HISTORISCHER ATLAS 10, 1

VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen

Beiwort zur Karte 10,1

Geleitstraßen um 1550

VON MEINRAD SCHAAB

Nur wenige geschichtliche Abläufe können ohne überall Quellen fließen. Hinzu kommt, daß dieser eine Vorstellung vom jeweiligen Stand des Verkehrs- Zeitpunkt durch die erstmals in größerer Breite ein- netzes und Verkehrswesens richtig erkannt und bewer- setzenden Itinerarwerke, d.h. Verzeichnisse der Stra- tet werden. Allerdings schränkt die Quellenlage gerade ßenetappen in Reisehandbüchern und Meilenscheiben, hier die Erkenntnismöglichkeiten für weite Zeiträume zusätzlich erhellt wird. Auch die Kartographie liefert ein. Annähernd kartographisch erfaßbar und daher für diesen Zeitpunkt erste Nachrichten. auch im Atlas berücksichtigt sind die Römerstraßen So wird die Quellenbasis etwas breiter, und die Dar- (3, 3-4), die Linien der alten Reichspost (10, 2), die stellung ist nicht nur auf einseitige Information ange- Landstraßen und Eisenbahnen von der ersten Hälfte wiesen. Im Gegenteil, gerade für die Straßenforschung des 19.Jahrhunderts an (10, 3-4). Dagegen lassen sich sind die Nachrichten sehr vielfältiger Art und reichen früh- und hochmittelalterliche Verkehrslinien nur sehr von den Geländedenkmalen über bildliche Darstellun- schematisch nach Reisestationen, vor allem der Kaiser gen und Karten bis zu den schriftlichen Zeugnissen. (vgl. Beiwort zu 5, 2), ausmachen. Da sich aber die Zu den nur punktweisen Belegen für nur einzelne Stra- Handelsstraßen an der Wende vom Mittelalter zur ßen kommen ganze Reihen von Etappenstationen, oder Neuzeit mit ziemlicher Sicherheit nachzeichnen las- es läßt sich gar der Verlauf anhand alter Karten oder sen, ist über vorsichtige Rückschlüsse doch ein Bild Überresten im Gelände verfolgen. Darüber hinaus sind der mittelalterlichen Verkehrswege zu gewinnen, und die Straßenzüge durch indirekte Zeugnisse wie Zoll- selbstverständlich gewährt eine solche Karte auch den stationen, Herbergen, Gutleuthäuser, Gerichtsstätten, Anschluß an die Verkehrsentwicklung bis ins 19. Jahr- Befestigungen und vieles mehr gekennzeichnet. Flur- hundert. So ist die Karte der Geleitstraßen um 1550 namen haben die Erinnerung an sie teilweise bis in die Grundlage für verkehrsgeschichtliche Überlegungen Gegenwart wachgehalten. Freilich läßt sich der Stra- für den weiten Zeitraum vom Hochmittelalter bis zur ßenverlauf heute im Gelände immer seltener verfol- Schwelle des 19.Jahrhunderts. Freilich stellen sich für gen, weil moderne Baumaßnahmen ebenso wie die eine solche Karte erhebliche methodische Probleme. Flurbereinigung zunehmend das alte Bild zerstören. Hier helfen noch die topographischen Karten des vo- Methodische Voraussetzungen rigen Jahrhunderts weiter.

Quellen zur Straßenforschung Überlieferung zum Geleit Eine Rekonstruktion der Handelsstraßen des 15./16. Die wichtigsten Schriftquellen, bisweilen mit der Jahrhunderts gelingt am ehesten über die Nachrichten Beschreibung ganzer Straßenzüge, sind im Zusam- zum Geleit. Da die Geleitsrechte in den einzelnen Ter- menhang mit dem Geleit entstanden. Allerdings haben ritorien unterschiedlich aufgezeichnet wurden, em- die einzelnen Territorien dieses Regal ganz verschie- pfiehlt sich ein zeitlicher Ansatz um 1550, wo fast den gehandhabt, offensichtlich auch unterschiedlich bewertet und entsprechend verschiedenartige Aktenbe- stände

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darüber ausgebildet. Selbstverständlich spielen auch un- etwa dem württembergischen Amt Nagold abgesehen. terschiedliche Verluste größerer Quellenkomplexe eine In den württembergischen Lagerbüchern heißt es in Rolle. Im allgemeinen fließen die Nachrichten bereits in der Regel, daß der Herzog das Geleit im ganzen Amt Urkunden des 15.Jahrhunderts kontinuierlich. Mit der habe. Bei jedem Ort wird zusätzlich berichtet, daß ihm Anlage der großen Lagerbücher kommen in der ersten dort das Geleit zustehe, ohne daß irgendetwas über die Hälfte des 16.Jahrhunderts systematische Aufzeich- Geleitstrecken bekannt wird. Über sie berichten ledig- nungen hinzu. Die Akten aus der zweiten Jahrhundert- lich Akten. Am deutlichsten ist die Überlieferung über hälfte wuchsen da an, wo besondere Streitfälle vorlagen, den Raum um Wimpfen, in den Württemberg erst und enthalten häufig auch die ersten Ansätze zu karto- 1504 eingedrungen war und seither in einem bestän- graphischer Darstellung. Um die Wende vom 16. zum digen Ringen mit der Kurpfalz über die Abgrenzung 17. Jahrhundert versuchten die großen Territorien syste- der beiderseitigen Machtsphären lag. Die Grafschaft matische Sammlungen ihrer Geleitsrechte. Allerdings Limpurg hat überhaupt keine Nachrichten zum Ge- gedieh das unterschiedlich weit. Unter Bischof Echter leitswesen in ihrem Kernbereich hinterlassen. Sehr entstand in Würzburg 1595 ein alle Strecken des viel schwieriger als im Nordteil des heutigen Bundes- bischöflichen Geleits verzeichnendes Geleitbuch, Ba- landes ist die Quellenlage hinsichtlich des Geleits für den-Durlach stellte eine Geleitstafel zusammen, in seinen Südteil. Württemberg blieb es beim Ansatz einer Befragung sämtlicher Ämter und noch weniger zum Ziel gelangte Ausschnitt und Aussage der Karte die hohenlohische Verwaltung. Kurpfalz und Kurmainz stellten zwar keine Geleitstafeln zusammen, sorgten Angesichts dieser Materiallage und, weil die Forde- aber für eine recht breite Erfassung durch die Urbare. rung nach einigermaßen topographischer Genauigkeit Dort sind, gleichsam spinnennetzartig von der jeweili- keine stärkere Verkleinerung als den Maßstab gen Amtsstadt ausgehend, die Geleitstrecken verzeich- 1:400 000 zuließ, beschränkt sich die Darstellung in net. Vergleichbares kennen Württemberg und die klei- der Hauptkarte auf den Raum nördlich der wichtigen neren Territorien nicht, von wenigen Ausnahmen, Querverbindung Straßburg-Ulm. Eine Beiwortkarte gibt eine Übersicht über die wichtigsten Straßen in Südwest-

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deutschland, ohne die Geleitsrechte und die einzelnen und westlicher gelegenen Landschaften erreicht. Ein Stationen zu verzeichnen. Die Verschiedenheit der gewisser Ausgleich konnte nur geschaffen werden, in- Quellen bewirkt aber auch im gewählten Ausschnitt dem man die Straßen nach ihrer Bedeutung einstufte. ein verschiedenartiges Bild. Die Geleitstraßendichte, Auch das ist problematisch und nicht im Sinne heu- wie sie sich in den Bereichen von Kurpfalz, Kur- tiger Straßenklassifizierung oder gar Verkehrsmengen- mainz, Hochstift Würzburg und badischen Markgraf- karten zu lösen. Doch bringt die Häufigkeit der Er- schaften ergibt, ist anderswo nicht zu erreichen. Dort, wähnungen, vor allem aber die Hervorhebung der gro- vor allem im Württembergischen, lassen sich nur die ßen Strecken für die Kaufmannszüge zu den zentralen wichtigeren Straßen nachzeichnen. Zwar wurde dort Messen eine gewisse Ordnung ins Gesamtbild und das Straßennetz anhand der Itinerarwerke ergänzt, mehr Ausgewogenheit für die verschiedenen Gebiete. aber auch damit ist noch kein Gleichgewicht gegen- über den nördlicher

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Abb.3 (nach Th. Mayer)

Geleitswesen und Geleitstraßen wurden, was bei Zigeunern und noch stärker bei frem- den Truppenkörpern einsichtig ist. Dieser Geleitschutz Arten des Geleits wurde im allgemeinen durch Privileg verliehen. Wer ihn verletzte, riskierte besondere rechtliche Sanktio- Geleit, ein genuin mittelalterliches Rechtswort, be- nen. Das Geleit war zunächst an bestimmte Personen deutet zunächst den besonderen Schutz oder einen spe- oder Personengruppen gebunden. Es konnte sodann, ziellen Frieden für sehr verschiedene Arten von reisen- wie bei Geleit zum Gericht oder für Besucher eines den Personen wie Vorgeladene vor Gericht, Gesandte Marktes der Fall, zusätzlich mit einem bestimmten und Unterhändler, kirchliche Würdenträger und Stan- Ziel verbunden sein. Erst eine spezielle Form und despersonen, für Pilger ebenso wie für besonders wohl Ergebnis einer längeren Entwicklung war es, schutzbedürftige, weil minderberechtigte Gruppen wie wenn bestimmte Wege als Geleitstraßen für die zu Juden, später auch Zigeuner, und endlich auch für die schützenden Personen vorgeschrieben wurden. Kaufleute. Bisweilen galt dieser Schutz nicht in erster Wenn im Geleit auch dem Wortsinne nach ein tat- Linie den im Geleit stehenden Personen, sondern dem sächlicher Begleiter als Schützer zu erwarten ist, so Gebiet durch das diese Menschen hindurchgeleitet war das von Anfang an nicht grundsätzlich der Fall. Das Geleits- 4

MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 10,1 privileg allein, später vielfach in Form eines Geleits- bar von der Amtsstadt aus aufbrechen konnten. Man zettels als sogenanntes Taschengeleit oder schriftliches hat daher vielfach wechselseitiges Geleit eingeführt. Es Geleit mitgegeben, konnte bereits eine schützende wurde dann jeweils bis zur nächsten Stadt auf der Ge- Wirkung haben. Es machte auch den Geleitsherrn haft- genseite durchgeleitet. Dieses wechselseitige Geleit bot bar für Schäden, die trotzdem auftraten. Nur in beson- sich auch als Lösung von Streitfällen an, wo man sich deren Fällen wurde das Geleit durch eine bewaffnete über eine genaue Grenze nicht einigen konnte. Pfalz Mannschaft ausgeübt, so bei fürstlichen Personen, bei und Württemberg bereinigten ihren Geleitsstreit fremden Truppenkörpern und bei Kaufleuten, zumal zwischen Wimpfen und 1609 in der Form, wenn diese in großen Zügen mit ihren Waren be- daß auf der linken Talseite der Böllinger Bach eine stimmten Messeorten zustrebten. Beim Herrengeleit lineare Grenze bildete, daß dagegen auf der rechten spielten neben der Höflichkeit und Gastfreundschaft Talseite die Führung des Geleits zwischen beiden Ter- auch bald die Demonstration und Behauptung des ritorien jährlich wechselte. Häufig überschnitten sich eigenen Herrschaftsanspruchs eine Rolle. Schließlich die Geleitsrechte verschiedener Herren auf einer Stra- wurde es geradezu zum Ausdruck der neuzeitlichen ße, d.h. je nach Zielort geleitete jeweils ein anderer. Souveränität ähnlich wie das Geleit fremder Heere und Die Kurpfalz hat sich nie dazu verstehen können, ihre auch das Kaufmannsgeleit. Letzteres erfüllte überdies alten Geleitsrechte im Raum zwischen Heilbronn und einen fiskalischen Zweck, nämlich den, die Waren- Mergentheim nach 1504 aufzugeben und Württemberg züge vor die richtigen Zollstätten zu bringen. Man zu überlassen. Wo es sich machen ließ, führte auch da- spricht deshalb auch von Zollgeleit. Besonders zu nach ein pfälzischer Reiter das Geleit in diesem Raum, wichtigen Messeterminen wurde dieses auf festgeleg- und die rheinische Pfalzgrafschaft unterhielt deswegen ten Routen mit erheblichen militärischen Mannschaf- Geleitsknechte in Heilbronn, Wimpfen und Mergent- ten ausgeübt. Außer dem Dienst auf der Straße waren heim. noch Streifen eingesetzt, die das umliegende Gelände durchkämmten, um Überfälle auszuschließen. Dieses Geleit und Territorium Durchstreifen ganzer Gebiete brachte dem Geleit all- mählich einen flächenhaften Charakter ein (s.u.). Ge- All das zeigt, daß Geleitswege und territoriale Gren- rade die Kaufmannszüge waren es, die wegen der zen sich nicht deckten. Durch die Obergrafschaft Kat- Kostbarkeit ihrer Ladung besondere Bewachung erfor- zenelnbogen geleiteten von Oppenheim bzw. von Hep- derten. Tatsächlich fielen sie immer wieder einmal penheim aus Kurmainz bzw. während der Pfandschaft Plünderungsaktionen zum Opfer. Dies hatte vielfach der Bergstraße 1460-1653 die Kurpfalz. Nur auf weni- auch einen politischen Hintergrund wie die Wegnahme ger bedeutenden Strecken konnte der Landgraf von der für bestimmten Waren aus den Hessen als Erbe von Katzenelnbogen das Geleit selbst oberschwäbischen Städten durch Konrad von Weins- führen. Die Grafschaft Erbach, aus Ministerialenbesitz berg 1422. Er hatte sich eigens zu diesem Zweck die aufgestiegen, hatte überhaupt kein eigenes Geleit. Der Stadt Sinsheim vom Pfalzgrafen Otto von Mosbach Bischof von Worms konnte bei seinem kümmerlichen kurzfristig verpfänden lassen. Am Zuckmantel zwi- Splitterbesitz kein Geleit ausüben, ganz im Gegensatz schen Öhringen und Neuenstadt sind mehrere Überfäl- zu seinem Amtsbruder in Würzburg, der über ausge- le bekannt. Ihretwegen hat der Schwäbische Städte- dehnte Geleitsrechte verfügte. Die Grafen von Wert- bund 1441 die Burgen Neufels und Maienfels gebro- heim hatten das Geleit in ihrer Grafschaft, die Grafen chen. Doch noch 1513 konnte hier Götz von Berlichin- von Hohenlohe, allerdings erst spät zu dieser Würde gen einen Überfall auf einen Augsburger Wagenzug gelangt, nur partiell. Durch weite Teile ihres Territo- ins Werk setzen. Auch auf unterster sozialer Stufe gab riums ebenso wie durch das Gebiet des Deutschen Or- es die Straßenräuberei. Die Einwohner des alten Fähr- dens um Mergentheim geleitete der Markgraf von ortes Hundsfeld südlich Kehl, die sich in ihr einen Brandenburg-Ansbach. Er hatte allerdings die Hinter- Ausgleich für Einkommensverluste durch den Bau der lassenschaft des Hauses Hohenlohe-Brauneck über- Rheinbrücke und Hochwasserschäden suchten, wurden nommen, so daß das Geleit hier doch von Hohenlohe zum großen Teil 1580 auf dem Straßburger Marktplatz stammte. Auch die aus der Ministerialität zur Landes- hingerichtet, ihr Dorf aufgelöst. herrschaft aufgestiegenen Schenken von Limpurg ver- Das Geleit wurde namentlich zu Messezeiten von fügten über wichtige, wenn auch räumlich begrenzte den Städten angefordert. Die Strecken für den Dienst Geleitsrechte. Die Grafen von Öttingen geleiteten in der Geleitsreiter waren genau abgegrenzt. Häufig wur- einem besonders weiten Bereich. Auch nachdem sie de das Geleit in einer kleinen Bachfurt übergeben, da- längst aus der Stiftsvogtei ausgeschieden waren, blie- bei standen die Pferde beider Parteien mit den Vorder- ben sie für das Gebiet der Fürstpropstei Ellwangen zu- beinen im Wasser, um den Bach tatsächlich als Gren- ständig, bis diese 1471 einen Schirmvertrag mit Würt- ze anzudeuten. Allerdings war das Warten auf einen temberg schloß. Seither war das Geleit wenigstens auf Kaufmannszug auf freier Strecke beim Geleitsperso- der Hauptstrecke württembergisch, während sich auf nal wenig geschätzt, und auch für den Geleitsherrn den die Württemberger nicht interessierenden anderen war es wirtschaftlicher, wenn seine Leute im Bedarfs- Strecken nach längerer Zeit undefiniertem Zustand fall unmittel- allmählich ein Geleitswesen des Stifts- 5

10,1 MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 propstes selbst herausbildete. Ähnlich ungeregelte Zu- Hohenlohe, während sogar die Grafen von Katzeneln- stände herrschten in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, bogen lange darauf verzichten mußten? Die Erklärung seit die rechtsrheinischen Ämter 1399 an die Reichsstadt findet sich in den Urkunden des späten 13. und des Straßburg einschließlich des Geleits verpfändet worden 14.Jahrhunderts. Limpurg wie Hohenlohe haben ihre waren, aber bei der Rücklösung vor 1555 von Geleit Geleitsrechte durch kaiserliche Verleihung erhalten. nicht mehr die Rede war. Seither stritten sich Stadt und Geleit war Königsrecht und fiel dem zu, der vom Herrschaft, wem das Geleit zustünde. Zwischen Würt- König damit belehnt wurde, und es konnte je nach der temberg, das selbst keine so ausgreifende Geleitspolitik Nähe zum König entsprechende Unterschiede geben. wie Pfalz und Ansbach betrieb, und Ulm war es im An- Dies vom König einzeln verliehene Geleit war meist fang des 16. Jahrhunderts zur Verständigung gekom- an ganz gewisse Strecken gebunden. Daneben gab es men. Seither deckten sich die Bereiche der jeweiligen für die Fürsten die generelle Belehnung mit dem Ge- Geleitszuständigkeit mit der Wildbanngrenze. Geleits- leit als einem unter den anderen Regalien, auf die der grenze konnte von da an tatsächlich die lineare Grenze König seit der späten Stauferzeit verzichtet hatte. zwischen zwei Flächenherrschaften werden. Beide Ter- ritorien, das Herzogtum Württemberg wie die Reichs- Reichsstraßen als Vorläufer der Geleitstraßen stadt Ulm, sorgten durch entsprechendes Streifen für die Sicherheit in ihren Gebieten, ohne auf den einzelnen Damit stellt sich die schon oft untersuchte Frage, ob Wegen besonders zu geleiten, und stellten Geleitsmann- die alten Geleitstraßen nicht die Königsstraßen sind, schaften nur noch für das Messegeleit. Dies gilt auch für die uns unter dem Namen strata regia und via publica ganz andere Territorien, die vielfach die tatsächliche zum Teil schon vor dem Hochmittelalter in den Quel- Ausübung des Geleits, für das sie nach wie vor hafteten, len begegnen. Tatsächlich argumentieren die Reichs- einstellten, so z.B. Hohenlohe, zeitweilig auch der vor- gesetze der Stauferzeit so, daß Straße und Geleit Kö- derösterreichische Breisgau. Nur die besonderen Pres- nigsrecht sind und erst vom König den Fürsten über- tigefälle des Fürstengeleits wurden dann noch beachtet. lassen werden. Damit wären die Geleitstraßen die al- Diese weitgehende Nichtausübung des Geleits erklärt ten Königsstraßen. Man muß jedoch sehen, daß das auch die Quellenarmut in einzelnen Territorien. nur ein Strang der Entwicklung ist und daß sich an- Eine ähnliche Tendenz zeigte sich auch bei Reichs- dererseits immer mehr Geleitstraßen herausbildeten. städten innerhalb der Landhegen. Jedoch konnten diese So wäre es verfehlt, in jeder Geleitstraße in der Blüte- nicht vollständig damit durchkommen, und so kam zwi- zeit des Geleitswesens im 16. Jahrhundert eine König- schen Hall und Limpurg der Kompromiß des gemeinsa- straße zu vermuten, doch zeigen die meist noch später men Geleits auf den wichtigen Strecken zustande. Seit überlieferten Straßennamen wie Kaiserstraße, König- dem frühen 17. Jahrhundert geleitete Hall dann auch auf straße, verballhornt u. a. zu Kind- bzw. Keng-straßen, anderen Straßen seines Territoriums und versuchte für einen nicht unerheblichen Teil der Geleitstraßen Ansprüche der umliegenden Geleitsherrn auf Geleits- den Zusammenhang mit dem Königtum. rechte bis vor die Stadttore abzuwehren. Kleinere Trotz der Bindung des Geleits an die rechte Straße, Reichsstädte konnten nie eigene Geleitshoheit entwik- die via publica oder strata regia und trotz kaiserlicher keln. Sie achteten höchstens wie das immerhin noch Privilegien und Gesetze, die eine Verlegung der rech- über ein Landgebiet verfügende Gmünd darauf, daß ten Straße untersagten oder zumindest an die Zustim- innerhalb ihrer Mauern keine geleitlichen Hoheitsakte mung der Reisenden banden und damit praktisch er- anderer stattfanden. So zogen die württembergischen schwerten, dürften Änderungen eingetreten sein. Mag Geleitsmannschaften wohl durch Gmünd und , sich auch der tatsächliche Zugang von neuen Strecken mußten dort aber ihre Geleitsbüchsen verdecken. Aus- aus den verschiedensten Gründen in Grenzen gehalten gesprochen im Schutz eines Geleitsherrn standen Nörd- haben, die immer engere Verknüpfung von Geleit und lingen und Dinkelsbühl, durch die beide zunächst die Flächenherrschaft hat die Zahl der Geleitstraßen und Grafen von Oettingen, durch Dinkelsbühl dann die Geleitwege ganz wesentlich vermehrt. Hinzukommt Markgrafen hindurchgeleiteten. Völlig ohne Geleits- dann die in der großräumigen Verkehrsentwicklung rechte war und blieb die Reichsritterschaft. wie in der Wirtschaftsgeschichte begründete Ände- Eine Erklärung der Ursachen dieser verschiedenarti- rung des Gewichts der einzelnen Straßenzüge. Im gen Zustände wurde bisher nur gelegentlich versucht. europäischen Rahmen hat die Eröffnung des Gotthard- Ausscheiden muß die schon in der Frühneuzeit beliebte passes zwischen 1200 und 1240 die Ströme des Fern- Theorie, Geleit und Wildbann hingen zusammen. Das verkehrs teilweise umgelenkt, die Oberrheinebene in Ulmer Beispiel zeigt, daß solche Übereinstimmung ihrer Bedeutung als nord-südliches Durchgangsland nachträglich und schon im Sinne einer geschlossenen gehoben. Der Aufstieg Frankfurts zur großen mittel- Flächenherrschaft herbeigeführt wurde. Herzogliche europäischen Messestadt im 14. Jahrhundert und der und landgräfliche Vorrechte könnten durchaus eine Rückgang der Champagnermessen hat mindestens Rolle spielen, aber wieso sind dann die Schenken von ebensoviel zur Umlenkung der Warenströme, die Limpurg zu Geleitsrechten gelangt und ebenso die überdies jetzt in eine Wachstumsphase gerieten, beige- tragen. Dies alles versuchten dann 6

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10,1 MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 die Territorialherren im Rahmen ihrer Bestrebungen richteten Reisewegen Ludwigs des Bayern. Zusätzlich nach Einnahmequellen wie nach Steigerung von Macht tauchen bei Rudolf auf Heidelsheim, , und Ansehen für sich auszunutzen. So haben die Wege Löwenstein, Wittighausen (bei Lauda), bei Ludwig der oberschwäbischen und Ostschweizer Kaufleute zur Aub, Öhringen, Schorndorf, Göppingen, alles Orte an Frankfurter Messe im Laufe des 15. und 16.Jahrhunderts den auch im 16. Jahrhundert bezeugten großen Stra- mehrfach gewechselt. Württemberg und Pfalz-Mosbach ßen. Der viel weniger bewegliche König Ruprecht hat hielten bis 1450 an der Straße über den Heuchelberg auf seinen mehr ans Territorium gebundenen Wegen fest. Die Kurpfalz setzte sich für die mittlere Route häufig die Straße Heidelberg–Mosbach–Mergentheim– durch den Kraichgau über das ihr gehörige Bretten ein, Nürnberg benutzt (Vgl. Abb. 2-4). und die Markgrafschaft Baden versuchte, möglichst viel vom Warenstrom auf ihrem Territorium auf die Straße Landschaftsgebundene Grundzüge des Verkehrsnetzes über Pforzheim nach Bruchsal oder ab 1569 sogar auf die Strecke Pforzheim–Durlach–Graben zu lenken. Auch wenn man all dies und lokale Verschiebungen Gesamtbild durch Stadtgründungen, Brückenbau und Verlegung Die Kontinuität der großen Straßen liegt zu einem von Fähren berücksichtigt, so wird man doch feststellen guten Teil in den Oberflächenformen der Landschaft müssen, daß es bei den Hauptstrecken weitgehende begründet. So ist Verkehrsgeschichte teilweise durch Kontinuität gab. Das deutet sich schon darin an, daß die die Natur vorgeschrieben. Das gilt sowohl für die Reiseetappen der hochmittelalterlichen Kaiser, wo sie in großen Linien als auch für die mehr regional sich aus- genügender zeitlicher und räumlicher Dichte bekannt wirkenden Übergangsstellen über Gebirge und Gewäs- sind, noch den im 16.Jahrhundert belegten Straßenzü- ser. Großräumig gesehen, ist Südwestdeutschland, be- gen entsprechen. Als Otto der Große 965 aus Italien zu- dingt durch den Oberrheingraben, Durchgangszone rückkehrte, traf er seine Söhne in Heimsheim. Dieses von Norden nach Süden. Er nimmt die Wege aus der Heimsheim liegt an der Rheinstraße (via Rheni), auf der hessischen Senke und dem Mittelrheintal auf und ver- auch die Kaufleute aus dem Bodenseeraum über Pforz- mittelt den Anschluß durch die Burgundische Pforte heim der Frankfurter Messe zustrebten. Es liegt schon und über den Schweizer Jura. Die im ganzen geschlos- die Wahrscheinlichkeit nahe, daß eine alte Straße weiter sene Kette der oberrheinischen Randgebirge ist nach benutzt wurde. Für die Salier ist die Straße von Speyer Osten durch die Kraichgausenke zu einem weiteren über Bruchsal und die nicht im Itinerar genannten Zen- Durchgangsraum geöffnet, der sich im Neckarbecken tralorte Cannstatt und Waiblingen nach Winterbach im und Hohenloher Ebene fortsetzt, aber auch den Anstieg Remstal und dann weiter nach schon vom über die Juraformation vorbereitet. Da die Gebirgs- eigenen Besitz her einleuchtend. Die Staufer bewegten schwellen von Schwarzwald und Schwäbischer Alb zu sich viel mehr als die früheren Königsgeschlechter in viel größerer Höhe ansteigen als ihre Entsprechungen Südwestdeutschland selbst. Zwischen ihren bevorzugten im Norden, zeigt der Südteil Südwestdeutschlands viel Aufenthaltsorten Ulm, Speyer, Hagenau, Worms, weniger Durchlässigkeit als der Nordteil, zumal von Frankfurt, Würzburg und Nürnberg liegen die Zwi- Westen her die Hauptvermittler Kaiserslauterner und schenstationen Lorch, Markgröningen (Konrad III.), Zaberner Senke ebenfalls mehr auf den Kraichgau aus- Tauberbischofsheim, Wimpfen, Rülzheim südlich Ger- gerichtet sind. So erklärt sich, daß die bedeutendsten mersheim, Schwäbisch Gmünd (Barbarossa), Lampert- Verkehrswege durch Südwestdeutschland der Richtung heim, Ladenburg, Mosbach, Germersheim, Selz (Hein- von Nordwesten nach Südosten folgen. Verstärkt wird rich VI.), Spiegelberg südlich Germersheim, Hall, Ess- die überragende Bedeutung dieser Hauptverkehrsrich- lingen, (Philipp von Schwaben), Wimpfen, tung noch dadurch, daß die Hauptkette der Alpen zwi- Esslingen, Geislingen, Spiegelberg (Friedrich II.), Sins- schen dem Großen St. Bernhard im Westen und dem heim, Eberbach, Mosbach, Heilbronn, Hall, Esslingen Lukmanier im Osten keinen natürlichen Pass aufweist. (Heinrich VII.), Oppenheim, Heppenheim, Neckarbi- Der Verkehr durch das Oberrheingebiet mußte entwe- schofsheim, Hall, Rothenburg, Gmünd, Nördlingen, der nach Südwesten bis zum Genfer See ausbiegen Neresheim (Konrad IV.). Dies läßt immerhin die Ver- oder über Zürich den Zugang ins Alpenrheintal suchen. mutung zu, daß zumindest die Staufer ungefähr die Nun war es aber keineswegs schwieriger, zu den Bünd- nämlichen Routen benutzt haben, die um 1550 als ner Pässen auch gleich über Kraichgau, Neckarbecken Hauptreisewege der Kaufleute hervortraten. Erst recht und über die Alb zu gelangen, als diesen südlichen stimmen die Reisewege spätmittelalterlicher Herrscher Weg zu nehmen. Prinzipiell änderte auch die künst- mit diesen Hauptverkehrslinien überein. So begegnen liche Erschließung der Gotthardroute nichts an der Ab- teilweise die selben Stationen wie bei den Staufern im lenkung des Nord-Südverkehrs. Zwischen Basel und Itinerar Rudolfs von Habsburg, das aber viel mehr den dem Bodensee hindurch gab es keinen ihn anziehenden Oberrheinraum berücksichtigt, und in den ganz auf die Weg. Wohl dürfte sich mit der Gotthardroute die Inten- süddeutschen Nordwest-Südostverbindungen ausge- sität des Verkehrs in der Oberrheinebene verstärkt ha- ben, jedoch konnte er im Betrachtungsgebiet keine neuen Verkehrslinien bewirken.

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In diesem großen Verkehrsnetz boten sich die haupt- eine eindeutige Stellung hat. Die Täler von Tauber, sächlichen Linien von der landschaftlichen Formung Jagst und Kocher wiesen mehrere Übergangsstellen her bereits an. Im Oberrheingebiet waren das je zwei dort auf, wo sie nicht so tief eingeschnitten waren Strecken links und rechts des Stromes, dem Hochufer (Tauberbischofsheim, Mergentheim, Crailsheim, Ell- und dem Gebirgsrand folgend. Als günstige Verkehrs- wangen, Neuenstadt), während die steilwandigen Täler ader kommt natürlich auch der Rhein selbst in Betracht, des Mittellaufes bei Kocher und Jagst nur nördlich wie insgesamt der Wasserverkehr dem Landverkehr Schwäbisch Hall bzw. bei Langenburg in mehreren manchen Vorteil voraus hatte. Das im Osten anschlie- Varianten und bei der Tauber lediglich bei Rothenburg ßende Schichtstufenland war in seiner Mitte zwischen überquert wurden. Die Bischofsstadt Würzburg ist, Alb und Schwarzwald durchlässig, allerdings verengen wiewohl an einem wichtigen Flußübergang gelegen, sich die verkehrsgünstigen Landschaften nach Süden zu kaum so eindeutig nur als Knotenpunkt zu erklären, gleichsam trichterförmig. Als durchgehende Nord-Süd- sicher aber Konstanz an der Engstelle des Bodensees. linie blieb so nur eine Strecke östlich des Schwarzwal- Würzburg war der große Vermittler für Verkehr nach des. Dem viel bedeutenderen Nordwest-Südostverkehr Osten und Nordosten. Ihm entsprach Ulm, auf das so- stellte sich in den Keuperwaldbergen im Norden noch zusagen der Paß der Geislinger Steige hinzielte, für ein Hindernis entgegen. Es bot zwischen dem nördli- den Südosten. Die nördlich davon erwachsenen Ver- chen Keuperstufenrand im Hohenlohischen und dem kehrsadern benutzten den die Alb sprengenden Ein- Remstal keine durchgehenden Leitlinien an. Remstal schlagtrichter des Rieses und verliehen so Nördlingen und Filstal dagegen gaben die besten Übergänge über seine Bedeutung als Sammelpunkt von Straßen aus al- die Alb durch das Ries bzw. die Geislinger Steige frei. len Richtungen. Hinter der Schwäbischen Alb war das Voralpenland Den in der Nordwest-Südostrichtung laufenden wieder verkehrsoffen. Die Donau stellte in ihrem Ober- hauptsächlichen Verkehrsströmen stellten sich Oden- lauf bis zur Lechmündung weder eine solche Verkehrs- wald und Nordschwarzwald mit ihren quer dazu strei- schiene noch ein solches Übergangshindernis wie der chenden Höhenrücken und Haupttälern als schwer Oberrhein dar. Main und Neckar waren im Vergleich überwindliche Hemmschwellen in den Weg. Der beachtlichere Schiffahrtswege. Im Innern des Voralpen- Spessart wies dagegen durch ein etwas anders ge- gebiets wirkte der Bodensee als große Verkehrsdreh- richtetes Entwässerungssystem bessere Durchgängig- scheibe. keit auf. Nördlichster Übergang im Schwarzwald war der Kniebis, schon durch seinen Namen als schwie- riger Paß ausgewiesen. Eher, allerdings nur für den Knotenpunkte weiter südlich gerichteten Verkehr akzeptabel, war die Die regionalen Fixpunkte für den Verkehr waren am Kinzigtalstraße mit einer Variante in Richtung Rott- Oberrhein die günstigsten Übergangsstellen dort, wo weil und einer in Richtung Villingen, auch letztere sich die Hochufer von beiden Seiten am nächsten ka- mied das heute so verkehrswichtige Tal der Gutach. men, so Worms und Speyer mit recht bequemen Ver- Wie das Kinzigtal so bot das Dreisamtal über zwei bindungen zu den westlichen und östlichen Durchlässen Straßen, Wagensteige und Höllental, wohl erst im in den Randgebirgen. Der Verkehrsknoten bei Straß- Hochmittelalter richtig erschlossene Durchgänge burg erklärt sich hauptsächlich durch die Übergangs- durch den Schwarzwald. Im Vergleich zu diesem Ge- möglichkeit über Rhein und Ill und die Nähe zu den birge war die Schwäbische Alb viel verkehrsfreundli- Schwarzwaldpässen in Rench- und Kinzigtal. An den cher. Viele ihrer Täler führten zu Übergängen, freilich Taleingängen bildeten sich weitere Verkehrsknoten wie über Steigen an den Talschlüssen. Neben dem bereits Heidelberg, Bruchsal, Ettlingen, Oberkirch, hervorgehobenen überragenden Filstal sind vor allem und Freiburg. Besonderer Verkehrsverteiler zwischen das Ermstal, das Echaztal und das Primtal zu nennen. Kraichgau und Nordschwarzwald war Pforzheim, an einem großen Talknoten gelegen. Talknoten von weni- Streckenführung im Gelände ger starker Ausprägung, aber durch den Anschluß an Die Führung der Straßen im Gelände ergibt keines- das untere Maintal bevorzugt, war Miltenberg. Die wegs ein einheitliches Bild. Große Umwege und ver- wichtigsten Übergänge über den Neckar, Wimpfen und lorene Steigen liebte der alte Verkehr nicht, trotzdem Cannstatt, lagen wiederum an Talknoten. Sie unter- ist die Ausnutzung des Geländes sehr verschieden- schieden sich dadurch, daß Wimpfen zumindest ur- artig. Überall wurden möglichst die versumpften Nie- sprünglich den Verkehr nach Osten auf Höhenwege ab- derungen gemieden. Die Straßenführung durch die gab, während von Cannstatt aus die großen Täler von Rheinebene zeigt das deutlich sowohl im Hochuferbe- Rems und Fils erreicht wurden. Am Oberlauf des Nek- reich als auch in der längs der östlichen Randniede- kars streuten südlich der Hemmschwelle von Schön- rung führenden Bergstraße. Das Ausweichen vor buch und Glemswald die Übergangsmöglichkeiten zwi- Sumpfgelände heißt aber nicht, daß im Hügelland und schen Tübingen und Rottenburg, während Rottweil, be- Gebirge grundsätzlich die Täler gemieden wurden. dingt durch den Anschluß vom Kinzigtal her, wieder Das Maintal mit seiner großen Weite bot ohnedies keine Schwierigkeiten, aber auch das 10

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10,1 MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 wesentlich engere Neckartal hinter Heidelberg war von Rheinebene und der Gäuplatten des Neckar- und Tau- Straßen begleitet, ebenso das Saalbachtal im Kraich- berlandes war die Verkehrsführung relativ frei vom gau. Im Odenwald spielte die durch Gammelsbach und Zwang, die Täler oder auch die Höhenrücken aufzusu- Mümlingtal ziehende Nord-Südlinie keine große Rolle. chen. So finden sich hier viele Straßen, die in ihrem Dagegen hat das Nagoldtal von Nagold bis kurz südlich Verlauf eine ganz verschiedenartige Trassenführung Pforzheim wenigstens im Spätmittelalter den Verkehr benutzen und vielfach bestimmte Siedlungen ansteu- von Schaffhausen und Rottweil nach Frankfurt aufge- ern. nommen. Im Gegensatz zur Odenwaldstrecke hatte das tief in den Muschelkalk eingeschnittene mittlere und das Historische Bedingungen des Verkehrsnetzes obere Neckartal, abgesehen von der Durchbruchstrecke durch den Keuper zwischen Plochingen und Cannstatt, Nachwirkung der Römerstraßen keine Verkehrsbedeutung. Ähnliches läßt sich von den Daß bereits frühe historische Gegebenheiten die windungsreichen Läufen von Kocher und Jagst sagen mittelalterliche Streckenführung maßgebend bestimm- mit der allerdings bezeichnenden Abweichung, daß der ten, zeigt ein Vergleich mit den Römerstraßen. Doch jeweilige Unterlauf bis Schöntal und Ingelfingen minde- ist topographische Übereinstimmung immer nur auf stens seit dem Spätmittelalter durchaus mit Verkehrs- gewissen Strecken gegeben, wie im Fall der wohl auch straßen ausgestattet war. Die Tauber wurde sowohl in schon prähistorischen Bergstraße oder der linksrheini- ihrem untersten Talabschnitt im Buntsandstein als auch schen Verbindung von Mainz bis Selz, den Verbin- im steilwandigen in den Hauptmuschelkalk eingeschnit- dungslinien von den Kastellen des Odenwaldlimes zu tenen Abschnitt oberhalb von Weikersheim von größe- denen des endgültigen Grenzwalles wie Mosbach- rem Verkehr gemieden. Die Verkehrsbedeutung von Remstal und Filstal wurde bereits oben hervorgehoben. Bei all diesen Tälern ist ersichtlich, daß sie besonders dann vom Verkehr angenommen wurden, wenn ihr Ver- lauf der allgemeinen Richtung der Verkehrsströme ent- sprach, wie die in der Nordwest-Südostrichtung verlau- fenden Strecken von Maintal (–Milten- berg, Würzburg–Ochsenfurt), Taubertal (Tauberbi- schofsheim–Mergentheim), Salbachtal (Bruchsal–Bret- ten), Neckar- und Filstal (Cannstatt–Geislingen). Für den West-Ostzug boten sich Rench-, - und Erms- tal, für den Nord-Südverkehr das Nagoldtal an. Völlig ungünstige Engstrecken wie die der Nagold unmittelbar oberhalb von Pforzheim wurden umgangen. Größter Gegensatz zu den Straßen in den Tälern sind die Hochstraßen auf den Höhenrücken vor allem in den Gäulandschaften wie die Strecken Miltenberg–Tauber- bischofsheim, Königshofen–Aub–Uffenheim, Teile der Kaiserstraße südlich Mergentheim, die Hohe Straße zwischen Kocher und Jagst, die Straße Wiesloch–Sins- heim und die Rheinstraße östlich der Wurm. Wenn sich auch hier einige Andeutungen finden, die für hohes Al- ter sprechen, so sollte man doch nicht vergessen, daß Indizien für hohes Alter ebenso bei Talstraßen vorliegen können wie etwa entlang von Rems- und Filstal. Häufig wurde ein Wechsel in der Streckenführung durch beson- dere Steilstrecken, die Steigen, vermittelt. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das an der Kniebisstraße, so- bald sie sich hinter Oppenau vom eigentlichen Renchtal abwendet. Gewiß waren viele Höhenwege nur von regionaler Bedeutung, wie zahlreiche Weinstraßen, Ho- he Straßen und Heerwege zeigen. Höchstens bei einigen von ihnen kommt eine hervorgehobene Rolle in prähi- storischer Zeit in Betracht. Diese Straßen sind vielfach gar nicht unter die Geleitstraßen aufgenommen worden. In den ausgesprochenen Verkehrslandschaften der

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Osterburken, Wimpfen–Jagsthausen. Von Pforzheim später immer wieder versuchten Umgehung Ulms ent- aus bleibt die Strecke durch den Hagenschieß auf der spricht. Donnstetten und Urspring waren aber bei z.T. römischen Trasse, die nach Westen weicht jeweils zu- anderer Ausrichtung der Straßen auch im Spätmittelal- gunsten der Dörfer von ihr ab. Auffällig gut erhalten ter und Frühneuzeit die Scheitelpunkte auf der Alb. blieb der Verkehrsknoten Heidelberg. Ähnlich liegen Hervorhebung verdient die Tatsache, daß die gradli- die Verhältnisse bei Cannstatt, auf das auch noch im nigen römischen Verbindungen im Ostteil der Rhein- 16.Jahrhundert topographisch getreu die römischen ebene von Mainz bis Straßburg nur im Bereich des Strecken von Enzweihingen und von Köngen her zu- Heidelberg-Ladenburger Knotens weiter genutzt wur- führten. Die übrigen dort eintreffenden Verkehrswege den, während sich sonst der Verkehr der Hochufer- entsprechen nur in der weiträumigen Führung römi- straße zuwandte. Statt auf der römischen Strecke schen Straßen. Diese weiträumige Übereinstimmung Speyer–Stettfeld–Cannstatt blieb der mittelalterliche gilt fast für das ganze Dekumatland. Wie weit sie in Verkehr bis Vaihingen davon abweichend im Salbach- der allgemeinen Morphologie und frühmittelalterli- tal über Bruchsal und Bretten, die beide wichtige früh- chen Verkehrsbedürfnissen begründet ist und wieweit und hochmittelalterliche Herrschaftszentren darstell- die durch die Römer vorgegebene Prägung nachwirkt, ten. Es sprechen noch einige Gründe dafür, daß der wird sich nicht restlos aufhellen lassen. Sicher aber la- Kontinuitätsbruch zum Straßensystem der römischen gen bedeutende Knotenpunkte bereits in der Römer- Zeit bereits im Frühmittelalter liegt, wie es gerade das zeit fest. Außer den linksrheinischen Römerstädten, Beispiel Ulm zeigt. Bisher gibt es keine befriedigen- die ohnedies eine Fortsetzung ins Frühmittelalter fan- den Nachweise darüber, wieweit die römischen Stra- den, läßt sich das für Heidelberg, Pforzheim, Cann- ßen in frühalemannischer Zeit eine Rolle gespielt ha- statt, Wimpfen, Köngen, Rottenburg, Rottweil und ben. Gewiß haben die Franken, wo sie konnten, wiede- Konstanz belegen. Besonders auffällig ist, daß der be- rum römische Punkte wie Ladenburg, Pforzheim und reits karolingerzeitliche Knotenpunkt Ulm in römi- Cannstatt benutzt. Verfallen war in der Zwischenzeit schen Straßensystemen keine Rolle zu spielen scheint. vieles, die Straßen aber mindestens noch benutzbar. Der römische Verkehr war von der Geislinger Steige Auch außerhalb des Limes dürften die mittelalterli- aus mehr nach Osten zu orientiert, wie es ungefähr der chen Straßen teilweise an frühgeschichtliche Wege an- von Augsburg aus auch schließen, wie sich vor allem aus der organi-

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10,1 MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 schen Weiterführung der Römerstraßen auf den Höhen- netzes bewirkt. Nach Osten führte aus dem alten Heil- rücken nördlich und südlich der Jagst andeutet. bronn kein Tor und keine große Straße. Heidelberg und Ladenburg bildeten schon in römischer Zeit ein Paar von sich ergänzenden Straßenknoten, wobei an- Hochmittelalterliche Städtegründungen fangs die größere Verkehrsbedeutung bei Heidelberg, Sind so die allerdings im Frühmittelalter stark modi- die Stadtfunktion bei Ladenburg lag. Erst im Spät- fizierten Grundlinien des Verkehrs bereits in der Rö- mittelalter hat Heidelberg Ladenburg auch in dieser merzeit vorhanden, so stellt sich zum Schluß noch die Hinsicht in den Schatten gestellt. Allerdings hat sich Frage, wieweit die früh- und hochmittelalterliche Ver- der römische Verkehrsknoten bei Heidelberg im Ver- kehrslandschaft durch das Aufkommen des Städtewe- lauf des 12./13.Jahrhunderts insofern geändert, als mit sens und die immense Steigerung des Warenverkehrs der auf die Burg bezogenen Stadtgründung der Fluß- sowie durch die sich bildenden Territorien verändert übergang weiter in das Tal hineingezogen wurde. Die wurde. Anschlüsse von dort nach Westen suchten aber deut- Es ist eine in der Verkehrsforschung nicht ausdisku- lich wieder die römischen Verkehrsgabeln beiderseits tierte Frage, wieweit das Mittelalter selbst, vor allem des Neckars auf. Der alte Zentralort Cannstatt, der mit seinen Städtegründungen die Verkehrswege umge- schon in der Geschichte des 8.Jahrhunderts hervortritt, formt hat. Gewiß ist es nach dem hier Gesagten über- hat sich erst verhältnismäßig spät zur vollen Stadt ent- trieben, eine allgemeine Veränderung des Straßennetzes wickelt. Er stand im Schatten Stuttgarts, das aber anzunehmen. Die Abkehr von den Höhenwegen, wenn schon von seiner Topographie her nie der Verkehrsbe- sie überhaupt generell diese Bedeutung hatten, fand deutung von Cannstatt Konkurrenz machen konnte. nicht erst mit den Städtegründungen statt. Ein Vergleich Das konnte auch nicht Esslingen, das trotz seiner der Übersicht der südwestdeutschen Hauptverkehrsrou- wichtigen Brückenfunktion keine vergleichbare Ver- ten mit der Karte der mittelalterlichen Städte zeigt, daß teilerrolle inne hatte. die Städte frühen Ursprungs (also vor 1200) mit ganz Eine Veränderung der Akzente im Verkehrswesen wenigen Ausnahmen an den außerordentlich wichtigen am Ende des Mittelalters deutet sich im Verlauf der Routen lagen. Einzig Überlingen, gewiß schon ein Platz Strecke Ulm–Straßburg an. Die Geleitstraßen bevorzu- frühmittelalterlicher Bedeutung, scheint eine Ausnahme gen noch Urach und Tübingen als Stationen, während zu machen. Zumindest aber lag auch es an der Ver- die Itinerare des 16. Jahrhunderts fast nur den Weg kehrsdrehscheibe des Bodensees, wenn auch die güns- über , Derendingen und Rottenburg kennen. tigere Überfahrt nach Konstanz bei Meersburg ansetzte. Der Runde Berg bei Urach als frühalemannisches Viele der frühen Städte zeigen sogar eine ausgespro- Herrschafts- und Wirtschaftszentrum dürfte die frühe chene Knotenlage. Von den Bischofstädten abgesehen, Bedeutung der Ermstalstrecke erhärten. Im Taubertal wären zu nennen Rothenburg, Nördlingen, Ulm, Villin- hat allmählich Mergentheim den alten Verkehrsknoten gen, Rottweil, Tübingen, Pforzheim, Wimpfen, Frei- bei Aub überflügelt. Auch viele der jüngeren mittelal- burg, Offenburg, Ettlingen, Bruchsal, Heidelberg, alles terlichen Städte häufen sich an den großen Verkehrsli- frühe Städte oder wenigstens frühe Märkte. Die Frühge- nien, wobei es auf der Hand liegt, daß die größer wer- schichte eines Teils dieser Städte als Markt deutet da- dende Dichte des Städtenetzes auch eine größere Dich- rauf hin, daß hier zunächst durch Verkehrslage bevor- te der Verkehrswege, wie sie vor allem im Kraichgau zugte Plätze privilegiert und dann zu Städten wurden. und im Bauland aufscheint, nach sich gezogen hat. Nicht die Stadt hat in diesem Fall den Verkehr an sich Teilweise wurden hierdurch Varianten zu den alten gezogen, sondern der Verkehr die Stadt hervorgebracht. Straßen geschaffen. Neben der auf dem Höhenrücken Gewiß läßt sich das nicht als strenge Regel, sondern nur verlaufenden Linie Mosbach–Adelsheim–Mergent- als der im allgemeinen in der Frühphase der Stadtwer- heim hat sich im Spätmittelalter auch die Reisemög- dung vorherrschende Fall ansehen. lichkeit über Adelsheim–Osterburken–Rosenberg– Daß eine frühe Besonderheit in der örtlichen Produk- Boxberg im Tal herausgebildet, die wiederum mehr tion nicht darauf hinwirkte, daß sich dort auch ein be- durch die Itinerare als durch das Geleit bezeugt ist. deutender Verkehrsknoten entwickelte, zeigt der Fall Auch die Städteketten am Unterlauf von Kocher und Schwäbisch Hall mit seiner Salzgewinnung. Die große Jagst könnten solche Wirkung gehabt und der alten Straßengabel blieb weiter nördlich bei Westernach be- Hohen Straße damit Konkurrenz gemacht haben. Je- stehen. Ein Knotenpunkt Hall hat sich erst spät heraus- denfalls verlassen die Straßen beide Täler an den End- gebildet und blieb von sekundärer Bedeutung. Auffal- punkten der Städteketten in Ingelfingen-Künzelsau lend ist auch die Rangstellung des doch reicheren und und bei Widdern. Bisweilen blieben aber Städte auch stärker bevölkerten Heilbronn hinter Wimpfen, die erst abseits der Verkehrswege, besonders da, wo sie ihren mit dem Chausseebau im 18.Jahrhundert überwunden Ursprung Burgen verdankten. So zog der alte Weg wurde. Auch in Heilbronn hat also die Stadtentwick- vom Kinzigtal über Hornberg und den Brogen nach St. lung, zu deren Konjunktur Schiffahrt und Weinbau bei- Georgen in ziemlichem Abstand an dem abseits im Tal trugen, keine prinzipielle Änderung des Landverkehrs- gelegenen Triberg vorbei. Die Schutzlage war für sol- che viel seltenere Städte wichtiger als die Verkehrs- lage. 16

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Ganz frei von Stadtbildung konnte vereinzelt auch terhin in den angestammten großräumigen Koordinaten, ein bedeutender Knoten wie Donaueschingen bleiben. wenn auch hier, infolge der Landesgrenze und der Re- Manche Straßenzüge haben kaum Städte an sich ge- sidenzferne, die Verkehrsbedeutung der Randgebiete, bunden, so die Hohe Straße zwischen Kocher und zumal der Achse Würzburg–Rothenburg–Nördlingen Jagst, aber auch die Rheinuferstraße von Ladenburg stark absank. bis Straßburg. Die landesgeschichtliche Bedeutung Impulse der frühen Neuzeit des Verkehrsnetzes Das Straßennetz des Mittelalters blieb auch in der Neuzeit weitgehend intakt. Die Karte der Postrouten Im ganzen ist die Verkehrsgeschichte in steter (10,2) macht das ungefähr deutlich, wenn auch diese Wechselwirkung mit der politischen und der Wirt- Postkurse das Land längst nicht in der Dichte durchzo- schafts- und Sozialgeschichte zu sehen. Die Erschlie- gen wie die Geleitstraßen. Neue Tendenzen setzten ßung Südwestdeutschlands durch das Frankenreich be- nach französischem Vorbild mit dem Chausseebau ein: diente sich, wie schon z.B. an der Entwicklung der um 1720 Hochstift Speyer, 1733 Baden, 1737 Schwä- Diözesangrenzen deutlich wird, bestimmter Straßen, bischer Kreis, 1738 Hochstift Würzburg, 1752 Würt- wobei die Linien Mainz–Würzburg, Worms–Mos- temberg, 1769 Fränkischer Kreis. bach–Würzburg, Worms–Wimpfen, Speyer–Cannstatt, Diese Chausseen, erstmals ordentlich befestigte, auf Augsburg–Aalen–Lorch und Basel–Konstanz hervor- Dämme gelegte, von Gräben gesäumte und entwässerte ragen. Auch die Streuung im Fernbesitz der großen Straßen, wurden großenteils wieder auf den alten Reichsabteien erklärt sich teilweise aus frühen Stra- Strecken angelegt, allerdings kam längst nicht jede alte ßenverbindungen, so etwa die Güter der Reichenau in Straße dazu, chausseemäßig ausgebaut zu werden. Vor Ulm und im Nagold- und Pfinztal, die von St. Gallen allem die altertümlichen Höhenwege blieben unbe- in Zarten und im Breisgau, die von Lorsch im Breis- rücksichtigt. Im ganzen war dieser Ausbau Sache der gau und im Filstal oder die von Fulda im Ries. Daß die Landesherrschaften, zumal der größeren Territorien, alten Klöster selbst gern an oder nahe wichtiger Stra- und so nimmt es nicht wunder, daß Linien zu den Resi- ßen errichtet wurden, zeigt sich bei Tauberbischofs- denzen besonders früh zum Ausbau gelangten. Die heim, Lorsch, Weißenburg, Mosbach, Wimpfen, Ell- junge Residenz Mannheim kam so zu völlig neuer Be- wangen, , Schwarzach, Hirsau und der deutung für den Landverkehr, dem der Niederungs- Esslinger Vitalis-Zelle. Noch die Zisterzienser, denen bereich der Mündung des Neckars in den Rhein in den die Regel Ferne von menschlichen Aufenthaltsstellen Jahrhunderten zuvor nichts zu bieten hatte. Ludwigs- gebot, haben ihre Klöster meist doch recht verkehrs- burg erhielt unmittelbare Verbindung mit Stuttgart. Die nah gegründet, wie Schönau, Maulbronn, Bronnbach, Weiterführung alter Straßen nach Karlsruhe brachte Schöntal, Bebenhausen, Königsbronn und Tennen- keine neue Züge ins Bild des südwestdeutschen Ver- bach. Salem hatte immerhin Anschluß an den Schiffs- kehrsnetzes. Dagegen konnte jetzt im Rahmen des verkehr durch einen eigenen Zugangsweg nach Mau- Chausseebaus Heilbronn endlich Wimpfen an Ver- rach, und Herrenalb lag zwar etwas abseits, doch im- kehrszentralität überflügeln, nachdem sich solche Ent- merhin an der Verbindung Pforzheim–Baden. Wieweit wicklung bereits in den Postkursen angedeutet hatte. die Straßen Burgen angezogen haben, ist noch nicht Neue, aber nur für das Landschaftsbild, nicht für den ausdiskutiert, gewiß aber ist die Masse der Burgen Warenverkehr wesentliche Chausseen wurden zu den nicht besonders an Verkehrswegen plaziert, das ma- Sommerresidenzen Schwetzingen, Kislau oder auch zu chen schon die beiden Ausschnittkarten über Burgen- Schlössern hoher Beamter wie Dilsberg-Langenzell an- verbreitung (5, 5 und 6) deutlich. Es kann mit weiteren gelegt. Da überdies jetzt auch die Wälder besonders in Beispielen belegt werden. Die Masse der Burgen im der Rheinebene durch planmäßige Schneisen, orientiert Kinzigtal liegt weitab von der Straße in Seitentälern. auf Karlsruhe, die Achse Kislau–Waghäusel sowie auf Eigentliche Verkehrsbedeutung wird man dort nur Or- Schwetzingen, aufgeschlossen wurden und die Umge- tenberg, Hohengeroldseck, Hausach, Hornberg und bung Ludwigsburgs ein Netz von Alleen erhielt, wirkt Schiltach zuschreiben können. Das Renchtal ist aller- der Eingriff des Spätbarocks ins Wegenetz auf der dings nur solange von Burgen gesäumt, wie der Ver- topographischen Karte stärker als er es nach seiner kehrsweg in ihm bleibt; hinter Oppenau findet sich wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung ist. Erst das keine einzige Burg. Das unwegsame Murgtal hat we- 19.Jahrhundert sollte mit seinen Straßen in den Tälern, nige Burgen, darunter den späten Grafensitz Neu- die jetzt die alten Steigungsschwierigkeiten durch Ser- eberstein, aufgenommen. Die großen Straßen im Nord- pentinen überwanden, mehr noch mit den Eisenbahnen osten des Landes berühren nur einige wenige Burgen und das 20.Jahrhundert mit den Autobahnen ganz neue vornehmlich in den Städten an der Tauber, während Wege für den Landverkehr bringen. Auch sie blieben, sich die Burgen über der Bergstraße häufen. Daß sie bedingt durch die morphologischen Strukturen und auch dort nicht in erster Linie verkehrsbezogen sind, durch die Städte, wei- zeigt etwa die Lage von Hohenbaden, das viel zu weit ab vom Durchgangsver- 17

10,1 MEINRAD SCHAAB / GELEITSTRASSEN UM 1550 kehr liegt. Vollends wird die Unabhängigkeit von Bur- und doch dürfte sich auch so schon zeigen, wie sehr gen und Verkehrslinie im Durchbruchstal der Donau das alte Verkehrsnetz Grundlage der Landesgeschich- deutlich, das ohne jede Straßenbedeutung geradezu te ist und wie sehr es sich lohnt, ihm kartographisch Sammelader für den Burgenbau geworden ist. näherzukommen. Städte und Straßen sind bereits in anderem Zusam- menhang besprochen. Ergänzend sei noch der Hinweis angefügt, daß gerade städtelose Straßenstrecken Märkte Quellen und Literatur angezogen haben z.T. ganz ohne Marktsiedlung wie den Quellen Muswiesenmarkt, den Markt bei Neusaß, dem alten Gründungsplatz von Schöntal, und den auf Reiche- GAYL, J.: Ein neuwes nuczliches Raißbüchlein / der fürnemesten Land / vnnd Stett. (1563). nauer Zusammenhänge verweisenden Boleymarkt an MAYER, G.: Wegbüchlein der furnembsten Wege und geschicktesten der Rheinstraße bei Mauren. Aber auch zahlreiche Straßen durch gantz Teutschland zu ... raysen. Augsburg 1625. Marktsiedlungen finden sich an bedeutenden Straßen, RYFF, A.: Reisebüchlein, hrsg. von F.Meyer. In: Basler Zs. für darunter der wichtige Knoten Donaueschingen. Die Geschichte und Altertumskunde 72 (1972) S. 5-135. Rheinuferstraße von Ladenburg bis Straßburg berührte nur ganz wenige Städte und weist daher eine besonders dichte Kette von Marktsiedlungen: Graben, Mühlburg Literatur (später Stadt), Bickesheim, Rastatt, Stollhofen, Rhein- bischofsheim und das ebenfalls später zur Stadt gewor- Verkehrsgeschichte allgemein dene Kehl auf. BAER, F.J.: Chronik über Straßenbau und Straßenverkehr im Groß- Über Straßen und Kriegszüge wäre viel zu sagen. Als herzogtum Baden. 1878. schon frühe Beispiele könnte man die Ungarnzüge, die GASNER, E.: Zum deutschen Straßenwesen von der ältesten Zeit bis Wimpfen verwüsteten und bei Worms den Rhein über- Mitte des 17. Jahrhunderts. 1889, Nachdruck 1966. querten, anführen. Der Aufmarsch zur Schlacht von LÖFFLER, K.: Geschichte des Verkehrs in Baden, insbes. der Nach- Herbsthausen 1645 (vgl. Karte 6, 11 Beiwort S. 16 u. richten- und Personenbeförderung von der Römerzeit bis 1872. 1910. 21) ist über die Kaiserstraße gelaufen. Viele Einbrüche QUETSCH, F.: Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein. 1891. der Franzosen ins Innere Südwestdeutschlands folgten RAUERS, F.: Zur Geschichte der alten Handelsstraßen in Deutschland. den Straßen durch den Kraichgau sowie der Kinzigtal- In: Petermanns geogr. Mitteilungen 52 (1906) S.49-59. straße. Andererseits waren aber auch viele militärische SCHNYDER, W.: Handel und Verkehr über die Bündner Pässe im Mit- Operationen so über die Fläche verbreitet, daß man sie telalter, 1-2. Zürich 1973/74. schwerlich an eine einzige Straße gebunden sehen kann. SCHULTE, A.: Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs Als letzter Aspekt soll auch noch der Zusammenhang zwischen Westdeutschland und Italien unter Ausschluß von Ve- Territorium und Straße angedeutet werden. Der Cann- nedig. Hg. Bad, Historischen Kommission, 1-2. 1900, Nachdruck statter Verkehrsknoten hatte gewiß Bedeutung für die 1966. von dort nach allen Seiten ausstrahlende Vergrößerung Methodisches zur Straßenforschung von Württemberg. Bekanntes Beispiel ist die Umorien- tierung der Markgrafschaft Baden von einer Ost-West- DENECKE, D.: Methodische Überlegungen zur historisch-geogra- achse, die nur z.T. auf großen Straßen basierte, zur ein- phischen Wegeforschung im Raum zwischen Solling und Harz. deutig an die Gebirgsrandstraße gebundene Nord-Süd- (Göttinger Geographische Abhandlungen 54) 1969. achse. Die Kurpfalz-Expansion nach Südosten hin zeig- —: Methoden und Ergebnisse der historisch-geographischen und achä- ologischen Untersuchung und Rekonstruktion mittelalterlicher te deutliches Interesse an den über Mosbach und Wim- Verkehrswege. In: Vorträge und Forschungen 22: Geschichtswis- pfen führenden Straßen zur Tauber, ins Jagsttal und an senschaft und Archäologie, Untersuchungen zur Siedlungs-, Wirt- den Kocher. Auch die vorübergehende Erpfändung von schafts- und Kirchengesch. S.433-483. (1979). Teilen von Aub ist in diesem Zusammenhang zu sehen. GÖRICH, W.: Hessische Altstraßen um 1600. Zum Stand der Forschung Das Würzburger Hochstift wie die Markgrafschaft nach Herbert Krügers Abhandlung: Hess. Altstraßen des 16. und Brandenburg-Ansbach sicherten sich wichtige Knoten- 17.Jh. In: Hess. Jahrb. f. Landesgesch. 14 (1964) S. 328-344. punkte in Franken. Da aber zentrale Plätze früh vom SCHÄFER, H.P.: Überlegungen zur Altstraßenforschung. In: Mittei- König besetzt waren und nachher zur Reichsstadt wur- lungen des oberhessischen Geschichtsvereins 62. (1977) S. 63-97. den, blieben den Landesfürsten vielfach nur die Orte Itinerarforschung zweiter Wahl wie Kitzingen, Ochsenfurt, Aub, Uffen- heim, Crailsheim. Reichsstädtische, an Straßen gebun- KRÜGER, H.: Hessische Altstraßen des 16. und 17.Jahrhunderts. dene Territorialpolitik konnte allein Ulm treiben. Bei (Hessische Forschungen zur Geschichte, Landes- und Volkskunde H. 5) 1963. den übrigen Städten, selbst bei Straßburg, erschöpfte —: Oberdeutsche Meilenscheiben des 16. und 17.Jahrhunderts als stra- sich das in vorübergehenden Pfandnahmen. ßengeschichtliche Quellen I-IV. In: Jahrbuch für fränkische Landes- All diese Aspekte sind hier nur angerissen und forschung 23 (1963) S. 171-195; 24 (1964) S. 167-206; 25 (1965) keineswegs erschöpfend behandelt. Vieles wie die S. 325-379; 26 (1966) S. 239-306. Wirtschaft, aber auch die kulturellen Beziehungen blieb ausgeklammert,

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—: Die Straßburger Itinerarsammlung Sebastian Brants aus SCHÄFER, A: Die Wege zur Frankfurter Messe durch den dem ersten Viertel des 16.Jahrhunderts. In: Archiv für deut- Kraichgau im Spannungsfeld der Verkehrspolitik der süd- sche Postgeschichte 1966, Heft 2, S.2-31. westdeutschen Territorien Kurpfalz, Hochstift Speyer, Ba- —: Das älteste deutsche Routenhandbuch: Jörg Gails »Raiß- den und Württemberg. In: FS f. Erich MASCHKE. (1975) büchlein«. Graz 1974. S.57-76 (Veröff. d. Komm. f. gesch. Landeskunde in B.-W. MAYER, Th.: Das deutsche Königtum und sein Wirkungs- B 85). bereich. Mittelalterliche Studien. Gesammelte Aufsätze. — : Die Höllentalstraße. Ihre Erschließung und ihre Bedeutung 1959, S. 28-144. Auch in: Schweizerische Zeitschrift für Ge- für den Handelsverkehr vom Mittelalter bis ins 19.Jahr- schichte 2 (1952) S. 473-524. hundert. In: FS für Clemens BAUER (1974) S. 111-151. RIECKENBERG, H.J.: Königstraße und Königsgut in Liudolfin- SCHÄFER, H.P.: Die Entwicklung des Straßennetzes im Raum gischer und Frühsalischer Zeit (919-1056). In: Archiv für Schweinfurt bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts. Mainfrän- Urkundenforschung 17 (1942) S.32-154. kische Studien 13, 1976; zugl. auch Würzburger geogr. Stu- dien 44. Straßen und einzelne Verkehrswege WELLER, K.: Die Reichsstraßen des Mittelalters im heutigen Württemberg. In: Württ. Vierteljahreshefte f. Landesge- ENDRES, R.: Ein Verzeichnis der Geleitstraßen der Burggrafen schichte NF 33 (1927) S. 1-43. von Nürnberg. In: Jb. f. fränk. Landesforschung 23 (1963) S. —: Die Hauptverkehrsstraßen zwischen dem westlichen und 107-138. südöstlichen Europa bis zum Hochmittelalter. In: Württem- ERLBECK, G.: Die alte »Schweizer Straße« im Schönbuch. In: bergische Vergangenheit, FS f. Peter GÖSSLER 1932, S. 89- Zeitschrift für Württ. Landesgeschichte 29 (1970) S. 128- 129. 148. FENDLER, R.: Geleitstraßen und Postlinien bis zur franz. Re- volution. In: Pfalzatlas, hrsg. v. W.Alter, 1963-80, Karte Nr.86, 1969 und Textband (Heft 19), S. 703-732, 1972 und Geleitswesen weitere Literatur für die Pfalz FIESEL, L.: Zur Entstehungsgeschichte des Zollgeleits. In: Vier- KURT, A.: Zur Geschichte von Straßen und Verkehr im Land teljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 15 zwischen Rhein und Main. Phil. Diss. Frankfurt 1956. (1920) S. 466-506. MATZAT, W.: Königsleute und Altstraßen im Hinteren Oden- —: Woher stammt das Zollgeleit? Ebda. 14 (1926) S. 385-412. wald und Bauland. In: Beiträge zur Erforschung des Oden- —: Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht. In: Zeit- walds und seiner Randlandschaften II. FS für Hans WEBER schrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. 1977, S. 309-324. Abt.41 (1920) S.l-40. MÜLLER, J.: Geleitswesen und Güterverkehr zwischen Nürn- SCHAAB, M.: Geleit und Territorium in Südwestdeutschland. In: berg und Frankfurt im 15.Jahrhundert. In: Vierteljahrschrift Zeitschr. f. württ. Landesgesch. 40 (1980) S.398-417. für Sozial-und Wirtschaftsgeschichte 5 (1907) S. 173-196. WIEDERKEHR, G.R.: Das freie Geleit und seine Erscheinungs- —: Der Umfang und die Hauptrouten des Nürnberger Handels- formen in der Eidgenossenschaft des Spätmittelalters. Ein gebiets im Mittelalter. Ebda. 6 (1908) S. 1-38. Beitrag zu Theorie und Geschichte eines Rechtsbegriffs. Zü- SCHAAB, M.: Straßen und Geleitswesen zwischen Rhein, Nek- rich 1976. Jur. Diss. kar und Schwarzwald im Mittelalter und früherer Neuzeit. WILHELM, R.: Die Handhabung des Zollgeleits in der Graf- In: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden- schaft und im Herzogtum Württemberg von den Anfängen Württemberg IV (1959) S. 54-75. bis zum 30jährigen Krieg. – o.O. 1957. XII, 164 S. (Masch. sehr, autogr.), Tübingen. Rechtswiss. Diss.

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Historischer Atlas von Baden-Württemberg: Erläuterungen Herausgegeben von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Zeichnung der Abbildungen: Ludwig Schwarzenbek, Stuttgart 9. Lieferung 1982 Druck der Erläuterungen: Offizin Chr. Scheufele, Stuttgart