Deutscher Drucksache 13/10666 13. Wahlperiode 07. 05. 98

Gesetzentwurf der Abgeordneten , Benno Zierer, , , Franz Peter Basten, Dr. , Hans-Dirk Bierling, , Dr. Maria Böhmer, , Klaus Brähmig, Rudolf Braun (Auerbach), , , Klaus Bühler (Bruchsal), Hartmut Büttner (Schönebeck), (Emstek), , Albert Deß, Werner Dörflinger, , Dr. Wolfgang Götzer, Kurt-Dieter Grill, Wolfgang Gröbl, Manfred Heise, Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Elke Holzapfel, Siegfried Hornung, Hubert Hüppe, Helmut Jawurek, Dr. Dionys Jobst, Dr. Egon Jüttner, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Peter Keller, Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz), Norbert Königshofen, Eva-Maria Kors, Arnulf Kriedner, Reiner Krziskewitz, Karl-Josef Laumann, Editha Limbach, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Sigrun Löwisch, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), , Dr. Michael Luther, Dr. Dietrich Mahlo, Rudolf Meinl, Dr. , , Meinolf Michels, Friedhelm Ost, Norbert Otto (Erfurt), Dr. Peter Paziorek, , Dr. Winfried Pinger, Dr. , Otto Regenspurger, Christa Reichard (Dresden), Klaus Dieter Reichardt (Mannheim), Erika Reinhardt, Roland Richter, Dr. Norbert Rieder, Franz Romer, Dr. Klaus Rose, Kurt J. Rossmanith, Heinz Schemken, Gerhard Scheu, Christian Schmidt (Fürth), Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd), Marion Seib, Heinz-Georg Seifert, , Bärbel Sothmann, , Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten, Matthäus Strebl, Dr. Susanne Tiemann, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Alois Graf von Waldburg -Zeil, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Zöller

Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes (Stärkung des Toleranzgebotes durch einen besseren Schutz religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen gemäß § 166 StGB)

A. Problem Der Schutz von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungs- vereinigungen sowie ihrer religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen ist nur unzureichend gesetzlich geregelt. Auch bei groben Beschimpfungen religiöser und weltanschaulicher Be- kenntnisse hat sich § 166 StGB in der Praxis vielfach als wirkungs- los erwiesen. Drucksache 13/10666 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

B. Lösung In § 166 StGB wird das Tatbestandsmerkmal, daß die Beschimp- fung geeignet sein muß, den öffentlichen Frieden zu stören, ge- strichen. Strafbar soll daher künftig sein, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpft. In gleicher Weise wird der Schutz der Religionsgesellschaften und Welt- anschauungsvereinigungen erweitert (§ 166 Abs. 2 StGB).

C. Alternativen Beibehaltung der unbefriedigenden Rechtslage.

D. Kosten Keine

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode Drucksache 13/10666

Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - (Stärkung des Toleranzgebotes durch einen besseren Schutz religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen gemäß § 166 StGB)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlos- 1. In § 166 Abs. 1 und 2 werden jeweils die Worte „in sen: einer Weise" sowie die Worte „ , die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" gestrichen. 2. Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt: Artikel 1 „(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt." Änderung des Strafgesetzbuches Artikel 2 § 166 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Be- Inkrafttreten kanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt ge- Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in ändert: Kraft.

Bonn, den 7. Mai 1998

Norbert Geis Hubert Hüppe Dr. Winfried Pinger Benno Zierer Helmut Jawurek Dr. Albert Probst Anneliese Augustin Dr. Dionys Jobst Otto Regenspurger Dietrich Austermann Dr. Egon Jüttner Christa Reichard (Dresden) Franz Peter Basten Dr.-Ing. Dietmar Kansy Klaus Dieter Reichardt Dr. Wolf Bauer Peter Keller (Mannheim) Hans-Dirk Bierling Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Erika Reinhardt Renate Blank Norbert Königshofen Roland Richter Dr. Maria Böhmer Eva-Maria Kors Dr. Norbert Rieder Wolfgang Bosbach Arnulf Kriedner Franz Romer Klaus Brähmig Reiner Krziskewitz Dr. Klaus Rose Rudolf Braun (Auerbach) Karl-Josef Laumann Kurt J. Rossmanith Monika Brudlewsky Editha Limbach Heinz Schemken Georg Brunnhuber Dr. Klaus W. Lippold Gerhard Scheu Klaus Bühler (Bruchsal) (Offenbach) Christian Schmidt (Fürth) Hartmut Büttner (Schönebeck) Sigrun Löwisch Dr. Dieter Schulte Manfred Carstens (Emstek) Wolfgang Lohmann (Schwäbisch Gmünd) Hubert Deittert (Lüdenscheid) Marion Seib Albert Deß Heinrich Lummer Heinz-Georg Seiffert Werner Dörflinger Dr. Michael Luther Johannes Selle Herbert Frankenhauser Dr. Dietrich Mahlo Bärbel Sothmann Dr. Wolfgang Götzer Rudolf Meinl Erika Steinbach Kurt-Dieter Grill Dr. Michael Meister Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten Wolfgang Gröbl Friedrich Merz Matthäus Strebl Manfred Heise Meinolf Michels Dr. Susanne Tiemann Ernst Hinsken Friedhelm Ost Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Josef Hollerith Norbert Otto (Erfurt) Alois Graf von Waldburg-Zeil Elke Holzapfel Dr. Peter Paziorek Wolfgang Zeitlmann Siegfried Hornung Beatrix Philipp Wolfgang Zöller

Drucksache 13/10666 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Begründung

I. Allgemeines griffe erfolgen oder dadurch, daß die Betroffenen veranlaßt werden könnten, die Respektierung 1. Durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts ihres Glaubens im Wege der Selbsthilfe durchzu- vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) wurde der Tat- setzen. Nicht ausreichend wird erachtet, daß be- bestand des § 166 StGB wesentlich eingeengt. troffene Bürger, auch in erheblicher Anzahl, ihrer Während nach der früheren Vorschrift bestraft Empörung und ihrem Unmut über beschimpfende wurde, wer dadurch, daß er in beschimpfenden und verletzende Äußerungen und Darstellungen Äußerungen Gott lästerte, ein Ärgernis gab oder in Wort und Schrift Ausdruck verleihen, gegen wer eine der christlichen Kirchen oder eine andere die Äußerungen öffentlich protestieren und die im Staate bestehende Religionsgesellschaft des strafgerichtliche Verfolgung des Urhebers dieser öffentlichen Rechts oder ihre Einrichtungen oder Äußerungen begehren. Da Übergriffe, die Aus- Gebräuche beschimpfte, kann nach geltendem übung von Repressalien sowie friedensstörende Recht die Beschimpfung nur dann geahndet wer- Demonstrationen von Anhängern religiöser Be- den, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frie- kenntnisse, insbesondere der großen christlichen den zu stören. Kirchen nicht erwartet werden können, sind ihre religiösen und weltanschaulichen Empfindungen Die Fassung „den öffentlichen Frieden zu stören" auch vor tiefgreifenden Verletzungen nicht ge- geht auf einen Vorschlag des Sonderausschusses schützt. zur Strafrechtsreform zurück. Der Regierungsent- wurf eines Strafgesetzbuches von 1962 sah noch „Wenn die Rechtsprechung die Eignung zur vor, daß durch die Strafvorschrift das allgemeine Friedensstörung mit fehlenden Krawallen und ge- religiöse Empfinden der Angehörigen der ver- ringem Anzeigeverhalten (OLG Karlsruhe NStZ letzten Glaubensgemeinschaft geschützt werden 1986, 365) begründet, gibt sie indirekt eine Auf- sollte. Demgegenüber war der Sonderausschuß forderung zur gewaltsamen Dokumentierung der der Auffassung, daß geschütztes Rechtsgut nicht eigenen Überzeugung und damit zum Faustrecht das religiöse Empfinden des einzelnen, sondern (Joseph Kardinal Ratzinger, in: Das europäische der öffentliche Friede sein solle (BT-Drucksache Erbe und seine christliche Zukunft, Veröff. der V/4094). H.-M.-Schleyer-Stiftung, Bd. 16, S. 25).

2. Obwohl § 166 StGB nicht voraussetzt, daß der Die Klausel hat sich zum Instrument der Beseiti- öffentliche Friede tatsächlich gestört ist, sondern gung des Tatbestands entwickelt: Die Rechtspre- bereits die Geeignetheit einer Störung ausreichen chung lehnt die Friedensgefährdung bei kleinen läßt, wurde der Anwendungsbereich der Norm Religionen wegen der geringen Zahl der Betroffe- auch durch die Auslegung, die dieses Merkmal in nen, bei großen Religionen wegen ihrer uner- Rechtsprechung und Schrifttum erfahren hat, in schütterbaren Stellung im öffentlichen Leben, bei einer Weise eingeengt, die den Schutz religiöser Selbstbeherrschung der Betroffenen wegen feh- oder weltanschaulicher Überzeugungen nicht mehr lender Störung des öffentlichen Friedens, bei Er- hinreichend gewährleistet. regung der Betroffenen wegen deren Unangemes- senheit und der fehlenden objektiven Eignung Eine Eignung zur Friedensstörung wird in Recht- zur Friedensstörung ab. Siehe auch OLG Karls- sprechung und Schrifttum dann angenommen, ruhe NStZ 1986, 365: fehlende Eignung zur Frie- wenn unter Berücksichtigung der konkreten Um- densstörung wegen bereits bestehender kriti- stände aus der Sicht eines objektiven Beobachters scher Einstellung der angezielten Leserschaft (abl. die begründete Befürchtung besteht, daß das Katholnigg NStZ 1986, 555)." (Maurach/Schroeder/ friedliche Miteinander der durch ein gemeinsames Maiwald, Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 2, Bekenntnis verbundenen Bevölkerungsteile ge- § 61 Rdnr. 15). stört wird. Dies ist sowohl dann der Fall, wenn das berechtigte Vertrauen der Betroffenen in die Re- 3. Wie die Erfahrungen in der jüngeren Vergangen- spektierung ihrer Überzeugungen beeinträchtigt heit zeigen, nehmen die Angriffe insbesondere auf werden kann, als auch dann, wenn die Äußerung christliche Bekenntnisse an Schärfe und Intensität geeignet ist, bei Dritten die Bereitschaft zur Intole- zu. Jüngste Beispiele und die „Heiligsprechung" ranz gegenüber den Anhängern des beschimpften eines Homosexuellen durch eine ehemalige Prosti- Bekenntnisses zu fördern (vgl.: Lenckner, in: tuierte im papstähnlichen Kleid bei einer Demon- Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 166 Rdnr. 12; stration gegen den Papstbesuch in Berlin, am Rudolphi, in: SK StGB, § 166 Rdnr. 15; BGHSt 16, 23. Juni 1996, sowie Nacktaufnahmen auf dem 49 [56]; BGH NJW 1978, 59; OLG Celle NJW 1986, Vierungsaltar des Kölner Doms am 19. Juli 1996. 1276; OLG München, Film und Recht [ZUM] 1984, Zahlreiche Spielfilme und Bühnenstücke lassen zu- 595). Die Störung des öffentlichen Friedens kann nehmend jegliches Maß an Toleranz und Achtung z. B. durch eine Verhetzung des Publikums und vor der religiösen Überzeugung anderer vermis- die dadurch begründete Gefahr weiterer Über- sen. Mit Betroffenheit und Empörung haben viele

Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode Drucksache 13/10666

Bürger und kirchliche Stellen auf derartige An- b) Der Schutz der Verletzung religiöser bzw. welt- griffe reagie rt und sich mit Strafanzeigen, Ein- anschaulicher Gefühle als Zweck einer staat- gaben und Beschwerden an verantwortliche Stel- lichen Strafrechtsnorm kann die damit ver- len gewandt. Die zahlreichen Entscheidungen von bundene grundrechtliche Beschränkung allein Staatsanwaltschaften und Gerichten, mit denen nicht rechtfertigen.- Denn die Strafbarkeit kann eine Strafverfolgung mit der Begründung abge- nicht einfach vom subjektiven Empfinden der lehnt wird, der öffentliche Friede sei nicht gestört, Anhänger einer bestimmten Religion oder stößt zunehmend bei den Betroffenen auf Unver- Weltanschauung abhängig gemacht werden. ständnis. Zu Recht weisen sie darauf hin, daß es Ansonsten würde die Grenze der Freiheitsbetä- ihnen nicht zugemutet werden kann, zu friedens- tigung im Bereich religiöser und weltanschau- störenden Mitteln zu greifen, um Schutz vor gröb- licher Auseinandersetzungen davon bestimmt, sten Verletzungen ihrer religiösen Gefühle zu er- welches Maß an Kritik die Anhänger eines sol- langen. chen Bekenntnisses hinzunehmen bereit sind. Ein Anspruch des einzelnen gegen den Staat 4. Der Staat, dessen Aufgabe es ist den Grundwerten auf Schutz vor „religiöser Verunsicherung" läßt der Verfassung Geltung zu verschaffen, darf sich sich aus Artikel 4 Abs. 1 GG nicht ableiten (vgl. nicht darauf beschränken, nur - wie bisher - das Herzog, in: Maunz/Dürig, Artikel 4 Rdnr. 74). äußere friedliche Zusammenleben von Menschen c) Der Gesetzgeber kann aber einen objektiven mit unterschiedlichen religiösen oder weltanschau- Wertmaßstab vorgeben, dessen Grenzen bei lichen Überzeugungen zu gewährleisten. Dem Ent- Auseinandersetzungen und Meinungsverschie- wurf liegt deshalb der Gedanke zugrunde, daß es denheiten in religiösen oder weltanschaulichen Pflicht eines jeden ist, bei der Erörterung von Din- Fragen nicht überschritten werden dürfen. Aus gen, die anderen heilig sind oder ihr Weltbild prä- Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG ergibt sich nicht nur gen, in der Form Maß zu halten, und daß es H and- ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates, lungen gibt, durch die diese Pflicht so gröblich ver- sondern auch die Schutzpflicht des Staates, da- letzt wird, daß nach allgemeinen Rechtsempfinden für Sorge zu tragen, daß in der Gesellschaft die eine staatliche Strafe geboten ist (vgl. Entwurf eines Voraussetzungen dafür gegeben sind, von der Strafgesetzbuchs 1962, S. 342). Glaubens- und Gewissensfreiheit auch tatsäch- lich Gebrauch zu machen (vgl. Seifert/Hömig, Der Gesetzgeber, der - ausgehend von den verfas- GG, 4. Aufl., Artikel 4 Rdnr. 3, von Münch, GG, sungsrechtlichen Garantien für die Freiheit des 4. Aufl., Artikel 4 Rdnr. 48; Strafrechtsentwurf Glaubens, des Gewissens sowie des religiösen und 1962, S. 342). Ohne Toleranz in Glaubens- und weltanschaulichen Bekenntnisses (Artikel 4 Abs. 1 Weltanschauungsfragen kann die freiheitlich GG) und für eine ungestörte Religionsausübung pluralistische Gesellschaft nicht existieren. - die Beschimpfung religiöser und weltanschau- „Jeder soll nach seiner Facon selig werden" licher Bekenntnisse unter Strafe stellt, hat aller- können, ohne befürchten zu müssen, deshalb dings die Schranken zu beachten, die die Grund- diffamiert und ins Abseits gestellt zu werden rechte Dritter seiner Gestaltungsfreiheit setzen. (Lenckner, in: Schönke/Schroeder, StGB, Vor Von Belang sind insbesondere die Meinungsfrei- § 166 Rdnr. 2). Schutzgut des § 166 StGB ist da- heit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Kunst- her das sich aus Artikel 4 Abs. 2 GG ergebende freiheit (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Die Meinungs- allgemeine Toleranzgebot, das religiöse und äußerungsfreiheit unterliegt zwar den Schranken weltanschauliche Bekenntnis Dritter zu achten der allgemeinen Gesetze (Artikel 5 Abs. 2 GG), (vgl. Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 166 Rdnr. 1). diese müssen aber ihrerseits im Lichte der wert- setzenden Bedeutung der Grundrechte ausgelegt Dem Staat ist es daher, nicht verwehrt, gemäß und so in ihrer die Grundrechte begrenzenden Artikel 4 Abs. 2 GG für die Gewährleistung Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (st. eines Klimas religiöser und weltanschaulicher Rspr. BVerfGE 7, 207f.; 66, 116 [150]). Die Kunst- Toleranz Sorge zu tragen, für religiöse und freiheit ist, auch wenn sie nicht unter Gesetzes- weltanschauliche Auseinandersetzungen einen vorbehalt steht, ebenfalls nicht schrankenlos ge- Maßstab an Toleranz zu setzen und die Beach- währleistet. Sie kann zugunsten anderer verfas- tung des Toleranzgebotes mittels einer Strafvor- sungsrechtlich geschützter Werte, mit denen sie in schrift durchzusetzen (vgl. dazu Eser, in: Frie- Konflikt gerät, Beschränkungen unterworfen wer- senhahn/Scheuner, Handbuch des Staatskir- den (vgl. BVerfGE 30, 173 [193]). chenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, S. 827). Die Strafbarkeit von Handlungen, welche im Schutzbereich der genannten Grundrechte liegen, muß daher durch den Schutz eines höherwertigen II. Zu den einzelnen Vorschriften Rechtsgutes gerechtfertigt sein: Zu Artikel 1 a) Der Inhalt einer Religion oder Weltanschauung als solcher scheidet aufgrund der verfassungs- Zu Nummer 1 rechtlich gebotenen weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates (vgl. BVerfGE 19, 1 [8], Durch die Änderung des § 166 Abs. 1 und 2 StGB 19, 206 [216]) als Grundlage einer entsprechen- wird auf das Merkmal der Eignung, den öffentlichen den Strafvorschrift aus. Frieden zu stören, verzichtet. Nach dem Entwurf soll

Drucksache 13/10666 Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode

Schutzgut des § 166 StGB nicht mehr der öffentliche Fassung des § 166 StGB a. F. BGH GA 61, 240; vgl. Friede sein, sondern die Achtung des religiösen und Lenckner, in: Schönke/Schroeder, StGB, 24. Aufl., weltanschaulichen Toleranzgebotes. Mittelbar wird § 166 Rdnr. 9; Rudolphi, in: SK StGB, § 166 Rdnr. 10). hierdurch auch das religiöse Empfinden geschützt. Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, daß Künftig soll es nicht mehr darauf ankommen, ob die nunmehr auf das objektive Merkmal der Friedens- Beschimpfung eine Außenwirkung in der Weise er- störung verzichtet werden soll. zielt, daß die begründete Gefahr von Übergriffen Die Meinungs- und Kunstfreiheit wird durch die vor- gegen die Anhänger des beschimpften Bekenntnis- geschlagene Strafvorschrift nicht in unzulässiger ses besteht oder daß diese veranlaßt werden könn- Weise eingeschränkt. Verletzt ein Kunstwerk das sich ten, die Respektierung ihres Glaubens im Wege der aus Artikel 4 GG ergebende Gebot, das religiöse und Selbsthilfe durchzusetzen. Der Entwurf will vielmehr weltanschauliche Bekenntnis anderer zu achten und verhindern, daß durch überzogene und gehässige Toleranz zu üben, in so schwerwiegender Weise, daß Kritik und tiefgreifende verletzende Äußerungen ein ein „Beschimpfen" i. S. d. Strafvorschrift vorliegt, wird Klima der geistiges Intoleranz geschaffen wird. die Verbreitung des Werkes durch die Kunstfreiheit nicht gedeckt sein. Dies enthebt allerdings die Ge- Tathandlung bleibt nach wie vor die Beschimpfung richte nicht von der Prüfung im Einzelfall, ob der des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis- Meinungs- und Kunstfreiheit Rechnung getragen ses. An dieses Merkmal sind strenge Anforderungen wurde. zu stellen, um Kollisionen mit der Meinungs- und Kunstfreiheit zu vermeiden. Beschimpfen bedeutet daher nicht schon jedes abfällige Werturteil, son- Zu Nummer 2 dern nur eine durch Form und Inhalt besonders ver- Die Strafverfolgung soll nur auf Antrag möglich sein. letzende Äußerung der Mißachtung (vgl. RGSt 61, 308; BGHSt 7, 110; LG Frankfu rt NJW 1982, 658; Mit dieser Prozeßvoraussetzung soll die Ausweitung Rudolphi, in: SK StGB, § 166 Rdnr. 9). Insoweit kann der Strafbarkeit begrenzt werden auf die Fälle, in weiterhin auf die bisherige Auslegung des Begriffes denen ein durch das Beschimpfen des religiösen in Rechtsprechung und Schrifttum zurückgegriffen oder weltanschaulichen Bekenntnisses Verletzter, werden. d. h. insbesondere natürliche Personen (Absatz 1), oder eine im Inland bestehende Kirche oder andere Obwohl die Frage, ob eine Äußerung oder Darstel- Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereini- lung eine Beschimpfung enthält, nicht ohne Berück- gung, die oder deren Einrichtungen oder Gebräuche sichtigung der Anschauungen der Anhänger des an- beschimpft wurden (Absatz 2), die Strafverfolgung gegriffenen Bekenntnisses beurteilt werden kann, als Mittel zur Abwendung weiteren Beschimpfens wird nach wie vor davon auszugehen sein, daß Maß- betrieben haben wollen. stab für den Schweregrad der Beschimpfung nicht das Verständnis und religiöse Gefühl der betroffenen Zu Artikel 2 Anhänger, sondern das objektive Urteil eines auf reli- giöse Toleranz bedachten Beurteilers ist (so schon die Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.