(Ausgegeben am 8. November 2013)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

20. Sitzung

Hannover, den 31. Oktober 2013

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 13: Renate Geuter (SPD)...... 1738, 1741 Hermann Grupe (FDP) ...... 1740 Mitteilungen des Präsidenten ...... 1727 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Feststellung der Beschlussfähigkeit...... 1727 wirtschaft und Verbraucherschutz ...... 1742 Ausschussüberweisung...... 1743 Tagesordnungspunkt 14: Tagesordnungspunkt 15: Dringliche Anfragen...... 1727 Erste Beratung: c) Ist die Geschichte des mit rot-grüner Mehrheit Klimaschutzziele verbindlich festschreiben - ein verabschiedeten Prostitutionsgesetzes eine Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen - Antrag Geschichte voller Missverständnisse? - Anfrage der Fraktion der SPD und der Fraktion Bünd- der Fraktion der CDU - Drs. 17/855 ...... 1727 nis 90/Die Grünen - Drs. 17/829...... 1743 Angelika Jahns (CDU)...... 1728, 1730, 1732, 1733 und Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration Tagesordnungspunkt 16: ...... 1728 bis 1735 Dr. Thela Wernstedt (SPD) ...... 1731 Erste Beratung: (GRÜNE)...... 1731 Für eine verantwortungsvolle und rationale Kli- Heinrich Scholing (GRÜNE) ...... 1732 maschutzpolitik - Antrag der Fraktion der FDP - Elke Twesten (GRÜNE) ...... 1732 Drs. 17/821...... 1743 Holger Ansmann (SPD)...... 1733 Volker Bajus (GRÜNE)...... 1743, 1748 Dr. Gabriele Andretta (SPD) ...... 1734 Dr. Gero Hocker (FDP)...... 1745, 1749 Marcus Bosse (SPD)...... 1747 Tagesordnungspunkt 27: Axel Brammer (SPD)...... 1749, 1752 Axel Miesner (CDU)...... 1751, 1752 Erste Beratung: , Minister für Umwelt, Energie und Grundwasser und Böden schützen - ein wirk- Klimaschutz...... 1753 sames Düngemanagement in Niedersachsen ein- Ausschussüberweisung (TOP 15 und TOP 16)...... 1755 führen - Antrag der Fraktion der SPD und der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/831 ...... 1735 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE)...... 1735 Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU) ...... 1736, 1738

I Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 20. Plenarsitzung am 31. Oktober 2013

Tagesordnungspunkt 17: Wiard Siebels (SPD) ...... 1788 Hermann Grupe (FDP)...... 1791 Erste Beratung: Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 1793 Zukunft der Binnenwasserstraßen auch in Nie- dersachsen sichern! - Antrag der Fraktion der FDP Tagesordnungspunkt 22: - Drs. 17/822...... 1755 Hillgriet Eilers (FDP) ...... 1755 Erste Beratung: Jürgen Krogmann (SPD) ...... 1756 Verbraucherschutz fängt bei Verbraucherbildung Bernd-Carsten Hiebing (CDU)...... 1757 an - Verantwortung der Schulen verstärkt aus- Susanne Menge (GRÜNE) ...... 1759, 1760 bauen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/825 Ausschussüberweisung...... 1760 ...... 1795 Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) ...... 1795, 1799 Tagesordnungspunkt 18: Ronald Schminke (SPD)...... 1797, 1799 (GRÜNE) ...... 1799 Erste Beratung: Hermann Grupe (FDP)...... 1800 Einsetzung einer Enquetekommission "Reform Frauke Heiligenstadt, Kultusministerin ...... 1801 des niedersächsischen Verfassungsschutzes" - Ausschussüberweisung...... 1803 Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/796...... 1760 Persönliche Bemerkung: und Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) ...... 1802 Tagesordnungspunkt 19: Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Einsetzung einer Enquetekommission "Für den Erste Beratung: Schutz der Freiheit - Niedersachsen braucht Für ein partnerschaftliches Handeln - Einführung einen handlungsfähigen Verfassungsschutz!" - entwicklungspolitischer Leitlinien für das Land Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/826 ...... 1760 Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD und Dr. Stefan Birkner (FDP)...... 1760, 1774, 1777 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/827 Jens Nacke (CDU) ...... 1803 ...... 1762, 1765, 1768, 1771, 1775, 1779 Dr. Alexander Saipa (SPD)...... 1803, 1806 Ulrich Watermann (SPD) Horst Kortlang (FDP)...... 1805 ...... 1765, 1769, 1771, 1779, 1780 Maaret Westphely (GRÜNE)...... 1807, 1808 (GRÜNE) .....1766, 1769, 1776, 1778 Hermann Grupe (FDP)...... 1808 Boris Pistorius, Minister für Inneres und Dirk Toepffer (CDU) ...... 1809 Sport ...... 1771, 1773 Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Ausschussüberweisung (TOP 18 und TOP 19)...... 1780 Klimaschutz...... 1810 Ausschussüberweisung...... 1810 Persönliche Bemerkung: Angelika Jahns (CDU) ...... 1780 Tagesordnungspunkt 24:

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Zeitnahe Betriebsprüfung als besseres Modell 7. Übersicht über Beschlussempfehlungen der der Anschlussprüfung - Antrag der Fraktion der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 17/840 FDP - Drs. 17/823 ...... 1811 - unstrittige und strittige Eingaben ...... 1781 Gabriela König (FDP)...... 1811, 1817 Beschluss ...... 1781 Frank Henning (SPD)...... 1812, 1814 Reinhold Hilbers (CDU)...... 1814 Tagesordnungspunkt 21: Gerald Heere (GRÜNE)...... 1816, 1817 Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister...... 1817 Besprechung: Ausschussüberweisung...... 1818 Wie wirkt sich die angekündigte "sanfte Agrar- wende" auf Erzeuger und Verbraucher von Nah- Nächste Sitzung ...... 1818 rungsmitteln aus? - Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/283 - Antwort der Landesregierung - Drs. 17/830...... 1781 Helmut Dammann-Tamke (CDU)...... 1781 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz ...... 1784, 1787

II Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 20. Plenarsitzung am 31. Oktober 2013

Vom Präsidium:

Präsident Bernd B u s e m a n n (CDU) Vizepräsidentin Dr. Gabriele A n d r e t t a (SPD) Vizepräsident Klaus-Peter B a c h m a n n (SPD) Vizepräsident Karl-Heinz K l a r e (CDU) Schriftführer Markus Brinkmann (SPD) Schriftführerin Hillgriet E i l e r s (FDP) Schriftführer Stefan K l e i n (SPD) Schriftführerin Ingrid K l o p p (CDU) Schriftführerin Gabriela Kohlenberg (CDU) Schriftführer Klaus K r u m f u ß (CDU) Schriftführer Clemens L a m m e r s k i t t e n (CDU) Schriftführer Belit O n a y (GRÜNE) Schriftführerin Sigrid R a k o w (SPD) Schriftführerin Sabine T i p p e l t (SPD) Schriftführerin Elke T w e s t e n (GRÜNE)

Auf der Regierungsbank:

Staatssekretär Dr. Jörg Mielke, Staatskanzlei

Minister für Inneres und Sport Staatssekretär Stephan M a n k e , Boris P i s t o r i u s (SPD) Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretär Frank D o o d s , Peter-Jürgen Schneider (SPD) Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit Staatssekretär Jörg Röhmann, und Integration Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesund- Cornelia Rundt (SPD) heit und Integration

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD)

Staatssekretärin Daniela B e h r e n s , Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Staatssekretär Horst S c h ö r s h u s e n , cherschutz Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Christian M e y e r (GRÜNE) braucherschutz

Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (GRÜNE)

Ministerin für Wissenschaft und Kultur Staatssekretärin Andrea H o o p s , Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Staatssekretärin Almut K o t t w i t z , Stefan W e n z e l (GRÜNE) Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

III Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 20. Plenarsitzung am 31. Oktober 2013

IV Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 20. Plenarsitzung am 31. Oktober 2013

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr. Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ih- nen nunmehr der Schriftführer mit. Präsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie am heuti- Schriftführer Stefan Klein: gen Reformationstag namens des Präsidiums ganz Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! herzlich willkommen heißen und wünsche Ihnen Für heute haben sich entschuldigt: von der Lan- einen guten Morgen. desregierung Herr Ministerpräsident Weil, Herr Innenminister Pistorius ab ca. 12.30 Uhr sowie (Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- Herr Wirtschaftsminister Lies, von der Fraktion der dent!) CDU Herr Kollege Lammerskitten und Herr Kollege Ich eröffne die 20. Sitzung im 9. Tagungsabschnitt McAllister und von der Fraktion Bündnis 90/Die des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahl- Grünen Frau Kollegin Hamburg. periode. Präsident Bernd Busemann: Danke schön. - Meine Damen und Herren, wir Tagesordnungspunkt 13: gehen jetzt über zum Mitteilungen des Präsidenten

Tagesordnungspunkt 14: Ich darf im Einvernehmen mit den Schriftführern Dringliche Anfragen die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen. Ich weiß ja, dass Sie immer an Personenstands- änderungen interessiert sind: Gemeinsam mit Ih- Nachdem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihre nen will ich gerne unserer Kollegin, die Sie noch Anfrage „Nach oder neben den Hells Angels: Ha- unter dem Namen Kathrin Rühl kennen, zu ihrer ben nun die ‚Black Jackets’ die Hoheit am Steintor Eheschließung gratulieren. Sie heißt jetzt Kathrin in Hannover gewonnen?“ in der Drucksa- Wahlmann. Herzlichen Glückwunsch, Frau Wahl- che 17/856 zurückgezogen hat, behandeln wir mann! noch die Anfragen der Fraktion der FDP und der Fraktion der CDU. (Beifall) Wie gesagt, wir haben uns gestern darauf verstän- Das ist erst vor wenigen Tagen geschehen. Ein digt, die unter Tagesordnungspunkt 14 b vorgese- paar Tage zuvor hat auch unser Kollege Markus hene Anfrage der FDP-Fraktion morgen gleich Brinkmann geheiratet. Ebenfalls herzlichen Glück- nach den Mitteilungen des Präsidenten, also vor wunsch! den Mündlichen Anfragen, zu behandeln. (Beifall) Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen gel- Sie merken, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es tenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze gibt im Landtag noch Leute, die sich trauen. ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise, wie üblich, besonders darauf hin, dass einleitende Zur Tagesordnung: Wir hatten gestern vereinbart, Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig die unter Tagesordnungspunkt 14 b vorgesehene sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleich- Anfrage der Fraktion der FDP morgen vor den tern, bitte ich Sie darum, sich stets schriftlich zu Mündlichen Anfragen zu behandeln. Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen Im Gegenzug soll heute vor den Tagesordnungs- wollen. punkten 15 und 16 noch der ursprünglich für mor- Ich rufe sodann den Punkt c auf: gen vorgesehene Tagesordnungspunkt 27 - „Grundwasser und Böden schützen - ein wirksa- Ist die Geschichte des mit rot-grüner Mehrheit mes Düngemanagement in Niedersachsen einfüh- verabschiedeten Prostitutionsgesetzes eine ren“ - behandelt werden. Danach setzen wir die Geschichte voller Missverständnisse? - Anfrage Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung der Fraktion der CDU - Drs. 17/855 fort. Wer möchte diese Anfrage vortragen? - Frau Kol- Die heutige Sitzung soll gegen 18.05 Uhr enden. legin Jahns, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

1727 Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 20. Plenarsitzung am 31. Oktober 2013

Angelika Jahns (CDU): 1. Wie hoch ist der Anteil der Prostituierten in Nie- Guten Morgen! - Herr Präsident! Meine Damen dersachsen, die sozialversicherungspflichtig be- und Herren! Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft schäftigt und somit entsprechend der Intention des getretenen Prostitutionsgesetz wurde eine gesetz- Prostitutionsgesetzes nicht auf staatliche Unter- liche Grundlage geschaffen, die die zivil-, arbeits- stützungsleistungen angewiesen sind? und sozialrechtlichen Beziehungen zwischen Pros- 2. Wie wird in Niedersachsen sichergestellt, dass tituierten und ihren Kunden bzw. ihren Arbeitge- in den Prostitutionsstätten einschließlich der bern regelt. Wohnmobilprostitution gute und hygienische Ar- Intention des Gesetzes war es, die rechtliche Stel- beitsbedingungen vorhanden sind? lung der Prostituierten zu stärken. Damit sollte den 3. Welche Initiativen plant die Landesregierung zur bereits damals in diesem Bereich oftmals vorherr- Reformierung des Prostitutionsgesetzes? schenden kriminellen Begleiterscheinungen die Grundlage entzogen werden. Mit dem Zugang zu Danke schön. den Sozialversicherungssystemen sollte neben (Zustimmung bei der CDU und bei der dem individuellen Vorteil für die Prostituierten auch FDP) ein gesellschaftlicher Vorteil erzielt werden. Durch die Einzahlung von Beiträgen zur Sozialversiche- Präsident Bernd Busemann: rung sollten die abhängig beschäftigten Prostituier- Vielen Dank, Frau Dr. Jahns. - Für die Landesre- ten ihre Existenzsicherung bei Krankheit, Arbeits- gierung antwortet unsere Sozialministerin, Frau losigkeit oder im Alter mitfinanzieren, ohne auf Rundt. Bitte sehr, Sie haben das Wort. staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen zu sein. Und schließlich wurde mit der Streichung Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, des § 180 a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch ermög- Familie, Gesundheit und Integration: licht, dass Betreiberinnen und Betreiber von Prosti- tutionsstätten straffrei für gute und hygienische Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Arbeitsbedingungen sorgen können, die von den Herren! Ich begrüße es sehr, dass mit dieser zuständigen Behörden dann auch überwacht wer- Dringlichen Anfrage ein Thema wieder aufgegriffen den können. wird, das in der Vergangenheit allerdings viel zu wenig parlamentarische Aufmerksamkeit erlangt Bereits vor sechs Jahren hatte die Bundesregie- hat. Das Prostitutionsgesetz trat in der Tat zum rung in ihrem Abschlussbericht „Untersuchung 1. Januar 2002 in Kraft und fällt damit in die Zeit über die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“ der rot-grünen Bundesregierung. Mit der Verab- eine Zielverfehlung des Gesetzes festgestellt. Zwar schiedung dieses Gesetzes waren viele Erwartun- sei es für Prostituierte seit Einführung des Geset- gen verbunden, und zwar von ganz unterschiedli- zes leichter, Zugang zur Sozialversicherung zu chen Seiten. Es sollte nicht nur die Sittenwidrigkeit bekommen, und darüber hinaus auch möglich, von sexuellen Dienstleistungen beendet werden, rechtlich gegen Freier und Bordellbesitzer vorzu- sondern vor allem sollte auch eine deutliche Ver- gehen. Doch der Bericht zeigte, dass dies in der besserung der sozialen Absicherung der Prostitu- Praxis kaum genutzt wird: Nur etwa 1 % aller Pros- ierten, ihrer Arbeitsbedingungen, selbst ihrer Aus- tituierten besitzt laut den Untersuchungsergebnis- stiegsmöglichkeiten erreicht werden. sen einen Arbeitsvertrag, und von den 87 % der Krankenversicherten sei mindestens ein Drittel 2007 wurde eine Evaluation des Gesetzes vorge- statt unter der eigenen Berufsbezeichnung ledig- legt. Hier wurde deutlich, dass viele der Erwartun- lich als beitragsfrei mitversicherte Familienangehö- gen, die mit dem Gesetz verbunden waren, nicht rige angemeldet. Des Weiteren fehlen die obligato- erfüllt worden sind. Nur wenige Prostituierte erhiel- rischen Prüfungen für das Betreiben von Prostituti- ten tatsächlich einen Arbeitsvertrag. Der Zugang onsstätten fast gänzlich. zur Sozialversicherung, Kranken- und insbesonde- re Rentenversicherung wurde kaum genutzt. Der Ob das mit rot-grüner Mehrheit verabschiedete Umgang mit den Behörden war weiter schwierig. Prostitutionsgesetz inzwischen in höherem Maße dazu beigetragen hat, dass in Niedersachsen re- Diese Evaluation fällt bekanntlich in die Zeit der gulierte Arbeits- und Marktstrukturen für das Prosti- Regierung Merkel. Nun lag es an der schwarz- tutionsgewerbe vorhanden sind, ist fraglich. gelben Regierung in Berlin, aus der Evaluation die richtigen Schlüsse zu ziehen und letztlich eine Wir fragen die Landesregierung: Änderung des Gesetzes vorzubereiten. Was ist in

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dieser Hinsicht auf Bundesseite geschehen? - (Beifall bei der SPD und bei den Nichts. Eckpunkte wurden angekündigt, aber bis GRÜNEN) heute nicht vorgelegt. Das Prostitutionsgesetz, eine Geschichte von Missverständnissen? Dazu Ich vermute sogar, dass es hierüber im Landtag lautet die ganz eindeutige Antwort: Nein. Das Pros- einen Konsens gibt, und so dürfte es auch als titutionsgesetz ist eine Geschichte von Untätigkeit wichtiges aktuelles und politisches Signal aus Nie- der schwarz-gelben Bundesregierung. dersachsen an die Koalitionäre in Berlin verstan- den werden, wenn wir uns darauf verständigen. (Beifall bei der SPD und bei den Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Bil- im Namen der Landesregierung wie folgt: lig, aber typisch! - Ulf Thiele [CDU]: Was wird das denn jetzt?) Zu Frage 1: Es liegen keine Kenntnisse über den Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftig- Das ist der richtige und der aktuelle Befund. Seit ten Prostituierten in Niedersachsen vor. 2007 hat es die Bundesregierung versäumt, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, die die Rah- (Jens Nacke [CDU]: Das gibt es doch menbedingungen für Prostituierte und ihren Schutz gar nicht!) wirklich verbessert. Dabei hat es an Forderungen und Vorschlägen vonseiten der Länder und an die Statistische Angaben hierfür stehen letztlich nicht Bundesregierung nicht gemangelt, die politisch zur Verfügung, weil die Sozialversicherungsträger wirklich richtungweisend sind und die auf Behe- kein eigenes statistisches Erfassungsmerkmal bung rechtlicher Defizite bei der Umsetzung des hierfür vorgesehen haben, sondern diese Beschäf- Prostitutionsgesetz abzielen. Dabei geht es z. B. tigten unter einer Sammelbezeichnung führen, die um Verbesserung der Meldepflichten, um Auf- auch noch andere Tätigkeiten umfasst. sichtsbefugnisse bei Prostitutionsstätten sowie um Zu Frage 2: Hier ist teilweise der Arbeitsschutz zu- die Einführung einer entsprechenden Erlaubnis- ständig. Eine Abfrage bei den Staatlichen Gewer- pflicht. beaufsichtsämtern, die für diejenigen Prostituierten Die Forderungen liegen aufgrund von Beschlüssen in Beschäftigungsverhältnissen zuständig sind, der zuständigen Fachministerkonferenzen und des konnte aufgrund der sehr kurzen zur Verfügung Bundesrats auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der stehenden Zeit noch nicht vorgenommen werden. nun neuen Bundesregierung, entsprechend tätig Unabhängig von hygienischen Arbeitsbedingungen zu werden, wobei man auf der anderen Seite auch in den Prostitutionsstätten - einschließlich der vor Aktionismus warnen muss. Es bedarf nämlich Wohnmobilprostitution - spielt die Prävention im eines breiten Ansatzes der Reglementierung von Hinblick auf sexuell übertragbare Krankheiten eine Prostitution. Hierin sind sich alle Fachleute einig. Rolle. Es obliegt dem kommunalen öffentlichen Einigkeit besteht auch darin, dass es keine einfa- Gesundheitsdienst, auf Grundlage des Infektions- chen und keine Patentlösungen gibt. Prostitution schutzgesetzes bezüglich sexuell übertragbarer ist Realität. Sie hat sehr unterschiedliche Erschei- Krankheiten Beratungen und Untersuchungen nungsformen. Sie hat unterschiedliche Ausprä- anzubieten und diese im Zusammenhang mit an- gungen. Sie reicht von frei gewählter Prostitution deren medizinischen Einrichtungen sicherzustel- über Beschaffungsprostitution bis hin zu Zwangs- len. Für Personen, deren Lebensumstände eine prostitution und Menschenhandel. Sie umfasst erhöhte Ansteckungsgefahr für sich oder andere Straßenprostitution, Prostitution in Bordellbetrieben mit sich bringen, werden diese auch aufsuchend und Wohnungsprostitution bis hin zum Escortservi- angeboten und können im Einzelfall die ambulante ce. Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Gesundheitsamtes umfassen, soweit dies zur Ver- Zu keinem Augenblick dürfen wir aber die Bekämp- hinderung der Weiterverbreitung der sexuell über- fung von Zwangsprostitution und vor allem Minder- tragbaren Krankheiten erforderlich ist. jährigenprostitution aus dem Auge verlieren. Ein Um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu größtmöglicher Schutz von Prostituierten vor Ge- gewährleisten, können die Angebote auch anonym walt und Ausbeutung sowie die Verbesserung der in Anspruch genommen werden. Dabei ist zu be- Rahmenbedingungen für die Prostitutionsaus- rücksichtigen, dass die Regelungen des Infekti- übung bleiben unsere Eckpunkte. onsschutzgesetzes noch vor dem Prostitutionsge-

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setz in Kraft traten und durch dessen Regelungen (Beifall bei der SPD und bei den nicht verändert wurden. GRÜNEN - Anhaltende Unruhe) Zu Frage 3: Über die Fachministerkonferenzen und Präsident Bernd Busemann: den Bundesrat hat sich Niedersachsen in den ver- gangenen Jahren immer wieder für die Verände- Vielen Dank, Frau Ministerin Rundt. - Meine Da- rung von rechtlichen Regelungen im Zusammen- men und Herren, wir haben eine doch etwas un- hang mit Prostitution eingesetzt. Die Landesregie- angenehme Geräuschkulisse im Plenum. Ich wäre rung ist im Sinne der Schaffung eines breiten An- dankbar, wenn die Gespräche eingestellt werden. satzes zur Verbesserung von Regelungen in Zu- Das gilt auch für die Regierungsbänke. - Herr Hil- sammenhang mit Prostitution bereits initiativ ge- bers, sind Sie fertig? worden. Dem Gesetz zur Bekämpfung des Men- (Heiterkeit) schenhandels und zur Überwachung von Prostitu- tionsstätten ist die Landesregierung erfolgreich mit Herr Klare? - Auch er ist fertig. dem Antrag zur Anrufung des Vermittlungsaus- Meine Damen und Herren, es können Zusatzfra- schusses entgegengetreten. Hier wurde nämlich gen gestellt werden. Eine erste Zusatzfrage liegt die Chance vertan, ein der Komplexität der Thema- vor von der Fraktion der CDU. Frau Kollegin tik angemessenes Regelwerk, das eine Vielzahl Jahns, Sie haben das Wort. Bitte sehr! von Rechtsgebieten betrifft, zu schaffen. Eine weitere Initiative Niedersachsens ist im Som- Angelika Jahns (CDU): mer dieses Jahres gestartet. Sie liegt in einer Bun- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau desratsinitiative zur Umsetzung der EU-Menschen- Ministerin Rundt, vor dem Hintergrund, dass die handelsrichtlinie 2011/36/EU, die bereits in den Bundesregierung in den vergangenen Jahren eini- Bundesrat eingebracht wurde, und zwar in der ges zur Verbesserung der Situation der Prostituier- Drucksache 528/13. Die konsequente Bekämpfung ten getan und z. B. die Einführung einer Erlaubnis- des Menschenhandels und die in diesem Zusam- pflicht für die Prostitutionsstätten durchgesetzt hat menhang geplante Änderung verschiedener Straf- und auch die Meldepflicht der Betreiber für die dort normen, die eine effektivere Verfolgung und Verur- beschäftigten abhängigen Mitarbeiterinnen und teilung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Mitarbeiter eingeführt hat, frage ich Sie: Ist es zu- Menschenhandel ermöglichen, tragen nicht uner- treffend, dass bei dem Gesetzentwurf gegen den heblich zu einem breiteren Ansatz der Reglemen- Menschenhandel überwiegend SPD-geführte Län- tierung der Prostitution bei. In der öffentlichen der dafür gesorgt haben, dass dieser Gesetzent- Wahrnehmung wird somit das undurchdringliche wurf nicht verabschiedet wurde, sondern im Ver- und in einer rechtlichen Grauzone erscheinende mittlungsausschuss gelandet ist? Milieu transparenter. Die Akzeptanz frei gewählter Prostitutionsausübung kann somit erhöht werden. (Beifall bei der SPD und bei den Auch bei einer neuen parlamentarischen Geset- GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: zesvorlage auf Bundesebene zur Umsetzung der Das hat sie doch gesagt! Darauf ist EU-Richtlinie wird sich die Landesregierung im sie eingegangen! Mal zuhören! Sie Rahmen ihrer Beteiligung im Bundesrat zur Verab- hat es gerade gesagt! - Gegenruf von schiedung effektiverer Strafnormen einbringen. Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das hat sie nicht gesagt!) (Unruhe) Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es Präsident Bernd Busemann: eines breiten gesellschaftlichen und länderüber- Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet greifenden Konsenses bedarf, um wirksamere Ministerin Rundt. Regelungen zur Prostitution zu schaffen. Sie wird sich daher auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, die rechtzeitige und umfassende Beteiligung der Familie, Gesundheit und Integration: Länder erfolgt sowie die fachspezifischen Kennt- Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete Jahns, nisse der Fachberatungsstellen und das Fachwis- ich kann bestätigen, dass es völlig richtig ist, dass sen der unterschiedlichen betroffenen Institutionen u. a. die Niedersächsische Landesregierung ge- in den möglichen Gesetzentwurf einfließen. meinsam mit anderen Bundesländern diesen Ge- Vielen Dank. setzentwurf abgelehnt hat, und zwar deshalb, weil

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er völlig unzureichend war und keines der beste- werden und uns an der Stelle beraten. Das kann henden Probleme gelöst hätte. man in Form eines runden Tisches, aber auch außerhalb tun. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Präsident Bernd Busemann: Danke schön. - Für eine weitere Zusatzfrage hat Präsident Bernd Busemann: sich gemeldet von der Fraktion der SPD Frau Dr. Danke schön, Frau Ministerin. - Für eine weitere Wernstedt. Bitte sehr! Zusatzfrage rufe ich auf: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kollege von Holtz, bitte sehr! Dr. Thela Wernstedt (SPD): Herr Präsident! Frau Ministerin Rundt, meine Da- Ottmar von Holtz (GRÜNE): men und Herren! Ich frage die Landesregierung, Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und ob das Land Niedersachsen, ähnlich wie das Land Herren! Ich frage die Landesregierung: Welche Nordrhein-Westfalen, die Einrichtung eines runden Möglichkeiten sieht sie, Diskriminierung von Prosti- Tisches rund um die Prostitution plant, um Fragen, tuierten in der Gesellschaft abzubauen? die aktuell auftauchen, bearbeiten zu können und das Feld aus der Grauzone herauszuholen. Präsident Bernd Busemann: (Jens Nacke [CDU]: Nicht schon wie- Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet der ein runder Tisch!) Frau Ministerin Rundt. Bitte sehr!

Präsident Bernd Busemann: Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration: Danke schön. - Für die Landesregierung: Frau Ministerin Rundt! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen glaube ich, dass, wenn wir das (Jens Nacke [CDU]: Sie können keine Ganze hier im Landtag angemessen diskutieren, Frage beantworten und wollen jetzt dies eine der Möglichkeiten ist, das Thema noch einen runden Tisch machen? Das gibt einmal in die Öffentlichkeit zu tragen und auf das es doch nicht!) hinzuweisen, was Prostitution heute wirklich be- deutet. Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration: Wir haben es ja mit sehr unterschiedlichen Arten von Prostitution zu tun: von der freiwilligen Prosti- Sehr geehrter Herr Präsident! Die Einrichtung ei- tution auf der einen Seite bis hin zu Menschen- nes solchen runden Tisches, wie sie in NRW er- handel auf der anderen Seite. Ich glaube, dass folgt ist, ist sicherlich eine der Möglichkeiten, wie man dann, wenn wir das Ganze hier im Landtag man sich des Themas annehmen kann. Wir haben differenziert diskutieren, ein Stück Öffentlichkeits- das hier für Niedersachsen nicht oder noch nicht arbeit betreiben und damit auch Diskriminierung konkret geplant, und zwar deshalb nicht, weil wir abbauen kann. eigentlich in sehr gutem Austausch insbesondere mit den Organisationen sind, die Unterstützung für (Beifall bei der SPD und bei den Prostituierte und auch für Frauen bieten, die Men- GRÜNEN) schenhandel haben durchmachen müssen. Inso- Zum anderen haben wir als Landesregierung na- fern ist es durchaus möglich, dass wir hierzu einen türlich die Möglichkeit genutzt, da, wo sich das runden Tisch einrichten. Thema anbietet, die entsprechende Öffentlich- Wir sind aber im Moment, aktuell, mit allen Organi- keitsarbeit zu machen. Ich meine, dass nur dar- sationen im Gespräch. Ich glaube, noch wichtiger über Diskriminierung wirklich abgebaut werden als die Einrichtung eines solchen runden Tisches kann. So haben wir z. B. zum 25-jährigen Jubiläum ist, dass überall da, wo wir aktiv sind - wir müssen von Phoenix e. V., der übrigens sowohl weibliche sehen, wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen als auch männliche Prostituierte berät, eine ge- und ob es möglicherweise weiteren Regelungsbe- meinsame Pressekonferenz gemacht. Wir haben darf gibt -, diese Organisationen, die gute Fach- eine Veranstaltung gehabt, auf der Grußworte frauen auf diesen Gebieten haben, einbezogen überbracht wurden. Dies hat auch in den Medien

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jeweils seinen Widerklang gefunden. Ich meine, Elke Twesten (GRÜNE): dass das Veranstaltungen und Themen sind, mit Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für wie denen wir das Ganze diskriminierungsfrei öffentlich sinnvoll hält die Landesregierung die Einrichtung bewegt kriegen. Und wir unterstützen natürlich eines runden Tisches? - Wir hatten eben schon auch solche Vereine, damit sie in ihrem Bereich einmal darüber gesprochen, allerdings mit einer mit ihrem entsprechenden Fachwissen gegen Dis- anderen Zielrichtung. - Ich möchte gerne wissen: kriminierung wirken. Wie sinnvoll ist dessen Einrichtung, um damit eine Bestandsaufnahme der Prostitution in Niedersach- (Beifall bei der SPD und bei den sen zu erlangen? GRÜNEN) (Christian Dürr [FDP]: Die vorbereitete Präsident Bernd Busemann: Frage ist bereits beantwortet worden! - Jens Nacke [CDU]: Aber die Frau Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Zu- Ministerin hat eben gesagt, sie wolle satzfrage: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Abge- gar keinen runden Tisch einrichten!) ordneter Heiner Scholing, bitte sehr! Präsident Bernd Busemann: Heinrich Scholing (GRÜNE): Danke schön. - Für die Landesregierung hat Frau Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Ministerin Rundt das Wort. Bitte sehr! Herren! Frau Ministerin, welche Angebote stehen in Niedersachsen Frauen zur Verfügung, die aus Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, der Prostitution aussteigen wollen, bzw. an wen Familie, Gesundheit und Integration: können sie sich wenden? Es kann durchaus sinnvoll sein, das zu tun. Es (Beifall bei den GRÜNEN und bei der wäre sicherlich auch nicht schlecht, sich einmal SPD) anzusehen, wie das Ganze in Nordrhein-Westfalen funktioniert und welche Auswirkungen es dort hat. Das dürfte ein guter Weg sein, um einmal zu eva- Präsident Bernd Busemann: luieren, was dort erfolgen kann. Danke schön. - Frau Ministerin Rundt, bitte sehr! Wir haben hier in Niedersachsen ein sogenanntes frauenpolitisches Forum. Dort treffen wir uns re- Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, gelmäßig mit allen Frauenverbänden, auch mit Familie, Gesundheit und Integration: denen, die im Bereich der Prostitution tätig sind. Es Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und ist sicherlich klug, im Frauenforum einmal die Fra- Herren! Wir haben hier in Niedersachsen mit dem ge anzusprechen, inwieweit man sich dort vielleicht Verein Phoenix e. V. einen sehr fachkundigen und im Rahmen einer Unterarbeitsgruppe diesem aktiven Verein, der eine Beratungsstelle für Prosti- Thema zuwenden kann. tuierte unterhält. Dort wird eine persönliche Bera- (Beifall bei den GRÜNEN) tung und Betreuung durchgeführt insbesondere auch beim Ausstiegswunsch aus der Szene. Es Präsident Bernd Busemann: gibt die Beratungsstelle La Strada, die sich aus- drücklich an Drogen brauchende Frauen und Mäd- Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatz- chen in der Prostitution wendet. Es gibt die Bera- frage kommt von der Fraktion der CDU. Noch ein- tungsstelle KOBRA und zwei Beratungsstellen von mal Kollegin Jahns, bitte sehr! SOLWODI. Die kümmern sich speziell um die Op- fer von Menschenhandel. Das sind die Beratungs- Angelika Jahns (CDU): stellen, die uns hier in Niedersachsen ganz förm- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau lich bekannt sind. Ministerin, Sie haben eben auch dargestellt, wel- che Vereine bzw. Hilfsorganisationen es in Nieder- Präsident Bernd Busemann: sachsen gibt. Diese sind in den vergangenen zehn Jahren von der CDU/FDP-Regierung immer sehr Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Zu- unterstützt und gefördert worden. Lassen Sie mich satzfrage: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Abge- ganz am Rande sagen: Ein Grußwort hilft hier nicht ordnete Elke Twesten. Bitte sehr, Sie haben das viel weiter, sondern es muss tatkräftige Hilfe sein. Wort.

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Im richtigen Leben ist es so, dass die Polizeidirek- tionen regelmäßig die Sperrgebietsverordnungen Ich frage Sie vor diesem Hintergrund, ob Sie diese darauf überprüfen, ob dort Änderungen notwendig Institutionen auch finanziell weiterhin so unterstüt- sind, weil sich Bereiche verlagert haben oder weil zen oder die Förderung sogar noch aufstocken es besondere Gefährdungen gibt. Von der Sache werden. her sind wir uns wohl einig, dass man dort immer (Zustimmung bei der CDU) wieder schauen muss, ob die Sperrgebiete wirklich noch zutreffend zugeschnitten sind. Präsident Bernd Busemann: Mit den Sperrgebieten verhindern wir aber nicht in Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet annähernder Weise die Prostitution und damit wieder die Sozialministerin. Bitte sehr, Frau Rundt, auch keines der Probleme der Prostitution. Was Sie haben das Wort. wir damit tun, ist, dass wir die Öffentlichkeit, insbe- sondere Kinder, vor diesem Bereich schützen. Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Was für uns dabei auch eine wichtige Aufgabe ist, Familie, Gesundheit und Integration: ist, dass auch die Frauen geschützt werden müs- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Jahns, sen, damit sie nicht in Gebiete abgeschoben wer- es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die den, in denen möglicherweise erhöhte Kriminalität Landesregierung diese Organisationen auf dem zu erwarten ist. bisherigen Level weiterfördern wird. (Beifall bei der SPD und bei den (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) GRÜNEN) Präsident Bernd Busemann: Präsident Bernd Busemann: Danke schön, Frau Ministerin. - Es gibt eine weite- Danke schön. - Eine weitere und einstweilen letzte re Zusatzfrage der Fraktion der CDU. Noch einmal Zusatzfrage kommt von der Fraktion der SPD. Herr Frau Jahns, bitte sehr, Sie haben das Wort. Abgeordneter Ansmann, bitte sehr, Sie haben das Wort. Angelika Jahns (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr Holger Ansmann (SPD): geehrte Frau Ministerin Rundt, ist die Landesregie- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen rung der Auffassung, dass die Prostitution künftig Abgeordnete! Ich frage die Landesregierung, wie ein anmeldepflichtiges Gewerbe sein sollte, um sie zu der Forderung der CDU-Fraktion steht, die insbesondere auch die Prostituierten zu schützen? Sperrgebietsverordnungen in Niedersachsen aus- (Beifall bei der CDU) zuweiten. (Beifall bei der SPD und bei den Präsident Bernd Busemann: GRÜNEN) Danke schön. - Frau Ministerin Rundt!

Präsident Bernd Busemann: Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Danke schön. - Für die Landesregierung hat Frau Familie, Gesundheit und Integration: Ministerin Rundt, das Wort. Bitte sehr! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die entsprechenden An- Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, meldepflichten durchaus klug und richtig sind. Al- Familie, Gesundheit und Integration: lerdings glaube ich auch, dass wir damit kein Prob- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und lem wirklich lösen. Wir verschaffen uns möglicher- Herren! Für den Erlass der Sperrgebietsverord- weise einen etwas besseren Überblick über das nungen sind in Niedersachsen die Polizeidirektio- Problem, lösen damit aber kein Problem. Insofern nen zuständig; denn sie sind bestens mit den Ver- ist das sicherlich ein Teil, über den man positiv hältnissen vor Ort vertraut. Die Sperrgebietsver- denken muss. Unser Problem liegt aber an ganz ordnungen sollen ja insbesondere dem Schutz der anderen Stellen, glaube ich. Jugend dienen und auch, wie das immer so schön Unser Problem liegt ganz sicher in dem Phäno- heißt, dem öffentlichen Anstand. men, dass die Möglichkeiten der rechtlichen Lo-

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ckerungen der Prostitution, die zugunsten von (Ulf Thiele [CDU]: Sie haben keine Prostituierten gedacht waren, um sie aus der Ille- Idee und kein Konzept! Keine Initiati- galität zu holen, teilweise ganz gezielt von kriminel- ve!) len Vereinigungen von Männern missbraucht wer- denn ich glaube, dass wir aus den Ergebnissen den. Wir haben ja durchaus bekannte Szenen dieser Ausschussarbeit sicherlich sehr positive insbesondere im Rockermilieu, von denen wir wis- Ergebnisse ziehen können, mit denen wir uns sen, dass sie hier die Situation ausnutzen. Insofern dann auseinandersetzen. glaube ich, dass wir - Anmeldepflicht hin oder her - größere Probleme haben als dieses. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Nur Präsident Bernd Busemann: lösen wollen Sie die Probleme nicht! Sie wollen nicht einmal einen runden Danke schön. Tisch einrichten! Sie haben nichts (Zurufe von der CDU - Gegenrufe von eingeleitet!) der SPD und von den GRÜNEN - Ge- genruf von Mechthild Ross-Luttmann Präsident Bernd Busemann: [CDU]) Danke schön, Frau Ministerin. - Es gibt noch eine - Ich darf Sie bitten, die Dialoge einzustellen. Zusatzfrage der Fraktion der CDU. Noch einmal Frau Jahns, bitte sehr! Die nächste Zusatzfrage kommt von der Fraktion der SPD. Frau Dr. Andretta, bitte sehr, Sie haben Angelika Jahns (CDU): das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Rundt, Sie haben eben auch einige Dr. Gabriele Andretta (SPD): Aussagen zur Wohnmobilprostitution gemacht. Sehr geehrter Herr Präsident! Was diese Thematik betrifft, findet demnächst die (Jens Nacke [CDU] - zur SPD -: Sie Anhörung zu unserem entsprechenden Antrag schauen der organisierten Kriminalität statt. Ich frage Sie: Sehen Sie zum jetzigen Zeit- einfach zu!) punkt aus Sicht des Landes Niedersachsen schon die Chance, mindestens für eine hygienische Ver- - Ich glaube, Herr Nacke hat auch eine Frage. besserung bei der Wohnmobilprostitution hier in (Johanne Modder [SPD] - zu Jens Niedersachsen zu sorgen? Gibt es Anlass, schon Nacke [CDU] -: Herr Nacke, jetzt ist Maßnahmen zu ergreifen? es aber gut! Das ist eine Unver- (Beifall bei der CDU) schämtheit! - Unruhe)

Präsident Bernd Busemann: Präsident Bernd Busemann: Danke schön. - Für die Landesregierung Frau Mi- Einen Moment, bitte, Frau Dr. Andretta. - Meine nisterin Rundt! Damen und Herren, ich darf Sie bitten, diese Zuru- fe und Dialoge einzustellen. Wir sind in der Frage- Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, stunde. Es wurde gefragt und wird jetzt wieder Familie, Gesundheit und Integration: gefragt, und auf diese Fragen gibt es Antworten. - Sehr geehrter Herr Präsident! Ich halte es für sehr Danke schön. Alle Fraktionen haben noch weitere gut, dass dieses Thema bewegt wird und auch in Fragemöglichkeiten. Man kann sich darauf einstel- den entsprechenden Ausschüssen bewegt wird. len. - Bitte sehr! Den Termin, an dem diese Anhörung im Aus- schuss stattfindet, habe ich jetzt nicht genau im Dr. Gabriele Andretta (SPD): Kopf. Ich weiß aber, dass dort auf jeden Fall auch Sehr geehrter Präsident! Ich frage die Landesre- die Fachfrauen in eigener Sache angehört werden. gierung zur Nachfragerseite der Prostitution: Wie Da würde ich gerne dem Parlament das erste Sie wissen, wird in Schweden die Prostitution seit Recht geben und den Ausschuss bitten, das un- vielen Jahren erfolgreich geächtet. Dort sind der tereinander einmal genau zu diskutieren; Kauf und die Vermittlung von Sexdiensten unter Strafe gestellt. Wie bewertet die Landesregierung diesen Weg?

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Präsident Bernd Busemann: Tagesordnungspunkt 27: Danke schön. - Für die Landesregierung wieder Erste Beratung: Frau Ministerin Rundt! Grundwasser und Böden schützen - ein wirk- sames Düngemanagement in Niedersachsen (Jens Nacke [CDU]: Herr Innenminis- einführen - Antrag der Fraktion der SPD und der ter, wollen Sie da nicht mal eingrei- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/831 fen? Das wird langsam Zeit!) Der Antrag wird vom Abgeordneten Janßen von Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht. Familie, Gesundheit und Integration: Herr Janßen, Sie haben das Wort. Bitte sehr! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich glaube, dass es klug wäre, auch das einmal im Ausschuss mitein- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): ander zu diskutieren. Aus früheren Zeiten, als es Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und die entsprechenden Verbote gab und diese Dinge Herren! Rund 60 % des Grundwassers in Nieder- unter Strafe gestellt waren, wissen wir ja, dass das sachsen sind in einem schlechten Zustand und in Jahrtausenden nicht dazu geführt hat, dass man durch zu hohe Nitratwerte belastet. Vor allem in das Problem der Prostitution wirklich in den Griff Regionen mit hoher Viehdichte steigen sie im ober- bekommen hätte. flächennahen Grundwasser weiter an.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Die Europäische Kommission hat der Bundesrepu- Kein Vorschlag der Landesregierung!) blik gerade attestiert, nach Malta die meisten Grundwassermesspunkte mit Überschreitungen Die Frage, die sich hier stellt, hängt vielmehr damit des Nitratwertes zu haben. Deutschland zeigt deut- zusammen, dass wir im Moment sicherlich ein Un- lich häufiger Messungen mit erhöhten Werten als gleichgewicht haben. Auf der einen Seite haben etwa Dänemark oder die Niederlande, die ähnlich wir kriminelle Vereinigungen, die sich dieses Mit- starke Viehdichten haben wie Niedersachsen in tels bedienen, um hier Menschenhandel durchzu- Teilbereichen. führen und finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Auf der anderen Seite müssen wir die Frage der Meine Damen und Herren, fahren wir so fort wie freiwilligen Prostitution sicherlich völlig anders bisher, werden wir zukünftig unser Grundwasser in bewerten. Insofern glaube ich, dass wir sehr gut vielen Regionen Niedersachsens nicht mehr als ausbalancieren müssen, wie wir mit solchen Fra- Trinkwasser nutzen können. Davon ist aufgrund gen umgehen. Wir werden das Problem durch der aktuellen Situation auszugehen. Dieser Zu- reine Verbote und auch durch Bestrafungen von stand ist schlicht nicht hinnehmbar. Freiern wohl nicht lösen können. Vielmehr wird es auch weiterhin ein kriminelles Milieu geben, das es Die Kontrolle der Düngerstoffströme muss künftig auf jeden Fall zu bekämpfen gilt. sicherstellen, dass auf landwirtschaftlichen Flä- chen nicht mehr Dünger aufgebracht wird, als nach (Beifall bei der SPD) der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft zulässig ist. Die Einführung der Meldepflicht des Präsident Bernd Busemann: abgebenden Betriebs unter Schwarz-Gelb war ein Danke schön, Frau Ministerin. - Meine Damen und erster Schritt dazu. Er ist alleine aber nicht ausrei- Herren, weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen chend; denn diese Meldeverordnung erfasst nur liegen mir nicht vor. Damit kann ich diese Dringli- die überbetrieblichen Stoffströme, und das auch che Anfrage, aber auch die Dringlichen Anfragen nur unzureichend. Es ist nämlich nicht so, dass der insgesamt für heute als erledigt betrachten. Es gibt aufnehmende Betrieb eine Kontrollmeldung abge- ja eine weitere Dringliche Anfrage, die morgen ben muss. Dementsprechend kann kein Abgleich Vormittag behandelt wird. erfolgen.

Ich darf nun - so ist die Beschlusslage; wir ziehen Insbesondere mangelt es an Folgendem: Ob die diesen Tagesordnungspunkt vor - übergehen zum Flächen eines Landwirtes ausreichend sind, um die in dem Betrieb anfallenden Düngermengen

aufnehmen zu können, und ob der Wirtschafts- dünger von einem Betrieb tatsächlich in der Menge abgegeben wird, in der dieser Dünger aufgrund

der Flächenausstattung hätte abgegeben werden

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müssen, bleibt unbekannt. Damit haben wir letzt- fe anfallen, müssen endlich eine echte Hoftorbilanz endlich die Situation, dass wir dies auch nicht kon- erstellen, auch Biogasbetriebe und flächenlose trollieren können. Das wollen wir ändern. Dazu gewerbliche Tierhaltungsanlagen. Hierzu sind haben wir diesen Antrag eingebracht. bundesgesetzliche Regelungen wie in der Dünge- verordnung und im Düngegesetz zu ändern. (Beifall bei den GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich komme zum Wir brauchen eine lückenlose Erfassung der Schluss. Lassen Sie uns die möglichen Schritte Transportkette aller Düngermittel, eben auch mit hier in Niedersachsen gemeinsam gehen, damit der Kontrollmeldung des aufnehmenden Betriebes wir möglichst zu einer vernünftigen Nährstoffver- oder eines Zwischenhändlers. Zudem brauchen wir sorgung landwirtschaftlicher Nutzflächen kommen einen Abgleich der Tierzahlen eines Betriebes mit und gleichzeitig Grund- und Oberflächenwasser der Flächenausstattung eines Betriebes. Haben wir bestmöglich schützen! Lassen Sie uns gemeinsam beides, ist aus dem Abgleich erkennbar, in wel- im Bund auf eine Änderung des Düngerechts hin- chem Umfang Düngestoffe abgegeben werden wirken! müssen oder aufgenommen werden können. Vielen Dank. Eine Kontrolle der Gärreste aus Biogasanlagen ist aufgrund ihres mittlerweile hohen Umfangs gleich- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der falls erforderlich. SPD) Meine Damen und Herren, uns liegt an einer mög- Präsident Bernd Busemann: lichst unbürokratischen Lösung, die den Aufwand für die praktizierenden Landwirte so gering wie Vielen Dank, Herr Janßen. - Es liegt eine weitere möglich hält. Ein automatisiertes Verfahren, das Wortmeldung vor, und zwar von Herrn Dr. Deneke- auf vorhandene Daten wie z. B. die Meldungen der Jöhrens von der CDU-Fraktion. Sie haben das Tierzahlen an die Tierseuchenkasse und die Er- Wort. fassung der Flächenausstattung über die EU-Mel- dung zurückgreift, wäre sicher mit dem geringsten Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU): Aufwand für den einzelnen Landwirt verbunden Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und und würde auch den automatischen Abgleich er- Herren! Herr Janßen, Grundwasser und Boden möglichen. Wenn das allerdings aus Gründen des schützen - selbstverständlich. Da haben Sie uns Datenschutzes nicht geht, muss nach anderen nicht nur an Ihrer Seite, sondern da haben wir, wie praktikablen Lösungen gesucht werden wie z. B. Sie es schon beschrieben haben, bereits vorgear- die Einbeziehung der Baugenehmigungsbehörden beitet. Mit der Niedersächsischen Verordnung über und der Landwirtschaftskammer im Einzelfall. Meldepflichten in Bezug auf Wirtschaftsdünger aus dem vergangenen Jahr haben wir ein hervorra- Eines ist klar: Wie auch immer wir dies regeln wol- gendes Instrument eingeführt. len, eine weitere Überdüngung der Böden können wir uns zum Schutz des Grund- und Oberflächen- (Beifall bei der CDU) wassers nicht leisten. Deshalb brauchen wir diesen Ihr Minister Meyer hat ja die Daten mit dem nieder- Datenabgleich, meine Damen und Herren. sächsischen Nährstoffbericht in der vergangenen (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Woche vorgestellt. Ich zitiere die Homepage des stimmung bei der SPD) ML: Die dargestellten Ziele und Maßnahmen sind uner- „Niedersachsen ist deutschlandweit Vorreiter lässlich, um das Ziel des Grundwasserschutzes und legt als erstes Bundesland eine umfas- tatsächlich zu erreichen. Aber sie allein werden sende Dokumentation der Nährstoffkreis- nicht ausreichen. Auch beim Düngerecht des Bun- laufwirtschaft vor. Der im Auftrag des nie- des muss nachgesteuert werden. Alle organischen dersächsischen Landwirtschaftsministerium Stoffe, die als Dünger eingesetzt werden - egal, ob von der Landwirtschaftskammer Niedersach- Gülle, Mist, Gärreste aus Biogasanlagen, Kompost sen erstellte ‚Nährstoffbericht 2012/2013’ oder Klärschlamm -, müssen in gleicher Weise verschafft erstmals eine Übersicht darüber, berücksichtigt werden. Die Sperrfristen für die wo wie viel Wirtschaftsdünger und Gärreste Ausbringung von Dünger müssen entsprechend erzeugt und ausgebracht werden. ‚Das ist dem tatsächlichen Pflanzenbedarf angepasst wer- eine in dieser Form noch nie da gewesene den. Alle Betriebe, in denen organische Düngestof- umfassende Bestandsaufnahme der Nähr-

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stoffströme’, lobte Niedersachsens Agrarmi- chers unserer Fraktion, Helmut Dammann-Tamke, nister Christian Meyer die Autoren der Un- zeigt. Er sagt: tersuchung.“ „Der Bericht macht die ungleiche Nährstoff- (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: verteilung in Niedersachsen deutlich. Wäh- Schöne Grüße an Gert Lindemann!) rend in manchen Landkreisen erheblicher Nährstoffüberschuss aus tierischer Erzeu- Meine Damen und Herren, leider hat er sich nach gung herrscht, fällt in anderen Regionen der Vorstellung des Berichts nicht die Zeit für eine kaum organischer Dünger an, im Gegenteil: lösungsorientierte Analyse oder gar für eine Dis- Hier sind Landwirte auf den Zukauf von Mi- kussion genommen. Er hat seine Mitarbeiter spre- neraldünger angewiesen, um den Nährstoff- chen lassen. Obwohl der Dialog angekündigt war, entzug durch die Pflanzen auszugleichen. endete dann der Auftritt des Ministers bei der Vor- Wir benötigen daher schnell unbürokratische stellung des Nährstoffberichts nach 20 Minuten, Lösungen, um die Nährstoffkreisläufe nie- und er entschwand - und das bei diesem politisch dersachsenweit gemeinsam mit den Land- so wichtigen Thema, wie auch Sie es eben ange- wirten zu schließen.“ merkt haben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU) Meine Damen und Herren, für Landwirte sind Wirt- Meine Damen und Herren, es wirft schon Fragen schaftsdünger und Gärreste wertvolle Güter, die in auf, warum die Regierungsfraktionen ausgerech- einer Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen net einen Tag vor der Bekanntgabe des Nährstoff- können. Wenn beispielsweise ein südniedersäch- berichts die Einführung eines Düngekatasters for- sischer Landwirt seinen Weizen nach Südolden- dern und dies dann mit veralteten Zahlen der Tier- burg in einen Schweine- oder Hühnermagen ex- seuchenkasse aus 2011 hinterlegen. portiert, dann gehört in einer Kreislaufwirtschaft die Rückführung der Nährstoffe als Wirtschaftsdünger Herr Janßen, ich habe mich eigentlich über Ihren zurück auf den Acker in das System. Beitrag sehr gefreut, weil er, so fand ich, näher an unseren Vorstellungen ist als das, was Sie aufge- (Beifall bei der CDU) schrieben haben. Was Sie aufgeschrieben haben, Genauso dürfte unbestritten sein, dass die einer war nämlich sehr bürokratisch und technokratisch. benachbarten Biogasanlage zugeführten Nährstof- Sie haben hier gesagt, Sie sind an einem unbüro- fe über die Gärresteausbringung wieder der An- kratischen Verfahren interessiert. Das entspricht baufläche zugeführt werden. Also auch insoweit zwar nicht dem, was Sie aufgeschrieben haben, stimmen wir überein. Wir müssen flächenbezogen aber es weckt in mir die Hoffnung, dass wir in vie- arbeiten. len Punkten vielleicht doch zusammenkommen. Das ist gängige Praxis, Herr Janßen, und das soll- Sie sagen, Sie wollen das Management und die te von allen Beteiligten, insbesondere von den Kontrolle über die Verbringung des Wirtschafts- betroffenen Landwirten, aber auch der Politik und düngers und der Gärreste neu regeln. Aber durch den Aufsichtsbehören gefördert und unterstützt das, was Sie und der Minister schreiben und auch werden. Ich sage Ihnen aus der Praxis: Es wird sagen, drängt sich bei den betroffenen Landwirten bereits heute dokumentiert. Wir haben mit der leider der Verdacht auf, dass Sie in Wahrheit gar Düngeverordnung und der niedersächsischen kein Nährstoffmanagement wollen. Man unterstellt, Meldeverordnung gute Instrumente. Nichts spricht dass Sie über zusätzliche bürokratische Hürden dagegen, sie weiterzuentwickeln. Da sind wir Druck auf die tierhaltenden Betriebe ausüben und d’accord. auf diesem Weg Tierbestände reduzieren wollen. Ich habe eben Ihren Ausführungen entnehmen Sie sollten sich einmal die Aufzeichnungen der können, dass das nicht so ist. Ich hoffe, dass das Landwirte anschauen. Gehen Sie einmal zu Herrn stimmt. Noch mehr Kontrolle und Repression ist Grupe! - Zu mir müssen Sie jetzt nicht kommen; das, was draußen empfunden wird. aber Herr Grupe zeigt Ihnen das vielleicht. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU In Ihrem Antrag bleiben Sie leider praktikable Lö- und bei der FDP) sungen schuldig. Dabei gibt es einen einfachen Weg auf der vorhandenen Datenbasis, wie z. B. Die Instrumente, die vorliegen, können Sie ver- die Pressemitteilung des agrarpolitischen Spre- schärfen und anpassen. Auch da sind wir gar nicht

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auseinander. Zu glauben, dass man hinsichtlich Präsident Bernd Busemann: derjenigen, die sich nicht an die Regeln halten, Herr Kollege! durch ein weiteres Instrument wie ein flächen- scharfes Düngekataster Lücken schließen könnte, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU): ist allerdings falsch und zu kurz gesprungen. Wer Herr Präsident, ich komme zum Ende. betrügen will, kann es auch mit Datenfriedhöfen wie einem Dünge- oder Güllekataster. Dann macht Präsident Bernd Busemann: man eben einmal mehr falsche Angaben. Hier können nur Kontrollen und Sanktionen helfen. Das Ja, bitte! ist richtig. Kontrollen müssen durchgeführt werden. (Heiterkeit) Sie werden aber auch schon durchgeführt. Auch da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU): Meine Damen und Herren, jeder Landwirt wird Wenn Sie lediglich das Düngekataster dazu nutzen Ihnen zugestehen, dass zuvorderst das Trinkwas- wollen, die Tierbestände durch Auflagen herunter- ser geschützt werden muss. Aber das schaffen Sie zufahren, werden Sie wieder nur die besonderes nicht allein mit den in Ihrem Antrag genannten cleveren, die großen, die finanzstarken, vielleicht Auflagen und Überwachungen und Nachweisen auch die betrügerischen Landwirte stärken, Sie und Verträgen und Meldepflichten und Meldefris- werden zu einem weiteren Sterben kleiner Betriebe ten und Verordnungen und Evaluierungen und und zu einem schnelleren Strukturwandel beitra- Harmonisierungen verschiedener Verordnungen gen. Wir bieten Ihnen die Hand zu einem gemein- und Kontrollen von Vorgaben und Sanktionierun- samen Handeln, auch mit schärferen Auflagen, gen von Verstößen. aber ohne zusätzliche bürokratische Belastung der Bauern. Wir werden einen eigenen Antrag schrei- (Beifall bei der CDU) ben. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: So Herzlichen Dank. laufen dem Minister die Bauern weg. Viele Land- wirte benötigen Unterstützung für die Organisation (Beifall bei der CDU und bei der FDP) von Transport und Handel mit Wirtschaftsdünger. Das müssen wir berücksichtigen. Dafür müssen wir Präsident Bernd Busemann: Lösungen schaffen. Vielen Dank, Herr Kollege Deneke-Jöhrens. Auf so viel Großmut des Präsidiums wie heute bei Ihrem (Glocke des Präsidenten) langen Ende können Sie nicht immer setzen. Unterstützen Sie z. B. mit uns die Gülleverbrin- Meine Damen und Herren, als Nächste hat sich für gungsgenossenschaften! Es sind gerade die klei- die Fraktion der SPD die Frau Kollegin Geuter nen bäuerlichen Betriebe, die Sie ja ausdrücklich gemeldet. Frau Geuter, Sie haben das Wort. erhalten wollen, die hier auf Hilfe angewiesen sind. Wir als Politik müssen dafür werben, die Nährstoff- Renate Geuter (SPD): problematik in den viehstarken Regionen zu lösen. Das gelingt nicht, wenn wir Nährstoffe verteufeln Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die und brandmarken. Sie sind nicht generell schlecht, Grundwasservorkommen in Niedersachsen dienen sondern haben im Gegenteil in der Kreislaufwirt- nicht nur der Versorgung der Bevölkerung, sie schaft einen hohen Wert. haben vielfältige ökologische Funktionen im Was- serkreislauf. Unverzichtbar ist daher der besondere (Glocke des Präsidenten) Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen. Meine Damen und Herren, wir brauchen Akzep- Das gibt uns auch die Europäische Wasserrah- tanz für Wirtschaftsdünger in Ackerbauregionen. menrichtlinie vor. Eine wesentliche Voraussetzung Dazu muss der Wert der Wirtschaftsdünger in ei- für diesen Grundwasserschutz ist gerade im Agrar- ner nachhaltigen Kreislaufwirtschaft herausgear- land Niedersachsen die umweltgerechte Verwer- beitet werden. tung von organischen Nährstoffträgern wie Gülle, Gärreste und Mist. (Glocke des Präsidenten) Der jetzt vorliegende Nährstoffbericht 2012/2013 Diese Akzeptanz von Wirtschaftsdüngern muss enthält umfangreiches Datenmaterial, das uns durch eine Düngeberatung analog zur Wasser- erste Schlussfolgerungen über die in Verkehr ge- schutzgebietsberatung gefördert werden. brachten Mengen von Gülle, Wirtschaftsdünger

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und Gärresten in Niedersachsen ermöglicht. Dem kommen. Das ist leider im Moment noch nicht der ehemaligen Landwirtschaftsminister Lindemann Fall. gebührt in diesem Fall das Verdienst, dass er sich Wir haben auch zu überprüfen, ob die Abgabever- nicht auf die Störmanöver seiner eigenen Partei- träge tatsächlich erfüllt worden sind. Auch dort freunde eingelassen, bestehen noch Defizite in der ordnungsrechtlichen (Beifall bei der SPD und bei den Überprüfung. Ebenfalls ist der qualifizierte Flä- GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU) chennachweis in regelmäßigen Abständen zu ak- tualisieren. Auch dabei müssen wir noch nachbes- sondern die Landesverordnung für Wirtschafts- sern, und auch dies enthält unser Antrag, weil wir dünger auf den Weg gebracht hat. Allerdings zei- der Meinung sind, wir sollten vernünftige Grundla- gen uns die jetzt vorliegenden Daten nicht den gen schaffen. tatsächlichen gesamten Nährstoffanfall an, son- (Beifall bei der SPD und bei den dern lediglich die Mengen, die nicht im eigenen GRÜNEN) Betrieb verarbeitet werden konnten, sondern ver- bracht werden müssen, und zwar oberhalb einer Auch die Frage der Lagerkapazitäten ist in diesem Bagatellgrenze von 200 t Frischmasse je Betrieb. Verwertungskonzept neu zu bewerten. Insbeson- Um einen flächendeckenden Nährstoffsaldo ermit- dere auch bei den Gärresten, die ja einen sehr teln zu können, fehlt es auch noch an einer Melde- hohen Anteil an den verbrachten Nährstoffen ha- pflicht für die Bioabfallstoffe. Es bedarf also, wie in ben, ist, wie es auch die Wasserverbände und der unserem Antrag dargelegt, tatsächlich noch weite- NLWKN schon seit Langem fordern - die bisherige rer Prüfungen, inwieweit die bisherigen Daten- Landesregierung war aber leider nicht in der Lage, grundlagen sinnvoll ergänzt und verbessert wer- dies umzusetzen -, die Lagerkapazität deutlich zu den können. erhöhen, damit die Nährstoffe bedarfs- und auch pflanzengerecht ausgebracht werden können. Über die Meldeverordnung wird auch nur die Ist- Wir sind dem niedersächsischen Landwirtschafts- situation der in Verkehr gebrachten Mengen er- minister sehr dankbar dafür, dass er mit seinem fasst. Zur Beurteilung der dauerhaft ordnungsge- Herbstdüngungserlass die Vorgaben für die mäßen Verwendung sind daher im konkreten Ein- Herbstdüngung mit organischem Dünger deutlich zelfall die im baurechtlichen Genehmigungsverfah- konkretisiert hat. Das ist für uns ein wichtiger und ren nach der NBauO ermittelten Sollwerte für die in richtiger Schritt auf dem Weg, den wir gehen müs- Verkehr gebrachte Menge daneben zu stellen. sen. Insoweit brauchen wir Schnittstellen für die Zu- sammenarbeit von Genehmigungsbehörden und Wir stellen fest, dass in einigen Landkreisen trotz der Landwirtschaftskammer als Düngebehörde. der Verbringung in andere Landkreise oder Bun- Dazu gibt es gute Vorschläge sowohl von den desländer - so zeigt es uns der Nährstoffbericht - kommunalen Spitzenverbänden als auch von der die ordnungsrechtliche Obergrenze für Stickstoff Landwirtschaftskammer und den Wasserverbän- von 170 kg je Hektar deutlich überschritten wird. den. Zu klären ist noch die datenschutzrechtliche Gerade in diesen Regionen stellen wir fest, dass Problematik. Aber ich bin sehr optimistisch, dass sich - entgegen den Vorgaben der Wasserrahmen- uns das gelingen wird. richtlinie - die Werte im oberflächennahen Trink- wasser deutlich verschlechtert haben. Dies zeigt Die Einbeziehung der Baugenehmigungsbehörden uns sehr deutlich, dass wir noch großen Hand- ist nach meinen Vorstellungen auch wichtig, um lungsbedarf im Hinblick auf weitere Maßnahmen diejenigen, die sich nicht an die geltenden Vor- haben. schriften halten, eher und besser identifizieren zu Die Düngeverordnung, die ein wichtiges Rechtsin- können und damit diejenigen, die sich ordnungs- strument für die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie gemäß verhalten, zu schützen. Dazu brauchen wir, ist, wird im Jahre 2014 angepasst werden müssen, wie in unserem Antrag beschrieben, verbindliche weil die EU-Kommission die bisherigen Vorschläge Standards für einen qualifizierten Flächennach- der Bundesregierung abgelehnt hat. Wir wollen weis. Das ist der Nachweis der Verwertung der uns da intensiv mit einbringen. Nährstoffe, der auch konkrete Mindeststandards für die Anerkennung von Pachtflächen enthalten Die Verbringung - so ist gesagt worden - ist zwar muss, damit wir in Niedersachsen zu einem ein- ein wichtiges Instrumentarium. Ich sage hier und heitlichen Vorgehen der Genehmigungsbehörden heute aber auch sehr deutlich: Es gibt auch öko-

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nomische und ökologische Grenzen für das, was Die Landwirte stehen heute am Pranger. Dagegen verbracht werden kann. wehren wir uns. Die Politik sollte zu ihrer Verant- wortung stehen. Uns alle eint - davon gehe ich aus - die Sorge, dass die Nitratfrachten, die heute in den Boden (Beifall bei der FDP und bei der CDU) eindringen, in einigen Jahrzehnten die tieferen Nun gab es in der letzten Wahlperiode einen auf- Grundwasserschichten erreichen. Daher müssen strebenden agrarpolitischen Sprecher der Fraktion wir die Erkenntnisse, die uns dieser erste Nähr- der Grünen. stoffbericht bringt, jetzt in konkretes Handeln um- setzen mit der Zielsetzung, auch künftigen Genera- (Frank Oesterhelweg [CDU]: Wer war tionen in ausreichendem Umfang unbelastetes das denn?) Trinkwasser zur Verfügung stellen zu können. In Er hat in diesem Hohen Hause - ich konnte es diesem Sinne wünsche ich mir sehr konstruktive kaum glauben; wir haben die hohe Ehre, einen der Beratungen im Ausschuss. beiden Betroffenen in unseren Reihen zu haben - Danke schön. zwei Schutzpatrone der Güllebarone in diesem Hause ausgemacht. Meine Damen und Herren, (Beifall bei der SPD und bei den was für eine fulminante Wortschöpfung! Da kann GRÜNEN) man wirklich neidisch werden. Er meinte den Landwirtschaftsminister und den Umweltminister. Präsident Bernd Busemann: Heute lesen wir in der Neuen Osnabrücker Zei- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Geuter. - Jetzt hat tung: Gülle-Brandbrief an Minister Meyer. - Wie sich für die Fraktion der FDP der Abgeordnete kommt das denn nun? - Herr Minister, Sie hatten Hermann Grupe gemeldet. Bitte sehr, Herr Grupe, weit mehr als ein halbes Jahr Zeit, um die Dinge in Sie haben das Wort. Ordnung zu bringen, die Sie damals so wortgewal- tig beklagt haben, und nun das. Hermann Grupe (FDP): Der Landkreistag und die Landwirtschaftskammer Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meines weisen darauf hin, dass sie bereits im März einen Erachtens haben wir es bei diesem Thema mit Erlassentwurf auf den Tisch gelegt haben; denn in dem wirklich wichtigsten Problem zu tun, das wir in der Tat liegen die Daten weitestgehend vor. Es Niedersachsen agrarpolitisch zu lösen haben. Da geht darum, sie besser nutzbar und greifbar zu sind wir uns sicherlich alle einig. Dieses Thema machen. Dazu haben die Experten vom Landkreis- beschäftigt das Hohe Haus nicht zum ersten Mal. tag und von der Landwirtschaftskammer vorgear- Es ist auch bereits vieles auf einen guten Weg beitet. Doch bisher sei nichts geschehen, so wer- gebracht worden. Der Kollege Deneke-Jöhrens hat den beide Institutionen wörtlich zitiert. darauf hingewiesen. Auch Frau Abgeordnete Geu- ter hat völlig zu Recht den ehemaligen Landwirt- Was einem schon Angst machen kann, ist der schaftsminister Gert Lindemann gelobt. heute zur Diskussion stehende Antrag. Ich hatte gedacht, Sie arbeiten seit einem halben Jahr an Wir haben es einfach mit dem Phänomen zu tun, dem Thema. Wir wundern uns, dass nichts kommt. dass es, historisch bedingt, auf den leichten Erst heute werden Sie von Ihrer eigenen Fraktion Ackerböden im Norden eine verstärkte Viehhaltung aufgefordert, dieses Thema in Angriff zu nehmen. gibt, weil man damals mit dem Ackerbau nicht Ich hoffe, dass das nur ein Showantrag ist und genug Geld verdienen konnte. Das hat dazu ge- nicht wirklich bedeutet, dass Sie noch gar nicht führt, dass gerade auf den Böden, auf denen die angefangen haben. organische Düngung am problematischsten ist, die größte Viehdichte vorhanden ist. Wir müssen quer (Beifall bei der FDP und bei der CDU - durch alle politischen Lager offen eingestehen, Unruhe - Zurufe) dass das Problem politisch verschärft wurde, so u. a. durch das EEG im Jahre 2009, als man die Präsident Bernd Busemann: gülleproduzierenden Betriebe noch eng mit Bio- Ich bitte um Ruhe, liebe Kolleginnen und Kollegen. gasanlagen verknüpft hat. Hermann Grupe (FDP): (Zustimmung bei der FDP und bei der Herr Präsident, ich hoffe, das geht nicht zulasten CDU) meiner Redezeit. - Die Landkreise Cloppenburg,

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Vechta, Emsland und Osnabrück wehren sich da- der Landkreise Vechta und Cloppenburg, denen gegen, dass Gülletransporte in die Region Weser- ich besonders nahe stehe, immer sehr ernst neh- Ems stattfinden. Das hieße wirklich, Eulen nach men sollten. Aber im Hinblick auf das von diesen Athen zu tragen. Diese Frachten müssen nämlich Landkreisen geforderte Verbot der Gülleimporte in die Räume in Südniedersachsen gebracht wer- aus den Niederlanden möchte ich darauf hinwei- den, wo sie dringendst gebraucht werden und ver- sen - das wissen auch Sie, glaube ich -, dass wir wertet werden können. Da müssen sie also aufge- diese Importe aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben nommen werden. Dagegen aber gibt es berechtig- gar nicht verbieten dürfen. Von daher sollten wir te Bedenken in der Bevölkerung, Herr Minister. Ich ehrlich miteinander umgehen und Forderungen, kann Sie nur auffordern: Schüren Sie nicht weiter die sich rechtlich nicht durchsetzen lassen, hier diese Ängste, sondern stellen Sie sich an die Spit- nicht auch noch vertreten. ze derer, die sagen, organische Düngung ist etwas Gutes. - Sie wollen doch den Biolandbau nach Danke schön. vorne bringen. Da darf man doch nur organisch (Beifall bei der SPD und bei den düngen. Die mineralische Düngung ist verboten. GRÜNEN) (Zuruf von der CDU: Eigentlich!) Warum wird dann die organische Düngung im Präsident Bernd Busemann: konventionellen Landbau im Süden Niedersach- Danke schön, Frau Geuter. - Herr Kollege Grupe, sens in Verruf gebracht? - So kriegen wir das wollen Sie erwidern? - 90 Sekunden. Bitte sehr! Problem nie gelöst. (Zuruf von den GRÜNEN: Was denn Hermann Grupe (FDP): nun?) Frau Kollegin Geuter, natürlich wollen wir nichts Jetzt kommen Sie mit einem Gülle- und Düngeka- verbieten, was man rechtlich nicht umsetzen kann. taster um die Ecke. Zu befürchten ist - das wurde Wenn es Importe von organischen Düngemitteln hier schon ausgeführt -, dass wir einen neuen Da- aus den Niederlanden gibt, dann unterliegen diese tenfriedhof oder ein neues Datenmonster bekom- auch heute schon strengster Überwachung. Sie men. Die Fakten liegen auf dem Tisch. müssen gemeldet werden. Das ist vollkommen richtig. Es muss nachgewiesen werden, dass sie Präsident Bernd Busemann: auf Flächen ausgebracht werden, auf denen diese Düngung auch zulässig ist. Insofern kommt ein Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Ich Transport in Gebiete, in denen wir schon viel zu habe Ihnen schon einen Aufschlag gegeben. viel organischen Dünger haben, überhaupt nicht infrage. Das ist auch durch heutige Rechtssetzung Hermann Grupe (FDP): und Kontrollen gewährleistet. Dass diese Land- Herr Präsident, mein letzter Satz. - Deswegen: kreise noch einmal extra darauf hinweisen, ist ver- Handeln Sie! Nehmen Sie die Vorschläge der Ex- ständlich. Aber wir müssen für uns dafür sorgen, perten vom Landkreistag und von der Landwirt- dass wir das tun, was in unserer Hand liegt, näm- schaftskammer auf. Setzen Sie sie um; dann lich die Nährstoffüberfrachten aus diesen Gebieten kommen wir nach vorne. in die Gebiete bringen, in denen dieser Dünger gebraucht werden kann. Daran müssen wir arbei- Danke schön. ten. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Danke schön. Präsident Bernd Busemann: (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Danke schön, Herr Kollege Grupe. - Es liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. Frau Präsident Bernd Busemann: Geuter, Sie haben das Wort. Danke schön, Herr Grupe. - Meine Damen und Renate Geuter (SPD): Herren, es liegt von den Abgeordneten keine Wortmeldung mehr vor. Aber die Landesregierung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr möchte Stellung nehmen. Herr Minister Meyer, Sie Grupe, ich teile Ihre Auffassung, dass wir die sinn- haben das Wort. vollen Vorschläge der Landkreise, und zwar auch

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Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Nährstoffbericht liest, sieht man, dass die Importe wirtschaft und Verbraucherschutz: aus den Niederlanden nur sehr kleine Mengen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die umfassen, um die 100 000 t. Wir haben vielmehr Debatte zeigt: Der Entschließungsantrag der Frak- ein niedersächsisches Problem. Das sind unser tionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geht Dünger, unser Kot und unsere Gärreste, die wir in genau in die richtige Richtung; denn wir haben in den Griff kriegen müssen. Niedersachsen unbestritten ein Problem mit unse- Es stimmt: Mit der Meldeverordnung von Herrn rem Grundwasser. Nach einem lange währenden Lindemann haben wir dafür eine Basis, aber sie positiven Trend der Abnahme von Nitratwerten im reicht eben nicht aus. Alle Betriebe, die mehr als Grundwasser stagniert dieser Wert, oder der Trend 200 t Wirtschaftsdünger verbringen, müssen das kehrt sich an einigen Stellen wieder um. Es gibt in der Landwirtschaftskammer melden. Die Bagatell- einigen Regionen Niedersachsens wieder steigen- grenze stammt aus der Bundes-Verbringungsver- de Nitratwerte. Unter diesen Voraussetzungen ordnung und ist auf Landesebene zunächst nicht können wir die Ziele der EU-Wasserrahmenricht- veränderbar. Aber wir setzen uns als Landesregie- linie zumindest mittelfristig nicht erreichen. rung auf Bundesebene für eine Absenkung der Als eine der Ursachen ist vor allem eine unsach- Bagatellgrenze ein; denn 200 t Wirtschaftsdünger gemäße Düngung mit organischen Düngemitteln entsprechen ungefähr 27 000 Masthähnchen. Das anzusehen. Deshalb halten wir als Landesregie- ist keine kleine Menge. rung dieses Düngekataster für unabdingbar und Wie wichtig die Erfassung von verbrachten Wirt- halten die in dem Antrag beschriebenen Ziele für schaftsdüngermengen ist, zeigt der Nährstoffbe- richtig. Ich könnte Ihnen jetzt viele Pressemittei- richt, den wir auch auf Wunsch der Landkreise im lungen von CDU und FDP aus den letzten Mona- Internet veröffentlicht haben. Nach dem Nährstoff- ten vorlesen, in denen es heißt: Das braucht man bericht sind Rückschlüsse auf den realen Wirt- alles nicht. Ein Düngekataster ist ein bürokrati- schaftsdüngeranfall aber nicht möglich, weil nur sches Monstrum. Das ist unnötig. Mengen gemeldet werden müssen, die den Betrieb Und jetzt haben wir - das hat Herr Kollege Grupe verlassen. Wirtschaftsdünger, die im eigenen Be- erwähnt - einen Brief der Landkreise Osnabrück, trieb oder in der Biogasanlage verwertet werden Vechta, Cloppenburg, Emsland und Grafschaft oder unter der Bagatellgrenze liegen, unterliegen Bentheim bekommen. Die Landräte - ich glaube, nicht der Meldepflicht. Daher hat die Landwirt- sie stehen alle der CDU nahe - sagen: Was die schaftskammer u. a. auf die Daten der Tierseu- Vorgängerregierung gemacht hat, reicht nicht. Wir chenkasse zurückgegriffen, um anfallende Nähr- kriegen das Problem nicht in den Griff. Bitte Lan- stoffmengen zu berechnen. desregierung, verschärf die Maßnahmen, führ ein Wir planen jetzt genau das, was als Vorschlag von Düngekataster ein. Wir brauchen einen flächenbe- den Landkreisen, von der Landwirtschaftskammer zogenen Abgleich der Daten zwischen Baubehör- auf dem Tisch liegt, nämlich Instrumente der Kon- de, Kammer und Verbringungszahlen. - Das ist trolle der ordnungsgemäßen organischen Düngung genau das, was wir wollen. Von daher sollten Sie in Form eines Düngekatasters zu etablieren. Dazu überlegen, ob Ihre monatelange Agitation, dass ist ein Soll/Ist-Abgleich der anfallenden und der zu das alles unnötig sei und dass man Bürokratie verbringenden Wirtschaftsdüngermengen nötig. nicht brauche, angesichts der Forderungen der Dazu sollen die Standards für den Qualifizierten Landkreise nicht überzogen ist. Flächennachweis angepasst werden. Dieser Flä- ( [GRÜNE]: Genau! - chennachweis ist in Zukunft in den Betrieben re- Beifall bei den GRÜNEN und bei der gelmäßig zu aktualisieren und zu kontrollieren. Nur SPD) dann ist ein wirksamer Abgleich zwischen Nähr- stoffanfall, Nährstoffverwertung und Nährstoff- Herr Grupe, übrigens eine kleine Anmerkung: Der verbringung flächenbezogen je Betrieb möglich. Brief, den ich am Ende bekommen habe, hat nicht mehr die Forderung enthalten, dass wir die Importe Die ordnungsgemäße Verwertung der Nährstoffe aus den Niederlanden stoppen sollen. Vielleicht auf den selbst zu bewirtschaftenden Flächen, auf haben Sie eine Vorversion gekannt, in der das Flächen von anderen Betrieben oder über die so- gefordert worden ist. Aber am Ende stand es nicht genannten Güllebörsen - die Händler - wird so mehr drin, weil es eben - wie Frau Geuter erklärt nachvollziehbar. Die Landwirtschaftskammer hat - EU-rechtlich nicht möglich ist. Wenn man den kommt im Rahmen einer zentralen Düngedaten-

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bank in die Lage, zu überprüfen, ob Flächen für Präsident Bernd Busemann: den Qualifizierten Flächennachweis auch wirklich Danke, Herr Minister Meyer. - Meine Damen und nur einmal als Nachweisfläche angegeben worden Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. sind und nicht mehrfach. Außerdem wird festge- stellt, welche Mengen organischer Nährstoffträger Damit schließe ich die Beratung zu diesem Tages- an Dritte abgegeben werden müssen. Dann ist es ordnungspunkt 27. möglich, auf Unstimmigkeiten aufmerksam zu wer- Es steht die Ausschussüberweisung an. den und zielgerichtet dort zu kontrollieren, wo die Probleme liegen. Diese Maßnahmen werden wir Hierfür ist der Ausschuss für Ernährung, Landwirt- 2014 umsetzen. schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vorgesehen. Wenn Sie so verfahren wollen, bitte Ich freue mich über den großen Zuspruch des ich um Ihr Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthal- Parlaments. Ich habe von allen Fraktionen gehört, tungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. dass das, was dort auf dem Tisch liegt und von Meine Damen und Herren, wir kehren jetzt sozu- den Landkreisen gefordert wird, dieses unbürokra- sagen in die alte Reihenfolge der Tagesordnung tische Düngekataster zu machen, auf ihre Zustim- zurück. Vereinbarungsgemäß rufe ich zusammen mung stößt. Sie sollten deshalb auch nicht immer auf die Landwirte mit irgendwelchen anderen Aspek- ten verunsichern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Tagesordnungspunkt 15: SPD) Erste Beratung: Klimaschutzziele verbindlich festschreiben - Parallel müssen wir die Meldeverordnung überar- ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen - beiten. Hier begrüßt die Landesregierung den Vor- Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion schlag im Antrag, die Meldepflicht auch auf auf- Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/829 nehmende Betriebe auszuweiten. Die Plausibili- tätsprüfung und Kontrollmöglichkeiten werden er- Tagesordnungspunkt 16: heblich verbessert. Die Landesregierung wird sich Erste Beratung: auf Bundesebene dafür aussprechen, dass die Für eine verantwortungsvolle und rationale Bundes-Verbringungsverordnung in Anlehnung an Klimaschutzpolitik - Antrag der Fraktion der FDP die Halbjahresmeldefristen der Landesverordnung - Drs. 17/821 überarbeitet wird. Auch auf Bundesebene - das ist angesprochen worden; es droht eine Verschärfung Eingebracht wird der Antrag der Fraktion der SPD auch durch den Bericht der EU - setzen wir uns für und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Kol- eine Meldepflicht für betriebliche Nährstoffverglei- legen Bajus, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte che, schärfere Sanktionen bei Überschreitung der sehr, Herr Bajus, Sie haben das Wort. maximalen Nährstoffsalden und vor allem für die Einbeziehung von allen organischen und orga- Volker Bajus (GRÜNE): nisch-mineralischen Düngemitteln in die 170-Kilo- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! N-Grenze ein. Vor gut vier Wochen hat der UN-Klimarat den ers- ten Teil seines neuen Berichts zum Weltklima vor- Meine Damen und Herren, nur so können wir für gelegt. Die Ergebnisse - dies war zu befürchten - die Zukunft gewährleisten, dass die Nitratwerte sind weiterhin alarmierend. Daran, dass der Kli- den rechtlichen Anforderungen genügen und wir mawandel menschengemacht ist, gibt es keine unser Grundwasser - ein wichtiges Lebenselixier - Zweifel mehr. Dennoch hat der Bericht offensicht- in Niedersachsen besser schützen können. Des- lich für Verunsicherung gesorgt. halb freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss und hoffe, dass das gemeinsame Ziel, diese gro- Zwar haben die 800 Wissenschaftler grundsätzlich ßen Düngemengen ordnungsgemäß in den Griff zu den Erwärmungstrend bestätigt, aber zugleich ihre kriegen, von allen Fraktionen des Hauses geteilt Prognosen angepasst. So steigt die Lufttemperatur wird. an der Erdoberfläche weiter, aber langsamer als erwartet. Die Gründe sind noch unklar. (Beifall bei der SPD und bei den Diese Aussage haben nun einige zum Anlass ge- GRÜNEN) nommen, um den Klimawandel gleich grundsätz-

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lich infrage zu stellen. Andere sahen in der Aussa- Mein Eindruck ist, die Debatte um Klimaschutz und ge eine Entwarnung. Wieder andere - so auch in Energiewende wirkt oft furchtbar freud- und kraft- den Reihen der schwarz-gelben Opposition - inter- los. Natürlich, Niedersachsen und auch Deutsch- pretieren die Ergebnisse nun so um, dass man land allein werden den Klimawandel nicht stoppen. sich „mehr Zeit lassen könnte“ mit dem praktischen Und die Zusammenhänge sind in der Tat nicht Klimaschutz und erst noch mal alles überdenken einfach, sondern kompliziert. Aber wer, wenn nicht sollte. wir, sollte die Klimapolitik zum Erfolg führen? (Unruhe) Wir hier in Niedersachsen haben zwar keine Roh- stoffe und nur wenige fossile Brennstoffvorkom- Präsident Bernd Busemann: men. Aber wir zeichnen uns durch unsere vielen Herr Kollege, einen Moment, bitte! - Meine Damen hoch qualifizierten Menschen aus. Wir sind ein und Herren, ich darf darum bitten, dass wieder Hochtechnologieland. Wir betreiben Spitzenfor- Ruhe einkehrt. Das ist ein spannendes Thema. schung. Jeder Redner hat es verdient, dass Sie ihm ent- (Dr. Gero Hocker [FDP]: Erdgasvor- sprechend und gebührend zuhören. kommen! Haarsträubend, was Sie al- les nicht wissen!) Volker Bajus (GRÜNE): Wir sind führend bei den erneuerbaren Energien. Danke. Ja, wir sind die Nummer eins beim Ökostrom. Die FDP hat dazu gleich den entsprechenden An- In Niedersachsen arbeiten wir an neuen Speicher- trag vorgelegt, nach dem Tenor: „Ui ui ui, Wetter, technologien und neuen Mobilitätskonzepten. Hier Klima, Prognosen, ganz schön komplex! Und dann baut VW das Ein-Liter-Auto und ein Netz von erst mal der Klimawandel! Noch viel komplexer! Da Schwarmkraftwerken. Hier ist der Weltmarktführer muss man erst einmal besser - - - für Wärmepumpen genauso zu Hause wie die (Dr. Gero Hocker [FDP]: Nachdenken internationale Windkraft-Weltspitze. können!) Warum sollten wir beim Thema Klimaschutz ei- - - - … ähm, … ja, was eigentlich? … ähm, am gentlich verzagt sein? - In Niedersachsen entwi- besten erst mal gar nichts tun.“ - Nein, meine Da- ckeln wir die Technologien, mit denen Klimaschutz men und Herren, so geht das nicht! Dafür sind wir erfolgreich werden kann. Hier entsteht das Know- nicht gewählt worden. Wir wollen und wir müssen how, das auf den Märkten von morgen gefragt ist. uns dem Klimawandel stellen. (Beifall bei der SPD und bei den (Beifall bei den GRÜNEN und bei der GRÜNEN) SPD) Warum sollten wir jetzt die Hände in den Schoß Denn im IPCC-Bericht - auf den wir ja morgen legen? Damit sich unsere Industrie weniger Ge- noch bei den Mündlichen Anfragen zu sprechen danken über Energieeffizienz und Energiekosten- kommen - wird zugleich von einer sehr deutlichen senkung machen muss? Damit unsere Autoindust- Erhöhung der Prognosewerte für den Anstieg des rie weiterhin ineffiziente Verbrennungsmotoren Meeresspiegels gesprochen: auf bis zu 98 cm statt herstellen kann und die Trends von morgen ver- wie bisher auf bis zu 59 cm. - Von Entwarnung schläft? Damit die alten Monopol-EVUs dank ihrer also keine Rede! fossilen Kraftwerksdinosaurier noch länger garan- Wir sind bekanntermaßen Bewohner eines Land- tierte Renditen bekommen? Damit die Familie strichs, der wegen seiner Küstenlage besonders Quandt auch morgen noch die politische Land- gefährdet ist. Was wohl, Herr Dr. Hocker, würden schaft pflegt? - Nein, meine Damen und Herren! die Menschen an unseren Küsten dazu sagen, Dafür nicht! wenn wir jetzt Ihnen und der FDP folgen und erst (Beifall bei der SPD und bei den mal gar nichts machen würden? - Sie würden uns GRÜNEN) wegen Arbeitsverweigerung feuern und hätten Es gibt kein Bürgerrecht auf Klimaschmutzfinkerei! recht damit. So geht das doch nicht, meine Damen Die Freiheit, die Sie in der FDP anmahnen, ist und Herren! doch stets auch die Freiheit der nächsten Genera- (Beifall bei der SPD und bei den tion. GRÜNEN)

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(Dr. Gero Hocker [FDP]: Auch die der Unter Tagesordnungspunkt 16 wird ein Antrag der Andersdenkenden!) Fraktion der FDP behandelt. Zu dessen Einbrin- gung hat sich der Abgeordnete Dr. Hocker gemel- Das sehen auch die Bürgerinnen und Bürger so. det. Herr Hocker, Sie haben das Wort. Nach wie vor sind 85 % der Menschen in diesem Land für eine klimafreundliche Energieversorgung. Dr. Gero Hocker (FDP): Und viele leisten bereits wichtige Beiträge zum Klimaschutz: Sie nutzen Car-Sharing-Angebote, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und haben ihre Häuser energetisch saniert oder bezie- Herren! Ich gebe zu, es fühlte sich in der letzten hen Ökostrom. Sie haben die Chancen des Klima- Sitzung des Umweltausschusses schon etwas schutzes längst erkannt. Fast jede zweite Kilowatt- komisch an, als mir sozusagen die geballte Empö- stunde Ökostrom stammt aus Bürgerhand, von rung und die gesamte Political Correctness der Bürgerinnen und Bürgern, von Landwirten oder Mehrheitsfraktionen in diesem Hause entgegenge- Energiegenossenschaften. Diese Menschen inves- schlagen sind. Dabei hatte ich lediglich die Frage tieren in die Zukunft und generieren zugleich regi- gestellt, ob man im Jahre 2014 wirklich 9 Millionen onale Wertschöpfung. Euro in den Klimaschutz investieren will oder ob man mit diesen Mitteln nicht besser diejenigen Bereits heute sind Klimaschutztechnologien hier Gelder, die im nächsten Jahr aus Berlin nicht mehr ein Jobmotor. Allein die Erneuerbare-Energien- für den Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt Branche beschäftigt 50 000 Menschen in Nieder- werden, ausgleichen sollte. Darauf habe ich eine sachsen. Das ist ausbaufähig, wenn wir nicht klare Antwort erhalten: Da geht Ihre Klimaschutz- nachlassen. politik vor. Die Politik ist gefordert - daher unser Antrag -, jetzt Deswegen sage ich es an dieser Stelle ganz deut- klare Orientierung zu geben. Dazu gehören Ziele, lich: Jawohl, ich zweifle daran! Ich zweifele daran, Maßnahmen und Zeitpläne. Dazu gehört ein ver- dass es richtig ist, dass man in diesem Hause bindlicher Rahmen wie das Klimaschutzgesetz und bestimmte Fragen nicht mehr stellen darf. Ich zwei- die dazugehörige Strategie. Wir brauchen aber fele auch daran, dass es richtig ist, dass man im auch auf Bundes- und Europaebene eine ambitio- Ausschuss oder in diesem Hohen Hause vielleicht nierte Klimapolitik. Daher bin ich froh, dass sich bestimmte Meinungen nicht mehr äußern sollte. unser Ministerpräsident Stephan Weil gemeinsam mit unserem Umweltminister Stefan Wenzel und (Zustimmung bei der CDU) vielen aus Energiewirtschaft, Forschung und Ver- Und ich zweifele daran, dass das, was Sie ma- bänden jüngst auf einen gemeinsamen Vorschlag chen, richtig ist, dass nämlich Klimapolitik sozusa- für die Energiewende 2.0. verständigt hat. Die gen absolut gestellt wird - über alle anderen Poli- neue Bundesregierung wird sich daran messen tikbereiche. Ich glaube, Sie ziehen die falschen lassen müssen, wieweit sie dieser weitsichtigen Schlüsse aus den Hochwasserereignissen des Maßgabe folgt. Jahres 2013. Wir müssen unsere Deiche ertüchti- Meine Damen und Herren, wir sollten uns in der gen und nicht 9 Millionen Euro für den Klimaschutz Debatte nicht einseitig auf Risiken, Unsicherheiten ausgeben. Ihr Plan für diese 9 Millionen Euro hilft und Kosten versteifen. Angst und Verzagtheit brin- keinem Menschen in Niedersachsen, meine sehr gen keine Zukunftsvision. Der Übergang in das verehrten Damen und Herren. postfossile Zeitalter der Klimapolitik - die Energie- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) wende - ist nichts für Hasenfüße. Den Mutigen erschließen sich dagegen neue Möglichkeiten, Weil Sie, Herr Kollege Bajus, eben den IPCC er- neue ökonomische wie soziale Chancen. Die soll- wähnt haben: Ganz ehrlich, ich glaube, er ist nun ten wir nutzen. Es wäre schön, wenn Sie dabei wirklich kein guter Ratgeber mehr. wären und sich nicht weiter drücken. (Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta Vielen Dank. übernimmt den Vorsitz) (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Die Menschen da draußen sind beim Thema Kli- den GRÜNEN) maschutz tatsächlich verunsichert. Dazu hat gera- de der IPCC einen fundamentalen Beitrag geleis- Präsident Bernd Busemann: tet. Danke schön, Herr Kollege Bajus. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Die Experten des IPCC haben noch vor sechs müssen Sie sich dieser Diskussion stellen, meine Jahren prognostiziert, dass wir davon ausgehen Damen und Herren. müssen, dass das Weltklima jedes Jahr durch- (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei schnittlich um 0,2° C steigt. Im Jahre 2013, also der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: nur sechs Jahre später, meine sehr verehrten Da- Diese Partei ist wirklich zu Recht aus men und Herren, müssen sie zurückrudern und dem Bundestag geflogen!) anerkennen, dass sich die globale Durchschnitts- temperatur in den letzten zehn Jahren tatsächlich Ich gebe Ihnen drei Beispiele. nur um 0,05° C verändert hat. Die haben sich um satte 75 % verhauen, sehr verehrter Herr Kollege Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Bajus! Herr Kollege Hocker, lassen Sie eine Frage des (Jürgen Krogmann [SPD]: Und jetzt ist Kollegen Henning zu? alles gut?) Dr. Gero Hocker (FDP): Und diejenigen wollen uns über Jahrzehnte Maß- Ich würde vorschlagen, wir tauschen uns dazu gaben oder Prophezeiungen machen, und wir sol- nachher aus. Ich habe noch einiges auszuführen. len deswegen politisch handeln, meine sehr ver- ehrten Damen und Herren? - Solch eine unsichere Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Faktenlage darf nicht tatsächlich Grundlage politi- schen Handelns sein, meine sehr verehrten Da- Danke. men und Herren. Dr. Gero Hocker (FDP): (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Ich gebe Ihnen drei Beispiele. Vor 1 000 Jahren Dass die Zweifel immer größer werden, sagen ja war Grönland eisfrei - zu einer Zeit, als es keinen nicht nur die Experten, sondern - wenn ich das nennenswerten, von Menschen gemachten CO2- zitieren darf, verehrte Frau Präsidentin - auch die Ausstoß gegeben hat. Im 19. Jahrhundert, in der Zeitschriften und Zeitungen. Die renommiertesten Hochzeit der Industrialisierung, als in Europa, als Zeitungen Deutschlands haben diese Diskussion in Deutschland Urwälder abgeholzt wurden und aufgenommen. Im März 2007 titelt die FAZ: „Ist der Holz verbrannt wurde und viel CO2 in die Atmo- Klimawandel nichts als Schwindel?“ Im Mai 2013 sphäre gelangt ist, gab es keinen nennenswerten legt der Spiegel nach: „Genügend Futter für eine Temperaturanstieg. Fortsetzung der ideologisch geprägten Debatte Heute, im Jahre 2013, haben wir mehr Meereis in ums Klima gibt es trotzdem - dem beschworenen der Antarktis als je zuvor. Und heute, im Jahre Konsens zum Trotz.“ Und ganz aktuell vor sechs 2013, wird in China so viel CO in die Luft gepustet Wochen Die Welt vom 20. September: „Forscher 2 wie nie zuvor. entziehen Klimaregulierern die Grundlage“ und fordern eine „Abkehr vom Alarmismus“. (Marcus Bosse [SPD]: Allerdings!) Meine Damen und Herren, das sind keine Käse- In den letzten 15 Jahren gibt es ebenfalls keinen blättchen, die irgendwelche wirren Behauptungen nennenswerten Temperaturanstieg. aufstellen müssen, damit sie ihre Auflage steigern. (Miriam Staudte [GRÜNE]: Haben Sie Das zeigt eines: Die Diskussion findet überall statt, das gemessen? - Jürgen Krogmann in der gesamten Gesellschaft - in der Presse, bei [SPD]: Meinen Sie das ernst? Stellen den Menschen vor Ort, bei den Experten. Und Sie Sie doch nicht den Klimawandel infra- wollen diese Diskussion aus diesem Parlament ge! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Man heraushalten und reagieren pikiert, wenn man im kann es nicht glauben, aber er meint Umweltausschuss die richtigen Fragen stellt. das ernst!) (Miriam Staudte [GRÜNE]: Klimaleug- Sie müssen sich diesen Fakten stellen, wenn Sie ner!) diese Diskussion führen wollen, meine Damen und Sie sind nicht die Gedankenpolizei Niedersach- Herren. sens. Sie sind auch nicht die Inquisition, die Jagd (Beifall bei der FDP und bei der CDU) auf Andersdenkende macht, sondern Sie müssen damit umgehen, dass es vielleicht auch noch an- Ich habe es selber in meiner wissenschaftlichen dere Meinungen in diesem Parlament gibt. Darum Ausbildung an der Uni immer wieder gehört und

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gelernt: Die Mutter der Wissenschaft ist die Skep- Ich möchte, dass diejenigen, die sich ihr Schnitzel sis. Ich glaube, dass auch Sie gut beraten wären, schmecken lassen, auch in Zukunft kein schlech- Herr Kollege Bajus, wenn Sie bei diesem Thema tes Gewissen haben müssen und dass sich auch ein bisschen mehr Skepsis an den Tag legen wür- diejenigen, die es sich nicht leisten können oder den. leisten wollen, ihr Haus so zu bauen, wie Sie sich das wünschen, nicht in die moralische Ecke ge- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) stellt fühlen müssen, sehr verehrter Herr Kollege Die Menschen da draußen merken ja eines: Das Bajus. Geld, das Sie ausgeben wollen, die 9 Millionen (Zustimmung bei der FDP und bei der Euro, die Sie in Niedersachsen in 2014 für den CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Die- Klimaschutz ausgeben wollen - im Bundeshaushalt se Rede schicken wir über unseren sind dafür übrigens 2 Milliarden Euro vorgesehen -, Verteiler! - Ronald Schminke [SPD]: fehlen an anderer Stelle. Die fehlen bei den Kin- Das wird ja noch schlimmer!) dertagesstätten, die fehlen bei den Hochschulen, bei den Universitäten, die fehlen beim Ausbau Wenn Sie sozusagen einen Politikbereich absolut unserer Straßen, die fehlen übrigens auch bei setzen, unter den sich alle anderen unterordnen einem Thema, das Sie scheinbar völlig aus den müssen, ist das für mich ein Ausdruck des moder- Augen verloren haben, nämlich beim Schuldenab- nen Absolutismus, den wir eigentlich in Deutsch- bau. Das müssen Sie den Menschen da draußen land schon seit Jahrhunderten überwunden haben übrigens auch erklären, dass diese Gelder an an- wollten. Ich werde es nicht akzeptieren, meine derer Stelle fehlen, meine Damen und Herren. Damen und Herren, dass diese Epoche in grünem Gewande wieder salonfähig wird. (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ronald Schminke [SPD]: Die schlim- Herzlichen Dank. men Folgen Ihrer Politik!) (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei Wenn Sie wirklich an den Klimawandel glauben - der CDU - Johanne Modder [SPD]: So ich nehme Ihnen das ab -, dann investieren Sie finden Sie Ihr Profil nicht wieder!) dieses Geld besser in den Hochwasserschutz, dann investieren Sie diese 9 Millionen Euro in un- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: sere Deiche. Damit haben Sie den Menschen in Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Es liegen Niedersachsen einen sehr viel größeren Dienst zwei Kurzinterventionen vor, zunächst von dem erwiesen, als wenn Sie es in Klimaschutzagentu- Kollegen Bosse, SPD-Fraktion. Bitte! ren investieren. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Marcus Bosse (SPD): Gleichzeitig sage ich Ihnen: Die Einschnitte in die Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! persönliche Freiheit, die Sie mit Ihrer Klimaschutz- Sehr geehrter Herr Kollege Hocker, bei dem, was politik vornehmen, rechtfertigen meines Erachtens Sie eben hier vom Stapel gelassen haben, ist mir nicht den von Ihnen erwarteten Erfolg. wirklich die Kinnlade heruntergefallen. Sie un- Sie möchten gerne den Menschen vorschreiben, terstellen hier tatsächlich, es gebe keinen Klima- wie sie in den Urlaub starten sollen - möglichst wandel, und Sie stellen damit den Klimawandel nicht mit dem Auto und nicht mit dem Flugzeug. infrage? - Das kann doch bitte schön nicht wahr Sie möchten den Menschen vorschreiben, wie sie sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! sich zu ernähren haben, (Beifall bei der SPD und bei den (Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Der GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Wahlkampf ist vorbei!) Ich habe gesagt, Sie müssen mehr Skepsis an den Tag legen!) Sie möchten den Menschen vorschreiben, wie sie sich zu kleiden haben. Sie möchten den Menschen Dann sagen Sie: Man braucht ja nur die Deiche vorschreiben, wie sie zu wohnen haben. höher zu bauen. - Aber das kann doch nicht das Ziel sein! Wir müssen doch bitte schön auch die Ich sage Ihnen: Ich möchte, dass Menschen, die Ursachen mit bekämpfen und nicht nur die Folgen, mit dem Flugzeug in den Urlaub starten, auch in meine sehr verehrten Damen und Herren! Zukunft kein schlechtes Gewissen haben müssen.

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(Beifall bei der SPD und bei den Sie haben auf Ihre wissenschaftliche Ausbildung GRÜNEN) verwiesen. Sie haben die Erkenntnisse in Zweifel gezogen und dazu einige Zeitschriften zitiert. Aus Sehr verehrter Herr Kollege Hocker, ich muss an wissenschaftlicher Sicht ist mir in dieser Hinsicht dieser Stelle einmal deutlich sagen: Das ist viel zu keine der Zeitungen bekannt. Es war der Spiegel kurz gedacht. darunter. Ich sage mal, das war alles allgemeine (Zuruf von der SPD: Richtig!) Tages- und Wochenpresse und nun nicht der wis- senschaftliche Diskurs. Sie sollten einmal in sich gehen. Ein Klimawandel kann mal schnell gehen, der kann mal wieder (Ingrid Klopp [CDU]: Keine Arroganz!) langsamer gehen, der kann aber auch wieder schneller gehen. - Das hat nichts mit Arroganz zu tun. (Dr. Gero Hocker [FDP]: Aber man Man muss einfach einmal feststellen: Wer hat die- kann doch nicht völlig daneben liegen! sen IPCC-Bericht geschrieben, und wer steht da- Man kann sich da doch nicht um 75 % hinter? - Dahinter steckt auch Ihre eigene Bundes- in sechs Jahren täuschen!) regierung. Denn noch ist auch die FDP dort ge- schäftsführend mit im Amt. Die Bundesregierung Darum meine ausdrückliche Bitte: Gehen Sie in finanziert diesen Bericht. Sie stellt Wissenschaftler sich! Lesen Sie Fachzeitschriften! Dann werden ab. Sie legitimiert ihn auch. Sie zu der Schlussfolgerung kommen: Wir müssen die Folgen bekämpfen - nicht nur für uns, sondern (Ulf Thiele [CDU]: Sie hat ihn aber vor allen Dingen auch für unsere Kinder und unse- nicht absolut gestellt!) re Kindeskinder. Die Bundesregierung hat den Bericht und seine Danke schön. Ergebnisse begrüßt. Die Aussagen, die ich hier wiedergegeben habe, waren O-Ton der Bundes- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei forschungsministerin und des Bundesumweltminis- den GRÜNEN) ters. Das ist Stand der Wissenschaft.

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Mit Prognosen - das gebe ich zu - ist es schwierig. Vielen Dank. - Zur nächsten Kurzintervention hat Das hat die FDP selber erst am Wahlabend erlebt. Herr Bajus das Wort. Bitte! Da hatte sie andere Prognosen, und sie ging damit baden. Das ist das Problem. Volker Bajus (GRÜNE): (Ingrid Klopp [CDU]: Auch noch nach- Herr Hocker, es ist wirklich dankbar, dass Sie hier treten!) die Rolle desjenigen übernehmen, auf den man jetzt einprügeln darf. Aber wir müssen uns doch ein bisschen auf Wahr- scheinlichkeiten verlassen. Die Aussage des (Dr. Gero Hocker [FDP]: Das kenne IPCC-Berichtes ist deutlich: Wir gehen mit über 95- ich schon!) prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Ich finde es völlig berechtigt. Ich finde, insofern tun das so kommt. Sie uns unrecht. Man darf hier jede Frage stellen, Wenn ich in einem Auto sitze und mit über 95-pro- und Sie bekommen auch auf jede Frage, glaube zentiger Wahrscheinlichkeit eine Wand vor mir ich, eine Antwort, so sie denn eine Antwort ver- habe, dann sagen ich doch auch nicht: Nein, ich dient hat. Ich finde, Ihre Fragen haben Antworten bremse erst einmal nicht, es sind doch nur 95 % verdient. Sie haben ja nach der Wissenschaftlich- Wahrscheinlichkeit. - Das, was Sie betreiben, ist keit der Erkenntnisse gefragt. doch Geisterfahrerei! (Dr. Gero Hocker [FDP]: Das drückt (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN eine gewisse Arroganz aus, Herr Ba- und bei der SPD) jus! Jede Frage hat eine Antwort ver- dient!) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: - Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Vielen Dank. - Herr Dr. Hocker möchte antworten. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Bitte!

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Dr. Gero Hocker (FDP): Wenn wir die auf europäischer Ebene zugesagten Herr Kollege Bajus, Herr Kollege Bosse, ich finde Ziele zur Treibhausgasreduzierung erfüllen wollen, es geradezu beängstigend, dass Sie so wenig dann müssen wir in Niedersachsen konkret han- Skepsis an den Tag legen, sondern die Berichte deln. Das ist nicht nur Bundessache. Deshalb sind einer Institution, die sich in den vergangenen Jah- wir der Auffassung, dass es allerhöchste Zeit ist, in ren fundamental getäuscht hat, als Maßstab für Ihr Niedersachsen eigene Klimaziele gesetzlich zu politisches Handeln betrachten. All denen, die definieren. Die müssen dann auch eingehalten schon einmal wissenschaftlich gearbeitet haben - werden. Das hätte eigentlich schon längst gesche- Herr Kollege Bajus, ich glaube, auch Sie gehören hen müssen. Seit Februar 2012 liegen konkrete dazu -, sollte doch eigentlich in der Universität Empfehlungen für eine niedersächsische Klima- vermittelt worden sein, dass Skepsis dasjenige schutzstrategie vor. Das hat Schwarz-Gelb in der Instrument ist, nach dem wir handeln sollen, nicht abgelaufenen Wahlperiode allerdings nicht ange- nur in der Wissenschaft, sondern gerade auch fasst. An dieser Stelle ist nichts passiert. wenn wir politische Entscheidungen treffen. (Beifall bei der SPD und bei den (Miriam Staudte [GRÜNE]: Das Vor- GRÜNEN) sorgeprinzip kennen Sie auch nicht!) Auf Bundesebene hat sich ebenfalls wenig bewegt. Ich bin enttäuscht darüber, dass es in Ihren Frakti- Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregie- onen niemanden gibt, der auch kritische Fragen rung da einiges mehr auf die Tagesordnung bringt. stellt. Das ist allerdings auch wahrscheinlich. Die blau- gelben Bremser sind ja jetzt nicht mehr dabei. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Beifall bei der SPD und bei den Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: GRÜNEN) Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion rufe ich nun Es hilft nicht, wenn immer wieder gesagt wird, dass Herrn Brammer auf. Bitte! der deutsche Anteil an der Klimabelastung im weltweiten Vergleich verschwindend gering sei und Axel Brammer (SPD): dass es sich deshalb nicht lohnen würde, hier et- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin- was auf den Weg zu bringen. Meine Damen und nen und Kollegen! Ein bisschen ist mir nach dem Herren, irgendjemand muss einmal anfangen. Redebeitrag eben die Luft weggeblieben, muss ich Deutschland kann sich z. B. mit seiner Energiepoli- ehrlich sagen. tik im internationalen Vergleich sehen lassen. Sie (Miriam Staudte [GRÜNE]: Uns auch! ist wirtschaftspolitisch ein Erfolg. Hier haben wir - Ingrid Klopp [CDU]: Sie sind wirklich eine Vorreiterfunktion - ein achtbares Verdienst rot- sehr kurzatmig!) grüner Politik bis zum Jahre 2005. Mit unserem Antrag wollen wir ein Klimaschutzge- (Beifall bei der SPD und bei den setz auf den Weg bringen, um die Zeit des Weg- GRÜNEN) schauens in Niedersachsen zu beenden. Der Wenn wir als starker Industriestaat vormachen, Weltklimarat warnt, dass der Klimawandel erheb- dass und wie es geht, wird es viele geben, die uns lich schneller kommen kann als bisher befürchtet. folgen. Dann werden sich auch die großen Indus- (Dr. Gero Hocker [FDP]: Könnte!) triestaaten auf Dauer nicht verweigern können und wollen. - Herr Dr. Hocker, zum Oktober 2010 sage ich gleich noch etwas. (Dr. Gero Hocker [FDP]: Ist das Ihr Ernst, Herr Brammer?) Wir reden u. a. über den Anstieg des Meeresspie- gels um ca. 80 cm in diesem Jahrhundert. Bester Sofortiges Handeln ist geboten, damit dieser Pro- Küstenschutz ist nicht, Herr Dr. Hocker, die Erhö- zess endlich in Gang kommt. hung der Deiche, sondern dem Klimawandel ent- (Beifall bei der SPD und bei den schieden mit entsprechenden Maßnahmen zu GRÜNEN) begegnen. Deutschland hat die Chance, mit einer Vorbildfunk- (Beifall bei der SPD und bei den tion im Klimaschutz auch wirtschaftlich voranzu- GRÜNEN) kommen, wenn die deutsche Wirtschaft diese Her-

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ausforderung annimmt. Sie ist auf dem besten bedeutet, haben wir am vergangenen Montag ge- Wege. Wir müssen Firmen, die innovativ mit dem sehen. Gemessen an dem, was uns erwartet, war Thema Ressourcenschonung umgehen, in Nieder- der Orkan Christian allerdings ein richtig laues sachsen ein Zuhause bieten. Wir wollen mit unse- Lüftchen. rem Klimaschutzgesetz dafür sorgen, dass wir in Deshalb ist Klimaschutz optimal zu leisten, egal Deutschland und damit weltweit ganz vorne ste- wie teuer. Für die SPD ist allerdings klar: Das hen, und die Chance auf einen Standortvorteil muss sozial verträglich sein. herausstellen. Zu Punkt 3 Ihres Antrages: Sie wollen doch nicht (Beifall bei der SPD) allen Ernstes die Schuldenbremse als Argument Meine Damen und Herren, der Antrag der FDP benutzen, den Klimaschutz nicht stattfinden zu zeigt, dass Sie genau an dieser Stelle wieder voll lassen! auf die Bremse treten wollen. Solch einen Antrag Die Punkte 4 bis 6 Ihres Antrags kann man mit kann man eigentlich nur am 1. April schreiben einem Satz beantworten. Artikel 2 des Grundge- (Beifall bei der SPD) setzes beginnt mit dem Satz: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, so- oder am Stammtisch nach ein paar Schluck Bier - weit er nicht die Rechte anderer verletzt“. Die oder noch besser: nach ein paar Schluck und Bier. „Rechte anderer“ können in diesem Fall aber auch Herr Dr. Hocker, das nennt sich dann Wirtschafts- die Rechte unserer Kinder und Enkelkinder sein. politik! (Dr. Gero Hocker [FDP]: Die die (Dr. Gero Hocker [FDP]: Da lachen Schulden zurückzahlen müssen!) nicht einmal Ihre eigenen Leute, ge- schweige denn die Hühner!) Es ist nicht das Recht einiger weniger Generatio- nen in unserer Menschheitsgeschichte, diesen Sie können doch nicht allen Ernstes infrage stel- Erdball auszuplündern und unseren Kindern eine len, dass in Sachen Klimaschutz schnellstens ge- Müllhalde zu hinterlassen. handelt werden muss. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Zu Ihrem Antrag: Mit unserem Antrag, ein Klima- den GRÜNEN) schutzgesetz auf den Weg zu bringen, erfüllen wir schon einmal den ersten Punkt Ihres Antrags: dem An uns ist es jetzt, das wieder aufzuräumen, was Landtag unsere klimaschutzpolitischen Ziele und seit Beginn der industriellen Revolution vor die Instrumente vorzulegen. Der Landtag bekommt Wand gefahren wurde. Je schneller wir damit be- einen Gesetzentwurf zur Verhandlung vorgelegt. ginnen, desto größer ist die Chance, dass die Menschheit aus dem Dilemma einigermaßen sau- Selbstverständlich müssen, wie unter Punkt 2 Ihres ber herauskommt. Die nachfolgenden Generatio- Antrages gefordert, die volkswirtschaftlichen Kos- nen werden uns das danken. Lassen Sie uns dafür ten definiert werden. Allerdings bedeutet das sorgen, dass diese nachfolgenden Generationen nicht - - - lebensfähig sind und saubere Luft atmen können, (Zurufe zwischen Dr. Stefan Birkner auch wenn unsere heutigen politischen Systeme [FDP] und Ulrich Watermann [SPD]) und Währungssysteme, sicherlich auch der DAX, dann vielleicht schon Geschichte sein werden. - Bin ich jetzt dran? Daran sieht man, wie unbedeutend die Schulden- (Dr. Gero Hocker [FDP]: Ich höre zu, bremse im Verhältnis zu dem Ziel ist, klimapolitisch aber Sie sagen ja nichts!) endlich für geordnete Verhältnisse zu sorgen. - Herr Dr. Birkner hält sich für wichtiger. (Beifall bei der SPD) Allerdings bedeutet das nicht, dass sich der Klima- Meine Damen und Herren, Deutschland bemüht schutz an der Höhe der Kosten ausrichten wird. sich, ein Endlager für Atommüll zu finden, in dem der Müll über 1 Million Jahre sicher gelagert wer- (Unruhe - Glocke der Präsidentin - Dr. den kann. Das macht aber nur Sinn, wenn wir ein Gero Hocker [FDP]: Nun lesen Sie wirkliches Interesse daran haben, dass die schon zu Ende!) Menschheit genauso lange besteht. Davon sind wir Ohne Klimaschutz kommen uns die Folgeschäden noch weit entfernt. Es gibt viel zu tun. Packen wir volkswirtschaftlich richtig teuer zu stehen. Was das es an!

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(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei und Kohle - Rolle rückwärts“. Das ist Ihre Politik den GRÜNEN) und nicht das, was Sie hier vorgelesen haben. Da wir gerade beim Thema sind: Schauen wir ein- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: mal in die Oktober-Ausgabe dieses Jahres der Vielen Dank, Herr Kollege Brammer. - Für die neue energie auf Seite 41: Auch im Juli 2013 - das CDU-Fraktion hat nun Herr Miesner das Wort. ist nicht der einzige Monat; Bitte! (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Axel Miesner (CDU): das lässt sich auch für April, Mai und Juni 2013 Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen feststellen - wurde im ganzen Bundesland Baden- und Herren! Das habe ich in meinem Leben zum Württemberg nicht eine einzige Windkraftanlage ersten Mal gehört, Herr Bajus, dass ein Grüner den gebaut und an das Netz angeschlossen. - Welche Spiegel kritisiert. Das muss man wirklich einmal zu Glanzleistung einer grün-roten Landesregierung! Protokoll geben und sich vergegenwärtigen, was (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sie gesagt haben. Das höre ich wirklich zum ers- Aber statt anzupacken, schreibt Rot-Grün lieber ten Mal. Anträge. Auf jeden Fall, meine sehr verehrten Damen und Kommen wir aber zurück zu Ihrem Antrag. Sie Herren, wollen SPD und Grüne die Welt retten. wollen in Niedersachsen mit neuen Agenturen, mit Das wollte Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen auch. immer mehr Gesetzen, mit immer mehr Vorschrif- SPD und Grüne rühmten sich in Nordrhein-West- ten und mit immer mehr Beschäftigten im öffentli- falen mit dem bundesweit ersten Klimaschutz- chen Dienst das Weltklima retten. Das ist reiner gesetz. Und jetzt? - SPD-Mann Garrelt Duin - vor Aktionismus. Passen Sie bloß auf, dass Sie sich ein paar Jahren noch Landesvorsitzender der SPD dabei nicht verheben! in Niedersachsen - (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Zurufe von der CDU: Was?) Und zum Thema, Herr Bosse: Sie sprachen eben verkündet nun im Interview mit der Wirtschaftswo- über Fachzeitschriften. In der aktuellen Ausgabe che, Ausgabe 21. Oktober - das ist noch gar nicht des WirtschaftsKurier - das ist wahrscheinlich für so lange her; hören Sie einmal ganz gut zu -: „Wir Sie keine Fachzeitschrift - können wir auf jeden dürfen nicht alles dem Klimaschutz unterordnen.“ Fall lesen: Seit 15 Jahren gibt es keine Erderwär- Stattdessen die 180-Grad-Kehrtwende: „Wir brau- mung mehr, obwohl die Staaten fleißig weiter CO2 chen statt mehr erneuerbarer Energien mehr Koh- produzieren. lekraftwerke.“ So der ehemalige SPD-Landesvor- sitzende in Niedersachsen. Wenn Ihnen vonseiten der SPD und der Grünen der Klimaschutz in Niedersachsen wirklich wichtig (Christian Dürr [FDP]: Donnerschlag!) ist, dann hören Sie endlich auf mit Kürzungen im Radwegebau an Landesstraßen und hören Sie auf Mein lieber Mann, was war das für eine Rede, Herr mit Kürzungen im kommunalen Radwegebau! Das Brammer? Wer hat Ihnen die denn aufgeschrie- haben wir gestern gerade hier beraten. Dann hö- ben? - Sie hätten mal lieber Herrn Duin fragen ren Sie auch auf mit Ihrer Blockade im Bundesrat, sollen. wenn es darum geht, die energetische Gebäude- Auch der jetzige Landesvorsitzende, Ministerpräsi- sanierung zu fördern! dent Stephan Weil, nimmt langsam, aber sicher Wer wirklich Klimaschutz will, der muss zu Hause Abschied von den Ausbauzielen seiner SPD. Er anfangen. Das heißt hier im Land Niedersachsen: sieht sich genötigt - so war zu lesen -, für seinen Fördern Sie das Radfahren und die Elektromobili- nordrhein-westfälischen Parteifreund in die Bre- tät! Beseitigen Sie die Staus auf unseren Straßen! sche zu springen. Das ist genau das, was Sie ge- Fördern Sie die Energieeffizienz! Fördern Sie die sagt haben, Herr Brammer: Auf die Bremse treten! energetische Gebäudesanierung und verhindern (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sie diese nicht! Fördern Sie den technischen Fort- schritt und behindern Sie diesen nicht! Dazu passt übrigens auch ganz aktuell der Kom- mentar in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Beifall bei der CDU) von heute auf der Seite 2, Herr Brammer: „SPD

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Und denken Sie daran: Deutschland ist im Klima- hatten, als es um die Laufzeitverlängerung ging. schutz schon lange Vorbild in der Welt. In einem Schauen Sie sich in den Protokollen an, was CDU Schaubild, auf dem die weltweit 15 größten Treib- und FDP seinerzeit erzählt haben! Nicht einmal ein haussünder aufgeführt sind - siehe Kreiszeitung halbes Jahr später kam Fukushima. Dann war die vom 26. November letzten Jahres -, kommt Debatte auf einmal andersherum. Deutschland und damit Niedersachsen im Pro- Kopf-Vergleich, Herr Bajus und Herr Brammer, (Christian Dürr [FDP]: Das ist doch ei- überhaupt nicht vor. ne andere Debatte!) Behindern Sie also nicht den technischen Fort- Sie reden zurzeit etwas weg, was uns schneller schritt! Denn nur der lässt sich in die Länder expor- ereilen kann, als wir glauben. Deshalb wird es Zeit, tieren, die kräftig zu tun haben, um überhaupt ihre dass wir jetzt endlich handeln. eigenen Klimaziele zu erreichen. Klimaschutz schaffen Sie nur mit mehr Technik und nicht mit (Beifall bei der SPD und bei den immer mehr Verboten, immer mehr Anträgen, im- GRÜNEN) mer mehr Agenturen und immer mehr Beschäftig- ten im öffentlichen Dienst. Kommen Sie endlich zur Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Sache und setzen Sie die Dinge um, die wir hier Herr Miesner möchte antworten. Bitte! auf den Weg gebracht haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Axel Miesner (CDU): Nichtsdestotrotz - das haben Sie mitbekommen - Herr Kollege Brammer, ich weiß nicht, was Sie mit ist Klimaschutz ein wichtiges Thema. Das zeigen Ihrem Wortbeitrag sagen wollten. Sie wollten ei- auch die Aktivitäten der vorherigen CDU-geführten gentlich ablenken und zum Ausdruck bringen, dass Landesregierung. Wir sollten uns dieses Themas Sie Herrn Duin nicht mehr kennen und nichts mehr im Ausschuss annehmen. Wir schlagen vor, hierzu mit ihm zu tun haben wollen. eine Anhörung mit namhaften Wissenschaftlern durchzuführen, die sich mit diesem Thema be- Fest steht jedenfalls, dass wir zusammen mit unse- schäftigen, damit wir auch unterschiedliche Mei- rer CDU-geführten Landesregierung und mit ge- nungen hören, um uns selbst ein Bild davon ma- sellschaftlichen Akteuren dieses Buch „Empfeh- chen zu können, wie wir in diesem Bereich weiter- lungen für eine niedersächsische Strategie zur An- kommen können. Das ist unser Vorschlag für die passung an die Folgen des Klimawandels“ erarbei- Beratung im Ausschuss. tet haben.

Vielen Dank. (Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Das ist ein gutes Werk mit namhaften Akteuren und gesellschaftlichen Gruppen, die sich dieses Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Themas angenommen haben. Vielen Dank, Herr Kollege Miesner. - Zu einer Kurzintervention hat sich nun Herr Kollege Bram- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) mer gemeldet. Bitte schön! 220 Seiten sind hier damals zu Zeiten der Regie- Axel Brammer (SPD): rung von CDU und FDP formuliert worden. Von daher ist der Punkt 3 Ihres Antrag schon lange Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Miesner, überholt, in dem Sie fordern, dass genau das erar- dann frage ich mich, wer Ihre Rede geschrieben beitet werden soll, Herr Brammer. Setzen Sie die hat. Ich habe meine selbst geschrieben. Sie sollten Dinge bitte fort! vielleicht nach Nordrhein-Westfalen aussiedeln und sollten sich dort mit Herrn Duin streiten. Aber (Beifall bei der CDU) mit mir müssen Sie sich doch nicht streiten. Ich habe zum Umwelt- und Klimaschutz klare Ziele. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Sie machen hier alles herunter und sagen: Das Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun kommt ja sowieso nicht, es ist alles nicht so Herr Umweltminister Wenzel das Wort. Bitte, Herr schlimm. - Ich möchte noch einmal daran erinnern, Minister! dass wir diese Debatte bereits im Oktober 2010

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Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und sehr großer Wahrscheinlichkeit einen Beleg gibt, Klimaschutz: dass die Effekte, die wir feststellen, von Menschen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- gemacht sind. ren! Wer diese Diskussion hier heute Morgen hört, Am Ende enthält der Bericht, in dem vier mögliche der bekommt das Gefühl, dass wir es hier mit einer Zukunftsszenarien aufgezeigt werden, zwei Kern- hochstrittigen Debatte zu tun haben und sich die botschaften. Die eine ist extremer als die, die wir unterschiedlichen Gruppierungen hier im Parla- bisher kannten. ment völlig uneinig sind. Das gilt, wenn man sich die Fakten ansieht und feststellt, wie sich die Ver- (Glocke der Präsidentin) treter der unterschiedlichen Parteien in Berlin ein- lassen, nur bedingt. Wenn man z. B. die Zusam- Die andere ist: Wenn wir uns zusammentun und menfassung des IPCC-Klimaberichts liest, dann uns europäisch bzw. global verständigen, dann stellt man fest, dass dieser von 830 Autoren erstellt können wir gemeinsam sogar noch das 2-Grad- worden ist, davon 40 Wissenschaftler aus Szenario erreichen. Deutschland. Er ist von 195 Regierungen Wort für Die Entscheidung liegt vor uns. Wir können uns so Wort gebilligt worden, darunter auch Ihre Bundes- oder so entscheiden. Aber die Diskussionen über regierung, in der auch noch immer Vertreter der einen angeblich verzögerten Anstieg der Erder- FDP-Regierung sind. Das ist mittlerweile weltweit wärmung sind vor diesem Hintergrund irreführend Stand von Wissenschaft und Technik. Das ist in und falsch. einem ganz breiten Kreis anerkannt, und für uns ist das eine Grundlage für unser weiteres Handeln. (Dr. Gero Hocker [FDP]: Das haben Sie doch selber gesagt, Herr Minister! Herr Hocker, der Landtag ist ja ein Haus der freien Das denke ich mir doch nicht aus!) Rede. Man darf hier alles sagen, aber man darf nicht glauben, dass man uns zwingen kann, das Meine Damen und Herren, wenn Sie Fieber mes- auch ernst zu nehmen. Das ist der Unterschied. sen, dann dürfen Sie nicht nur an der Hautoberflä- (Zustimmung bei den GRÜNEN und che messen; Sie müssen auch rektal messen. bei der SPD - Dr. Gero Hocker [FDP]: Wenn Sie sich z. B. die Entwicklung der Tempera- Wenn Sie diese Arroganz an den Tag turen in den oberen 2 000 m der Meere angucken, legen, ist das Ihr Problem!) werden Sie feststellen, dass es dort einen Tempe- raturanstieg gibt und dass 90 % des Temperatur- Wenn ich mir Ihre Rede so vor Augen führe, dann anstiegs auf die Speicherung der Wärme in den muss ich feststellen: Der Koalitionsvertrag war Meeren zurückzuführen sind. wohl eine Zwangsjacke, die Ihre Freiheit ganz erheblich eingeschränkt hat. Denn solche Reden (Unruhe - Glocke der Präsidentin) wie heute habe ich zu Zeiten der letzten Landes- Fakt ist: Die erste Dekade des 21. Jahrhunderts regierung nicht gehört. war die wärmste seit Beginn der Temperaturmes- Und wenn man die Frage stellt, was denn eigent- sungen. Jede der letzten drei Dekaden war wärmer lich vordringlich ist, dann muss man dazu sagen: als alle Dekaden seit 1850. Und der CO2-Wert in Natürlich ist Deichbau kurz- und mittelfristig unab- der Atmosphäre ist der höchste seit 800 000 Jah- dingbar. Das ist eine ganz klare Priorität. ren.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Dann glei- (Dr. Gero Hocker [FDP]: Wie ist denn chen Sie doch die Mittel aus! Warum der Temperaturanstieg, Herr Minis- steht denn weniger Geld dafür im ter?) Haushalt?) Meine Damen und Herren, uns ist auch klar - des- Aber natürlich ist Klimaschutz mittel- und langfristig halb haben wir das in den letzten Wochen und für die Vorsorge unabdingbar. Beides gehört zu- Monaten sehr deutlich gemacht -, dass wir am sammen, keines darf man vernachlässigen. Ende nur dann die Themen Klimaschutz und Energiewende erfolgreich bewältigen werden, Insofern, denke ich, muss man auch ernst neh- wenn wir unsere europäischen Partner mitnehmen men, was in dem IPCC-Bericht steht, der von 195 und auch global ein gemeinsames, übereinstim- Regierungen Wort für Wort abgestimmt wurde. mendes Vorgehen erreichen können, Darin steht ziemlich deutlich, dass es mit sehr,

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(Dr. Gero Hocker [FDP]: Die zeigen (Zustimmung bei den GRÜNEN und uns einen Vogel! Die bauen unsere bei der SPD) Kohlekraftwerke wieder auf!) Deswegen hoffe ich, dass die Bundesregierung wenn wir parteiübergreifend und legislaturperio- und der Bundesrat das angehen werden, um eine denübergreifend eine Verständigung über die Eck- vernünftige Lösung zu finden. pfeiler der Energiewende erzielen, wenn wir Pla- Auch Reformen in anderen Bereichen haben Sie nungssicherheit und Verlässlichkeit für unsere schleifen lassen. Natürlich ist das EEG reformbe- Unternehmen schaffen, wenn wir die Vorausset- dürftig; das ist doch gar keine Frage. zungen schaffen, damit das, was wir an Know- how, Technik und Forschung in diesem Bereich in (Dr. Gero Hocker [FDP]: Das hat ja den letzten Jahren erarbeitet haben - auch mit lange gedauert! - Christian Dürr Blick auf Exportprodukte -, genutzt werden kann. [FDP]: Dafür haben Sie zehn Jahre gebraucht, um das einzusehen!) Es ist z. B. für unser Land Niedersachsen von entscheidender Bedeutung, ob es gelingt, im Aber wir dürfen doch nicht warten, bis uns der EU- Rahmen der Arbeit der neuen Bundesregierung, Wettbewerbskommissar Almunia mit einem Ver- aber auch der Zusammenarbeit im Bundesrat, ver- tragsverletzungsverfahren überzieht. Dann müss- nünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich ten die Unternehmen nachher Rückstellungen in möchte nicht, dass all die Investitionen, die im der Bilanz ausweisen. Hier sehen wir auch das Offshorebereich an der Küste getätigt wurden, am Reformversagen der letzten Bundesregierung. Ende durch Insolvenzen oder Konkurs gefährdet werden. Jeder hier im Parlament muss sich fragen (Zustimmung bei den GRÜNEN) lassen, was er dafür getan hat, dass diese Arbeits- Deswegen hoffe ich, dass es jetzt endlich gelingt, plätze erhalten werden, dass das Know-how, dass hier voranzugehen. Dazu gehört auch eine konsi- Forschung und Entwicklung, dass die Arbeit von stente Politik auf Landesebene. Fachkräften wirklich Früchte tragen können. (Zustimmung bei den GRÜNEN und Die FDP allerdings, Herr Dr. Hocker, steht dafür, bei der SPD) diese Entwicklung abzubrechen. Das kann man nur feststellen, wenn man sich anguckt, was sie in Ich freue mich über den vorliegenden Antrag und den letzten Jahren gemacht hat. die Forderungen, die darin verankert sind. Wir werden natürlich auch alle notwendigen und richti- (Zustimmung bei den GRÜNEN und gen Beteiligungsverfahren durchführen. bei der SPD) (Dr. Gero Hocker [FDP]: Viel Spaß auf Deshalb wäre dann der Verlust dieser Arbeitsplät- dem Parteitag in Celle! Ich freue mich ze am Ende auch auf das Chaos zurückzuführen, schon auf die grüne Basis!) das die alte Bundesregierung mitzuverantworten hat. Denn sie hat z. B. anderthalb bis zwei Jahre Wir werden, Herr Miesner, die Ergebnisse der lang nur zugeguckt, sodass der Emissionshandel - Klimaschutzkommission zu einem zentralen Be- eines der wichtigsten Instrumente beim Klima- standteil unserer künftigen Arbeit machen. In dem schutz insgesamt - schlicht und einfach nicht mehr Bericht stehen ganz viele richtige Dinge, die aber reformiert wurde, es zu einem Preisverfall kam und leider in der vergangenen Legislaturperiode nicht er im Grunde seine Steuerungswirkung verloren umgesetzt worden sind. Und jetzt stelle ich wieder hat. Der Grund war das, was man in Brüssel fest, dass einige Dinge, die darin stehen, von Ih- „German Vote“ nennt: nen schon wieder bekämpft werden. Wir werden die Sache sehr ernsthaft angehen und vernünftige (Dr. Gero Hocker [FDP]: Es gibt auch Beteiligungsverfahren durchführen. Wir haben mit German Angst, Herr Minister!) der „Kleinen Energierunde“ gezeigt, dass wir bereit sind, auch in sehr heterogenen Zusammensetzun- Wenn sich Bundesumweltminister und Bundeswirt- gen nach Lösungen zu suchen, die gemeinsam schaftsminister nicht einigen können, dann enthal- getragen werden. Das ist meines Erachtens bei ten Sie sich in Brüssel, dann hat Deutschland kei- diesem Thema der richtige Weg für die Zukunft. ne Stimme. Das war in den letzten anderthalb bis zwei Jahren leider der Fall, Herr Dr. Hocker. Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.

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(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Verkehrsträgern recht lautlos. Obwohl sie effiziente SPD - Dr. Gero Hocker [FDP]: Haben Ergebnisse bringt - mit vergleichsweise geringem

Sie endlich gelernt, dass wir Kohle- CO2-Ausstoß - und eine gute Ökobilanz aufweisen kraftwerke brauchen?) kann, ist sie zu wenig im Fokus der Förderung und somit ein Stiefkind der Verkehrsentwicklung. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Man muss schon genauer hinschauen, um zu ver- Vielen Dank, Herr Minister Wenzel. stehen, dass sich gerade in jüngster Zeit auf dem Wir sind am Ende der Beratung und kommen zur Gebiet der Forschung und Entwicklung Innovatives Ausschussüberweisung. getan hat, und zwar nicht nur in Bezug auf Schiffs- körper für Tankschiffe, Spezialschiffe oder An- Federführend soll der Ausschuss für Umwelt, triebsformen, sondern auch im Bereich Logistik Energie und Klimaschutz sein. Wer so beschließen und Umschlag. Dabei ist zu beobachten, dass bei möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das Neubauten neben den Großmotorschiffen die At- ist so beschlossen. traktivität der kleinen Tonnenmaße zunimmt. Ich rufe auf den Aus Sicht der EU-Kommission birgt die Binnen- schifffahrt erhebliche Potenziale für die Verbesse- rung des europäischen Verkehrssystems. Deswe- Tagesordnungspunkt 17: gen gibt sie durch ein neues Förderprogramm, Erste Beratung: NAIADES II, Impulse für eine Ertüchtigung des Zukunft der Binnenwasserstraßen auch in Nie- europäischen Netzes. dersachsen sichern! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/822 (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Angestrebt sind langfristige Strukturanpassungen für die Binnenschifffahrt, aber auch kurzfristige Zur Einbringung erteile ich Frau Eilers, FDP-Frak- Maßnahmen, um die schwierige Wirtschaftslage tion, das Wort. des Sektors, für den sich sehr viele Menschen interessieren und begeistern - man merkt das an Hillgriet Eilers (FDP): dieser Stelle - zu verbessern. Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Da- men und Herren! „Navigare necesse est“. Was für Mit der Umsetzung des Programms sollen bis 2020 die Römer galt, das gilt auch noch heute. Denn wir im Wesentlichen folgende vier Ziele erreicht wer- wissen: Jede wirtschaftliche Entwicklung ist ab- den: erstens die Verbesserung der Infrastruktur, hängig von der Lebensader Wasser und der unge- zweitens die Förderung der Integration der Bin- hinderten Nutzung der Wasserstraßen. Schifffahrt nenschifffahrt in die Logistikkette, drittens eine tut Not. Das gilt für Europa, und das gilt in beson- Umstrukturierung des Sektors im Hinblick auf Aus- derer Weise für das Transitland Niedersachsen. bildung und Arbeitsplätze, viertens die Steigerung Unsere Flüsse und Kanäle verfügen über erhebli- der Umweltfreundlichkeit und die Förderung von che freie Kapazitäten, um mehr Güter zu befördern Innovationen, das alles verbunden mit einem neu- und der Überlastung von Straßen und Schienen en Lenkungskonzept in Bezug auf Rechtsrahmen etwas entgegenzusetzen. und auf Zuständigkeiten. (Unruhe) Die Politik ist sich einig, dass wir Verantwortung dafür tragen, für alle Verkehrsträger gleichberech- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: tigte Rahmenbedingungen zu schaffen, um ausge- feilte, zukunftsfähige Logistiksysteme zu entwi- Moment bitte, Frau Eilers, hier ist es zu laut. - Ich ckeln. Dies betrifft die entsprechenden Kernnetze darf die Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte für leistungsfähige, grenzübergreifende Güterver- nicht folgen wollen, bitten, den Plenarsaal zu ver- kehre, aber auch durchgängige Ergänzungsnetze. lassen. Ansonsten hat Frau Eilers unsere ungeteil- Mehr noch: Wir haben die übereinstimmende Auf- te Aufmerksamkeit. fassung, dass die Verkehrsströme angesichts der Hillgriet Eilers (FDP): geforderten Entlastung der Straßen künftig auch verstärkt auf das Wasser zu lenken sind. Vielen Dank. - Die herkömmliche Binnenschifffahrt wirkt manchmal antiquiert. Denn sie ist relativ be- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) häbig und funktioniert im Gegensatz zu anderen

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Der Sektor muss sich um Qualität bemühen, um Jürgen Krogmann (SPD): die Ziele des Weißbuchs Verkehr - Verlagerung Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen auf Schiene und Wasserwege und Verringerung und Herren! Es ist schon merkwürdig: Seit dem des CO2-Ausstoßes - einzuhalten. Dabei sind wir Rauswurf aus dem Deutschen Bundestag und aus in der Pflicht, angesichts günstiger Seeverkehrs- der Bundesregierung wird die FDP plötzlich zum prognosen nicht nur die Hafenstandorte unseres Sachwalter für die Binnenschifffahrt. Zuerst wollten Bundeslandes wettbewerbsfähig zu halten, son- Sie nur die Mittelweser ausbauen - wir haben ei- dern auch unsere Binnenwasserstraßen. Dennoch nen entsprechenden Antrag in der Beratung -, und wird auch in diesem Hause in immer kürzer wer- jetzt kommt gleich der ganz große Aufschlag. Die denden Abständen festgestellt, dass der Erhal- Zukunft der Binnenwasserstraßen insgesamt soll tungszustand der niedersächsischen Wasserwege gesichert werden - ausgerechnet von der FDP. Da nicht den Erfordernissen entspricht. kann ich nur sagen: Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich. Wir schließen daraus: Niedersachsen gerät ins Hintertreffen und nutzt die Entwicklungschancen Und ich frage mich: Wer hat denn eigentlich maß- nicht konsequent genug, welche sich im Bereich geblich z. B. mit der Zerschlagung der Wasser- der multimodalen europäischen Transportketten und Schifffahrtsdirektion einen wichtigen Partner ergeben. Insofern kommt das Programm NAIA- der Binnenschifffahrt hier im Norden geschwächt? DES II genau zur richtigen Zeit. Auch angesichts - Das waren doch Sie. Wer hat im Deutschen Bun- der Schwierigkeiten, die mit dem Ausbau von destag eigentlich die Kategorisierung der Investiti- Straßen und Schienen verbunden sind, bietet uns onsmittel zu Lasten Niedersachsens und des Nor- die Binnenschifffahrt Chancen, die wir verstärkt in dens durch die Tonnageregelung betrieben? Wer den Blick nehmen sollten. hat dafür gesorgt, dass die Rheinschiene jetzt überproportional bevorzugt wird? Wer hat das Aus diesem Grunde dürfen wir nicht länger den gegen alle Einwände der Hafenwirtschaft, der Fehler machen, bei der Diskussion um Wasser- Kommunen und vieler anderer Interessengruppen straßen ausschließlich taktisch mit der Lupe auf durchgesetzt? - Das waren auch und vor allem die lokale Gegebenheiten zu schauen. Wir müssen FDP-Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Ihre größer denken und größer planen. Wir sind gefor- Kolleginnen und Kollegen im Niedersächsischen dert, den Ausbau der Binnenwasserstraßen sys- Landtag, liebe Frau Eilers, haben wirklich nicht tematischer voranzubringen, damit unsere Seehä- sehr stark dagegengehalten, obwohl die SPD- fen wettbewerbsfähig bleiben und damit flexible Fraktion viele Anträge dazu gestellt hat. Sie sind Transportprobleme wachsen können. Unser Land also wirklich nicht die richtigen Anwälte in dieser braucht eine strategische Aufstellung, um die Angelegenheit. Wasserwege in Niedersachsen als Adern im euro- päischen Kreislauf zu betrachten und nutzbarer zu (Beifall bei der SPD) machen. Nur so werden wir mittelfristig und lang- Man könnte sagen, jetzt springt der Bock - oder fristig weitergehende Entwicklungschancen eröff- sagen wir: das Böcklein - aus dem Blumenbeet nen. und spielt sich als Gärtner auf. Ich sage Ihnen: Das Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich wird nicht verfangen. Die maritime Wirtschaft in auf die Diskussion in den Ausschüssen. Niedersachsen hat Ihre Rolle in vier Jahren Bun- desregierung nicht vergessen, und da werden Sie Übrigens: NAIADES steht für „Navigation and In- mit diesem Antrag kaum punkten können. land Waterway Action and Development in Europe“ Meine Damen und Herren, die rot-grüne Mehrheit und folgt der alten Erkenntnis: Navigare necesse dieses Hauses jedenfalls braucht keine Nachhilfe est. in Form eines solchen Antrags, wenn es um die (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Bedeutung der Binnenschifffahrt für die nieder- Björn Thümler [CDU]: Ah! Donnerwet- sächsische Hafen- und Logistikwirtschaft geht. Uns ter! - Christian Dürr [FDP]: Sehr gut!) ist klar: Ein Binnenschiff entlastet unsere Straßen je nach Schiffsgröße um etwa 50 bis 80 Lkw. Bin- nenschifffahrt ist also nicht nur ökonomisch sinn- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: voll, sondern sie trägt auch - das ist der Bogen zur Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die SPD-Fraktion vorherigen Debatte - zum Klimaschutz bei. hat nun Herr Krogmann das Wort. Bitte!

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Wir wissen, dass viele Unternehmen die Anbin- Schminke hat mich noch einmal gebeten, darauf dung nicht nur an die Seehäfen, sondern auch die hinzuweisen. Seien wir ehrlich: Es ist eine Anei- Möglichkeit wollen, den Wasserweg im Binnenland nanderreihung von Allgemeinplätzen. Ich vermute, für ihre logistischen Systeme immer stärker zu seitens der FDP wurde dieser Antrag auch in allen nutzen, sei es zur Verschiffung von Containern - anderen Landtagen gestellt, die es in Deutschland dafür ist Volkswagen ein Beispiel - oder aber auch gibt; es sind ja nicht mehr so viele, in denen Sie bei Projektladungen, die immer wichtiger werden, vertreten sind. Das hat mit Niedersachsen nichts die aber gerade nicht von der Tonnageregelung zu tun. Die niedersächsische Komponente fehlt Ihrer Bundesregierung begünstigt werden. Das ist völlig. uns sehr wohl bekannt. (Beifall bei der SPD und bei den (Ronald Schminke [SPD]: Bei Schwer- GRÜNEN) transporten!) Als Aufhänger nehmen Sie das EU-Programm Wir müssen allerdings auch sehen, wo wir heute NAIADES. Gut, ob uns das hilft, wissen wir noch mit der Binnenschifffahrt stehen. Ich will Ihnen nicht. Dieses Programm ist gerade erst veröffent- einmal eine Zahl nennen: In Hamburg gehen von licht worden, und man weiß noch nicht, wie die den Containerverkehren heute 2 bis 5 % über das konkreten Ausgestaltungen sind. Ich gehe davon Binnenschiff weg. Das macht deutlich, welch ein aus, dass wir im Unterausschuss einen entspre- riesiges Potenzial in diesem Bereich liegt. Frau chenden Bericht dazu bekommen werden. Aber Eilers, Herrn Bode müssen Sie nicht fragen. Dass auch diese EU-Förderung, wenn sie denn für uns er davon wenig Ahnung hat, hat er gezeigt. in Frage kommt, wird für unsere Binnenschifffahrt ganz gewiss nicht reichen. Wir brauchen stattdes- (Heiterkeit und Zustimmung bei der sen eine andere Investitionspolitik in Deutschland. SPD - Hillgriet Eilers [FDP]: Unver- Wir brauchen letztlich mehr Geld für unsere schämt!) Schleusen, Brücken, Stichkanäle und Häfen. Wir 2 bis 5 % gehen dort heute weg. Dort liegt noch brauchen vor allem eine Investitionspolitik, die den ein gewaltiges Potenzial, aber es ist eben auch Norden gleichberechtigt behandelt und die unsere noch ein sehr weiter Weg. Entwicklungschancen berücksichtigt. Dass die FDP in der nächsten Bundesregierung ganz sicher Meine Damen und Herren, ein kleines Detail Ihres nicht dabei ist, ist zumindest für die maritime Wirt- Antrags will ich dann doch noch einmal anspre- schaft schon einmal eine gute Nachricht. chen. Daran wird auch ein bisschen das Motiv oder die Geisteshaltung deutlich. Sie fordern die Sicher- In diesem Sinne und vor diesem Hintergrund ge- stellung des durchgängigen Binnenwasserstra- hen wir frohen Mutes in die Ausschussberatung. ßennetzes und damit notwendiger und unvermeid- Schönen Dank. licher Flussvertiefungen. Aha! Da sind wir also am richtigen Punkt. Ich muss Ihnen aber leider sagen, (Beifall bei der SPD und bei den dass das für das Binnenschiff ziemlicher Unsinn GRÜNEN) ist, denn beim Binnenschiff ist in der Regel nicht der Tiefgang das Problem, sondern es geht um Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Engstellen, um Schleusen und um Brücken. Es Vielen Dank, Herr Krogmann. - Der nächste Red- geht darum, Begegnungsverkehr zu ermöglichen. ner ist nun Herr Kollege Hiebing für die CDU-Frak- Flussvertiefungen sollten aber offensichtlich unbe- tion. Bitte! dingt als politisches Schlagwort in den Antrag hin- ein, und das ist ein bisschen kennzeichnend für Bernd-Carsten Hiebing (CDU): den gesamten Antrag. Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten (Beifall bei der SPD und bei den Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- GRÜNEN) gen! Verehrter Herr Kollege Krogmann, ich hätte mir bei einem solch wichtigen Thema wie Binnen- Im Übrigen nennen Sie nicht ein einziges nieder- wasserstraßen und Binnenschifffahrt eigentlich sächsisches Projekt. Sie nennen nicht den Küs- gewünscht, dass vielleicht doch ein bisschen mehr tenkanal, nicht den Dortmund-Ems-Kanal, nicht Sachlichkeit an den Tag gelegt worden wäre. das Aufstiegsbauwerk in Scharnebeck, nicht die wichtigen Stichkanäle gerade im Osten des Lan- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) des und auch nicht die Oberweser. Ronald

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Im Interesse Niedersachsens haben wir den Bund Verkehrsträgern. Das sollten wir dabei auch immer immer als den großen Partner, an den wir Forde- im Auge haben. Insofern ist das Potenzial der Bin- rungen stellen. Aber wenn wir uns darüber so zer- nenschifffahrtswege zu verbessern; denn nur da- streiten, wie Sie es gerade gemacht haben, dann durch wird auch der Binnenschifffahrt geholfen. Ich bringt uns das für Niedersachsen wahrscheinlich glaube schon, dass diese Chancen, die die Was- wenig voran. serstraße bietet, die Situation zu verbessern, uns allen ein Anliegen sein sollte. Da gibt es sicherlich (Beifall bei der CDU und bei der FDP) immer wieder auch Forderungen, die regionalen Meine Damen und Herren, die maritime Wirtschaft Gedanken folgen. Aber gleichwohl ist es erforder- ist sozusagen als globale Wirtschaft - wenn man lich, ein Binnenwasserstraßengesamtkonzept mit sie einmal so bezeichnen darf - für Niedersachsen, leistungsfähigen Binnenwasserstraßen zu entwi- für Deutschland von zentraler Bedeutung. Ich ckeln. Dazu gehören die Schleusen, dazu gehören glaube, das wissen wir auch alle. die Umschlagsplätze. Das alles ist nie so gut, wie man es sich wünscht. Da wird auch weiterhin viel Niedersachsen hat aufgrund der langen Küstenli- investiert werden müssen. nien und als Land mit vielen See- und Binnenhäfen in Deutschland einen ganz klaren und guten Allein im Jahre 2012 wurden immerhin mehr als Standortvorteil. Den gilt es zu nutzen. Es gibt im- 200 Millionen Tonnen Güter auf Bundeswasser- merhin 900 Unternehmen und 40 000 Menschen, straßen transportiert. Nur beim Binnenschiff haben die in dem Bereich in Lohn und Brot sind. Nieder- wir einen Zuwachs an Transportleistungskapazitä- sachsen ist weiterhin größter Schiffbau- und zweit- ten aufzuweisen. Gleichwohl - das sollte uns Sor- größter Reedereistandort. Der JadeWeserPort ist gen machen - ist die Zahl der Schiffseigner gesun- nach anfänglichen Schwierigkeiten, wie ich finde, ken. Es sind welche aus dem Markt ausgestiegen, auf einem guten Weg. Meine Damen und Herren, weil ihnen die Kosten davongelaufen sind und die wir haben in Niedersachsen zahlreiche Bundes- Einnahmesituation nicht entsprechend war. Ich wasserstraßen von überregionaler Bedeutung. meine, dass uns das Sorgen machen muss; denn Gerade Niedersachsen ist auf seine Wasserwege insgesamt sollten wir die Chancen der Binnenwas- angewiesen. serstraßen und der Binnenschifffahrt unterstützen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) und fördern und gucken, wie die Unternehmen mit den Krisen, die sie derzeit durchaus haben, fertig Meine Damen und Herren, um die Wettbewerbsfä- werden; ob das die Finanzierung von Schiffen ist higkeit zu erhalten, müssen wir diesen Sektor wei- oder ob das die Konkurrenz aus den Niederlanden terhin gezielt fördern, müssen wir Chancen erken- und aus Belgien ist. Teilweise sind die Staaten in nen und Potenziale heben. Gerade das Binnen- der Nachbarschaft bereit, Binnenschifffahrt stärker schiff hat im Verkehrssystem eine ganz hohe und zu fördern, als wir es tun. Ich meine, dass wir uns wichtige Bedeutung. Darum ist dieser Antrag, die auch darüber Gedanken machen sollten. Binnenwasserwege und die Binnenschifffahrt zu stärken, vom Grunde her zu begrüßen; denn, ver- Meine Damen und Herren, es ist doch völlig un- ehrte Frau Kollegin, ein wenig Schattendasein strittig, dass der Bund bei dieser Thematik eine haben sie schon. Die Seeschiffe stehen häufig wichtige Rolle spielt. Wir wissen auch, dass unsere eher im Fokus. Darüber - auch über die Krisen - Infrastruktur, was Schleusen anbelangt, durchaus wird häufig berichtet. Das Binnenschiff hat das verbesserungswürdig ist. Dort muss mehr inves- Schattendasein. Die Binnenschiffer sind auch nicht tiert werden. Es ist doch eigentlich das Anliegen so gut organisiert. Sie haben mehrere Bundesver- Niedersachsens, dem Bund - wer auch immer dort bände. Ich als Harener, der allein 50 Binnenschiff- im Verkehrsressort in Zukunft Verantwortung fahrtspartikuliere in seiner Heimatstadt hat, weiß, trägt - klarzumachen, dass dort mehr investiert dass die sich ein wenig schwertun. Ich meine, wir werden muss, um die Potenziale gerade der Bin- tun gut daran, sie zu unterstützen. nenwasserstraßen mehr als bisher zu nutzen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Meine Damen und Herren, das Binnenschiff zeich- Meine Damen und Herren, wir sollten uns das auf net sich durch niedrige Transportkosten, hohe jeden Fall genau anschauen. Wir sollten uns auch Ladekapazitäten und auch durch Zuverlässigkeit darüber unterhalten, welche Vorstellungen Europa aus. Es ist CO2-emissionsfreundlich, und auch der zu diesem Thema hat. Auch Europa ist darauf Kraftstoffverbrauch ist niedriger als bei anderen angewiesen, dass Wasserstraßen leistungsfähiger

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werden. Ich meine, dass wir uns dann, wenn sich misch teuren Straßen überlastet sind, verfügen wir die Wachstumsmärkte so entwickeln, wie man es auf den Wasserstraßen über Kapazitäten, die wir prognostiziert, ohne leistungsfähige Wasserstra- bislang nicht ausreichend nutzen. Es macht aus ßen Wirtschaft auch in Zukunft nicht vorstellen unserer Sicht volkswirtschaftlich keinen Sinn, in können. teure Verkehrswege zu investieren, während Po- tenziale anderer Verkehrswege brachliegen und (Beifall bei der CDU und bei der FDP) sich verhältnismäßig günstig einbinden ließen. Deshalb wird es auch länderübergreifende Kon- Wir freuen uns deshalb, dass jetzt auch die FDP zepte und transeuropäische Verkehrsnetze geben unserer Ansicht folgt und die Wasserwege als müssen, um diese Situation zu verbessern. echte Alternative zu den Straßen entdeckt hat. In (Glocke der Präsidentin) Teilen ist gegen den vorliegenden Antrag auch nichts einzuwenden. Natürlich ist es sinnvoll und Meine Damen und Herren, im FDP-Antrag sind richtig, die Wasserwege als wichtige Güterver- viele Punkte, die wir als CDU unterstützen. Sicher- kehrsstraßen stärker in den Mittelpunkt zu rücken, lich gibt es auch Punkte, die schon von anderen und es ist richtig, die unterschiedlichen Verkehrs- gefordert und unterstützt worden sind. Insgesamt träger intelligent zu verknüpfen. Wir gehen offen sollten wir uns mit dieser Thematik im Interesse an den Prozess heran, alle Verkehrsträger auf ihre Niedersachsens sachlich auseinandersetzen. Dazu Potenziale zu prüfen, und wir wollen mit diesen hat dieser Antrag sicherlich seine Berechtigung. Erkenntnissen dann schauen, welche vernünftige Wir halten es für notwendig, dass wir im Rahmen Rolle in welchem Maße welche Verkehrsträger unserer Möglichkeiten den Bund immer wieder künftig spielen werden. ermahnen und auffordern, für Niedersachsen das Sinnvolle und Notwendige zu tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP aber will das Pferd offenbar von hinten aufzäumen und legt Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. sich im Antrag gleich auf die Flussvertiefungen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) fest. Das ist dann eben auch die große Schwach- stelle in Ihrem nicht durchdachten Antrag. Sie kön- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: nen doch nicht die Landesregierung auffordern, die Vielen Dank. - Nun hat für die Fraktion Bünd- Möglichkeiten der Wasserschifffahrtswege zu prü- nis 90/Die Grünen Frau Kollegin Menge das Wort. fen, und zugleich die Vorgabe machen, dass dies Bitte! zu geschehen hat! Da müssen Sie schon ein biss- chen Geduld haben und erst einmal abwarten, was Susanne Menge (GRÜNE): sich am Ende als sinnvoll erweist. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der men und Herren! Die rot-grüne Koalition steht für SPD) eine kreative Verkehrspolitik. Wir setzen uns dafür Flussvertiefungen sind kein Selbstzweck! ein, dass unsere Verkehrswege in Niedersachsen optimal genutzt und miteinander verbunden wer- (Beifall bei den GRÜNEN) den - für die Wirtschaft und für die Menschen in Und blinder Aktionismus ist kein guter Ratgeber Niedersachsen. bei einer nachhaltigen und langfristig angelegten (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Verkehrspolitik. SPD) (Beifall bei der SPD und bei den Gleichzeitig achten wir darauf, dass der Ausbau, GRÜNEN) der Erhalt und die Verbesserung unserer Verkehrs- Schon heute wissen wir, dass es an vielen Stellen infrastruktur sowohl ökonomischen als auch ökolo- mehr bringt und günstiger ist, auf die Großmotor- gischen Kriterien standhalten. Ein wichtiges Vor- güterschiffe zu setzen, statt ausschließlich tech- haben von Rot-Grün ist die Verlagerung des zu- nikgläubig und blind den übergroßen Großmotor- nehmenden Güterverkehrs von der Straße auf güterschiffen hinterherzulaufen. Schiene und auf die Wasserstraßen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Beifall bei den GRÜNEN) SPD - Christian Dürr [FDP]: Was für Dafür gibt es gute und vernünftige Gründe. Wäh- ein Wort!) rend die verhältnismäßig ökologisch wie ökono-

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- Ohne Verhaspler das Wort gesprochen! schen noch den ökologischen Preis zahlen möch- ten. (Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Applaus! - Christi- (Beifall bei den GRÜNEN) an Dürr [FDP]: Das verdient Respekt!) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Wir würden mit vergleichsweise wenig Mitteln viel mehr an Kapazität gewinnen, wenn wir drei Lagen Ein letzter Satz! Container auf die GMS stapeln und ein paar Brü- cken erhöhen, als ökologisch und ökonomisch Susanne Menge (GRÜNE): teuer Flüsse für die zweilagigen üGMS - so heißt Ja. die Abkürzung - zu vertiefen. Wir freuen uns auf die angeregte Diskussion im (Beifall bei den GRÜNEN - Christian Ausschuss. Dürr [FDP]: Noch einmal das Wort!) Herzlichen Dank. - üGMS! (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Christian Dürr [FDP]: Nicht die Ab- SPD) kürzung!) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: - Übergroße Großmotorgüterschiffe! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende (Beifall und Heiterkeit bei den GRÜ- der Beratung und kommen zur Ausschussüberwei- NEN und bei der SPD) sung. Bei der Debatte dürfen wir zudem nicht die realisti- Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, schen Entwicklungen in diesem Sektor vergessen. Arbeit und Verkehr sein, mitberatend der Unter- Entgegen allen Prognosen stagniert der Verkehr ausschuss „Häfen und Schifffahrt“. Wer so be- auf den Binnenwasserstraßen. Die Wachstums- schließen möchte, den bitte ich um das Handzei- prognosen in den vergangenen Jahren haben sich chen. - Dann ist das so beschlossen. nämlich leider nicht erfüllt. Der Anteil der Binnen- schifffahrt an der Verkehrsleistung ist zwischen Ich rufe nun vereinbarungsgemäß zur gemeinsa- 1991 und 2010 sogar von 14 % auf 10 % abge- men Beratung auf sunken. Auch das haben wir Grüne im Hinterkopf, wenn wir differenziert über die vernünftige Nutzung Tagesordnungspunkt 18: unserer Wasserstraßen reden. Erste Beratung: (Zustimmung von Elke Twesten Einsetzung einer Enquetekommission „Reform [GRÜNE]) des niedersächsischen Verfassungsschutzes“ - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/796 Wir Grüne sprechen uns für eine sinnvolle Klassifi- zierung und Priorisierung der Wasserstraßen aus. Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Einsetzung einer Enquetekommission „Für den Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Schutz der Freiheit - Niedersachsen braucht einen handlungsfähigen Verfassungsschutz!“ - Susanne Menge (GRÜNE): Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/826 Ja, komme ich. Wichtig ist, die Mittel vor allem in den Erhalt und in Zur Einbringung hat sich Herr Kollege Dr. Birkner, den Ausbau wichtiger Strecken zu investieren. FDP-Fraktion, gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort. Maßnahmen an Wasserstraßen, deren Nutzbarkeit durch größere Schiffe nicht oder nur sehr begrenzt Dr. Stefan Birkner (FDP): sinnvoll ist, lehnen wir dagegen ab, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und (Zustimmung von Miriam Staudte Herren! Über die Reformbedürftigkeit des Verfas- [GRÜNE]) sungsschutzes dürfte hier im Landtag kein Zweifel weil wir schlicht keinen volkswirtschaftlichen Nut- bestehen. Ich nenne an dieser Stelle die Erkennt- zen darin sehen und dafür weder den ökonomi- nisse und Schlussfolgerungen aus den Taten und

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Umtrieben des NSU sowie die Folgerungen, die sche Basis zu stellen und eine öffentliche Diskus- auf parlamentarischer Ebene im Bund gezogen sion, eine pluralistische Diskussion sowohl unter worden sind. Auch auf Bund-Länder-Ebene ist in Einbeziehung aller im Landtag vertretenen Partei- der Innenministerkonferenz ein Reformbedarf an- en und ihrer Landtagsfraktionen als auch unter erkannt worden. Aber auch die hier in den letzten Einbeziehung entsprechender Sachverständiger Wochen und Monaten bekannt gewordenen, vor- durchzuführen. Ziel ist es, durch eine solche breite getragene, behaupteten fehlerhaften Speicherun- öffentliche Diskussion mit Sachverständigen das gen personenbezogener Daten durch den Nieder- verloren gegangene Vertrauen in die Verfassungs- sächsischen Verfassungsschutz haben den Re- schutzbehörden wiederherzustellen. formbedarf des Verfassungsschutzes bestätigt. Da verstehe ich die Position der Landesregierung (Unruhe - Glocke der Präsidentin) und der Regierungsfraktionen nicht. Warum ver- wehren Sie sich diesem Weg - zumindest waren Das gilt im Übrigen auch für den fehlerhaften wei- die Äußerungen bisher so; vielleicht ergibt sich im teren Umgang mit den Daten und die daraus fol- weiteren parlamentarischen Verlauf ja noch etwas gende Löschung durch den Verfassungsschutz; anderes -, obwohl dieser gerade Ihrem Transpa- denn damit sind der Schutz von Betroffenen, die renz- und Politikanspruch entspricht, den Sie hier hier von fehlerhaften Speicherungen betroffen immer wieder betonen? - In den letzten Wochen sind, aber auch die Kontrollrechte des Parlaments und Monaten tun Sie das übrigens etwas weniger. beeinträchtigt worden. Am Anfang war das noch stärker. Offensichtlich Wenn man Reformbedarf anerkannt hat, kann man hat die Macht doch zu viel Attraktivität auf Sie aus- diesen Reformbedarf auf unterschiedliche Art und geübt, als dass Sie Ihre Ansprüche realisieren Weise voranbringen. Aus meiner Sicht gibt es min- wollten. Aber warum realisieren Sie nicht tatsäch- destens zwei Möglichkeiten. lich diesen Transparenz- und Politikanspruch, den Sie hier einmal formuliert haben? - Damit könnten Die eine ist, dass man es als Landesregierung Sie auch ein Zeichen setzen, dass Ihnen tatsäch- hinter verschlossenen Türen macht. Für diesen lich an einer ehrlichen und offenen parlamentari- Weg hat sich diese Landesregierung entschieden, schen Zusammenarbeit gelegen ist, die Sie sonst indem sie eine Kommission eingesetzt hat, die, wie auch immer propagieren. Wenn es darauf an- sie das in ihrem Koalitionsvertrag auch beschrie- kommt, ist davon aber nicht mehr die Rede, son- ben hat, paritätisch besetzt ist. Mit „paritätisch dern wir hören dann sehr einseitige und parteipoli- besetzt“ ist - das haben wir auch im Ausschuss tisch geprägte Statements von Ihnen. hinlänglich gehört - natürlich gemeint: parteipoli- tisch paritätisch besetzt. Nun hat man diese Kom- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) mission eingesetzt, die hinter verschlossenen Tü- Man hält diesen Anträgen dann entgegen, eine ren diesen Reformbedarf bearbeiten, diskutieren solche Enquetekommission sei zwar ganz nett, und am Ende voranbringen will. man habe aber Probleme mit dem Geheimschutz. In dieser Kommission ist auch die Präsidentin des Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir in Verfassungsschutzes Mitglied. Es ist ein bemer- der Lage sind, die Geschäftsordnung einer Enque- kenswerter Umstand, dass diejenige, deren Be- tekommission so zu gestalten, dass die Geheim- hörde reformiert werden soll, dort an entscheiden- schutz- und Vertraulichkeitsvorschriften eingehal- der Stelle mitwirkt. Ich finde, das ist ein bemer- ten werden, wenn geheime und vertrauliche Sach- kenswerter Vorgang, der zumindest Fragen auf- verhalte erörtert werden. Genauso, wie das auch wirft. bei Parlamentarischen Untersuchungsausschüs- sen sichergestellt sein muss, wird das selbstver- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) ständlich auch bei einer Enquetekommission mög- Der zweite Weg, auf dem man eine solche Reform lich sein. Das ist also ein vorgeschobenes Argu- voranbringen kann, ist eine offene und transparen- ment, das überhaupt nicht trägt und einem Trans- te Erarbeitung im parlamentarischen Verfahren. parenzanspruch nicht entgegengehalten werden Genau diesen Weg beschreiten wir mit unserem kann. Vorschlag zur Einsetzung einer Enquetekommissi- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) on. Neben den vielen Detailfragen, die auch im Antrag der CDU völlig zu Recht ausführlich ange- Ich fordere die Landesregierung, aber auch die sprochen worden sind, steht dahinter das Ziel, den Regierungsfraktionen auf - der eine oder andere Verfassungsschutz auf eine breite parlamentari- hat sich hier auch schon als „Regierungsabgeord-

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neter“ bezeichnet; deshalb ist das eine zutreffende Nach diesen Einlassungen habe ich erhebliche Beschreibung, denke ich -, sich hier tatsächlich Zweifel daran, einem offenen und transparenten Reformprozess (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei zu stellen, den eigenen Ansprüchen zu folgen und der CDU - Mechthild Ross-Luttmann dem auch entsprechende Taten folgen zu lassen. [CDU]: Das ist eine Missachtung des Meine Damen und Herren, ich möchte hier aber Parlaments!) noch einen zweiten Punkt ansprechen, weil ich dass hier die ausreichende Achtung des Parla- gestern Abend bzw. heute Morgen darüber mittel- mentes gegeben ist, und habe Sorge, dass an mäßig irritiert und erschüttert war, nämlich dass wir dieser Stelle tatsächlich - so wie von einigen hier am Tage einer parlamentarischen Diskussion über schon immer befürchtet - eine parteipolitische die Anträge von CDU-Fraktion und FDP-Fraktion Amtsführung stattfindet, die die parlamentarischen auf Einsetzung einer Enquetekommission von der Gremien nicht ernst nimmt, und dass man am En- Präsidentin des Verfassungsschutzes, de - das bestätigt der Ansatz der Landesregierung, (Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Un- das alles durch interne Kommissionen vorzuberei- glaublich!) ten - den Verfassungsschutz zum parteipolitischen Instrument umgestalten will. also einer Beamtin, die der vom Minister einge- setzten Kommission angehört, die Bemerkung zu (Starker, anhaltender Beifall bei der hören bekommen, dass sie eine solche parlamen- FDP und bei der CDU) tarische Kommission nicht für notwendig hält. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Thomas Adasch [CDU]: Das ist ein Vielen Dank. - Zur Einbringung des Antrags der ganz schlechter Stil! Das ist nicht in CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Nacke das Ordnung!) Wort. Bitte! Meine Damen und Herren, was mir wirklich Sorge bereitet, ist das Selbstverständnis, das dahin- Jens Nacke (CDU): tersteckt. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in Deutschland in einem freien und de- (Thomas Adasch [CDU]: So ist es!) mokratischen Land. Wir alle können uns glücklich Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten schätzen, in einem solchen Land leben zu dürfen; bei der Kommentierung der Amtsführung durch die denn das, was wir in Deutschland dürfen und an Präsidentin gut überlegt zurückgehalten. Aber Freiheit genießen können, ist in anderen Ländern dieser Punkt schlägt wirklich dem Fass den Boden dieser Welt weiß Gott nicht selbstverständlich. aus. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Starker Beifall bei der FDP und bei Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir der CDU) haben in der fast 70-jährigen Geschichte der Bun- Wenn der Minister am Tage vor einer solchen De- desrepublik Deutschland auch gelernt: Unsere batte so etwas sagen würde, wäre das schon kri- Demokratie muss wehrhaft sein. Unsere Demokra- tisch genug. Wenn es aber eine Beamtin vor einer tie muss sich gegen ihre Feinde verteidigen. parlamentarischen Debatte sagt, dann zeigt das, Wenn jemand dazu aufruft, dass eine Veranstal- dass hier eine mangelnde Akzeptanz der parla- tung abgehalten werden soll, in der eine Verharm- mentarischen Tätigkeit gegeben ist und kein Re- losung oder Verherrlichung des Nationalsozialis- spekt vor der Tätigkeit der Oppositionsfraktionen mus stattfinden soll, ja, dann möchte ich, dass es besteht. eine Behörde des Innenministers gibt, die hin- (Thomas Adasch [CDU]: So ist es!) schaut, was da passiert, und die das dann auch festhält. Wenn jemand aus falsch verstandener Das trägt ja weiter. Wie weit her ist es denn mit der religiös motivierter Ideologie beispielsweise die Akzeptanz der parlamentarischen Kontrolle des Unterdrückung von Frauen predigt, dann möchte Verfassungsschutzes durch die Präsidentin, durch ich, dass man hinschaut, was dort passiert und die Amtsleiterin? was dort sonst so veranstaltet wird. Oder wenn jemand den Anschlägen auf Bundeswehreinrich- (Thomas Adasch [CDU]: So ist es!) tungen das Wort redet und dort Bundeswehrmate-

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rial zerstören will - ich sehe einige Vertreter der (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Bundeswehr oben auf der Besuchertribüne sit- der FDP) zen -, dann möchte ich, dass hingeschaut wird, Es stellt sich also die Frage: Warum tun sich ins- was dort passiert. besondere SPD und Grüne in diesem Hause dann (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei so schwer mit diesen Fragen? - Der Grund ist rela- der FDP) tiv einfach: Im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien trennt die linken Parteien an ihrem linken Auch dann, wenn hier in Hannover die CeBIT und Rand eben keine saubere Grenze zur Verfas- die Hannover Messe veranstaltet werden und Per- sungsfeindlichkeit. Das ist Ihr Kernproblem. sonen, die der Industriespionage verdächtig sein könnten, bei einem Hannoveraner ein und aus (Beifall bei der CDU und bei der FDP - gehen, möchte ich, dass es eine Einrichtung, näm- Johanne Modder [SPD]: Was? Das ist lich den Verfassungsschutz, gibt, der hinschaut. eine Ungeheuerlichkeit! - Petra Tie- mann [SPD]: Das ist ja unglaublich! - Deswegen bekennt sich die CDU ganz klar zum Zuruf von der SPD: Das ist eine Un- Verfassungsschutz. Wir brauchen den Verfas- verschämtheit! - Weitere Zurufe - Un- sungsschutz, und wir wollen den Verfassungs- ruhe - Glocke der Präsidentin) schutz, auch in Niedersachsen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies gilt (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei insbesondere für die Partei der Grünen. Der Wi- der FDP) derstand gegen das Schweinesystem ist eben eine Deshalb ist es vernünftig, zum jetzigen Zeitpunkt der Wurzeln, aus denen auch Ihre Partei entstan- auch mit Blick auf den Untersuchungsausschuss den ist. Ihre Frontfiguren, Ihre Ikonen - Jürgen zum NSU über den Verfassungsschutz neu nach- Trittin oder - kokettieren bis heute zudenken. Die technischen Möglichkeiten haben damit, dass sie zu Anfang ihrer politischen Arbeit sich gewandelt. Damit werden wir derzeit regelmä- verfassungsfeindliche Tendenzen verfolgt haben. ßig, insbesondere was die Überwachung anderer (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Dienste betrifft, in den Nachrichten konfrontiert. der FDP - Thomas Adasch [CDU]: So Deswegen müssen wir darüber sprechen: Was ist es!) sind die Aufgaben und Grenzen, die den Verfas- So, wie Sie auch andere bedenkliche Punkte Ihrer sungsschutz begleiten? Was darf er, was muss er Vergangenheit nicht sauber aufarbeiten, haben Sie leisten, und was darf und soll er nicht tun? Welche auch hier Nachholbedarf. technischen Möglichkeiten hat er, und wie begeg- net er den technischen Möglichkeiten, die die Herr Kollege Limburg, wenn Sie sich hier vor dem Feinde nutzen und haben? Plenarsaal vor die Journalisten stellen, sich echauffieren und sagen: „Mit diesem Verfassungs- Und ja: Insbesondere sollten wir auch darüber schutz in Niedersachsen kann etwas nicht stim- sprechen, welche Form von Öffentlichkeitsarbeit men. Allen Ernstes überwacht er doch Mitarbeiter der Verfassungsschutz betreibt. Denn eines der von Abgeordneten der Grünen“, dann sage ich Hauptprobleme bei der aktuellen Diskussion war Ihnen: Mit den Grünen kann etwas nicht stimmen, nach meiner Auffassung, dass immer dann, wenn wenn der Verfassungsschutz verpflichtet ist, Abge- es heißt, der Verfassungsschutz führt eine Akte, ordnete und Mitarbeiter von den Grünen an dieser sofort ein Film ablief, auch in der Öffentlichkeit, als Stelle zu überprüfen. ob da Schlapphüte hinter Bäumen stehen, schau- en, mit wem man sich trifft, Telefone abhören usw. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei usw. Aber nichts von alldem ist passiert. Es wird der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: gesammelt. Es wird ein öffentliches Dokument Wie bitte? - Johanne Modder [SPD]: gesammelt und geguckt: Wer ist dafür verantwort- Herr Nacke! - Ulrich Watermann lich, und was macht er eigentlich sonst so? - Das [SPD]: Das ist eine Ungeheuerlichkeit! ist das, wenn der Verfassungsschutz eine Akte - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke führt. Wo ist das Problem? - Selbstverständlich der Präsidentin) muss so etwas durchgeführt werden, wenn ein verfassungsfeindlicher Inhalt in diesem Dokument Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: erkennbar ist, meine sehr verehrten Damen und Moment, bitte! - Herr Kollege Nacke hat jetzt das Herren. Wort. Ich bitte um etwas Ruhe.

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Jens Nacke (CDU): „Eine von Innenminister Boris Pistorius ein- Ich erinnere in diesem Zusammenhang - - - gesetzte Expertenkommission decke die ganze Bandbreite an Themen ab.“ (Johanne Modder [SPD]: Wir dürfen uns nicht alles bieten lassen! - Weite- Oder: re Zurufe - Unruhe) „Es sei auch vorgesehen, Experten der Landtagsfraktionen einzubinden.“ Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Moment, bitte, Herr Nacke! - Ich bitte um etwas - Natürlich nur SPD und Grüne. - Weiter heißt es: mehr Ruhe. Alle Fraktionen haben noch Redezeit. „‚Wir haben das schon berücksichtigt’, sagte - Bitte, Herr Nacke! sie.“ (Ina Korter [GRÜNE]: Die Fraktion als Wenn zwei Kolleginnen und Kollegen aus diesem Verfassungsfeinde zu beschimpfen, Landtag dabei sind, sagt die Präsidentin, der Land- ist nicht in Ordnung!) tag sei ausreichend berücksichtigt. Dann muss ich sagen: Ich finde, das ist nicht der Fall, meine sehr Jens Nacke (CDU): verehrten Damen und Herren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den (Starker Beifall bei der CDU und bei Parteitag der Grünen in Stade am 14. Oktober der FDP) 2012. Dort haben Sie, Frau Fraktionsvorsitzende Piel, davon gesprochen, dass Sie diesen Scheiß- Ich wende mich in diesem Zusammenhang einmal haufen in den Ämtern nicht so sitzen lassen wol- ausdrücklich an Herrn Minister Wenzel in Ihrer len, wie sie jetzt da sitzen. So ist das seinerzeit in vorherigen Funktion, als Sie Fraktionsvorsitzender der HAZ zitiert worden. Und Sie haben gesagt: Die hier im Haus waren. Man stelle sich einmal vor, in müssen Feuer unterm Arsch kriegen. - Frau Präsi- der letzten Wahlperiode hätte der Chef des Berg- dentin, das alles ist nicht parlamentarisch und nur amtes oder von NPorts gesagt: Wir brauchen diese zitiert. parlamentarische Begleitung nicht. Wir machen das alles schon selbst. - Was hätten Sie dann hier (Thomas Adasch [CDU]: Das ist ein für Reden gehalten! - Jetzt sitzen Sie schweigend ganz schlechter Stil!) da. Mischen Sie sich endlich wieder ein! Werden Das ist Ihnen inzwischen auch gelungen: Die Prä- Sie dem Anspruch gerecht, den Sie als Fraktions- sidentin verhält sich gegenüber den Mitarbeitern vorsitzender hier gesetzt haben! rechtswidrig und willkürlich. Die Motivation in den (Starker Beifall bei der CDU und bei Ämtern ist am Boden. Die Verunsicherung ist rie- der FDP) sengroß. Erfahrene Leute wollen nur noch weg, weil sie die parteipolitische Instrumentalisierung Herr Minister Pistorius, aus Ihrer Zeit als Oberbür- des Verfassungsschutzes nicht mittragen. germeister von Osnabrück wissen wir, dass Sie ein Kardinalproblem haben. (Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Minister Boris Pistorius: Ach ja? - Zu- rufe von Johanne Modder [SPD] und Dafür, Herr Minister Pistorius, tragen Sie die Ver- Helge Limburg [GRÜNE]) antwortung. Sie sind ein Sicherheitsrisiko für das Land Niedersachsen. Gott sei Dank wird Osnabrück jetzt wieder von einem CDU-Oberbürgermeister regiert. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und (Beifall bei der CDU) bei den GRÜNEN) Ihr Problem war schon in Osnabrück: Sie sind Gestern - der Kollege Dr. Birkner hat es gerade unfähig, geeignetes Personal auszuwählen. angesprochen - ist im Vorfeld der heutigen Debatte (Lachen bei der SPD) Frau Brandenburger über dpa über uns gekommen und hat gesagt: Wir benötigen das alles nicht. Wir Das haben Sie in Osnabrück bewiesen, und genau brauchen das alles nicht. Es soll keine zusätzliche dieses Problem haben Sie auf die Polizei und erst Enquetekommission eingesetzt werden. Ich zitiere recht auf den Verfassungsschutz, auf Frau Bran- aus der dpa-Meldung: denburger, übertragen. Diese Frau kann diese Behörde nicht leiten. Das wissen Sie inzwischen

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längst. Sie müssen sie halten, weil es sonst ein (Zuruf von der CDU: Zum Thema!) politischer Schaden für Sie wäre. Sie sind - ich Heute hat er dafür für die Zukunft jede Legitimation wiederhole es - ein Sicherheitsrisiko für das Land verloren. Niedersachsen. (Starker Beifall bei der SPD und bei (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN) der FDP - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Herr Nacke, solche Reden sind Herr Kollege Nacke, wenn Sie Größe und Stärke noch nicht einmal im Karneval ange- haben, dann kommen Sie hierher und entschuldi- messen!) gen Sie sich bei den Sozialdemokraten, Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Dr. (Zurufe von der CDU: Wofür denn? - Birkner hat es ausgeführt: Jetzt geht es um SPD Für die Wahrheit?) und Grüne. Jetzt geht es um das Selbstverständnis diese Partei an den Rand der Verfassungswidrig- des Parlaments. Sind Sie bereit, Ihre Aufgaben, keit gestellt zu haben. Ich weise das mit Entschie- Ihre Verantwortung an eine Kommission abzutre- denheit zurück! Ich bitte Sie: Wenn Sie einigerma- ten, die hinter verschlossenen Türen verhandelt, ßen Größe haben, dann unterstellen Sie nicht ei- um Ihre eigenen Konflikte aufzuklären? - Daran, ner Partei, die 150 Jahre Geschichte hat, dass sie dies zu klären, ist ja die Koalition in den Verhand- am Rand der Verfassung steht. Das ist unerhört, lungen fast gescheitert. - In diesem Fall wird dann das ist unanständig, und das gehört sich nicht in alles 1 : 1 vorgegeben. Ich kann Ihnen jetzt bereits diesem Parlament! voraussagen: Nicht ein Jota werden Sie mehr än- dern können. Dazu sind Sie doch gar nicht berech- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei tigt. Sie geben Ihre kompletten Fähigkeiten und den GRÜNEN) Qualifikationen, zu verhandeln, zu diskutieren und Ich sage Ihnen auch: Sie bringen den Verfas- mitzureden, an eine Kommission ab, die hinter sungsschutz ebenfalls an diesen Rand, weil Sie verschlossenen Türen verhandelt. Das ist unpar- nicht damit umgehen können, weil Sie nur diffamie- lamentarisch, das ist undemokratisch, das machen ren, um von alten und eigenen Fehlern abzulen- wir nicht mit. Sie entscheiden jetzt über Ihr Selbst- ken. verständnis als Parlamentarier. Ich bin gespannt auf die Beratungen im Ausschuss. (Petra Tiemann [SPD]: So ist es!) Herzlichen Dank. Sie sind nicht würdig, das in dieser Art und Weise (Starker, lang anhaltender Beifall bei zu tun. Tun Sie es nicht noch einmal für Ihre Par- der CDU und bei der FDP - Johanne tei, sondern überlassen Sie es anderen! Modder [SPD]: Niveauloser geht es (Starker, anhaltender Beifall bei der nicht! - Weitere Zurufe von der SPD) SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Ja, das tut weh!) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank. - Zu einer Kurzintervention erteile ich Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Herrn Kollegen Watermann das Wort. Bitte! Herr Nacke möchte antworten. Bitte!

Ulrich Watermann (SPD): (Johanne Modder [SPD]: Macht es nicht schlimmer!) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle hier in diesem Parlament erin- Jens Nacke (CDU): nern sich: Wenn bestimmte Situationen hergestellt wurden, wenn demokratische Parteien an den Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rand gedrängt und in Verdacht gebracht wurden, Herr Kollege Watermann, es wäre natürlich hilf- dass sie der NPD oder überhaupt einer extremen reich, wenn Sie zuhörten. Ich habe nicht die Partei Partei nahestehen sollen, die Verfassung nicht der SPD, nicht einmal die der Grünen, an den tragen sollen, dann ist regelmäßig, wenn es die Rand der Verfassungswidrigkeit gesetzt, sondern Union betraf, der Kollege Nacke nach vorn ge- ich habe gesagt: Sie ziehen an diesem Rand keine kommen und hat sehr emotionalisiert dargestellt, saubere Grenze. dass er das als unerträglich empfindet. (Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Und was ist da der Unter-

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schied? - Meta Janssen-Kucz [GRÜ- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: NE]: Haarspalterei! - Zuruf von Ina Herr Nacke, Sie müssen zum Schluss kommen! Korter [GRÜNE] - Glocke der Präsi- Ihre 90 Sekunden sind um! dentin) Jens Nacke (CDU): Ich will Ihnen sagen, was ich damit meine. Ich zitiere aus einer Publikation, die KontrASt heißt, Letzter Satz, Frau Präsidentin. wörtlich. Sie stammt wohl aus dem Mai 2011. Es Ein Jahr später, am 6. Juni 2012, brannten 13 ist jedenfalls Ausgabe 05/11. Dort heißt es in ei- Fahrzeuge der Bundeswehr in Hannover. Ein nem Artikel: Schaden von 600 000 Euro ist entstanden. Wer „Viele Menschen in diesem Land sind nicht Fahrzeuge ansteckt, der wird irgendwann auch vor politikverdrossen, sondern bereit, sich aktiv Soldaten nicht haltmachen. Das ist das Gedan- einzumischen. Dass die Aktionsformen mitt- kengut, das Sie haben. lerweile auch einen militanten Ausdruck an- (Starker, anhaltender Beifall bei der nehmen, ist dabei eine erfreuliche Entwick- CDU und bei der FDP - Zurufe von lung.“ der SPD: Na, na! - Johanne Modder [SPD]: Sie sollten sich alle schämen! - (Zuruf von der CDU: Aha!) Gegenruf von der CDU: Er soll sich „Sabotage gegen Kriegsgerät und Anlagen entschuldigen! - Weitere Zurufe von der Bundeswehr, gemeinsames Schottern der CDU) gegen den Castor, Häuserbesetzung und das Verhindern von Naziaufmärschen mit Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Straßenblockaden zeigen, wie sehr sich die Als nächster Redner hat nun Herr Kollege Limburg Menschen einmischen wollen.“ für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Und weiter unten in demselben Artikel: (Unruhe)

„Klar ist: Das schöne Leben wird nicht im - Ich bitte alle um Aufmerksamkeit und um etwas Kapitalismus gelebt, sondern erst nach mehr Ruhe. Überwindung dieses unterdrückerischen Systems.“ Helge Limburg (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Meine Damen und Herren, das ist für mich verfas- Herren! Zunächst drei Anmerkungen zu den Rede- sungsfeindliches Gedankengut. beiträgen der Kollegen von FDP und CDU. (Starker Beifall bei der CDU und bei Erstens - damit darüber überhaupt keine Zweifel der FDP) bestehen -: Über die Einsetzung von Enquete- kommissionen entscheidet dieses Parlament, die- Im Impressum dieser Publikation steht Frau Julia ses Hohe Haus, entscheiden die Abgeordneten Amthor. Darüber hat sich Herr Limburg echauffiert. dieses Hohen Hauses und niemand sonst, meine Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt: Im Im- Damen und Herren, und das wird auch so bleiben. pressum steht auch: (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN „Die Artikel dienen auf Grundlage der ver- und bei der SPD - Zurufe von der fassungsmäßigen Ordnung der Förderung CDU: So ist es!) der politischen Bildung, des staatsbürgerli- chen Verantwortungsbewusstseins und der Zweitens: Herr Nacke, Sie haben - ich war zu- Bereitschaft zur Toleranz.“ nächst geneigt, es für einen Versprecher zu halten, aber Ihre weiteren Ausführungen haben deutlich Nein, das tun sie nicht. Das ist verfassungsfeind- gemacht, dass es offenbar bewusst geschehen lich, und das muss auch vom Verfassungsschutz ist - davon gesprochen, dass Sie den Verfas- mit beobachtet werden. sungsschutz als eine Behörde des Innenministers haben wollen. Genau da haben Sie schon den (Zustimmung bei der CDU - Mechthild ersten fundamentalen Unterschied zwischen Ihnen Ross-Luttmann [CDU]: Herr Water- und uns: SPD und Grüne sind nicht der Auffas- mann, entschuldigen Sie sich!) sung, dass der Verfassungsschutz die willfährige

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Behörde eines Innenministers sein kann, sondern Dann zu Ihrer Argumentation bezüglich des Maga- der Verfassungsschutz muss vielmehr dem ge- zins KontrASt. Das ist schon interessant; denn Sie samten Land, allen Menschen in diesem Land, setzen in der Tat die Arbeit fort, die der von Ihnen dienen, meine Damen und Herren, und das wer- ideologisch und parteipolitisch missbrauchte Ver- den wir zukünftig sicherstellen. fassungsschutz in der Regierungszeit von CDU und FDP an den Tag gelegt hat. (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ansgar-Bernhard (Zustimmung bei den GRÜNEN - Focke [CDU]: Dann stimmt doch der Björn Thümler [CDU]: Das ist eine Enquetekommission zu! - Weitere Zu- Unverschämtheit, die ich zurückweise! rufe von der CDU - Unruhe - Glocke - Unruhe - Glocke der Präsidentin) der Präsidentin) Diese Zeitschrift ist mitnichten eine Zeitschrift der Drittens: Herr Nacke, wenn es noch irgendeines Grünen. Sie ist auch keine Zeitschrift der Grünen Argumentes bedurft hätte, warum Ihre Fraktion Jugend. Der Artikel, den Sie zitiert haben, stammt nicht gebeten worden ist, von Anfang an bei der mitnichten aus der Feder eines Mitarbeiters oder Erarbeitung der Reformvorschläge der Experten- einer Mitarbeiterin der grünen Landtagsfraktion kommission mitzuarbeiten, waren das Ihre beiden oder eines wie auch immer gearteten Funktionärs Redebeiträge hier in diesem Haus. der Grünen oder der Grünen Jugend. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Richtig ist, dass es diesen Artikel gibt und dass an SPD - Zurufe von der CDU) anderer Stelle, nämlich in der Gesamtauflistung, Ich weise namens SPD und Grünen Ihre verun- aus der hervorgeht, welche Autoren irgendwann glimpfenden und beleidigenden Äußerungen be- einmal für diese Zeitschrift geschrieben haben, züglich einer angeblich nicht klaren Kante zur Ver- auch Frau Amthor auftaucht. Daraus abzuleiten, fassungsfeindlichkeit bei SPD und Grünen in aller dass Frau Amthor für den konkreten Artikel in die- Schärfe zurück, Herr Kollege Nacke! ser Ausgabe, für die sie keinen einzigen Artikel geschrieben hat, in irgendeiner Form Verantwor- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN tung trägt, ist beleidigend und unverschämt. Herr und bei der SPD) Nacke, Sie sollten sich dafür entschuldigen. Herr Watermann hat zu Recht auf die 150-jährige (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Geschichte der SPD hingewiesen. In der Tat: Es SPD) gab Zeiten, da stand die SPD am Rand in diesem Land, weil sie an den Rand gedrängt worden ist. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Ich erinnere an die Sozialistengesetze, ich erinne- re an den engagierten Kampf der Sozialdemokra- Herr Kollege Limburg, lassen Sie eine Frage des tinnen und Sozialdemokraten für die Grundrechte Kollegen Dr. Birkner zu? der Weimarer Verfassung gegen das Hitler-Re- gime, Helge Limburg (GRÜNE): Nein. (Johanne Modder [SPD]: Sie haben ihr Leben dafür gelassen!) Jetzt noch zu den konkreten Anträgen von CDU ich erinnere an die Sozialdemokraten, die in der und FDP. Zunächst zum Antrag der CDU. Meine späteren DDR im Gefängnis gelandet sind, weil sie Damen und Herren, ich habe mich schon sehr sich gegen die Zwangsvereinigung gewehrt haben. gewundert, dass gerade aus Ihrer Feder ein An- trag kommt, der sich mit Reformen des Verfas- (Angelika Jahns [CDU]: Als Opfer der sungsschutzes beschäftigt, sind mir doch noch gut SED!) Ihre Reden im Ohr, die Sie in der letzten Wahlperi- Herr Kollege Nacke, die SPD hat seit 150 Jahren ode, aber auch in dieser Wahlperiode gehalten und die Grünen haben seit 30 Jahren stets die haben. Stets war der Verfassungsschutz, gerade Gewähr dafür geboten, für die Grundrechte, für die unter Uwe Schünemann, immer ohne Fehl und Freiheit in diesem Land einzustehen. Sie sollten Tadel. Stets war es die Landtagsopposition - das hier nicht verunglimpfen. wahlweise Linke, SPD oder Grüne -, die alles nur aufgebauscht hat. Die Beobachtung grüner Land- (Starker Beifall bei den GRÜNEN und tagskandidaten haben Sie gedeckt. Die Islamis- bei der SPD) tencheckliste, die Verhöhnung muslimischer Ge-

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meinden, verhinderte Einbürgerungen, die Beob- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: achtung der Gesamtpartei DIE LINKE, die Beob- Vielen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat nun achtung von Anti-Nazi-Aktivisten, von Atomkraft- Herr Kollege Nacke, CDU-Fraktion, das Wort. gegnern, von kritischen Journalisten und von Rechtsanwälten, all das haben Sie immer gebilligt (Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wel- und verteidigt. Wo sehen Sie denn da Reformbe- che Verschlimmbesserung kommt darf, wenn ich das glauben soll? denn jetzt?)

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Jens Nacke (CDU): SPD) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Limburg, Sie haben erneut nicht der Solange sich die CDU-Fraktion nicht mit der Tätig- Versuchung widerstanden, die Tatsachen zu ver- keit des Verfassungsschutzes auseinandersetzt, drehen. Ich habe ja gar nicht behauptet, dass es solange haben Sie in der Reformdebatte über- eine Publikation der Grünen Jugend sei. haupt keine Glaubwürdigkeit. (Helge Limburg [GRÜNE]: Aha! Inte- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ressant!) SPD) Es ist eine Publikation des AStA der Uni Hannover. Nun zum Antrag der FDP-Fraktion. Herr Dr. Birk- Darin ist dieser Artikel unter der Überschrift „Liebig ner, Sie sind ja neuerdings Verfassungsschutzpoli- 14 Forever“ veröffentlicht. Bezeichnet ist der Autor tiker. Früher waren Sie Umweltminister. Wie es der als 762-AntiFa - was immer das heißen mag. Es ist Zufall will, waren diese beiden Themen in Ihrer beim Verfassungsschutz natürlich immer ein biss- Regierungszeit auf ganz besonders enge Weise chen das Problem, dass die Verfassungsfeinde miteinander verknüpft - ich möchte hinzufügen: auf nicht beim Innenminister klingeln und sagen: Ich drastische Art und Weise. Wer der Umwelt-, insbe- bin ein Verfassungsfeind. Bitte legt über mich eine sondere der Atompolitik der schwarz-gelben Lan- Akte an. desregierung im Wege stand, lief stets Gefahr, Aber in derselben Zeitschrift gibt es auf Seite 2 vom Inlandsnachrichtendienst beobachtet zu wer- einen kleinen Artikel. Da heißt es: Ein neuer AStA den. Sie haben Atomkraftgegnerinnen und -geg- im Amt, seit dem 18. Mai. - Dort wird u. a. als Mit- ner, Tierschützerinnen und Tierschützer, aber auch glied dieses neuen AStA, und zwar als Referentin Gegnerinnen und Gegner von Kohlekraftwerken für Presse und Öffentlichkeit, Frau Julia Amthor vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Auch angeführt. Wenn die Referentin für Presse und von der FDP gab es dazu kein offenes Wort. Öffentlichkeit keine Verantwortung für die Publika- tion des AStA trägt, dann frage ich mich in der Tat: (Zustimmung bei den GRÜNEN und Was macht sie denn sonst? - Selbstverständlich bei der SPD) trägt sie dafür Verantwortung. Herr Dr. Birkner, auch für Ihre Partei gilt: Setzen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sie sich mit den Fehlern auseinander, und bringen Um den Bock endgültig fett zu machen: Es gibt in Sie auf dieser Grundlage Ihre Reformideen in den dieser Zeitschrift zusätzlich noch ein umfangrei- selbstverständlich breiten, offenen und transparen- ches Interview mit Sigi. Damit ist aber nicht der ten parlamentarischen Reformprozess ein! Parteivorsitzende der SPD gemeint, sondern ein (Christian Grascha [FDP]: Den wollen erkannter und ohne Zweifel auch anerkannter Ver- Sie ja nicht!) fassungsfeind aus der Anti-Expo-AG. Auch er ver- öffentlicht hier. Diese ganze Publikation strotzt vor Aber tun Sie nicht so, als sei in Ihrer Amtszeit alles Verfassungsfeindlichkeit, und Frau Amthor trägt richtig gewesen. Das ist es nicht. Ein Zurück zum dafür die Verantwortung. Das werden Sie nicht Verfassungsschutz der Amtszeit Uwe Schüne- wegdiskutieren können. Dem müssen Sie sich mann kann und darf es nicht geben. stellen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: und bei der SPD) Herr Kollege Limburg möchte antworten. Bitte!

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Helge Limburg (GRÜNE): Wir leben in einem Land, in dem wir uns genauso Sehen Sie, genau das meine ich, Herr Nacke. Sie frei, wie es vorhin geschehen ist, mit etwas ausei- hatten jetzt zum zweiten Mal die Chance, sich für nandersetzen können. Wir leben in einer Demokra- Ihre unverschämten Äußerungen zu entschuldi- tie, und wir wollen diese Demokratie geschützt gen. Sie haben sie nicht genutzt. Sie hatten zum wissen. Es ist ein wesentliches Fundament, dass zweiten Mal die Chance, hier endlich einmal ir- alle demokratischen Parteien, die wählbar sind, gendeinen konkreten Reform- oder Verbesse- Politik auf dem Boden der Verfassung gestalten. rungsvorschlag der CDU-Landtagsfraktion zu prä- Wir setzen uns damit auseinander, dass wir diese sentieren. Darauf warten wir bis heute. Wir würden Verfassung bzw. die Demokratie vor denen schüt- Ihre Ideen ja berücksichtigen, wenn denn endlich zen müssen, die sie missbrauchen wollen oder die einmal eine käme, Herr Kollege Nacke. Wirtschaftsspionage betreiben, um unser Land zu schwächen, oder die aus religiösen oder politi- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der schen Motiven heraus dieses Land verändern wol- SPD - Björn Thümler [CDU]: Das kön- len und uns die demokratischen Grundzüge ent- nen Sie gar nicht, weil Sie nicht zuhö- ziehen wollen. Zu den demokratischen Grundzü- ren wollen! Das ist doch Ihr Problem!) gen gehört, dass wir unsere Meinung frei äußern Nun zu Ihrem konkreten Vorhalt. Ich hatte gele- können, dass wir klar Position beziehen können, gentlich schon das Gefühl, Herr Kollege Nacke, dass deutlich werden kann, dass es unterschiedli- dass Sie einen dringenden Bedarf an Rechtsfort- che Positionen gibt und dass wir uns dabei mit bildung haben. gegenseitigem Respekt behandeln. (Zustimmung bei den GRÜNEN) (Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz) Es gibt in Deutschland Pressegesetze. Es gibt Verantwortliche im Sinne des Pressegesetzes. Die Es fängt dann an, gefährlich zu werden, wenn die muss es in jeder Publikation geben. Den gibt es Meinungsäußerung mit Gewalt oder Sachbeschä- auch in dieser Publikation. Die Verantwortlichen im digung einhergeht. Warum diskutieren wir das im Sinne des Pressegesetzes sind für die Publikation Moment so deutlich und klar? - Weil wir spätestens verantwortlich. Wenn Sie diese Publikation lesen, nach den Ereignissen im Zusammenhang mit dem werden Sie feststellen, dass Frau Amthor eben NSU festgestellt haben, dass es Fehlentwicklun- nicht verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes gen gibt, dass uns der Verfassungsschutz nicht ist. Hören Sie also auf, hier junge Menschen, die immer schützt und dass - diese Feststellung hat sich politisch engagieren, zu diskreditieren, zu der Untersuchungsausschuss über alle Parteigren- diskriminieren, öffentlich durch den Dreck zu zie- zen hinweg getroffen - gravierende Fehler möglich hen und damit natürlich ein verheerendes Signal sind. an alle politisch engagierten jungen Menschen in diesem Land auszusenden! Wir stellen in der weltweiten Debatte fest, dass wir vorsichtig mit dem sein müssen, was über jeman- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN den gesammelt wird. Wir stellen fest, dass wir über und bei der SPD) den Umgang mit der Entscheidung, Daten von uns frei zu geben, große Diskussionen führen müssen. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: In diesem Kontext diskutieren wir auch über die Vielen Dank. - Als nächster Redner hat nun Herr beantragte Enquetekommission und darüber, dass Kollege Watermann, SPD-Fraktion, das Wort. Dinge geschehen, die wir für problematisch halten. Selbst die Kirche, habe ich heute Morgen in der Ulrich Watermann (SPD): Zeitung gelesen, sagt: Damit muss man sehr sorg- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen sam umgehen. - Ich glaube, das eint uns. Das und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem sollten wir an dieser Stelle, auch wenn es an ande- Verfassungsschutz bzw. dem Einsetzen einer En- ren Punkten Auseinandersetzungen gibt, vielleicht quetekommission. Wir haben uns gestern auf An- deutlich so sagen. trag der FDP-Fraktion im Rahmen einer Aktuellen Wie ist die Diskussion zu uns gekommen? - Sie ist Stunde mit der Frage auseinandergesetzt: Wie über den Bereich des NSU und des entsprechen- verhält es sich eigentlich mit dem Datensammeln? den Untersuchungsausschusses zu uns gekom- Wo sind da eigentlich die Notwendigkeiten, und wo men. Aber wir führen dazu auch in Niedersachsen sind die Gefahren? eine Debatte. Wir führen eine Debatte in einer

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Auseinandersetzung über das, was in Niedersach- Ulrich Watermann (SPD): sen geschehen ist. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Nein, ich führe insgesamt aus. Sie kann danach Wir müssen und werden uns mit der Arbeit des fragen. Verfassungsschutzes auseinandersetzen, weil uns auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in Vizepräsident Karl-Heinz Klare: einer Gesetzesberatung gesagt hat: Euer Verfas- sungsschutzgesetz ist nicht mit dem kompatibel, Okay. - Nein, Frau Jahns. was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. - Es gibt also Handlungsbedarf. Ulrich Watermann (SPD): Wir setzen uns also mit den Dingen auseinander, Diesem Handlungsbedarf wird entsprochen, indem die im Niedersächsischen Verfassungsschutz ge- sich die Regierung fit macht und Vorschläge vorle- schehen, indem wir gucken, was eigentlich richtig gen wird. Wir werden dies in der Beratung in den und was falsch gelaufen ist. Ich sage Ihnen: Das zuständigen Ausschüssen mit den Instrumenten kann man in einer guten und vernünftigen Debatte tun, die uns gegeben sind: mit Anhörungen, viel- tun. leicht mit der einen oder anderen gesonderten Beratung. Aber was passiert? - Hier wurde gerade die Sozi- aldemokratie an den Rand der Verfassung gestellt. Wir haben den Ausschuss für Fragen des Verfas- Das wurde nicht zurückgenommen, sondern es sungsschutzes sowie den Innenausschuss. Unse- wurde auf Zeitschriften eines AStA ausgewichen. rer Meinung nach können wir die nötigen Schlüsse Ganz unverhohlen wird hier formuliert, dass wir als aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses Sozialdemokraten und auch die Grünen ein Prob- und aus den Erkenntnissen derer ziehen, die sich lem mit der Verfassung in der Bundesrepublik jetzt Gedanken über den Niedersächsischen Ver- Deutschland haben. Es wird legitimiert, dass be- fassungsschutz machen, was dort geschehen ist. stimmte Personen beobachtet worden sind.

Eine Enquetekommission setzt man ein, wenn man Damit wird deutlich, dass man den Verfassungs- langfristige Veränderungen herbeiführen will. In schutz anders sieht, zumindest seitens der Union, der letzten Legislaturperiode hatten wir eine En- nämlich als den politischen Erfüllungsgehilfen der quetekommission zur Aufstellung der kommunalen jeweiligen Regierung. Ebene beantragt. Das war damals abgelehnt wor- (Beifall bei der SPD und bei den den. Es hieß, dass es dafür die normalen Bera- GRÜNEN) tungsmöglichkeiten im Niedersächsischen Landtag gibt. Das sagen wir auch heute. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht nicht! Es geht nicht, dass man andere an den Wir werden uns aber mit den Anträgen auseinan- Rand der Demokratie rückt, nur um selbst von dersetzen, weil viele der Fragestellungen in der alten Fehlern abzulenken. Meine Damen und Her- Beratung, wenn es um ein neues Gesetz und um ren, Sie von der Union haben ein Riesenproblem eine Neuaufstellung des Verfassungsschutzes mit der Vergangenheit. Sie wollen uns jetzt mit geht, durchaus notwendig sind. Deshalb wird zu Löscheimern helfen, füllen in diese Löscheimer diesem Teil das passieren, was vernünftigerweise aber Benzin, damit es ordentlich brennt. in der Beratung passiert. (Widerspruch bei der CDU - Johanne Aber was geschieht noch? - Es geschieht etwas, Modder [SPD]: Genau so!) was mir Angst macht. Wir bekommen die Nach- Sie diffamieren Menschen, die Verantwortung tra- richt, dass die Daten von Menschen zu Unrecht gen, und haben dort in der Vergangenheit nur Par- gespeichert sind. Wir kommen in die Situation, teibuchpolitik gemacht und nur politische Aufträge dass wir nicht genau erkennen können, warum erteilt! solche Instrumente eingesetzt wurden. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Ihr Pressesprecher und derjenige, der Öffentlich- Herr Kollege Watermann, ich darf Sie kurz unter- keitsarbeit betrieben hat, hat die Konrad-Adenau- brechen. Von Frau Jahns liegt der Wunsch auf er-Stiftung auch noch unterstützt. Sie haben dort eine Zwischenfrage vor. jemanden hingesetzt, der genau das getan hat,

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was Sie wollten. Heute tun Sie so, als wenn Sie Sie wollen sich verstecken, weil Sie - das ist der nicht dabei gewesen wären. Grund - parteipolitisch motiviert sind und weil Sie selbst uneinig sind; Ich sage Ihnen mit Blick darauf, dass in Osnabrück ein CDU-Mann gewonnen hat: Gott sei Dank ist (Johanne Modder [SPD]: Mit Ihnen der Sozialdemokrat in Hameln-Pyrmont gewählt reden wir darüber nicht!) worden; denn einen Sieg des dortigen Gegenkan- die Grünen wollen den Verfassungsschutz nämlich didaten hätten wir nicht ertragen. längst loswerden. Das ist auf dem Parteitag noch einmal sehr deutlich geworden. Lesen Sie nur die (Beifall bei der SPD und bei den Anträge zum jetzigen Parteitag! GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Herr Kol- lege Nacke: Kurzintervention. Bitte schön! Herr Kollege Watermann, bitte!

Ulrich Watermann (SPD): Jens Nacke (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! das ist kein Problem Schünemann, das ist ein Herr Kollege Watermann, ich glaube, das ist genau Problem der Union; denn sie ist es insgesamt. Das das Kernproblem. Sie haben sich inzwischen haben Sie, Herr Nacke, in Ihrem Redebeitrag deut- selbst derart erfolgreich eingeredet, dass Uwe lich gemacht. Sie von der Union sind es, die über- Schünemann ganz schlimme Sachen gemacht hat. haupt nicht einordnen können, wie in einer Demo- Dafür gibt es aber keinen Beleg und keine Be- kratie Verfassungsschutz zu funktionieren hat. Sie gründung. Aber Sie reden sich das permanent ein, wollen alles beobachten, was Ihnen quergeht. weil er Ihnen in der Oppositionszeit und natürlich Dabei rücken Sie alles erbarmungslos an den auch im Wahlkampf ständig als Feindbild gedient Rand der Verfassung und lassen es vom Verfas- hat. sungsschutz beobachten, wie es Ihnen gerade passt. Das führt jetzt aber dazu, dass Sie sich selbst legi- timiert sehen, ohne jede Scham eine allein partei- Sie haben eine Methode: Keinen Inhalt liefern, politisch motivierte und agierende Verfassungs- aber andere diffamieren und anderen Dreck hin- schutzpräsidentin einzusetzen und einfach quer terherwerfen, damit etwas klebenbleibt! durch den Verfassungsschutz ein Sicherheitsrisiko (Beifall bei der SPD und bei den zu schaffen, weil Sie die Behörde durcheinander- GRÜNEN) gebracht haben, weil alle guten Leute weggehen, weil sie nicht mittragen wollen, was da parteipoli- Sie tun das, weil Sie so über viele Jahre gehandelt tisch abgezogen wird. haben und sich überhaupt nicht vorstellen können, dass andere anders sind. Sie sind Parteibuch- (Widerspruch bei der SPD) mann, Sie sind Funktionär, und Sie haben nur eine Sie wollen den Verfassungsschutz parteipolitisch Aufgabe: ohne Inhalt Punkte zu sammeln. - Das instrumentalisieren und rechtfertigen das damit, wird Ihnen nicht gelingen. dass Uwe Schünemann das angeblich getan hätte. (Starker, anhaltender Beifall bei der Das machen insbesondere Sie die ganze Zeit SPD und bei den GRÜNEN) über. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, jetzt hat Das ist nicht akzeptabel. Wenn das anders wäre, sich der Minister zu Wort gemeldet. Herr Innenmi- dann stimmen Sie dem Antrag doch zu, dann las- nister Pistorius, Sie haben das Wort. sen Sie uns hier breit und in der Öffentlichkeit dis- kutieren anstatt hinter verschlossenen Türen! Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten (Johanne Modder [SPD]: Mit Ihnen Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Vorbe- nicht!) merkung. Ich möchte Herrn Hiebing - wenn auch

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nicht wörtlich - zitieren. Er hat vorhin seine Rede Und wenn Herr Nacke hier mit der ihm eigenen zu einem vorangegangenen Tagesordnungspunkt Vehemenz seine Argumente vorträgt, dann wird für mit dem Satz begonnen, er hätte sich angesichts mich deutlich: Er hat die Maske fallen gelassen. Er der Bedeutung des Themas mehr Sachlichkeit hat die Maske fallen gelassen, die verbergen soll- gewünscht. Dem schließe ich mich für diesen Ta- te, dass man verstanden hat, wie sich Verfas- gesordnungspunkt ausdrücklich an, meine Damen sungsschutz verändern muss. Ich hatte in den und Herren. letzten Monaten bzw. Wochen die Hoffnung, dass wir uns auf einem besseren Wege befinden. Der (Beifall bei der SPD und bei den Antrag, den wir heute beraten, hatte das angedeu- GRÜNEN) tet. Das alles ist heute umgeworfen worden, Ich füge hinzu: Wer mit Vertretern der CDU auf der (Johanne Modder [SPD]: Ja! Weg!) Bundesebene spricht, der stellt fest: Die Bundes- und Sie sind zurückgefallen in die alte Rhetorik. CDU ist in den Fragen der Betrachtung von Ver- fassungsschutz, seiner Aufgaben und wie er sie (Anja Piel [GRÜNE]: Genau!) wahrzunehmen hat, deutlich weiter als Sie, meine Das bringt uns keinen Schritt weiter, meine Damen Damen und Herren. und Herren, jedenfalls nicht in die Zukunft, sondern (Beifall bei der SPD und bei den höchstens in die Vergangenheit. GRÜNEN) (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Wenn man gerade die Debatte verfolgt hat, dann komme ich mit einem Bild hier an das Mikrofon: Ich Und, meine Damen und Herren, der Vollständigkeit habe nämlich fast das Gefühl, eine Zeitreise erlebt halber: Ich habe hier von der NDR-Homepage den zu haben, eine Reise in die Zeiten des Kalten Auszug aus dem Interview mit Frau Brandenbur- Krieges mit all der Diktion, die wir aus dieser Zeit ger. Frau Brandenburger hat lediglich erklärt, dass zur Genüge kennen, mit den unterschiedlichen sie eine solche Einrichtung wie eine Enquetekom- Sehschärfen auf dem linken und auf dem rechten mission für überflüssig hält. Das war alles. Auge und einer geradezu unerträglichen Diffamie- (Ulf Thiele [CDU]: Das steht ihr nicht rung von demokratischen Parteien. Das Ganze zu, Herr Innenminister!) dann auch noch unter den Deckmantel des Schut- zes der Verfassung zu stellen, ist schon ein star- Jeder Mensch in diesem Land hat ein Recht - - - kes Stück! Damit haben Sie sich selbst übertroffen, (Thomas Adasch [CDU]: Das steht ihr Herr Nacke. überhaupt nicht zu! - Mechthild Ross- (Beifall bei der SPD und bei den Luttmann [CDU]: Das entscheidet das GRÜNEN) Parlament!) - Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, meine Da- Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine Damen men und Herren, aber ich betrachte dieses Land und Herren. Sie alle kennen das schöne Sprich- als eine demokratische Institution. wort: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mit mindestens vieren auf sich selbst. - Das trifft (Thomas Adasch [CDU]: Was haben auch auf diesen Fall zu. Sie zeigen mit dem Finger Sie denn für ein Parlamentsverständ- permanent auf Frau Brandenburger, machen sie nis?) verantwortlich für alles Mögliche, bezeichnen wen - Halten Sie doch mal den Ball flach! auch immer aus welcher Erkenntnis heraus auch immer als Sicherheitsrisiko und verkennen selbst - (Ulf Thiele [CDU]: Sie müssen Ihrer und das in Vollkommenheit -, dass das, was wir Behördenleiterin erklären, dass das uns im Verfassungsschutz jetzt zu vergegenwärti- so nicht geht!) gen haben, das Ergebnis von zehn Jahren Das ist doch ganz einfach. Eine Präsidentin des schwarz-gelber Sicherheitspolitik ist, meine Damen Landesamtes darf ihre Meinung äußern - - - und Herren. (Beifall bei der SPD und bei den (Starker Beifall bei der SPD und bei GRÜNEN - Zurufe von der CDU und den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: von der FDP) So ein Unsinn!)

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Das ist doch ihre Entscheidung - - - weil ich der Auffassung bin - und das wüssten Sie, wenn Sie die Diskussion der letzten Monate auf- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: merksam verfolgt hätten -, dass wir das Rad nicht Herr Minister, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Es neu erfinden müssen. geht um eine Zwischenfrage. Herr Dr. Birkner Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie zu den NSU-Morden hat gute Empfehlungen aus- das? gesprochen, die auf Bundesebene bis heute ein- mütig so gesehen werden. Wir haben den Ab- Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: schlussbericht der Bund-Länder-Kommission, der Grundsätzlich jederzeit gerne. Aber meine Zeit ist ebenfalls zu hoch interessanten, nützlichen Aus- knapp. wertungen und Konsequenzvorschlägen gekom- men ist. (Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Wenn Sie Wir bewegen uns bereits auf einem sehr guten die Verfassung kennen würden, wüss- Fundament von Erkenntnissen. Es ist - aus meiner ten Sie, dass Sie jederzeit reden dür- Überzeugung heraus - wenig zielführend, jetzt eine fen! - Thomas Adasch [CDU]: Das ist große Enquetekommission einzusetzen, die über der neue Stil!) Monate und Monate verhandelt und diskutiert, während wir gleichzeitig sehr kurzfristig mit einer Wir machen das ein anderes Mal. schlagkräftigen Arbeitsgruppe eine solche Vor- schlagsgrundlage erarbeiten können. Danach wird Vizepräsident Karl-Heinz Klare: es das geben, was es immer gibt: eine öffentliche Das heißt nein. Diskussion. Wir werden in den parlamentarischen Gremien die Ergebnisse vorstellen. Wir werden Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: einen Verfassungsschutzgesetzentwurf vorlegen, Meine sehr geehrten Damen und Herren, - - - der in breiter Öffentlichkeit diskutiert werden wird. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wo da Vizepräsident Karl-Heinz Klare: demokratische Defizite enthalten sein sollen. Meine Damen und Herren, das ist das Recht des Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass Redners. Bitte beachten Sie das! Der Minister hat der Reformbedarf enorm ist. Wir haben heute Mor- erklärt, danach steht er zur Verfügung. gen wieder gehört, warum das so ist. Gerade die Ausführungen von Herrn Nacke haben deutlich Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: gemacht, dass wir ein anderes Denken brauchen In dem Interview hat Frau Brandenburger in dem in der Frage, wie wir Verfassungsfeindlichkeit von weitaus größeren Teil ausgeführt, dass man einen allem anderen abgrenzen, wo es verfassungsbe- offenen Prozess will, dass man Experten von allen drohend wird und wo es im Grenzbereich ist, so- Fraktionen hinzuziehen will und dass es danach dass man ein Auge darauf haben muss, aber eben selbstverständlich - das hätte sie nicht einmal er- auch nicht mehr. wähnen müssen - einen demokratischen, offenen Meine Damen und Herren, es führt zu nichts und Prozess über die Zwischenergebnisse und über es ist bedenklich, wenn man - wie wir heute gehört die Folgerungen gibt, die sich daraus für ein neu- haben - über jeden und alles einen Datensatz an- es, modernes, zukunftsweisendes Niedersächsi- legen darf, nur weil man das Gefühl hat, es ist sches Verfassungsschutzgesetz ergeben. verfassungsfeindlich. Dazu gehört mehr, meine Ihre Aufregung kann ich beim besten Willen nicht Damen und Herren. mehr nachvollziehen. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei (Beifall bei der SPD und bei den den GRÜNEN) GRÜNEN) Dazu gehört vor allem auch, dass man mit diesen Meine Damen und Herren, ich habe diese Arbeits- Daten nach Recht und Gesetz umgeht und sie gruppe eingesetzt, löscht, wenn sie nicht mehr benötigt werden oder wenn man feststellt, dass sie unzulässig waren. (Ulf Thiele [CDU]: Das heißt, Sie legi- Und dazu gehört auch, dass man, wenn ein Aus- timieren das!) kunftsersuchen gestellt wird, diese Datei nicht

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löscht und dann mitteilt, es gibt keine Daten, meine (Zuruf von der CDU: Sollen wir als Damen und Herren. Bittsteller auftreten?)

(Zuruf von der SPD: Genau!) Und das wird passieren, meine Damen und Her- ren. Das Ergebnis wird anschließend diskutiert Wir haben hier gestern über Datenschutz gespro- werden. chen. Wir haben über das Grundrecht der informa- tionellen Selbstbestimmung gesprochen. Und dazu (Ulf Thiele [CDU]: Nicht einmal am gehört, dass jeder von uns das Recht haben muss Katzentisch lassen Sie die Opposition und das Recht hat zu erfahren, ob über ihn beim sitzen!) Verfassungsschutz oder anderswo etwas gespei- - Bleiben Sie doch einfach mal ruhig und gelassen! chert ist oder nicht. Und da muss die Obrigkeit, da Das ist hilfreich bei solch ernsten Themen, glauben muss die Staatlichkeit eine wahrhaftige und ehrli- Sie mir. Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir. Ich che Antwort geben, sonst ist der Rechtsstaat in bin die Ruhe selbst. Gefahr, meine Damen und Herren! (Starker, anhaltender Beifall bei der (Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) Lassen Sie uns die Diskussion in der Arbeitsgrup- pe führen! Niemand wird ausgeschlossen. Wir Denn was bei der NSA richtig ist, kann beim Ver- brauchen den Sachverstand, aber bitte auch einen fassungsschutz nicht falsch sein, meine Damen anderen Geist als den, den Sie gerade so ein- und Herren. drucksvoll noch einmal gerufen haben. Aber zurück zur Enquetekommission und zu mei- Vielen Dank. ner Arbeitsgruppe, die ihre Arbeit bereits aufge- (Starker, nicht enden wollender Beifall nommen hat. Ich wiederhole gerne auch hier: Ich bei der SPD und bei den GRÜNEN) habe großes Interesse daran, diesen Prozess öf- fentlich zu führen, im Sinne einer öffentlichen Dis- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: kussion. Aber dazu brauche ich als Exekutive zu- nächst einmal eine Arbeitsgrundlage, erarbeitet Vielen Dank, Herr Minister, für Ihren Beitrag. Sie von Experten, denen ich vertraue und von denen haben die Redezeit erheblich überschritten. Das ist ich weiß, dass sie nicht einer Denke anhaften, die natürlich Ihr gutes Recht. 30 Jahre alt und längst verstaubt ist, meine Damen (Miriam Staudte [GRÜNE]: Verfas- und Herren. sungsrecht!) (Starker Beifall bei der SPD und bei Aus den Fraktionen ist jetzt um zusätzliche Rede- den GRÜNEN) zeit gebeten worden. Ich erteile den kleinen Frakti- Und deswegen ist völlig klar - es gibt daran keinen onen jeweils zwei, den großen jeweils vier Minu- Zweifel -: Alle - auch die Oppositionsfraktionen - ten. sind ausdrücklich eingeladen, die Arbeit der Ar- Herr Dr. Birkner hat sich zu Wort gemeldet. Bitte! beitsgruppe und damit die notwendige Reform des Verfassungsschutzes aktiv durch konstruktive Bei- Dr. Stefan Birkner (FDP): träge zu begleiten, und zwar auf der Grundlage der Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Arbeitsgruppe und auch in der Arbeitsgruppe. Herren! Sehr geehrter Herr Minister, drei Anmer- (Christian Dürr [FDP]: Wie denn, kungen: wenn man nicht dabei ist?) Erste Anmerkung: Selbstverständlich hat Frau Auch das ist deutlich artikuliert worden. Brandenburger das Recht, jederzeit die Gelegen- heit zu nutzen, ihre Meinung zu äußern. Aber sie (Ulf Thiele [CDU]: Wo denn?) ist vom NDR natürlich nicht als Privatperson ge- fragt worden, sondern selbstverständlich als Präsi- Die Arbeitsgruppe hat ausdrücklich den Auftrag, dentin eines Landesamtes. Damit unterliegt sie auch Mitglieder anderer Fraktionen und Experten natürlich der Gewaltenteilung. Darum gilt - jenseits aus anderen Lagern, wenn ich das mal so sagen dessen, was sie darf - auch das, was politisch klug darf, einzuladen. ist und wodurch Respekt vor dem Parlament zum

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Ausdruck kommt. Diesen Respekt hat sie hier ganz Herr Minister, da haben Sie einfach Politik ge- ausdrücklich vermissen lassen. macht und dem Anliegen, den Verfassungsschutz neu aufzustellen, geschadet. (Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU) Zweite Bemerkung: Es ist immer klug, sich von den Fachleuten beraten zu lassen, wenn man selbst Vizepräsident Karl-Heinz Klare: die eigentliche Kompetenz nicht hat - was aus- Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt hat sich der drücklich kein Vorwurf ist; das ist in solchen Funk- Kollege Jens Nacke, CDU-Fraktion, zu Wort ge- tionen ganz natürlich. Es ist Ihnen auch unbe- meldet. Vier Minuten, Herr Nacke! nommen, eine solche Kommission einzusetzen. Aber dann zu sagen „Danach machen wir das Jens Nacke (CDU): normale parlamentarische Verfahren“ - Sie wissen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! genauso wie alle anderen in diesem Saal, dass es Herr Minister Pistorius, auch von mir einige An- genau so kommen wird, wie es der Kollege Nacke merkungen: hier beschrieben hat: Dann wird man zwischen Rot und Grün etwas festgezurrt haben, was keiner Wir mussten das bereits beim Landwirtschaftsmi- ehrlichen, offenen Debatte mehr zugänglich sein nister erleben, der ähnlich agiert hat: Man kann wird, weil Sie Ihre internen Konflikte haben lösen nicht mal im Amt und mal als Privatbürger seine müssen, staatsbürgerlichen Rechte in Anspruch nehmen.

( [GRÜNE]: Sie müssen (Zurufe von der SPD und von den nicht von sich auf uns schließen!) GRÜNEN: Was?) Wenn sich die Präsidentin des Verfassungsschut- und es wird dann keine Spielräume mehr geben. zes zum Verfassungsschutz äußert, dann äußert (Zustimmung bei der FDP und bei der sie sich als Präsidentin. Als nachgeordnete Behör- CDU) de des Innenministeriums - das ist nun einmal so, ob Ihnen das passt oder nicht, Herr Limburg - un- Wir nehmen Ihr Angebot an. Sie sagen ja immer, terliegt sie der Kontrolle dieses Parlaments. Dann dass Sie an einer guten parlamentarischen Zu- verbieten sich irgendwelche Empfehlungen Rich- sammenarbeit interessiert sind. Wir sagen: Lassen tung Parlament: Solch eine Kommission brauchen Sie uns das in diesem Fall machen! - Aber das wir nicht, bei uns läuft schon alles, wir machen das wird brüsk ausgeschlagen. alles ganz allein. - Das gehört sich nicht. Das müs- sen Sie Ihrer Präsidentin sagen. Sie hat einmal (Johanne Modder [SPD]: Heute Mor- mehr danebengelegen. gen ist das kein Wunder mehr!) (Starker Beifall bei der CDU und bei Abschließende Bemerkung: Ich finde es fatal, dass der FDP) Sie die große Chance vertun, den von Ihnen selbst verursachten Eindruck, dass der Verfassungs- Ich freue mich, dass Sie hier bestätigt haben, dass schutz auch unter Ihrer Führung parteipolitisch der Verfassungsschutz auch weiterhin nach Recht genutzt wird - - - und Gesetz agieren soll. Ich finde, das ist eine Selbstverständlichkeit. (Zurufe von der SPD und von den Ja, in der Tat, Sie haben recht: Wer nicht überprüft GRÜNEN: „Auch“!) werden darf, über den darf auch keine Akte ange- Ich erinnere nur an den Zeitpunkt der Veröffentli- legt werden. Wenn man Informationen, die man chung von Umständen fehlerhafter Speicherungen: gesammelt hat, nicht mehr benötigt, dann müssen nachdem die Präsidenten drei oder vier Monate sie gelöscht werden. Da gebe ich Ihnen ausdrück- von diesen Dingen wusste, kurz vor einer Bundes- lich recht. tagswahl, kurz vor einer Landratswahl. Wenn man Informationen aber noch benötigt, dann dürfen sie ausdrücklich nicht gelöscht werden, egal (Zuruf von der CDU: So ist es! - Jo- ob man die Personen kennt, über die gesammelt hanne Modder [SPD]: „Auch unter Ih- wird, ob man ihnen politisch nahesteht oder ob rer Führung“!) man sie mag. Hier muss unabhängig und überpar-

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teilich agiert werden. Das ist nicht passiert. Frau Da sind Mitglieder anderer Fraktionen natürlich Brandenburger hat hier schwer danebengelegen. tatsächlich nicht erwünscht. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei (Grant Hendrik Tonne [SPD]: Herr der FDP) Kollege, wie lächerlich wollen Sie sich noch machen?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus- drücklich würden wir die Einladung annehmen, in Das ist der Grund, warum Sie uns außen vor las- einer solchen Kommission mitzuarbeiten, wenn- sen - nicht weil Sie von uns keine Informationen gleich wir der Auffassung sind, dass eine Enquete- erwarten. Das ist der Hintergrund. Kommission das richtige Gremium dafür wäre. (Starker Beifall bei der CDU und bei Aber Sie wollen uns ja nicht dabei haben. Sie wol- der FDP - Meta Janssen-Kucz [GRÜ- len uns ab und zu einladen, um unsere Meinung NE]: Der Markenkern der CDU, wie und unsere Informationen zu hören, um dann hin- Herr Schünemann ihn beschrieben ter verschlossenen Türen schon einmal zu bera- hat, wurde hier präsentiert!) ten, wie man darauf wohl reagieren könnte. Jetzt fangen Sie doch bitte nicht mit einem Mär- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: chen an! Die Wahrheit ist doch, dass Grüne und Vielen Dank, Herr Nacke. - Das Wort hat jetzt Hel- SPD völlig über Kreuz lagen, was die Zukunft des ge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Herr Verfassungsschutzes betrifft, Limburg! (Zuruf von der CDU: So ist es!) Helge Limburg (GRÜNE): dass das eine der schwierigen Fragen in den Koa- Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und litionsverhandlungen war. Herren! Herr Kollege Nacke, ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass Sie bei den Koalitions- (Helge Limburg [GRÜNE]: Sie waren gesprächen zwischen SPD und Grünen dabei ge- doch gar nicht dabei!) wesen wären. Ich muss sagen: Es hätte mich auch Kommen Sie doch jetzt nicht mit dem Märchen überrascht, wenn wir Sie dazu eingeladen hätten. daher, jetzt komme eine Kommission, der Sie voll Ich kann, auch wenn das nicht üblich ist, vielleicht vertrauen! Da sitzen ganz viele Grüne drin. ein bisschen erzählen, um Ihrer Besorgnis abzu- (Petra Tiemann [SPD] lacht) helfen, dass das ein schwieriger Punkt sei, der dann verlagert worden sei. Wir haben in der Tat Die soll paritätisch besetzt werden. Als ich Sie das sehr zügig nach der letzten Wahl einen Koalitions- erste Mal danach gefragt habe, wussten Sie nicht vertrag ausgehandelt. SPD und Grüne haben sich einmal, was das bedeuten soll: paritätische Beset- darin u. a. sehr schnell und einvernehmlich auf zung. notwendige Reformschritte beim Verfassungs- (Petra Tiemann [SPD] lacht) schutz und auf eine weitergehende Kommission geeinigt. Dieser Koalitionsvertrag ist auf zwei Par- Inzwischen wissen Sie das: Da sitzen ganz viele teitagen - von SPD und Grünen - einstimmig ver- Grüne drin. Erzählen Sie mir doch nicht, dass Sie abschiedet worden. Machen Sie sich insofern kei- denen vertrauen! Das wird an dieser Stelle nicht ne Sorgen! In diesem Punkt besteht überhaupt der Fall sein. keine Differenz zwischen SPD und Grünen. (Starker Beifall bei der CDU und bei (Beifall bei den GRÜNEN und bei der der FDP - Lachen bei der SPD und SPD) bei den GRÜNEN) Meine Damen und Herren, nun zu Ihren erneuten Der einzige Zweck dieser Kommission, die da sei- Angriffen auf Frau Brandenburger. Ich muss schon tens der Regierung eingerichtet werden soll, ist sagen: Da geht Ihre perfide Strategie weiter. An- doch, den Ausgleich zwischen SPD und Grünen zu statt anzuerkennen, dass mit dem Wechsel in der schaffen. Behördenleitung endlich auch ein Kulturwechsel und ein Wechsel hin zu mehr Respekt vor Daten- (Petra Tiemann [SPD]: Sie disqualifi- schutz, vor Grundrechten betroffener Personen - zieren sich immer mehr! Lassen Sie eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes - es doch sein!) Einzug gehalten haben, anstatt die Aufklärungsar-

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beit von Frau Brandenburger öffentlich zu loben nämlich Angst vor den Streitigkeiten haben, die in und zu unterstützen, versuchen Sie, Haare in der einer solchen Kommission am Ende zutage kom- Suppe zu finden. men.

(Jens Nacke [CDU]: Haare in der (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Suppe? Da liegt eine ganze Perücke in der Suppe!) Deshalb haben wir auch keine Positionierung des Ministers gehört. Er hat auch nur wolkig auf die Stattdessen versuchen Sie immer wieder, sie zu Ergebnisse aus dem Untersuchungsausschuss diskreditieren. Das ist unverschämt und völlig ne- verwiesen, genauso wie Herr Watermann, der sich ben der Sache, Herr Kollege Nacke. auf die Innenministerkonferenzen usw. bezog und (Beifall bei den GRÜNEN und bei der behauptet, da sei ja überall Einigkeit usw. Aber wo SPD) soll es denn hingehen? - Nicht ein Wort zu den Inhalten! Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Frank Oesterhelweg [CDU]: Nichts Herr Kollege Limburg, ich darf Sie unterbrechen. Konkretes!) Bei Herrn Dr. Birkner besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage an Sie. Zweitens, meine Damen und Herren. Es ist bemer- kenswert und stärkt das Misstrauen, dass hier Helge Limburg (GRÜNE): nicht mit offenen Karten gespielt wird, wenn die Kollegin Janssen-Kucz twittert: Den muss ich leider abschlägig bescheiden. Meine Damen und Herren, ich fand den Beitrag „Die erste Überprüfung der Einzelfälle zeigt, des Kollegen Dr. Birkner sehr erhellend. Sie haben dass über 80 % rechtswidrig/unzulässig ge- dem Innenminister vorgeworfen, dass er den Ein- speichert wurden! CDU-Politik!“ druck erwecke, dass auch unter seiner Führung (Frank Oesterhelweg [CDU]: Das ist der Verfassungsschutz parteipolitisch instrumenta- eine Unverschämtheit! - Weitere Zuru- lisiert werde. Damit sind wir einen Schritt weiter: fe von der CDU - Unruhe) Auch die FDP erkennt endlich an, dass der Verfas- sungsschutz unter CDU und FDP missbraucht Meine Damen und Herren, im Innenausschuss ist worden ist. So kann und wird es aber nicht weiter- man übereingekommen und so wurde es von der gehen. Landesregierung kommuniziert: Es wird eine Überprüfung durch die Task Force geben. Dann (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN werden wir als die zuständigen Abgeordneten - und bei der SPD) übrigens selbstverständlich auch im Verfassungs- schutzausschuss - am Ende unterrichtet. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Limburg. - Jetzt liegt eine Wort- Ich finde, es ist eine Unverschämtheit und wirklich meldung zu einer Kurzintervention vor. Herr unerträglich - ich sage dieses Wort nicht oft -, dass Dr. Birkner! es hier offensichtlich andere Informationskanäle gibt, die der Opposition ihre Rechte abschneiden Dr. Stefan Birkner (FDP): und eine parlamentarische Kontrolle unmöglich Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und machen. Herren! Sehr geehrter Herr Limburg, Sie haben ja (Beifall bei der FDP und bei der CDU) vorhin in Ihrem ersten Beitrag auch über die Inhal- te gesprochen. Sie haben heute überhaupt noch Wenn das den Tatsachen entspricht, wie solche nicht gesagt haben, wo eigentlich Ihr Reformbedarf Informationen zustande kommen, ist das zu erklä- ist. Sie haben die ganze Zeit nur ausgeführt über: ren. Ansonsten stärkt das den Eindruck, dass hier Kommission, ja oder nein? Sie haben jedoch nie die kritischen Fragen der Opposition herausgehal- gesagt, für welche Inhalte Sie stehen, haben das ten werden sollen und die Regierung ihr Ding ma- aber von uns eingefordert. Wir haben das in einem chen will. Das ist nicht der Verfassungsschutz, den Entschließungsantrag hier vorgelegt. Wo die inhalt- wir wollen. liche Positionierung Ihrer Fraktion liegt, bleibt völlig (Starker Beifall bei der FDP und bei im Dunkeln. Sie versuchen hier nur, die Öffentlich- der CDU) keit, die Transparenz herauszuhalten, weil Sie

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Selbstverständlich darf man über Erkenntnisse, Herr Limburg, bitte schön! auch über Zwischenerkenntnisse aus der Aus- schussarbeit berichten. Helge Limburg (GRÜNE): Die Zeiten, in denen wir hier wegen eines Tweets Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr eine Landtagsunterbrechung herbeiführen, Kollege Dr. Birkner, ich bin Ihnen dankbar für die (Jörg Hillmer [CDU]: Das war eine Gelegenheit, noch einige Sachen klarzustellen. vertrauliche Sitzung!) Zum einen folgen Ihre unverschämten Angriffe jetzt sollten doch vorbei sein, meine Damen und Her- auf die Kollegin Janssen-Kucz einem Muster, das ren. Das Internet kann doch für uns nicht mehr Sie hier seit Monaten betreiben. Sie suchen sich Neuland sein, wie die Kollegin Merkel einmal auf Einzelpersonen der Regierungsfraktionen oder der Bundesebene gesagt hat. Regierung aus Aber zum Wichtigen. Sie haben die Kommission (Widerspruch bei der CDU und bei der wiederholt kritisiert, Herr Dr. Birkner. Ich kann das FDP) wirklich nicht nachvollziehen. Es hat auf Bundes- ebene eine Kommission gegeben. Es hat zur Re- und versuchen, sie in eine Ecke zu stellen, zu form des Verfassungsschutzes eine Bund-Länder- stigmatisieren. Es wird Ihnen damit nicht gelingen, Kommission gegeben. Es hat in verschiedenen die gute Arbeit der Koalition und der Regierung zu Ländern Kommissionen gegeben. Das ist ein völlig diskreditieren, meine Damen und Herren. normaler Vorgang in der Bundesrepublik Deutsch- (Zurufe von der CDU und von der land. Nur in Niedersachsen soll es ein Skandal FDP - Unruhe - Glocke des Präsiden- sein. ten) Zu den Inhalten. Ich kann Ihnen gerne ein paar Frau Janssen-Kucz hat nichts anderes getan, als Stichworte nennen. Da haben wir in der Tat sogar nach ihren Erkenntnissen einen Zwischenstand Übereinstimmung. Wir müssen darüber reden, wie aus den Unterrichtungen hier über das Internet zu die parlamentarische Kontrolle verbessert werden verbreiten. Die Zeiten - - - kann. Wir müssen darüber reden, wie der Begriff der Verfassungsfeindlichkeit enger definiert wer- (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: den kann. Das hat ja auch der Innenminister be- War das jetzt vertraulich? - Weitere reits gesagt. Wenn Sie ihm zugehört hätten, hätten Zurufe von der CDU und von der Sie das gewusst. Wir müssen darüber reden, wie FDP) die Arbeit mit Auskunftspersonen, sogenannten - Die Kollegin Jahns von der CDU hat Ähnliches V-Leuten, besser kontrolliert und sauberer gestal- verbreitet. tet werden kann, um nur einige Beispiele zu nen- nen. Selbstverständlich haben wir uns positioniert, Vizepräsident Karl-Heinz Klare: und selbstverständlich wird in diesem Parlament ausreichend Raum für konkrete Reformdebatten Meine Damen und Herren, Herr Limburg, eine sein. Sekunde! - Wir haben eine hoch emotionale De- batte. Es ist alles gut. Aber ich bitte, dem Redner Vielen Dank. jetzt zuzuhören. Sonst kommen wir nicht zusam- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der men. SPD) (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Kommen wir auch nicht!) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Es gab den Wunsch nach einer Kurzintervention. Sie haben das Wort. Das können wir nicht machen, weil es auf eine Kurzintervention keine Kurzintervention gibt. Das Helge Limburg (GRÜNE): lässt die Geschäftsordnung nicht zu. Wenn wir da Herr Kollege Dürr, die Frau Kollegin Jahns von der eben etwas übersehen haben - - - CDU hat Ähnliches erzählt. (Zuruf: Eine persönliche Erklärung!) (Zurufe von der CDU: Das ist über- - Eine persönliche Erklärung können wir nachher haupt nicht wahr!) machen, am Ende der Debatte.

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Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Herr Wa- (Frank Oesterhelweg [CDU]: Das ist termann von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. unglaublich! - Weitere Zurufe von der Herr Watermann, Sie haben vier Minuten. Bitte CDU - Unruhe - Glocke des Präsiden- schön! ten) Denn das hat die Sozialdemokratie nicht verdient. Ulrich Watermann (SPD): Sie grenzen aus. Das ist Ihre Politik. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Birkner, die sachliche Diskussion (Starker, lang anhaltender Beifall bei schwankt ja: Was wollen wir eigentlich verändern? der SPD und bei den GRÜNEN) - Ich habe gerade ein paar Punkte genannt. Die sind vielleicht in der Hektik am Ende des Redebei- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: trags verloren gegangen. Ich kann Ihnen nur versi- Es liegt die Bitte zu einer Kurzintervention des chern: Die Zusammenarbeit mit den Grünen ist da Herrn Kollege Nacke auf die Ausführungen des sehr vertrauensvoll, weil wir die Punkte einsam- Kollegen Watermann vor. Bitte schön! meln, die man jetzt tagtäglich erlebt. Wir leben ja in einer Situation, in der wir uns täglich neu damit Jens Nacke (CDU): auseinandersetzen. Wir wollen an das anknüpfen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! was gestern in der Aktuellen Stunde gesagt wurde: Der Kollege Watermann läuft und beruhigt sich Wo ist die Linie? Wollen wir unsere Demokratie wieder. Das ist vielleicht auch ganz gut. schützen oder die Persönlichkeitsrechte ein- schränken? - Über diese Linie müssen wir reden. Herr Kollege Watermann, genau richtig dargestellt! Die ist sehr schwierig zu definieren. Das sehe ich Das ist die Linie. Es geht um genau diese Linie, auch in der Frage, was Leute bereit sind, freiwillig die wir definieren müssen: Was soll, was darf der von sich im Netz preiszugeben. Das ist eine Situa- Verfassungsschutz? Was soll und was darf der tion, mit der man sich auseinandersetzen muss. Verfassungsschutz nicht? Wie schützen wir die Rechte derjenigen, die ihre Persönlichkeit haben, Es geht aber an einer Ecke verloren. Es geht dann und wie schützen wir gleichzeitig aber auch die verloren, wenn es missbraucht wird, so wie der Verfassung vor ihren Feinden? Wie schützen wir Kollege Nacke das macht, indem er alles, was unser Land, und wie schützen wir uns vor den missliebig ist, an den Rand drückt, weil es dann Feinden der Verfassung`? - Sie genauso wie mich. gar nicht darum geht, wie wir gemeinsam die De- Darum soll es in einer Enquetekommission gehen. mokratie schützen wollen. Ihm geht es vielmehr Das ist das ideale Medium dafür, diese zentrale darum, wie der Verfassungsschutz dafür genutzt besondere Frage zu diskutieren. Sie wollen das werden kann, um politische Konkurrenten an den aber nicht in einer Enquetekommission. Sie haben Rand zu drängen. Das ist der Punkt, warum wir uns bis jetzt nicht erklärt, warum. Sie haben nur nicht zueinander kommen können, jedenfalls nicht gesagt: Mit Ihnen wollen wir darüber nicht reden. mit dieser Union. (Johanne Modder [SPD]: Mit Ihnen Herr Nacke ist von seiner Persönlichkeitsstruktur nicht, Herr Nacke!) her so, dass er sich im Zweifel - das weiß ich nicht genau - selber oder anderen kaum traut und sich Herr Kollege Limburg, das ist genau das Problem. dabei gar nicht vorstellen kann, dass es auch ein Sie sagen: Es gibt doch auf Bundesebene eine vertrauensvolles Miteinander gibt. Kommission. Es gibt doch eine Bund-Länder- Kommission. Was ist gegen eine Kommission ein- (Frank Oesterhelweg [CDU]: Jetzt ge- zuwenden? - Nichts ist gegen eine Kommission hen Sie zu weit, Herr Kollege! Das ist einzuwenden, wenn sie es vorbereitet. Wenn aber eine Unverschämtheit!) eine Kommission parteipolitisch besetzt wird, wenn - Sie empfinden das als unverschämt. Ich sage das parteipolitisch außerhalb des Parlaments vor- Ihnen: Die Beleidigungen dieses Mannes heute in bereitet werden soll, dann ist eine Kommission dieser Rede, uns an den Rand der Verfassung zu schädlich für die Demokratie. drängen, sind ungeheuerlich. Stimmen Sie jetzt doch der Enquetekommission (Beifall bei der SPD und bei den zu! Lassen Sie das doch parallel laufen! Was GRÜNEN) nehmen Sie sich denn? Welchen Schaden neh- men Sie denn? Welche Angst haben Sie denn vor Stehen Sie auf und entschuldigen Sie sich dafür! dieser Enquetekommission? Was soll denn dabei

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herauskommen, das Ihnen am Ende einen derarti- Angelika Jahns (CDU): gen Schaden zufügen kann, dass Sie Ihre politi- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eben ist sche Linie nicht mehr durchsetzen können? der Vorwurf erhoben worden, dass ich aus vertrau- Das verstehen wir nicht. Das haben Sie auch nicht lichen Sitzungen Informationen weitergegeben erläutert, es sei denn, Sie beide können nicht mit- hätte. einander und müssen das erst einmal vorher mit- (Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe einander klären. ich nicht gesagt!) (Lachen bei der SPD und bei den - Hier vorne wurde klar mein Name genannt. Es GRÜNEN) hieß, ich hätte mich genauso geäußert wie Frau Das ist der einzige Punkt. Und das ist die Wahr- Janssen-Kucz. heit. Das weise ich hier ausdrücklich zurück. Das wird (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei sicherlich im Protokoll nachzulesen sein. der FDP) Ich habe mich nicht zu Informationen aus vertrauli- chen Sitzungen geäußert. Geäußert habe ich mich Vizepräsident Karl-Heinz Klare: unmittelbar nach der ersten Sondersitzung des Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Herr Water- Verfassungsschutzausschusses. Als ich aus der mann möchte antworten. Bitte schön, Herr Water- Sitzung kam, bin ich von der Presse damit konfron- mann! tiert worden, dass es Abhörmaßnahmen gegeben haben soll, und ich wurde gefragt, was ich zu dem Ulrich Watermann (SPD): Auskunftsersuchen von Frau Röpke sage. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wie dieser Name an die Öffentlichkeit gekommen Kollege Nacke, das hilft, wenn man das so macht. ist, wissen sowohl der Innenminister als auch die Ich empfehle Ihnen, das gelegentlich auch so zu Präsidentin des Verfassungsschutzes. Sie wissen, tun, wenn man sich nämlich so geärgert hat, dass dass es aufgrund dieser Situation eine Information man sich dann ein wenig Beruhigung verschafft. durch die Verfassungsschutzpräsidentin an die Ich sage Ihnen: Ja, wir sind uns einig in der Frage, Betroffene gegeben hat und der Anwalt daraufhin genau wie Sie das beschrieben haben. Wir sind sofort an die Öffentlichkeit gegangen ist. Das ist uns nicht einig mit den Arbeitsmitteln, mit denen also keineswegs durch meine Äußerungen erfolgt, wir das erreichen können. Es gibt aber mehr Ar- sondern durch Äußerungen von anderen. beitsmittel als eine Enquetekommission. Ich sehe (Helge Limburg [GRÜNE]: Das hat die Enquetekommission als ein sehr lang angeleg- auch keiner gesagt!) tes Instrument an, weil man die gesamte Wahlpe- riode braucht. Da muss man ganz bestimmte Me- Deshalb weise ich diesen Vorwurf hier noch einmal chanismen einhalten. Deshalb halte ich das nicht ausdrücklich zurück. für das richtige Arbeitsmittel. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Am Ende Ihrer Kurzintervention kam es wieder: Sie der FDP) können sich nicht vorstellen, dass man sich ge- genseitig vertraut. Das ist unser Grundproblem. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Wir sind damit am Ende der Beratung dieses Ta- gesordnungspunkts und kommen jetzt zur Aus- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: schussüberweisung. Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen Beide Anträge sollen dem Ältestenrat überwiesen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. werden. Wer dem seine Zustimmung geben möch- Wir sind also am Ende der Beratung. te, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so Jetzt hat sich Frau Kollegin Jahns gemäß § 76 beschlossen. unserer Geschäftsordnung zu einer persönlichen Damit sind wir am Ende der Vormittagsitzung an- Bemerkung gemeldet. Sie kennen das Prozedere: gekommen. Wir treten jetzt in die Mittagspause Sie können gegen Sie gerichtete Angriffe zurück- ein. Um 15 Uhr geht es weiter. Guten Appetit! weisen.

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(Unterbrechung der Sitzung von 12.42 Uhr Helmut Dammann-Tamke (CDU): bis 15.01 Uhr) Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Besprechung dieser Gro- Präsident Bernd Busemann: ßen Anfrage der CDU-Fraktion möchte ich es nicht Meine Damen und Herren! Ich darf die Sitzung versäumen, mich im Namen der Fraktion bei allen zum heutigen Nachmittag eröffnen. Mitarbeitern im Niedersächsischen Ministerium für Wir machen weiter mit dem Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, bei den nachgelagerten Behörden und bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen herzlich für Tagesordnungspunkt 20: die Beantwortung der zugegeben umfänglichen 7. Übersicht über Beschlussempfehlungen der Anfrage zu bedanken. ständigen Ausschüsse zu Eingaben - (Beifall im ganzen Hause) Drs. 17/840 - unstrittige und strittige Eingaben Es gab in den letzten Wochen vereinzelt Stimmen vonseiten der Exekutive, die hier und da die Sinn- Sie werden es nicht für möglich halten: Es liegen haftigkeit insbesondere bezüglich des Umfangs keine Änderungsanträge vor. der Formulierungen kritisch hinterfragt haben. De- Gibt es dennoch Wortmeldungen? - Dem ist nicht nen sei zunächst einmal gesagt, dass die Beant- so, sodass wir gleich in die Abstimmung eintreten wortung von durchschnittlich 1,5 Fragen pro Tag können. ein Arbeitsvolumen darstellt, welches in einer leis- tungsfähigen Landesverwaltung leistbar sein Wer den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse müsste. zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzei- chen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ein- Der eigentliche Sinn liegt allerdings nicht in einem stimmig so beschlossen. Das ist eine Rekordleis- Beschäftigungsprogramm, sondern darin, sich tung zum Thema Eingaben. einer unscharf mit dem Begriff der „sanften Agrar- wende“ titulierten Neuausrichtung der niedersäch- Damit ist dieser Tagesordnungspunkt auch schon sischen Agrar- und Verbraucherpolitik über die im besten Sinne abgehandelt. Klärung von unscharfen Begrifflichkeiten sowie Ich rufe dann auf den sich einer Ausgangssituation im Sinne einer mög- lichst detaillierten Eröffnungsbilanz zu nähern.

Tagesordnungspunkt 21: Was das Thema Begrifflichkeiten angeht, ist fest- Besprechung: zustellen, dass es an dieser Stelle keine neuen Wie wirkt sich die angekündigte „sanfte Agrar- Erkenntnisgewinne gibt. Was das Thema Eröff- wende“ auf Erzeuger und Verbraucher von nungsbilanz betrifft, so leiden die Antworten darun- Nahrungsmitteln aus? - Große Anfrage der Frak- ter, dass die Landesregierung es versäumt hat, tion der CDU - Drs. 17/283 - Antwort der Landes- beispielsweise im Bereich von Bestandsgrößen in regierung - Drs. 17/830 der Tierhaltung auf Quellen wie z. B. die Tierseu- chenkasse zurückzugreifen, um zu aktuellen Daten zu gelangen. Ich verweise ausdrücklich darauf, Ich eröffne die Besprechung. Nach § 45 Abs. 5 dass der Minister heute unter Tagesordnungs- unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der punkt 27 diese Datengrundlage für Tierbestände in Besprechung einer der Fragestellerinnen oder der Tierseuchenkasse ausdrücklich selbst erwähnt einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann hat. erhält es die Landesregierung. Gleichwohl, Fakt ist - siehe Koalitionsvertrag -: Es Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt ist erklärtes Ziel der Landesregierung, den Spit- mir die Wortmeldung des Kollegen Helmut Dam- zenplatz Niedersachsens als Agrarland Nummer mann-Tamke vor. Herr Kollege, Sie haben hiermit eins im Bund zu sichern. In diesem Kontext liefert das Wort. Bitte sehr! die Beantwortung der Anfrage eine umfängliche Anzahl an Parametern, an denen sich in Zukunft (Beifall bei der CDU) der Erfolg Ihrer Politik, Herr Minister Meyer, mes- sen lassen muss. Sie tragen die Verantwortung für die 23 435 landwirtschaftlichen Haupterwerbsbe-

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triebe, für die 14 172 Nebenerwerbsbetriebe ein- sen über 79 ha verfügt und im Wettbewerb mit schließlich der mitarbeitenden Familienangehöri- durchschnittlich 326 ha in Mecklenburg-Vorpom- gen, für die Altenteiler, deren Altersvorsorge in mern steht. weiten Teilen durch die wirtschaftende Generation zu erbringen ist, sowie für die Gesellschafter der Diese Nachteile in Bezug auf den Produktionsfak- 4 123 Personengesellschaften und deren Familien, tor Boden wurden und müssen auch zukünftig über für die rund 125 000 Beschäftigten in den landwirt- eine Veredelung - sei es über Sonderkulturen oder schaftlichen Betrieben, für die knapp 70 000 Be- über die Aufnahme einer Tierhaltung - ausgegli- schäftigten im Ernährungsgewerbe und für alle chen werden. So ist es folgerichtig, dass gerade weiteren Beschäftigten im Umfeld der Landwirt- die Gruppe der Veredelungsbetriebe in Nieder- schaft, deren Arbeitsplätze mehr oder weniger sachsen mit durchschnittlich 55 ha bezogen auf stark von einer prosperierenden Landwirtschaft die Flächenausstattung in die Kategorie „eher abhängen. Und natürlich tragen Sie auch die Ver- klein“ fällt. antwortung für den Verbraucherschutz, für gesun- de Lebensmittel und für eine Produktion, die die An diesem Punkt zeichnen sich vorgezeichnete Umwelt nicht dauerhaft belastet. Konfliktlinien zu Ihren Zielvorgaben, dem Erhalt einer bäuerlichen Landwirtschaft, ab. Ausweislich Um es an dieser Stelle unmissverständlich zu sa- Ihrer Pressemitteilung vom 16. Oktober dieses gen: Beim Thema Einhaltung der EU-Wasser- Jahres, die da heißt „Bessere Schweinehaltung in rahmenrichtlinie wird es, wie die heutige Debatte Niedersachsen umgesetzt“, erklären Sie, Herr gezeigt hat, mit uns keinen Dissens geben, was Minister, es als Erfolg, dass dank intensiver Kon- die Zielsetzung der Einhaltung angeht. trollen der Landkreise die EU-Schweinehaltungs- verordnung in 2 700 Sauenbetrieben umgesetzt Doch nun zu einigen Fragestellungen, die unserer sei. Das ist für den Tierschutz ohne Zweifel ein Meinung nach einer besonderen Erwähnung be- Erfolg. Was Sie aber nicht sagen, ist, dass diese dürfen. von der EU im Jahre 2008 vorgegebene Auflage Niedersachsen hat es dank unternehmerisch auf- der Gruppenhaltung dazu geführt hat, dass wir in gestellter Betriebe geschafft, seine Marktanteile Niedersachsen ausweislich der Antwort zu Frau- innerhalb Deutschlands wesentlich auszubauen. ge 8, Tabelle 14, innerhalb von fünf Jahren jeden Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Zahl der zweiten Sauenhalter verloren haben. Das ist ein gehaltenen Kühe, damit verbunden für die Milcher- sektoraler Strukturwandel, für den ich keine ver- zeugung insgesamt, die Käseproduktion, die Ma- gleichbaren Beispiele kenne. germilchpulvererzeugung, die Ferkelerzeugung, (Beifall bei der CDU) die Mastschweineproduktion sowie die Anzahl der erzeugten Masthühner. Diese Zahlen finden ge- Die Wachstumsschwelle für Sauenhalter liegt - nauso ihren Niederschlag in der nachgelagerten Stand heute - bei „> 250 Sauen“. Dieses Beispiel Wertschöpfungskette. Beim Anbau von Feldfrüch- zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass es gerade klei- ten ist eine ebensolche Entwicklung für die Kultu- nere Betriebe sind, die neue, zusätzliche Auflagen ren zu konstatieren, hier besonders beim Raps, bei nicht mehr umsetzen können. Sie sind es, die die den Kartoffeln, beim Gemüse und nicht zuletzt Produktion einstellen, und sie sind es auch, die im beim Baumobst. Zweifel wegen nicht ausreichender Sicherheiten - All diese Parameter zeigen deutlich auf, dass es in weil keine Fläche - keinen Kredit mehr von der Niedersachsen während der vergangenen Jahre Bank bekommen: Ein Teufelskreis! - Und da kom- möglich war, Standort- bzw. Wettbewerbsvorteile men Sie, Herr Minister, mit dem Credo: Kleine zu nutzen, was in der Regel auch mit betrieblichem Betriebe, kleine Auflagen - große Betriebe, große Wachstum verbunden war. Der Vergleich der Auflagen. - Das klingt in der Wahrnehmung der Strukturen im Verhältnis der Bundesländer unter- Öffentlichkeit plausibel, in den Ohren der Betroffe- einander zeigt unter den alten Bundesländern die nen wie Hohn. günstige Agrarstruktur Niedersachsens auf, welche Dieser oberflächliche und in weiten Teilen populis- weitgehend mit unseren schleswig-holsteinischen tische Umgang mit der Materie führt in der Konse- Nachbarn zu vergleichen ist. Setzt man Nieder- quenz noch zu einem weiteren Effekt, der ein Ver- sachsen allerdings in Relation zu den neuen Län- fehlen der postulierten Ziele vorprogrammiert. In dern, so ist die Diskrepanz offensichtlich, da der Ihrer Antwort auf die Frage 39 heißt es: durchschnittliche Ackerbaubetrieb in Niedersach-

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„Der niedersächsische Berufsnachwuchs al- „Ziel der AFP-Förderung ist die nachhaltige ler landwirtschaftlichen Aus- und Fortbil- Modernisierung der Betriebe im ganzheitli- dungsebenen reicht … nicht aus, um alle chen Sinne und nicht wie in der Anfrage landwirtschaftlichen Höfe weiterführen zu suggeriert die Anhebung der Tierzahl auf können.“ ‚optimale Betriebsgrößen’ und war es auch in der Vergangenheit insbesondere für Der Antwort zu Frage 41 ist zu entnehmen, dass in Mastschweine und Geflügel explizit nicht.“ der Gruppe der knapp 26 000 Betriebsleiter älter als 45 Jahre zwei Drittel angeben, keinen Hofnach- Bravo, Herr Minister: In die Falle getappt! Denn folger bzw. eine ungewisse Hofnachfolge zu ha- damit dürfte das politische Argument, welches Sie, ben. Herr Landwirtschaftsminister, immer wieder ange- führt haben: „Die alte Landesregierung hat den Spannend ist in diesem Zusammenhang in der Bau von Massentierhaltungsställen gefördert“, Antwort auf die Frage 39 auch die Aussage, dass durch die Beantwortung aus Ihrem eigenen Haus die Niedersächsische Landesregierung aktiv für als populistisches Wahlkampfargument entlarvt den Berufszweig der grünen Berufe wirbt und dar- sein. über hinaus auf eine Junglandwirteprämie ver- weist. Abgesehen davon, dass ich hier keine (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Haushaltsansätze, was aktive Werbung betrifft, Eine weitere Antwort, die zu unserer besonderen kenne: Glaubt hier im Saal ernsthaft jemand, dass Aufmerksamkeit beiträgt, ist die Antwort auf die ein Senior seinem Sohn oder seiner Tochter emp- Frage 48. Zur Erinnerung: Der Minister hatte sich fehlen wird, eine Ausbildung zum Landwirt zu ma- in Wahlkampfzeiten wiederholt öffentlich dahin chen, weil es in einigen Jahren eine Junglandwir- gehend geäußert, dass eine verfehlte Agrarpolitik teprämie gibt? - Und welches Vertrauen soll in der alten Landesregierung zu einem Verlust von im diese Zusagen bestehen, wenn parallel dazu die Saldo 30 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft unmittelbar einkommenswirksamen Mittel in der geführt hätte. Dazu ist Folgendes anzumerken: Mit ersten Säule gekürzt werden, um sie ausweislich einem Anteil von ca. 40 000 schlagen hier nicht der Antwort zu Frage 104 von den Landwirten weg ständig mitarbeitende Familienangehörige zu Bu- in die Förderung der ländlichen Räume sowie für che. Umweltleistungen fließen zu lassen - Umweltleis- tungen, die immer nur einen Ausgleich für Bewirt- Die sozialpolitische Frage sei hier durchaus ange- schaftungseinschränkungen bzw. -nachteile dar- bracht, ob es erstrebenswert ist, dass Familienan- stellen können und insofern keine unmittelbare gehörige für das Aufrechterhalten von Betriebsab- Einkommenswirksamkeit entfalten können? läufen häufig ohne Entlohnung eingesetzt werden sollen. Fakt ist aber gleichzeitig, dass der Saldo Wer qualifizierten, guten beruflichen Nachwuchs durch ein Plus von 10 000 über reguläre Arbeits- haben will, der muss verlässliche Rahmenbedin- verhältnisse mit ständig und in Teilzeit Beschäftig- gungen setzen - für eine unternehmerische bäuer- ten ausgeglichen wurde. Dies sind Fremdarbeits- liche Landwirtschaft. Prämienoptimierung ist keine kräfte. Daraus den oben erwähnten Schluss zu Perspektive. Ich wage zu behaupten, dass AFP- ziehen, dass die politischen Rahmenbedingungen Programme, die die Förderung im Bereich der schlecht waren, ist allerdings mehr als mutig, zu- Tierhaltung mit Standards vorgeben - siehe Ant- mal die Veröffentlichung der Kammer - Agrarstatis- wort zu Frage 16 -, die weit über den gesetzlichen tisches Kompendium 2011 - auf Seite 37 eine Auf- Mindestanforderungen liegen, sich zu absoluten stellung zeigt, die auf der Basis der gleichen Quel- Ladenhütern entwickeln werden. le, nämlich LSKN, ein kontinuierliches Anwachsen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) der Erwerbstätigkeit in der niedersächsischen Land- und Forstwirtschaft und Fischerei seit 2006 Herr Minister, wenn es Ihnen nicht gelingt, das aufzeigt. Vertrauen des Berufsnachwuchses zu gewinnen, werden Sie eine nie dagewesene Beschleunigung (Beifall bei der CDU und bei der FDP) des Strukturwandels erleben. Was ich damit sagen will: Ich halte die Beantwor- Im Folgenden möchte ich die Gelegenheit nutzen, tung zu Frage 48 und die dort gemachten Aussa- um auf einige Widersprüchlichkeiten hinzuweisen. gen für eingeschränkt seriös. Im letzten Absatz zur Beantwortung auf die Frage Eingeschränkt seriös ist auch die Antwort auf die 16 führt die Landesregierung aus: Frage 75. Dort heißt es:

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„Die Anhebung der Prämien für den Öko- steuern, in offenen internationalen Märkten am Ziel landbau ist eine Reaktion auf die im Zeitab- vorbei. lauf für den Durchschnitt der ökologisch Die niedersächsische Lebensmittel- und Ernäh- wirtschaftenden Betriebe gestiegenen Kos- rungsindustrie wird sich auf offenen Märkten auch ten der ökologischen gegenüber der kon- zukünftig frei mit Rohware eindecken können. Die ventionellen Wirtschaftsweise.“ Steigerung der Exporte zeigt die hohe Wettbe- Drei Seiten zuvor heißt es auf die Frage nach den werbsfähigkeit unserer Lebensmittelwirtschaft. Gewinnentwicklungen im Ökobereich im Verhältnis Große Stallkomplexe werden in die neuen Bundes- zu den konventionellen Betrieben, dass die Anzahl länder oder noch wesentlich weiter nach Osten der Ökobetriebe im BMELV-Testbetriebsnetz nicht verlagert. Es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbe- repräsentativ sei und - weiter - dass sich die Ge- dingungen für die niedersächsischen Bäuerinnen winne der Ökobetriebe in den vergangenen Jahren und Bauern zu sichern. grundsätzlich nicht schlechter entwickelt haben als die Gewinne vergleichbarer konventioneller Betrie- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) be. Also: Was ist denn nun? Sind diese Aussagen Sie, Herr Minister Meyer, haben mit Ihrem Um- repräsentativ, oder sind sie es nicht? - Da hat wohl steuern und dem partiellen Ausblenden marktwirt- jemand beim Korrekturlesen den Überblick verlo- schaftlicher Grundprinzipien einen politisch äußerst ren und sich in solche offensichtlichen Widersprü- riskanten Kurs eingeschlagen. Es wird der Tag che verstiegen! kommen, an dem Bilanz gezogen wird und Sie mit (Beifall bei der CDU und bei der FDP) den Aussagen und Zahlen aus dieser Großen An- frage konfrontiert werden. Dann werden Ihnen die Für eine seriöse Politik hieße dies: Förderung der allseits bekannten Floskeln und der Verweis auf Umstellungsprämie als politisches Ziel von mehr eine falsche Ausrichtung der Agrarpolitik der Vor- Ökolandbau. Okay, d’accord. Förderung der Öko- gängerregierung nicht mehr weiterhelfen. betriebe über die Beibehaltungsprämie ist ein rei- ner Mitnahmeeffekt und politisch eine Klientelpoli- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. tik. (Starker Beifall bei der CDU und bei (Beifall bei der CDU und bei der FDP) der FDP) Äußerst spannend finde ich, was die Landesregie- Präsident Bernd Busemann: rung nicht weiß. Ausweislich der Antwort zu 1 c hat die Landesregierung keine Erkenntnisse über die Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dammann-Tam- Anzahl der gewerblichen Tierhalter, also genau die ke. - Meine Damen und Herren, wie besprochen, Betriebe, die sich trotz steuerlicher Besserstellung ist jetzt, wie das bei einer Großen Anfrage üblich von Landwirtschaft über die Pauschalierung be- ist, die Landesregierung am Zuge. Zu Wort gemel- wusst zu einer gewerblichen Produktion, in der det hat sich der Landwirtschaftsminister, Herr Regel ohne Flächenbewirtschaftung, entschieden Meyer. Bitte sehr! Sie haben das Wort. haben, also gewerbliche Produktion im Bereich Tierhaltung. Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz: Wer bäuerliche Strukturen stützen will, der sollte Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der genau wissen, in welchem Umfang, Ausmaß und Tat hat die CDU-Fraktion der Landesregierung in welcher Eigentümerstruktur sich Tierhaltung in 180 Fragen mit ganz vielen Unterfragen zur Agrar- Niedersachsen widerspiegelt. Dass die Landesre- politik gestellt. Mindestens die Hälfte davon ist gierung hier keine Erkenntnisse hat, lässt so man- statistischer Art. Deshalb möchte ich als Erstes che Debatte in einem völlig neuen Kontext er- auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im scheinen. Hause danken. Ich komme zum Schluss, zum Konsumverhalten (Beifall bei den GRÜNEN) der Verbraucher. Um die 10 % des Einkommens wendet der Verbraucher für Nahrungsmittel ein- Bei manchen Fragen haben wir uns gefragt, wo schließlich Genussmittel wie Tabak auf. Solange eigentlich die Agrarkompetenz der CDU geblieben der deutsche Verbraucher Lebensmittel über den ist, die noch bis vor Kurzem das Haus geführt hat. Preis einkauft, geht jeder Ansatz, ein qualitätsbe- So ist nach Grundlagen gefragt worden, die noch wusstes Konsumverhalten über das Angebot zu nie statistisch erfasst worden sind - z. B. gleich am

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Anfang in Frage 5 nach der durchschnittlichen Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt sagen, Betriebsgröße der Veredlungsbetriebe in Hektar wir müssten für die bäuerlichen Betriebe kämpfen, landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie nach der wir würden nicht differenzieren und immer mehr Anzahl an Ferkeln von 7 bis 28 kg getrennt nach kleine Betriebe müssten aufgeben, verstehe ich landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben. nicht, warum die CDU momentan auf Bundesebe- ne massiv blockiert, dass wir endlich bei den Ag- (Björn Thümler [CDU]: Ja! Haben Sie rarsubventionen eine Umverteilung von Groß nach eine Antwort darauf?) Klein bekommen. - Bei dieser Frage mussten wir zugeben, dass keine statistische Erfassung getrennt nach Ge- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- wichtsklassen möglich ist. Ich dachte, die CDU, die stimmung bei der SPD) bis vor Kurzem noch den Minister gestellt hat, hät- Eigentlich sollten wir den Konsens haben, dass wir te das gewusst. hier im Parlament niedersächsische Interessen (Beifall bei den GRÜNEN - Björn vertreten und nicht z. B. die Interessen großer Thümler [CDU]: Die Frage ist, ob Sie Betriebe in ostdeutschen Bundesländern. Sie wis- das wissen, und nicht, ob wir das wis- sen genau, dass beispielsweise von einer Förde- sen!) rung der ersten Hektare, die jetzt kommen wird, also von einer Extraprämie für die ersten 46 ha, Meine Damen und Herren, das Fazit dieser ganzen zum einen Niedersachsen deutlich profitieren wür- statistischen und sonstigen Antworten auf Ihre de und zum anderen auch 86 % der Haupt- und Fragen lautet: Die Landwirtschaft in Niedersachsen Nebenerwerbsbetriebe in Niedersachsen massiv steht noch auf einer weitgehend bäuerlichen profitieren würden. Wer sperrt sich dagegen, dass Grundlage. Wir haben noch 40 000 bäuerliche wir dort zu einer nennenswerten Umverteilung Betriebe in Niedersachsen. Ihre durchschnittliche kommen? Die CDU und die FDP. Betriebsgröße beträgt 62 ha. Das ist eine Größe, die sich auch im bundesweiten Vergleich sehen (Zustimmung bei den GRÜNEN) lassen kann. Sie kritisieren ja, wir würden die Bauern aufgeben Man muss aber sagen, dass sich der Strukturwan- und verraten. Am Montag bin ich bei der Agrarmi- del - und das ist durch den politischen Rahmen der nisterkonferenz in Bayern. Ganz spannend ist: Vorgängerregierung von Schwarz-Gelb bedingt - Jetzt hat die Bundesregierung ihr Konzept vorge- gerade in den letzten Jahren seit 2003 deutlich legt - erarbeitet von Frau Aigner, als sie noch im beschleunigt hat. Das Höfesterben ist weiter vor- Amt war -, wie die Gelder künftig auf die Bundes- angetrieben worden. länder verteilt werden sollen. Außerdem gibt es Zur Frage der Arbeitsplätze: Für die Feststellung, das Konzept der rot-grünen Bundesländer. Nach dass in Ihrer Regierungszeit - im Gegensatz zur dem Konzept von Frau Aigner verliert Niedersach- Zeit der SPD-Vorgängerregierung - fast 30 000 sen Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Bereich verlo- (Filiz Polat [GRÜNE]: Hört, hört!) ren gegangen sind, in der ersten und zweiten Säule über 100 Millionen (Björn Thümler [CDU]: Das ist schon Euro jährlich. wieder falsch!) (Filiz Polat [GRÜNE]: Ach nein!) haben wir die gleichen Statistiken und die gleichen Berechnungsgrundlagen genommen, auf deren Nach dem Konzept der G-Länder, also der rot- Grundlage die Vorgängerregierung Herrn Große grünen Länder, verliert Niedersachsen nur 50 Mil- Macke 2012 geantwortet hat. lionen Euro. Das ist eine Berechnung der Bundes- (Beifall bei den GRÜNEN) regierung, die damit gewissermaßen sagt, wir wür- den dem Osten viel Geld wegnehmen. Bei dem Wenn Sie jetzt die Berechnungsmethoden anzwei- Konzept der Bundesregierung ist Niedersachsen feln, kritisieren Sie also auch die Antwort von Herrn der absolute Verlierer bei allen Umverteilungen. Lindemann von 2012. Bei dem Konzept der rot-grünen Länder sind wir (Björn Thümler [CDU]: Das würden wenigstens im Mittelfeld, sodass unsere Bauern wir nie tun!) und unser ländlicher Raum nicht die Hauptlast aller Kürzungen tragen müssten.

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(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN schweine halten. In ganz Niedersachsen gibt es 12 und Beifall bei der SPD) Betriebe mit mehr als 500 Milchkühen. Das ist also eine sehr geringe und ganz kleine Minderheit. Deshalb sollten wir auch für unsere bäuerlichen Betriebe kämpfen. Ich verstehe Ihre Forderung (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: nach der Einheitsprämie und einer schnellen An- Stand 2010!) gleichung nicht. Welches Konzept Sie da mit den CDU-geführten Bundesländern verfolgen, weiß ich - Das sind die Zahlen von 2010, die in der Antwort nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Niedersach- auf die Anfrage genannt sind. sen der große Verlierer sein wird, wenn es so Wir wollen den Prozess der Industrialisierung der kommt. Landwirtschaft mit dem Kampf um den geringsten (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Preis und die niedrigsten Erzeugerkosten, mit ge- Verfassungsgerichtsurteil!) ringen Einkommen und mit geringen Löhnen auch im nachgelagerten Bereich angehen, indem wir die - Das Verfassungsgericht hat aber nicht gesagt, Förderung auf die große Mehrzahl der kleinen und wann man es umsetzen muss, sondern nur, dass mittleren Betriebe konzentrieren und die gesell- wir es umsetzen müssen. Wir als Niedersachsen schaftlichen Leistungen von Landwirten besser sagen: Möglichst spät! Denn jedes Jahr, das die honorieren. Einheitsprämie später kommt, erhalten unsere Bauern in Niedersachsen deutlich mehr Geld. Meine Damen und Herren, der Prozess der Indust- Wenn Sie jetzt nicken, dann würde ich Sie einmal rialisierung hat auch Risiken und Nebenwirkungen, auffordern, mit Ihren CDU-Kollegen aus den ande- die wir hier immer wieder diskutieren. ren Bundesländern zu reden. Sonst ist Nieder- Zu nennen ist beispielsweise der zu hohe Antibio- sachsen nämlich der große Verlierer bei der Agrar- tikaeinsatz in der Nutztierhaltung. Wir haben die reform. erschreckende Zahl, dass von 1 734 t, die in (Zustimmung von Susanne Menge Deutschland verwendet werden, allein 700 t in [GRÜNE]) einem niedersächsischen Postleitzahlbereich ein- gesetzt werden. Ich glaube, Sie wissen, von wel- Wir vertreten hier niedersächsische Interessen. chem ich spreche. Dann hätten alle Landwirte in Niedersachsen deut- lich mehr als nach Ihrem Konzept. Wir hätten auch Heute Morgen haben wir über die zu hohen eine starke zweite Säule für den ländlichen Raum - Nährstoffausträge und das Ansteigen der Nitrat- für demografische Entwicklung, für Breitband, für werte im Grundwasser diskutiert. Tourismus, für Dorferneuerung und auch für Ag- rarumweltmaßnahmen. Wir diskutieren über Fruchtfolgen und Vermaisung. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Wir diskutieren über Artenschwund. SPD) Wir diskutieren aber auch über Höfesterben, über Meine Damen und Herren, Sie haben wieder Bei- den Verlust bäuerlicher Akzeptanz, über immer spiele von Auflagen genannt. Ja, wir differenzieren weniger Betriebe in den Dörfern und über den nach Auflagen. Den Filtererlass, der auf Wunsch Verlust landwirtschaftlicher Arbeitsplätze. der Kommunen gekommen ist, haben Sie jetzt Am weitesten auf dem Weg in diese Industrialisie- wieder kritisiert. Ich kann mich an folgende Pres- rung fortgeschritten ist die Fleischwirtschaft. Wir semitteilung von Herrn Oesterhelweg erinnern: Er kennen die Debatten um ausbeuterische Niedrig- war überfällig. löhne in den Schlachtbetrieben in Niedersachsen. (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wir Deshalb hält die Landesregierung auch weiterhin haben kein Wort über Filter verloren!) an der Forderung nach einem gesetzlichen Min- destlohn von 8,50 Euro fest. Wir haben im Zusammenhang mit dieser Anfrage festgestellt, um wie viele Betriebe es eigentlich (Beifall bei den GRÜNEN) geht. Wenn man die Definition der Bundesregie- Was propagierten CDU und FDP? - Niedrige rung zugrunde legt, dass Massentierhaltung an der Fleischpreise dürfen weder auf Ausbeutung von Grenze des Bundesimmissionsschutzrechtes be- Menschen noch auf Ausbeutung von Tieren und ginnt, dann haben wir unter unseren 40 000 Be- Umwelt basieren. trieben 385 Betriebe, die mehr als 2 000 Mast-

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Meine Damen und Herren, wir wollen eine zu- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- kunftsfähige Landwirtschaft mit fairen Löhnen und wirtschaft und Verbraucherschutz: Einkommen sowie mit mehr Akzeptanz und Wert- Wir wollen, dass Niedersachsen Agrarland Num- schätzung für Lebensmittel. Dazu gehören auch mer eins bleibt. Angesichts des Sterbens bäuerli- höhere Preise. Das hat auch etwas mit Wegwerfen cher Betriebe machen wir uns da aber große Sor- billiger Lebensmittel zu tun. Außerdem wollen wir gen. Wir sind der Meinung, dass wir das nur blei- hochwertige, gesund erzeugte Lebensmittel. ben werden, wenn wir die bestehenden Probleme Genau vor diesem Hintergrund erfüllt diese Lan- ernst nehmen, in den Griff bekommen und weiter- desregierung den gesellschaftlichen Auftrag, eine hin in Richtung echter Zukunftsfähigkeit umsteu- sanfte Agrarwende herbeizuführen. Wir wollen ern. Wir müssen in Niedersachsen gemeinsam etwas ändern, damit es besser wird. Zielsetzung ist unsere Probleme lösen, bevor es andere tun. eine bäuerliche, verbraucher- und tiergerechte, (Jens Nacke [CDU]: Herr Minister, das zukunftsfähige Landwirtschaft, die auch den Kli- sind nur Floskeln! Werden Sie doch mawandel berücksichtigt. mal konkret!) (Jens Nacke [CDU]: Floskeln sind - Ich kann ganz konkret die Schritte nennen, die das!) wir seit Regierungsübernahme in wenigen Mona- Ich bin überzeugt, dass die Landwirtschaft dahin ten getan haben. Darauf sind wir auch stolz. Einige gehend verändert werden muss, dass sie in unse- sprachen schon vom Sturm Christian. rer Gesellschaft wieder mehr Akzeptanz findet. (Heiterkeit bei den GRÜNEN) (Jens Nacke [CDU]: Werden Sie doch Aber man kann sich ja auch mit dem Wind bewe- mal konkret, Herr Kollege!) gen. Übrigens merkt man auch bei den Landwirten den Wir weisen beim Ökolandbau - Sie haben es eben Zuspruch. In einer top agrar-Umfrage wurde die angesprochen - die niedrigste Fläche auf. Unter Frage gestellt, ob man die Umverteilung der Sub- Schwarz-Gelb waren wir Schlusslicht bei der För- ventionen von Groß nach Klein gut finde. Über derung in Deutschland. Niedersächsische Ökobe- 80 % derjenigen, die sie beantwortet haben, sa- triebe bekamen die geringste Förderung in ganz gen: Ja, wir finden es ungerecht, dass die Großen Deutschland. Jetzt, mit der neuen rot-grünen Re- immer die großen Subventionen bekommen und gierung, bekommen sie die höchste Förderung in (Zustimmung von Miriam Staudte Norddeutschland. [GRÜNE]) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der dass 20 % der Betriebe 80 % der Agrarsubventio- SPD) nen in Deutschland erhalten. Meine Damen und Herren, wir haben eine Forde- (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke rung der kommunalen Spitzenverbände erfüllt, [CDU]) endlich den Filtererlass herauszugeben und klar- Meine Damen und Herren, anders als von vielen zustellen, bei welchen Betrieben, bei welchen Ver- behauptet, bedeutet die Agrarwende eben nicht fahren und ab welcher Größe ein Abluftfilter einge- Stillstand oder Rückschritt, sondern ist ein wichti- baut werden muss. ger Modernisierungsprozess der Landwirtschaft. Wir haben Keimschutzgutachten ab bestimmten Es geht um qualitatives Wachstum. Größen vorgeschrieben und präzisiert und auch (Filiz Polat [GRÜNE] - zu Helmut damit etwas für den Gesundheitsschutz getan. Dammann-Tamke [CDU] -: Wenn Sie Wir arbeiten ganz intensiv am Düngekataster, wor- nicht mehr weiterwissen, werden Sie über wir heute diskutiert haben, um auch dieses unsachlich!) Problem in den Griff zu bekommen, das unter der Vorgängerregierung jahrelang liegen geblieben Präsident Bernd Busemann: war, während die Nitratwerte immer weiter stiegen. Herr Minister, einen Moment. - Meine Damen und Wir führen den Tierschutzplan der Vorgängerregie- Herren, ich darf doch bitten, dass etwas Ruhe rung fort, und zwar 1 : 1. Das, was Herr Lindemann einkehrt. angekündigt, aber noch nicht umgesetzt hat, weil alle Maßnahmen in die laufende Legislaturperiode

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fallen, setzen wir jetzt um. Ich finde es ganz span- den Landwirten genauso wie mit den Umwelt- und nend, dass ich, wenn wir jetzt das umsetzen, was den Tierschutzverbänden, mit den Verbraucherin- Herr Lindemann angekündigt hat, immer Kritik von nen und Verbrauchern sowie mit dem Lebensmit- der CDU und der FDP bekomme: Das ist zu teleinzelhandel - gehen wollen, weil wir unsere schnell. Die Betriebe können nicht mitmachen. Landwirtschaft in Niedersachsen besser machen wollen, weil wir nicht die Augen vor den Akzep- (Helge Limburg [GRÜNE] - zur CDU -: tanzproblemen verschließen, die es in bestimmten Jetzt unterstützen Sie doch mal Ihren Teilen der industriellen Tierhaltung gibt, und weil früheren Minister!) wir neue Perspektiven über Anreize eröffnen wol- Wir bleiben im Fahrplan. Wir beschleunigen nicht. len, damit viele Landwirtinnen und Landwirte die- Wir beenden Ende 2013, wie angekündigt, das sen Weg der sanften Agrarwende mitgehen kön- Schnabelkürzen bei den Moschusenten und wer- nen. den dies Ende 2016 auch bei den Legehennen Ich lade Sie dazu ein, den Weg, den Herr Linde- tun. mann begonnen hat, nämlich Probleme zu erken- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- nen, mit uns zu gehen. Ich hoffe nicht, dass die stimmung bei der SPD) CDU-Fraktion jetzt eine Rolle rückwärts macht und Sie sich wieder auf die Seite der Großen stellen Meine Damen und Herren, wir setzen uns in der und die kleinen bäuerlichen Betriebe weiter unter- EU-Agrarpolitik für eine zielgerichtete Förderung gehen. ein, die den bäuerlichen Betrieben hilft und der Gesellschaft nützt. Subventionen müssen endlich, Deshalb kann ich nur an Sie appellieren, dass Sie wenn sie weiter eine Akzeptanz finden sollen, ge- endlich auch auf Bundesebene den Weg freima- rechter verteilt werden und bäuerliche Betriebe chen, so wie SPD und Grüne dies wollen, damit wir stärken. Da ist es eben nicht richtig - das sind die eine Umverteilung der Subventionen nicht nur von indirekten Subventionen für die Massentierhal- der ersten zur zweiten Säule, sondern auch von tung -, dass man Großschlachthöfe wie damals in Groß nach Klein hinbekommen. Dann würde Nie- Wietze mit fast 7 Millionen Euro fördert, sondern dersachsen profitieren, niedersächsische Landwir- wir wollen die kleinen und mittleren Betriebe, auch tinnen und Landwirte würden profitieren, und auch die kleineren und mittleren Schlachtstätten besser- die Bevölkerung in Niedersachsen würde ganz stellen als die großen, weil sie akzeptierter sind erheblich profitieren. und auch mehr Arbeitsplätze schaffen. (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN Mehr Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz sowie und bei der SPD) mehr bäuerliche Landwirtschaft - das ist unsere Agrarwende. Präsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren, das ist in wenigen Wor- Vielen Dank, Herr Minister Meyer. - Jetzt hat sich ten unsere Konzeption - in der ausführlichen Ant- der Abgeordnete Wiard Siebels für die SPD- wort finden Sie noch mehr, bis hin zur Pferdesteu- Fraktion gemeldet. Herr Siebels, Sie haben das er; Sie haben uns ja zu allen möglichen Zahlen Wort. Bitte sehr! und Themen etwas gefragt; die Pferdesteuer leh- nen wir ab, nur damit Sie es klar wissen und wäh- Wiard Siebels (SPD): rend des Sommerlochs keine Behauptungen auf- stellen und keine Kampagnen führen -, und wir Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu- werden die sanfte Agrarwende in Niedersachsen nächst darf ich mich in der Tat bei der CDU- umsetzen. Fraktion für den umfangreichen Fragenkatalog be- danken. Noch mehr bedanken darf ich mich bei Die Antwort der Landesregierung auf die Große den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Land- Anfrage der CDU-Fraktion umfasst über 100 Sei- wirtschaftsministeriums, die in mühevoller Kleinar- ten. Wir haben sehr detailliert zu den Statistiken beit auf die vielen Fragen entsprechende Daten- geantwortet. Wir haben sehr detailliert zu den De- bestände zusammengetragen haben, meine Da- finitionen geantwortet: Was ist bäuerliche Land- men und Herren. wirtschaft? Was ist Massentierhaltung? (Beifall bei der SPD und bei den Wir haben klar gemacht, dass wir diesen Weg im GRÜNEN) Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen - mit

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Die vorsichtig geäußerte Kritik, dass da irgendet- Wiard Siebels (SPD): was fehlen könnte, kann ich im Moment nicht ganz Ich bin schon auf verschiedene Punkte eingegan- nachvollziehen. Ich habe den Eindruck, dass die gen. Es zeigt sich, dass es weiterhin ein ganz inni- Antworten, die uns geliefert worden sind, vollum- ges Verhältnis zwischen der CDU-Fraktion und fänglich und auch ausreichend sind. unserem erfolgreichen Landwirtschaftsminister Ein Beispiel darf ich gleich zu Beginn herausgrei- gibt. fen. Es ist kritisiert worden, dass bei den Bauvor- (Lachen bei der CDU - Zuruf von der haben keine Unterscheidung zwischen landwirt- CDU: Wo denn?) schaftlich Privilegierten und gewerblich Privilegier- ten gemacht wurde. Das ist auch in der vergange- Ich habe, ehrlich gesagt, auch nichts anderes er- nen Legislaturperiode nicht anders gewesen und wartet. hängt schlichtweg damit zusammen, dass bei den Meine Damen und Herren, allein schon am Titel Baugenehmigungsbehörden gar nicht danach dif- der Anfrage, nämlich „Wie wirkt sich die angekün- ferenziert wird. digte ‚sanfte Agrarwende’ auf Erzeuger und Verbraucher von Nahrungsmitteln aus?“, sehen Daran sieht man vielleicht ein bisschen, meine Sie, dass mit der Fragestellung eine gewisse Ten- Damen und Herren, dass diese Fragen ganz of- denz verbunden ist. Das kann man einmal so be- fenkundig nicht nur deshalb gestellt werden, weil antworten, wie Herr Dammann-Tamke das ge- man eine möglichst sachliche Antwort darauf er- macht hat, nämlich dass das die Eröffnungsbilanz wartet, sondern weil man natürlich den Versuch von Rot-Grün ist. Man könnte daraus aber auch unternimmt, damit Politik zu machen und gelegent- den Schluss ziehen, dass das die Schlussbilanz lich an der einen oder anderen Stelle Unterstellun- von Schwarz-Gelb ist, meine sehr verehrten Da- gen zu betreiben, meine Damen und Herren. Das men und Herren. will ich deutlich sagen. (Beifall bei der SPD und bei den (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) GRÜNEN) Ich bin, was die Auswertung der verschiedenen Das hat man auch gemerkt, als die Rede davon Punkte angeht, sehr zurückhaltend. Aber wer für war, dass der Herr Minister in eine Falle getappt sich in Anspruch nimmt, dass es ein Verdienst der sei. Wenn Sie Fallen aufstellen wollen, dann kön- schwarz-gelben Landesregierung gewesen sein nen Sie das gerne machen, Herr Dammann- könnte, dass sich der Marktanteil im Bereich Tamke. Milch - beim Käse ist es ähnlich - gesteigert hat, der wird sich dann auch entgegenhalten lassen (Reinhold Hilbers [CDU]: Er stellt sich müssen, dass zu einer solchen Bilanz auch das seine Fallen schon selbst!) Höfesterben oder, um nur ein Beispiel herauszu- Ich wäre aber sehr dafür, dass wir hier eine sachli- greifen, die Verringerung der Zahl der Fischereibe- che Auseinandersetzung führen. Der Kollege Hil- triebe von 154 Betrieben im Jahre 2003 auf nur bers sieht das aber offensichtlich ein bisschen noch 120 Betriebe im Jahre 2012 gehören. Ich bin, anders. Wir kennen Sie aber auch nicht anders, was diese Folgerungen angeht, sehr viel zurück- Herr Hilbers. haltender, weil doch vieles in der Tat mit dem Marktgeschehen zusammenhängt. Präsident Bernd Busemann: Ich sage noch einmal: Wer glaubt, jedes Blümchen Herr Abgeordneter Siebels, lassen Sie eine Zwi- am Wegesrand für sich reklamieren zu dürfen, der schenfrage des Abgeordneten Dammann-Tamke muss auch damit rechnen, dass er verantwortlich zu? gemacht wird, wenn es gelegentlich vom Himmel regnet, meine Damen und Herren. Wiard Siebels (SPD): (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Nein, vielen Dank. In der Antwort auf die Große Anfrage hat sich an- Präsident Bernd Busemann: hand der zusammengetragenen Daten herauskris- tallisiert, dass es zumindest einige große Bereiche Okay. in der Agrarpolitik gibt, in denen Handlungen drin-

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gend notwendig sind. Ich will versuchen, wenige lich Agrarland Nummer eins bleiben? - Auch ich Punkte herauszugreifen. Ich weiß, dass wir alle sage, damit Sie das noch einmal zur Kenntnis nicht einer Meinung sind. Aber ich glaube, wir alle nehmen: Ja, das wollen wir. sind schon einmal einer Meinung, dass das die (Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU]) problematischen Felder sein könnten. Deshalb sind sie von den verschiedenen Rednern schon Ich möchte betonen, Herr Hilbers, dass zu dem angesprochen worden. Anspruch, Agrarland Nummer eins zu sein und dies bleiben zu wollen, auch gehört, dass man als Erstens. Die Frage der Nährstoffe muss in der Tat Führer in einer Branche die Probleme, die es gibt, möglichst zügig, aus meiner Sicht auch möglichst zumindest schrittweise abarbeiten muss, meine effizient und unbürokratisch angegangen werden, Damen und Herren. Da gibt es durchaus Nachhol- weil wir nachweisbar schon Schwierigkeiten mit bedarf. dem Grundwasser haben, bekommen oder noch bekommen können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und bei den Deshalb finde ich es gut, dass der Landwirt- GRÜNEN) schaftsminister dieses Thema jetzt gemeinsam mit Zu Recht sind die Vorredner auf den Strukturwan- uns angeht. del eingegangen. Um nur ganz kurz einige Zahlen (Beifall bei der SPD und bei den zu nennen: Die durchschnittliche Betriebsgröße GRÜNEN) beträgt in Niedersachsen 62 ha. Damit liegen wir in dem Ranking, das im Rahmen dieser Großen An- Zweitens nenne ich die Frage des Tierwohls, die frage vorgenommen worden ist, vor Schleswig- auch schon die alte Landesregierung veranlasst Holstein. Die nächstgrößeren Bundesländer, bei- hat - ich glaube, nicht immer ganz mit voller Unter- spielsweise Mecklenburg-Vorpommern und andere stützung der sie tragenden Fraktionen -, auf einen insbesondere neue Bundesländer, haben ganz Tierschutzplan zu kommen, meine Damen und andere Betriebsgrößen. Trotzdem liegen wir, so- Herren. In der Tat müssen wir hier zu Verbesse- weit ich mich erinnere, in allen Bereichen der Tier- rungen kommen. haltung, in allen Kategorien, was die Tierbestände Ich spreche auch die Frage des Antibiotikaeinsat- angeht, vorne. Ich glaube, daraus kann man schon zes an, die nicht nur etwas mit der Akzeptanz der den Schluss ziehen: Wenn die Fläche vergleichs- Verbraucherinnen und Verbraucher zu tun hat, weise klein ist, aber die Tierbestände vergleichs- sondern durchaus auch humanmedizinische Aus- weise hoch sind, dann könnte sich durchaus eine wirkungen haben kann und deshalb von uns drin- gewisse Schwierigkeit im Bereich der Nährstoffe gend behandelt werden muss. ergeben, meine Damen und Herren. Auch das, glaube ich, bestätigt die Diskussion, die wir in den Im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen - auch das vergangenen Wochen gemeinsam hier in diesem zeigt aus meiner Sicht die Antwort auf die Große Haus geführt haben. Anfrage - stellt sich nicht nur die Frage, wie viele Arbeitskräfte mehr oder weniger es gibt, sondern Dann kommen Sie ein ums andere Mal - das erle- es stellt sich auch die Frage: Wie wird eigentlich im ben wir nicht erst jetzt - auf die Frage der Definition Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung und bäuerlicher Landwirtschaft zurück, weil Sie das der weiterverarbeitenden Betriebe in unserem intensiv beschäftigt. Das kann ich auch nachvoll- Land Niedersachsen gearbeitet, wo wir ja den ziehen. Ich glaube, die Antwort der Landesregie- Anspruch haben, Agrarland Nummer eins zu sein, rung darauf ist absolut plausibel. meine Damen und Herren? - Das ist eine Frage, (Zurufe von der CDU) die jedenfalls die Sozialdemokratie ganz intensiv beschäftigt. Ich glaube, das ist auch dringend not- Ich will nur einen Satz daraus aufgreifen, weil ich wendig. die Hoffnung nicht ganz aufgeben möchte, dass Sie es eines Tages doch noch verstehen. Auch die (Beifall bei der SPD und bei den alte Landesregierung hat diesen Begriff „bäuerli- GRÜNEN) che Landwirtschaft“, der nicht eindeutig und haar- Deshalb muss es aus unserer Sicht unser gemein- scharf definiert werden kann, sondern eher umris- samer Anspruch sein, Agrarland Nummer eins zu sen und eingegrenzt werden muss, in einem Er- bleiben. Auch das hat die Regierung wieder bestä- lass, meine ich, an die NLG schon als Begriff ver- tigt. Sie haben offensichtlich immer Zweifel daran, wandt. Deshalb mein Vorschlag: Wir haben doch, weil Sie immer wieder nachfragen: Wollen wir wirk- wenn wir von bäuerlicher Landwirtschaft sprechen,

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ein Bild davon. Wenn Sie an dieser Stelle weiter (Jens Nacke [CDU]: Ihre Kekse haben Haarspalterei betreiben wollen, dann können Sie schon einen Staatssekretär umge- das machen. Ich bin aber dafür, dass wir uns eher bracht! - Björn Thümler [CDU]: Das auf gemeinsame Ziele verständigen, meine Damen war der klimatöse Laufkeks!) und Herren. - Das mit den Keksen habe ich so schnell nicht (Beifall bei der SPD und bei den verstanden. Das werden Sie mir im Anschluss GRÜNEN - Zurufe von der CDU) gleich noch einmal erzählen können. Davon höre Auf die Frage der Arbeitskräfte bin ich eingegan- ich hier zum ersten Mal. gen. Auch verschiedene andere Dinge lassen sich Ich darf mich also noch einmal ganz herzlich für anhand der Antwort auf die Große Anfrage bestä- die zusammengetragenen Datenbestände bedan- tigen. Eine herausgegriffene Größe betrifft bei- ken und darf noch einmal meinem Wunsch Aus- spielsweise den Maisanbau, der in Niedersachsen druck verleihen, dass wir anhand dieser zusam- durchaus problematisch gesehen wird, und dies zu mengetragenen Daten im Interesse Niedersach- Recht, wie ich finde. Die Antwort auf die Große sens, im Interesse, Agrarland Nummer eins blei- Anfrage bestätigt, dass der weit überwiegende Teil ben zu wollen, sachlich diskutieren. des Mais nicht als Energiemais, sondern als Fut- termais angebaut wird. Deshalb glaube ich: Statt Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, meine eine Diskussion nach dem Motto „zwischen Teller Damen und Herren. und Tank“ zu führen, wäre es richtiger, nach dem Motto „Teller oder Trog“ zu diskutieren. Ich denke, (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei dass das zur Versachlichung in diesem Bereich den GRÜNEN) durchaus beitragen könnte. Präsident Bernd Busemann: (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Wir danken Ihnen, Herr Kollege Siebels, für die Sehr richtig!) Punktlandung, was das Zeitkontingent anbelangt. - Meine Damen und Herren, sodann hat sich für die Verschiedene Punkte wurden herausgegriffen, so Fraktion der FDP der Abgeordnete Hermann Gru- die Eiweißstrategie, bei der, wie ich glaube, in den pe zu Wort gemeldet. Herr Grupe, Sie haben das letzten zehn Jahren wenig passiert ist. Es ist des- Wort. halb bedauerlich, dass die Zahlen des Imports von Soja nicht zur Verfügung gestellt werden können. Sie wären aus meiner Sicht in der Tat eine interes- Hermann Grupe (FDP): sante Größe, meine Damen und Herren, weil doch Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geset- hier eine ganze Menge im Argen liegt. ze, Vorschriften, Verbote - das sind die Instrumen- te, mit denen Sie, Herr Minister, Ihre sogenannte Zur Klarstellung nun auch noch ein Wort zur Frage sanfte Agrarwende vom grünen Tisch aus umset- einer Pferdesteuer, weil das im Wahlkampf gele- zen wollen. gentlich auch eine Rolle gespielt hat. Ich weiß nicht, ob der Minister sie gerade auch noch einmal (Grant Hendrik Tonne [SPD]: Herr erwähnt hat. Niedersachsen ist in der Tat nicht nur Kollege, das sind doch Platitüden!) Agrarland Nummer eins, sondern auch Pferdeland Nummer eins. Sie alle können sich wieder ganz Keiner in diesem Lande weiß wirklich, woher die beruhigt zurücklehnen. Von uns jedenfalls hat Bürokratie kommt, zumal wir sie, wenn noch Reste niemand die Absicht, in Niedersachsen eine Pfer- vorhanden sein sollten, jeden Tag bekämpfen oder desteuer einzuführen. abschaffen. Endlich bekennt sich einmal einer. Der bisherige Wust an Vorschriften, Erlassen, Richtli- (Beifall bei der SPD und bei den nien wird zum undurchdringlichen Dschungel wei- GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: terentwickelt: neue Tatbestände, verschärfte Richt- Niemand hat die Absicht …!) linien, tolle neue Sanktionen, noch mehr Kontrollen - Das sind gefährliche Vergleiche, die Sie gerade und noch viel mehr Kontrolleure. Da lacht das Herz anstellen. des Bürokraten! Staats- und Obrigkeitsgläubigkeit feiern Triumphe. Damit haben wir, glaube ich, diese Baustelle - jedenfalls für die nächsten Jahre - geschlossen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Das ist Ihre Agrarwende, das ist eine Rolle rück- Felde. Es wurde hier diskutiert, dass wir nach den wärts, und Sie schießen sich dabei ständig ins Begriffen fragten. Aber Sie haben diese Begriffe in eigene Knie, Herr Minister. die Diskussion gebracht. Da wird kein Schlagwort ausgelassen, mit dem man die Bäuerinnen und (Beifall bei der FDP - Christian Dürr Bauern in unserem Land in Misskredit bringen oder [FDP]: So sieht das aus! - Zuruf von an den Pranger stellen kann. Dagegen wehren wir der SPD: Na, na!) uns, meine Damen und Herren. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Sie wollen (Beifall bei der FDP und bei der CDU) den Biolandbau fördern. Er liegt Ihnen besonders am Herzen, mir als Landwirt auch. Vor allem aber Herr Minister, wir haben Sie oft genug gefragt: wollen Sie erst einmal die Kontrollen verschärfen. Was ist denn nun diese Massentierhaltung? Wo Meine Damen und Herren, es gibt Betriebsleiter, liegen denn nun die Grenzen? - Die Verbraucher - die ihre Betriebe schon vor 30 Jahren bzw. schon das haben wir Ihrer Antwort auf die Große Anfrage seit Längerem umgestellt haben, und das sind der CDU entnommen - sagen zu 90 %: Bei Hüh- keine Computerfreaks oder Laptop-Junkies. Das nern ist bei über 5 000 die Grenze überschritten. sind Leute, die aus Überzeugung versuchen, be- Das ist Massentierhaltung. sonders naturschonend zu arbeiten. Die gibt es im (Zuruf von der CDU: 5 000?) Biobereich, die gibt es im konventionellen Bereich, und die sagen mir heute: Wir haben langsam keine - Ja, bei über 5 000. Lust mehr. Da kommt irgendein Erbsenzähler auf Sie selber sagen, 30 000 Hühner sind die Grenze. den Hof. Weil du gerade am Umstallen bist, hast Aus mehreren Gründen haben Sie angeführt, dass du sechs statt fünf Kälber in der Box, und du bist das die Grenze sein könnte. Man kann es glauben dran und wirst an den Pranger gestellt. - Das, mei- oder nicht. Aber 30 000 ist die Zahl, die bei Ihnen ne Damen und Herren, ist grüne Politik, bürokra- immer wieder auftaucht. Jetzt müssen Sie der tisch geprägt, mit der Sie die Zukunft gewinnen staunenden Öffentlichkeit erst einmal erzählen, wollen. Sie treffen aber genau diejenigen, die Sie warum Ihre Zahl sechsmal so hoch ist wie die Zahl, angeben, schützen zu wollen. die man mittlerweile in der Bevölkerung annimmt. (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ihre Agitation treibt hier also Blüten. Das holen Sie Christian Dürr [FDP]: So ist das! Sehr einmal selber wieder rein! richtig!) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Mit Ihrer Regelungsmanie verderben Sie genau Lachen bei der SPD) denjenigen, die Sie stärken wollen, den Spaß an Meine Damen und Herren, 10 000 Hühner sind der Sache. eine Menge Hühner. Herr Siebels hat ja sachlich darauf hingewiesen: (Lachen bei der SPD und bei den Strukturwandel gab es in der Vergangenheit, ihn GRÜNEN) wird es auch in Zukunft geben. Die Frage ist: Wird er sich beschleunigen, oder wirkt man ihm entge- Ich verstehe die Verbraucherinnen und Verbrau- gen? - Sie schreiben sich besonders plakativ auf cher, meine Damen und Herren, wenn sie von die Fahne, dass Sie die kleinen und mittleren Be- 5 000 Hühner sprechen. Ich sage Ihnen aus mei- triebe fördern wollen, und das mit Ihrer Politik der ner Überzeugung: Ob das 10 000, 30 000 oder Bürokratie. Ich sage Ihnen: Passen Sie auf, wenn 50 000 Hühner sind, ist überhaupt nicht entschei- Sie gerade auch für Altgebäude Abluftfilter fordern, dend. Entscheidend ist, wie solche Ställe aufge- dass Sie nicht wieder genau die Betriebe treffen, baut sind, wie sie unterteilt sind, wie sie ausgestal- die in keinem Fall zigtausend Euro teure Investitio- tet sind und wie die Bedingungen für das einzelne nen in Altgebäude schultern können. Damit lösen Huhn sind. Hühner leben in anderen Gesellschaf- Sie ein Höfesterben aus; denn gerade die kleinen ten als in Gesellschaften von Zigtausenden. und mittleren Betriebe sind dieser Bürokratie und (Beifall bei der FDP und bei der CDU) diesen Anforderungen weniger gewachsen als größere, leistungsfähigere Betriebe. Sie, meine Damen und Herren, haben diese De- batte ausgelöst. Sie ziehen zu Felde gegen die (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Ställe, die heute üblich sind. Das sind Größenord- Meine Damen und Herren, der Minister zieht auch nungen von 40 000 Hühnern. 40 000 Hühner, er- gegen Agrarindustrie und Massentierhaltung zu klären Sie, ist blanke Tierquälerei, ist Massentier-

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haltung, aber 30 000 sind in Ordnung. - Sie müs- (Zustimmung bei den GRÜNEN) sen mir einmal näher erklären, wo da der Unter- Mit dieser Antwort, meine Damen und Herren, schied ist. Sie beschließen auf Parteitagen, ob liegen jetzt die Schlussbilanz von CDU und FDP etwas in Ordnung oder nicht in Ordnung ist; denn und die Eröffnungsbilanz für unsere Agrarpolitik Sie wissen alles besser. Werter Herr Minister, da auf dem Tisch. Für Sie, meine Damen und Herren lachen im wahrsten Sinne des Wortes die Hühner. von der CDU, ist das beileibe kein Ruhmesblatt. Kehren Sie zu etwas mehr Sachlichkeit zurück! Die Zahl der Betriebe ist deutlich zurückgegangen, (Heiterkeit bei der SPD) in den letzten Jahren sogar beschleunigt. Es gibt Gucken Sie sich an, was auf den Höfen wirklich los einen deutlichen Verlust von Arbeitsplätzen und ist und wie es in der Praxis funktioniert! Sie sind steigende Flächenpreise auf breiter Front, und wir der Großmeister einer plakativen großen Ankündi- haben eine wachsende Konzentration gerade im gungspolitik. Sie haben sich ausgiebig dafür feiern Bereich der Tierhaltung. Aufseiten der Abnehmer, lassen. Jetzt aber kommt die Phase, in der sich also der Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe, gibt zeigt, dass alles nicht so einfach ist, wie man es es ebenfalls massive Konzentrationen und ein sich als reiner Theoretiker vom grünen Tisch aus Sterben kleinerer Schlachtbetriebe auf breiter vorstellt. Jetzt kommt die Phase, in der deutlich Front, und das teilweise auch gepäppelt mit Wirt- wird, dass Theorie und Praxis oft sehr weit ausein- schaftsfördermillionen der früheren Landesregie- anderfallen. Herr Minister, befreien Sie sich von rung. alldem, und legen Sie endlich Ihre ideologischen 6,9 % der landwirtschaftlichen Betriebe haben Scheuklappen ab! zwischen 2007 und 2010 aufgegeben. Sie fallen (Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer hat komplett aus der Statistik. Wenn man sich an- Ihnen denn das aufgeschrieben? Das schaut, wo es denn die größten Abnahmen gege- ist doch nicht von Ihnen!) ben hat, dann stellt man fest, dass es vor allem die Betriebe in der Größe von 15 bis 50 ha sind. Zum Lassen Sie die Fachleute zum Zuge kommen, Großteil sind es auch Nebenerwerbsbetriebe. Da wenn Sie schon selber nicht vom Fach sind! Die gab es zwischen 2007 und 2010 in jeder Größen- Landwirtinnen und Landwirte sowie die Verbrau- klasse Abnahmen um 10 %. Klar, einige Betriebe cherinnen und Verbraucher in diesem Lande wer- sind größer geworden, aber der Großteil hat auf- den es Ihnen danken. gegeben. Es sind massiv bäuerliche Betriebe ver- Danke schön. schwunden. Damit ist zum Großteil auch ein le- bendes Rückgrat des ländlichen Raumes ver- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schwunden. Das ist natürlich auch Folge des Marktgeschehens. Aber es ist auch das Ergebnis Präsident Bernd Busemann: Ihrer Politik, die da nicht entsprechend gegenge- Danke schön, Herr Kollege Grupe. - Nunmehr liegt steuert hat, meine Damen und Herren. eine Wortmeldung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Herr Abgeordneter Hans-Joachim Wir wollen die bäuerlichen Betriebe und damit Janßen, Sie haben das Wort. Bitte sehr! auch den ländlichen Raum stärken. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass sich die Landesregie- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): rung in der Agrarministerkonferenz dafür einsetzt, dass Betriebe bis zu einer Größe von 46 ha bei Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und den Direktzahlungen 100 Euro bekommen. In Nie- Herren! Auch ich möchte mich zunächst bei allen dersachsen würden 80 % der Betriebe davon profi- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregie- tieren. rung, des niedersächsischen Landwirtschaftsminis- teriums, der nachgeordneten Behörden sowie der (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke Landwirtschaftskammer für die sehr umfangreiche [CDU]) und sehr fundierte Beantwortung der Großen An- frage herzlich bedanken. Ich denke, dass hier eine - So ist es nicht. Ich werde gleich noch etwas dazu Fleißarbeit geleistet worden ist, die den Status quo sagen. Nur abwarten! kompakt darstellt: Wo steht die niedersächsische Da wir schon bei den öffentlichen Mitteln sind, eine Land- und Ernährungswirtschaft nach zehn Jahren weitere bemerkenswerte Zahl: 51 % des Einkom- Schwarz-Gelb und zu Beginn einer neuen, grünen mens der Bäuerinnen und Bauern kommen aus Agrarpolitik? den staatlichen Transferleistungen. Zur Klarstel-

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lung: Ich glaube, dass wir staatliche Transfers im sondern vielmehr auch den Landbesitz; denn pau- landwirtschaftlichen Bereich brauchen, weil die schale Flächenprämien für alle schlagen natürlich Landwirtschaft eben kein normaler Wirtschafts- auf die Pachtpreise durch. Mehr als 50 % der zweig ist, den man den Gesetzen des Marktes landwirtschaftlich genutzten Fläche in Niedersach- aussetzen kann, vor allem auch nicht mit den An- sen ist gepachtet. sprüchen, die wir an die Landwirtschaft insgesamt Meine Damen und Herren von der CDU, 34 Ihrer haben. 180 Fragen widmen Sie allein dem Ökolandbau. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Ich finde schon, man merkt diesen Fragen hin und wieder an, dass Sie davon nicht unbedingt so ganz Aber so zu tun, als sei die Grundmaxime der Aus- viel halten. richtung unserer Landwirtschaft die internationale Wettbewerbsfähigkeit, als müssten wir aus Nieder- (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: sachsen die Welt mit möglichst günstigem Hähn- Subjektive Wahrnehmung!) chen-, Puten- und Schweinefleisch beliefern, ist - Das ist meine subjektive Wahrnehmung. Das eben falsch. Genau das scheint aber weiterhin Ihr gestehe ich mir einfach zu. Leitsatz zu sein, meine Damen und Herren von der CDU. Sie vertreten diese These ja immer noch. Entsprechend ist es ja auch um den Ökolandbau in Der Fleischkonsum in Deutschland geht inzwi- Niedersachsen bestellt. Wir sind bundesweit schen selbst beim Geflügelfleisch zurück, ein Be- Schlusslicht, und das, obwohl gerade hier ein er- reich, in dem es bisher noch Zuwächse gab. Ent- hebliches Potenzial für die bäuerlichen Betriebe in sprechend ist der Selbstversorgungsgrad beim Niedersachsen für hochwertige Wertschöpfung Geflügelfleisch in Deutschland 2012 auf 110,6 % liegt. gestiegen. Das sind binnen eines Jahres knapp (Heiner Schönecke [CDU]: Die Ersten 3 % mehr. Die Exportorientierung kann nicht die hören wieder auf!) Lösung sein, insbesondere nicht, wenn ich an die Überdüngungsprobleme in zahlreichen Regionen Der Absatz von Ökoprodukten ist im Durchschnitt Niedersachsens, gerade im Raum Weser-Ems, der letzten Jahre jährlich um 7 % gestiegen. Der sowie an die massiven Probleme mit Antibiotika Umsatz der Ökoprodukte hat sich seit dem Jahre denke, die natürlich auch etwas damit zu tun ha- 2000 auf 7 Milliarden Euro erhöht und somit mehr ben, dass es hier die hohen Tierdichten gibt. als verdreifacht. Deshalb ist es richtig, dass wir die Mittel bei der Umstellungsförderung so schnell Meine Damen und Herren, 51 % des Einkommens erhöht haben. der Landwirtschaft kommen aus öffentlichen Kas- sen. Daraus erwächst auch ein Anspruch derer, Ich will abschließend noch einen Satz zu meinem die das mit ihren Steuermitteln zahlen müssen, Vorredner sagen. Das Beispiel des Umstallens der nämlich der Bürgerinnen und Bürger. Ich bin der von Ihnen erwähnten fünf oder sechs Kälber muss Landesregierung dankbar, dass sie in der Antwort noch aus der Regierungszeit von Schwarz-Gelb nochmals ihre agrarpolitische Maxime dargestellt stammen. Mir sind dazu keine geänderten Rege- hat: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. lungen bekannt. Das, was Sie da vorgetragen ha- Deshalb - jetzt komme ich darauf - ist es auch ben, ist schlicht und ergreifend nur populistisch richtig, dass die Landesregierung auf Bundesebe- und ohne Substanz. ne dafür eintritt, die Möglichkeiten, die die EU beim Vielen Dank. Greening gelassen hat, konsequent umzusetzen. Es ist auch richtig, dass die rot-grüne Landesregie- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der rung dafür eintritt, 15 % der Mittel der ersten Säule SPD) in die zweite Säule umzuschichten; denn so kön- nen die Umwelt- und Tierschutzleistungen der Präsident Bernd Busemann: Bäuerinnen und Bauern gezielt honoriert werden, Wir danken auch, Herr Kollege Janßen. - Meine statt das Geld einfach so über die Fläche zu vertei- Damen und Herren, nach meinem Eindruck liegen len. zu dieser Großen Anfrage keine weiteren Wort- meldungen mehr vor. Wenn mein Eindruck richtig (Beifall bei den GRÜNEN) ist, dann kann ich mit Ihnen feststellen, dass die Mit den pauschalen Flächenprämien für alle sub- Besprechung der Großen Anfrage damit abge- ventionieren wir nämlich nicht vorrangig die Land- schlossen ist. bewirtschaftung, also die Bäuerinnen und Bauern,

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Wir gehen dann über zu dem recht als Fastfood. Diese Beispiele könnten wir alle hier im Raum beliebig fortsetzen.

Tagesordnungspunkt 22: Sie zeigen doch, dass wir junge Menschen besser Erste Beratung: auf ihr Leben als Verbraucher vorbereiten müssen, Verbraucherschutz fängt bei Verbraucherbil- nicht nur, wie es die Schule auch tut, aufs Berufs- dung an - Verantwortung der Schulen verstärkt leben; denn Verbraucher, meine Damen und Her- ausbauen - Antrag der Fraktion der CDU - ren, sind wir immer: Ob wir berufstätig oder Haus- Drs. 17/825 frau sind, ob arbeitslos, ob Rentner, ob Jugendli- cher - Verbraucher sind und bleiben wir ein Leben lang. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock. Bitte sehr, Sie haben das Meine Damen und Herren, da ist dann natürlich Wort. auch die Schule gefragt, und zwar schon deshalb, weil sie junge Menschen viele Jahre ihres Lebens Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): begleitet und - den Eindruck hat man; vielleicht auch nachgewiesenermaßen - nach den Eltern die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ver- Instanz ist, die Wertvorstellungen von Menschen braucherschutz ist ein hohes Gut. Darüber sind wir am meisten mitprägt, noch vor Freunden und alle uns einig. Deshalb versucht der Staat, dem Modetrends, jedenfalls bei den dauerhaften Wert- durch rechtliche Vorgaben gerecht zu werden. orientierungen. Richtig funktionieren kann Verbraucherschutz aber nur, wenn der Verbraucher selbst seine Rolle aktiv Da ist das Problem natürlich drängend; denn Ver- wahrnehmen und mündig und kritisch entscheiden braucher sind immer mehr Informationen ausge- kann. Dazu braucht er ein umfangreiches Wissen. setzt. Die Zusammenhänge - das sehen wir auch Er muss auch die Auswirkungen seiner Entschei- bei etlichen Punkten, die wir hier behandeln, gera- dungen kennen. de auch im landwirtschaftlichen Bereich, aber nicht nur dort - sind immer komplexer. Halbwertszeiten Das gilt beileibe nicht nur für den Lebensmittelsek- unseres Wissens werden kürzer, nicht nur bei tor - welche Eier kaufe ich, welches Fleisch? -, Smartphones und Computern, wo uns das allen sondern das gilt auch für alle anderen Bereiche. natürlich sofort einleuchtet. Nein, überall im Markt- Umfassender Verbraucherschutz erfordert deshalb geschehen gilt das, und das gerade in einer globa- Verbraucherbildung, und bei Bildung ist immer lisierten Welt, nicht zuletzt etwa bei der Frage, was auch die Schule gefragt. nachhaltiger Konsum ist, sondern das gilt ebenso Meine Damen und Herren, alarmierend ist doch die für den Finanzbereich. Das fängt bei der Sparkas- Hilflosigkeit gerade vieler junger Menschen als se vor der Haustür und beim Versicherungsange- Verbraucher, von der wir häufig in den Medien bot an. Das gilt aber auch für alle anderen Berei- hören. Wir kennen auch selbst solche Beispiele. che. Da gibt es zum einen die ganz vielen Informa- Ob nun Jugendliche unbedacht einen Handyver- tionen, dann die fehlenden - die Zusammenhänge trag abschließen und sich dabei finanziell über- sind nicht klar. Das erschwert die Orientierung. nehmen und dann nicht mehr aus dem Vertrag herauskommen oder ob sich manch junge Familie, Die Abhängigkeit von einseitigen Informationen die Kaufentscheidungen trifft, ohne zu realisieren, und auch von der Werbung wächst dann, zumin- ob sie sich das nun eigentlich leisten kann, in ihrer dest besteht diese Gefahr. Hinzu kommt - gerade Not vielleicht auch noch Kredite aufhalst und so das ist sehr gefährlich und eine Verführung beson- unter Umständen in eine Schuldenspirale kommt - ders für junge Leute, glaube ich, aber nicht nur für da steht dann unendliches menschliches Leid be- sie - die schnelle Verfügbarkeit von Käufen durch vor. Oder denken wir an junge Familien, die kaum das Internet. Dem dürfen junge Menschen nicht wirtschaften können, nicht weil sie zu dumm sind, hilflos ausgesetzt sein. sondern weil es ihnen nie jemand wirklich beige- Oberstes Ziel muss deshalb die Herausbildung von bracht hat. Oder denken wir an junge Mütter - ich Alltagskompetenzen, erarbeitet an lebensprakti- nenne sie, weil sie häufiger mit kleinen Kindern zu schen Beispielen, sein, wodurch über Jahre hin- Hause sind -, die aus Zutaten keine einfache weg auch etwas wächst, das ich Lebenstüchtigkeit Mahlzeit bereiten können, die oft noch gesünder nennen würde. und auch billiger wäre als ein Fertiggericht und erst

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Ziel von Verbraucherbildung ist demnach ein schritt, Verbraucherbildung vermitteln, und nicht Verbraucher und Konsument, der selbst umfas- nur bruchstückhaft mal dies, mal das, was dann send informiert ist bzw. Informationsangebote, die zum Teil eher zufällig wirkt. es ja gibt, sinnvoll für sich zu nutzen weiß und Das gilt für viele Bereiche, auch, was ich gestreift dann frei entscheidet, dabei aber sehr wohl die hatte, für den Umgang mit Finanzen, Geld, Geldin- Konsequenzen seiner Entscheidungen kennt. stituten. Es ist sinnvoll, dass ein 15-Jähriger nicht Das hat überhaupt nichts mit Gängelung zu tun - nur in einer Fremdsprache irgendwo ein Ticket von wegen „du sollst dies tun oder jenes essen“. kaufen kann, sondern dass er auch - Überwei- Das hat aber zu tun mit Verantwortung, mit Ver- sungsträger sind nun fast out - in einem Geldinsti- antwortung für sich selbst und für die Gesellschaft; tut klarkommt, dass er weiß, was Kredite sind, denn natürlich haben Verbraucherentscheidungen wann diese infrage kommen, welche Folgen sie auch Rückwirkungen. Es geht also auch um das haben können. Es geht um wirtschaftliches Verhal- Wissen über Möglichkeiten des Einflusses der ten insgesamt, nämlich um den Bereich des Spa- Verbraucher und über seine Stellung in der Kette rens und der Schulden. von der Produktion bis zum Endverbraucher. Das Oder es geht auch um Verbraucherrechte in einem gilt beileibe nicht nur für den Lebensmittelbereich, engeren Sinne, wie wir es häufig verstehen, um wenn es uns da vielleicht auch zu allererst einfällt. Haftung, Garantien, Gewährleistung und Ähnli- Meine Damen und Herren, nicht umsonst wird ches. Im Bereich von Ernährung geht es nicht nur Verbraucherbildung in der Schule in allen Bundes- um Gesundheit, was einem zunächst in den Sinn ländern als wichtig anerkannt, zumindest rein theo- kommen mag - das ist sicherlich wichtig -, sondern retisch, ist aber je nach Schulform und Unterrichts- es geht auch um Haushaltsführung und - das nen- fach - ich habe mir das einmal angesehen - sehr, ne ich ausdrücklich - es geht auch um Kenntnisse sehr unterschiedlich gewichtet, natürlich auch noch über Nahrungsmittelproduktion und Tierhaltung. nach den Bundesländern. Viele Bereiche werden Nicht umsonst nenne ich genau an dieser Stelle kurz angesprochen, gestreift. einen anderen Bereich: Käufer sollten wissen, wie Ernährung etwa kommt da im Biologieunterricht Preise zustande kommen. Das bezieht sich nicht noch mit am besten weg. Energie wird im Physik- nur auf die eben erwähnten Lebensmittel und auf und Sozialkundeunterricht behandelt, jetzt auch die Nahrungsmittelproduktion, sondern das gilt unter ganz neuen Gesichtspunkten. Der Umgang allgemein. Ich denke da nicht nur an Eier - die mit Taschengeld wird in der Grundschule behan- haben wir da manchmal besonders im Kopf -, ich delt. Manches kommt später im Sozialkundeunter- denke auch etwa an die Strickjacke für 7 Euro, die richt, vor allem in der Oberstufe des Gymnasiums. mancher - nicht nur Jugendliche - in einer hell- braunen Tüte mit hellblauer Aufschrift hier durch Aber ich denke, das alles reicht noch nicht. Woran die Stadt trägt, und nicht nur hier. es fehlt, ist, dass Verbraucherbildung als Erzie- hungsziel durchgängig anerkannt, gehandhabt und Mit Sicherheit, meine Damen und Herren, sollten umgesetzt wird. unsere jungen Leute auch mehr - sofern sie über- haupt etwas bisher davon wissen - über Versiche- Meine Damen und Herren, nicht umsonst beschäf- rungen wissen. Bei den freiwilligen Versicherun- tigt sich zurzeit auch die Kultusministerkonferenz gen - die können sie oft nicht von den gesetzlichen mit Richtlinien zum Verbraucherschutz; allerdings und den Sozialversicherungen unterscheiden - kenne ich die Zwischenergebnisse nicht. Nieder- kann man feststellen, dass ein Teil der Deutschen sachsen hat sich in dieser Richtung für einen inte- immer noch überversichert ist, weil ihnen irgend- grativen Ansatz entschieden, d. h. kein eigenes wann irgendjemand etwas aufgeschwatzt hat. Die Unterrichtsfach. Damit kann man leben. Bedeutung der Sozialversicherungen - Kosten, Nutzen, Gebrauch - sind ein ganz wichtiger Punkt Was also müssen wir demzufolge dann tun? - Zu- für ihre eigene Zukunft. nächst einmal müssen wir Lehrpläne und Curricula und alles, was in den Unterricht gelangt, also Un- Lassen Sie mich jetzt am Ende noch einen Punkt terrichtsmaterialien und Schulbücher, durchforsten nennen, über dessen Wichtigkeit wir uns sicherlich und dafür sorgen, dass sie kontinuierlich - hinter- auch verständigen können. Es geht um den be- einander, nicht immer mal so ein bisschen - und wussten Umgang mit elektronischen Medien und konsequent aufeinander aufbauend, also immer sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und all mit dem entsprechenden Lern- und Erkenntnisfort- dem, was auf diesem Sektor noch kommen wird.

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Sie erinnern sich: Vor Jahren standen im Fokus Ronald Schminke (SPD): unseres Interesses - gerade auch für die Schulen - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und die technische Handhabung von Computern und Herren! Der Antrag, den die CDU hier zur Beratung ihre inhaltliche Nutzung für den Unterricht. Jetzt, eingebracht hat, hat uns zuerst amüsiert; nicht meine ich, geht es um etwas anderes, nämlich um etwa wegen des Titels oder wegen der Inhalte, den Selbstschutz junger Leute als Verbraucher sondern weil er davon ausgeht, dass wir die Aktivi- und als Nutzer dieser Medien und dieser Netzwer- täten unserer eigenen Kolleginnen und Kollegen in ke. anderen Bundesländern nicht kennen. Ich betone es noch einmal - damit hier nicht gleich Verehrte Kollegin Bertholdes-Sandrock, natürlich wieder einer einen Schrecken kriegt -: Wir brau- wissen wir, dass in NRW der Verbraucherschutz chen für all das kein zusätzliches Unterrichtsfach seit vielen Jahren einen ganz anderen Stellenwert und keine zusätzlichen Stunden. Was wir aber genießt als in Niedersachsen, und uns ist schon brauchen, ist ein neuer Blickwinkel darauf, was wir klar, dass die niedersächsische Vorgängerregie- unterrichten und mit welchen Beispielen, wie wir rung in Sachen Verbraucherschutz grottenschlecht das Wissen transportieren und was dabei heraus- war und wir im Vergleich zu anderen Bundeslän- kommt - ob wir da nun den Handyvertrag mit sei- dern Tabellenletzter sind. Das ist uns bekannt. nen Folgekosten im Matheunterricht bearbeiten oder was auch sonst. Natürlich wissen wir auch, dass die Verbraucher- zentrale Niedersachsen fast in den finanziellen Wir haben viele Verbündete, die uns in den Schu- Abgrund gefahren wurde, und dass es nur der len auch außerhalb des Unterrichts - in Projektwo- großen Anstrengung und des Engagements des chen, in Praktika, in der Ganztagsschule - helfen, Personals zu verdanken war, dass die Aufgaben von ihren Erfahrungen und Kompetenzen zu profi- dort trotzdem noch erledigt wurden. tieren. Ob Landfrauen, Verbraucherzentralen, Deshalb ist es in der Tat amüsant festzustellen, Geldinstitute, Bildungseinrichtungen und Schuld- dass die CDU nun in ein Bundesland schaut, in nerberatungen: Ich bin sicher, sie alle werden uns dem der Verbraucherschutz dank Rot-Grün vor- dabei helfen. Nutzen wir das für die Schule! zeigbar ist und gut läuft. Es ist auch Ihr gutes Recht zu googeln, Verbraucherbildung ist unser Auftrag. Ich bitte - gerade bei diesem wichtigen Ziel - alle hier im (Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Hause um eine gemeinsame Arbeit. Ich denke, die Ich google nicht!) Bürger in diesem Lande erwarten auch, dass wir einmal unisono sagen: Genau daran arbeiten wir. - und Sie dürfen auch abschreiben, und für solche Ich denke, das sind wir den jungen Menschen im Plagiate wird hier im Landtag auch niemand be- Lande Niedersachsen - auch woanders, aber wir straft. Aber irgendwie beleidigen Sie die Intelligenz sind für Niedersachsen zuständig - schuldig. meiner Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie den NRW-Antrag mit dem Titel „Verbraucherbildung in Ich freue mich in diesem Fall besonders auf die der Schule nachhaltig und vielfältig gestalten!“ in Beratungen im Ausschuss, und ich danke Ihnen für der Drucksache 16/3223 aus dem Juni 2013 sinn- die Aufmerksamkeit. frei umformulieren und auch noch wesentliche Teile des Antrags weglassen, meine Damen und (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Herren. der FDP) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karin Bertholdes-Sand- Präsident Bernd Busemann: rock [CDU]: Den kenne ich noch gar Vielen Dank, Frau Bertholdes-Sandrock. - Meine nicht!) Damen und Herren, zum gleichen Tagesord- Sie haben z. B. auf das REVIS-Konzept - das heißt nungspunkt hat sich für die Fraktion der SPD der übersetzt „Reform der Ernährungs- und Verbrau- Abgeordnete Ronald Schminke gemeldet. Herr cherbildung in allgemeinbildenden Schulen“ - völlig Kollege Schminke, Sie haben das Wort. verzichtet. Aber ich sage Ihnen: Das ist ein we- sentlicher Schwerpunkt des NRW-Antrages. Sie (Heiner Schönecke [CDU]: Jetzt sollten wissen: Die Empfehlung der Kultusminister- geht’s um die Wurst!) konferenz zur Verbraucherbildung in Schulen vom

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12. September 2013 wurde einvernehmlich be- noch ganz nebenbei essen und dabei nicht mehr schlossen - also auch durch Niedersachsen -, und wahrnehmen, wie viel und was sie essen. Damit danach können die Länder selbst entscheiden, ob sollten wir uns ebenfalls beschäftigen. sie ein eigenständiges Unterrichtsfach einrichten oder die Verbraucherbildung als Querschnittsthe- (Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann ma in andere Fächer integrieren wollen. Lediglich übernimmt den Vorsitz) Schleswig-Holstein hat ein eigenes Fach für die Wir müssen uns selbst fragen, warum ausgerech- Klassen 5 bis 10, alle anderen Länder integrieren net vor den Schulen Fast-Food-Schnellrestaurants die Verbraucherbildung als Querschnittsaufgabe. genehmigt werden. Viele der Kids müssen nach Nun zum REVIS-Projekt, welches Ihnen beim Ab- der Schule erst noch auf den Bus warten und ge- schreiben verlustig ging: Das Projekt gilt als ziel- hen dann eben mal schnell zu McDonalds oder in führend, und es wird seit 2010 in den Lehrplänen andere Fast-Food-Restaurants. Auch da können berücksichtigt. In fast allen Kerncurricula kommen wir etwas verändern. Wir können natürlich keine die Aspekte zum Tragen. Darum müssen wir den Verbote für Fast-Food-Restaurant-Standorte aus- Schulen nicht mehr vorschreiben - heute jedenfalls sprechen. Dennoch müssen wir überlegen, wie wir nicht mehr -, ob und wie sie Verbraucherbildung in diesem Trend entgegenwirken. Und wo sollte das den Nachmittagsunterricht einbinden sollen. besser stattfinden, als in der Schule selbst? - Aus all diesen Gründen legen wir einen besonderen Bei aller Wertschätzung, die ich den Landfrauen Schwerpunkt auf das Thema Ernährung. entgegenbringe - ich glaube, da bin ich unverdäch- tig - und deren vielseitiges Wirken ich an dieser Ich möchte Ihnen zum Schluss meiner Ausführun- Stelle ausdrücklich lobe: Wir müssen den Schulen gen noch mitteilen, dass Verbraucherbildung nicht bei dem komplexen Thema Verbraucherschutz erst bei Jugendlichen anfangen darf, sondern be- nicht auch noch die Partner vorschreiben. Da sol- reits in den Kitas beginnen muss. Frühkindliche len die Schulen besser selbst entscheiden, wer Bildung und Erziehung muss auch das Essverhal- und was geeignet ist, meine Damen und Herren. ten, die Esskultur und Lebensmittelkompetenzen (Beifall bei der SPD und bei den beinhalten. Bereits in den Familien und in den GRÜNEN) Kitas muss das vermittelt werden. Auch darum greift Ihr Antrag inhaltlich etwas zu kurz. Meine Damen und Herren, Schwerpunkte sind in Ihrem Antrag die Finanz- und Wirtschaftskompe- Wir werden das im Verbraucherausschuss bera- tenzen. Dies steht im Widerspruch zu der von Ih- ten. Aber in der nun vorliegenden Form können wir nen erwähnten Schuldnerprävention. dem Antrag nicht zustimmen; das sage ich hier ganz deutlich. Der Antrag muss erheblich nachge- Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie sich auf bessert werden, wenn daraus etwas werden soll. Bildung in Schulen von jungen Erwachsenen be- ziehen, und schulpflichtige junge Erwachsene sind Wir sind ohnehin der Meinung, dass die Schwer- größtenteils noch nicht 18 Jahre alt, ergo auch punkte des Antrags eigentlich im Kultusbereich zu noch nicht mündig. Diesen jungen Leuten Kompe- finden sind. Darum möchten wir die Mitberatung tenzen in Sachen Finanzierungsangebote und des Kultusausschusses einfordern. Geldanlagen zu vermitteln, dürfte vom Ansatz her nicht besonders glücklich gewählt sein. Wir werden Alles Weitere besprechen wir dann im Ausschuss das aber noch im Ausschuss besprechen. in aller Ruhe.

Ich weiß nicht, ob der CDU das Kinder- und Ju- Vielen Dank. gendgesundheitssurvey des Roland Koch-Instituts bekannt ist. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Jens Nacke [CDU]: Das Institut heißt „Robert Koch-Institut“!) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Damit sollten Sie sich zumindest beschäftigen; Ich werde eben darauf hingewiesen, dass von denn dort wurde aufgezeigt, dass 22 % der 11- bis Ihnen, Frau Bertholdes-Sandrock, eine Kurzinter- 17-Jährigen Auffälligkeiten im Essverhalten zeigen. vention angemeldet wurde. Dann haben Sie das Gründe dafür sind z. B., dass Jugendliche das Wort. Bitte schön! Essen nicht mehr als Haupttätigkeit sehen und nur

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Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Lieber Herr Kollege Schminke, ich finde es eigent- Vielen Dank. - Herr Schminke möchte auf die Kurz- lich meinerseits amüsant, dass Sie meinen, Sie intervention antworten. Er hat das Wort. Bitte hätten sich die ganze Zeit amüsiert. Ich denke, schön! man kann zu meinem Antrag manches sagen; aber ob der nun so amüsant war, weiß ich nicht. Ronald Schminke (SPD): Vielen Dank. - Meine sehr verehrten Damen und Sie sagen, wir müssen etwas nachbessern. Sie Herren, natürlich wollen wir die Dinge mit Ihnen sind aber nicht auf 5 % der Substanz dessen ein- besprechen. Aber eines ist auch klar: Wenn wir gegangen, was ich gesagt habe. Insofern ist die feststellen, dass dieser Antrag so etwas von de- Frage, wer da inhaltlich noch ein bisschen nach- ckungsgleich ist - schon in der Begründung - mit bessern muss: Sie oder ich? dem NRW-Antrag, dann ist das - sage ich einmal - in weiteren Teilen nicht Ihr eigenes geistiges Ei- Das, was Sie über Nordrhein-Westfalen gesagt gentum. Vielmehr haben Sie das einfach über- haben, interessiert mich sehr. Ich kenne das bis nommen. Das habe ich festgestellt. jetzt nicht. Das mag damit zusammenhängen, dass ich den Anspruch an mich habe, alles selber zu Wir wollen uns gerne mit Ihnen im Ausschuss dar- bedenken und zu durchdenken. Also, die Sachen über streiten und uns natürlich auch über die We- stammen von uns. Sie stammen nicht aus Nord- ge unterhalten. Wen wir dort einbinden können - rhein-Westfalen. Es sollte mich aber freuen, wenn das habe ich Ihnen gesagt -, das entscheiden wir es so ist, wie Sie behaupten, dann müssten Sie gemeinsam, indem wir überlegen, was überhaupt eigentlich Anlass haben, sich mit dem einen oder Sinn macht: Wo es Sinn macht, Organisationen anderen Punkt ein bisschen näher und intensiver einzubinden, und welche Organisationen dafür auseinanderzusetzen. überhaupt infrage kommen. Das wollen wir den Schulen nicht vorschreiben, aber wir können (Glocke des Präsidenten) durchaus Vorschläge machen.

Zu Ihrem Vorwurf, wir wollten anderen die Partner Alles andere besprechen wir im Ausschuss. vorschreiben: Das ist komplett danebengegriffen. (Beifall bei der SPD und bei den Im Sinne einer Schule, die sich öffnet, greifen wir GRÜNEN) natürlich - und zwar mit Erfolg - auf andere zurück, die uns etwas zu bieten haben. Da sage ich: Las- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: sen Sie uns deren Erfahrungen und Kompetenzen nutzen! Schuldnerberatungen, Verbraucherzentra- Vielen Dank, Herr Schminke. - Wir setzen die Be- ratung mit der Wortmeldung für die Fraktion Bünd- len, die Landfrauen haben Projekte gemacht. Das Landwirtschaftliche Bildungszentrum Echem fällt nis 90/Die Grünen fort. Frau Kollegin Korter, Sie mir auch noch ein. Was meinen Sie, was die alle haben das Wort. für Erfahrungen haben! Und es gibt nicht nur den Ina Korter (GRÜNE): konkreten Unterricht in der Schule. Es gibt Prakti- ka. Es gibt Ganztagsunterricht. Es gibt Projekttage Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und und Projektwochen. Da gibt es jede Menge. Wa- Herren! Kein Zweifel, Verbraucherbildung ist wich- rum sollen Lehrer nicht weiterhin - sie tun es tig und nötig. Deshalb haben SPD und Grüne im schon - davon profitieren? Koalitionsvertrag festgehalten - Zitat -: „Verbraucherbildung muss in das Schulle- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: ben integriert werden. Die rot-grüne Koaliti- on will erreichen, dass Ernährungs- und Frau Bertholdes-Sandrock, die 90 Sekunden sind Verbraucherbildung im Rahmen der UN- um. Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung auch in der Schule verstärkt wird. Dort sollen Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): elementare Kenntnisse in Ernährung, Me- Gut, ich beschränke mich erst einmal darauf. - dienkompetenz und Finanzen vermittelt Also, bessern Sie einmal nach! werden.“ Meine Damen und Herren, Verbraucherbildung (Beifall bei der CDU) unterstützt die Entwicklung der Schülerinnen und

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Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, tung oder die Schuldnerberatung in die Schulen und das ist uns wichtig. Aber - auch das sollten Sie holen? - Es wäre mir sehr wichtig, so etwas klarzu- wissen - sie findet bereits in vielen Schulfächern stellen. Denn solche Verbände sind frei von wirt- statt. Sonst hätte Schwarz-Gelb ja zehn Jahre schaftlichen Eigeninteressen. nichts getan, Frau Bertholdes-Sandrock. Grundsätzlich sollten wir diskutieren, ob wir in der (Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Verbraucherbildung beim integrierten Ansatz blei- Das habe ich nirgends erwähnt, ben wollen - dass immer ein kleines Stück in vielen oder?) Fächern vorkommt - oder ob wir nicht parallel das Fach Hauswirtschaft weiterentwickeln und moder- Wir haben aber eine aktuelle Entwicklung, und nisieren sollten. Man muss wissen: Hauswirtschaft deshalb ist es gut, dass wir uns mit dem Thema gibt es an den Hauptschulen, an den Realschulen befassen: Seit September 2013 liegen die neuen und an den Oberschulen. An den Gesamtschulen Empfehlungen der Kultusministerkonferenz vor. gibt es das Fach Arbeit-Wirtschaft-Technik, und an Die sind aus meiner Sicht überwiegend gut, gehen den Gymnasien gibt es das Fach Politik-Wirtschaft. allerdings deutlich über die Forderungen im CDU- Das ist eigentlich eine merkwürdige Trennung. Antrag hinaus, der sich aus meiner Sicht sehr stark Brauchen wir denn an den Gymnasien weniger auf den finanziellen und wirtschaftlichen Bereich oder eine andere Verbraucherbildung? beschränkt. Ich glaube, wir sollten uns sehr genau ansehen, Die Verbraucherbildung wird in den Empfehlungen was in den verschiedenen Fächern und in den der Kultusministerkonferenz in den Kontext „Bil- verschiedenen Schulformen im Moment stattfindet, dung für nachhaltige Entwicklung“ gestellt. Sie soll und auf der Grundlage der KMK-Empfehlungen Kompetenzen für eine bewusste und differenzierte überlegen, ob wir überhaupt neue Zielsetzungen Urteilsbildung bei Konsumentscheidungen vermit- brauchen. Wenn wir sie brauchen, dann sollten wir teln, Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der vielleicht gemeinsam, über die Fraktionsgrenzen Alltagskompetenzen stärken, aktuelle gesellschaft- hinweg, ein neues Konzept dafür entwickeln. Wir liche Entwicklungen aufgreifen und vor allem - das sind auf jeden Fall dafür offen. wurde bereits in der Debatte deutlich - in allen Jahrgangsstufen im Sinne eines kontinuierlichen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kompetenzerwerbs stattfinden. Sie soll hand- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN lungsorientiert sein, partizipativ angelegt. Sie soll und bei der SPD) Mechanismen des Marktes, aber auch Einfluss- möglichkeiten der Konsumentinnen und Konsu- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: menten aufnehmen, und sie soll - das halte ich für Vielen Dank, Frau Kollegin Korter. - Als Nächster sehr wichtig; auch das wurde in der Debatte kurz hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete angesprochen - frei von wirtschaftlichen Interessen Hermann Grupe das Wort. sein. Deshalb ist es für mich schwer nachvollziehbar, Hermann Grupe (FDP): dass sich die Kultusministerkonferenz darauf geei- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nigt hat, dass es möglich ist, auch wirtschaftliche finde den Antrag prima, unabhängig davon, wie Unternehmen und Interessenverbände im Rahmen der Urheberstreit zwischen der CDU-Fraktion und der Verbraucherbildung in die Schulen zu holen. dem Abgeordneten Schminke ausgeht. Ich habe Dass man, wenn im Unterricht, meine Damen und ein bisschen den Verdacht, dass die CDU hier Herren, über Finanzen, über das Marktgeschehen, einen Antrag gestellt hat, den der Kollege Schmin- über Verbraucherrechte gesprochen wird, Versi- ke gerne selber gestellt hätte. Ich glaube aber cherungsgesellschaften oder Banken in die Schule nicht, dass der Streit das Entscheidende ist. Wenn holen kann, die über Altersvorsorge, über Geldan- hier schon weitgehende Übereinstimmung lagen oder über Finanzprodukte informieren, das herrscht, ist das eine gute Voraussetzung für die halte ich für fragwürdig. Ausschussberatungen. (Beifall bei den GRÜNEN) (Zustimmung von Dr. Stefan Birkner [FDP]) Sollten wir da - dieses Beispiel hat die Kollegin Bertholdes-Sandrock aufgeführt - nicht viel lieber Es geht beim Verbraucherschutz eben - das wurde unabhängige Verbände wie die Verbraucherbera- schon angesprochen - um viel mehr. Es geht um

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Verbraucherbildung, es geht um Qualitätsbewusst- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: sein. Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die Lan- desregierung hat jetzt Frau Kultusministerin Heili- Meine Damen und Herren, ich möchte ein Beispiel genstadt das Wort. aus der Ernährung anführen: Wenn weltweit 50 % der Nahrungsmittel verderben oder weggeworfen Frauke Heiligenstadt, Kultusministerin: werden, dann ist das eine schlimme Geschichte. Wenn aber in unserem Lande 25 % der Nah- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und rungsmittel, die es bis in die Küche des Verbrau- Herren! Es wäre schön, wenn wir uns auch in an- chers schaffen, weggeworfen werden, dann halte deren Fragen der Bildungspolitik über Inhalte und ich das für einen großen Skandal. Zielsetzungen so einig sein könnten wie in der Verbraucherbildung. Den Beiträgen in der Diskus- (Beifall bei der FDP und Zustimmung sion habe ich zumindest entnommen, dass das bei der CDU) durchaus als ein wichtiges Thema erachtet wird.

Früher hätte man gesagt: Das ist Sünde. - Dieses Wir brauchen die Verbraucherbildung. Wir wollen Wort ist altmodisch. Das macht besonders deut- sie in Niedersachsen wie auch in den anderen lich, wie dringend notwendig es ist, mit der Ländern. Denn aus diesem Grund hat die KMK am Verbraucherbildung bei den Kindern in frühester 12. September dieses Jahres eine Empfehlung zur Jugend anzufangen. Es ist eben etwas anderes - Verbraucherbildung an unseren Schulen beschlos- es geht nicht nur um Geld, es geht wirklich um die sen. Anerkennung der besonderen Bedeutung von Die im Entschließungsantrag getroffenen Feststel- Nahrungsmitteln, wenn wir wissen, dass nach wie lungen und die Beobachtungen und Zielsetzungen vor fast 1 Milliarde Menschen auf diesem Planeten des Antrags decken sich mit den Aussagen der hungern. KMK-Empfehlung. Natürlich werden wir die KMK- Empfehlung begleiten und einen Blick auf die Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Verbraucherbildung haben. Sonst hätte das Land zweites Beispiel anführen. Herr Kollege Schminke, dem KMK-Beschluss ja auch seine Zustimmung mit niemandem kann man ja so angeregt diskutie- verweigert. ren wie mit Ihnen. Im Fachausschuss Verbrau- cherschutz hatten wir ja auf Ihren Antrag hin das Aber - das sollte man fairerweise auch erwähnen, Thema Eigenkontrollen, staatliche Kontrollen. Wir meine Damen und Herren - hier handelt es sich ja hätten sehr gerne eine Expertenanhörung gehabt. nicht um ein neues Thema, dessen Bedeutung erst Es ist hier deutlich geworden, wie kompliziert, wie jetzt in den Fokus gerückt ist, sondern um ein An- vielschichtig dieses Thema ist. Das haben Sie liegen, das sich in Niedersachsen aus dem Bil- leider abgelehnt. Wir sollten uns wirklich einge- dungsauftrag in § 2 des Schulgesetzes ableitet hender mit der Thematik beschäftigen und sollten und sowohl in der Stundentafel als auch in den hier den Sachverstand hinzuziehen. Ich hoffe, Kerncurricula diverser Schulfächer bereits Einzug dass Sie da noch umdenken und dass wir auch in gehalten hat. dem Punkt weiterkommen. Das Fach Hauswirtschaft, in dem sich viele der im Lieber Herr Kollege Schminke, Sie haben dann ja Entschließungsantrag genannten thematischen doch noch auch die Anerkennung für die Land- Schwerpunkte wiederfinden, wurde z. B. in den frauen zum Ausdruck gebracht. Es geht nicht dar- Realschulen über Jahre nur im Wahlpflichtbereich um, hier irgendetwas vorzuschreiben. Aber es geht angeboten. Seit August 2010 ist es in dieser darum, die Anerkennung auszusprechen, wenn Schulform und seit August 2011 auch in den Ober- Menschen vorbildlich ehrenamtliche Arbeit leisten schulen verbindliches Unterrichtsfach. Das Fach und sich gerade in diesem Bereich engagieren. Ich Wirtschaft ist in allen Schulformen des Sekundar- glaube, dass wir da inhaltlich nicht weit auseinan- bereichs I als eigenständiges Unterrichtsfach oder der sind. Deswegen werden wir im Fachausschuss in Kombination mit anderen Fächern verbindlich in sicherlich zu guten gemeinsamen Ergebnissen der Stundentafel verankert. Mit den Profilangebo- kommen. ten Wirtschaft, Gesundheit und Soziales wurden für Schülerinnen und Schüler nicht nur vertiefende, Ich danke für die Aufmerksamkeit. sondern auch berufsorientierende Angebote ge- schaffen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Auch die Grundschulen sollte man nicht verges- la erst einmal umzusetzen. Die Landesregierung sen; denn bereits dort werden im Fach Sachunter- ist sich sicher, dass die Schulen und Lehrkräfte richt erste Kompetenzen zur Verbraucherbildung dieses Landes diese Aufgabe auch verantwor- erworben. tungsvoll umsetzen und im Rahmen ihrer pädago- gischen Eigenverantwortung außerschulische Ex- Meine Damen und Herren, für verbindliche Unter- pertinnen und Experten dabei einbinden werden. richtsfächer gibt es in Niedersachsen dann auch verbindliche Kerncurricula. Im Entschließungsan- Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir ab- trag wurden thematische Schwerpunkte genannt, schließend noch eine Anmerkung zu der Forde- die berücksichtigt werden sollten. Diese Themen rung, die Alltagskompetenzen der jungen Men- findet man zwar bereits in der KMK-Empfehlung. schen zu erhöhen. Diese Forderung kann ich Viel einfacher hätte man sie jedoch auch in den grundsätzlich nur unterstützen. Doch wir sollten niedersächsischen Kerncurricula nachschlagen uns davor hüten, Alltagskompetenzen lediglich auf können. Im Fach Hauswirtschaft z. B. sind die notwendige Kompetenzen in der Verbraucherbil- Themenfelder Lebensmittelzubereitung, Ernährung dung zu begrenzen. Zu Alltagskompetenzen gehö- und Gesundheit, Lebensmittelqualität und Konsu- ren insbesondere auch Lese- und Rechenkompe- mentenentscheidung, Lebensstile und Essge- tenz. Wer das Kleingedruckte in Handyverträgen wohnheiten sowie Ökonomie, Ökologie und Sozia- nicht lesen kann oder versteht, wer nicht in der les verbindlicher Inhalt. In diese Themenfelder Lage ist, Preise zu berechnen oder zu vergleichen, fallen - - - weil er vielleicht nicht ausrechnen kann, ob es günstiger ist, sechs Äpfel für 1,80 Euro oder zehn (Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Äpfel für 3,10 Euro zu erwerben, dem helfen zu- Das ist es ja! Es ist alles immer nur an sätzliche Unterrichtsstunden in der Verbraucherbil- der einen Schulform oder an der an- dung auch nicht. Deshalb ist es wichtig, dass man deren Schulform!) in allen Fächern, wie es Herr Kollege Schminke - Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben das Fach und Frau Korter erwähnt haben, diese wichtigen Sozialkunde erwähnt. Das Fach Sozialkunde gibt Themen verankert. Das ist in vielen Bereichen in es in Niedersachsen an gar keiner Schulform Niedersachsen auch schon passiert. mehr. Schülerinnen und Schüler benötigen Kompeten- (Beifall bei der SPD) zen, um verantwortungsvoll als Verbraucherinnen und Verbraucher handeln zu können. Das ist un- In diese Themenfelder fallen neben der Lebensmit- strittig. Ich bin gespannt auf die Diskussionen. telzubereitung auch Ernährungsfragen, Lebensmit- telkennzeichnung, Gütesiegel, Ernährungstrends, Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Rechte und Pflichten von Mietern, Haushaltskos- ten, Finanzierungsformen, Schuldnerberatung usw. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Ministerin. Im Fach Wirtschaft erwerben unsere Schülerinnen und Schüler im Themenfeld Verbraucherinnen und Ich stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen Verbraucher sowie Erwerbstätige im Wirtschafts- vorliegen. geschehen u. a. basale Kompetenzen zu den The- Bevor wir zur Ausschussüberweisung kommen, men Umgang mit dem Einkommen, Einflüsse auf erteile ich der Kollegin Karin Bertholdes-Sandrock das Verbraucherverhalten sowie Schadensrisiken nach § 76 der Geschäftsordnung das Wort zu einer und deren Absicherung durch Individualversiche- persönlichen Bemerkung. Sie wissen, Frau Kol- rungen. Die Nutzung von und der kritische Um- legin, als erfahrene Parlamentarierin, dass Sie nur gang mit Medien sind in allen neuen Lehrplänen gegen Sie gerichtete Angriffe zurückweisen oder verankert und, und, und. eigene Ausführungen berichtigen können. Sie ha- Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schminke ben das Wort. hat darauf hingewiesen: Niedersachsen hat sich bei der Erstellung seiner Vorgaben für die Schulen Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): am REVIS-Konzept orientiert und sich die erforder- Vielen Dank, Herr Präsident. Genau die Absicht liche Expertise dazu geholt. habe ich jetzt. Unsere Schulen benötigen jedoch Zeit, die in den Herr Schminke, Sie haben behauptet, ich hätte letzten drei Jahren herausgegebenen Kerncurricu- abgeschrieben, und haben mir den Vorwurf ge-

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macht, geistiges Eigentum anderer Leute über- Meine Damen und Herren, ich rufe dann auf den nommen zu haben. Ich weise dieses aufs Schärfs- te zurück und verlange von Ihnen, wenn Sie je- mandem so etwas vorwerfen, dass Sie erstens die Tagesordnungspunkt 23: Stellen nachweisen und nicht irgendeine Nummer Erste Beratung: wählen und dass Sie zweitens den inhaltlichen Für ein partnerschaftliches Handeln - Einfüh- Nachweis antreten. Sie haben unseriös und aus rung entwicklungspolitischer Leitlinien für das politischer Opportunität gehandelt. Land Niedersachsen - Antrag der Fraktion der Ich kenne diesen Antrag nicht. Sollte in Nordrhein- SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Westfalen jemand Ähnliches - - - Er ist mir eben Drs. 17/827 gebracht worden. Ich habe angefangen, ihn zu lesen, sehe aber sehr, sehr deutliche Unterschie- de. Außerdem mag es sein, dass auch in Nord- Zur Einbringung hat sich der Kollege Dr. Alexander rhein-Westfalen Leute denken können. Bei mir Saipa von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet, basieren diese Dinge auf 20 Jahren Erfahrung, dem ich das Wort erteile. Bitte, Herr Kollege! Frau Kultusministerin, in Sozialkunde, Politik, Wer- (Zustimmung bei der SPD) te und Normen sowie Deutsch. Insofern muss ich sagen: Es gibt diese Übereinstimmungen nicht. Dr. Alexander Saipa (SPD): Herr Schminke, seien Sie vorsichtig mit Vorwürfen des Plagiats, wenn Sie sie nicht nachweisen kön- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und nen! Ich finde, das ist ehrenrührig. Das weise ich Herren! Es freut mich, dass wir heute beginnen, strengstens zurück. eine Debatte über die Entwicklungspolitik des Lan- des Niedersachsen zu führen. Niedersachsen ist (Beifall bei der CDU und bei der FDP) ein weltoffenes und innovatives Land und ist gut Sie können ja manches behaupten, aber nicht international vernetzt: zum einen durch die Men- Kollegen so niedermachen! schen aus vielen Ländern, die hier leben, und zum anderen durch die mannigfaltigen wirtschaftlichen, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen in andere Länder unserer Welt. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Kollegin. Lassen Sie mich gleich zu Beginn ein paar Worte zu unserem rot-grünen Verständnis von Entwick- Wir kommen jetzt zur vorgeschlagenen Aus- lungspolitik sagen. Entwicklungspolitik ist zwar für schussüberweisung zu diesem Entschließungsan- die Bundesländer an sich keine Pflichtaufgabe. trag. Dennoch sind wir hier in Niedersachsen durch ein Federführend soll der Ausschuss für Ernährung, hohes Engagement in diesem Bereich sehr berei- Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landes- chert. Neben der Zivilgesellschaft, den Nichtregie- entwicklung damit befasst werden, mitberatend der rungsorganisationen und Kirchen, Stiftungen, Unterausschuss „Verbraucherschutz“. Hochschulen und Verbänden leisten auch viele grenzüberschreitend tätige kleine, mittlere, aber Herr Kollege Schminke hat angeregt und bean- auch sehr große Unternehmen einen Beitrag zur tragt, auch gleich zu beschließen, den Kultusaus- nachhaltigen Entwicklung. Dieses Potenzial wollen schuss mitberatend zu beteiligen, obwohl die Ge- wir noch stärker fördern, als es unter der abge- schäftsordnung ja vorsieht, dass die Mitberatung wählten schwarz-gelben Landesregierung der Fall weiterer Ausschüsse außerhalb der Ältestenrats- war. empfehlung auch im federführenden Ausschuss beschlossen werden kann. Gibt es Widerspruch Wie niedersächsische Entwicklungspolitik ausse- dagegen, das gleich zu beschließen? - Das ist hen soll, wo die besonderen Potenziale und Fähig- nicht der Fall. keiten des Landes liegen und wo wir uns engagie- ren werden, soll in der Erarbeitung entwicklungs- Dann lasse ich insgesamt darüber abstimmen, politischer Leitlinien ausgelotet und festgehalten auch den Kultusausschuss mitberatend zu beteili- werden. Dieses wird in einem Dialog mit den ent- gen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das wicklungspolitisch engagierten Akteuren und Ex- Handzeichen. - Das ist ausreichend unterstützt und perten geschehen. wird so geschehen.

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Entwicklungspolitische Verantwortung wahrzu- terien, in der Zivilgesellschaft und in unseren Part- nehmen ist ein wesentliches Element einer an nerländern verankern. Nachhaltigkeit ausgerichteten Landespolitik. Ent- Aus unserer Sicht sind in der Entwicklungszusam- wicklungspolitik ist deshalb in Niedersachsen eine menarbeit sechs Kernbereiche von besonderer Landesaufgabe und liegt im gemeinsamen Inte- Bedeutung, wenn wir im Kampf gegen die Armut resse aller Beteiligten. Eine Entwicklungspolitik, die auf der Welt und gegen ihre Ursachen Erfolg ha- ökologische, soziale und wirtschaftliche Tragfähig- ben wollen. keit, kulturelle Selbstbestimmung, gewaltfreie Kon- fliktkultur und demokratische Partizipation in den Erstens: die enge Verknüpfung mit den Millenni- Partnerländern fördert, ist eine Zukunftsinvestition, umsentwicklungszielen in allen Ressorts der Lan- die den Menschen in Niedersachsen ebenso zugu- desregierung. te kommt wie unseren Partnerinnen und Partnern in der ganzen Welt. Zweitens: Intensivierung aller Aspekte der Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Bildungseinrich- (Beifall bei der SPD und bei den tungen des Landes zur Sensibilisierung für die GRÜNEN) Ziele einer Eine-Welt-Politik. Das globale Lernen Entwicklungszusammenarbeit wird in der Bevölke- im globalen Klassenzimmer soll noch übergreifen- rung schon jetzt stärker wahrgenommen als früher. der in den Lehrplänen unserer Schulen verankert Wir sprechen auch nicht mehr von Entwicklungshil- werden. Unsere Kinder und Jugendlichen sollen fe. Das ist ein veralteter Begriff, der davon aus- die globalen Zusammenhänge ihres Handelns ging, dass die reichen Länder den ärmeren Län- oder Unterlassens als Verbraucherinnen und Ver- dern dieser Welt Geld und Nahrungsmittel schi- braucher kennen und Verantwortung für ihr indivi- cken, damit diese sich so entwickeln wie wir. Das duelles Verhalten übernehmen. - Das Thema hat- ist nicht mehr das internationale Verständnis von ten wir ja gerade schon. Entwicklungspolitik und auch nicht unseres. Wir (Beifall bei der SPD und bei den sprechen heute von Entwicklungszusammenarbeit. GRÜNEN) Das bedeutet gleichberechtigte Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem Ziel einer gerechteren Welt Drittens: Unterstützung der Inlandsarbeit im Be- mit weniger Armut. reich der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Eine-Welt-Promotorenprogramm, welches in ande- Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel dafür. Die ren Bundesländern mit Bundeszuschüssen erfolg- Probleme in Entwicklungsländern, wie z. B. Tro- reich läuft. ckenheit und schlechtere Ernten, sind auch auf den CO2-Ausstoß in Industrieländern zurückzufüh- Viertens: Verfestigung des globalen Denkens in ren. Ein weiteres Beispiel sind Fleischexporte aus unserer Bevölkerung durch Unterstützung von der EU in Entwicklungsländer, die vor Ort ernsthaf- Austauschprogrammen und Freiwilligendiensten. te Probleme schaffen. Fünftens: Einhaltung von Fairnesskriterien bei der Auch bei uns zu Hause muss sich also etwas än- Vergabe von öffentlichen Aufträgen. - Über das dern. Dafür müssen politische und wirtschaftliche Thema haben wir schon gestern sehr breit disku- Rahmenbedingungen entwickelt werden, die sich tiert. an einem globalen Verantwortungsbewusstsein Sechstens: Ein weiterer sehr zentraler Punkt bei orientieren. Landespolitische Entscheidungen und unserer Neuausrichtung der niedersächsischen individuelles Verhalten müssen sich an klaren Leit- Politik für eine erfolgreiche Entwicklungszusam- linien für eine zukunftsorientierte Entwicklungszu- menarbeit ist es, Projekte mit und in unseren Part- sammenarbeit orientieren, die in einem Beteili- nerländern unter dem Aspekt des Know-how- gungsprozess erarbeitet werden sollen - so unser Transfers, gerade im wirtschaftlichen Bereich, Verständnis. auszurichten, um die Lebensbedingungen der Durch diese gesellschaftlich anerkannten Leitlinien Menschen global zu verbessern. soll auch das aktive Einstehen gegen Menschen- (Beifall bei der SPD und bei den rechtsverletzungen, kriegerische Gewalt und wirt- GRÜNEN) schaftliche Notlagen gefördert werden. Wir wollen also konsequent die Entwicklungspolitik Nieder- Wir wollen explizit die ländliche und industrielle sachsens als Querschnittsaufgabe sehen und sie Entwicklung in den Partnerländern wie auch die in den nächsten Jahren noch stärker in den Minis- soziale und technische Infrastruktur vor Ort för-

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dern. Insbesondere die Nutzung regenerativer Herzlichen Dank und - da ich aus dem Harz kom- Energieträger soll unterstützend ausgebaut wer- me - Glück auf! den, um so direkt die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Ein zentrales wichtiges Ziel unserer zukünftigen Politik muss es auch sein, die Bürgerinnen und Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Bürger in unserem Land von der Wichtigkeit und Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit zu Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Saipa. Da das überzeugen. zugleich Ihre erste Rede vor diesem Hause war, darf ich Ihnen dazu herzlich gratulieren. Albert Schweitzer hat einmal gesagt: „Wer die Ärmsten dieser Welt gesehen hat, fühlt sich reich (Beifall) genug zu helfen.“ Dieses Motto muss auch heute Als Nächster spricht im Rahmen der Aussprache noch unter dem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Horst gelten. Wir wissen, Entwicklungszusammenarbeit Kortlang für die FDP-Fraktion. Sie haben das Wort. ist eine partnerschaftliche Gemeinschaftsaufgabe mit den Partnern vor Ort. Das mag für den einen oder anderen hier banal klingen, aber mal ehrlich: Horst Kortlang (FDP): Wie viele große Entwicklungspläne wurden in der Sehr verehrtes Präsidium! Meine Damen, meine Vergangenheit an einem grünen Tisch in weiter Herren! Dieser Antrag, wie wir soeben gehört ha- Ferne von den Herausforderungen erdacht, ohne ben, suggeriert uns: Wir in Niedersachsen haben dass sich die Ideengeber jemals wirklich mit den keine entwicklungspolitischen Leitlinien, und es Partnern und Bedürftigen zusammengesetzt hät- bedurfte eigentlich erst der rot-grünen Landesre- ten? gierung, um diese zu entwickeln. Scheinbar soll All dies gilt es, gemeinschaftlich anzupacken und der Eindruck erzeugt werden, die Vorgängerregie- zukunftsfähig zu machen. In diesem Zusammen- rung habe den Beschluss der Ministerpräsidenten- hang habe ich mich sehr über die Kleine Anfrage konferenz „Zukunftsfähigkeit sichern - Entwick- der FDP-Fraktion vom Juli dieses Jahres zur Eine- lungspolitik in gemeinsamer Verantwortung von Welt-Politik des Landes Niedersachsen gewundert. Bund, Ländern und Kommunen“ vom Oktober Sie fragten darin kurz gefasst: Was wird wo mit wie 2008 nicht umgesetzt. Das ist aber nicht richtig so. viel gefördert? - Sie haben nach Dingen gefragt, Wir haben da etwas gemacht, und zwar hat sich die Sie in Ihrer Regierungszeit vertreten haben, die CDU/FDP-Vorgängerregierung mit Eastern und wissen das heute nicht mehr? Cape, einer Region Südafrikas, und Tansania ex- plizit zwei Entwicklungsgebiete vorgenommen, in (Zustimmung bei der SPD und bei den denen Niedersachsen den eben zitierten Be- GRÜNEN) schluss umsetzt. Glauben Sie mir: Da ist auch Einer Fraktion, die in den vergangenen zehn Jah- noch einiges zu tun. ren Regierungsmitverantwortung getragen hat, Nun komme ich aber zu den Punkten Ihres An- hätte ich mehr Wissen über ihre Politik der letzten trags. Dekade zugetraut. Aber auch Ihnen geben wir mit dem heute eingebrachten Entschließungsantrag Zu Punkt 1: Millenniumsentwicklungsziele. Ja, ein klares Signal zur Mitarbeit. Entwicklungszu- sicher ist es sinnvoll. Deshalb wurde es von uns ja sammenarbeit ist eben nicht nur global zu verste- auch schon - wie eben erwähnt - durchgeführt. hen, sondern wir müssen auch lokal handeln. In Übrigens haben sich auch die Vereinten Nationen diesem Sinne hoffen wir bei diesem Thema auf dieser Sache angenommen und sind kräftig am eine konstruktive Zusammenarbeit und ein part- Ausarbeiten. nerschaftliches Handeln aller Fraktionen hier im Landtag und mit unseren Partnern weltweit. Zu Punkt 2: Bildungsziele. Wenn man das alles zwischen den Zeilen liest, dann wird von allen Ein Thema können wir allerdings in dem Zusam- Seiten die Forderung erhoben - wie Sie es sicher- menhang nicht behandeln, liebe Kolleginnen und lich auch vernommen haben -, die Lehrpläne zu Kollegen von der FDP, nämlich Ihre eigene Ent- entkernen und zu entschlacken. Sie wollen sie wicklungshilfe auf allen politischen Ebenen. Aber weiter überfrachten. Warten wir einmal ab, was das kriegen Sie auch alleine hin. sich hier noch alles entwickelt.

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Zu Punkt 4: Austauschprogramm, Freiwilligen- bedingungen der Menschen global zu dienst. Wie schon angemerkt, wird das bereits verbessern.“ gemacht. Das unterstützen wir ausdrücklich. Wir Da könnte man vielleicht auch einmal darüber haben dazu auch immer unseren Zuspruch gege- nachdenken, dass Partnerschaften im wirtschaftli- ben. chen Bereich mit Know-how-Transfer eigentlich Jetzt kommt aber der Knackpunkt, und zwar schon einen anderen Namen haben, nämlich In- Punkt 5: Neufassung des Tariftreue- und Landes- vestitionen. Die besten Partnerschaften mit Know- vergabegesetzes. Hier geit dat denn los, wenn ich how-Transfer sind ausländische Direktinvestitio- das auf Plattdeutsch sagen darf. Das ist ein Witz, nen, also wenn deutsche Firmen direkt im Ausland was Sie hier fabriziert haben. Die Fairness- investieren und dort Fabriken oder Ähnliches bau- Kriterien, meine Damen und Herren, sind in den en. Dazu braucht man keinen Entschließungsan- Beratungen im Ausschuss alle abgeschwächt - um trag. Dazu braucht man Rechtssicherheit, niedrige nicht zu sagen: verwässert - worden. Gestern ha- Steuern, freie Kapitalmärkte und Freihandel. Aber, ben Sie ein pragmatisches Vergabegesetz be- meine Damen und Herren, all diesen Punkten ste- schlossen. Kommunen hatten sich aber beschwert, hen Grün und Rot ja bekanntlich kritisch und nicht wie hinlänglich bekannt ist. Und heute wollen Sie immer sachlich gegenüber. mit diesem Antrag hier als große Weltverbesserer Danke schön fürs Zuhören. auftreten. In Wirklichkeit gaukeln Sie den Men- schen etwas vor, was so gar nicht stimmt. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Johanne Modder [SPD]: Was?) Vielen Dank, Herr Kollege Kortlang. - Für die Frak- Sie haben das Gesetz verwässert. Damit es über- tion der - - - Es gibt eine Kurzintervention für die haupt rechtskonform geworden ist, haben Sie die SPD-Fraktion. Zunächst Herr Dr. Saipa. Sie haben Verbindlichkeiten aus dem Gesetzestext gestri- das Wort. chen. Das können Sie sehr gerne nachlesen. So etwas nenne ich unaufrichtig. (Zuruf von Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Sie haben gar - Sie können sich darauf verständigen. Ich hatte kein Gesetz zustande gebracht! - Glo- nur die Kurzintervention von Herrn Dr. Saipa gese- cke des Präsidenten) hen. Wenn Frau Emmerich-Kopatsch sprechen möchte? - Es bleibt bei Herrn Dr. Saipa. Bitte! - Ich komme zum Schluss. Dr. Alexander Saipa (SPD): Zu Punkt 6: Globale Entwicklung. Verwundert bin ich darüber, dass Sie China, die zweitgrößte Wirt- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und schaftsnation und nun auch noch Exportweltmeis- Herren! Herr Kortlang, Sie haben sich redlich be- ter, als Entwicklungsland einstufen. Das ist schon müht, unseren Antrag auseinanderzunehmen. ein hartes Stück. (Christian Grascha [FDP]: Das ist ihm (Zuruf von Petra Emmerich-Kopatsch auch gelungen!) [SPD]) Es scheint aber auch wirklich so, dass Sie nicht - Na ja, dann hätten Sie es ja besser machen kön- verstanden haben, was wir damit wollen. Denn nen. Sie stellen sich hier doch als Weltverbesserer tatsächlich ist das Thema entwicklungspolitische hin. Dann machen Sie es doch besser! Wir haben Leitlinien eben nicht Thema der abgewählten es gelesen; in Ihrem Antrag steht es ja so drin. schwarz-gelben Landesregierung gewesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Beifall bei der SPD) Sie haben es gerade selber gesagt: Natürlich wur- Zu Punkt 7: de etwas getan. Das haben wir auch nie bestritten. „Projekte und internationale Partnerschaften Man kann es auch in Ihrer Kleinen Anfrage nach- sollen unter dem Aspekt des ‚Know-how- lesen. Aber Sie haben es gerade eben auch selber Transfers’, gerade im wirtschaftlichen Be- deutlich gesagt: Es kann noch viel mehr gemacht reich, ausgerichtet werden, um die Lebens- werden. Dafür wollen wir stehen. Das werden wir

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auch tun. Es geht nicht darum, dass wir Lehrpläne Wir verfolgen im Kern zwei Ziele. Zum einen wol- überfrachten. Es geht darum, dass wir die richtigen len wir das jetzige Regierungshandeln auf Politik- Inhalte vermitteln. Das sollten wir uns tatsächlich kohärenz überprüfen. Wir wollen also gucken, einmal vornehmen. inwieweit das Entscheiden und Umsetzen auf Lan- desebene in Übereinstimmung mit global aner- Insofern kann ich die Kritik nicht verstehen, die Sie kannten entwicklungspolitischen Zielen wie der angebracht haben. Armutsbekämpfung, der Friedenserhaltung und Vielen Dank. dem Umweltschutz stehen. Das möchte ich an einem Beispiel erläutern, das heute schon eine (Beifall bei der SPD) Rolle gespielt hat, und zwar an dem Thema der Agrarexporte, die in der letzten Zeit rasant gestie- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: gen sind, weil Hähnchenflügel und -hälse hier kei- Vielen Dank, Herr Kollege. - Möchte die FDP- nen Absatzmarkt mehr finden. Als von der EU Fraktion darauf antworten? - Ich sehe keine Wort- subventioniertes Billigfleisch verdrängt es auf den meldungen. Damit rufe ich im Rahmen der Aus- afrikanischen Märkten einheimische landwirtschaft- sprache die nächste Rednerin auf. Es ist die Kolle- liche Produkte und vernichtet so die Erwerbs- und gin Maaret Westphely von der Fraktion Bünd- Lebensgrundlage afrikanischer Bauern. Das hat nis 90/Die Grünen, der ich das Wort erteile. natürlich verheerende Auswirkungen für Länder, in denen bis zu 60 % der Menschen in der Landwirt- Maaret Westphely (GRÜNE): schaft arbeiten. Solche Nahrungsmittelexporte sind kein guter, sondern, im Gegenteil, ein kontrapro- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! duktiver Beitrag zur Sicherung der Ernährung in Zunächst einmal möchte ich sagen, dass mich das armen Ländern. Sie verschärfen Armut und die gerade echt total aus der Bahn geworfen hat, weil Abhängigkeit in diesen Ländern, die ohnehin arm aus Ihrem Beitrag, Herr Kortlang, gerade deutlich sind. geworden ist, dass Sie ein ganz anderes Weltbild haben. (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN) Hier haben wir dargestellt, wie ein Umsteuern auf Landesebene aussieht. Aber leider können wir Wir haben den Antrag extra nicht so aufgebaut, dieses Problem nicht alleine von Niedersachsen dass er als Abrechnung mit der alten Landesregie- aus lösen, sondern wir müssen grundsätzlich kon- rung oder wie auch immer zu verstehen ist, son- sequent umsteuern hin zu einem nachhaltigen dern es sind ja auch positive Sachen gemacht Wirtschaften. Daran müssen wir auf allen politi- worden. Mein Praktikant ist gerade aus dem Welt- schen Ebenen arbeiten. Außerdem braucht es wärts-Programm aus Eastern Cape zurückge- nicht nur die Politik alleine, sondern auch die Men- kommen und erzählt begeistert von dem Sportpro- schen, die mit ihren Einkaufskörben Politik ma- gramm, das er dort mit den Schülerinnen und chen. Schülern gemacht hat. Aber wir möchten eben weiterarbeiten an diesem Thema. Zu den Einkäufern gehört auch die öffentliche Hand mit ihrer besonderen Vorbildfunktion. Dar- (Beifall bei den GRÜNEN) über haben wir gestern diskutiert. Wir haben mit Ich würde mir gerade bei einem solch wichtigen den ILO-Kernarbeitsnormen im Landesvergabege- Thema auch gesellschaftspolitisch insgesamt und setz gezeigt, dass es uns auch hier darum geht, für die Entwicklung der Gesamtwelt wünschen, konsistent für mehr globale Gerechtigkeit zu han- dass wir das in einem stärkeren Konsens machen. deln. Aber wer weiß, vielleicht wird das ja noch. (Beifall bei den GRÜNEN) 9 von insgesamt 16 Bundesländern in ganz Ein weiteres wichtiges Ziel, das wir mit den Leitli- Deutschland - das zeigt meiner Meinung nach nien verfolgen, ist die Sensibilisierung im eigenen schon den gesellschaftspolitischen Konsens, sich Land für globale Auswirkungen unseres Handelns; mit dem Thema zu befassen - haben Leitlinien denn in Niedersachsen gibt es schon jetzt enormes erarbeitet. Ich freue mich, dass Niedersachsen mit zivilgesellschaftliches Engagement für entwick- der Erarbeitung bald erstmals die Nr. 10 sein wird. lungspolitische Arbeit und globale Gerechtigkeit. Diese Arbeit wollen wir stärken, indem Nieder- (Beifall bei den GRÜNEN) sachsen sich an dem Eine-Welt-Promotorenpro-

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gramm beteiligt. Das heißt, dass dem Ehrenamt bei der Entwicklungsgesellschaft. Dort haben wir eine professionelle Struktur zur Seite gestellt wird; uns mit Vertretern aus Afrika unterhalten. Wir wa- ren uns einig - da haben Sie recht -, dass man bei (Glocke des Präsidenten) einzelnen Projekten natürlich darauf achten muss, denn entscheidend ist, dass es uns gelingt, Enga- dass man Entwicklungen vor Ort nicht konterka- gement und lebendige Partnerschaften von unten riert. Das Thema ist aber sicherlich sehr vielschich- zu initiieren und von den Kommunen die Vereine tig. Deshalb frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur und Schulen und Kirchen zu unterstützen, um Kenntnis zu nehmen, dass heute 2,7 Milliarden Raum zu geben für Begegnungen, um voneinan- Menschen mehr auf dieses Welt leben als 1980 der zu lernen und nicht nur unser westliches Bild in und dass wir 2050 noch einmal 2 Milliarden Men- andere Länder zu transferieren schen mehr haben werden und deswegen auch darüber diskutieren müssen, wie wir diese Nah- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der rungsmittelmengen bereitstellen? - Insofern ist die SPD) Ernährung sicherlich nicht nur mit kleinbäuerlicher und um Interesse an den Lebensumständen in Landwirtschaft sicherzustellen, weder hier noch in anderen Ländern zu wecken. Afrika. Wir sollten vielleicht versuchen, diese Dinge gegeneinander abzuwägen und Wege zu finden, Ich möchte das an einem Beispiel darstellen. In der wie wir alle Ziele miteinander vereinbaren können. letzten Woche habe ich mich mit einem Regie- rungsvertreter von Blantyre, Malawi, unterhalten. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Er hat mir erzählt, wie im Rahmen eines partner- schaftlichen Projektes sehr gut gezeigt werden Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: kann, was solche partnerschaftlichen Projekte Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Frau Westphe- bewirken können. Und zwar sind in Hannover Ma- ly möchte antworten. Sie haben das Wort. Bitte! cadamianüsse aus Malawi eingekauft worden. Das hat eine Selbststärkung der Bauern zur Folge ge- Maaret Westphely (GRÜNE): habt. Sie haben eine Kooperative gegründet. Sie Sehr geehrter Herr Grupe, in einem bin ich mir arbeiten nicht mehr mit dem Großhändler vor Ort sicher: Wir werden diese Probleme nicht lösen zusammen, sondern sie verkaufen ihre Produkte können, indem wir z. B. in Südamerika Regenwald jetzt über eine Auktion und erzielen als Bauern abholzen, dort Soja anbauen, es hierher importie- höhere Einkommen. ren, damit hier Vieh füttern und dann die Reste, die (Glocke des Präsidenten) hier nicht gegessen werden, wieder in andere Teile der Welt verschiffen. Damit werden wir diese Prob- Wir möchten das mit diesen Leitlinien in Rückkopp- leme nicht lösen. lung mit allen gesellschaftlich relevanten Akteuren (Beifall bei den GRÜNEN und bei der in diesem Bereich machen, und eigentlich laden SPD ) wir sehr gerne auch Sie als Opposition ein, sich daran zu beteiligen. Es kommt darauf an - - - Danke schön. (Hermann Grupe [FDP]: Darin sind wir uns einig!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) - Gut.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zu einer Kurzinter- Vielen Dank, Frau Kollegin. - Dann hat jetzt das vention hat sich aus der FDP-Fraktion der Kollege Wort für die Fraktion der CDU der Kollege Abge- Grupe gemeldet, der das Wort hat. 90 Sekunden! ordnete Dr. Toepffer. (Zurufe: Dr. Toepffer?) Hermann Grupe (FDP): - Ach Entschuldigung: Dirk Toepffer. Machen wir Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr es anders. geehrte Frau Westphely, Sie haben eben das Bei- spiel des Exportes von Geflügelteilen aus Europa (Heiterkeit - Hermann Grupe [FDP]: oder aus Deutschland nach Afrika genannt. Wir Das wäre eine Achillesferse!) hatten gerade vor einigen Tagen eine Diskussion

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Dirk Toepffer (CDU): ist lange Zeit Partnerregion von Niedersachsen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber gewesen. Die Regierung Albrecht hat über Jahre - Herr Kollege Saipa, liebe Frau Kollegin Westphely, über Jahre! - 6 Millionen Euro pro Jahr hineinge- ich freue mich, dass dieser Antrag hier gestellt fördert. 1991 ist die Partnerschaft aufgekündigt worden ist. worden, und 1994 sind die finanziellen Hilfen ein- gestellt worden. Man kann angesichts der politi- (Beifall bei der CDU, bei der SPD und schen Verhältnisse darüber reden, ob das richtig bei der FDP - Grant Hendrik Tonne war. Aber es sind dort Menschen enttäuscht wor- [SPD]: Wenn er das so sagt, dann den. Vieles, was wir vorher investiert haben, ist kommt da noch was!) kaputt gemacht worden. Wenn man das durch die - Herr Tonne, Sie ahnen es! Ich hatte in der Tat so Formulierung von Leitlinien vielleicht künftig anders eine Befürchtung, dass wir hier über Menschen- und besser gestalten will, dann soll das unsere rechte gar nicht mehr reden. Sie wollen ja mit die- Zustimmung finden. sem Antrag auch aktives Einstehen gegen Men- Aber, meine Damen und Herren, auch wenn sol- schenrechtsverletzungen fördern. Wir haben be- che Leitlinien grundsätzlich okay sind, muss man reits im Juni hier einmal über Menschenrechte sich natürlich die Frage stellen, ob man sie nicht diskutiert, nämlich am 20. Juni 2013 zu einem auch finanziell unterlegen muss. Dazu gucken wir FDP-Antrag zum Thema „Menschenrechte bei doch mal in die Haushaltsplanberatungen. Die Auslands-, Delegations- und Ausschussreisen CDU-geführte Landesregierung hat in den letzten stärker berücksichtigen“. Dabei haben Sie, Herr drei Jahren in diesen Bereich 900 000 Euro inves- Tonne, ausgeführt: tiert. „Eigentlich müsste man dafür gar keine An- (Filiz Polat [GRÜNE] lacht) träge schreiben. Das muss schlicht gemacht werden.“ Ihre Landesregierung kürzt den Haushaltsansatz in 2014 um 10 %, von 290 000 auf 260 000. Meine (Heiner Schönecke [CDU] lacht) Damen und Herren, wenn Worten keine Taten „Ich bin absolut überzeugt: Das ist tägliches folgen, darf man sich nicht wundern, wenn man Handeln der Landesregierung und auch täg- irgendwann nicht mehr ernst genommen wird, Frau liches Handeln für uns.“ Polat. Ich freue mich, dass wir doch wieder diskutieren. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Offensichtlich sind Sie sich Ihrer Landesregierung Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE]) nicht mehr ganz so sicher und bilden jetzt ein Kor- - Liebe Frau Polat, es geht ja nicht nur ums Geld, sett. was hier auch zu Recht genannt worden ist. Sie (Widerspruch bei der SPD und bei wollen mit diesen Leitlinien aktiv für Menschen- den GRÜNEN) rechte einstehen. Soeben ist gesagt worden, dass in Ihrem Antrag viele, viele Länder stehen. China Wir als Parlamentarier befürworten das. ist u. a. genannt worden. Ja, das ist richtig. Da (Beifall bei der CDU und bei der FDP) stehen nicht nur Entwicklungsländer drin. Ich finde das auch ganz richtig. Es sind fast alle unsere Wissen Sie, aktive Entwicklungspolitik hat in Nie- Partnerregionen genannt - nur zwei nicht. Perm dersachsen lange, lange Tradition. Ich will jetzt und Tjumen sind nicht genannt. Sie liegen beide in nicht, einem Ritual folgend, aufzählen, was frühere Russland. Nun mag man sagen: Zufall. - Aber, Landesregierungen unter CDU-Führung richtig wissen Sie, wir denken da sofort an die Eröffnung gemacht haben. der Hannover-Messe im April. Und wir denken an (Helge Limburg [GRÜNE]: Das be- die mahnenden Worte der Kollegin Hamburg, der streiten wir auch gar nicht!) ich von dieser Stelle alles Gute für die gesundheit- liche Genesung wünsche, Das eine oder andere ist genannt worden. Südafri- ka ist genannt worden. Ich nenne beispielhaft die (Beifall bei der SPD) Partnerschaft zwischen der Universität Vechta und die seinerzeit Folgendes gesagt hat: der Partneruniversität in Tansania. Aber es gibt eben auch Punkte, bei denen es nicht so gut ge- „Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, Wla- klappt hat. Nennen wir mal den Sudan. Der Sudan dimir Putin zur Herstellung von Rechtsstaat-

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lichkeit und demokratischen Reformen auf- wie es in der Vergangenheit zugegangen ist, als zufordern.“ der ehemalige Ministerpräsident 2006 in Russland unterwegs war. Da wird mir berichtet, dass das So zu lesen in NP-Online am 5. April. Weiter ist Thema Menschenrechte in keinem der Gespräche dort zu lesen: eine Rolle gespielt hat. „Bundeskanzlerin Merkel, so Hamburg, Die aktuelle Landesregierung sieht keinen Wider- müsse klare Worte finden.“ spruch zwischen dem Einsatz für Menschenrechte Wir wissen, dass Bundeskanzlerin Merkel klare und der Unterstützung niedersächsischer wirt- Worte gefunden hat. Sie war nämlich diejenige, die schaftlicher Interessen. Beides setzt Verständi- öffentlich bei der Eröffnung dieser Messe tatsäch- gungsbereitschaft und Dialog voraus. Dem dient lich Putin kritisiert hat und sich darüber beklagt hat, auch die geplante Reise des Ministerpräsidenten wie man in Moskau mit den Stiftungen der demo- in die Russische Föderation. Bei dieser Gelegen- kratischen Parteien dieses Landes umgeht. Meine heit wird auch die Region Perm besucht. Damen und Herren, wir wissen, dass auch der der Daher begrüßen wir es als Landesregierung auch FDP angehörende Bundesaußenminister diese ausdrücklich, dass die für Außenpolitik zuständige deutliche Kritik öffentlich begrüßt hat - HAZ-Online, Bundesregierung das Vorgehen der russischen 8. April. Von wem wir aber nichts gehört haben, Behörden bei der Aufbringung des Greenpeace- das war diese Landesregierung. Sie, Minister Bootes, der Verhaftung der Besatzung und der Wenzel, haben sich gerade noch geäußert und Anklageerhebung mit Sorge betrachtet und dass haben gesagt, Minister Putin müsste hier als Gast die Bundeskanzlerin diese Sorgen auch in einem empfangen und so behandelt werden. Vom Minis- Telefonat am 16. Oktober 2013 dem russischen terpräsidenten dieses Landes haben wir zu Men- Präsidenten übermittelt hat. Das findet ausdrück- schenrechtsverletzungen in Russland kein Wort lich unsere Zustimmung. Wir hoffen auch, dass es gehört! von Erfolg gekrönt ist. Ich glaube aber nicht, dass (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dieses Feld ein Feld ist, das hier Gegenstand der landespolitischen Auseinandersetzung sein sollte. Wissen Sie: Das ist dieses Auseinanderfallen von Anspruch und Wirklichkeit, welches uns manchmal Ich würde mich freuen, wenn es am Ende gelänge, wirklich den Ärger und die Zornesröte ins Gesicht bei den entwicklungspolitischen Leitlinien, die hier treibt. Ich bin gern bereit, mit Ihnen über diese zur Diskussion stehen, breite Mehrheiten zu fin- entwicklungspolitischen Leitlinien zu reden. Ich bin den; denn das ist wirklich ein Thema, das im gerne dabei, wenn wir Menschenrechte wirklich Grundsatz auch bei Ihnen als Herausforderung aktiv und ernst unterstützen wollen. Aber dann anerkannt ist. Deswegen würde ich mich freuen, bitte mit Rückgrat! wenn es dazu einen konstruktiven Dialog gäbe. (Johanne Modder [SPD]: Das können Ich danke Ihnen fürs Zuhören. wir Ihnen versichern!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Das hat diese Regierung bisher missen lassen! SPD) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Herr Minister. - Ich stelle fest, dass zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Für die Lan- Wortmeldungen vorliegen. Deswegen kommen wir desregierung erteile ich Herrn Umweltminister zur Ausschussüberweisung. Wenzel das Wort. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Klimaschutz: Regionalentwicklung mit der Beratung dieses An- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! trages zu beauftragen. Wer das unterstützen will, Sehr geehrter Herr Toepffer, die Frage ist immer, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist nach ob sich dieses Thema für landespolitischen Streit der Geschäftsordnung ausreichend unterstützt und gut eignet. Sie sprechen von langen Traditionen wird so geschehen. und dem, was die frühere Landesregierung alles Meine Damen und Herren, es ist eigentlich nicht richtig gemacht hat. Ich habe mich schlaugemacht, üblich, jemanden zu begrüßen, der früher Abge-

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ordneter dieses Hauses war, wenn er hier zu Gast nehmen. Akten zusammenzustellen, Sachverhalte ist. Heute will ich aber einmal eine Ausnahme ma- zu erläutern, Überprüfungen und Rückeinarbeitun- chen, weil es sich um eine Kollegin handelt, die gen vorzunehmen sowie im Zusammenhang mit früher selber hier im Sitzungsvorstand als Präsidi- Steuerberatern und Unternehmensführung ver- umsmitglied tätig war. Auf der Besuchertribüne gangene Sachverhalte wieder aufleben zu lassen - dort oben begrüße ich unsere ehemalige Kollegin das ist ein umfangreiches Abwicklungsprogramm, Georgia Langhans mit einer Besuchergruppe aus erst recht, wenn Sachbearbeiter nicht mehr zur Celle sehr herzlich im Niedersächsischen Landtag. Verfügung stehen.

(Beifall) Es beinhaltet in vielen Fällen eine lange Vorlaufzeit Als letzten Tagesordnungspunkt für heute rufe ich mit Betriebsunterbrechungen, die sich dadurch auf den fortsetzen, dass die Prüfung dann noch einmal drei Wochen, nämlich 15 Tage, in Anspruch nimmt. Viele Unternehmen können in dieser Zeit nur ein- Tagesordnungspunkt 24: geschränkt ihren unternehmerischen Arbeiten Erste Beratung: nachgehen, da sie Räumlichkeiten und Personal Zeitnahe Betriebsprüfung als besseres Modell zur Verfügung stellen müssen. der Anschlussprüfung - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/823 Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass es mögli- cherweise zu Nachzahlungen kommen kann, die auf Tatbestände zurückzuführen sind, die auf einer Die Einbringung hat für die antragstellende Frakti- unterschiedlichen steuerlichen Sicht und Behand- on die Kollegin Gabriela König übernommen, der lung zwischen Finanzverwaltung und Steuerbera- ich das Wort erteile. tung beruhen. Hier entsteht Planungsunsicherheit, wenn eventuell eine gerichtliche Klärung anhängig Gabriela König (FDP): ist. Bei einer Nachzahlung fallen dann auch noch Zinsaufschläge an. Unternehmen werden damit Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und verunsichert und belastet. Sie können nicht ermes- Herren! Im letzten Jahr mehrten sich bei mir die sen, mit welchen Summen sie nachträglich zu Anfragen und vor allem der Wunsch nach der Wei- rechnen haben. terführung des „Osnabrücker Modells“ der freiwilli- gen zeitnahen Betriebsprüfung. Das als besonders Andersherum ist es der Steuerverwaltung hinge- effektiv und entlastend geltende Projekt wurde gen möglich, frühzeitig die Änderung einzelner nach anfänglicher Skepsis von allen Beteiligten Vorgänge aufzuzeigen und rechtssicher weiterzu- hoch gelobt. Unternehmen bekamen Planungssi- führen. Das verhindert undefinierbare Nachzah- cherheit, Steuerberater wurden von häufig lang lungen und garantiert der Finanzbehörde zeitnahe andauernden Rechtsstreitigkeiten befreit, und die und faktisch unstrittige Steuerabführungen. Finanzverwaltung konnte abschließend und we- sentlich schneller auf Steuernachzahlungen zu- (Beifall bei der FDP) greifen. So konnten schon Fälle behandelt werden, die Auch in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage hohe Steuerausfälle durch Schließungen, Konkur- vom April 2013 - Drucksache 17/130 - hat das se - - - Finanzministerium dies bestätigt. Darin wird auch auf die Planungs- und Rechtssicherheit durch die (Unruhe - Glocke des Präsidenten) steuerliche Klärung realisierter Sachverhalte auf- seiten der Unternehmen hingewiesen. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: In den letzten Wochen konnten wir mehrfach den Frau Kollegin König, in Ihrem Interesse möchte ich Medien entnehmen, dass es gerade bei der Nach- das Plenum jetzt darum bitten, nicht so laut zu prüfung von Betriebssteuern häufig zu hohen Aus- murmeln, wie die Damen und Herren es im Au- fällen kommt. genblick tun. Im Augenblick hat nur Frau König das Da bei gesetzlich geforderten Anschlussprüfungen Wort. innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren immer (Zustimmung bei der FDP und bei der die ältesten drei Jahre geprüft werden, entsteht ein CDU) sehr hoher Aufwand bei den betroffenen Unter-

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Gabriela König (FDP): Es wurde aber in Osnabrück zum „Osnabrücker So konnten schon Fälle behandelt werden, die Modell“ weiterentwickelt und in den letzten fünf bis hohe Steuerausfälle durch Schließungen, Konkur- sechs Jahren in der Praxis erprobt. se, Konkursverschleppungen oder einfach nur Zwar komme ich nicht umhin, zu sagen, dass alles, langwierige Verfahren verhinderten. was aus Osnabrück kommt, natürlich die besonde- Die Finanzdirektion Osnabrück stellte somit fest, re Aufmerksamkeit des Landtages verdient. dass dieses Modell dazu führte, dass die Steuer- Schließlich kommen fulminante Innenminister und einnahmen zeitnah, von Unternehmen und Steu- pfiffige Landtagsabgeordnete aus Osnabrück. erberatern akzeptiert, flossen und die zeitnahe Behandlung während der Prüfung schnell und (Heiterkeit und Beifall bei der SPD effizient geschah, da alle Beteiligten noch sehr gut und bei den GRÜNEN) im Thema waren und Nachweise in direktem - An dieser Stelle hatte ich mit Applaus gerechnet. Zugriff zur Verfügung standen. Gleichzeitig wurde Vielen Dank. - Dennoch rate ich zur Vorsicht, mei- darauf hingewiesen, dass der anfänglich leicht ne Damen und Herren, was das „Osnabrücker erhöhte Personalaufwand sich nach ein paar Jah- Modell“ angeht. Das sage ich ausdrücklich als ren ins Gegenteil verkehren werde, da die Prü- Osnabrücker Landtagsabgeordneter. Das Modell fungszeiten schneller und effizienter gestaltet wer- der zeitnahen BP ist vor etwa fünf oder sechs Jah- den konnten. Frei werdende Kapazitäten können ren im Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebs- so für andere wichtige Maßnahmen verwendet prüfung Osnabrück entwickelt und ausprobiert werden. worden. Die Meinungen darüber gehen aber sehr Das Fazit unseres Antrages lautet also: Die Unter- weit auseinander, Frau König. Da gibt es nicht nur nehmen haben weniger Aufwand und Ärger mit Befürworter, sondern auch negative Aspekte. den Betriebsprüfungen. Die Finanzämter freuen (Gabriela König [FDP]: Das ist aber sich über eine höhere Akzeptanz der Prüfung. Der immer so!) Fiskus bekommt schneller sein Geld. Alle Beteilig- ten freuen sich über mehr Rechtssicherheit. Deshalb sollten wir aus meiner Sicht das Ergebnis Dieses Erfolgsmodell sollte so schnell wie möglich der Evaluation abwarten. weitergeführt werden und auf ganz Niedersachsen Das Modell der zeitnahen BP unterscheidet sich ausgedehnt werden. Daher unser Antrag. Das ist von normalen Betriebsprüfungen zum einen da- eine sehr gute Art, mit Unternehmen umzugehen, durch, dass die Betriebe freiwillig jedes Jahr ge- die Steuergerechtigkeit zu wahren und die Ein- prüft werden, also praktisch einmal im Jahr, wäh- nahmen dementsprechend anzugleichen. rend bei einer herkömmlichen Betriebsprüfung drei Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag auch unter bis fünf Jahre als Prüfungszeitraum festgelegt und dem Gesichtspunkt der Verbesserung unserer nachträglich geprüft werden. Länger zurückliegen- Steuerposition vernünftig zu überprüfen und ihm de Sachverhalte in der Vergangenheit sind natur- dann auch zuzustimmen. gemäß schwieriger aufzuklären - insbesondere, wenn die Mitarbeiter im Unternehmen gewechselt (Beifall bei der FDP und Zustimmung haben. Insofern stimmt die Intention des FDP- bei der CDU) Antrages.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Allerdings würde ich dieses Thema nicht überbe- Vielen Dank, Frau Kollegin König. - Für die SPD- werten. Schließlich gibt es zehnjährige Aufbewah- Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Frank Hen- rungspflichten für Belege, Rechnungen und sons- ning das Wort. tige Buchführungsunterlagen. Und so oft, Frau König, wechseln die Buchhalter die Firmen nun Frank Henning (SPD): auch nicht, wie Sie behaupten. Dennoch liegt der Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Vorteil der zeitnahen BP eindeutig darin, dass Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Mo- jüngere Sachverhalte geklärt werden können, was dell der zeitnahen BP stammt ursprünglich aus naturgemäß leichter fällt. Nordrhein-Westfalen, nicht aus Osnabrück. Ein weiterer Vorteil, der in der Praxis auch eine (Gabriela König [FDP]: Richtig!) Rolle gespielt hat, ist, dass die Unternehmen ihren Banken relativ schnell vom Finanzamt endgültig

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geprüfte Bilanzen vorlegen können und damit OFD-Statistik nachlesen - sind die Mehrergebnisse schneller zu Krediten ihrer Hausbank kommen. aus zeitnahen Betriebsprüfungen deutlich geringer Hinzu kommt, dass Steuernachzahlungen nicht so (Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU]) geballt für mehrere Prüfungsjahre auftreten. Da- durch haben Unternehmen auch kein Liquiditäts- - hören Sie einmal zu, Herr Kollege! - als bei her- problem. In der Regel erfolgt auch keine Verzin- kömmlichen Betriebsprüfungen, weil eben ober- sung der Steuernachforderungen. flächlicher geprüft wird. (Gabriela König [FDP]: Richtig!) Ein weiteres Problem ist die Zinsproblematik. Nor- malerweise erhält das Land 6 % Zinsen pro Jahr. Man muss allerdings feststellen, dass der Grund- Als Haushälter sage ich: Darauf kann man schlecht gedanke der zeitnahen BP, dass das Finanzamt, verzichten, weil die Verzinsung nach § 233 a der die Steuerberater und die Firmenleitungen gut und Abgabenordnung zu 100 % dem Land zufließt, und friedlich gemeinsam an der Bilanz arbeiten und die da fehlen uns schlicht Einnahmen. Steuererklärung erstellen, aufgrund einer gewissen natürlichen Interessenkollision der beteiligten Ak- Auch die Fortbildungsproblematik für die zeitnahe teure ein ziemlich theoretischer Ansatz ist, der der BP ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. Bei Praxis in keiner Weise standhält. Warum sollte der zeitnahen BP müssen sämtliche Prüfer im eigentlich eine Firma, eine Unternehmensleitung aktuellen Steuerrecht fit sein. Prüft man dagegen oder ein Steuerberater freiwillig alle notwendigen nach der herkömmlichen Methode, so prüft man in Unterlagen zügig herausgeben, die im Zweifel zu der Regel auf der Grundlage gesicherter Recht- hohen Steuernachforderungen führen? - Je weni- sprechung, gesicherter Erkenntnisse. ger ein Prüfer an Unterlagen bekommt, je weniger Wenn man hingegen zeitnah in neueren Jahren er weiß und je weniger Einblick er in das Innere prüfen will, braucht man immer aktuelle Recht- des Unternehmens erhält, umso geringer sind im sprechung, die es meistens noch gar nicht gibt. Zweifel die drohenden Steuernachforderungen. Vor allen Dingen muss man die 2 000 Betriebsprü- Dieser natürliche Interessengegensatz, meine fer, die es in Niedersachsen gibt, aktuell schulen Damen und Herren, ist im Zusammenspiel mit der und prüfen. Das ist ein immenser Zeitaufwand und geringeren Prüfungszeit für den Prüfer ein echtes auch mit immensen Kosten für das Land verbun- Problem. Denn während bei herkömmlichen Be- den. So einfach, wie Sie sich die Welt da vorstel- triebsprüfungen der Prüfer bestimmte Prüfungsun- len, Frau König, ist sie dann eben doch nicht. terlagen anfordert und in aller Ruhe prüfen kann, Ein weiterer entscheidender Nachteil für das Land ist er im Rahmen der zeitnahen BP darauf ange- ist - das ist mein Hauptargument, Frau König -: Will wiesen, dass er die Unterlagen zügig bekommt, man das Modell der zeitnahen BP tatsächlich flä- damit er die Prüfung zeitnah abschließen kann. chendeckend im Land Niedersachsen mit gut ge- Lässt sich die Firma mit Unterlagen Zeit, ist der schulten Prüfern umsetzen, die jeweils das aktu- Prüfer bereits in der Defensive; denn im Zweifel ellste Steuerrecht kennen und auch anwenden wird er auf die Vorlage bestimmter Unterlagen können und die vor allem die Betriebsprüfung zeit- verzichten und den Punkt abhaken, um die Prü- nah abschließen können, dann wird das Land fung noch zeitnah abschließen zu können. Dafür deutlich mehr Betriebsprüfer brauchen, als heute gibt es nämlich zeitliche Vorgaben, Frau König. schon vorhanden sind. Aus der Prüferpraxis der zeitnahen BP in Osna- Im Ergebnis erhält das Land aus meiner Sicht we- brück kann man schlicht feststellen: Bei herkömm- gen geringerer Mehrergebnisse weniger Steuer- lichen Betriebsprüfungen wird intensiver und einnahmen aus der Betriebsprüfung und so gut wie gründlicher geprüft, bei zeitnahen Betriebsprüfun- keine Nachzahlungszinsen mehr und hat auch gen aufgrund des Zeitdrucks deutlich oberflächli- noch die zusätzlichen Personalkosten zu tragen, cher. Das ist möglicherweise die Intention des um das Modell überhaupt flächendeckend allen Antrags der FDP-Fraktion; ich weiß es nicht. Betrieben anbieten zu können. Aus meiner Sicht (Reinhold Hilbers [CDU]: Na! - Lothar ist das ein klares Minusgeschäft für das Land. Koch [CDU]: Was soll das denn wie- Aber auch unter Steuergerechtigkeitsgesichtspunk- der?) ten - Frau König, Sie haben den Steuergerechtig- Unmittelbare Folge für das Land: Nach meiner keitsaspekt angesprochen - ist die zeitnahe BP ein Einschätzung - dies können Sie in der offiziellen Problem. Gewerbliche Betriebe und vor allem

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Großkonzerne genießen die Vorteile des Systems, Reinhold Hilbers (CDU): während das Land Minderergebnisse und höhere Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Personalkosten trägt. Herren! Heute diskutieren wir über das Modell der Gleichzeitig kann ein Arbeitnehmer in diesem zeitnahen Betriebsprüfung. Das ist ein, wie ich Land - im Gegensatz zu den Großkonzernen - meine, Erfolgsmodell in Niedersachsen, das sich seinem sofortigen Lohnsteuerabzug an der Quelle unser Arbeitskreis Haushalt und Finanzen in der nicht entgehen. Vorsorgeaufwendungen und Ver- letzten Wahlperiode vor Ort in Osnabrück einmal sicherungsbeiträge sowie Werbungskosten werden angeschaut hat, worüber wir mit den Bediensteten im Arbeitnehmerbereich der Veranlagungsfinanz- diskutiert haben und bei dem die Vorteile meines ämter deutlich penibler und intensiver geprüft als Erachtens deutlich im Vordergrund stehen. die Betriebsausgaben der Betriebe, die im Rah- Es geht darum, Sachverhalte zeitnah, wenn die men des Modellversuchs der zeitnahen BP teil- Dinge noch klar auf dem Tisch liegen, zu erörtern. nehmen. Sie sollten einmal darüber nachdenken, Es geht darum, Konfliktfelder zeitnah und effektiv ob das der richtige Weg ist, meine Damen und auszuräumen. Es bietet Unternehmen die Möglich- Herren. keit, sehr früh Rechtssicherheit zu bekommen. Es (Unruhe) bietet dem Finanzamt die Sicherheit, über die ent- sprechenden Sachverhalte möglichst schnell an Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: das Geld zu kommen. Es gibt weniger Streitfälle, Herr Kollege, ich darf Sie unterbrechen. - Hier ist weniger Auseinandersetzungen, mehr Partner- wieder dieses laute Gemurmel. Im Moment hat schaft und eine zügigere Erledigung von Verfah- Herr Henning das Wort. Auch die Besprechungs- ren. Steuervereinfachung ist das, worauf wir set- pools am Ausgang auf der linken Seite bitte ich zen müssen. aufzulösen. Wenn Sie etwas zu besprechen ha- Wir haben uns mit den Steuerberatern der Unter- ben, dann machen Sie es bitte außerhalb des Ple- nehmen unterhalten, die dort mitmachen. Wir ha- narsaals. - Herr Henning, setzen Sie fort! ben uns mit den Unternehmen selbst unterhalten. Wir haben uns mit den Finanzbeamten dort unter- Frank Henning (SPD): halten. Alle haben einen positiven Eindruck davon. Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich komme auch Herr Henning, in Bezug auf das Modell, das dort zum Schluss. Da die Evaluationsphase der zeitna- erfolgreich praktiziert wird, kann ich Ihre Beden- hen BP noch bis zum Frühjahr 2014 andauert, ken, die Sie hier vorgetragen haben, wirklich nicht kann es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine nachvollziehen. abschließende Bewertung geben. Dennoch nimmt (Beifall bei der CDU und bei der FDP) die FDP-Fraktion aus meiner Sicht das Ergebnis dieser Evaluation bereits vorweg, indem sie in Wenn man bei allem immer nur die Bedenken ihrem Antrag schon jetzt die flächendeckende Um- sieht, dann kommt man bei Verwaltungsvereinfa- setzung der zeitnahen Betriebsprüfung in ganz chungen und strukturellen Veränderungen natür- Niedersachsen einfordert, ohne aber auch nur das lich nicht weiter. Ich möchte ein paar Punkte auf- Ergebnis der Evaluation zu kennen. Der Antrag greifen. kommt also aus meiner Sicht deutlich verfrüht und ist daher im Grunde abzulehnen. Ich bin schon mehr als erstaunt über die Geistes- haltung, die in dem Wortbeitrag eben anzutreffen Ich bin gespannt auf die Diskussion im Haus- war, und zwar deswegen, weil ich glaube, dass es haltsausschuss. Meine Position dazu haben Sie gar keinen Gegensatz gibt. Wer einen Gegensatz heute ein Stück weit kennengelernt. zwischen den steuerpflichtigen Bürgern und dem Vielen Dank. Finanzamt von sich heraus schon einmal als ge- geben definiert, der unterstellt den Bürgerinnen (Beifall bei der SPD und bei den und Bürgern, dass sie nicht steuerehrlich sind. GRÜNEN) Aber das ist falsch.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Die Unternehmen, die dort mitmachen, sind daran interessiert, ihre Sachen in Ordnung zu haben, um Vielen Dank, Herr Kollege Henning. - Für die CDU- nicht sechs Jahre später noch von einer Steuer- Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Reinhold nachforderung überrascht zu werden. Nein, sie Hilbers zu uns, dem ich das Wort erteile. wollen das Ganze zeitnah haben. Sie sind für

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Steuerehrlichkeit. Sie wollen offen mit ihren Dingen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) umgehen. Und Sie unterstellen genau das Gegen- Das ist ein deutlich kooperativer Ansatz. Das ist teil. Das verrät wieder Ihr Denken, das Sie haben. das Moderne und Neue an diesem Modell. Es setzt Auch die Anspielung auf die FDP, ob man da von Anfang an auf die Kooperation von Finanzamt Tricksereien oder Ähnliches zulassen will, ist der und Unternehmen. Aber das ist wahrscheinlich Ihr falsche Ansatz. Ich bin mehr als erstaunt über Problem. diese Geisteshaltung. (Gabriela König [FDP]: Richtig!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Weil Sie von einem Gegensatz ausgehen, können Ich bin weiterhin mehr als erstaunt über diese Sie sich eine Kooperation an dieser Stelle gar nicht Geisteshaltung, wenn man im Einzelnen immer nur vorstellen. Wir vertrauen hingegen darauf. Hierbei die Bedenken sieht, ob es ein Mitarbeiter bei der sind Steuerberater eingebunden, Wirtschaftsprüfer Fortbildung vielleicht nicht doch etwas komplizier- sind eingebunden, Unternehmer sind eingebun- ter hat, ob es wohl nicht doch ein bisschen schwie- den, und die Finanzbeamten sind eingebunden. riger wird, sich um den Einzelfall zu kümmern, und Das ist ein absolutes Erfolgsmodell. Ich kann Ihnen ob nicht vielleicht doch zu wenige Unternehmen nur raten: Wenn Sie aus Osnabrück kommen, dabei mitmachen würden. Lassen Sie die Modelle gehen Sie einmal dort hin! Sie sind ja beim Fi- doch erst einmal wirken! Evaluieren Sie das doch nanzamt gewesen. Gehen Sie einmal zu Ihren erst einmal, und schauen Sie sich das wertfrei an! ehemaligen Kollegen, und schauen Sie sich das Sie sind schon wieder dahin gehend festgelegt, einmal an! Dann werden Sie zu anderen Ergebnis- dass Sie diese Vereinfachung nicht wollen. Dies ist sen kommen. eine Vereinfachung. Sie ist nun wirklich mit allen Beteiligten ausgehandelt und ausdiskutiert worden. Wir werden das Positive unterstützen. Das war ein ganz großes Projekt der vergangenen Wahlperio- Das „Osnabrücker Modell“ ist eines von einigen de, ein tolles Erfolgsprojekt, ein richtiger Motor für Modellen, die an ausgewählten Finanzämtern in eine Neuerung. Die Steuerberater sind begeistert Niedersachsen ausgewählt und von einer Projekt- davon. gruppe begleitet worden sind. Herr Henning, Be- triebsprüfer, Steuerberater und Finanzexperten (Johanne Modder [SPD] und Anja Piel haben im Finanzforum im September 2008 zu- [GRÜNE] lachen) sammengesessen und die Thematik gemeinsam Hören Sie auf die Fachleute! Stellen Sie nicht im- erörtert. Die Steuerberaterkammer Niedersachsen mer die Bedenken in den Vordergrund! Argumen- war eingebunden. Die Ergebnisse des Finanzfo- tieren Sie bitte schon gar nicht damit, dass Sie rums sind in einem Eckpunktepapier festgehalten Verzugszinsen kassieren wollen! Die gibt es doch worden. Daraus ist dieses Modell entstanden. nur, weil Sie zu spät an die Finanzmittel heran- Dann ist es noch verfeinert worden, weil sich kommen. Rechtsänderungen dergestalt ergeben haben, dass eine rechtsverbindliche, vollständige Steuer- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) erklärung vorliegen muss, dass ein förmlicher Be- Es ist grotesk, das zum System zu erklären. Sie triebsprüfungsbericht abzugeben ist und dass die müssen Ihr Denken und Ihre Haltung grundsätzlich Gewährleistung der Rechte der Betriebsprüfung überdenken. Sonst kommen Sie nicht zu einer gewahrt ist. Damit haben wir sämtliche Punkte, die Verwaltungsvereinfachung, nicht zu einer Moderni- wichtig sind, abgegriffen und haben sämtliche sierung und auch nicht zu einem modernen Dienst- Punkte inhaltlich aufgegriffen, damit wir dieses leistungsfinanzamt. Ich glaube, da haben Sie noch Verfahren vernünftig an den Start bringen können. viel zu tun. Es ist ein Erfolgsmodell, weil es eben dazu führt, dass wir steuerliche Abläufe vereinfachen können. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Ich finde, wir sollten uns Gedanken machen, in- der FDP - Petra Tiemann [SPD]: Noch wieweit die Finanzämter Servicedienstleister für eine Baustelle, die Sie uns hinterlas- die Unternehmen sind. Wir sollten den Servicege- sen haben!) danken und nicht immer Bedenken in den Vorder- grund stellen. Denken Sie doch einmal vom Kun- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: den her, denken Sie vom Bürger her, denken Sie Vielen Dank, Herr Kollege Hilbers. - Für die Frakti- als moderne Dienstleistungsverwaltung! Dann on Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege kommen Sie auch zu Ergebnissen. Gerald Heere das Wort. Bitte schön!

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Gerald Heere (GRÜNE): mir ganz besonders wichtig - sollten wir auch die Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehr- Bedenken des Landesrechnungshofs noch einmal ten Damen und Herren! Die rot-grüne Landesregie- würdigen. Ich erinnere Sie gerne daran. Er sagte in rung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dem seiner Denkschrift 2011 - ich zitiere -: Steuervollzug in Niedersachsen wieder höhere „Im Übrigen ist es zweifelhaft, ob die Effekti- Priorität zu geben und ihn effizienter zu gestalten. vität von Außenprüfungen durch Jahrestakt- Erste Maßnahmen ist diese Landesregierung be- prüfungen tatsächlich verbessert werden reits angegangen. Ich verweise auf die erhöhten kann. Das sogenannte Osnabrücker Modell Ausbildungs- und Anwärterzahlen, auf die Stär- hält der Landesrechnungshof für bedenklich“ kung von Betriebsprüfung und Steuerfahndung, auch personell um die geplanten 100 Stellen, so- Und er spricht weiter von erheblichen Liquiditäts- wie auf das Stellenhebungsprogramm. Außerdem und Zinsnachteilen, die damit zulasten des Fiskus hat dieses Haus am 28. August unseren rot- entstehen können. grünen Entschließungsantrag „Steueraufkommen durch gerechten Steuervollzug sichern“ beschlos- (Gabriela König [FDP]: Ach!) sen, in dem der Landesregierung über die genann- Auch diese Bedenken sollten und müssen wir or- te personelle Stärkung hinaus noch eine ganze dentlich würdigen und dürfen einen solchen Antrag Reihe weiterer Maßnahmen ans Herz gelegt wur- nicht vorschnell beschließen. de, von der Entlastung der Beamtinnen und Beam- ten von Verwaltungsaufgaben bis hin zu diversen (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht. SPD) Rot-Grün beendet endlich das Schattendasein für das wichtige Thema Steuervollzug. Ich weiß, dass es in 2012 zu dieser Mitteilung des Landesrechnungshofs eine Zwischenmeldung (Beifall bei den GRÜNEN und bei der gegeben hat, in der alles viel optimistischer darge- SPD) stellt wurde. Dennoch kann ich noch nicht ab- Obwohl wir in dem von mir eben zitierten Ent- schließend erkennen, ob bzw. unter welchen Be- schließungsantrag auch eine Prüfung organisatori- dingungen dieses Modell auf andere Bereiche scher Verbesserungen für mehr Effizienz be- übertragen werden kann. Daher: Warten wir doch schlossen haben, kommt heute die FDP mit einem die Evaluation ab! Den Landesrechnungshof, der Detailantrag und versucht, sich an einen bereits an dieser Stelle zu Recht häufig gelobt wird, möch- fahrenden Zug zu heften. Liebe FDP, anstatt Akti- te ich unbedingt auch noch einmal dazu hören, vität vorzutäuschen, hätten Sie doch einfach unse- bevor wir das umsetzen. rem Antrag zustimmen können. Abschließend zur CDU: Ich war ein bisschen über (Beifall bei den GRÜNEN und bei der das überrascht, was Herr Hilbers gesagt hat. Im SPD - Gabriela König [FDP]: Das Pro- Juni-Plenum wurde unser Entschließungsantrag in jekt ist nicht darin enthalten!) erster Lesung beraten. Damals hat der Kollege Mohr zu den organisatorischen Verbesserungen, Jetzt mal zur Sache: Die alte Landesregierung hat die wir vorgeschlagen hatten, Folgendes gesagt - das Pilotprojekt 2006 eingeführt, und es ist, wie Zitat -: damals schon geplant, auch unter Rot-Grün vorge- sehen, dieses 2014 zu evaluieren. Aber anstatt die (Glocke des Präsidenten) Evaluation im nächsten Jahr abzuwarten, fordern Sie jetzt vorschnell eine flächendeckende Umset- - Letzter Satz. zung der zeitnahen Betriebsprüfung. Sie sollten „Im Übrigen ist es wirklich hohles Füllmateri- doch zumindest Respekt vor Ihren eigenen Be- al, wenn der Landtag in einer Entschließung schlüssen aus der letzten Legislaturperiode haben. die Regierung auffordern soll, organisatori- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der sche und technische Verbesserungen zu SPD - Gabriela König [FDP]: Das prüfen. Meine sehr geehrten Damen und dauert und dauert!) Herren, das müssen wir nicht beraten, das müssen wir nicht fordern, das müssen wir Wir Grüne sind jedenfalls dafür, erst einmal in Ru- nicht beschließen - das ist die ureigene Auf- he die Evaluation abzuwarten, bevor wir über die gabe und Pflicht der Landesregierung!“ Auswertung des Projekts sprechen. Dabei - das ist

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Lieber Herr Hilbers, ich hätte mir gewünscht, dass nungshof sagt, durchaus anhören. Das wird hier in die CDU das nicht im Juni, sondern heute hier vielen Punkten immer hochgehalten. Aber wenn es gesagt hätte. Ihnen für Ihren Antrag nicht passt, sagen Sie, das, was der Landesrechnungshof fordert, ist unmög- Vielen Dank. lich. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Ich finde es richtig, diese Punkte mit zu bedenken, SPD) diese Punkte auch nach Abschluss der Evaluation noch einmal mit dem Landesrechnungshof zu dis- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: kutieren, bevor wir uns die Frage stellen, ob wir Danke, Herr Heere. - Es gibt eine Wortmeldung zu dieses Modell auf andere Orte ausweiten oder ob einer Kurzintervention vor: Frau Gabriela König für wir das Modellprojekt vielleicht beenden. Das bleibt die FDP-Fraktion. abzuwarten. Ich bin an dieser Evaluation sehr inte- ressiert. Aber einfach vorab einen solchen Antrag Gabriela König (FDP): zu stellen und zu sagen: „Wir machen flächende- Meine Damen und Herren! Es ist schon entlarvend, ckend“, das geht nicht. wenn ich hier hören muss, dass Unternehmen, die (Beifall bei den GRÜNEN und bei der möglicherweise eine Nachzahlung über drei Jahre SPD) zu leisten haben, auch noch danach beurteilt wer- den und dass sich das ganze Finanzsystem da- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: nach richtet, dass sie darauf auch noch Zinsen zu zahlen hätten, womit dann auch noch gerechnet Meine Damen und Herren, es liegt jetzt noch eine wird. In meinen Augen ist das eine verdeckte Wortmeldung vor, und das ist die von Herrn Fi- Steuererhöhung. Das ist nicht fair. nanzminister Schneider, dem ich für die Landesre- gierung das Wort erteile. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Wenn die Unternehmen auch noch davon ausge- Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister: hen müssen, dass diese Nachzahlungen zu erhöh- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und ten Vorauszahlungen führen, dann finde ich das Herren! Es ist immer wieder erstaunlich, an wel- nicht nur für die Unternehmen unangenehm, son- chen Stellen plötzlich Leidenschaften aufbrechen. dern dann ist es auch für das wirklich entlarvend, Ich habe gedacht, dieser letzte Antrag, der ja eher was Sie von den Unternehmen in Niedersachsen Verwaltungstechnik beinhaltet, wird zu einem ruhi- fordern. Tut mir leid, das kann ich nicht nachvoll- gen Ausklang des heutigen Tages führen. Das ist ziehen. nicht der Fall. Es gibt doch die eine oder andere Überraschung. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Herr Hilbers, wenn ich richtig orientiert bin, haben Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Sie den Vorschlag gemacht, der Kollege der SPD solle doch einmal in das dortige Finanzamt gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Herr Kollege Wenn ich richtig orientiert bin - jetzt muss er einmal Heere möchte antworten. Herr Heere, Sie haben nicken -, hat er bis zur Landtagswahl in dem Fi- das Wort. nanzamt für Großbetriebsprüfung als Prüfer gear- Gerald Heere (GRÜNE): beitet. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe (Reinhold Hilbers [CDU]: Haben Sie Kolleginnen und Kollegen! Was ich gemacht habe, meine Ironie verstanden?) war, dass ich den Landesrechnungshof zitiert ha- Es ist schon sehr kurios, wenn Sie ihm dann vor- be. Das sollten Sie sich noch einmal in Erinnerung schlagen, er soll sich doch einmal über das infor- rufen. Das habe ich auch als solches gekenn- mieren, was er, soweit ich weiß, die letzten neun zeichnet. Jahre gemacht hat. Wenn hier einer im Hause (Gabriela König [FDP]: Sie haben von etwas davon versteht - das können wir dann ja den Zinsen gesprochen!) wohl festhalten -, dann ist das der Kollege Hen- ning. Es war ein längerer Absatz zu diesem Themenbe- reich, der sehr ausführlich hierauf eingegangen ist. (Beifall bei der SPD und bei den Ich finde, wir sollten das, was der Landesrech- GRÜNEN)

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Zur Sache selbst sind eigentlich alle Dinge be- sind eben befragt worden und sagten, dass das leuchtet. Ich will es deswegen auch kurz machen. nichts gegen Frau König Gerichtetes war. Deswe- Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. gen kann ich Ihnen keinen Ordnungsruf erteilen. Aber ich möchte die Kolleginnen und Kollegen Es ist von meinem Amtsvorgänger ein Probelauf in noch einmal ermahnen, solche Handbewegungen Gang gebracht worden, der - das ist festgelegt - im zu unterlassen, die hier missverstanden werden Frühjahr 2014 enden wird. Dann wird das ausge- können. Einen Ordnungsruf könnte ich nur dann wertet, und es werden die Schlussfolgerungen erteilen, wenn der Sitzungsvorstand das gesehen gezogen. Ich verstehe gar nicht, wie man sich hätte und es bestätigen würde. Aber ich will we- darüber erregen kann und schon vor der Auswer- nigstens erwähnt haben, dass Frau König sagt, es tung Schlussfolgerungen ziehen kann. Ich verste- gab diese Handbewegung, und dass sie das - sei he auch nicht, wie man - so oder so herum - schon es zu Recht oder sei es, dass sie es falsch ver- alles bewerten kann, bevor die Auswertung vor- standen hat - moniert hat. Mit der Ermahnung, auf liegt. Für mich ist das ganz normales Verwaltungs- so etwas in Zukunft zu verzichten, will ich schlie- handeln. ßen. Nach meiner Beurteilung wird herauskommen, Wir kommen zur Ausschussüberweisung. dass wir hier ein Instrument haben, das auf eine bestimmte Sorte Betriebe - wenn ich das einmal so Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für sagen darf - und auf eine bestimmte Struktur von Haushalt und Finanzen mit diesem Antrag zu be- Finanzämtern Anwendung findet. Es wird kein fassen. Wer so beschließen will, den bitte ich um flächendeckend neues Model geben. Für ganz das Handzeichen. - Das ist ausreichend unter- große Betriebe ist es nicht geeignet, für kleine per stützt. se nicht. Es gibt nur dann Effekte, wenn beide Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung an- Partner gleichgerichtet zusammenarbeiten. Das gekommen. Ich wünsche Ihnen einen schönen wird eine Bereicherung - so schätze ich das Er- Abend. Wir sehen uns morgen um 9 Uhr hier im gebnis der Evaluation ein - des Instrumentenkas- Haus wieder. tens werden und keine revolutionäre Neuerung. Was die ganze Aufregung angeht, so bin ich - wie Die Sitzung ist geschlossen. sagte Boris Pistorius heute? - vielleicht zu ruhig im Schluss der Sitzung: 17.40 Uhr. Umgang mit diesen Dingen. Aber aus meiner Sicht besteht kein Anlass für einen erhöhten Blutdruck. Lassen Sie uns das in Ruhe angehen! Der Antrag ist im Moment aus dieser Perspektive heraus - wenn ich das so sagen darf, Frau König - nicht entscheidungsfähig. Das Thema ist selbstverständ- lich beratungsfähig. Im Laufe des Jahres 2014 werden wir, vermute ich, am Ende einvernehmlich feststellen: So soll es sein, und so wird es vernünf- tig gemacht. - Bis dahin haben wir noch ein biss- chen Zeit, das Ganze weiter zu diskutieren.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den

GRÜNEN)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache.

Der Sitzungsvorstand hat jetzt folgende Schwierig- keit: Frau König hat während ihrer Rede festge- stellt, dass Sie, Herr Kollege Henning, eine nicht parlamentarische Handbewegung gemacht haben sollen. Ich will nicht näher darauf eingehen. Sie

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