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STAATSMINISTERIUM PRESSESTELLE DER LANDESREGIERUNG

Baden-Württemberg Geschichte(n)

Ein kleiner Sprung über die Grenze

Wie viele Tuttlinger wanderte ich als Kind mit meinen Eltern oft auf den nahe gelegenen Witthoh, den Berg, mit dem die Schwäbische Alb im Südwesten endet. Zunächst ging es durch den Wald rund einhundert Meter bergauf. Auf einer Höhe, auf der nur noch vereinzelt Bäume wuchsen, wurde der Weg von einer Reihe kniehoher, viereckiger Steine gesäumt. Oben hatten sie eine Kerbe. Auf einer Seite waren drei Hirschgeweihe und die Buchstaben K.W. zu sehen – und auf der anderen die Inschrift G.B und ein Wappen mit einem schrägen Balken.

„Blick hinab in den Hegau, hinüber zum Überlinger See“

Diese Steine würden die alte Grenze zwischen dem Königreich Württemberg und dem Groß- herzogtum Baden markieren, erzählte mir mein Vater. Dass man eine Grenze überschreiten konnte, ohne dass ein Zöllner kontrollierte, fand ich spannend. Ich sprang hin und her und rief: „Ich bin in Baden!“ und „ich bin in Württemberg!“. Und wenn meine Eltern nicht schauten, ließ ich auch schon mal einen Strahl in die eine oder andere Richtung fließen.

Auf dem Witthoh angekommen, schauten wir hinab in den Hegau und hinüber zum Überlinger See. Die Hegauberge seien mal Vulkane gewesen, erläuterte mein Vater. Der größte von ihnen, der Hohentwiel, gehöre zu – also zu Württemberg und nicht zu Baden.

Meine Mutter und ich blickten sehnsüchtig zum Bodensee. Als Hamburgerin liebte sie das Wasser. Und sie bekniete immer wieder meinen Vater, der das Finanzamt Tuttlingen leitete, sich um eine Stelle in Überlingen oder in zu bewerben. Doch diese Finanzämter gehörten zur Oberfinanzdirektion . Und nach Baden wollte mein Vater, der Spross einer altwürttembergischen Beamtenfamilie, auf gar keinen Fall! An seine Gründe – wenn er

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denn überhaupt welche nannte – kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Später wechselte er nach , um zum Regierungsdirektor aufzusteigen.

„Baden-Württemberg und ich – Jahrgangsgleiche halten zusammen!“

Doch im Rahmen der Verwaltungsreform wurde das dortige Finanzamt der Oberfinanzdirekti- on Freiburg zugeschlagen. Und siehe da: Bald schwärmte mein Vater von den Dienstbespre- chungen mit den südbadischen Kollegen. Die seien viel lockerer als die Schwaben! So wurde er auf seine alten Tage noch zum Baden-Württemberger. Ich bin es immer gewesen, auch weil ich, wie das Land, am 25. April 1952 das Licht der Welt erblickt habe. Jahrgangsgleiche halten schließlich zusammen.