Streiflichter Aus 50 Jahren Vereinigung Verfolgten Naziregimes
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1 Streiflichter aus 50 Jahren Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Nordrhein-Westfalen 2 Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. (Aus dem Schwur von Buchenwald, 19. April 1945) Vor fünfzig Jahren, im Oktober 1945, wurde im Land Nordrhein-Westfalen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) gegründet. Ein Anlass zurückzublicken, sich zu erinnern und, wenn auch nur in kleinen Ausschnitten, nachzuverfolgen, wie die VVN in diesen Jahren gewirkt hat. Diese Broschüre bringt Streiflichter über die Arbeit der VVN, Informationen, Erinnerungen an Menschen, die auf keinen Fall in Vergessenheit geraten dürfen. Natürlich erhebt die Schrift keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Manfred Demmer hat Quellenforschung gemacht, Dokumente ausgegraben, fast vergessene aber auch bekannte Perioden der Arbeit festgehalten und geschildert. Peter Baumöller hat Episoden herausgegriffen, Aktionen wieder in Erinnerung gerufen die von der VVN eingeleitet oder im Bündnis demokratischer Kräfte mitgetragen wurden. Günter Judick hat der Broschüre einen Zeitspiegel beigegeben der erleichtern soll, die jeweilige Situation, den politischen Hintergrund zu sehen und zu verstehen. Diesen Kameraden und all denen, die an der Entstehung der Broschüre mitgearbeitet haben, sei gedankt. 3 Vorwort 55 Jahre seit Entstehung der VVN in Nordrhein-Westfalen. Diese Jahre beinhalten Höhen und Tiefen, Erfolge und auch Rückschläge. Unsere Organisation hat in dieser Zeit auch Fehler gemacht. Mit Manchem in unserer Arbeit sind wir nicht zufrieden. Und trotzdem haben wir Grund, mit Stolz auf unser Wirken zurückzublicken. Unsere Organisation ist ein politischer Faktor. Sie gibt Anstöße für die Verteidigung von Frieden und Demokratie. Sie leistet Beiträge zur internationalen Solidarität. Sie arbeitet dafür, dass die Opfer des Faschismus - wer es auch sei - nicht vergessen werden. Sie setzt allen Versuchen die Geschichte zu fälschen, die Verbrechen des Faschismus zu verharmlosen, Widerstand entgegen. Sie tritt gegen das Vergessen ein, weil nur so neue Gefahren erkannt und abgewendet werden können, die sich aus autoritären Tendenzen und den Versuchern wieder eine Großmachtpolitik zu betreiben, ergebe. Unsere Organisation hat immer wieder Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gebrandmarkt. Wir haben dafür gearbeitet, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland „DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR“ nicht zu einer Phrase wird. Unsere Organisation verteidigt die Menschenwürde. Wir vertreten den Standpunkt, dass zur Menschenwürde unabdingbar gehört: Arbeit, eine bezahlbare Wohnung, das Recht auf Zugang zur Bildung zu haben - eben die sozialen Menschenrechte. All das gehört zum Vermächtnis, das diejenigen, die dem Faschismus Widerstand entgegengesetzt haben, unserer Organisation übertragen haben. Wir sehen unsere Aufgabe darin, dieses Vermächtnis weiterzutragen. Josef Angenfort Landesvorsitzender 4 Der Todesstreifen von Auschwitz 5 1945 19. April: Schwur von Buchenwald. Nach der Selbstbefreiung des Lagers am 11. April 1945 treten die Überlebenden - etwa 20.000 Häftlinge - am 19.4. auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald an und leisten im Namen ihrer 51.000 ermordeten Kameraden den Schwur: „DIE VERNICHTUNG DES NAZISMUS MIT SEINEN WURZELN IST UNSERE LOSUNG. DER AUFBAU EINER NEUEN WELT DES FRIEDENS IST UNSER ZIEL.“ 8. Mai: Bedingungslose Kapitulation Hitler Deutschlands. 17. Juli bis 2. August: Potsdamer Konferenz. Entsprechend vorhergehender Absprachen legen die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition die Ziele der gemeinsamen Besatzungspolitik gegenüber Deutschland fest. Der alliierte Kontrollrat, bestehend aus den Oberkommandierenden der Besatzungsstreitkräfte in Deutschland übernimmt die Regierungsgewalt. Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden. Als Ziel der Besatzungspolitik wird genannt: „Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.“ Als Voraussetzung für eine demokratische Entwicklung in Deutschland verlangt das Potsdamer Abkommen eine konsequente Entnazifizierung und Entmilitarisierung und die Entmachtung der Monopole. Juni - Dezember: Zulassung antifaschistisch demokratischer Parteien. Zuerst werden am 10. Juni in der sowjetischen Besatzungszone Parteien erlaubt, in den westlichen Zonen erfolgt ihre Lizenzierung zunächst nur auf unteren Ebenen bis Ende 1945. 6. und 9. August: Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki. 12. September: Die Finanzabteilung der US Militärregierung (O.M.G.U.S.) schreibt in einem Bericht über die Rolle der IG Farben: „Ohne die riesigen Produktionsstätten der IG Farben, ohne ihre weitgespannte Forschung, ohne ihre reiche technische Erfahrung und ohne die wirtschaftliche Macht, die in ihren Händen konzentriert war, wäre Deutschland nicht in der Lage gewesen, im September 1939 seinen Angriffskrieg zu beginnen.“ 21. November: Beginn des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. In Berlin wird das Verfahren mit der Vorlage der Anklageschrift eröffnet. Der Prozess gegen 24 Hauptkriegsverbrecher wird vor dem Alliierten Gerichtshof in Nürnberg fortgesetzt. 1946 12. Januar: Kontrollratsdirektive Nr. 4: Sie ordnet die Entfernung von Nationalsozialisten und Militaristen aus Ämtern und verantwortlichen Stellungen, einschließlich privater Unternehmungen an. Schon vorher ist in drei Direktiven die Aufhebung aller Nazigesetze, die Auflösung der NSDAP und ihrer Nebenorganisationen und der Nazi-Wehrmacht beschlossen worden. 30. Juni: Volksentscheid in Sachsen. 77,6% der Wähler stimmen für die entschädigungslose Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher. 20. bis 22. Juli: Eine interzonale Konferenz von Vertretern der Verfolgten Gruppen ruft auf - auf Grundlage eines gemeinsamen Programms - eine selbstständige, überparteiliche Organisation der Verfolgten zu schaffen. 23. August: Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf Anordnung der britischen Militärregierung wird aus dem britisch besetzten Teil der früheren preußischen Rheinprovinz und der Provinz Westfalen das neue Land NRW geschaffen, dem später auch das Land Lippe zugeordnet wird. Der Regierung unter Ministerpräsident Amelunxen gehören Minister des Zentrums, der SPD, der KPD, der FDP und Parteilose an. 6. September: Byrnes Rede in Stuttgart. Der amerikanische Außenminister Byrnes macht in seiner Stuttgarter Rede die Abkehr der USA vom Potsdamer Abkommen sichtbar. Sie kennzeichnet den Übergang zum Kalten Krieg auch in der Deutschlandpolitik. 1. Oktober: Urteil im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. 12 Angeklagte werden zum Tode verurteilt, drei (v. Papen, Schacht und Fritzsche) werden freigesprochen, die anderen erhalten Haftstrafen zwischen 10 Jahren und lebenslänglich. NSDAP, Gestapo und die SS- Verbände werden zu verbrecherischen Organisationen erklärt. 26. Oktober GRÜNDUNG DER VVN NORDRHEIN-WESTFALEN IN DÜSSELDORF. 1. Dezember: Volksabstimmung in Hessen. 72% der hessischen Wähler stimmen in einer gesonderten Abstimmung für den Artikel 41 der hessischen Verfassung, der die Überführung der Grundstoffindustrie in Gemeineigentum und die Staatsaufsicht für Banken vorsieht. Die US Militärregierung verweigert trotz dieser eindeutigen Willensäußerung die Zustimmung zu diesem Verfassungsartikel. 6 2. Dezember: Bildung der Bizone. Mit der Vereinigung der britischen und der amerikanischen Zone, bei gleichzeitiger Verweigerung aller Schritte zur Schaffung gesamtdeutscher Verwaltungen, wie sie das Potsdamer Abkommen vorsah, beginnt die separate Entwicklung eines zentralen Staatsapparates für die westlichen Zonen. 1947 15. bis 17. März: Auf einer interzonalen Konferenz der bestehenden Verfolgten Organisationen aller deutschen Länder in Frankfurt/Main, wird die Gründung der VVN und die Schaffung eines gesamtdeutschen Rates der VVN beschlossen. März: O.M.G.U.S. Bericht zur Rolle der Deutschen Bank. Der Sonderbericht der Finanzabteilung der US- Militärregierung über die Rolle der Deutschen Bank und der Dresdner Bank in Hitler- Diktatur und Krieg wird vorgelegt. Der Bericht empfiehlt: Die Deutsche Bank wird liquidiert. ihre verantwortlichen Mitarbeiter werden vor Gericht gestellt. Die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank werden von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im politischen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen. 17./18. März: Interzonale Konferenz der VVN mit 1.000 Delegierten der politisch, rassisch und religiös Verfolgten des Naziregimes in München. 20. April: Erste Landtagswahl in NRW. Bei der ersten Landtagswahl wird die CDU mit 92 Mandaten stärkste Partei, die SPD erhält 64, die KPD 28, das Zentrum 20 und die FDP 12 Mandate. Der Regierung Arnold (CDU) gehören Minister der SPD, der KPD und des Zentrums an. Die Regierungserklärung verlangt die Überführung des Bergbaus und der Grundstoffindustrie in Gemeineigentum, wobei Kriegs- und Naziverbrecher entschädigungslos enteignet werden sollen. 5. Juni: Verkündung des Marshallplans. Der als Hilfsprogramm für den Wiederaufbau verkündete Plan bedeutet