Parteien in NRW
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Stefan Marschall (Hg.) Parteien in NRW Stefan Marschall (Hg.) Parteien in NRW Liebe Leserin! Lieber Leser! Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen fördert die politisch bildende Literatur, indem sie entsprechende Buchprojekte konzeptionell und redaktionell begleitet sowie finanziell unterstützt. Auch dieses Buch ist mit maßgeblicher Beteiligung der Landeszentrale entstanden. Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen 1. Auflage Juni 2013 Satz und Gestaltung: Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen (www.k-mw.de) Umschlaggestaltung: Volker Pecher, Essen ISBN ePDF 978-3-8375-1116-1 ISBN Print 978-3-8375-0771-3 Alle Rechte vorbehalten © Klartext Verlag, Essen 2013 www.klartext-verlag.de Inhalt Parteien in Nordrhein-Westfalen – Einleitung . 7 Stefan Marschall I. Querschnittsperspektiven Historische Dimensionen des Parteiensystems in Nordrhein-Westfalen . 17 Christoph Nonn Das NRW-Parteiensystem im Wandel – Ein schleichender Prozess? . 37 Christoph Strünck Parteienrechtliche Rahmenbedingungen in NRW – Von den Freiheiten der Landesverbände . 57 Heike Merten Die Parteiorganisationen in Nordrhein-Westfalen . 71 Marcel Lewandowsky Parteien und Verbände in Nordrhein-Westfalen . 91 Jürgen Mittag Parteien und Medien in Nordrhein-Westfalen – Das Beziehungsgeflecht von Politik und Medien aus journalistischer und parteipolitischer Sicht . 107 Melanie Diermann Parteien und Internet in Nordrhein-Westfalen . 127 Christoph Bieber Direkte Demokratie und Parteien in Nordrhein-Westfalen – Ein Nullsummenspiel? . 145 Andreas Kost NRW-Parteien auf Bundesebene . 165 Karl-Rudolf Korte Parteien auf der kommunalen Ebene in Nordrhein-Westfalen . 185 Uwe Andersen Europäisierung der Parteien in Nordrhein-Westfalen . 203 Andreas Blätte und Karina Hohl II. Parteienprofile Die SPD in Nordrhein-Westfalen – Aus der Diaspora zur temporären Hegemonialmacht . 221 Sebastian Bukow Die CDU in Nordrhein-Westfalen – Zwischen elektoraler Dominanz und landespolitischer Marginalisierung . 239 Martin Florack Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen – Der lange Marsch in die Mitte . 257 Niko Switek Die FDP in Nordrhein-Westfalen – Multikoalitionsfähige Partei des programmatischen Wandels . 275 Jan Treibel Die Piraten in Nordrhein-Westfalen – Newcomer an Rhein und Ruhr zwischen Transparenz und Protest . 293 Marcel Solar Die Linke in Nordrhein-Westfalen – Zu links, um erfolgreich zu sein? . 311 Tim Spier NRW-Landtagsparteien der ersten Stunde – Die KPD/DKP . 329 Till Kössler NRW-Landtagsparteien der ersten Stunde – Die Deutsche Zentrums-Partei . 345 Ute Schmidt Kleinstparteien in Nordrhein-Westfalen – Die »Sonstigen« . 363 Katharina Hanel und Nadja Wilker Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Nordrhein-Westfalen 377 Lazaros Miliopoulos III. Dokumentation – Anhang A. Wahlergebnisse . 394 B. Kabinette/Koalitionen in NRW seit 1947 . 400 C. Parteimitglieder in NRW seit 1990 . 404 D. Auswahlliteratur . 409 E. Parteien- und Personenverzeichnis . 413 F. Verzeichnis der Autoren/-innen . 417 Stefan Marschall links: Stefan Marschall rechts: Parteien in Nordrhein-Westfalen Parteien in Nordrhein-Westfalen Einleitung Moderne Demokratien sind Parteiendemokratien. Parteien haben sich zu den zentralen politischen Organisationen entwickelt und sind auf allen Ebenen der Politikgestaltung zu finden: auf der nationalen, ebenso auf der kommunalen Ebene und in der Europäischen Union. Sie sind auch – und das ist das Thema dieses Buches – von der Landesebene nicht mehr wegzudenken. Parteien übernehmen Aufgaben, die für die Demokratie existenziell sind. Sie verbinden – so zumindest die Theorie – die Bürgerinnen und Bürger mit den politischen Entscheidungseliten; sie organisieren, vertreten und artikulieren Interessen, sie rekrutieren das politische Personal und treten bei Wahlen an. Zugleich gehören Parteien zu den umstrittensten politischen Organisationen. In der Wissenschaft, in den Medien, aber auch von Parteien selbst wird ihre Rolle kritisch betrachtet – insbesondere im Lichte dessen, was als eine zunehmende Entkopplung oder Entfremdung zwischen Parteien und Bürgern bezeichnet wird. Diese Entkopplung, die mit dem Schlagwort Parteienverdrossenheit ver- sehen wird, manifestiert sich unter anderem im sinkenden Vertrauen in Parteien und im insgesamt dramatischen und anhaltenden Rückgang der Parteimitglied- schaft. Zugleich haben Parteien ihre zentrale Stellung in der Politik wie auch ihre Bedeutung in anderen gesellschaftlichen Bereichen behauptet und mitunter noch ausgeweitet. So baut sich eine Spannung zwischen der rückläufigen gesellschaft- lichen Verankerung der Parteien einerseits und ihrer expansiven Machtposition andererseits auf. Ob sich somit die Parteiendemokratie – und mit ihr die gesamte repräsentative Demokratie – in einer »Krise« befindet, ist freilich fraglich. Zu oft sind in den vergangenen Jahrzehnten solche Krisen diagnostiziert worden, ohne dass sich das System in seiner Substanz geändert hätte. Nichtsdestoweniger kann diese Spannung langfristig zur Korrosion oder gar Erosion der repräsentativen Demokratie führen. Von dieser Spannung sind auch die Parteien auf Landesebene betroffen. Landesparteien sind ein Phänomen des deutschen Föderalismus. Dies zeigt sich in den Ähnlichkeiten und in den Unterschieden zwischen den Parteiensystemen des Bundes und der Länder. Der föderale Aufbau der Bundesrepublik bringt 7 Stefan Marschall eine partielle Autonomie der Länder mit sich, die sich in den unterschiedlichen Parteienlandschaften niederschlägt. Unterschiede werden dann evident, wenn sich die jeweiligen Landesverbände, die unter dem Dach einer Bundespartei befinden, sowohl von der Mutterpartei, aber auch von den Schwesterverbänden unterscheiden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Programmatik. Noch deutlicher wird die Eigenständigkeit der Parteiensysteme der Länder daran, dass einige Parteien und Wählergruppen nur in einzelnen oder wenigen Bundesländern aktiv sind. All dies weist darauf hin, dass sich in den Ländern eigene und unterschied- liche (partei-)politische Kulturen herausgebildet haben. Dass dies der Fall ist, kann mit dem Blick auf die historischen Grundlagen nicht wirklich verwundern, haben sich doch in einer Reihe von Ländern politische (Parteien-)Systeme heraus- gebildet, noch lange bevor die Bundesrepublik Deutschland gegründet worden ist. Dabei wurden mitunter regionale Traditionen aufgegriffen; die Parteienland- schaften der Länder sind pfadabhängig entstanden. Und trotz aller angestrebter »Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet« (Art. 72 des Grundgesetzes) sind die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen von Land zu Land höchst unterschiedlich und durch die Deutsche Einheit noch heterogener geworden. Auch dies spiegelt sich in der landesspezifischen Heraus- bildung und Entwicklung der Parteiensysteme. Zugleich – und dies macht den bundesdeutschen, föderalen Charakter aus – sind die Parteiensysteme und die Parteien mit den anderen Ebenen, insbesondere mit der Bundesebene verflochten. Diese Verflechtung ist reziprok, sie wirkt in beide Richtungen: Die Parteien in den Ländern werden von bundespolitischen Trends und Strukturen oder von bundespolitischen Akteuren beeinflusst, allemal wenn sie einen Landesverband einer föderal organisierten Partei bilden. Die Ent- wicklungen, Parteigliederungen oder Politiker der Landesebene können zugleich aber wieder Einfluss auf die Bundesebene nehmen. Insofern ist eine Beschäftigung mit der Parteienlandschaft der Länder auch stets eine Auseinandersetzung mit der Politik auf Bundesebene – und mit dem deutschen Föderalismus. Dass die Parteienlandschaft Nordrhein-Westfalens eine besondere Rolle in Deutschland spielt, kann kaum überraschen. Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik – und eine Größe in Europa: NRW ist als politische Einheit bevölkerungsstärker als die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ein gewichtiger Anteil der deutschen Wählerinnen und Wähler lebt in diesem Land; ein großer Anteil aller Parteimitglieder in Deutsch- land stammt aus Nordrhein-Westfalen. Dabei ist NRW mit seinen Parteien und 8 Parteien in Nordrhein-Westfalen seinem Parteiensystem nicht nur wegen seiner schieren Größe oft ein Faktor in der Bundespolitik gewesen, sondern auch wegen seiner gefühlten Relevanz – allemal in Zeiten der Bonner Republik, als der bundesdeutsche Regierungssitz in diesem Bundesland lag. Das Land selbst ist ein Kind des Zweiten Weltkrieges und der Besatzungs- zeit, eines der deutschen Bindestrich-Länder, das aus vorher nicht historisch zusammengewachsenen Regionen komponiert wurde: aus Teilen der preußischen Rheinprovinz sowie der Provinz Westfalen und dem Land Lippe. In Nord- rhein-Westfalen herrschen auch heute noch unterschiedliche landschaftliche, wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten vor: Dass es diese Unterschiede immer wieder zu überwinden galt, wird als Ursache für die typische gesellschaftliche und politische Konsenskultur in NRW erachtet. Markant ist zum einen die großstädtische Prägung mit seiner Metropol-Region Rhein-Ruhr, zum anderen die für weite Teile typischen ländlichen und landwirt- schaftlichen Strukturen. Nicht zuletzt die jahrhundertelange Bedeutung von Kohle und Stahl für die Wirtschaft der Regionen, der Niedergang der Montan- industrie und die damit einhergehenden Strukturprobleme und der Struktur- wandel haben sich eingebrannt. Die Besonderheiten spiegeln sich auch in den Entwicklungen und Merkmalen des nordrhein-westfälischen Parteiensystems wider. NRW war nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt durch