soldat der Wehrmacht war auf einen Verbre- fünf Minuten angekommen bin. cher vereidigt. Jeder Soldat mußte im Laufe des Krie- Ich möchte schließen. Ich möchte Sie bitten: Be- ges merken - das wissen wir aus den B riefen der in- denken Sie, daß selbst ein Mann, der eine solch stäh- haftierten Leute des 20. Juli -, daß der persönliche lerne Feder führt wie Friedrich Karl Fromme, in der Eid ein Eid auf einen Verbrecher war. Das war auch „FAZ" am 26. Februar 1997 vom „jüdischen Bolsche- die Tragödie vieler Soldaten. wismus" geschrieben hat, in dem die beiden Haupt- Nach dem Krieg hat es keine Reform gegeben - feindbilder der Nazis, das jüdische und das bolsche- weder war das Amt Blank eine Reform, noch war es wistische, zusammengeflossen seien. Das Resultat die neue Bundeswehr. Vielmehr gab es zum ersten- dessen, daß diese beiden Feindbilder in eins zusam- mal in der Geschichte des Deutschen Militärs, das mengefallen sind, zeigt diese Wehrmachtsausstel- auf eine demokratische Verfassung vereidigt war. lung. Sie bringt deswegen etwas Neues, weil sie be- Das ist ein wesentlicher, ein qualitativer und grund- wirkt, daß dieses ungeheuerliche, beschämende Ge- sätzlicher Unterschied. Deshalb kritisieren wir auch fühl von Schuld unausweichlich jeden trifft, ob er all diejenigen, die Emotionen in der Bundeswehr nun selbst subjektiv schuldig ist oder nicht. Dem muß schüren wollen, indem sie sagen: Ihr müßt euch jetzt man sich stellen, und das kann man nicht mit solchen beleidigt fühlen. Das zeigt, daß die Zäsur und dieser Floskeln tun, wie sie jetzt fortwährend fa llen. Bruch von denen, die so etwas sagen und entspre- Wenn diese Ausstellung schon nicht, wie mein chend handeln - nicht alle -, nicht gesehen werden. Freund Graf von Einsiedel und ich angeregt haben - (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ es war nicht die PDS -, im Foyer des Deutschen Bun- DIE GRÜNEN) destages gezeigt werden darf, dann sind wir wenig- stens dafür, daß die Präsidentin des Deutschen Bun- Das, Herr Dr. Dregger, wäre Ihre große Aufgabe destages diese Ausstellung, wenn sie in Bonn ge- gewesen als ein Soldat der Hitler-Armee, der Wehr- zeigt werden wird, als Schirmherrin eröffnet. Dann macht, der hier - manchmal sehr ergreifend - berich- hat der Bundestag dieser Ausstellung wenigstens tet hat, was er erlebt hat und was er empfinden noch seine Reverenz erwiesen. mußte, als er mit den Flüchtlingen zurückgetrieben wurde und versuchte, Flüchtlinge zu schützen. Ich Ich danke Ihnen. habe sehr wohl im Ohr, was Sie dazu gesagt haben. (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ Aber diesen Unterschied zwischen Soldaten, die DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der auf ein solches System und auf einen solchen Mann SPD) vereidigt waren, und einer demokratischen Bundes- wehr, der eine Verfassung den Rahmen und das Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich werde an Recht gibt, dürfen wir keine Sekunde vergessen. dieser Stelle der Debatte drei angemeldete Kurzin- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ terventionen zum Zuge kommen lassen. Danach ge- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der hen wir in die zweite Runde. Zu einer Kurzinterven- CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) tion haben sich gemeldet: die Kollegin Nickels, die Kollegin Steinbach und der Kollege Duve. Ich werde Lassen Sie mich, Graf Lambsdorff, noch eine die Reihenfolge etwas durchmischen, indem ich zu- zweite Sache ansprechen. Wir haben Kollegen hier erst dem Kollegen Duve, dann der Kollegin Stein- im Bundestag - in unserer Fraktion und auch in an- bach und danach der Kollegin Nickels das Wo rt deren Fraktionen - gehabt, die als 17jährige, als gebe. 18jährige in die Waffen-SS gezogen wurden. Ich spreche von konkreten Kollegen. Sie haben ihr Le- Herr Kollege Duve, bitte. ben lang darunter gelitten, daß selbst sie, die 1944 dorthin gezogen wurden, immer zu der Gruppe ge- (SPD): Herr Dr. Dregger, ich habe hörten, von der pauschal alle sagen: Ihr wa rt ja SS; mich während Ihrer Rede gemeldet. Dieser Krieg läßt wir waren ja die Soldaten. uns alle nicht los - diejenigen nicht, die ihn als Solda- Auch aus diesem Grunde ist diese Ausstellung von ten oder als Kinder erlebt haben, und diejenigen besonderer Bedeutung. Die Pauschalierung ist weg. nicht, die nach seiner Beendigung geboren wurden. Auch diese Ausstellung pauschaliert Schuld nicht, Ich habe mich gemeldet, als Sie die Formulierung sondern sie weist auf etwas hin. „die Militärreform, die dann in der Bundesrepublik Deutschland gemacht wurde" gebraucht haben. Da- Eine dritte Bemerkung zu Otto Schily. Ich war gegen sage ich: Es hat keine Militärreform gegeben. letzte Woche in der merkwürdigen Situation, daß ich Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14719

Freimut Duve das Haus in Osijek fand, in dem meine jüdische nicht auf die Beine geholfen. Auch dieser Soldat war Großmutter abgeholt wurde. Nie hätte ich gedacht - zunächst einmal Opfer und kein Täter. diese 60 Jahre, die ich lebe -, daß ich eine Frau spre- chen würde, die das gesehen hat. Wir dachten nicht, All das wird in dieser Ausstellung nicht behandelt. daß noch irgend jemand lebt. Diese Ausstellung hat etwas Infames an sich. Sie wi ll diskreditieren; davon bin ich fest überzeugt. Ich habe mit dieser Frau gesprochen. Sie hat mir genau beschrieben, wie das passiert ist: unter dem Eines möchte ich hinzufügen: Die Töne, die die Schutz auch deutscher Soldaten. Aber es waren kroa- Redner aus der Sozialdemokratischen Pa rtei ange- tische Ustaschas, die die alte Frau, die beinbehindert schlagen haben, waren sehr differenzie rt und abge- war, auf einen Lastwagen geschmissen haben. Wir wogen, aber zu dem, was aus der Ecke der Grünen wissen nicht, ob sie in Auschwitz oder in einem ande- kam, kann ich nur eines sagen: Mich ekelt die Über- ren Lager umgekommen ist. heblichkeit an, mit der Sie über Ihre eigenen Väter und Vorväter sprechen. Das ist unserer Geschichte Aber ich habe auch zwei Brüder meiner Mutter, insgesamt nicht angemessen. die in der Wehrmacht, die in Rußland waren. Beide Soldaten hat dieser Krieg bis zu ihrem Tod nicht ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lassen. Ich glaube, Herr Dr. Dregger, Herr Dr. Lambsdorff Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege und viele von uns, uns alle wird dieser Krieg bis zu Dregger, ich schlage vor, wir hören die Kollegin Nik- unserem Tod nicht verlassen. Deshalb sollten wir kels an, und dann frage ich generell. sehr behutsam und sehr sorgsam mit ihm umgehen - so, wie es der Kollege Schily gemacht hat. Die Kollegin Nickels, bitte. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) Meine Kurzintervention schließt sich richtig an Ihre Kurzintervention, Frau Kollegin, an. Ich möchte sa- gen, daß mein Vater nicht jung war, als er in den Ich unterstelle, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Krieg ging. Er wurde 1908 geboren und ist 1991 ge- daß Gegenrede nicht gewünscht wird. Deshalb jetzt storben. die Kollegin Steinbach, bitte. Er war nicht Parteimitglied. Er wurde zurückge- (CDU/CSU): Herr Kollege Schily, stellt, weil er Bauer war. Später wurde er eingezo- Sie haben sehr eindrucksvoll und eindringlich die gen. Meine Mutter hat mir erzählt, daß mein Vater in Geschicke in Ihrer eigenen Familie dargestellt. Wir den 50er Jahren - er war ein gestandener Mann, der können sicherlich gemeinsam feststellen, daß fast je- sein ganzes Leben lang schwer gearbeitet hat - der in seiner Familie bedrückende Schicksale hat. keine Nacht bei offenem Fenster geschlafen und jede Nacht im Schlaf furchtbar von Feuer und Kindern ge- Ich möchte nur daran erinnern: Mein eigener Groß- schrien hat. Sie sagte, daß es einfach grauenhaft war. vater saß im KZ und ist an den Folgen dieses Aufent- haltes verstorben. Mein Großonkel ist der Euthanasie Ich habe meinen Vater natürlich sehr geliebt. Er zum Opfer gefallen. Vor diesem Hintergrund gibt es hat nie erzählt, wie es war, wenn man zum erstenmal sicherlich die große gemeinsame Auffassung, daß wir auf einen Menschen schießt. Heute wundert mich unsere zwölf Jahre bitterer Geschichte sehr sorgfältig das. Allenfalls haben die Männer, wenn sie auf einer zu durchleuchten haben. Das ist in unser aller Inter- Familienfeier betrunken waren, die Geschichte er- esse, auch im Interesse der Opfer aus unseren Fami- zählt, daß sie zur damaligen Zeit ins Ausland kamen, lien und auch im Interesse derer, die sich nicht mehr aber niemand hat gesagt, wie es war, wenn man zum zur Wehr setzen können. erstenmal auf jemanden schießen mußte. Darüber hat keiner gesprochen. Ich bin aber der festen Überzeugung, daß die Aus- stellung, über die wir heute reden - ob sie hier im In den letzten Jahren habe ich manchmal Men- Deutschen Bundestag, ob sie, wie ich das bei mir in schen, die mir sehr nahestehen und das erlebt haben, Frankfurt sehe, in der Frankfurter Paulskirche ge- danach gefragt. Sie können immer noch nicht dar- zeigt werden soll -, eine Scheuklappenausstellung über reden. ist. Sie ist einseitig; und sie verletzt diejenigen, die sich nicht zur Wehr setzen können. Vor einigen Jahren reichten sich unser Bundes- Überlegen Sie: Ein junger Soldat, der 1944 im Alter kanzler und Präsident Reagan auf einem Friedhof in die Hand. Dabei ist mir zum erstenmal aufge- von 18 Jahren gefallen ist, war zur Zeit der Machter- greifung Hitlers sieben Jahre alt. Er hat diesem Re- fallen, daß mein Vater auf dem einzigen Foto, das es gime nicht auf die Beine geholfen. Er war schlicht aus dieser Zeit von ihm gibt, eine Uniform trägt, die schwarz ist und auf der Totenköpfe sind. Damals war Opfer dieses Regimes. ich schon für die Grünen im Bundestag und habe es Überlegen Sie: Ein junger Hauptmann, der 1944 nicht gewagt, meinen Vater zu fragen; denn es fiel im Alter von 25 Jahren gefallen ist, war 1933 noch mir unendlich schwer. Ich habe es nicht übers Herz nicht einmal wahlberechtigt und hat diesem Regime gebracht, ich konnte das nicht. 14720 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Christa Nickels 1989 bin ich mit unserer bündnisgrünen Bundes- geben, der im Prinzip nicht Brot, sondern Steine ist, tagsfraktion nach Warschau gefahren. 50 Jahre nach indem man denjenigen, die darin verwoben waren, dem Überfall auf Polen sind wir in Majdanek gewe- im nachhinein sagt: Es soll dich nicht mehr schmer- sen. Ich weiß nur, daß Papa im Krieg in Frankreich, zen, weil du gezwungen worden bist. - Das hilft in Rußland und in Polen gewesen ist. Ich weiß, daß er überhaupt nicht weiter. in Lemberg in Gefangenschaft geraten ist. Danke schön. Ich war im KZ in Majdanek und sage Ihnen: Eines (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nachts bin ich regelrecht zusammengebrochen, weil und bei der SPD sowie bei Abgeordneten ich furchtbar über das erschüttert war, was in Majda- der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) nek passiert war, aber genauso über das, was man mit den Männern, zu denen auch mein Vater gehört hat, gemacht hat. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Dr. Dreg- ger, bitte. Es waren überwiegend Männer, die das Leben und Kinder liebten. Es ist furchtbar, zu was man diese Männer in diesem verbrecherischen Krieg gemacht Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU): Herr Präsident! hat. Die meisten von ihnen hatten nicht die Kraft, Meine Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen sich dem zu entziehen. Sie alle haben unendliche und bekunden, daß die Kritik, die an mir geübt wor- entsetzliche Schuld auf sich geladen. Die Männer, den ist, von mir geprüft werden wird, daß ich sie Frauen und Kinder - ich bin die Tochter eines sol- nicht schlankweg zurückweisen werde. chen Soldaten - sind bis heute davon geprägt. (Beifall im ganzen Hause) Herr Dregger, es stimmt doch nicht, daß man dann, Ich freue mich, daß auf den ersten Teil der Debatte wenn man die Wunden ungeschminkt zeigt und an- der zweite gefolgt ist. Im ersten Teil mußte ich spre- fängt, darüber zu reden, die Betroffenen mit Schmutz chen. Ich spreche nicht gerne laut. Aber ich habe et- überschüttet oder in eine Ecke stellt. Im Gegenteil, was lauter gesprochen, als ich es gerne tue, um über- ich glaube, das Beste, das uns passieren könnte, haupt durchzudringen. Das hat mich etwas verzwei- wäre, wenn wir ein Klima in Deutschland bekämen, felt gemacht: Ist denn das deutscher Parlamentaris- in dem die Väter und Mütter und ihre Kinder - ich mus heute? Ist es denn in diesem Hause nicht mög- bin ein Nachkriegskind und mittlerweile 45 Jahre lich, daß jeder seine Meinung sagt und daß er ange- alt - endlich einmal in aller Ruhe miteinander dar- hört wird, aber nicht so, daß er das Gefühl haben über reden könnten, was mit ihnen passiert ist und muß, er wird als ein leibhaftiger Teufel betrachtet, warum das so gekommen ist. gegen den man vorgehen muß?

Ich bin Mutter, ich habe Kinder. Ich sage Ihnen ei- Ich will hinzufügen, Herr Duve, daß ich Ihnen sehr nes: Für mich steht außer Frage, daß ich, wenn ich dankbar dafür bin, daß Sie eine Überleitung vom er- jemals einem Deserteur helfen kann, weil er sich wei- sten zum zweiten Teil unserer Debatte gefunden ha- gert, einen anderen Menschen zu erschießen, das ben und daß Sie sich in einer Weise mit mir auseinan- tun werde. Ich glaube, wenn es wirklich etwas zu dergesetzt haben, die durchaus tiefgehend war, aber verteidigen gibt, was das eigene Leben we rt ist, daß auch nicht in einem einzigen Moment beleidigend man es freiwillig tut, dann wird das ein Mensch in oder den Kollegen ausschließend. Ich glaube, das ist schwerster Not vielleicht auch tun. Aber man sollte ein Beispiel für Parlamentarismus. Menschen nicht dazu abkommandieren. Ich glaube (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und nicht, daß man ein Land lieben kann, wenn man der SPD) nicht zuallererst gelernt hat, das Leben der anderen Menschen und auch sein eigenes zu lieben. Das ist Ich will einen weiteren Punkt aufnehmen, den Sie mir wichtig zu sagen. genannt haben und der in der Sache wichtig ist. Mir liegt es fern, zwischen der Bundeswehr und der na- Die Debatte beeindruckt mich. Ich habe mir sehr tionalsozialistischen Wehrmacht, wie Sie sagen, eine überlegt, ob ich das alles sagen soll, weil vielleicht ungebremste Verbindung herzustellen. Aber jetzt jemand fragen könnte: Wie kannst du denn so etwas lassen Sie mich etwas hinzufügen: Ich selbst war Sol- machen? Er ist doch dein Vater gewesen. - Aber ich dat, bin viermal verwundet worden und bin zurück- empfinde das, was ich gesagt habe, nicht als Nestbe- gekommen, weil ich Glück hatte, nicht, weil ich bes- schmutzung, weil jeder, der mich kennt, weiß, wie ser wäre als andere. Ich kenne viele Landser, die ne- sehr ich meine Eltern - auch meinen Vater - liebe ben mir gefallen sind. Mich schmerzt es, wenn man und geliebt habe. alle diese Landser als Vertreter der Nazi-Wehrmacht anklagt. Ich behaupte nicht, daß Sie das tun; aber Wenn diese Debatte vielleicht stilbildend war, das geschieht doch. Das dürfen wir nicht tun. dann dadurch, daß man ansatzweise die politische Reflexion und die eigene Geschichte ehrlich, unge- Ich spreche inzwischen von den „großen Kriegs- schminkt, in einfachen, wenn auch schrecklichen Bil- herren" . Der Unterschied war nicht zwischen Gene- dern dargestellt hat. Das würde ich mir wünschen. rälen und Gefreiten, sondern zwischen den großen Kriegsherren, die die politische Macht und außerdem Ich glaube, daß diese Wehrmachtsausstellung ge- die Befehlsgewalt hatten und die im Grunde a lles nau das in Gang setzen kann, wenn man nicht an- entschieden haben, und den Soldaten, die nichts ent- fängt, die Wunden zuzukleistern, billigen Trost zu schieden haben; sie hatten nur zu gehorchen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14721

Dr. Alfred Dregger Ich möchte nicht gerne, daß diese Kameraden, die heit auseinandersetzen, um die richtigen Lehren für dieses schreckliche Schicksal erlitten hatten und zum die Zukunft zu ziehen. Teil noch leben, das Gefühl haben, sie würden von Heroisierung und unkritische Rechtfertigung ver- uns allen mißachtet, ausgegrenzt und ausgestoßen. bieten sich ebenso wie eine pauschale Verurteilung. Meine Damen und Herren, wir sollten irgendwann Das Gebot heißt Aufrichtigkeit, Nachdenklichkeit einmal - vielleicht könnte Herr Duve die Anregung und Differenzierung. Alles andere ist nicht nur unhi- geben - ein Gespräch führen, mit dem Ziel, Mißver- storisch, sondern auch unmenschlich und unredlich. ständnisse - soweit es Mißverständnisse sind - aus- Wenn es um die Wehrmacht geht, haben wir nur zuräumen. Ich würde es sehr gut finden, wenn unser die Möglichkeit, der ganzen Wahrheit ins Auge zu Parlamentarismus so liefe, daß wir offen und anstän- sehen. Der Glaube, die Wehrmacht sei der weitge- dig miteinander reden können, wie es jetzt in diesem hend unbefleckte Ho rt von Anstand und Ehre inmit- Teil der Debatte war. Allen denjenigen, die dazu bei- ten der nationalsozialistischen Barbarei gewesen, getragen haben, möchte ich herzlich danken. diese These ist durch die historische Forschung der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. letzten Jahre widerlegt. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat Ich habe auf der Kommandeurstagung der Bundes- jetzt Herr Bundesminister Volker Rühe. wehr 1995 in München über das Verhältnis Wehr- macht-Bundeswehr folgendes gesagt - jedes Wo rt Bundesminister der Verteidigung: gilt bis heute -: Die Wehrmacht war als Organisation Volker Rühe, des Dritten Reiches in ihrer Spitze, mit Truppenteilen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! und mit Soldaten in Verbrechen des Nationalsozialis- Auch 52 Jahre nach dem Ende des Zweiten Welt- mus verstrickt. Als Institution kann sie deshalb keine kriegs ist es nicht einfach, über die Rolle der Wehr- Tradition begründen. macht zu sprechen. Es ist aber, glaube ich, für uns alle sehr bewegend, wie der Deutsche Bundestag Ich sagte dann weiter: Nicht die Wehrmacht, aber darüber spricht. einzelne Soldaten können traditionsbildend sein, wie die Offiziere des 20. Juli, aber auch wie viele Solda- Name und Handeln der Wehrmacht sind mit einer ten im Einsatz an der Front. Wir können diejenigen, einzigartigen politischen und moralischen Kata- die tapfer, aufopferungsvoll und persönlich ehrenhaft strophe verbunden: mit der Diktatur des National- gehandelt haben, aus heutiger Sicht nicht pauschal sozialismus, der Ungeheuerlichkeit seiner Verbre- verurteilen. Aber wir dürfen uns nicht auf rein militä- chen, mit millionenfachem Leiden und Sterben, mit rische Haltungen und Leistungen beschränken. Ent- dem Zusammenbruch Deutschlands und allen seinen scheidend sind Gesamtpersönlichkeit und Gesamt- Folgen. verhalten. Aber ebenso ist der Name der Wehrmacht mit dem (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und Widerstand gegen Hitler und mit dem Attentat auf der SPD) den Tyrannen verbunden, mit dem Einsatz des Le- bens für Freiheit, Recht und Würde. - Mich hat sehr Die Wehrmacht war die Armee einer Diktatur. Ob- bewegt, was Graf Lambsdorff gesagt hat. Denn mir jektiv war sie das Instrument Hitlers zur Führung als jungem Mann hat das Studium des Widerstands eines verbrecherischen Angriffsk rieges. Ihre militäri- sehr viel Hoffnung gegeben. Deswegen ist es richtig, schen Erfolge waren - vor allem im Osten - die Vor- was Sie gesagt haben, daß der jungen Generation aussetzung für Unrecht und Vernichtung. Die Wehr- dieses Stück Hoffnung verweigert wird, indem das macht hat großes Leid gebracht; ihre Soldaten selbst nicht angesprochen wird. haben großes Leid erlitten. Insgesamt 18 Millionen Deutsche haben als Solda- Es greift aber zu kurz, nur von „der" Wehrmacht ten in der Wehrmacht gedient. Viele von ihnen ha- zu sprechen - auch Graf Lambsdorff hat das ange- ben Unvorstellbares erleben müssen, Schreckliches sprochen -, so als ob sie ein verantwortlicher Akteur erlitten oder sind eines grausamen Todes gestorben. gewesen sei. Diese Redeweise führt zu falschen Viele sind in der Gefangenschaft umgekommen. Die Schuldzuweisungen. Schuld ist aber immer persön- Überlebenden - und das ist das Verdienst von Dr. lich. Kollektivurteile über das Handeln der Wehr- Dregger und anderen - haben an maßgeblicher macht sind genauso haltlos wie die Rede von der Kol- Stelle geholfen, dieses Land wieder aufzubauen. lektivschuld der Deutschen. Historische und mora- lische Wahrhaftigkeit fängt mit einer genauen Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) trachtung und präziser Sprache an. Die Wehrmacht bestand im Laufe der Jahre aus Millionen von einzel- Die Erfahrungen der Wehrmachtssoldaten sind die nen Deutschen - jeder mit eigenen, unverwechselba- Erfahrungen der Generation unserer Väter. - Ich darf ren Erfahrungen, eigenen Hoffnungen und Idealen, sagen: Mich hat auch sehr bewegt, wie die Frau Kol- eigenen Wünschen und Ängsten, jeder mit eigener legin Nickels über ihren Vater gesprochen hat. Das Würde. erfordert schon viel Kraft und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. - Diese Erfahrungen wirken in vielen Fa- Wahr ist auch, was der Widerstandskämpfer Axel milien bis heute nach. Unsere Verantwortung ver- von dem Bussche gesagt hat: „Ein Großteil der Treue langt, daß wir uns kritisch mit unserer Vergangen- gegenüber dem obersten Kriegsherrn ist bona fide ^14722 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Bundesminister Volker Rühe geleistet worden" - in gutem Glauben, nach bestem Die Behauptung, daß erst mit der Ausstellung die Wissen und Gewissen. Daß der subjektiv ehrenhafte Diskussion über die Rolle der Wehrmacht begonnen und tapfere Dienst objektiv mit dem Einsatz für ein habe, ist schlicht falsch. Die historische Wissenschaft verbrecherisches System einherging, das macht die ist längst viel weiter. Besonders das Militärgeschicht- Tragik soldatischen Pflichtbewußtseins im Zweiten liche Forschungsamt der Bundeswehr hat sich bei Weltkrieg aus. der Aufarbeitung der Geschichte des Deutschen Rei- ches verdient gemacht und in der internationalen Zur Wahrheit über die Wehrmacht gehört aber Wissenschaft große Anerkennung erworben. auch der militärische Widerstand gegen Hitler. Die Frauen und Männer und die handelnden Offiziere im Die Bundeswehr hat sich von Anfang an der gan- Widerstand folgten ihrem Gewissen. Sie stellten die zen deutschen Geschichte gestellt, mit ihren Höhen Würde des Menschen über den bedingungslosen Ge- und Tiefen. Tradition - das muß auch noch einmal horsam, die Treue zu ihrem Land über die Gefolg- festgehalten werden - ist aber nicht gleich Ge- schaft zu einem Diktator; sie traten dafür mit ihrem schichte. Tradition ist die bewußte Auswahl von Er- Leben ein. Mancher fand erst spät zum Widerstand. eignissen und Menschen, von Haltungen und Taten, Aber wer von uns hätte heute das Recht, darüber zu die beispielgebend sind. Die Werteordnung des richten? Grundgesetzes ist dafür Orientierungsrahmen. Ein solches Verständnis läßt Raum, vorbildliche soldati- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sche Haltung und hervorragende militärische Lei- sowie des Abg. Peter Zumkley [SPD]) stungen aus allen Epochen der deutschen Militärge- Der Versuch, die Nazidiktatur zu beseitigen, schei- schichte in die Tradition der Bundeswehr zu über- terte tragisch. Aber das Opfer war nicht umsonst. Es nehmen. hat Deutschland die Ehre und Würde wiedergege- Die Bundeswehr stützt sich auf die freiheitlichen ben, die die Naziverbrecher unserem Land geraubt Werte der deutschen Militärgeschichte. Im übrigen hatten. Alle aus meiner Generation, die die Chance hat sie inzwischen auch eine eigene, wie ich finde, hatten, in dieser Demokratie groß zu werden, schul- sehr eindrucksvolle Tradition entwickelt: den diesen Männern unendlich viel. Wir hätten es viel schwerer gehabt, wieder in die Gemeinschaft (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. der gesitteten Nationen aufgenommen zu werden, sowie bei Abgeordneten der SPD) wenn es nicht diesen Versuch gegeben hätte, die als erste Wehrpflichtarmee in der Demokratie, ge- Ehre Deutschlands wiederherzustellen. Unendlich prägt vom Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, in- viel verdanken wir ihnen! tegriert und geachtet in der Nordatlantischen Alli- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. anz, als Vorreiter der Zusammenarbeit mit unseren sowie bei Abgeordneten der SPD) Nachbarn im Osten, bewährt beim Aufbau der Ar- mee der Einheit und vor allem im internationalen Die Werte, für die die Frauen und Männer des Wi- Einsatz für den Frieden und für Menschen in Not. derstands litten und starben, gehören heute zu den ideellen Grundlagen unserer Nation und zum morali- Ich danke Ihnen. schen Fundament der Bundeswehr. Es ist kein Zufall, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. daß der Bundesverteidigungsminister seinen Dienst- sowie bei Abgeordneten der SPD) sitz im Bendlerblock in Berlin genommen hat. Viele ehemalige Wehrmachtssoldaten haben die Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Verehrte Kolle- Bundeswehr mit aufgebaut. General de Maizière, der ginnen und Kollegen, ehe ich dem nächsten Redner ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, hat das Wort gebe, begrüße ich auf der Besuchertribüne sehr eindrucksvoll berichtet, welch lange innere Prü- den Präsidenten der Nationalversammlung der Isla- fung seiner Entscheidung vorausging, 1955 wieder mischen Republik Mauretanien mit einer größeren Soldat zu werden. Besonders kostbar sind ihm - das Delegation. darf ich, auch nach dem, was Freimut Duve gesagt (Beifall) hat, noch einmal sagen - die zentralen Elemente un- serer Wehrverfassung: der P rimat der Politik, die par- Wir freuen uns, Herr Präsident, über Ihren Besuch lamentarische Kontrolle, die institutionelle, rechtli- auch hier im Plenum und hoffen, daß er dazu bei- che, geistige und soziale Verankerung der Streit- trägt, die traditionell guten Beziehungen zwischen kräfte in Staat und Gesellschaft und die Bindung von unseren Ländern weiter zu vertiefen. Seien Sie uns Befehl und Gehorsam an Recht und Gesetz. herzlich willkommen! (Beifall) Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialisti- schen Diktatur, mit dem Zweiten Weltkrieg und mit Das Wort hat jetzt der Kollege Walter Kolbow, SPD. der Wehrmacht ist ein unerläßlicher Bestandteil staatsbürgerlicher Bildung. Die gegenwärtige Dis- Walter Kolbow (SPD): Herr Präsident! Meine sehr kussion zeigt, daß noch viel sachliche und differen- verehrten Kolleginnen und Kollegen! Unser früherer zierte Aufklärung not tut. Zahlreiche ausgewiesene Kollege und Oberbürgermeister von München, Fachhistoriker haben teilweise erhebliche Kritik an Hans-Jochen Vogel, hat recht: Der Streit über die so- der Zielsetzung, an der inhaltlichen Ausgestaltung genannte Wehrmachtsausstellung hat Formen ange- und am wissenschaftsmethodischen Ansatz der Aus- nommen, die den demokratischen Grundkonsens in stellung, über die wir reden, geübt. München - und nicht nur do rt - in Frage gestellt ha- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14723

Walter Kolbow ben. Ich hatte gehofft - sicherlich mit vielen hier im krieg, den Geschehnissen in Serbien und am Vorge- Saale -, daß die heutige Debatte dazu beiträgt, den hen der 6. Armee in Weißrußland. Grundkonsens in der Bewältigung des nationalsozia- listischen Verbrechensregimes zu bewahren. (Unruhe) Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion war in der Vorbereitung auf diese Debatte - bei Zu- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Entschuldigung, stimmung zum Antrag der Grünen-Fraktion - der Herr Kollege Kolbow. Ich muß Sie einen Augenblick Meinung, sich beim Antrag der Regierungskoalition unterbrechen. wegen der letzten Passage enthalten zu sollen. Die Wir haben bisher eine sehr gute und sehr ruhige Rede des Herrn Kollegen Dregger allerdings - ich Debatte geführt. muß das objektiv hier vortragen - hat viele Kollegin- nen und Kollegen in meiner Fraktion in dieser Hal- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- tung wanken lassen. ten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich finde es angemessen, daß wir den Rednern, die jetzt noch zu sprechen haben, die gleiche Aufmerk- Sie werden sicherlich ihren Schluß auch aus dem samkeit schenken wie bisher. Ich möchte ganz gene- Fortlauf der Debatte ziehen. Im übrigen ist durch den rell sagen: Ich mag es nicht, wenn in den ersten Rei- zweiten Beitrag von Ihnen, Herr Kollege Dregger, hen den Rednern der Rücken zugewendet wird. Ich Ihre erste Einlassung relativiert worden; ich will das finde das nicht in Ordnung. konstatieren. Ich bin aber beklommen - ich sage dies auch sehr Walter Kolbow (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. persönlich -, mich hier gar zum Zensor oder zum Be- urteilenden des Kollegen Dregger oder anderer auf- Diese Ausstellung bietet uns, die wir - ich bin 1944 schwingen zu wollen, weil die Abarbeitung unserer geboren - im Krieg oder später geboren wurden, kei- Vergangenheit nach der Weise „Ignorieren oder Auf- nen Anlaß zu moralischer Überheblichkeit. Ich wün- arbeiten" immer wieder von uns allen mit all den Un- sche mir, daß ich zu den Mutigen - auch Sie, Herr zulänglichkeiten versucht wird, die in uns selbst stek- Kollege Lambsdorff, haben davon gesprochen; Sie ken. sind auf Grund Ihres Lebensalters und Ihres Lebens- schicksals viel betroffener, als ich es sein kann - ge- Wenn erst jetzt über den Heydrich-Stellvertreter hört hätte. Ich sage aber ganz offen: Ich bin mir nicht Werner Best eine vorzügliche Biographie erschienen sicher, ob ich den Mut zum Beispiel der Geschwister ist, die aufarbeitet, welche Verbrechen die Angehöri- Scholl oder den eines Soldaten gehabt hätte, der sich gen des Reichsicherheitshauptamtes begangen ha- schützend vor Juden gestellt hat. ben, dann weist das darauf hin, auf welchem Weg wir uns noch immer befinden. Dazu gehört auch die Diese Ausstellung ist also nicht das, wozu sie ihre Auseinandersetzung mit der Wehrmacht. Gegner machen wollen. Sie ist eben keine Verurtei- (Beifall bei der SPD) lung, sondern Anlaß, sich an erster Stelle mit sich sel- ber und unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Im Resümee dessen, was viele meiner Vorrednerin- nen und Vorredner gerade aus meiner Fraktion - Kol- (Beifall bei der SPD und der PDS) lege Schily und Kollege Duve, aber auch andere - Diese Ausstellung zeigt nicht den Widerstand, den beeindruckend geschildert haben, müssen wir sa- es auch gab. Sie zeigt lediglich in einem Fall die gen, daß Joachim Fest recht hat, wenn er in seinem menschliche Größe eines deutschen Offiziers, wie er Buch „Staatsstreich" über das Verhalten der Wehr- versuchte, jüdische Kinder vor ihrem Schicksal zu machtsführung im Rußlandfeldzug feststellt: bewahren. Der Vorsitzende des Bundeswehrverban- Jetzt war es Hitler im ersten Anlauf gelungen, die des hat in diesem Zusammenhang den interessanten selbst in Polen noch gewahrte Trennung zwi- Vorschlag gemacht, die in Rede stehende Wehr- schen der herkömmlichen Kriegsführung und machtsausstellung mit der Ausstellung „Hitler und dem Mordgeschäft der Einsatzgruppen auf zuge- der Widerstand: Aufstand des Gewissens" zu kombi- ben und das eine mit dem anderen zum Gesamt- nieren. bild eines einzigen, alle Waffenträger kriminali- Unabhängig davon muß es möglich sein - Kollege sierenden Vernichtungskrieges zu verklammern. Hirsch hat mit dieser Initiative recht; viele werden Von jener 'Verstrickung' wider Willen und Wis- sich anschließen können -, diese Ausstellung auch in sen, Bonn zu zeigen, und zwar im Haus der Geschichte. - so schreibt er - (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- die in den Apologien der Beteiligten so oft be- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN schworen worden ist, konnte seither keine Rede und der PDS) mehr sein. In der sehr öffentlich geführten Diskussion fragen Dies stellt unter Einräumung von Unzulänglichkei- sich und uns hier im Parlament und in den Wahlkrei- ten, die das Ergebnis nicht in Frage stellen, auch sen - in Leserbriefen, in Anrufen und auch in Rede- diese in Rede stehende sogenannte Wehrmachtsaus- duellen mit uns - nicht wenige: Muß diese Ausstel- stellung fest, zwar selektiv, aber objektiv an drei Bei- lung überhaupt sein: Bilder des Grauens, die Alp- spielen aus dem Zweiten Weltkrieg: am Pa rtisanen- träume oder Schuldgefühle wachrütteln, über ein 14724 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Walter Kolbow halbes Jahrhundert danach? Fragen und Einsichten, Es dürfte heute erwiesen sein, daß der Krieg ge- die quälend sind und überdies die Erinnerungen gen die Sowjetunion - anders als die Umerzie- überschatten können, auch an Tote und Menschen, hungspropaganda behauptet - in erster Linie ein die wir gekannt, gemocht, geliebt haben, die ledig- nur schweren Herzens begonnener, aufgezwun- lich ihrer Wehrpflicht gefolgt sind. Ich sage den Men- gener Präventivkrieg war. schen, wenn sie mich fragen: Ja, diese Ausstellung muß sein. Dieser Herr Trettner ist nicht irgend jemand, sondern ein Vier-Sterne-General der Bundeswehr außer (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Dienst, der von 1964 bis 1966 Generalinspekteur der ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Bundeswehr war. und der PDS) Deshalb hat auch der zivilcouragierte Oberbürger- Ein völlig anderes Beispiel für die Aufarbeitung meister von München recht, wenn er die Frage, ob von Geschichte bietet dagegen der erst vor kurzem die Ausstellung auch in München zu sehen sein soll, 85 Jahre alt gewordene ehemalige Generalinspek- folgendermaßen beantwortet: Sie soll sein. Er hat teur, General de Maizière, dessen Erkenntnis „Auch auch gesagt - auch das bitte ich einzubeziehen -: Unterlassen kann schuldig machen" eine tiefe Wahr- Eine Zensur findet nicht statt, und hier schon gar heit in griffige Worte faßt. nicht. (Beifall bei der SPD) Wahr ist aber auch, daß beide Offiziere der Bun- deswehr gedient und diese mit aufgebaut haben, wie Dadurch sind vor Ort und auch in anderen Teilen im übrigen auch viele Offiziere aus der Wehrmacht, unseres Landes Sturm und Böen entstanden. Dabei ohne deren Bereitschaft, wieder als Soldat zur Verfü- denken wir nicht so sehr an die Böen rechtsextremi- gung zu stehen, die Aufstellung der Bundeswehr gar stischer Splitterparteien und unverbesserlicher Neo- nicht möglich gewesen wäre. nazis. Sie sind ärgerlich genug. Sie werden am be- sten mit der richtigen Mischung behandelt - wie Das moralische Dilemma wird deutlich in den per- Hans-Jochen Vogel es formuliert hat - aus still sönlichen Schicksalen. Es wird auch deutlich in dem, schweigender Verachtung, deutlichem Widerspruch was Kollege Dregger hier zuerst gesagt hat. und klugem Einsatz rechtsstaatlicher Mittel. Ich will abschließend feststellen, daß es den Aus- (Beifall bei der SPD) stellungsgegnern nicht gelingen kann, Angehörigen Aber in München drohte eine Gefahr für den der Bundeswehr das Gefühl zu geben, diese Ausstel- Grundkonsens. Auch das kann man nicht ersparen: lung kränke auch sie. Zum einen ist die Bundeswehr Herr Gauweiler, der „Bayernkurier" und die NPD sä- selbstbewußt genug, diese Ausstellung zu besuchen. ten Sturm. Es ging nicht mehr um die - Hohe Offiziere mit Soldaten aller Dienstgradgruppen ausstellung, sondern darum, den politischen Gegner haben dies getan. Dies verdient Anerkennung, ob- zu verteufeln und auf Grund von Mißbrauch nationa- wohl es normal sein muß. ler Empfindungen zumindest Unfrieden gegen dieje- nigen zu säen, die auch dem dunkelsten Kapitel un- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- serer Geschichte nicht ausweichen, sondern den Ver- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) brechen während der NS-Gewaltherrschaft und den Ursachen, die zur Katastrophe geführt haben, auf Zum anderen besteht der schwerwiegende Unter- den Grund gehen wollen. schied zum Dritten Reich aus den gezogenen Kon- sequenzen für Eid bzw. feierliches Gelöbnis. Ich Es ging ab sofort um den Mißbrauch der Wehr- darf unterstreichen, was der Kollege Duve hierzu machtsausstellung zu parteipolitischen Zwecken, um gesagt hat. Aber auch hier, Kolleginnen und Kol- sich im rechtesten Lager besser zu positionieren. In legen, ist die Schlußfolgerung im Soldatengesetz diesem Zusammenhang ist das bei der Aufarbeitung für die Bundeswehr gezogen worden; denn die unserer Geschichte nicht nur unredlich, sondern un- Bundeswehr jedenfalls schränkt Befehl und Gehor- demokratisch, liebe Kolleginnen und Kollegen. sam auf gesetzlicher Grundlage ein und mißt den Befehl an Recht und Gewissen. Wenn dies im Drit- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten Reich möglich gewesen wäre - da stimme ich ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN dem Kollegen Zwerenz zu -, dann hätten wir vieles und der PDS) vermeiden können. Ja, wir wollen differenzieren - das sage ich dem Kollegen Lambsdorff und anderen, die dies einfor- Weder der bayrische Ministerpräsident noch der dern -, weil es für den Erhalt des Grundkonsenses CSU-Vorsitzende haben sich von den Äußerungen wichtig ist. Ich hoffe, dabei auch einen persönlichen von Herrn Gauweiler distanziert. Der Repo rter der Beitrag zu leisten. Aber diese Einsicht herrscht nicht „Süddeutschen Zeitung", Herr Sti ller, hat in dieser überall vor. Woche bedauert, daß Sie mit der CSU-Landesvor- standssitzung, Herr Kollege Waigel, die letzte Gele- Wenn ich einen Leserbrief aus dem „General-An- genheit versäumt hätten, die Sache Gauweiler und zeiger" , der am 11. März 1997 erschienen ist, zitieren den „Bayernkurier" in Ordnung zu bringen. - darf, dann wegen der Bedeutung des Amtes, das der Verfasser ausgeübt hat. Ein gewisser Heinz Trettner (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- schrieb: ten der PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14725

Walter Kolbow Ich bitte Sie, ja ich fordere Sie auf: Tun Sie dies heute Dann waren die Menschen mehr oder weniger im Interesse des Freistaates Baye rn, im Interesse froh, als dieser Erste Weltkrieg vorbei war, und hat- auch unseres Landes, aber auch der politischen Kul- ten gedacht, so etwas passiert nie mehr wieder. Und tur in unserem Lande! Heute besteht diese Gelegen- dann wurde all dieses Entsetzliche noch einmal hun- heit. dertfach und tausendfach übertroffen durch eine töd- liche Kriegsmaschinerie, geleitet von einer verbre- Mir geht bei den haßerfüllten Tiraden in München cherischen Staatsführung. Dann dachten wir doch: der Satz von Adorno durch den Kopf, daß das Nach- Jetzt hat die Menschheit wirklich erkannt, daß so et- leben des Nationalsozialismus in der Demokratie po- was nicht mehr stattfinden kann. Und jetzt sehen wir: tentiell bedrohlicher ist als das Nachleben faschisti- Es geht weiter, während wir hier sind. In den letzten scher Tendenzen gegen die Demokratie. Herr Wai- Jahren geschahen wieder Kriegsverbrechen wie gel, tun Sie als Demokrat Ihre Pflicht! Mord und Totschlag und Vergewaltigung und Ab- schlachten. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Jetzt muß man sich doch einmal die Frage stellen: Wo liegen denn die Gründe dafür? Das scheint mir Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Auf der Tribüne schon sehr wichtig zu sein. Ich habe es auf einem hat ebenfalls der Präsident der Abgeordnetenkam- Parteitag meiner Partei schon einmal gesagt; bitte mer des Großherzogtums Luxemburg mit einer Dele- nehmen Sie mir das Zitat nicht übel. Karl Marx hat in gation Platz genommen. einer seiner frühen Schriften sinngemäß gesagt: Der Mensch, wie er geht und steht, ist nicht der eigentli- (Beifall) che Mensch, sondern er muß das richtige gesell- schaftliche Bewußtsein haben und der richtigen Herr Präsident, es ist, vermute ich, eher ein Zufall, Klasse angehören. Die Nazis haben gesagt: Er muß daß Sie dem Plenum des Deutschen Bundestages der richtigen Rasse angehören. Die Nationalisten sa- während dieser Debatte einen Besuch abstatten. gen: Er muß dem richtigen Volk angehören. Heute Aber vielleicht trägt dieser Zufall dazu bei, daß Sie sagen die Fundamentalisten: Er muß der richtigen die demokratischen Abgeordneten des demokrati- Religion angehören. schen Parlaments der Bundesrepublik Deutschland ein bißchen besser verstehen als vorher. Das würde Überlegen Sie einmal, was da eigentlich los war: zur Vertiefung unserer Beziehungen wesentlich bei- Die falschen Menschenbilder waren die Ursache für tragen. Ich freue mich sehr, daß Sie da sind. die schlimmsten Verbrechen in diesem Jahrhundert.

(Beifall) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Das Wort hat jetzt der Kollege Heiner Geißler, Zuruf von der SPD: Jetzt geht das schon CDU/CSU. wieder los!) - Ich darf meine Meinung sagen. - Je nachdem, ob Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Herr Präsident! die Menschen der falschen Klasse oder der falschen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich Rasse oder dem falschen Volk oder der falschen Reli- glaube, der überwiegende Teil der Diskussion heute gion angehörten, wurden sie deportiert, vergast, in nachmittag hat gezeigt, daß wir uns mit Grund und die Luft gesprengt, aufgehängt und erschossen. Das mit Ernsthaftigkeit in diesem Parlament nicht über ist die Wahrheit. eine Äußerung, die jemand getan hat, oder über die Ausstellung und ihre Mängel oder auch Vorzüge aus- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- einandersetzen. Das ist nicht der eigentliche Grund. ordneten der F.D.P.) Vielmehr habe ich aus einigen Reden die drängende Frage herausgespürt, die auch Frau Nickels aufge- Die Kriegsverbrechen der Wehrmacht, die Herr worfen hat: Warum konnte das eigentlich gesche- Schily und viele andere geschildert haben, haben hen? sich vor allem konzentriert auf Rußland, auf Osteu- ropa und waren im Grunde genommen Bestandteile Ich finde, diese Frage ist deswegen von so großer auch der Vernichtung des jüdischen Volkes. Daran Bedeutung, weil unsere Väter und Großväter das mit- haben sich Teile der Wehrmacht beteiligt. Die Deut- erlebt haben. Mein Vater war noch Leutnant im Er- schen waren aber keine Rassisten, die deutschen Sol- sten Weltkrieg. Auf dieser „voie sacreé" von Bar le daten auch nicht. Aber sie waren Nationalisten als Duc nach Verdun - Bar le Duc war der letzte Bahn- Folge des Versailler Vertrages und von vielem, was hof, auf dem die französischen Soldaten ausgeladen in der Weimarer Republik auf die Menschen herein- worden waren - fuhr man 40 Kilometer. Bei jedem Ki- gebrochen war. Sie waren nicht die einzigen Natio- lometer wurde der Lärm der Kanonen stärker und nalisten, aber Hitler hat die Deutschen mit dem Na- stärker, und die Soldaten wußten, daß sie alle in ein tionalismus verführt, insbesondere auch die Führung unglaubliches Verhängnis hineingingen. Das Ergeb- der deutschen Wehrmacht. Da kam plötzlich eine nis waren 600 000 tote junge Franzosen und Deut- Teilidentität zusammen. sche - vergast, erstickt, erstochen, verbrannt, er- schossen. Heute stellt sich jedermann die Frage: Deswegen ist es wichtig, daß wir uns über diese Warum konnte so etwas passieren? Wir verstehen Ursachen, nämlich die falschen Menschenbilder, un- das gar nicht mehr. terhalten. Dazu gehört eigentlich, daß wir uns alle 14726 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Dr. Heiner Geißler miteinander - das sage ich jedem, der diese Ausstel- Es gibt aber auch kein jüngstes Ge richt für Kollek- lung kritisiert, und jedem, der sie für richtig hält - auf tive - das auch nicht! -, das richtige Menschenbild besinnen, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des (Zuruf von der SPD: Und das wäre?) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) daß nämlich der Mensch so, wie er ist, der eigentli- sondern es gibt wie überall die persönliche Verant- che Mensch ist, in seiner Würde unteilbar. Das gilt wortung. Bewältigen können wir die Vergangenheit für heute, und das gilt für morgen, unabhängig da- ohnehin nicht. Dazu hat Richard von Weizsäcker in von, ob er jung oder alt, Mann oder Frau ist, aber seiner großen Rede am 8. Mai 1985 gesagt: Wir kön- eben auch - das sage ich überall, das sage ich zu nen sie nicht ungeschehen machen, aber wer vor der meiner Partei, und das sage ich zu jedermann - un- Vergangenheit die Augen verschließt und sich an die abhängig davon, ob jemand Deutscher oder Auslän- Unmenschlichkeit nicht mehr erinnern will, der - so der, Schwarzer oder Weißer, Ch rist, Jude oder Mus- sagte er sinngemäß - wird blind für die Gegenwart lim ist. und auch für die Zukunft. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Das Erinnern an die Verbrechen, an die Kriegsver- brechen auch in unserem eigenen Land, an die Zukunft und Gegenwart sind beklemmend genug; Kriegsverbrechen, an denen Teile der Wehrmacht ich habe es gerade geschildert. beteiligt waren - so steht es in unserem Antrag -, hat doch den Sinn, daß wir die Zukunft richtig gestalten. Jeder hat da seine eigene Meinung. Ich stimme Deswegen ist diese Auseinandersetzung wichtig. nach dem, was ich gehört und in Bildern gesehen habe, weitgehend dem zu, was Graf Lambsdorff ge- Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen, egal von sagt hat. Man kann die Frage stellen, ob es richtig ist, wem sie begangen werden, ob von deutschen Solda- die Kritik an dieser Ausstellung mit Demonstratio- ten, von der SS oder von anderen. Das ist im Moment nen, hin und her, zu begleiten, mit der ungewollten unser Thema. Nur, das eine muß man auch sagen: Folge - es ist ja wahr; das muß man auch einmal sa- Der Vorwurf der persönlichen Beteiligung und der gen -, daß sich auch Links- und Rechtsradikale betei- Verstrickung gilt sicher für weite Teile der Generali- ligen. tät, gilt aber nicht für die überwiegende Mehrheit ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der deutschen Soldaten. Das haben wir auch über- NEN]: Linksradikale? - Weitere Zurufe von einstimmend festgestellt, und das scheint mir wichtig der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu sein. und der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU) - Ich sage meine Meinung. Ich finde, wir haben in den Phasen der Debatte gut diskutiert, wo wir die Viele, längst nicht die meisten, sind dieser Verfüh- parteipolitische Polemik herausgelassen haben. rung zum Opfer gefallen, von der ich gerade geredet habe. Wie sollten sie es angesichts der Erziehung, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - die sie gehabt haben, und angesichts der Bildungs- Zurufe von der SPD) einrichtungen und der Universitäten auch anders Lassen Sie doch mich diesen Gedanken in a ller wissen? Man denke an das, was deutsche Professo- Ruhe ausführen. Warum bin ich dieser Meinung? ren zum Thema Nationalismus über lange Jahre ge- Weil diese Leute durch das Aufputschen von Emotio- sagt haben. Diese Menschen fielen auch der Repres- nen sion des Machtapparates zum Opfer und wurden so (Zuruf von der PDS: Gauweiler!) selber Täter. die mehr oder weniger berechtigte Kritik mißbrau- Aber die überwiegende Anzahl waren eben nicht chen. Daran beteilige ich mich in diesem Parlament Verbrecher, auch mein Bruder nicht, der im Novem- eben nicht, weil wir über etwas anderes reden. Wir ber 1944 gefallen ist, und ebenso mein Vater nicht. sprechen über die Gegenwart und die Zukunft im Er- Die Trauer um diese beiden und viele andere Solda- innern an die Vergangenheit. Deswegen plädiere ich ten galt keinen Verbrechern, sondern den Opfern ei- dafür, eine solche Ausstellung, Bücher über die Ver- ner von Politgangstern angezettelten Weltkriegsor- gangenheit, über die Verbrechen, die auch die Wehr- gie, die . das muß man jetzt wieder hinzufügen - macht begangen hat, einfach hinzunehmen, ich auch mittels der Wehrmacht ein apokalyptisches würde sagen: demütig hinzunehmen, Ende nahm: 55 Millionen Tote, darunter auch 4 Mil- (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lionen deutsche Soldaten, aber 20 Millionen sowjeti- NEN]: Was haben Sie für ein Verständnis sche Bürgerinnen und Bürger, 5 Millionen in den Ar- von Vergangenheitsbewältigung?) beitslagern verhungerte und totgeschlagene Polen sowie 6 Millionen vergaste Juden - das war das Er- im Sinne des Wortes von Ignatius, der gesagt hat: gebnis dieser verbrecherischen Kriegsführung. Wahrhaftigkeit gegen uns selber, das ist Demut. (Beifall des Abg. Otto Schily [SPD]) Angesichts dieser Tatsachen verbietet sich jede Mystifikation eines angeblich sauberen Krieges. Wir sollten das wahrhaftig gegen uns selber hin- nehmen, in Erinnerung an diese 55 Millionen Toten, (Beifall im ganzen Hause) an die Frauen, an die Mütter, an die Soldaten, die Zi- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997 14727

Dr. Heiner Geißler vilisten vor allem, alle diejenigen, die ich aufgezählt den Mut hatten - mutige Klosterfrauen, mutige Prie- habe, die Opfer dieser nationalsozialistischen Ag- ster -, dagegen zu protestieren. Der Supe rior Huber gression. Wir sollten daran erinnern, damit unsere war einer von denen, die immer wieder gefordert ha- jungen Leute sehen können, wozu der Mensch fähig ben, dagegen müsse öffentlich etwas getan werden. ist, wozu falsche Menschenbilder die Menschen ver- Die damaligen Proteste von Kardinal Galen haben zu führen können, damit unsere Kinder fähig werden einem Stillstand geführt, aber nicht verhindern kön- und bereit sind, in der Zukunft Vorurteile, Feind- nen, was zuvor passiert war. schaften und Haß zwischen den Völkern zu überwin- den. 1944 war in diesem Ursberg, wo noch viele Hun- derte Behinderte lebten, zufällig der General der (Abg. Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE Wehrmacht Oskar Blümm. Seine Frau war ausge- GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischen bombt und dorthin verschlagen worden. Dann kam frage) die Nachricht, die SS wolle Ursberg besetzen. Was das für Ursberg und für seine Behinderten bedeutet Wir müssen uns versöhnen, auch mit unserer eige- hätte, kann sich jeder ausmalen. Dieser General der nen Vergangenheit. Wir müssen unser Volk versöh- Reichswehr hatte den Mut, Ursberg für die Wehr- nen. Wir müssen unsere Nachbarn mit uns versöh- macht zu beschlagnahmen und die SS hinauszuwer- nen. Dies erreicht man nicht durch Vergessen und fen. Ich kenne das vorherige Leben des Mannes durch Verdrängen. Vielmehr gilt das große jüdische nicht. Für mich ist er aber ein Held, weil er in dieser Sprichwort: Das Vergessenwollen verlängert das Sekunde als Vertreter der Wehrmacht mutig, unge- Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinne- schützt, unter Gefahr für sein Leben Hunderte von rung. Daran sollten wir uns alle halten und dies als Menschen, vor allen Dingen Behinderte, gerettet hat. eine gemeinsame Basis für die Diskussion unserer Vergangenheit nehmen. Mein Vater, 1895 geboren, hat den ganzen Ersten Weltkrieg mitgemacht. Im Zweiten Weltkrieg wurde (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge er wieder eingezogen. Als er 1939 von meinem da- ordneten der F.D.P. und der SPD) mals 13jährigen Bruder zum Bahnhof gebracht wurde - mein Vater hat mir das später oft erzählt -, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Es tut mir leid, hoffte er, daß dieser Bub nicht auch noch eingezogen Frau Kollegin Beer. Es ist manchmal schwierig, in ei- würde. Mit 17 Jahren wurde er eingezogen, mit ner solchen Debatte den Redner zu unterbrechen, 18 Jahren fiel er in Lothringen. Vor drei Jahren fand wenn er gerade dabei ist, einen ganzen Gedanken ich - es war verwechselt worden - sein Grab in Nie- vorzutragen. derbronn im Elsaß - er war in Lothringen gefallen - auf einem Friedhof mit 35 000 anderen deutschen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Soldaten. Sie hatten nach der Geschäftsordnung das Recht, Als ich dort daß ich dazwischengehe; aber es ist mir einfach das erste Mal war, wollte es der Zu- schwergefallen. Ich bitte um Nachsicht dafür. fall oder das Schicksal, daß der Minister für Vete- ranenangelegenheiten der Französischen Republik, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Mestre, dort war und die Einweihung einer deutsch- ordneten der F.D.P.) französischen Jugendbegegnungsstätte vornahm. Er lud mich ein, an dieser Zeremonie teilzunehmen. Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Waigel, CDU/ Dann sagte dort der Mann, der natürlich auch gegen CSU. Deutschland gekämpft hatte, in seiner Rede: Ich verneige mich vor den deutschen Soldaten, die ihr Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU): Herr Präsident! Vaterland verteidigen mußten. - Auch das gehört Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich bei zur Geschichte. Ein Franzose kann ein solches Wo rt der Debatte nur zuhören. Doch diese Debatte und vielleicht leichter aussprechen als wir. die Wortmeldungen auf beiden Seiten haben mich tief berührt und natürlich auch aufgewühlt. Es gehört zu den großen kulturellen Leistungen der Zivilisation, daß ein Volk mit seinen Toten ver- Es ist die Freiheit, die diesem Staat, dieser Demo- söhnt ist. Zu diesen Toten gehören auch die deut- kratie zu eigen ist, eine solche Ausstellung durchzu- schen Soldaten. Mir fehlt da die Differenzierung; mir führen. Das ist völlig unbest ritten. Es gibt auch die fehlt das geschichtliche Gesamtbild - Graf Lambs- Freiheit, diese Ausstellung zu kritisieren. Ich bin dorff, Sie haben das auch erwähnt -; mir fehlt die Ge- kein Zensor dieser Kritik. Ich vertrete hier meine Auf- rechtigkeit und die Barmherzigkeit gegenüber Mil- fassung und bin zutiefst überzeugt, daß es auch die lionen, gegenüber den Opfern, aber auch gegenüber Auffassung meiner Partei ist, obwohl ich diese Rede den Millionen von Soldaten. Viele konnten nur in der nicht konzipiert und vorbereitet habe, sondern nur Wehrmacht überleben. Aus dem kleinen Dorf, aus aus ein paar Stichworten heraus gestalten wi ll . dem ich stamme, stammte der Reichstagsabgeord- nete Fridolin Rothermel, der an der letzten freien Sit- Ich stamme aus Ursberg. Die, die es kennen, wis- zung des Reichstages teilnahm. Wäre er im Juli 1944 sen, daß es dort eines der größten Behindertenzen- nicht bei der Wehrmacht gewesen - ich weiß das tren in Deutschland gibt. Do rt wurden mehrere hun- noch von seiner Tochter -, dann wäre er wahrschein- dert Behinderte umgebracht. Darüber hat man uns - lich abgeholt und umgebracht worden. nach dem Krieg nichts oder fast nichts gesagt. Ich habe das als schlimm empfunden und immer wieder Die Partei, deren Vorsitzender ich bin, wurde 1945/ danach gefragt. Es gab nur wenige, die auch damals 46 von Widerstandskämpfern gebildet und konstitu- 14728 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1997

Bundesminister Dr. Theodor Waigel iert, von Josef Müller, Alois Hundhammer und vielen neter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf anderen, aber auch von den heimgekehrte Soldaten den Drucksachen 13/2990 und 13/5065, Situation der und Offizieren, von untadeligen Männern und na- Bundesrepublik Deutschland als Einwanderungs- türlich auch von Frauen. Ich denke an heimgekehrte land, bekannt; es handelte sich um die Drucksache Soldaten und Offiziere und nenne nur Franz Josef 13/7121. Abgegebene Stimmen: 620. Mit Ja haben Strauß, Franz Heubl, F ritz Zimmermann, Richard gestimmt: 50. Mit Nein haben gestimmt: 326. Enthal- Jaeger, Männer, die gerade auch beim Aufbau der Bun- tungen: 244. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. deswehr nach dem Krieg eine wichtige Rolle spielten. Der künftige Sitz des Bundesfinanzministeriums in Endgültiges Ergebnis PDS Berlin wird das Gebäude sein, das früher das Reichs- Abgegebene Stimmen: 620; Manfred Müller (Berlin) luftfahrtministerium beherbergte. Als ich dieses Ge- davon Dr. Uwe-Jens Rössel bäude einmal besuchte, fand ich in einer Ecke eine ja: 50 Klaus-Jürgen Warnick Ausstellung über einen Mann, den ich bis zu diesem nein: 326 Zeitpunkt nicht kannte, Harro Schulze-Boysen. Er wurde hingerichtet. In den Mauern des Kerkers hat enthalten: 244 Fraktionslose er ein Gedicht versteckt, das erst nach seinem Tode Kurt Neumann (Berlin) gefunden wurde. Es lautet: Ja Die letzten Erdendinge Nein

sind Strang und Fallbeil nicht, SPD und unsre heutgen Richter CDU/CSU noch nicht das Weltgericht. (Pforzheim) Er war Offizier, er war Widerstandskämpfer, mit der Roten Kapelle in Zusammenarbeit, und er war BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Christ. Sonst hätte er diese Sätze wohl so nicht for- Elisabeth Altmann Jürgen Augustinowitz mulieren können. (Pommelsbrunn) (Bremen) Heinz-Günter Bargfrede Oberst Stauffenbergs letzte Sätze waren: Volker Beck (Köln) Wir haben uns vor Gott und dem Gewissen ge- Angelika Beer Dr. prüft. Es muß sein. Annelie Buntenbach Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle- Amke Dietert-Scheuer Dr. Sabine Bergmann-Pohl gen, ist die deutsche Geschichte in ihrer Gesamtheit, Franziska Eichstädt-Bohlig Hans-Dirk Bierling Dr. Uschi Eid Dr. Joseph- auf die wir auch stolz sein können. (Berlin) Ich danke Ihnen. Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Rita Grießhaber (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Gerald Häfner Dr. Norbert Blüm ordneten der F.D.P. - Zurufe von der SPD Antje Hermenau und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Kristin Heyne Dr. Maria Böhmer Ulrike Höfken Gauweiler?) Michaele Hustedt Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Monika Knoche Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Dr. Angelika Köster-Loßack Klaus Brähmig Aussprache. Oswald Metzger Interfraktionell ist inzwischen vereinbart worden, Kerstin Müller (Köln) über die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und Hartmut Büttner Christa Nickels (Schönebeck) der F.D.P., der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü- Egbert Nitsch (Rendsburg) nen sowie der Gruppe der PDS nicht abzustimmen, Cem Özdemir (Emstek) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des Gerd Poppe Simone Probst (Nordstrand) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Dr. Jürgen Rochlitz PDS) Halo Saibold Christine Scheel sondern sie federführend an den Innenausschuß und Irmingard Schewe-Gerigk Albert Deß zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuß zu Rezzo Schlauch überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich Albert Schmidt (Hitzhofen) höre keinen Widerspruch zu diesen Überweisungs- Wolfgang Schmitt Werner Dörflinger vorschlägen. Dann ist das so beschlossen. (Langenfeld) Hansjürgen Doss Ursula Schönberger Dr. Alfred Dregger Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Waltraud Schoppe Maria Eichhorn Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der nament- (Berlin) lichen Abstimmung zum Entschließungsantrag der Marina Steindor Abgeordneten Cem Ozdemir, Amke Dietert-Scheuer, Christian Sterzing Heinz Dieter Eßmann Manfred Such - Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und Dr. Antje Vollmer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der Großen Ludger Volmer Anfrage der Abgeordneten Cem Özdemir, Kerstin Helmut Wilhelm (Amberg) Müller (Köln), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeord- Margareta Wolf (Frankfurt)