Vierteljahrshefte Für Zeitgeschichte Jahrgang 50(2002) Heft 1

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Vierteljahrshefte Für Zeitgeschichte Jahrgang 50(2002) Heft 1 VIERTELJAHRSHEFTE FÜR Zeitgeschichte Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München herausgegeben von KARL DIETRICH BRACHER HANS-PETER SCHWARZ HORST MÖLLER in Verbindung mit Rudolf v. Albertini, Dietrich Geyer, Hans Mommsen, Arnulf Baring und Gerhard A. Ritter Redaktion: Manfred Kittel, Udo Wengst, Jürgen Zarusky Chefredakteur: Hans Woller Stellvertreter: Christian Hartmann Assistenz: Renate Bihl Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstr. 46b, 80636 München, Tel. 1268 80, Fax 1231727, E-mail: [email protected] 50. Jahrgang Heft 1 Januar 2002 INHALTSVERZEICHNIS AUFSÄTZE Andreas Wirsching Jüdische Friedhöfe in Deutschland 1933-1957 Jan Erik Schulte Vom Arbeits- zum Vernichtungslager. Die Entstehungsgeschichte von Auschwitz-Birkenau 1941/42 41 Christoph Nonn Das Godesberger Programm und die Krise des Ruhrbergbaus. Zum Wandel der deutschen Sozialdemokratie von Ollenhauer zu Brandt . 71 DISKUSSION Andreas Toppe Besatzungspolitik ohne Völkerrecht? Anmerkungen zum Aufsatz „Rechtspolitik im Reichskommissariat" von Geraldien von Frijtag Drabbe Künzel 99 II Inhaltsverzeichnis DOKUMENTATION Wolfgang Dierker „Ich will keine Nullen, sondern Bullen". Hitlers Koalitionsverhandlungen mit der Bayerischen Volkspartei im März 1933 111 NOTIZ „Die DDR vor dem Mauerbau: Politik und Gesellschaft". Ein Kolloquium des Instituts für Zeitgeschichte München, Außenstelle Berlin, vom 24. bis zum 26. Oktober 2001 (Henrik Bispinck) 149 ABSTRACTS 157 MITARBEITER DIESES HEFTES 159 Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte im Internet: http://www.vierteljahrshefte.de Redaktion: http://www.ifz-muenchen.de GESCHÄFTLICHE MITTEILUNGEN © 2002 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Die Lieferung geschieht auf Kosten und Gefahr des Empfängers. Kostenlose Nachlieferung in Ver­ lust geratener Sendungen erfolgt nicht. Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht spätestens zwei Monate vor Ablauf des Kalenderjahres gekündigt wird. Werbeanzeigen und Werbebeilagen besorgt der Verlag. Verantwortlich: Ulrike Staudinger. Hinweis gemäß §26 Absatz 1, Bundesdatenschutzgesetz: Die Bezieher der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" sind in einer Adreßdatei gespeichert, die mit Hilfe der automatisierten Datenverar­ beitung geführt wird. Gemäß unserer Verpflichtung nach §8 Abs. 3 PresseG i.V. m. Art. 2 Abs. 1c DVO zum BayPresseG geben wir die Inhaber und Beteiligungsverhältnisse wie folgt an: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, Rosenheimer Str. 145, 81671 München. Alleiniger Gesell­ schafter des Verlages ist die R. Oldenbourg Verlag GmbH unter der gleichen Anschrift. Alleiniger Gesellschafter der R. Oldenbourg Verlag GmbH ist die R. Oldenbourg GmbH & Co. KG, ebenfalls unter der gleichen Anschrift. 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Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Fotokopien für den per­ sönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Ein­ zelkopien hergestellt werden. Jede darüber hinausgehende Vervielfältigung bedarf der Genehmigung des Verlages und verpflichtet zur Gebührenzahlung. Satz und Druck: Sellier Druck GmbH, Angerstraße 54, 85354 Freising Ein Teil dieser Auflage enthält folgende Beilage: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München: Schriftenreihe der Vierteljahrshefte (IfZ) ANDREAS WIRSCHING JÜDISCHE FRIEDHÖFE IN DEUTSCHLAND 1933-1957 I. Nur wenige Zeugnisse jüdischer Kultur in Deutschland haben das NS-Regime über­ lebt; die meisten von ihnen sind der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Ver­ nichtungswut zum Opfer gefallen1. Eine Ausnahme bilden die jüdischen Friedhöfe, die in ihrer Mehrzahl NS-Regime und Krieg überdauerten. Zwar waren sie meist stark beschädigt und verwahrlost2, in der Regel aber nicht völlig zerstört, so daß nach dem Krieg Instandsetzungs- und Konservierungsmaßnahmen ergriffen werden konnten. 1952 zählte die Kommission für Friedhofangelegenheiten des Zentralrats der Juden in Deutschland ca. 1700 jüdische Friedhöfe, die auf dem damaligen Terri­ torium der Bundesrepublik fortbestanden3. Tatsächlich bilden die jüdischen Fried- 1 Als Beispiel einer Inventarisierung des nach 1945 verbliebenen jüdischen Kulturguts siehe das Memorandum des Oberbürgermeisters von Trier, wo die älteste jüdische Gemeinde in Deutsch­ land beheimatet gewesen war: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland Heidelberg (künftig: ZAH), B. 1/7, Nr. 123, Bericht über den gegenwärtigen Umfang, den Zustand und die geschichtliche Lage der jüdischen Altertümer in Worms, Abschrift o. D. [1954]. Zu den Aktivitäten jüdischer Organisationen, nach 1945 jüdisches Kulturgut in Mit­ teleuropa aufzuspüren, zu sichten und wenn möglich in jüdisches Eigentum zurückzuführen, vgl. Edith Raim, Wem gehört das Erbe der Toten? Die Jewish Cultural Reconstruction, in: Heiner Lichtenstein/Otto R. Romberg (Hrsg.), Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart, Bonn 1995, S. 192-197. Für Unterstützung bei der Materialerhebung danke ich Frau cand. phil. Doris Seehuber. 2 Max Plaut, vormals Syndikus der deutsch-israelischen Gemeinde in Hamburg und Leiter der Bezirksstelle Nordwestdeutschland der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, resümierte 1954 das Schicksal der jüdischen Friedhöfe während der NS-Zeit folgendermaßen: „Die Folge der staatlichen Eingriffe war die allenthalben beobachtete fortschreitende Verwahrlosung der Friedhöfe. War es den jüdischen Gemeinden nur im bescheidenen Umfang möglich, durch freiwil­ lige Helfer die Friedhöfe [...] notdürftig in Ordnung zu halten, so fiel auch dies bald fort. Das Verbot für Juden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, machte auch der freiwilligen Friedhofs­ pflege in den meisten Fällen ein Ende. Gitter und Zäune wurden für den Westwall von der Gestapo beschlagnahmt, auch Metallbuchstaben und religiöse Embleme von den Grabsteinen ent­ fernt (als kriegswichtiges Material)." In: Bundesarchiv Koblenz (künftig: BAK), Bestand Bundes­ ministerium des Innern B 106/196, Bl. 58-62, Die jüdischen Friedhöfe in Deutschland. Memoran­ dum zur Frage der Instandsetzung und Instandhaltung der jüdischen Friedhöfe in der Bundesre­ publik, 22.2. 1954, hier Bl. 61. 3 BAK, B 106/1024, Zentralrat der Juden in Deutschland. Kommission für Friedhofsangelegenhei­ ten: Die jüdischen Friedhöfe im Bundesgebiet (nach Zonen und Ländern), zusammengestellt VfZ 50 (2002) ® Oldenbourg 2002 2 Andreas Wirsching höfe heute den ältesten und geschlossensten Bestand jüdischer Kulturdenkmäler auf deutschem Boden. Und mehr als ein halbes Jahrhundert nach der nationalsozialisti­ schen Barbarei legen sie ein ebenso stilles wie eindringliches Zeugnis ab von der viel­ hundertjährigen jüdischen Geschichte und jüdischen Verwurzelung in Deutschland. Für die jüdische Tradition und religiöse Auffassung ist der Friedhof - als „Haus des Lebens" - insofern von besonderer Bedeutung, als er mit einem theologisch begründeten Anspruch auf dauerhafte Unversehrtheit versehen wird. Dieser Anspruch gründet in der Vorstellung, die Begräbnisstätte sei ein gleichsam transito- rischer Ort auf dem Weg zur Auferstehung. Auch wenn es im Judentum unter­ schiedliche Auffassungen gibt über die Bindung der Seele an den menschlichen Kör­ per nach dem Tode, so besteht doch in der Grundfrage Einigkeit, wie die Totenruhe einzurichten sei: „Folgerichtig fordert die jüdische Anschauung, aus ihrer grundsätz­ lichen Achtung vor dem Leben heraus, die ungestörte Ruhe der Toten. Geradlinig hat diese Auffassung durch alle Geschlechter hindurch, von Abraham an bis in unsere Tage hinein Geltung behalten. Nichts ist den Juden in ihrer wechselreichen Geschichte so schwer geworden, als wenn sie, durch äußeren Zwang genötigt, ihre Totenäcker preisgeben mußten."4 Warum aber gab es nach 1945 überhaupt noch so viele jüdische Friedhöfe in Deutschland? Warum waren sie nicht geschlossen und enteignet, entwidmet und auf­ gelassen worden, wie man es angesichts der antijüdischen „Maßnahmen" des NS- Regimes eigentlich hätte erwarten können? Keineswegs mangelte es während des Regimes an Stimmen, die eben dies für geboten hielten, sich über den Fortbestand des örtlichen jüdischen Friedhofes empörten und forderten, er müsse „als Schand­ mahl [sic!] der Kultur unbedingt beseitigt werden"5. Aber der Schließung und Auf­ lassung der jüdischen Friedhöfe in Form einer einfachen „Maßnahme" stand gelten­ des Verwaltungsrecht entgegen. Bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war die Behandlung der jüdischen Fried­ höfe durch die politischen Gemeinden in Verwaltungsrichtlinien geregelt, die aus der Zeit vor 1933 stammten und daher zum „normenstaatlichen" Kontinuum des NS- Anfang 1952. Vgl. auch die in Einzelheiten
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