Einsichten Und Perspektiven
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Bayerische Landeszentrale 2 | 11 für politische Bildungsarbeit Einsichten und Perspektiven Bayerische Zeitschrift für Politik und Geschichte Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden / Die alte Bundesrepublik und die zweite Berlin-Krise / Das Jüdische Kultur- museum Augsburg-Schwaben / Zur Reise von Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle nach Auschwitz, Krakau, Oppeln und Breslau / Demjanjuk-Prozess Einsichten und Perspektiven Autoren dieses HeftesImpressum Werner Karg ist stellvertretender Direktor der Bayerischen Landeszentrale für Einsichten politische Bildungsarbeit. und Perspektiven PD Dr. Friedrich Kießling ist Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Neuere Geschichte II der Universität Erlangen-Nürnberg. Verantwortlich: Dr. Peter März ist Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Werner Karg, Dr. Benigna Schönhagen ist Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben. Praterinsel 2, Dr. Rainer Volk ist Historiker und Redakteur für Politik und Zeitgeschichte beim 80538 München Bayerischen Rundfunk. Redaktion: Monika Franz, Dr. Christof Hangkofer, Veranstaltungshinweis Christoph Huber, Werner Karg 6.–8. September 2011 Redaktionsassistenz: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in Kooperation mit David Wagner, der Karl Graf Spreti Stiftung Hester Weigand Veranstaltungsort: Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund in Berlin, 10117 Berlin, Gestaltung: Behrenstraße 21/22 griesbeckdesign www.griesbeckdesign.de Symposion „Bayern in der deutschen und in der europäischen Geschichte“ Druck: creo Druck & Die Geschichte Bayerns ist von vielen Ambivalenzen geprägt: Welche Rolle spielte Bayern zwischen Medienservice GmbH, den europäischen Großmächten Preußen und Österreich? Wie konnte Bayern nach der Reichsgrün- Gutenbergstraße 1, dung 1871 seine Sonderstellung bewahren? Wodurch zeichnet sich der Einfluss Bayerns auf die 96050 Bamberg Geschichte der alten und der neuen Bundesrepublik aus? Und wie positioniert sich Bayern in der europäischen Gemeinschaft? Zu diesen und anderen Themen werden folgende Gäste Vorträge Titelbild: halten: Der amerikanische Präsident John F. Kennedy wird wäh- Prof. Dr. Reinhold Baumstark, Edeltraud Böhm-Amtmann, Prof. Dr. Mark Häberlein, rend seines Staatsbesuches Dr. Gerhard Immler, Prof. Dr. Hans-Michael Körner, Prof. Dr. Bernhard Löffler, zusammen mit Willy Brandt, Dr. Bernd Pischetsrieder, Prof. Dr. Roland Sturm, Dr. Katharina Weigand, Bundeskanzler Konrad Prof. Dr. Dieter J. Weiß, Prof. Dr. Andreas Wirsching Adenauer und dem Journalis- ten Robert Lochner in einem Genauere Informationen zum Programm und zur Anmeldung offenen Cabriolet durch Ber- erhalten Sie unter: lin gefahren; 26. Juni 1963. Bild: ullstein bild – Thomas & Thomas www.politische-bildung-bayern.de Die Landeszentrale konnte die Urhe- berrechte nicht bei allen Bildern dieser Ausgabe ermitteln. Sie ist aber bereit, glaubhaft gemachte Ansprüche nach- träglich zu honorieren. 74 Einsichten und Perspektiven 2 | 11 Einsichten und Perspektiven Inhalt Friedrich Kießling 76 Die vielen intellektuellen Gründungen der alten Bundesrepublik Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden Peter März 92 Vor 50 Jahren Die alte Bundesrepublik und die zweite Berlin-Krise Benigna Schönhagen 112 Das Jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben Werner Karg 130 To deszone, altes Europa, gemeinsames Haus Zur Reise von Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle nach Auschwitz, Krakau, Oppeln und Breslau Rainer Volk 134 Der letzte Prozess seiner Art? Eine Bilanz des Demjanjuk-Verfahrens in München 148 Geänderte Schutzgebü?hren fü?r Publikationen 149 Neue Publikation der Landeszentrale 50 Jahre Berliner Mauer und dieTe ilung Deutschlands 150 Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa in München Einsichten und Perspektiven 2 | 11 75 Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden Die vielen intellektuellen Gründungen der alten Bundesrepublik Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden Von Friedrich Kießling Schriftzug am Gerüst beim Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes, 1961 Bild: ullstein bild 76 Einsichten und Perspektiven 2 | 11 Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden Über das genaue Ausmaß lässt sich streiten, dass aber das Land, von dem wir uns an- gewöhnt haben, es die „alte Bundesrepublik“ zu nennen, grundsätzlich ein erfolgrei- cher Staat war, daran kann es kaum einen Zweifel geben. Dies gilt ökonomisch, sozial, hinsichtlich des Wohlstands der Bürger. Es gilt aber auch politisch. Nach außen gelang die Integration in die westliche Staatengemeinschaft. Nach innen entwickelte sich die Bonner Republik zu einer stabilen Demokratie, in der sich immer mehr Menschen mit dem neuen politischen System auch tatsächlich identifizierten. Bei der Gründung 1949 waren diese Entwicklungen so nicht absehbar. Zu groß schienen die materiellen und ideellen Verheerun- gen, die Krieg und Nationalsozialismus hinterlassen hatten. Die Städte waren längst nicht wieder aufgebaut. Wohnraum blieb knapp. Die Wirtschaft kam auch nach der Währungs- reform nur schleppend in Gang. Von einem ökonomischen „Wunder“ konnte in den ersten Jahren des neuen Staates noch keine Rede sein. Ob die Bürger das neue System akzeptieren würden, blieb zunächst ebenso unklar. Frühe Umfragen verrieten eine erhebliche Distanz zur neuen poli- tischen Ordnung. Die Stabilisierung setzte Mitte der fünfziger Jahre ein, sie lässt sich ganz grob auf drei Dimensionen bringen. Zum einen war da die ökonomische Prosperität. Seit 1951 wies die Wachstumskurve der Wirtschaft dann doch steil und, wie sich zeigen sollte, stetig nach oben. Damit begann auch die anfangs noch hohe Arbeitslosigkeit zu sinken. Seit Ende der fünfziger Jahre kam der Aufschwung dann bei der breiten Bevölkerung an. Die Wohlstands- und Konsum- gesellschaft, die bis dahin für die meisten vor allem ein Ver- sprechen gewesen war, fing an, Wirklichkeit zu werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die politischen Institutionen, das ist die zweite Dimension, ihre ersten Bewährungs- proben bestanden. Die Tatsache, dass die beiden ersten Legislaturperioden voll ausgeschöpft wurden und dass sich die Parteienlandschaft von Wahl zu Wahl konsolidierte (was natürlich auch an der Fünf-Prozent-Klausel lag), signalisier- Ludwig Erhard, Vater der Sozialen Marktwirtschaft, mit einer te eine Stabilität, wie man sie aus Weimar nicht kannte. übergroßen D-Mark-Münze, ein Symbol für das deutsche Regierung, Parlament oder Verwaltung, ja selbst das zu „Wirtschaftswunder“, 1968 Beginn ziemlich misstrauisch beäugte Parteiensystem funk- Bild: ullstein bild tionierten offenbar. Einsichten und Perspektiven 2 | 11 77 Wie westdeutsche Intellektuelle zu ihrem Staat fanden Konstituierende Sitzung des Ersten Deutschen Bundestages in Bonn am 7. September 1949, Eröffnungsrede von Alterspräsident Löbe Bild: ullstein bild Im Vergleich zu wirtschaftlichen Daten oder auch zu poli- Die Bonner Republik, so lässt sich sagen, kannte viele tischen Institutionen, die sich zumindest bei der entspre- und ganz unterschiedliche „intellektuelle Gründun- chenden historischen Konstellation recht schnell ändern gen“. lassen, wandeln sich ideell-kulturelle Prägungen nur lang- sam. Vermutlich liegt es daran, dass es diese dritte Dimen- Bei der folgenden Vorstellung solcher Wege in die alte sion war, die den längsten Zeitraum in Anspruch nahm: Bundesrepublik gehe ich mit Liberalismus, Konservatismus sowie sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Positio- Erst für die siebziger Jahre sprechen Historiker von nen entlang der drei großen politisch-weltanschaulichen einer „Selbstanerkennung“ der alten Bundesrepublik Lager der Moderne vor. Ich beginne mit der Richtung, deren und meinen damit die ideell-kulturelle Ankunft der Ankunft in den Anfangsjahren der Bundesrepublik wohl Westdeutschen in der bundesdeutschen Version von mit am unwahrscheinlichsten anmutete, mit „linken“ bzw. Demokratie und Pluralismus.1 Diese vergleichsweise neo-marxistischen Positionen. lange Annäherung an die neue Ordnung lässt sich so- Die Wirkung von Publizisten, Schriftstellern oder wohl mentalitäts- wie ideengeschichtlich zeigen, und sie Wissenschaftlern darf nicht überschätzt werden. Ihre Vor- gilt damit auch für viele Intellektuelle. Gerade bei ihnen stellungen setzen sich nicht direkt in die Mentalitäten der war die Bundesrepublik 1949 auf erhebliche Vorbehalte Gesamtbevölkerung oder die Entscheidungen von Politi- gestoßen. kern um. Als Stichwortgeber und wichtige Kommunika- toren von Ideen gehören sie dennoch zu denjenigen, die die Das Bemerkenswerte an der dann folgenden Entwicklung öffentliche Selbstverständigung einer Gesellschaft mitprä- ist aber nicht der lange Zeitraum, den es zur Selbstanerken- gen. Die hohe ideengeschichtliche Integrationskraft, die nung bedurfte. Ein solcher ist, wie gesagt, im Bereich von sich in den vielen intellektuellen Gründungen zeigt, gehört Kultur und Ideen zu erwarten. Bemerkenswert ist vielmehr, so zu den Faktoren, die die Attraktivität und damit den wie vielen Intellektuellen die Ankunft in der bundesdeut- Erfolg erklären können, den der Bonner Staat im Laufe sei- schen Demokratie am Ende doch gelang. Diese Intellektuel- ner Geschichte entwickelte. Das Vorgehen entlang von drei len, und das ist vielleicht noch wichtiger, entstammten zum Lagern ist dabei natürlich eine vereinfachende Hilfskon- Teil völlig unterschiedlichen ideengeschichtlichen und poli- struktion. Sie kann dennoch den Grundbefund unterstüt- tischen Lagern und gehörten zudem verschiedenen Genera- zen, auf den es hier ankommen soll: Intellektuelle Wege in tionen