Der Weltgeist Von Weimar Das Wissen Die Literatur Bescherte Der Stadt Inneren Reichtum, Konnte Aber Äußere Katastrophen Nicht Verhindern Der Zeit

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Der Weltgeist Von Weimar Das Wissen Die Literatur Bescherte Der Stadt Inneren Reichtum, Konnte Aber Äußere Katastrophen Nicht Verhindern Der Zeit Raritäten Die Herzogin Die Bibliothek besitzt SONDERAUSGABE Auf Anna Amalias kostbare Handschriften, Spuren durch Weimar Bibeln und Globen S.8/9 Herzogin Anna Amalia Bibliothek spazieren S.19 WWW.WELT.DE OKTOBER 2007 EDITORIAL Der Weltgeist von Weimar Das Wissen Die Literatur bescherte der Stadt inneren Reichtum, konnte aber äußere Katastrophen nicht verhindern der Zeit Am 2. September 2004 brannten Teile T Von Dieter Stolte der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar aus. Rund 50 000 Bücher ibliotheken sind das Wissen wurden zerstört. Drei Jahre dauerten der Zeit. Ihre Geschichte die Wiederaufbauarbeiten. Am 24. Ok- begann im 1. Jahrtausend tober 2007 kann das historische Bvor Christus, als der Assyrer- Bibliotheksgebäude mit dem restau- könig Assurbanipal in Ninive rierten Rokokosaal eröffnet werden. 5000 Keilschrifttafeln zusammen- trug. Sie überlebten den Zusam- T Von Wolf Lepenies menbruch seines Reiches und können noch heute im Britischen nna Amalia, Herzogin von Museum studiert werden. So Sachsen-Weimar-Eisenach, erging es vielen Bibliotheken des starb am 10. April 1807. In Altertums: Trotz Naturkatastro- Weimar hielt zu ihrem „fei- phen, Feuersbrünsten und Plün- erlichsten Andenken“ Goe- derungen überlebten sie, blieben Athe die Ansprache. Er erinnerte Zeugnisse der Menschheit. Ins- an die Fürstin als eine große Frau, besondere die Klöster erwarben die dem „übrigen Menschenge- sich große Verdienste bei der schlecht“ ein Beispiel für „Stand- Pflege von Bibliotheken. Die Höfe haftigkeit im Unglück und teil- der Fürsten machten sie im 17. nehmendes Wirken im Glück“ ge- und 18. Jahrhundert zum Mittel- geben hatte. punkt geistiger Begegnungen. Wo Standhaftigkeit benötigte Anna es Bibliotheken gab, wehte als- Amalia vor allem im Siebenjähri- bald ein Geist des Wissens und gen Krieg (1756–1763): Die Staats- Verstehens. räson zwang sie an die Seite Maria Die 1766 von der Herzogin Anna Theresias und damit der Feinde Amalia in Weimar neu belebte ihres Onkels, Friedrichs des Gro- Herzogliche Bibliothek gehört zu ßen. In den Kriegswirren und den Schätzen der deutschen Kul- dann inmitten eines „fieberhaften turgeschichte. Mehr als drei Jahr- Friedens“ gelang es, den Schaden hunderte hatten Fürsten gelehrte für das Herzogtum zu begrenzen. Bücher, Partituren und Hand- „Ihre Provinzen erfuhren viel Un- schriften zusammengetragen und gemach, doch kein Verderben er- einen Ort geschaffen, der neben drückte sie“, bilanziert Goethe. der Palatina in Heidelberg und Zum Wendepunkt im Leben der der Augusta in Wolfenbüttel zu seit 1758 verwitweten Fürstin einer der bedeutendsten deut- wurde „das unerwartete Unglück schen Bibliotheken wurde. des Weimarer Schlossbrandes“. Als am 2. September 2004 ein Vermutlich war ein schadhafter Feuersturm große Teile der Biblio- Rauchfang daran schuld, dass um thek vernichtete, hielt man den die Mittagszeit des 6. Mai 1774 im Atem an. Jedermann war be- Küchentrakt des Schlosses Feuer wusst, dass – wie Jean Paul es ausbrach. Wenig später standen formulierte – „der Besitz uns nicht nur noch die massiven Mauern. halb so glücklich macht, wie der Raritätensammlung und Kunst- Verlust uns unglücklich“. 37 kabinett waren vernichtet, Oper Kunstwerke und 50 000 Bände und Kirche ruiniert. Im Negligé vor allem des 17. und 18. Jahr- hatte die bettlägerige Fürstin ins hunderts wurden ein Raub der Freie flüchten müssen. Flammen. 62 000 Bücher wurden Es dauerte fast 30 Jahre, bevor beschädigt. Auch auf Schillers die Herrscherfamilie wieder im Totenmaske hatten die Flammen Schloss residieren konnte. Goethe übergegriffen, aber keinen dauer- spricht bewundernd davon, wie haften Verlust verursacht. Die die Fürstin beschloss, „zu Milde- wiederhergestellte Maske wird rung sowie zu Benutzung der Fol- ihren Platz unweit der Büsten gen dieses Unglücks“ die Regie- und Porträts der anderen toten rung an ihren ältesten Sohn Carl Dichter und Gelehrten Weimars August, den späteren Großherzog behalten. Der Brand der Herzogin und Gönner Goethes, zu überge- Anna Amalia Bibliothek löste in ben. Ihre Regentschaft hatte dem Deutschland spontane Hilfs- Lande Glück gebracht, „das Un- bereitschaft aus. Sofort kam eine glück selbst gab Anlass zu Verbes- Spendenaktion in Gang. Unter- serungen“. Ein frischer Geist kam nehmen wie die Allianz und Voda- über Hof und Stadt, der „Ge- fone stellten Millionenbeträge zur brauch einer großen Bibliothek Verfügung. Andere verpflichteten wurde frei gegeben“. Die Biblio- sich zu jährlichen Spenden. Ein- thek, die ihren Namen trägt, hat zelpersonen öffneten ihren Geld- R E Anna Amalia nicht gegründet, sie B beutel. Wie so oft – erinnert sei an U H aber hat ihr den Rang verliehen. R die Frauenkirche in Dresden oder U T Regelmäßig ausbrechende N den Speyrer Dom – zeigte sich, E G Brandkatastrophen begleiten seit A dass die Deutschen nicht nur ein D IL dem Jahr 1299 die Geschichte erst B Herz für das Elend in der Welt / A P der Burg und dann des Schlosses , haben, sondern sich auch ihrer K C zu Weimar. Und wie ein Phönix er- U Wurzeln bewusst sind. Sie wissen, H neuert sich, in veränderter Ge- C dass der Mensch nicht vom Brot S : S stalt, immer wieder das Schloss. O allein lebt, sondern auch der geis- T O Zur Schlossbau-Kommission, die F tigen Nahrung bedarf. Museen vom Herzog nach der Brandkata- Der Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek gehört zu den schönsten Bibliotheksräumen der Welt. Nach dem Brand wird nun die Büchersammlung in der Ordnung von 1850 aufgestellt und Bibliotheken stehen für diese strophe von 1774 eingesetzt wird, Bedürfnisse. gehört auch Goethe. Wenn Bundespräsident Horst In seiner gelassenen Reaktion ses“ zu ertragen. Die Brandstätte stellung einer Gesamtausgabe Jahren den zweiten Teil des Welt: Als in Schottland Thomas Köhler am Geburtstag von Anna auf das Unglück und die Folgen nennt er das „Grab meiner Erin- seiner Werke halfen ihm „hübsche „Faust“. Er rühmt sich selbst da- Carlyle ein kleines blaues Päck- Amalia die Bibliothek wieder- mag er sich Anna Amalia zum Vor- nerungen“. Nur wenige Tage spä- junge Leute“. Und seine Gedichte für, „ein solches inneres lebendi- chen öffnet, in dem sich neben eröffnet, dann gibt er der Öffent- bild genommen haben. In seinem ter aber berichtet er, glücklicher- schleppte, wie eine Ameise, der be- ges Knochengeripp mit Sehnen zwei Schriften auch ein Brief von lichkeit nicht nur einen kulturel- Tagebuch spottet er über die „Gril- weise habe der Brand ihn „im phy- flissene Eckermann herbei. Der Fleisch und Oberhaut zu beklei- Goethe findet, nimmt er ihn in len Raum des Wissens zurück, len zum neuen Schlossbau“ und sischen und psychischen Gleich- Brand eines Theaters sollte den den“. Das fertige Manuskript lässt Empfang wie eine „Botschaft aus sondern er erinnert damit zu- gibt später dem Vertrauen in die gewicht“ getroffen. Unter den Versuch nicht behindern, sein Li- Goethe freilich versiegeln, zu „ab- dem Märchenland“. gleich an ein deutsches Vermächt- Regenerationskraft der Baukunst Folgen der Katastrophe leide er teraturleben und seine Lebens- surd und konfus“ kommt ihm die Goethe wiederum kommt sich nis, das mit der „deutschen Klas- Ausdruck: Man werde schon daher weniger als andere. form der Nachwelt dauerhaft zu Gegenwart vor, als dass er ihr sein in Weimar wie ein Zauberlehrling sik“ eine vorbildhafte Zeit des schwimmen lernen, wenn man Goethe hatte einmal von dem überliefern. Dieser Aufgabe wird Werk anvertrauen möchte. So vor; als wolle sie ihn „ersäufen“, Geistes zusammenfasst. erst einmal im Wasser sei ... „sich immer gleich gebliebenen sich Goethe bis zum Ende seines schreibt Goethe, wenige Tage vor strömt in der kleinen thüringi- Die WELT GRUPPE/ Berliner Fast provozierend gelassen rea- Trieb“ gesprochen, „von Weimar Lebens in Weimar widmen. Er seinem Tod, in seinem letzten, an schen Residenz die Weltliteratur Morgenpost der Axel Springer AG giert Goethe bei einer späteren aus alles Löbliche und Gute zu för- selbst will gestalten, was von ihm Wilhelm von Humboldt gerichte- zu ihrem Urheber und Namenge- unterstützt das Weiterwirken Brandkatastrophe. Sie zerstört in dern“. Jetzt galt diese Förderung „auf dem Papier schwarz und weiß ten Brief. ber zurück. Vergnügt nimmt Goe- dieses Geistes stellvertretend für der Nacht zum 22. März 1825 das mit Nachdruck seinem eigenen li- übrig bleibt“. „Alterthümeley“ und „Vaterlän- the das „Eindringen“ der deut- ihre Inserenten mit einer Spende Weimarer Hoftheater, das auf sei- terarischen Nachlass. Auch wenn Natürlich geht es dabei nicht deley“ hasste Goethe. Er fand da- schen Literatur in Frankreich zur von 100 000 Euro. ne Initiative hin erbaut worden er gelegentlich das Gefühl hatte, nur darum, Vorhandenes zu sich- für den passenden Ausdruck: „Mo- Kenntnis – gemeint ist die neue war. Unmittelbar danach schreibt sich selbst überlebt zu haben, wa- ten und zu sammeln. Nicht weh- derne Deutschnarrheit“. Die Idee Ausgabe einer eigenen Schrift mit Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte ist Goethe dem Kanzler von Müller, ren ihm „Gaben des Leibes und mütig, eher erstaunt schreibt Goe- der Weltliteratur ist nicht in einer Lithografien von Delacroix. Ihn Mitglied des Vorstands der er müsse sich in die Einsamkeit Geistes“ geblieben. Bei der Her- the, ihm kämen jetzt Gedanken, europäischen Metropole wie Lon- freut, dass sein Helena-Stück in Axel Springer Stiftung. zurückziehen, um die „physischen die es wert machten, das Leben don oder Paris – sie ist in der deut- Edinburgh, Paris und Moskau auf und moralischen Folgen jenes Goethe- und Schiller-Denkmal vor noch einmal zu leben. Mit 20 Jah- schen Provinz entwickelt
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