(Ausgegeben am 1. Juli 2021)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

111. Sitzung

Hannover, den 10. Juni 2021

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 27: Jörg Bode (FDP) ...... 10553, 10555 , Ministerpräsident ...... 10553 Mitteilungen der Präsidentin ...... 10537 Christian Grascha (FDP) ...... 10554 Feststellung der Beschlussfähigkeit ...... 10537 b) „Nicht auflösbare Meinungsverschiedenhei- Tagesordnungspunkt 28: ten“ zu Beginn des letzten Drittels der Legisla- turperiode - ist die GroKo am Ende? - Anfrage der Aktuelle Stunde ...... 10537 Fraktion der FDP - Drs. 18/9441 ...... 10555 Christian Grascha (FDP) ...... 10555, 10557 b) Das Geld der Steuerzahler ist ausgegeben - Stephan Weil, Ministerpräsident was hält die Koalition jetzt noch zusammen? - ...... 10556 bis 10559 Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/9438 ..... 10537 Jörg Bode (FDP) ...... 10557 Dr. Stefan Birkner (FDP) Dr. Stefan Birkner (FDP) ...... 10557, 10559 ...... 10537, 10547 (GRÜNE) ...... 10558, 10559 Ulf Thiele (CDU) ...... 10539 (GRÜNE) ...... 10558 Johanne Modder (SPD) ...... 10541 Julia Willie Hamburg (GRÜNE) ...... 10543 Tagesordnungspunkt 30: Stephan Weil, Ministerpräsident ...... 10546 Erste Beratung: Tagesordnungspunkt 29: Behandlungsqualität für Patientinnen und Patien- ten entscheidend verbessern - sektorenübergrei- Dringliche Anfragen ...... 10547 fende Versorgung weiterentwickeln, Regionale Gesundheitszentren einführen - Antrag der Frakti- a) Welche Position hat Niedersachsen zur Investi- on der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/9402 tionsbremse bei Klimaschutz und Bildung und ...... 10560 zur Gründung einer Landeswohnungsbau- und einer Landeshochschulgesellschaft? - Anfrage und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9440 ...... 10548 Tagesordnungspunkt 31: Stefan Wenzel (GRÜNE) .... 10548, 10553, 10554 Reinhold Hilbers, Finanzminister Erste Beratung: ...... 10549 bis 10555 Qualitativ hochwertige und wohnortnahe Kran- Eva Viehoff (GRÜNE) ...... 10551 kenhausversorgung auch in Zukunft sicherstel- Christian Meyer (GRÜNE) ...... 10551 len - niedersächsische Krankenhauslandschaft Helge Limburg (GRÜNE) ...... 10552 weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD und Dr. Stefan Birkner (FDP) ...... 10553 der Fraktion der CDU - Drs. 18/9405 ...... 10560

I Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 111. Plenarsitzung am 10. Juni 2021

Petra Joumaah (CDU) ...... 10560 Tagesordnungspunkt 37: Uwe Schwarz (SPD) ...... 10561 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) ...... 10564 Abschließende Beratung: Susanne Victoria Schütz (FDP) ...... 10566 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- Ausschussüberweisung (TOP 30 und TOP 31) 10567 dersächsischen Glücksspielgesetzes - Gesetz- entwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der Tagesordnungspunkt 34: CDU - Drs. 18/9189 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Erste Beratung: Digitalisierung - Drs. 18/9414 - Schriftlicher Bericht - Keine schmutzigen Deals bei Sustainable- Drs. 18/9455 ...... 10582 Finance-Regeln - Atomkraft und fossiles Gas von Sabine Tippelt (SPD) ...... 10582 EU-Nachhaltigkeitslabel ausschließen - Antrag der Rainer Fredermann (CDU) ...... 10582 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9389 Christian Grascha (FDP) ...... 10583 ...... 10567 Susanne Menge (GRÜNE) ...... 10584 (GRÜNE) ...... 10567 Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Volker Senftleben (SPD) ...... 10569 Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 10584 Stefan Wirtz (fraktionslos) ...... 10569 Beschluss ...... 10585 Horst Kortlang (FDP) ...... 10570 Direkt überwiesen am 03.05.2021 Laura Hopmann (CDU) ...... 10571 Ausschussüberweisung ...... 10572 Tagesordnungspunkt 32:

Tagesordnungspunkt 35: Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses nach § 54 Abs. 4 GO LT für das Jahr 2020 - Abschließende Beratung: Drs. 18/9340 ...... 10585 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- Christian Meyer (GRÜNE) ...... 10585 dersächsischen Landeswahlgesetzes und des Sebastian Zinke (SPD)...... 10586 Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes - Hillgriet Eilers (FDP) ...... 10587 Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/8647 - Editha Westmann (CDU) ...... 10588 Beschlussempfehlung des Ausschusses Inneres und Sport - Drs. 18/9411 - Schriftlicher Bericht - Tagesordnungspunkt 33: Drs. 18/9454 ...... 10572 Bernd-Carsten Hiebing (CDU) ...... 10572 33. Übersicht über Beschlussempfehlungen der Bernd Lynack (SPD) ...... 10573 ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Susanne Menge (GRÜNE) ...... 10574 Drs. 18/9400 - strittige und unstrittige Eingaben - Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 10574 Änderungsantrag der Bündnis 90/Die Grünen - Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport Drs. 18/9451 - Änderungsantrag der Fraktion der ...... 10575 FDP - Drs. 18/9460 ...... 10589 Beschluss ...... 10575 Jörg Bode (FDP) ...... 10589 Erste Beratung: 102. Sitzung am 16.03.2021 Volker Senftleben (SPD)...... 10590 Christian Meyer (GRÜNE) ...... 10590 Tagesordnungspunkt 36: Oliver Schatta (CDU) ...... 10591 Christian Fühner (CDU) ...... 10592, 10593 Abschließende Beratung: Helge Limburg (GRÜNE) ...... 10592 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geset- Beschluss ...... 10593 zes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Tagesordnungspunkt 38: und der Fraktion der CDU - Drs. 18/8996 - Beschlus- sempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie, Erste Beratung: Bauen und Klimaschutz - Drs. 18/9413 - Schriftlicher Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der diffe- Bericht - Drs. 18/9453 - dazu: Änderungsantrag der renzierten Hochschulautonomie - Gesetzentwurf Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9450 der Landesregierung - Drs. 18/9392 ...... 10596 ...... 10576 Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Axel Miesner (CDU)...... 10576 Kultur ...... 10596 Marcus Bosse (SPD) ...... 10577 Lars Alt (FDP) ...... 10598 Imke Byl (GRÜNE) ...... 10578 Dr. Silke Lesemann (SPD) ...... 10599 Horst Kortlang (FDP) ...... 10579 Harm Rykena (fraktionslos) ...... 10601 Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen Jörg Hillmer (CDU) ...... 10602 und Klimaschutz ...... 10579 Eva Viehoff (GRÜNE) ...... 10603 Beschluss ...... 10581 Ausschussüberweisung ...... 10604 Direkt überwiesen am 14.04.2021

II Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 111. Plenarsitzung am 10. Juni 2021

Tagesordnungspunkt 39: Tagesordnungspunkt 42:

Erste Beratung: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Nie- Eigentümerland Niedersachsen: Freibetrag bei dersächsischen Bauordnung und des Nieder- der Grunderwerbsteuer einführen - Antrag der sächsischen Denkmalschutzgesetzes - Gesetz- Fraktion der FDP - Drs. 18/8720 - Beschlussempfeh- entwurf der Landesregierung - Drs. 18/9393 .... 10605 lung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Alptekin Kirci (SPD) ...... 10605 Drs. 18/9247 ...... 10630 Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen Peer Lilienthal (fraktionslos) ...... 10630 und Klimaschutz ...... 10606 Eike Holsten (CDU) ...... 10632 Susanne Victoria Schütz (FDP) ...... 10608 Christian Grascha (FDP) ...... 10633, 10637 Christian Meyer (GRÜNE) ...... 10609 Alptekin Kirci (SPD) ...... 10634 Martin Bäumer (CDU) ...... 10610 Stefan Wenzel (GRÜNE) ...... 10635 Ausschussüberweisung ...... 10612 Reinhold Hilbers, Finanzminister ... 10636, 10637 Beschluss ...... 10638 Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung: 103. Sitzung am 17.03.2021

Abschließende Beratung: Außerhalb der Tagesordnung: a) Luftfahrtstandort Niedersachsen stärken, Im- Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten pulse für innovative und nachhaltige Mobilität über die Ergebnisse der heutigen Ministerpräsi- setzen - Antrag der Fraktion der SPD und der Frakti- dentenkonferenz ...... 10638 on der CDU - Drs. 18/5866 neu - b) Niedersachsen Stephan Weil, Ministerpräsident ...... 10638 muss jetzt die Chancen für einen Offshore- Weltraumbahnhof prüfen und vorantreiben - An- Tagesordnungspunkt 43: trag der Fraktion der FDP - Drs. 18/7548 - Beschlus- sempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Abschließende Beratung: Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/9169 - dazu: Einsatz künstlicher Intelligenz zur Suizidpräven- Änderungsantrag der Fraktion der FDP - tion und Verbesserung der Sicherheit in nieder- Drs. 18/9443 ...... 10612 sächsischen Justizvollzugsanstalten - Antrag der Oliver Schatta (CDU) ...... 10612, 10616 Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Klaus Wichmann (fraktionslos) ...... 10614, 10616 Drs. 18/8729 - Beschlussempfehlung des Ausschus- Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 10616 ses für Rechts- und Verfassungsfragen - Jörg Bode (FDP) ...... 10617 Drs. 18/9420 ...... 10639 Jörn Domeier (SPD) ...... 10618 Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU) ...... 10639 Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 10640 Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 10619 Volker Bajus (GRÜNE) ...... 10641, 10643, 10644 Beschluss ...... 10621 Sebastian Zinke (SPD) ...... 10641 Zu a: Erste Beratung: 73. Sitzung am 27.02.2020 Barbara Havliza, Justizministerin ...... 10642 Zu b: Erste Beratung: 87. Sitzung am 08.10.2020 Christian Calderone (CDU) ...... 10643 Beschluss ...... 10644 Tagesordnungspunkt 41: Erste Beratung: 103. Sitzung am 17.03.2021

Abschließende Beratung: Ausbeutung beenden - Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie durchsetzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/6814 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/9218 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9448 ...... 10621 Miriam Staudte (GRÜNE) ...... 10621 Frank Henning (SPD) ...... 10622, 10624 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 10624 Jörg Bode (FDP) ...... 10624, 10629 Karl-Heinz Bley (CDU) ...... 10625 Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 10627 Beschluss ...... 10629 Erste Beratung: 80. Sitzung am 02.07.2020

III Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 111. Plenarsitzung am 10. Juni 2021

Vom Präsidium:

Präsidentin Dr. Gabriele A n d r e t t a (SPD) Vizepräsidentin Petra E m m e r i c h - K o p a t s c h (SPD) Vizepräsident Bernd B u s e m a n n (CDU) Vizepräsident Frank O e s t e r h e l w e g (CDU) Vizepräsidentin Meta J a n s s e n - K u c z (GRÜNE) Schriftführer Markus B r i n k m a n n (SPD) Schriftführer Matthias M ö h l e (SPD) Schriftführerin Hanna N a b e r (SPD) Schriftführerin Sabine T i p p e l t (SPD) Schriftführer Rainer F r e d e r m a n n (CDU) Schriftführerin Gerda H ö v e l (CDU) Schriftführerin Gudrun P i e p e r (CDU) Schriftführer Heiner S c h ö n e c k e (CDU) Schriftführerin Imke B y l (GRÜNE) Schriftführerin Susanne M e n g e (GRÜNE) Schriftführer Thomas B r ü n i n g h o f f (FDP) Schriftführerin Hillgriet E i l e r s (FDP) Schriftführer Horst K o r t l a n g (FDP)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Stephan W e i l (SPD)

Minister für Inneres und Sport Staatssekretär Stephan M a n k e , Boris P i s t o r i u s (SPD) Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretärin Doris N o r d m a n n , Reinhold H i l b e r s (CDU) Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Heiger S c h o l z , Daniela B e h r e n s (SPD) Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Kultusminister Staatssekretärin Gaby W i l l a m o w i u s , Grant Hendrik T o n n e (SPD) Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisie- Staatssekretär Dr. Berend L i n d n e r , rung Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitali- Dr. Bernd A l t h u s m a n n (CDU) sierung

Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Staatssekretär Prof. Dr. Ludwig T h e u v s e n , cherschutz Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Barbara O t t e - K i n a s t (CDU) cherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Frank-Thomas H e t t , Barbara H a v l i z a (CDU) Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Staatssekretärin Dr. Sabine J o h a n n s e n , Björn T h ü m l e r (CDU) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Staatssekretär Frank D o o d s , Olaf L i e s (SPD) Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klima- schutz

Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Staatssekretär Matthias Wunderling-Weilbier, und Regionale Entwicklung Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten Birgit H o n é (SPD) und Regionale Entwicklung

IV Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 111. Plenarsitzung am 10. Juni 2021

Beginn der Sitzung: 9.31 Uhr. Ich rufe auf den

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Tagesordnungspunkt 28: Aktuelle Stunde Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie heute Mor- gen namens des Präsidiums sehr herzlich begrü- b) Das Geld der Steuerzahler ist ausgegeben - ßen und eröffne die 111. Sitzung im 46. Tagungs- was hält die Koalition jetzt noch zusammen? - abschnitt des Niedersächsischen Landtages der Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/9438 18. Wahlperiode.

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Tagesordnungspunkt 27: Dr. Birkner. Bitte! Mitteilungen der Präsidentin Dr. Stefan Birkner (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Die Reihen sind gut gefüllt, sodass ich bereits die Herren! Sie kennen unsere Einschätzung - wir Beschlussfähigkeit feststellen darf. haben sie hier wiederholt deutlich gemacht -, dass SPD und CDU im Prinzip von Anfang an nebenei- Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sit- nander und nicht miteinander regiert haben. zung mit dem Tagesordnungspunkt 28, das ist die In der ersten Phase dieser Legislaturperiode ist es Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Da wir den Ta- ihnen einigermaßen gelungen - sie haben es zu- gesordnungspunkt 28 a bereits gestern behandelt mindest versucht -, diese Unterschiede und die haben, behandeln wir heute nur noch den Tages- Gräben, die zwischen SPD und CDU bestehen, mit ordnungspunkt 28 b. Anschließend setzen wir die dem Geld der Steuerzahler zuzuschütten und zu Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung überdecken. fort. Die heutige Sitzung soll gegen 20.05 Uhr en- den. (Wiard Siebels [SPD]: Na, na, na!) Doch nun, meine Damen und Herren, kommt die- Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt ses Politikmodell endgültig an seine Grenzen. Ein Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Kortlang mit. prominentes Beispiel für diese Politik, die Sie in Bitte, Herr Kollege! dieser Legislaturperiode gemacht haben, sind die 100 Stellen, die Sie zu Beginn der Legislaturperio- Schriftführer Horst Kortlang: de geschaffen haben, als Sie 100 Ministerialbeam- tenstellen geschaffen haben, und zwar aus rein Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es haben sich parteipolitischen Gründen, für heute entschuldigt: Ministerpräsident Stephan (Beifall bei der FDP) Weil ab 11.30 Uhr, ferner Finanzminister Reinhold Hilbers bis 14 Uhr - mit Ausnahme von Tagesord- um sich sozusagen wechselseitig ruhigzustellen. nungspunkt 29 a, den er noch abhandeln möchte -, (Christian Meyer [GRÜNE]: Zu kon- weiterhin Herr Kultusminister Grant Hendrik Tonne trollieren!) sowie unsere Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast ab 13 Uhr, ferner von der Fraktion der Das funktioniert aber unter dem Eindruck und den SPD Frau Dr. Dörte Liebetruth und von den frakti- Folgen der Corona-Krise nun endgültig nicht mehr; onslosen Mitgliedern des Hauses Frau Dana Guth denn die Zeiten der sprudelnden Steuereinahmen bis zur Mittagspause und ab 17 Uhr Herr Stefan sind vorbei. Wirtz. Und kaum ist das der Fall, kaum ist das Geld nicht mehr in Hülle und Fülle vorhanden und können Sie Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: diese Gräben nicht mehr zuschütten, brechen grundsätzliche Konflikte zwischen SPD und CDU Vielen Dank, Herr Kollege. auf. Es zeigt sich eben, dass es Bernd Althusmann und auch Stephan Weil in dieser Legislaturperiode

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eigentlich zu keinem Zeitpunkt geschafft haben, Das sind neue Herausforderungen. Das andere eine gemeinsame Idee dafür zu entwickeln, was aber sind doch die substanziellen Defizite, die diese Landesregierung mit diesem Land machen offenbar geworden sind: in der Digitalisierung, im will, Gesundheitswesen, bei Schule und Hochschule. Was aber den Gebäudebestand in der Justiz und (Zuruf von der SPD: Sie haben das die Unterhaltungssituation der Polizeigebäude bloß nicht verstanden!) angeht, sind das doch keine Folgen von Corona! welche Vision man hat und in welchen Positionen Das heißt, diese Investitionsdefizite und der Verfall man Niedersachsen voranbringen will. Es zeichnet des Vermögens des Landes sind die Folgen Ihrer sich ab, dass diese Regierungszeit in dieser Legis- Politik! laturperiode am Ende fünf verlorene Jahre für Nie- (Lebhafter Beifall bei der FDP - Wi- dersachsen sind. derspruch bei der SPD und bei der (Beifall bei der FDP) CDU) Das Ganze lässt sich an ganz konkreten Äußerun- Acht Jahre lang tragen Sie in diesem Land Ver- gen und an einer ganz konkreten politischen Frage antwortung. Sie hatten Steuereinnahmen in Milli- festmachen, nämlich wie man öffentliche Investiti- ardenhöhe und haben es nicht geschafft, in den onen künftig sicherstellen will. Der Ministerpräsi- Zeiten der sprudelnden Steuereinnahmen diese dent hat kürzlich davon gesprochen, dass es „nicht Probleme substanziell anzugehen, meine Damen auflösbare Meinungsverschiedenheiten“ mit der und Herren. Union bei der Frage der Reform der Schulden- bremse gebe - bezüglich der Gründung einer Lan- (Johanne Modder [SPD]: So einfach desbaugesellschaft, der Gründung eines Milliar- ist das hier nicht!) denfonds für den Klimawandel usw. usf. Diese Jetzt kommen Sie und versuchen, das auf Corona Frage der Investitionen, diese Frage, wo die Her- zu schieben. Das sind die Ergebnisse Ihrer Politik! ausforderungen sind, denen mit öffentlichen Mit- teln begegnet werden soll, ist doch nicht eine ne- (Beifall bei der FDP - Zurufe von der bensächliche, sondern eine der zentralen Fragen SPD und von der CDU - Unruhe) der Landespolitik: Wo hat man Defizite, und wie will man ihnen gegensteuern? In dieser zentralen Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Frage gibt es nicht auflösbare Meinungsverschie- Einen Moment, bitte, Herr Dr. Birkner! - Wir freuen denheiten. uns hier alle sehr über eine lebendige Debatte, aber man sollte sich schon noch verstehen kön- Herr Ministerpräsident, wenn das so ist und wenn nen. - Bitte, Herr Dr. Birkner, fahren Sie fort! es nicht nur Parteitagsrhetorik war, um eine gute Stimmung zu erzeugen und ein gutes Ergebnis zu Dr. Stefan Birkner (FDP): bekommen, also wenn das nicht alles nur Blend- werk war, dann müssen Sie sich doch die Frage Vielen Dank, Frau Präsidentin. gefallen lassen: Warum wollen Sie eigentlich diese Vor diesem Hintergrund und im Prinzip auch vor Legislaturperiode mit einem Partner zu Ende füh- dem Hintergrund Ihrer Haushaltspolitik, Herr Minis- ren, mit dem Sie nicht auflösbare Meinungsver- terpräsident, die Sie in den letzten Jahren an den schiedenheiten bezüglich zentraler Probleme und Tag gelegt haben, weckt die Forderung nach Auf- Herausforderungen dieses Landes haben? weichung der Schuldenbremse natürlich Misstrau- (Beifall bei der FDP - Zurufe von der en. SPD und von der CDU) Warum sollte es Ihnen eigentlich gelingen, mit dem In der Sache, Herr Ministerpräsident und meine Geld der Steuerzahler besser umzugehen, wenn sehr geehrten Damen und Herren, erwecken Sie Sie noch mehr Schulden machen, als es Ihnen hier den Eindruck, dass ein gewaltiger Investiti- gelungen ist, als die Steuereinnahmen sprudelten? onsbedarf besteht, der insbesondere durch die Schon dabei ist es Ihnen nicht gelungen, damit Pandemie und die dadurch ausgelöste Krise ver- verantwortungsvoll umzugehen und dort zu inves- ursacht und bewirkt worden sei. Das eine ist die tieren, wo es nötig ist. Damals haben Sie mal links Frage, wie man die ganz konkreten Folgen für und mal rechts, mal hier und mal da, irgendwelche breite Teile der Bevölkerung quasi abmildert. Da ist Projekte gemacht, die am Ende mit Investitionen der Staat aktuell sicherlich auch sehr gefordert. nichts zu tun hatten, um sich parteipolitisch ir-

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gendwie zu profilieren, und jetzt wollen Sie das Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Gleiche mit Schulden machen. Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es folgt nun Herr Abgeordneter Thiele für die CDU-Fraktion. Bitte, Das ist wirklich eine verantwortungslose Politik, Herr Kollege! meine Damen und Herren. Sie haben gezeigt, dass man wirklich gut beraten ist, Ihnen gegenüber Ulf Thiele (CDU): bei diesen Forderungen misstrauisch zu sein, weil das am Ende nicht in einer seriösen Politik mün- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie- det. ber Kollege Stephan Birkner, ich will damit begin- nen, Ihnen zu sagen, dass ich glaube, dass es (Beifall bei der FDP) keine Koalition auf der Welt gibt Schließlich - Frau Präsidentin, ich komme auch (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Keine? Auf zum Schluss - reagiert der Finanzminister genau- der ganzen Welt?) so, wie der Ministerpräsident es sich wünscht, - keine auf der Welt -, die aus unterschiedlichen (Wiard Siebels [SPD]: So gehört sich Fraktionen gebildet wird, in der es nicht solche, das auch!) vielleicht sogar unüberbrückbaren Gegensätze auch in der Politik gibt. indem er gleich sagt „Mit neuen Schulden wollen Und offen gesagt: Als wir vor gar nicht allzu langer wir alles gar nicht machen“ und sich die gesamte Zeit zusammen regiert haben, war das bei einigen Investitionsdebatte plötzlich nur noch um die Frage Themen auch der Fall. dreht: Gibt es eine Aufweichung der Schulden- bremse, ja oder nein? - Aber das sind doch gar (Wiard Siebels [SPD]: Aha! - Julia Wil- nicht die zentralen Fragen! Die zentrale Frage ist: lie Hamburg [GRÜNE]: Tatsächlich?) Warum gelingt es eigentlich nicht, die Investitionen - Aber selbstverständlich! mit dem vorhandenen öffentlichen Geld umzuset- zen? Warum geht es denn mit dem Ausbau der Und als SPD und Grüne miteinander regiert haben, digitalen Infrastruktur nicht weiter? Geld ist doch hatte ich den Eindruck, dass das auch nicht immer da! Warum gelingt es nicht, in der Schule die In- nur ganz harmonisch abgelaufen ist. vestitionen umzusetzen? Geld ist da! (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wir konnten das intern klären! Das war Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: der Unterschied!) Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen, Herr Um es mal für die aktuelle Situation und insbeson- Kollege! dere für die Situation der FDP in anderen Landes- regierungen aufzuzeigen: Ich habe den Eindruck, Dr. Stefan Birkner (FDP): dass die FDP sowohl in Nordrhein-Westfalen als Ich komme zum Schluss. auch in Schleswig-Holstein als auch in Rheinland- Pfalz gerade einen ziemlichen Spagat hinlegen Deshalb sind es doch gar nicht in erster Linie diese muss, weil sie nämlich die Corona-Politik auf der Herausforderungen. Es ist die Unfähigkeit von Bundesebene massiv kritisiert, aber gleichzeitig Verwaltung und Politik, Maßnahmen, die dort vereinbart sind, auf der Lan- desebene gesetzgeberisch umsetzt. (Widerspruch bei der SPD und bei der CDU - Wiard Siebels [SPD]: Die Ver- (Wiard Siebels [SPD]: Es ist ein Ver- waltung beschimpfen? Unglaublich!) gnügen, das anzusehen!) das vorhandene Geld gezielt und schwerpunktmä- Wir haben u. a. im Niedersächsischen Landtag als ßig einzusetzen. Am Ende wird man auch darüber erstes finanzpolitisches Thema gerade eine reden müssen, wo Defizite sind und wie es gelingt, Grundsteuerreform auf den Weg gebracht. private Investitionen zu ermöglichen. Aber das (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das scheint in Ihrer Welt überhaupt nicht stattzufinden. ist echt schlecht!) Vielen Dank. CDU und SPD machen das gemeinsam. Die FDP- Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag beißt (Lebhafter Beifall bei der FDP) sich an der Finanzministerin der Grünen-Fraktion

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geradezu die Zähne aus, weil sie vorgeschlagen Dessen bin ich mir ziemlich sicher, ich wundere hat, das, was wir in Niedersachsen machen, dort mich nur immer darüber, dass die Grünen das bei auch umzusetzen. Nur lehnt die grüne Finanz- ihren Haushaltsanträgen nicht verstanden haben. ministerin das dort im Gegensatz zu unserem Fi- (Beifall bei der CDU) nanzminister hier natürlich ab. Ich will damit nur sagen: Es ist nicht außergewöhn- Jetzt vielleicht noch ein kleiner Hinweis darauf, lich, sondern es ist normal, dass man sich in einer dass wir durchaus doch die eine oder andere Per- Koalition unterschiedlicher Parteien auch mal strei- spektive - auch finanziell hinterlegt - in Nieder- tet. - Erster Punkt. sachsen hinbekommen. Wissen Sie, wir haben mit diesem Finanzminister Reinhold Hilbers, (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber doch nicht fünf Jahre lang! - Wiard Siebels [SPD]: Das (Glocke der Präsidentin) macht man nur ein Jahr - und vier Jahre ist anders, als Sie gerade dargestellt haben, die guten es friedlich!) Zeiten nämlich dafür genutzt, dass wir die großen - Na ja. Ich komme aber gleich noch auf die Fi- Projekte dieser Koalition finanziell alle hinterlegt nanzfragen zu sprechen. haben. Ich finde - das ist der zweite Punkt, den ich sagen Ja, wir haben zum Schluss das Corona-Sonderver- will -, dass Sie damit in einer Situation zu kurz mögen schuldenfinanziert mit einem Volumen von greifen, in der unser Land wirklich in einer tiefen 6,961 Milliarden Euro ausgestattet, um die gesell- Krise ist. Und ich glaube, das ist nach wie vor un- schaftlichen, wirtschaftlichen und medizinischen bestritten. Kautelen der Corona-Krise zu bewältigen. Ich sehe ja Christian Grascha: Jetzt kommt der Wir haben den Wirtschaftsförderfonds - gewerbli- wieder mit Corona! - Wissen Sie was? Da draußen cher Teil - mit 90 Millionen Euro hochgefahren, wir sind Hunderttausende Menschen in Kurzarbeit und haben den Wirtschaftsförderfonds - ökologischer wissen nicht, ob sie in wenigen Wochen oder Mo- Teil - mit 580 Millionen Euro ausgestattet, um die naten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren oder in großen Klimaschutzmaßnahmen und - ganz wich- Arbeitslosigkeit gehen! tig - den von ML und MU gemeinsam verhandelten „Niedersächsischen Weg“, der wirklich einmalig in (Beifall bei der CDU und Zustimmung der Geschichte des Landes Niedersachsen ist, bei der SPD) auch finanziell ordentlich auszustatten. Diese Landesregierung versucht - genauso wie die Wir haben das Sondervermögen Krankenhausin- Bundesregierung selbst im Bundestagswahl- kampf -, eine Wirtschaftspolitik auf die Beine zu vestitionen hochgefahren, um die Situation in den Krankenhäusern in allen Regionen zu verbessern: stellen - Investitionsprogramme und Ähnliches, 300 Millionen Euro. Wirtschaftshilfen in Milliardenhöhe -, um das zu stabilisieren, und Sie kommen hier mit kleinkarier- Wir haben das Sondervermögen Hochschulmedi- tem Streit, der angeblich in dieser Koalition statt- zin mit 1,15 Milliarden Euro ausgestattet, findet, und machen das an einer Parteitagsrede fest. (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie wissen, dass die 6 Milliarden bräuch- (Starker Beifall bei der CDU und bei ten!) der SPD) damit dieser Wissenschaftsminister in der Lage ist, Ich will ja dem Herrn Ministerpräsidenten nicht zu die Universitätsmedizin in Hannover und in Göttin- nahe treten, aber ich habe, was die Parteitagsrede gen vernünftig auszubauen und die Baustellen, die angeht, den Verdacht, dass er diese möglicher- vorherige Landesregierungen, insbesondere die weise auch aus emotionalen Gründen mit Blick auf letzte, aufgerissen haben, die Situation in seiner Partei gehalten hat, aber in dem Wissen, dass sowohl in der niedersächsi- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das schen Landesverfassung als auch im Grundgesetz stimmt doch gar nicht!) der Bundesrepublik Deutschland unumstößlich zu schließen und das ordentlich zu organisieren. festgeschrieben ist, dass die Schuldenbremse für Das ist ein für Niedersachsen zentrales Projekt, die Länder gilt, und dass sie auch in Niedersach- das finanziell auch ordentlich hinterlegt ist. sen durch jede Landesregierung einzuhalten ist.

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Mit dem Sondervermögen Digitalisierung bauen wir zu unserer Verantwortung, und wir wollen sie auch in dieser Legislaturperiode die digitale Infrastruktur in Zukunft nicht tragen!“ in Niedersachsen mit Wirtschaftsminister Althus- (Beifall bei der SPD und Zustimmung mann aus. Der Innenminister hat die Aufgabe, mit bei der CDU) einem Teil des Geldes die Digitalisierung der öf- fentlichen Verwaltung hinzubekommen. Das ist ein Herr Dr. Birkner, ganz ernsthaft: Mit der von Ihnen riesiges Projekt, und es ist finanziell hinterlegt. beantragten Aktuellen Stunde und auch mit Ihrer (Christian Meyer [GRÜNE]: Die Kom- Dringlichen Anfrage machen Sie doch deutlich, munen bekommen nichts!) dass Sie eigentlich keine eigenen Themen mehr haben An diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass die Behauptung der FDP, dass wir kein Geld für (Zurufe von der SPD: So ist es! - Ab- die wesentlichen Projekte hätten und dass wir getaucht!) dieses in guten Zeiten für konsumtive Ausgaben und den krampfhaften Versuch starten, diese Gro- ausgegeben hätten, schlicht und ergreifend falsch ße Koalition aus SPD und CDU an sich abzuarbei- ist. Im Gegenteil: Wir haben Vorsorge getroffen. ten. Mehr fällt Ihnen nicht mehr ein. Sie machen seit Monaten Frontalopposition und reden das Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Land schlecht. Nicht diese Große Koalition, Herr Sie müssen zum Schluss kommen. Dr. Birkner, ist am Ende, sondern die FDP in Nie- dersachsen! Ulf Thiele (CDU): (Beifall bei der SPD und Zustimmung Letzter Satz! bei der CDU) Wir haben dafür gesorgt, dass diese Landesregie- Diese Aktuelle Stunde ist eine Bankrotterklärung. rung und diese Koalition die für das Land Nieder- Die Menschen in diesem Land erwarten von uns, sachsen wichtigen und aus Verantwortung für das dass wir sie gut durch diese Pandemie-Krise steu- Land heraus notwendigen Projekte finanziell auch ern, dass wir die Probleme aufnehmen, dass wir durchstehen kann. Lösungen präsentieren, dass wir einen Neustart Vielen Dank. nach der Pandemie starten, dass wir Antworten auf die Zukunft haben und dieses Land zukunftsfest (Beifall bei der CDU und Zustimmung aufstellen. Diese Landesregierung und die sie bei der SPD) tragenden Fraktionen nehmen diese Verantwor- tung an und nehmen diese Verantwortung auch Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: sehr ernst. Vielen Dank, Herr Kollege Thiele. - Jetzt erhält für die SPD-Fraktion die Vorsitzende Frau Modder das (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Schön Wort. Bitte, Frau Kollegin! wär‘s!) Viele Menschen, meine Damen und Herren, in Johanne Modder (SPD): diesem Land haben Angst. Herr Thiele hat darauf Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- hingewiesen. Sie sind in Kurzarbeit, Unternehmen ten Damen und Herren! In Vorbereitung auf diese droht die Pleite oder die Aufgabe. Es geht um rich- Aktuelle Stunde habe ich mir öfter mal die Frage tige Existenzängste. Menschen sind schwer er- gestellt: Was will die FDP uns bzw. den Menschen krankt, haben Folgeschäden, trauern um ihre An- da draußen, den Bürgerinnen und Bürgern, eigent- gehörigen. Den Familien und Kindern haben wir lich sagen? sehr viel zugemutet. Sie haben viele Entbehrungen in dieser Corona-Zeit hinnehmen müssen. (Wiard Siebels [SPD]: Das habe ich auch nicht verstanden!) Herr Dr. Birkner, glauben Sie ernsthaft, dass die Menschen diese Aktuelle Stunde brauchen? - Die Welche Botschaft steckt eigentlich dahinter? haben ganz andere Sorgen! Die haben wirklich Herr Birkner, nach Ihren Ausführungen bestätigt ganz andere Sorgen! sich eigentlich meine Befürchtung. Ich hätte Ihre (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Aktuelle Stunde mit dem Titel versehen: „Wir woll- der CDU) ten keine Verantwortung tragen, wir stehen nicht

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Die Regierungsfraktionen nehmen ihre Verantwor- (Christian Meyer [GRÜNE]: Interes- tung wahr. Wir regieren seit 2017 sehr erfolgreich. sant, wie ihr euch von Rot-Grün dis- Das will ich einmal ganz deutlich sagen. tanziert!)

(Lachen bei den GRÜNEN) Nichtsdestoweniger ist immer deutlich geworden - die CDU hat das hier auch öfter gesagt -, dass die Ich will Ihnen auch sagen, wofür wir Geld zur Ver- CDU für eine restriktivere Finanzpolitik ist. Und fügung gestellt haben, weil Sie vorhin gesagt ha- meiner Fraktion liegen die Zukunftsinvestitionen ben, mit dem Geld seien Gräben zugeschüttet ganz besonders am Herzen. worden, und jetzt seien wir am Ende. Ich will noch einmal kurz in Erinnerung rufen, was wir alles ge- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wo- macht haben und was wir auch in Zukunft machen mit denn?) werden. Das will ich einmal deutlich machen. Ich nenne hier nur den Niedersachsenfonds. Ich weiß auch nicht - Herr Thiele hat darauf hinge- wiesen -, wie das unter Schwarz-Gelb gelaufen ist, (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ja, ob Sie Ihre eigenen Vorstellungen völlig aufgege- wo ist der?) ben haben und der CDU nur nachgerannt sind. Ich nenne die Hochschulinvestitionen, die Kran- Auseinandersetzungen sind in einer Koalition ei- kenhausinvestitionen und den in der Tat drohen- gentlich ganz selbstverständlich. Ich weiß nicht, den Verfall des Landesvermögens. wie das bei Ihnen gelaufen ist. (Glocke der Präsidentin) (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Im Idealfall halt nicht in der Presse, Frau Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Modder!) Frau Kollegin Modder, Herr Kollege Limburg bittet - Ach ja? Da kann ich noch ein paar Beispiele bei- darum, eine Frage stellen zu dürfen. bringen. Johanne Modder (SPD): Von daher will ich noch einmal kurz sagen, wo wir Nein, jetzt bitte nicht. investiert haben. Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Ich will durchaus noch einmal sagen: An dieser Corona-Pandemie, der größten Krise unseres Dann fahren Sie bitte fort! Landes mit der größten Neuverschuldung dieses Bundeslandes, leidet ein Finanzminister natürlich Johanne Modder (SPD): ganz besonders - das will ich ausdrücklich sagen -, Jetzt zähle ich noch ganz kurz auf, was wir alles kraft Amtes eigentlich. gemacht haben:

Dieser Finanzminister war es, der 2019 zum ersten 2018: Beitragsfreiheit für alle Kindergartenkinder Mal in der Geschichte des Landes einen Haushalt ab drei Jahren. ohne Neuverschuldung hingelegt hat, ohne Ein- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Mit maleffekte etatisieren zu müssen. Bundesgeldern!) (Christian Meyer [GRÜNE]: Der erste Das ist Familienpolitik, Stärkung der Familien. Haushalt ohne Neuverschuldung war (Beifall bei der SPD und Zustimmung von Peter-Jürgen Schneider!) bei der CDU - Julia Willie Hamburg Und in der zweiten Hälfte merkt er: Es geht in eine [GRÜNE]: Bundesgeld war das!) völlig andere Richtung. Gesamtpaket Stärkung der frühkindlichen Bildung: (Christian Meyer [GRÜNE]: Ich habe Wir werden in der 18. Wahlperiode 1,6 Milliarden noch Fotos mit Peter-Jürgen Schnei- Euro investiert haben. der, als er für die schwarze Null gefei- Ausbau der Zahl der Kinderbetreuungsplätze von ert wurde!) 2015 bis 2020 um 43 742. Ob ich da von „Wohltaten“ gesprochen hätte? Da (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Auch bin ich anderer Auffassung. Bundesgelder!)

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Die Zahl der Fachkräfte ist gestiegen: 13 738. ben auch gesagt, dass wir die Strukturen erhalten wollen. Wir werden den Stufenplan auf den Weg bringen und zwei Stufen im Gesetz festschreiben, und wir (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wo gehen in eine Ausbildungsoffensive. bleibt der Schluss?) Wir haben Mittel für den DigitalPakt Schule zur Ja, die Spielräume werden etwas enger. Dass wir Verfügung gestellt. uns auseinandersetzen um die Zukunft, wie gestal- ten wir eigentlich die Zukunft und mit welchen Mit- Der „Niedersächsische Weg“: Keine andere Lan- teln - - - desregierung hat es geschafft, die Interessen von Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz zu- (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist Ihre sammenzubringen. Das war diese Landesregie- Verantwortung während der Legisla- rung. tur!) (Beifall bei der SPD und Zustimmung - Herr Dr. Birkner, wir haben eine Koalition für eine bei der CDU) Wahlperiode - für fünf Jahre - geschlossen. Ich bin fest davon überzeugt: Nach fünf Jahren werden wir Wir haben das rechtlich und finanziell abgesichert. eine sehr erfolgreiche Bilanz abliefern können. Dann werden die Menschen in diesem Land dar- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: über entscheiden, Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen! (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Genau!) Johanne Modder (SPD): ob man Verantwortung übernimmt, wie es SPD Ich habe aber noch so viel! und CDU machen, - (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Das war jetzt der letzte Satz! Schicksal! Johanne Modder (SPD): Johanne Modder (SPD): - oder ob man sich wegduckt wie die FDP. Gründung des Bündnisses für bezahlbares Woh- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. nen. (Starker, anhaltender Beifall bei der Ich komme zum Schluss. SPD und Beifall bei der CDU) (Dr. Christos Pantazis [SPD]: Wir Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: können ja noch Fragen stellen!) Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Ich will damit sagen: Schulgeldfreiheit für Gesund- nen die Fraktionsvorsitzende, Frau Hamburg. Bitte! heitsfachberufe. Sie haben das Wort. Maßnahmenpaket Klimaschutz: 1 Milliarde Euro. Julia Willie Hamburg (GRÜNE): Digitalisierung: 1 Milliarde Euro. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben 40 Digitalprofessuren auf den Weg ge- Ich muss Ihnen deutlich sagen: Finanzpolitisch war bracht. dies hier heute Morgen keine Sternstunde. Herr Thiele, es klaffen riesige Finanzierungslücken in Krankenhausversorgung: MHH, UMG. Ihrem Haushalt. Und Frau Modder, der erste aus- Alles das hat Herr Thiele gesagt. geglichene Haushalt war unter einer rot-grünen Landesregierung mit Peter-Jürgen Schneider und Ich will Ihnen eines sagen: Mit dem ersten und gar nicht von Herrn Hilbers. zweiten Nachtrag haben wir rund 8 Milliarden Euro in die Hand genommen und zur Verfügung gestellt, (Beifall bei den GRÜNEN) um diese Krise zu meistern. Das ist ein Kraftakt, Dass Sie das vergessen haben, ist schon wirklich der uns natürlich die Spielräume für die nächsten bitter. Jahre etwas nimmt. Aber wir, CDU und SPD, ha-

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Ich muss Ihnen deutlich sagen: Dass eine GroKo dass wir den Risikowert einführen - er kommt aber scheitern kann, hätte ich mir nicht träumen lassen. nicht. Zurück blieben vollkommen verunsicherte Aber dann habe ich Sie in den letzten Jahren er- Bürgerinnen und Bürger, denen nicht klar war, was lebt, und ich muss Ihnen sagen: Den Streit, den galt; die haben sich dann ihre eigenen Regeln Sie über die Presse führen, die Uneinigkeit, mit der gemacht. Sie Niedersachsen eben nicht gestalten können, So geht Krisenmanagement nicht, liebe Kollegin- ist bodenlos. nen und Kollegen! Bei Ihrer satten Mehrheit hätten (Beifall bei den GRÜNEN) Sie sich zusammenraufen und wirklich etwas für Niedersachsen gestalten können. Da haben wir den selbsternannten Schattenin- nenminister Uwe Schünemann, der bei Boris Pisto- (Beifall bei den GRÜNEN) rius immer ein Haar in der Suppe und keine einzi- Über Finanzpolitik möchte ich erst einmal mit CDU ge gute Tat findet. und FDP reden. Denn sie haben hier einen doppel- Da haben wir Herrn Althusmann, der im Alleingang ten Boden. Sie fordern hier alles Mögliche, sie Entbürokratisierung bei Unternehmen und Verga- erheben riesige Forderungen mit hohen Kosten: ben auf den Weg bringt, der im Alleingang irgend- A 13 für alle, dritte Kraft, mehr Kitas, welche Maßnahmen vollzieht und mit einer riesi- (Wiard Siebels [SPD]: Ich dachte, das gen Schattenstaatskanzlei den Ministerpräsidenten machen Sie! - Johanne Modder kontrolliert. [SPD]: Sie fordern das!) (Christian Meyer [GRÜNE]: 100 Stel- Entlastung von Unternehmen. len!) (Wiard Siebels [SPD]: Da haben Sie Und wir haben einen Minister Lies, der permanent sich wohl ein bisschen vertan! - Unru- aktionistisch verkündet, was er machen will - Lan- he - Glocke der Präsidentin) deswohnungsbaugesellschaft und was er nicht alles möchte -; allein liefern tut er nicht. Herr Minis- - A13 für alle! Herr Seefried ist durch die Gegend ter Lies, mit Schlagzeilenpolitik schützt man das gerannt: Wenn wir regieren, dann werden alle Klima nicht! Lehrkräfte nach A 13 bezahlt; dafür haben Sie mein Wort. - Nicht eingelöst! (Beifall bei den GRÜNEN) Aber was ich Ihnen eigentlich sagen wollte: Sie Die GroKo ist am Ende sich selbst die beste Op- fordern alles, und wenn Sie dann liefern sollen, position. Das merken wir in diesem Haus immer sagen Sie: Oh, wir haben kein Geld, wir müssen wieder. Das ist nicht etwa schlimm, weil Herr Birk- finanzpolitisch seriös sein. ner und ich es dadurch immer wieder nicht schaf- fen, zitiert zu werden; das halten wir beide durch- (Wiard Siebels [SPD]: Und Sie sagen, aus aus. Aber es ist schlimm für die Menschen in wir fordern einfach weiter!) Niedersachsen. Ich lade doch auch nicht Menschen in ein Restau- (Johanne Modder [SPD]: Auch Sie rant ein und sage: „Bestellen Sie alles, was auf der fangen an, das Land schlecht zu re- Karte ist!“, schaue mir dann die Preise an und den!) sage: Huch, ich habe gar kein Geld! - So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist kei- Denn die Bürger wollen eine verlässliche und ne seriöse Finanzpolitik. handlungsfähige Regierung. Aber bei Ihnen sind allein der Streit, der Parteienegoismus und der (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN) Stillstand aufgrund von Uneinigkeit verlässlich. Das ist deshalb besonders bitter, weil Niedersach- Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, mögen sen gerade an einem Scheideweg ist. Wir haben Bürgerinnen und Bürger gar nicht. heute, wir haben jetzt die Wahl zu treffen: Wollen (Beifall bei den GRÜNEN) wir die Zukunft aktiv gestalten, oder wollen wir sie verschlafen? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Das wird besonders in der Corona-Krise deutlich, das ist die Entscheidung, die wir heute, im Hier in der Sie Ihre Uneinigkeit eben nicht intern geklärt und Jetzt, treffen müssen. haben, sondern über die Presse. Da verkündet Herr Weil eine Maskenpflicht - dann wird sie wie- Das ist auch eine Frage von Generationengerech- der eingeholt. Da verkündet Herr Althusmann, tigkeit, Herr Hilbers. Ich kann meiner Jugend ein

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Haus vererben und sagen: Ich habe es saniert, ich (Jens Nacke [CDU]: Ich möchte ein- habe Geld in die Hand genommen, es ist auf dem mal wissen, wie Grüne Schlaglöcher neuesten Stand, und es ist vor allem heile. - Oder in Straßen bauen!) ich kann sagen: Hier, schaut mal, diese restlichen Steine, das war einmal dein Haus. Aber dafür hast Dann können wir gerne die lebhafte Debatte fort- du ein ausgeglichenes, leeres Portemonnaie, und setzen. die Nebenkosten kannst du fast alle bezahlen. Bitte, Frau Kollegin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eben nicht seriös, nicht in die Zukunft zu investieren. Wir Julia Willie Hamburg (GRÜNE): müssen jetzt gestalten. Da haben wir den Sparminister Hilbers, der mit der (Beifall bei den GRÜNEN) schwarzen Null alles ausbremst, und wir haben den Sonntagsreden schwingenden Stephan Weil, Wir müssen Niedersachsen klimaneutral aufstel- der als Landesvorsitzender den Niedersachsen- len. Wir müssen unseren Industriestandort zu- fonds ausruft. Und am Ende passiert nichts. Es ist kunftsfähig gestalten. für Niedersachsen am schlimmsten, wenn einfach gar nicht gestaltet wird. (Glocke der Präsidentin) Deswegen fordere ich Sie auf, Herr Weil - die Zu- Die Stahlindustrie und alle warten darauf, dass wir kunft gestaltet man eben nicht in Sonntagsreden jetzt investieren. Auch grünen Wasserstoff gibt es auf dem Parteitag, sondern durch beherztes Han- nicht zum Nulltarif. Fachkräfteoffensiven, bessere deln -: Wenn Sie wirklich einen Niedersachsen- Bildung für alle - das gibt es nicht zum Nulltarif. fonds wollen, dann bringen Sie einen Niedersach- Auch der Wohnungsbau in Niedersachsen wird senfonds! nicht zum Nulltarif nach vorne gebracht, liebe Kol- leginnen und Kollegen. (Johanne Modder [SPD]: Sie haben Unsere Jugend hat eben wenig davon, wenn wir das mit der Koalition noch nicht ver- ihr Schlaglöcher in die Straßen bauen. standen!)

(Wiard Siebels [SPD]: Wir bauen sie Wenn Sie wirklich investieren wollen, dann inves- da nicht rein!) tieren Sie! Nutzen Sie Ihre Richtlinienkompetenz und gehen Sie mit Niedersachsen nach vorne! Wir haben schon auch einen Anspruch und eine Nicht zu handeln, ist für Niedersachsen die Verantwortung, unser Land an dieser Stelle voran- schlechteste Option. zubringen. (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - (Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- Christian Meyer [GRÜNE]: Kaputtspa- cke [CDU]: Sie wollen doch gar keine ren!) Straßen!)

- Wir wollen sie sanieren und nicht neu bauen. Das Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: ist der Punkt. Das ist finanzpolitisch seriös. Da Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregie- haben wir Grüne es mal wieder bewiesen, liebe rung hat nun Herr Ministerpräsident Weil das Wort. Kolleginnen und Kollegen. (Jens Nacke [CDU]: Ich will jetzt wis- (Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von sen, wieso die Grünen Schlaglöcher der SPD und von der CDU) in Straßen bauen! - Gegenruf von Ju- Aber Sie beide sind sich eben uneins. Da haben lia Willie Hamburg [GRÜNE]: „Sparen“ wir den Sparminister Hilbers - - - habe ich gesagt, nicht „bauen“! - Christian Meyer [GRÜNE]: Wir haben (Anhaltende Zurufe - Unruhe) gestern von Sanierung gesprochen! Sie haben nicht zugehört, Herr Na- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: cke!)

Einen Moment, bitte, Frau Kollegin Hamburg! Die - Jetzt beenden wir den interessanten Dialog. Zeit wird Ihnen gutgeschrieben. - Ich möchte noch einmal um etwas Ruhe bitten. Der Herr Ministerpräsident Weil hat das Wort.

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Stephan Weil, Ministerpräsident: antwortungsbewusstsein kommt noch ein zweiter Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Punkt hinzu - den wollte ich Ihnen auch noch erklä- Ich wollte jetzt einmal zum Titel des Antrages zur ren -: Wir, diese beiden Koalitionspartner, sind Aktuellen Stunde zurückkommen. Darin hat die nämlich nach wie vor sehr unterschiedlich: unter- FDP ja die Frage gestellt: Was hält die Koalition schiedliche Geschichten, unterschiedliche Rang- zusammen? - Ich will noch einmal versuchen, es folgen von Prioritäten, gelegentlich auch ein unter- Ihnen zu erklären, lieber Herr Kollege Birkner. Ich schiedlicher Stil. Es ist nicht alles eins. Das kann gebe mir echt Mühe. man nicht sagen. (Zuruf von der FDP: Der Wille zur Aber diese Koalition hat vom ersten Tag an einen Macht! - Julia Willie Hamburg [GRÜ- sehr respektvollen, pfleglichen Umgang miteinan- NE]: Der Wille zur Macht! - Heiterkeit der gefunden, nämlich dort, wo der jeweils andere bei den GRÜNEN) Partner nachvollziehbar darstellt, dass etwas für ihn nicht geht, darauf Rücksicht zu nehmen, wäh- Am Anfang - das kommt auch in Ihrer Überschrift rend dieser umso kompromissbereiter überall in zum Ausdruck - steht wieder ein Missverständnis. anderen Bereichen ist. So stelle ich mir einen er- Das kriegt man nicht heraus. Wir sind nicht in ers- wachsenen, einen vernünftigen Umgang unter ter Linie zusammen in die Regierung gegangen, Koalitionspartnern vor. Dafür möchte ich mich üb- weil wir Unmassen von Geld ausgeben wollten, rigens an dieser Stelle bei den beiden Koalitions- sondern aus Verantwortungsbewusstsein, lieber fraktionen sehr herzlich bedanken. Herr Kollege Birkner - aus Verantwortungsbe- wusstsein! (Beifall bei der SPD und bei der CDU) (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Ich könnte Ihnen jetzt ein praktisches Beispiel der CDU) nennen. Nehmen Sie die Landeswohnungsbauge- sellschaft! Die halten die einen in der Regierung Das ist ein wunder Punkt, und ich will weiß Gott für eine gute Idee, die anderen in der Regierung keine alten Wunden aufreißen, aber man muss ja halten sie für keine gute Idee. schon daran erinnern dürfen, dass SPD und CDU einen knüppelharten Wahlkampf gegeneinander (Christian Meyer [GRÜNE]: Also geführt haben. Wir haben uns dabei gegenseitig kommt sie nicht?) nichts geschenkt, und wir hatten jeweils nicht den Wir werden in dieser Legislaturperiode dazu si- Plan, miteinander zu regieren. Aber nach den cherlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner Wahlen haben wir festgestellt, dass wir uns zu- kommen. sammenraufen müssen, weil dieses Land sonst ruckzuck wieder in Neuwahlen hineingeht. Wir (Christian Meyer [GRÜNE]: Anders, haben auf dieser Grundlage das gemeinsame als Lies erklärt hat!) Gefühl der Verantwortung gehabt. Und ich sage Wir haben aber vereinbart, dieses schwierige Vor- Ihnen eines: Dieses Gefühl - gemeinsames Ver- haben sehr seriös von vorne bis hinten durchzu- antwortungsbewusstsein - ist die Basis dieser Koa- deklinieren, sodass es anschließend so oder so lition bis zum heutigen Tag, lieber Herr Birkner. entschieden werden kann. - Das ist ein gutes Bei- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei spiel. der CDU) Oder nehmen Sie das letzte Wochenende! Sie Auf dieser Grundlage - und das ist mir jetzt wirklich haben sich doch schon richtig darauf gefreut, dass sehr ernst - haben wir unser Land mit einem bei- in der Woche danach deutlich wird: Beim Thema spiellosen Kraftakt durch die größte Krise in der Kita-Gesetz wird es nicht so leicht werden zwi- Geschichte des Landes Niedersachsen geführt. schen diesen Koalitionspartnern. Was ist gesche- Darauf können wir stolz sein, liebe Kolleginnen hen? - Wieder nichts! Wieder hat es nicht geklappt und Kollegen. mit Ihren Hoffnungen. Die Große Koalition ist mit einem guten Vorschlag zur Novellierung des Kita- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Gesetzes herausgegangen, der CDU) (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Was? - Auf dieser Grundlage werden wir unser Land er- Christian Meyer [GRÜNE]: Das sehen folgreich aus dieser Krise herausführen. Da bin ich die Kitas aber anders!) sehr sicher. Denn zu diesem gemeinsamen Ver-

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der, glaube ich, insgesamt sehr dazu beigetragen ist das ein Politikstil, den zumindest wir nicht pfle- hat, dass wir diese schwierige Frage gut beantwor- gen. - Das ist die erste Bemerkung. ten können. Die zweite Bemerkung, Herr Ministerpräsident: Sie (Jörg Bode [FDP]: Haben Sie heute haben nichts dazu gesagt - das ist aus meiner Morgen die Zeitung gelesen?) Sicht die entscheidende Frage -, wie Sie es jetzt eigentlich verstehen, dass es nicht auflösbare Mei- Und ich sage Ihnen noch ein Drittes: Derzeit arbei- nungsverschiedenheiten gibt. tet Reinhold Hilbers intensiv an der Aufstellung des Doppelhaushaltes für die nächsten beiden Jahre. (Wiard Siebels [SPD]: Das hat er doch Sie können wieder davon ausgehen, dass wir am geschildert!) Ende von sehr ruhigen, ergebnisorientierten, ver- - Dazu hat er eben nichts gesagt. Er hat viele Ne- nünftigen Gesprächen zu einem gemeinsamen belkerzen geworfen, dass das alles großartig sei. guten Ergebnis kommen werden, lieber Herr Birk- ner. (Wiard Siebels [SPD]: Er hat etwas zur Landeswohnungsbaugesellschaft (Christian Meyer [GRÜNE]: Das wäre gesagt!) ja wohl auch ein Ding, wenn es kei- nen Haushalt gäbe! - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Dafür wird der Landtag Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: schon sorgen!) Herr Siebels, keine Dialoge!

Was ich damit unter dem Strich sagen will: Das (Wiard Siebels [SPD]: Das war ein sind schlechte Nachrichten für die Opposition. Das Zwischenruf!) sind gute Nachrichten für das Land. Denn auf der gleichen guten Grundlage, auf der wir dieses Land Dr. Stefan Birkner (FDP): in den letzten mehr als dreieinhalb Jahren geführt Es ist noch ein Viertel der Legislaturperiode offen. haben, werden wir es auch bis zu den Landtags- Wie wollen Sie eigentlich bei nicht auflösbaren wahlen führen. Meinungsverschiedenheiten bezüglich zentraler Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Projekte in diesem Land dieses Land erfolgreich weiter regieren? - Diese Antwort sind Sie schuldig (Starker Beifall bei der SPD und bei geblieben. der CDU) (Beifall bei der FDP - Johanne Mod- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: der [SPD]: Das stimmt nicht! Sie ha- ben nicht zugehört! Zuhören!) Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erhält nun noch Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: einmal der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Dr. Birkner, für anderthalb Minuten das Wort. Bitte! Vielen Dank. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, weitere Wort- Dr. Stefan Birkner (FDP): meldungen sehe ich nicht. Damit ist die Aktuelle Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Stunde für diesen Tagungsabschnitt beendet. ten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minis- Ich rufe auf den terpräsident, Sie sollten nicht von sich auf andere schließen, wenn Sie glauben, dass wir als Opposi- tion darauf hoffen, dass Sie scheitern. Wir hoffen, Tagesordnungspunkt 29: dass Sie gute Politik für das Land machen, Dringliche Anfragen (Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD und von der CDU: Oh! - Wiard Siebels [SPD]: Das sind Wortbeiträge, Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor. die das Plenum noch ganz dringend Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen gel- braucht!) tenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze und haben ein Interesse, dass es z. B. konkret ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise, wie eine dritte Kraft für die Kindergärten gibt. Insofern üblich, besonders darauf hin, dass einleitende

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Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig schen Verfassung höher als im Grundgesetz, wo sind. eine einfache Mehrheit ausreicht.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, Die frühere rot-grüne Koalition mit Finanzminister bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, Peter-Jürgen Schneider hatte auf eine Regelung in wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten. der Landesverfassung verzichtet und für Beschlüs- se über Ausnahmen lediglich eine einfache Mehr- Wir beginnen mit dem Punkt heit vorgesehen. Laut Finanzminister Hilbers ist die sogenannte Schuldenbremse in Niedersachsen von der Großen Koalition in der Verfassung veran- a) Welche Position hat Niedersachsen zur In- kert worden. Am 3. November 2020 distanzierte vestitionsbremse bei Klimaschutz und Bildung sich die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Johanne und zur Gründung einer Landeswohnungsbau- Modder, jedoch von der selbst beschlossenen und einer Landeshochschulgesellschaft? - Investitionsbremse: Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9440 „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir nach der Pandemie, die gewiss nicht in eini- gen Monaten vorbei ist, die Wirtschaft wie- Die Anfrage wird vom Kollegen Herrn Wenzel ein- der hochfahren. Da ist die Schuldenbremse gebracht. Bitte, Herr Kollege! eher hinderlich.“

Stefan Wenzel (GRÜNE): Das war ein Zitat aus der HAZ vom 3. November 2020 unter der Überschrift „SPD in Niedersachsen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- will wieder mehr Schulden machen können“. leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Pressestelle des der Richtlinienkompetenz von Ministerpräsident Weil unterworfenen Finanzminis- Welche Position hat Niedersachsen zur Investiti- teriums gab hingegen am 3. November 2020 fol- onsbremse bei Klimaschutz und Bildung und zur gende Mitteilung heraus: Gründung einer Landeswohnungsbau- und einer Landeshochschulgesellschaft? „Angesichts verschiedener Überlegungen, ob und inwieweit Ausnahmen von der 2009 wurde mit den Stimmen der Fraktionen von Schuldenbremse möglich oder notwendig CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag - seien, erklärte der Niedersächsische Fi- und gegen die Stimmen der Fraktion Bünd- nanzminister Reinhold Hilbers, dass er sol- nis 90/Die Grünen - in Artikel 109 des Grundgeset- che Überlegungen grundsätzlich ablehne. ... zes ein Verbot der Nettoneuverschuldung auch für Aufgabe der Politik sei es, richtig zu gewich- Investitionen aufgenommen. ten und nicht finanzierbare Aufgaben zu 2019 beschloss die SPD-geführte Niedersächsi- verschieben oder ganz aufzugeben. Alles sche Landesregierung einen Gesetzentwurf zur müsse dabei auf den Prüfstand.“ Aufnahme des Verbots der Nettokreditaufnahme in die Niedersächsische Verfassung. Laut Pressemit- Am 6. November 2020 meldete die Hannoversche teilung der Staatskanzlei von Ministerpräsident Allgemeine Zeitung unter der Überschrift „Auch Stephan Weil vom 19. März 2019 ist dies „ein aus- Ministerpräsident Stephan Weil ist gegen die drückliches Bekenntnis zur Schuldenbremse“. Ab- Schuldenbremse“: weichungen von dem Verbot der Nettokreditauf- „Nach der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzen- nahme sind nach der von den Fraktionen von SPD den Johanne Modder hat sich jetzt auch und CDU gegen die Stimmen der Fraktion Bünd- Niedersachsens Ministerpräsident Stephan nis 90/Die Grünen am 23. Oktober 2019 im Nieder- Weil (SPD) für eine Abschaffung der Schul- sächsischen Landtag beschlossenen Regelung denbremse ausgesprochen. ‚Ich stand noch auch im Falle von Naturkatastrophen und einer nie in der Fankurve der Schuldenbremse‘, außergewöhnlichen konjunkturellen Lage nur mit sagte der Ministerpräsident der Tageszei- einer Zweidrittelmehrheit möglich, sobald die Kre- tung Welt.“ ditsumme mehr als 0,5 % des letzten Haushaltsvo- lumens beträgt.Damit ist die Hürde zur Aufnahme (Zurufe von den GRÜNEN und von von Krediten in Notsituationen in der Niedersächsi- der FDP: Ach! - Christian Meyer

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[GRÜNE]: Kurz nachdem er sie be- vorschlagen und den Sie auf Landesebene schlossen hat!) ablehnen, oder?“

„Gerade unter dem Druck der Pandemie und Weiterer erheblicher Finanzbedarf ist in den kom- ihrer Konsequenzen werden in den nächs- menden Jahren beim Klimaschutz, bei der Digitali- ten Jahren große Aufgaben auf den Staat sierung, bei Wohnen, Bildung, Mobilität, Natur- zukommen. Die Handlungsfähigkeit des schutz, Wirtschaft und durch Corona-Folgen bei Staates aber ist durch die Schuldenbremse den Kommunen zu erwarten. deutlich eingeschränkt“. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesre- In diesem Zusammenhang wird aktuell auch über gierung: eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft und 1. Soll nach Auffassung von Ministerpräsident eine eigene Landeshochschulgesellschaft disku- Stephan Weil das von SPD und CDU im Landtag tiert. Umweltminister Olaf Lies erklärte am 29. April 2019 gegen die Stimmen der Fraktion Bünd- 2021 im Landtag für die Landesregierung, dass die nis 90/Die Grünen beschlossene Verbot der Netto- Landesregierung eine solche Wohnungsbaugesell- kreditaufnahme in Artikel 71 NV für Investitionen in schaft gründen wolle: Bildung, Wohnen, Bauunterhaltung oder Klima- „Wir prüfen nicht, ob sie notwendig ist, son- schutz geändert werden? dern wir prüfen, wie man so etwas umsetzen 2. Wie steht die Landesregierung zum Modell des kann. ... Wenn der Staat beim Thema Woh- Niedersachsenfonds des DGB, um damit den fi- nen nicht in die Verantwortung geht, dann nanziellen Handlungsbedarf bei kommunalen wird die Privatwirtschaft allein das Problem Corona-Folgen, Bauunterhaltung, Klimaschutz, im Sinne der Mieterinnen und Mieter nicht Neubauten der Maximalversorger, Bildung und lösen.“ Digitalisierung zu finanzieren? Der Gesamtinvestitionsbedarf für die sachgerechte 3. Wie und mit welchem Startkapital wird Minister bauliche Erneuerung beider Hochschulkliniken wird Lies eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft sich einschließlich der Bereiche „Forschung und noch in dieser Legislaturperiode gründen? Lehre“ laut Landesrechnungshof - Jahresbericht 2021, Seite 132 - vermutlich auf über 6 Milliarden Herzlichen Dank fürs Zuhören. Euro summieren. Bei den Hochschulen des Landes (Beifall bei den GRÜNEN) gibt es nach Angaben des DGB Niedersachsen und der LandesHochschulKonferenz Niedersachsen Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: einen Investitionsstau von 4,34 Milliarden Euro - Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Für die Lan- Zitat aus #schlaglicht 4/2021 des DGB -: desregierung antwortet Herr Finanzminister Hil- „Und was macht die Landesregierung in die- bers. Bitte, Herr Minister! Sie haben das Wort. ser Situation? Sie dreht den Geldhahn wei- ter zu! Die Hochschulen müssen seit 2020 Reinhold Hilbers, Finanzminister: eine globale Minderausgabe von 24 Mio. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Euro jährlich leisten.“ und Herren! Für die Länder gilt seit 2020 ein Ver- Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützt der Bund die bot der strukturellen Verschuldung. In Artikel 109 Länder bis 2022; die Folgefinanzierung ist offen. In Abs. 3 des Grundgesetzes ist geregelt, dass es der Neuen Presse vom 5. Juni 2021 erklärte Minis- erlaubt ist, konjunkturelle Bereinigungen vorzu- ter Hilbers, dass er in Qualitätsverbesserungen in nehmen und bei „Naturkatastrophen oder außer- Kitas - wie eine dritte Kraft - nicht investieren, son- gewöhnliche Notsituationen“ auf Ausnahmerege- dern lieber die Unternehmenssteuern senken will. lungen zurückzugreifen. Gleichzeitig sprach er sich gegen den von CDU- Die niedersächsische Schuldenbremse ist in Arti- Kanzlerkandidat Armin Laschet vorgeschlagenen kel 71 der Niedersächsischen Verfassung geregelt Deutschlandfonds für mehr Investitionen aus. Die und ist eine stabile Leitplanke auf dem Weg zu Frage in der Neuen Presse lautete: einer verantwortungsvollen Finanz- und Haus- haltspolitik. Sie ist geltendes Verfassungsrecht und „Im Prinzip ist die Forderung von Armin La- basiert damit auf dem formellen Rechtsträgerprin- schet aber schon sehr ähnlich zum Nieder- zip. sachsenfonds, den die Grünen und der DGB

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Dabei ist die Schuldenbremse ein Konstrukt, das in Die frühzeitig beschlossenen Maßnahmen entfal- der Krise ausreichend flexibel ist - das hat sich ten auch im Jahr 2021 ihre Wirkung, wie Sie das gezeigt -, um angemessen auf die Herausforde- von dem Sondervermögen kennen. Der Landes- rungen reagieren zu können. In Krisenlagen er- haushalt 2021 hat ein Volumen von rund 35,9 Mil- möglicht sie, über das Instrument der Konjunktur- liarden Euro. Mit diesen Geldern sichern wir die bereinigung hinaus temporär Kredite aufzuneh- Strukturen in Niedersachsen und bringen unser men, verpflichtet aber gleichzeitig dazu, die aufge- Land voran. Dass dies möglich ist, verdanken wir nommenen Schulden in einem dafür vorgesehe- der soliden und umsichtigen Haushaltspolitik ver- nen Zeitplan zu tilgen und in konjunkturell guten gangener Jahre. Nur dadurch bestanden in der Zeiten mit entsprechenden Rücklagen Vorsorge zu Pandemie die entsprechenden Spielräume, die wir treffen. brauchten, um notwendige Kredite aufnehmen und entschlossen handeln zu können. Darauf waren Dabei bleibt die Nutzung der Ausnahmetatbestän- wir gut vorbereitet: Seit 2017 haben wir deutlich de zur Kreditaufnahme formell und materiell das mehr als eine Dreiviertelmilliarde Euro an Altschul- Thema des Haushaltsgesetzgebers. den getilgt. Bereits 2019 - das ist hier eben schon Meine Damen und Herren, eine vom Grundsatz bei einem anderen Tagesordnungspunkt ange- abweichende zulässige Neuverschuldung in Kri- klungen - war das strukturelle Defizit vollständig senlagen muss, wie angesprochen, grundsätzlich abgebaut, und wir haben vollständig auf die Nut- mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. zung von Einmaleffekte verzichtet. Die Schulden- Die Schuldenbremse ist ein Konstrukt, das sich bremse steht also - das stelle ich fest - der aktuel- auch in dieser Pandemiezeit bewährt hat. len Krisenintervention nicht im Wege. Auf genau diese Ausnahmeregelung, die ich eben Im Wege stand sie auch nicht einem deutlichen beschrieben habe, zurückzugreifen, war bereits im Ausbau der Investitionen. Ausgehend vom Niveau ersten Jahr des Bestehens der Schuldenbremse der Mipla 2017 bis 2021 haben wir die Investiti- notwendig geworden. Fast zeitgleich mit dem onsausgaben vor allem in der mittelfristigen Fi- Startschuss für die Schuldenbremse begann die nanzplanung deutlich erhöhen können und die COVID-19-Pandemie, die auch den Landeshaus- Ausgabelinien nach oben verschoben. Mit den halt mit voller Wucht getroffen hat. Die Folgen der steigenden Investitionsausgaben in absoluten Zah- Pandemie haben gravierende Auswirkungen auf len geht eine Erhöhung der Investitionsquote in die Wirtschaft und damit auch auf die Steuerein- unserem Land einher. Die Mipla 2017 bis 2021 nahmen unseres Landes und aller anderen staatli- wies eine Investitionsquote von 4,6 % aus. Jetzt chen Ebenen. Die Größe dieser Herausforderung hören Sie zu: In der Mipla 2020 bis 2024 beträgt und die Höhe der Steuerausfälle waren und sind sie 6,4 % und im aktuellen Haushalt 6,6 %. Diese ohne eine Neuverschuldung in der aktuellen Situa- deutliche Steigerung bedeutet eine Stärkung der tion nicht zu bewältigen. Investitionstätigkeit in unserem Land. Es ist wich- tig, dass wir diesen Switch gemacht haben. Die Landesregierung und der Haushaltsgesetzge- ber haben daher diese Herausforderung schnell Dabei ist zu berücksichtigen, dass angesichts der und umfassend angenommen und darauf reagiert. guten konjunkturellen Entwicklungen das Haus- Bereits am 25. März 2020 - das wissen Sie - wur- haltsvolumen insgesamt gestiegen ist. Die von mir den mit einem 1,4 Milliarden Euro umfassenden gerade genannten Prozentpunkte beziehen sich ersten Nachtragshaushalt für das Jahr 2020 die also auf eine gestiegene Basis und wirken sich haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit noch einmal deutlich stärker aus. Betrug das um in unserem Land die notwendigen Maßnahmen Haushaltsvolumen im Haushaltsplan 2017 noch zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung 30,4 Milliarden Euro, belief es sich 2020 - vor der sowie zur Unterstützung der niedersächsischen Pandemie - auf 34,7 Milliarden Euro. Damit zeigt Wirtschaft ergreifen zu können. Am 15. Juli letzten sich, dass die Investitionsquote, aber auch der Jahres hat der Landtag einen zweiten Nachtrags- Ausbau der Investitionen deutlich nach oben ge- haushalt 2020 mit einem Finanzvolumen in Höhe gangen sind. von 8,4 Milliarden Euro beschlossen. Das war Mehr als 3,7 Milliarden Euro - 3,7 Milliarden Euro! - möglich, weil der Niedersächsische Landtag die wurden außerdem in den vergangenen Jahren in Notsituation im Sinne der Schuldenbremse aner- Form von Sondervermögen zusätzlich zur nachhal- kannt und damit diese Verschuldung zur Überwin- tigen Stärkung der Investitionen in unserem Land dung der Krise möglich gemacht hat. bereitgestellt. Es ist eine einmalige Situation, der-

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art viel Investitionsgelder für die Investitionen in Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: unserem Land mobilisiert zu haben! Vielen Dank, Herr Minister Hilbers. - Die erste Zu- satzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Diese Entwicklung widerlegt sehr klassisch und stellt Frau Abgeordnete Viehoff. deutlich die Behauptung, die Schuldenbremse sei eine Investitionsbremse, und zeigt schlagend, dass Eva Viehoff (GRÜNE): sie nicht stimmen kann. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herz- (Beifall bei der CDU - Christian Meyer lichen Dank, dass ich die Frage stellen kann. [GRÜNE]: Das sieht der Ministerprä- Herr Minister Hilbers, vor dem Hintergrund, dass sident wohl anders!) an den Hochschulen ein erheblicher Investitions- Ich komme jetzt zu Ihren Einzelfragen und beant- stau besteht, frage ich Sie: Wie stehen Sie zu einer worte die Fragen 1 und 2 gemeinsam: Die Landes- landeseigenen Hochschulentwicklungsgesell- regierung ist sich darin einig, den geltenden schaft, so wie sie der DGB vorgeschlagen hat, um grundgesetzlichen und verfassungsrechtlichen zeitnah Investitionen an den Hochschulen zu er- Rahmen bei der Aufstellung des Landeshaushalts möglichen? einzuhalten. Jenseits der Regelungen zur Konjunk- (Beifall bei den GRÜNEN) turbereinigung und in Notsituationen schließt dies Nettokreditaufnahmen aus. Die Landesregierung Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: lehnt es nachdrücklich ab, zentrale Zukunftsthe- men gegeneinander auszuspielen. Vielmehr hat Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Finanzminister sie das Ziel, diese sinnvoll und verfassungskon- Hilbers antwortet. Bitte! form miteinander zu verknüpfen und umzusetzen. Innerhalb des aufgezeigten Rahmens wird die Reinhold Hilbers, Finanzminister: Landesregierung im Sommer im Sinne einer voll- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau umfänglichen und nicht nur einseitigen Generatio- Viehoff, das Modell, das ich dort gelesen habe, nengerechtigkeit einen Doppelhaushalt 2022/2023 basiert darauf, dass der Kapitaldienst dann über vorlegen, der dem Regelwerk entsprechen und die Hochschulen dieser Gesellschaft zugeführt zugleich die notwendigen Akzente für Zukunftsin- wird. Damit wäre dies eine reine Umgehung der vestitionen vorsehen wird. Schuldenbremse. Immer dann, wenn das Land für diesen Kapitaldienst und für die Begleichung des Zu Frage 3: Die Niedersächsische Landesregie- Kapitaldienstes aufkommen muss, ist das ein rung befindet sich noch mitten im regierungsinter- Schattenhaushalt. Insofern führt es nicht zu ande- nen Entscheidungsprozess über die Wirkung und ren Ergebnissen als dann, wenn der Staat diese mögliche Ausgestaltung einer Landeswohnungs- Kredite selbst aufnehmen würde. Das wäre nicht gesellschaft. Daher kann ich Ihnen zur konkreten schuldenbremsenkonform. Ausgestaltung einer möglichen Landeswohnungs- gesellschaft noch keine Detailauskünfte geben. (Zustimmung bei der CDU) Natürlich werden wir Sie aber bei entsprechender Beschlussfassung über entsprechende Themen Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: informieren. Vielen Dank, Herr Minister. - Die zweite Zusatzfra- ge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Auch die Höhe des Stammkapitals steht nicht fest, der Abgeordnete Meyer. meine Damen und Herren. Mögliche Angliederun- gen und Kooperationen - danach hatten Sie ge- Christian Meyer (GRÜNE): fragt - mit bereits bestehenden Landesgesellschaf- ten sind Teil der Überlegungen, die regierungsin- Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich frage noch tern stattfinden. Das Umweltministerium sowie das einmal zur Landeswohnungsbaugesellschaft. Ist Finanzministerium befinden sich hier auf Arbeits- die zitierte Aussage, dass die Landesregierung die ebene im engen Austausch. Notwendigkeit einer Landeswohnungsbaugesell- schaft festgestellt hat und es nur noch um das Wie, Ich bedanke mich herzlich. aber nicht um das Ob geht, die Auffassung der gesamten Landesregierung? Denn das ist mir bei (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Ihrer Aussage, Herr Hilbers, nicht klar geworden.

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(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf: Das Helge Limburg (GRÜNE): steht im Widerspruch zur Aussage Frau Präsidentin, Sie machen es mir im Falle mei- des Ministerpräsidenten!) ner Wahl nicht leichter zu gehen, wenn Sie mich hier mit solchen Komplimenten bedenken! Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Heiterkeit) Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister! Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Reinhold Hilbers, Finanzminister: Das war meine Absicht. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Meyer, wir haben in der Regierung vereinbart, (Jens Nacke [CDU]: Wenn man die dass wir sowohl das Wie als auch das Ob prüfen. Jacke anlässt, braucht man sie gar nicht wieder anzuziehen! - Christian (Christian Meyer [GRÜNE]: Also war Meyer [GRÜNE]: Manche kriegen sie die Aussage von Herrn Lies falsch?) ja nicht zu! - Heiterkeit)

- Ich habe keine falsche Aussage bei Ihrem Wort- Helge Limburg (GRÜNE): beitrag feststellen können. Dann müssen Sie noch einmal nachfragen. Lieber Herr Nacke, die Jacke, die ich zu Ihrem Abschied anziehe, wartet schon geduldig auf einen (Christian Meyer [GRÜNE]: Das steht zweiten Einsatz. - Sie wissen, welche ich meine. doch in der Anfrage drin! - Zuruf: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, bei Ihrem Wortbeitrag!) Vor dem Hintergrund, dass der Finanzminister hier für die ganze Landesregierung antworten muss Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: und nicht nur seine persönliche Meinung darstellen Herr Kollege Meyer, Sie können gerne noch eine darf, frage ich noch einmal nach, ob Ihre Ausfüh- Nachfrage stellen. Aber jetzt antwortet Herr Minis- rungen zur Schuldenbremse - - - Sie haben ja ge- ter. sagt, es bestehe überhaupt kein Änderungsbedarf; die Schuldenbremse sei gut so, wie sie ist. Da Reinhold Hilbers, Finanzminister: meine ich doch einen kleinen Widerspruch zu den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten ver- Ich habe Ihnen auf Ihre Frage geantwortet, dass nommen zu haben, der für Änderungen plädiert wir sowohl das Ob als auch das Wie prüfen. hat. (Christian Meyer [GRÜNE]: Danke! Falschaussage!) Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Und jetzt bitte die Frage, Herr Kollege! Das ist ja das, was Sie wissen wollen.

Vielen Dank. Helge Limburg (GRÜNE): Waren Ihre Ausführungen zur Schuldenbremse (Christian Meyer [GRÜNE]: Danke für und auch gerade zur Landeswohnungsbaugesell- den Staatsgerichtshof!) schaft tatsächlich die Auffassung der gesamten Landesregierung, oder haben Sie hier die Einzel- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: meinung des Finanzministers vertreten?

Vielen Dank. - Jetzt folgt die dritte Zusatzfrage der (Beifall bei den GRÜNEN) Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege Limburg! Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Helge Limburg [GRÜNE] zieht sich Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Hilbers! auf dem Weg zum Redepult sein Sak- ko an) Reinhold Hilbers, Finanzminister:

- Wunderbar! Sie sehen gut aus! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir antworten immer für die ganze (Heiterkeit) Landesregierung.

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(Beifall bei der CDU - Julia Willie (Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birk- Hamburg [GRÜNE]: Ach ja? Olaf Lies, ner [FDP]: Und was ist jetzt die Auf- das war’s wohl! - Christian Meyer fassung?) [GRÜNE]: Wohnungsbaugesellschaft ade! - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Das tut weh! - Zuruf von der SPD: Vielen Dank. - Die zweite Zusatzfrage für die FDP- Man kann doch unterschiedliche Mei- Fraktion stellt nun Herr Kollege Bode. nungen haben! - Gegenruf von Chris- tian Meyer [GRÜNE]: Wer hat denn Jörg Bode (FDP): hier „unterschiedliche Meinungen” ge- Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Ministerprä- sagt? Er hat gesagt, dass es so bleibt sident Weil, teilen Sie die eben von Finanzminister und dass das die Auffassung der Hilbers gemachten Aussagen zur Bewertung der Landesregierung ist!) Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Niedersachsen? Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Beifall bei der FDP) Vielen Dank. - Die erste Zusatzfrage für die FDP- Fraktion stellt nun der Fraktionsvorsitzende, Herr Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Dr. Birkner. Bitte! Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Ministerpräsident Weil. Bitte, Herr Minister- Dr. Stefan Birkner (FDP): präsident! Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- ten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass (Jens Nacke [CDU]: Ich dachte, die der Herr Ministerpräsident gerade in der Aktuellen Fragen müssen an die Landesregie- Stunde - und auch in seinem Zitat, auf das wir rung gerichtet werden! - Gegenruf von Bezug genommen haben - ausgeführt hat, dass Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wer antwor- nach seiner Auffassung die Schuldenbremse sehr tet, kann die Landesregierung aber wohl ein Hindernis im Hinblick auf die Investitionen selber entscheiden!) ist - Stichwort „Klimafonds“ usw. -, und dass der Bitte, Herr Ministerpräsident! Herr Finanzminister hier in der Beantwortung der Anfrage ausgeführt hat, es habe sich erwiesen, Stephan Weil, Ministerpräsident: dass die Schuldenbremse kein Hindernis in Bezug Liebe Kolleginnen und Kollegen! Reinhold Hilbers auf die notwendigen Investitionen ist, frage ich die hat eben am Beispiel der erfolgreichen Finanzpoli- Landesregierung, was denn nun tatsächlich ihre tik des Landes Niedersachsen richtig dargestellt, Auffassung ist. unter welchen Voraussetzungen auch bei beste- (Beifall bei der FDP und bei den hender Schuldenbremse eine erfolgreiche Investi- GRÜNEN) tionspolitik möglich ist. (Zustimmung bei der SPD und bei der Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Also Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet doch ein Fan der Schuldenbremse! - Herr Finanzminister Hilbers. Gegenruf von der CDU: Da seid ihr sprachlos!) Reinhold Hilbers, Finanzminister: Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Vielen Dank. - Nun stellt der Abgeordnete Wenzel und Herren! Herr Kollege Birkner, wie ich ausge- die vierte Zusatzfrage für die Fraktion Bünd- führt habe, haben wir in der Vergangenheit bewie- nis 90/Die Grünen. Bitte! sen, dass wir trotz Implementierung der Schulden- bremse unser Investitionsvolumen deutlich gestei- (Zuruf von der CDU: Ruhig noch ein- gert haben und die Investitionsquote gesteigert mal die gleiche Frage!) haben. Ich finde, das könnten Sie in diesem Land einmal anerkennen. Stefan Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- Vielen Dank. leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und

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Herren! Vor dem Hintergrund des Handlungsbe- regierung, ob sie weiß, was genau der Ministerprä- darfs, den der Rechnungshof allein im Bereich der sident eigentlich mit „Korrektur“ meint. Hochschulkliniken - der Maximalversorger - ver- (Beifall bei der FDP) deutlicht hat, frage ich Sie, Herr Finanzminister: Folgen Sie dem Vorschlag des Rechnungshofs, Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: hier ein Investorenmodell unter dem Stichwort ÖPP weiterzuverfolgen? Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Finanzminister Hilbers. Bitte! (Beifall bei den GRÜNEN) Reinhold Hilbers, Finanzminister: Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Vielen Dank. - Es antwortet Herr Finanzminister und Herren! Herr Kollege Grascha, ich habe eben Hilbers. in der Antwort bereits ausgeführt, dass die Landes- regierung beabsichtigt, in Kürze wieder einen Reinhold Hilbers, Finanzminister: Doppelhaushalt vorzulegen. Das werden wir auf Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen der Grundlage der geltenden Verfassung und der und Herren! Ich glaube, wir haben in einzigartiger geltenden Haushaltsgesetzgebung tun. Wir wer- Weise bewiesen, wie wir Verantwortung für die den zeigen, dass wir damit große Investitionen in Hochschulmedizin übernehmen. Über 1 Milliarde unserem Land tätigen können. Euro - der Kollege Thiele hat das eben schon ein- (Zustimmung bei der CDU und bei der mal hier im Haus ausgeführt - stehen bereit, um in SPD) die Hochschulmedizin investiert zu werden. Dieses Investitionsvolumen muss schnellstmöglich umge- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: setzt werden. Das Konzept ist modular aufgebaut. Vielen Dank. - Die fünfte und damit letzte Zusatz- Man wird sehen, wie man mit den weiteren Investi- frage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt tionen vorankommt. Herr Kollege Wenzel. Augenblicklich steht aber 1 Milliarde Euro bereit, (Zuruf von der CDU: Aber zur Schul- und in der Finanzplanung ist eine weitere Finanzie- denbremse, bitte! - Stefan Wenzel rung, eine Auffüllung des Sondervermögens ent- [GRÜNE] begibt sich zum seitlichen sprechend berücksichtigt, sodass man jetzt davon Saalmikrofon) ausgehen kann, dass für die Akutmedizin dort sehr gute Investitionsmöglichkeiten bestehen. Dafür ist Stefan Wenzel (GRÜNE): in guten Zeiten Vorsorge getroffen worden. Das ist nämlich verantwortungsvolle Finanzpolitik: in guten Wenn das Mikrofon hier so steht, kann ich den Zeiten dafür Vorsorge zu treffen! Ministerpräsidenten gar nicht sehen. Dann fühlt er sich nicht angesprochen. Diese Sondervermögen haben Sie stets kritisiert! Jetzt haben wir sie für den Ausbau der Hoch- (Jens Nacke [CDU]: Dann geht man schulmedizin zur Verfügung - und zwar überjährig zu dem anderen Mikrofon! - Gegenruf und zuverlässig. Das ist nämlich unsere konkrete von Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das Politik für die Medizin in Niedersachsen. Das un- führt aber auch nicht dazu, dass er terscheidet uns von Ihren Ankündigungen. antwortet!) (Beifall bei der CDU) Meine sehr verehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: gen! Ich frage vor dem Hintergrund, dass der Mi- nisterpräsident von Nordrhein-Westfalen und der Vielen Dank. - Herr Kollege Grascha stellt nun die Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutsch- dritte Zusatzfrage für die FDP-Fraktion. land einen Deutschlandfonds vorgeschlagen ha- ben: Was ist der Unterschied zwischen diesem Christian Grascha (FDP): Deutschlandfonds und dem vom DGB vorgeschla- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- genen Niedersachsenfonds? leginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass (Beifall bei den GRÜNEN - Helge der Herr Ministerpräsident eine Korrektur der Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!) Schuldenbremse vorschlägt, frage ich die Landes-

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Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Jörg Bode (FDP): Vielen Dank. - Es antwortet Herr Finanzminister Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Hil- Hilbers. bers, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen zu dem angedachten Deutschlandfonds und Ihrer (Jens Nacke [CDU]: Der eine ist für Aussagen, dass Sie durchaus auch Investitionen Deutschland, der andere für Nieder- über Sondervermögen - Sie haben es in der Ant- sachsen! - Heiterkeit - Gegenruf von wort auch als Schattenhaushalt bezeichnet - gelobt Helge Limburg [GRÜNE]: Genau! - und realisiert haben, frage ich Sie: Plant die Lan- Christian Meyer [GRÜNE]: Laschet ist desregierung bzw. prüft sie das Ob oder Wie eines also für Niedersachsen!) ähnlich ausgerichteten Niedersachsenfonds?

Einen Moment, bitte! Die Frage war an die Landes- (Beifall bei der FDP und bei den regierung gerichtet! GRÜNEN)

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Reinhold Hilbers, Finanzminister: Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Hilbers! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der klugen Antwort von Herrn Nacke Reinhold Hilbers, Finanzminister: kann man nur noch hinzufügen, dass Niedersach- sen auch zu Deutschland gehört. Insofern stimmt Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen das. und Herren! Herr Bode, es sind keine Prüfungen über einen solchen Fonds im Gange. Die Details eines möglichen Deutschlandfonds und (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Tja, bald ist die Ideen, die dahinterstehen, sind weder konkreti- Wahlkampf!) siert noch von der Landesregierung geprüft oder bewertet worden. Ich kann Ihnen zu dem DGB- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Modell nur sagen: Solange es so angelegt ist, dass der Kapitaldienst und das, was erforderlich ist, um Vielen Dank, Herr Minister. diesen Kapitaldienst zu bedienen, jeweils aus Lan- Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor, sodass ich desmitteln bereitgestellt werden muss, ist das die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nichts anderes als ein Umgehen der Schulden- schließen kann. bremse. Das trägt sich damit nicht. Wir kommen zu dem Punkt Fonds, die sich tragen sollen, müssen sich aus sich selbst heraus, aus der wirtschaftlichen Ent- wicklung tragen. Wenn ich daraus beispielsweise b) „Nicht auflösbare Meinungsverschiedenhei- Autobahnen baue, die eine Mauteinnahme haben, ten“ zu Beginn des letzten Drittels der Legisla- und das nicht vom Staat, sondern von den Nutzern turperiode - ist die GroKo am Ende? - Anfrage getragen wird, dann kann ich daraus kluge ÖPP- der Fraktion der FDP - Drs. 18/9441 Modelle bauen.

Ich bin grundsätzlich nicht gegen ÖPP-Modelle. Eingebracht wird die Anfrage vom Abgeordneten Sie müssen sich aber rechnen. Sie müssen wirt- Grascha. Bitte, Herr Kollege! Sie haben das Wort. schaftlich sein und müssen sich dann, wenn sie fremdfinanziert sind, aus eigenen Einnahmen her- Christian Grascha (FDP): aus tragen können und nicht auf die staatliche Alimentierung des Haushalts angewiesen sein. So Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich bringe die ist das auch bei uns gesetzlich hinterlegt. dringliche Anfrage unserer Fraktion ein:

(Beifall bei der CDU) Nicht auflösbare Meinungsverschiedenheiten“ zu Beginn des letzten Drittels der Legislaturperiode - ist die GroKo am Ende? Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Auf der Internetseite des vorwärts ist der am Vielen Dank. - Die vierte Zusatzfrage für die FDP- 16. November 2017 erschienene Artikel „Stephan Fraktion stellt Herr Abgeordneter Bode. Weil: Große Koalition in Niedersachsen ist ‚Chance

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für Stabilität“ abrufbar. Darin heißt es, Stephan 2. Kann die Landesregierung ausschließen, dass Weil sprach sie in der verbleibenden Legislaturperiode eine Anpassung der Schuldenbremse initiiert, unter- „von einem ‚Neustart‘ der gegenseitigen Be- stützt oder in den Ministerien bzw. der Staatskanz- ziehungen. Mit der ersten großen Koalition lei vorbereitet oder entwirft? seit 1970 werde ‚ein neues Kapitel in der Landespolitik‘ begonnen.“ 3. Welchen konkreten und bereits begonnenen Ressortvorhaben im Zusammenhang mit der Be- CDU-Landeschef Bernd Althusmann wird im sel- kämpfung der Pandemie bzw. der Überwindung ben Artikel mit der Aussage zitiert: ihrer Folgen räumt die Landesregierung für die „Es geht um einen tragfähigen Zukunftsent- letzten Monate der Legislaturperiode Priorität ein? wurf für Niedersachsen.“ Vielen Dank. Weiter fänden sich alle wesentlichen Punkte der (Beifall bei der FDP und bei den Wahlprogramme beider Parteien im Koalitionsver- GRÜNEN) trag wieder, u. a. habe man sich auf mehr Stellen bei der Polizei - bis zu 3 000 - geeinigt. Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Beim Landesparteitag der SPD am 29. Mai 2021 Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Für die Lan- machte Ministerpräsident Stephan Weil in seiner desregierung antwortet Herr Ministerpräsident Rede vor den Delegierten deutlich, dass er zukünf- Weil. Bitte, Herr Ministerpräsident! tig nicht mehr mit der CDU in Niedersachsen regie- ren wolle. „Nicht auflösbare Meinungsverschieden- Stephan Weil, Ministerpräsident: heiten“ gebe es in Sachfragen wie der Schulden- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kolle- bremse, der Gründung einer Landesbaugesell- gen! Ich nehme zunächst einmal Bezug auf meine schaft oder der Errichtung eines Klimawandel- Ausführungen eben in der Aktuellen Stunde. Diese fonds. Weitere Ausgaben des Landes kündigte er Dringliche Anfrage geht in die gleiche Richtung. für Kinder und Jugendliche im Rahmen eines ent- Folglich ist meine Antwort in etwa dieselbe wie in sprechenden Landesaktionsplans für den Sommer den Aussagen vorhin. an. Darüber hinaus wies der Ministerpräsident in seiner Rede die Forderung des Landesrechnungs- Zur ersten Frage: Mit Ausnahme der dem Landtag hofs zurück, die Neuverschuldung zu begrenzen. bekannten Entscheidungen gibt es keine Be- schlussfassung des Kabinetts, Inhalte der Koaliti- Zur Mittelverwendung der Landesregierung im onsvereinbarung nicht umzusetzen. Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hatte der Landesrechnungshof zuvor in seinem Jahres- Im Übrigen wird das Kabinett in ziemlich genau bericht 2021 formuliert: einem Monat, nämlich am 11. und 12. Juli, über den Haushaltsgesetzentwurf für den Doppelhaus- „Der LRH hält es - auch wegen des drohen- halt 2022/2023 entscheiden. Im Anschluss daran den Verfassungsverstoßes - für erforderlich, wird auch deutlich sein, welche finanzrelevanten dass das Land die im Finanzierungsplan des Vorhaben aus der Sicht der Landesregierung ins- Sondervermögens enthaltenen Maßnahmen besondere unter dem Gesichtspunkt der Pande- insoweit zeitnah auf den Prüfstand stellt. Mit miefolgen noch in dieser Legislaturperiode reali- Blick auf das verfassungsrechtlich geregelte sierbar sind und welche gegebenenfalls nicht. Verschuldungsverbot muss sichergestellt werden, dass das Sondervermögen nicht zur Zur zweiten Frage: Die Landesregierung plant in Finanzierung von politisch priorisierten Maß- dieser Legislatur keine diesbezüglichen Aktivitäten. nahmen ohne COVID-19-Bezug zweckent- Zur dritten Frage: Die Überwindung der Pandemie fremdet wird.“ und ihrer Folgen wird bis zum Ende der Legislatur- Folgende drei Fragen formulieren wir: periode ein Schwerpunkt der Regierungsarbeit sein. Wir wollen Niedersachsen durch gezielte 1. Bezüglich welcher Punkte des Koalitionsvertrags Investitionen auf einen Pfad der positiven wirt- von SPD und CDU hat die Landesregierung be- schaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung reits sichere Erkenntnis, konkrete Gewissheit oder zurückführen. Beispiele dafür sind das derzeit in eine entsprechende Verabredung getroffen, sie in Vorbereitung befindliche Ad-hoc-Programm Innen- dieser Legislaturperiode nicht mehr umzusetzen? stadt, ein Landesaktionsprogramm für Kinder und

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Jugendliche oder die gezielte weitere Unterstüt- und die Landesregierung: Wie und in welchem zung von Unternehmen insbesondere auch zur Umfang wollen Sie private Investitionen aktivieren? Sicherung von Arbeitsplätzen. Natürlich gehören auch Investitionen in die Zukunftsfähigkeit dazu, Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: sei es im Bereich Klimaschutz und Klimafolgenan- Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die Landesre- passung, aber auch im Bereich Digitalisierung und gierung antwortet der Ministerpräsident. Innovation. Herzlichen Dank. Stephan Weil, Ministerpräsident: Lieber Herr Birkner, einer solchen Mobilisierung (Beifall bei der SPD und bei der CDU) privaten Kapitals stehen wir selbstverständlich positiv gegenüber. Ein gutes Beispiel ist etwa der Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Innovationsfonds, der im Rahmen der COVID-19- Vielen Dank. - Die erste Zusatzfrage für die FDP- Sonderprogramme eingerichtet worden ist und der Fraktion stellt Herr Kollege Bode. Bitte, Herr Kolle- insbesondere auch eine Einbeziehung privater ge! Partner vorsieht.

Jörg Bode (FDP): Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Ministerprä- Vielen Dank. - Die dritte Zusatzfrage für die FDP- sident Weil, vor dem Hintergrund, dass es bei der Fraktion stellt nunmehr Herr Kollege Grascha. Frage auch um unüberbrückbare Meinungsunter- schiede zu Sachfragen geht, frage ich die Landes- Christian Grascha (FDP): regierung: Teilt die Landesregierung die Positionen Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- der vom Wirtschaftsministerium am 25. August leginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund des 2020 aufgestellten und bis zum heutigen Tag auf Jahresberichts des Landesrechnungshofs, in dem der Homepage des Wirtschaftsministeriums veröf- die Kritik geäußert wurde, dass Mittel aus dem fentlichten Entlastungsoffensive Mittelstand insbe- Sondervermögen zur Bewältigung der Corona- sondere zum Bereich Änderung des Arbeitszeitge- Krise zweckentfremdet wurden, indem Ausgaben setzes bei der Höchstarbeitszeit? ohne Corona-Bezug getätigt wurden, und der Lan- (Beifall bei der FDP) desrechnungshof verfassungsrechtliche Bedenken dagegen hat, frage ich die Landesregierung, wie Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: sie diese Kritik bewertet. Vielen Dank, Herr Bode. - Für die Landesregierung (Beifall bei der FDP und bei den antwortet Herr Ministerpräsident Weil. GRÜNEN)

Stephan Weil, Ministerpräsident: Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Lieber Kollege Bode, es ist ja schon eine Weile Vielen Dank. - Es antwortet Herr Ministerpräsident her, dass ich mich mit diesem Thema befasst ha- Weil. be. Ich kann aber sagen, dass diese Vorschläge einstweilen noch nicht Gegenstand der regierungs- Stephan Weil, Ministerpräsident: internen Diskussion gewesen sind. Lieber Herr Grascha, wir kennen diese Kritik. Wir teilen sie aber nicht. Es ist für uns selbstverständ- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: lich, dass wir uns beim Umgang mit dem CO- Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage für die VID-19-Sondervermögen an die verfassungsmäßi- FDP-Fraktion stellt der Fraktionsvorsitzende, Herr gen Grenzen halten. Dr. Birkner. Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Dr. Stefan Birkner (FDP): Vielen Dank. - Die vierte Zusatzfrage für die FDP- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Fraktion stellt Herr Abgeordneter Bode. ten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minis- terpräsident, vor dem Hintergrund, dass Sie in dem Jörg Bode (FDP): in Bezug genommenen Zitat insbesondere auf Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Ministerprä- öffentliche Investitionen abstellen, frage ich Sie sident Weil, vor dem Hintergrund, dass nicht nur in

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Zeitungsberichten, sondern auch auf der offiziellen wenn man von Steuereinnahmen, Bundesergän- Homepage der Landesregierung - exemplarisch zungszuweisungen, Gebühren und Kreditaufnah- habe ich das am Beispiel des Wirtschaftsministeri- men nach Artikel 71 Abs. 3 NV absieht? ums dargestellt - Aussagen publiziert werden, die, wie Sie eben erwähnt haben, zum Bereich der un- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: überbrückbaren Meinungsverschiedenheiten und Vielen Dank, Herr Wenzel. - Es antwortet Herr damit nicht zum Regierungshandeln gehören, fra- Ministerpräsident Weil. ge ich die Landesregierung: Wie soll ein Bürger, ein Journalist oder auch ein Abgeordneter erken- Stephan Weil, Ministerpräsident: nen, ob die Veröffentlichungen der Landesregie- rung tatsächlich aktives Regierungshandeln oder Lieber Herr Kollege Wenzel, diese Frage kann ich unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten Ihnen natürlich ganz genau beantworten. Finanz- sind, wenn sie es in ihrer eigenen Kommunikation minister Reinhold Hilbers befindet sich derzeit in nicht kennzeichnet? den berühmten Ministergesprächen. Erst im An- schluss daran und an die Haushaltsplanklausur (Beifall bei der FDP) der Landesregierung werden die von Ihnen erfrag- ten Bedarfe konkret zu beziffern und die von Ihnen Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: gestellte Frage zu beantworten sein. Vielen Dank. - Bitte, Herr Ministerpräsident! Herzlichen Dank.

Stephan Weil, Ministerpräsident: (Zustimmung bei der SPD) Lieber Herr Kollege Bode, wenn ich auf die Regie- rungstätigkeit in der Großen Koalition seit dem Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Herbst 2017 zurückblicke, dann habe ich den Ein- Vielen Dank. - Die zweite Zusatzfrage für die Frak- druck, dass die Akzeptanz bei Bürgerinnen und tion Bündnis 90/Die Grünen stellt nun Herr Kollege Bürgern insgesamt anhaltend erfreulich hoch ist. Limburg. Bitte! Das könnte eigentlich nicht dann der Fall sein, wenn der bei Ihnen bestehende Eindruck tatsäch- Helge Limburg (GRÜNE): lich gerechtfertigt wäre, dass es Unklarheiten über die Inhalte der Regierungspolitik gäbe. Nein, wir Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es geht ja um die haben den Eindruck, dass ausgesprochen gute Meinungsverschiedenheiten in der Koalition. Vor Klarheit darüber besteht. dem Hintergrund der Diskussion um eine neue Amtszeit für den Wirtschaftsweisen Lars Feld, die Dass im Übrigen Diskussionsbeiträge von Ministe- es Anfang des Jahres auf Bundesebene gab - zur rien in allen Regierungskonstellationen, die es in Erinnerung: die SPD war gegen eine weitere Niedersachsen bis jetzt gegeben hat, gang und Amtszeit und hat sich dann ja auch durchgesetzt; gäbe sind, wissen Sie so gut, wie ich es weiß. in dieser Zeit hat Herr Finanzminister Hilbers eine Vielen Dank. Pressemitteilung herausgegeben und gesagt, dass er eine weitere Amtszeit von Lars Feld unterstützt; (Beifall bei der SPD und bei der CDU das war eine offizielle Pressemitteilung des Fi- - Jörg Bode [FDP]: So haben wir es nanzministeriums -, frage ich: War diese Presse- damals nicht gemacht!) mitteilung des Finanzministers seine Privatmei- nung, die er nur durch eine Ministeriums-PM ge- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: äußert hat, oder war das die Auffassung der ge- Vielen Dank. - Die erste Zusatzfrage für die Frakti- samten Landesregierung, also auch des Minister- on Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Kollege präsidenten und Landesvorsitzenden der SPD, Wenzel. Bitte, Herr Kollege! Stephan Weil? (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Stefan Wenzel (GRÜNE): FDP) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Herren! Herr Ministerpräsident, wie groß ist, Stand Vielen Dank. - Bitte, Herr Ministerpräsident Weil, heute, der sogenannte Handlungsbedarf - also der Sie haben das Wort. ungedeckte Teil - im Doppelhaushalt 2022/2023,

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(Wiard Siebels [SPD]: Wir singen ge- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: rade am besten Platz, Herr Limburg! - Vielen Dank. - Bitte, Herr Ministerpräsident! Gegenruf von Christian Meyer [GRÜ- NE]: Man macht Parteipolitik nicht Stephan Weil, Ministerpräsident: über Pressemitteilungen der Ministe- Lieber Herr Kollege Birkner, auch das ergibt sich rien! - Wiard Siebels [SPD]: Das sagt eigentlich schon seit vielen Jahren - auch unter jetzt ausgerechnet Christian Meyer! - wechselnden Regierungen - u. a. aus den jeweili- Heiterkeit bei der SPD - Christian gen Berichten des Landesrechnungshofs. Es be- Meyer [GRÜNE]: Zeig mir eine!) trifft beispielsweise die Substanz der öffentlichen - Herr Kollege Meyer, Herr Kollege Siebels, wenn Gebäude in Niedersachsen in vielfältiger Form, der Sie Ihren Diskurs fortsetzen wollen, können Sie Verkehrsinfrastruktur etc. Dieses Problem, das wir das gerne außerhalb des Plenarsaals tun. in Niedersachsen haben, ist im Übriges eines, das wir schlichtweg in der gesamten öffentlichen Infra- (Wiard Siebels [SPD]: Ich glaube, struktur in Deutschland so kennen. Herr Meyer braucht Hilfe!) Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Stephan Weil, Ministerpräsident: Vielen Dank. - Die dritte Zusatzfrage für die Frakti- Ich will um Gottes Willen nicht stören! on Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Kollege Wenzel. Bitte, Herr Kollege! Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Jetzt hat der Ministerpräsident das Wort! Stefan Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- Stephan Weil, Ministerpräsident: legen! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Ich kann mich bei der Beantwortung im Grunde Frage lautet: Kann es sein, dass die vom Finanz- genommen auf das beziehen, was ich vorhin auf minister angekündigten Sparmaßnahmen dazu eine Frage vom Kollegen Bode gesagt habe, dass führen, dass beispielsweise Kofinanzierungsmittel es im Rahmen der tagesaktuellen Diskussion auch des Bundes nicht abgerufen werden können? Als immer wieder Diskussionsbeiträge einzelner Re- Beispiele will ich die überbetriebliche Lehrlingsun- gierungsmitglieder gibt, die dann nicht zwangsläu- terweisung und die Investitionen in überbetriebli- fig mit allen anderen abgestimmt sein müssen. Das che Bildungsstätten nennen, wo der Bund mit liegt auf der Hand, und das war auch noch in jeder maßgeblichen Summen gegenfinanziert, wenn das Koalition so. Land seinen Anteil bereitstellt.

(Beifall bei der SPD - Helge Limburg Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: [GRÜNE]: Das merken wir auch!) Vielen Dank, Herr Wenzel. - Für die Landesregie- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: rung antwortet Herr Ministerpräsident Weil.

Vielen Dank. - Die fünfte und damit letzte Zusatz- Stephan Weil, Ministerpräsident: frage für die FDP-Fraktion stellt Herr Dr. Birkner. Lieber Kollege Wenzel, ich verstehe Ihr Interesse an dieser Frage. Ich bitte meinerseits um Ver- Dr. Stefan Birkner (FDP): ständnis dafür, dass wir vor einer abschließenden Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Diskussion über den Entwurf der Landesregierung Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, vor zum Doppelhaushalt zu Details keine Antwort ge- dem Hintergrund, dass Sie von unüberbrückbaren ben können. Hindernissen usw. und davon gesprochen haben, dass es Ihrer Auffassung nach einen Investitions- (Zustimmung bei der SPD) bedarf in Niedersachsen gibt, frage ich Sie: Wel- chen Investitionsbedarf meinen Sie denn ganz Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: genau damit? In welcher Höhe und in welchen Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Bereichen sehen Sie diesen Investitionsbedarf für Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, weitere Zusatz- Niedersachsen? fragen liegen nicht vor, sodass die Aussprache zur (Beifall bei der FDP) Anfrage der Fraktion der FDP-Fraktion beendet ist.

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Bevor die Tagesordnungspunkte 30 und 31 aufge- zweijährigen Arbeit unserer Enquetekommissi- rufen werden, nehmen wir hier kurz einen Wechsel on - - - vor. (Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Petra, (Vizepräsident Bernd Busemann über- ohne die Maske ist es besser ver- nimmt den Vorsitz) ständlich!) - Ach so, die Maske! Vizepräsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und (Die Rednerin nimmt ihre Mund-Nase- Kollegen! Wir können die Beratungen fortsetzen. Bedeckung ab)

Bevor ich gleich die Tagesordnungspunkte 30 und Vizepräsident Bernd Busemann: 31 aufrufe, darf ich Sie darauf aufmerksam ma- Das ist natürlich Ihre private Entscheidung. Aber chen, dass wir den zeitlichen Beginn für diese mit Corona können wir es vereinbaren, wenn Sie Tagesordnungspunkte eigentlich um 12.30 Uhr ohne Maske reden. vorgesehen haben. Sie merken, dass wir mehr als eineinhalb Stunden Zeitvorsprung haben. Deswe- Petra Joumaah (CDU): gen wäre meine Bitte an die Fraktionsführungen - so denn anwesend -, einmal abzuklären, ob nicht Ich glaube, so ist es besser, nicht? das eine oder andere von der heutigen oder mor- (Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Ja! gigen Tagesordnung noch auf den Vormittag vor- Vielen Dank!) gezogen werden kann. Sonst müssen wir schon sehr früh in die Mittagspause. Sie haben es in der Die Anträge sind Teil der Ergebnisse der über Hand! zweijährigen Arbeit unserer Enquetekommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären Ich rufe vereinbarungsgemäß zusammen auf: medizinischen Versorgung in Niedersachsen - für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe me- dizinische Versorgung“, die es sich zur Aufgabe Tagesordnungspunkt 30: gemacht hatte - mit der Vorlage des Abschlussbe- Erste Beratung: richtes ist das ja auch geschehen -, konkrete und Behandlungsqualität für Patientinnen und Pati- zukunftsweisende Empfehlungen zur Sicherung enten entscheidend verbessern - sektoren- einer bedarfsgerechten medizinischen Regelver- übergreifende Versorgung weiterentwickeln, sorgung unserer Bevölkerung zu entwickeln. Regionale Gesundheitszentren einführen - An- trag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Liebe Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen CDU - Drs. 18/9402 als großes Flächenland weist im Rahmen der me- dizinischen Versorgungsproblematik eine wesentli- Tagesordnungspunkt 31: che Besonderheit auf: Wir sind mit knapp 8 Millio- Erste Beratung: nen Einwohnern eines der bevölkerungsreichsten Qualitativ hochwertige und wohnortnahe Kran- Bundesländer, haben aber gleichzeitig eine niedri- kenhausversorgung auch in Zukunft sicherstel- ge Bevölkerungsdichte. Das ist eine enorme Her- len - niedersächsische Krankenhauslandschaft ausforderung, was die Sicherstellung der flächen- weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD deckenden und qualitativ hochwertigen Kranken- und der Fraktion der CDU - Drs. 18/9405 hausversorgung angeht. Die Ursachen kennen wir alle. Einige Beispiele: der demografische Wandel, der Anstieg der Zahl hochaltriger und multimorbi- Einbringen möchten CDU und SPD. Die erste der Patienten, der Einzug der Digitalisierung im Wortmeldung hierzu liegt mir von Frau Kollegin Gesundheitssystem und der stetig zunehmende Joumaah, CDU-Fraktion, vor. Bitte sehr, Frau Kol- Personalbedarf. legin! Wie also soll die zukünftige Weiterentwicklung der Petra Joumaah (CDU): niedersächsischen Krankenhauslandschaft ausse- hen? Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden vorliegenden Anträge - Wir brauchen besser ausgestattete, leistungsfähi- der Präsident hat ja gerade die umfangreichen gere Krankenhäuser. Spezielle Versorgungsleis- Titel genannt - sind Teil der Ergebnisse der über tungen sollen bei gleichzeitiger Gewährleistung

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einer gut erreichbaren Grundversorgung stärker wandels das Versorgungssystem auch ausrei- konzentriert werden. Die derzeit rein bettenorien- chend auf sektorenübergreifende Versorgungsan- tierte Bedarfsfortschreibung soll um eine Bedarfs- gebote ausgerichtet sein muss. Die Bedeutung prognose ergänzt werden, die auch eine länder- sektorenübergreifender Versorgungsansätze wird übergreifende Krankenhausplanung - vor allem mit insbesondere in unseren ländlichen Regionen NRW, Hamburg und - insbesondere für zukünftig von großer Bedeutung sein. Durch hochspezialisierte Versorgungsbereiche im Blick Überwindung dieser sektoralen Grenzen im ambu- hat. Die derzeitigen Versorgungsregionen sind zu lanten, im stationären und auch im pflegerischen überarbeiten. Die Landesfläche soll in acht Ver- Bereich wird es eine Optimierung der Versor- sorgungsregionen aufgegliedert werden. gungsqualität geben. Aber das funktioniert nur mit einer sachgerechten Finanzierung. Des Weiteren wurde das Konzept „Versorgungs- stufen für Niedersachsen“ erarbeitet, in dem Kran- Der Landesdigitalisierungsfonds für den Bereich kenhäuser nach festgelegten Merkmalen in drei der Gesundheit muss fortgeführt und weiterentwi- Stufen eingeteilt werden: die Versorgungsstufe I - ckelt werden. Des Weiteren muss ein landeseige- Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung ner Strukturfonds für die Weiterentwicklung der und Fachkliniken -, die Versorgungsstufe II - Kran- Krankenhauslandschaft und für die Umwandlung kenhäuser der Schwerpunktversorgung - und die von Krankenhäusern in andere Gesundheitsein- Versorgungsstufe III - Krankenhäuser der Maxi- richtungen erörtert werden. malversorgung. Als Lehre aus den besonderen Herausforderungen Weiterhin brauchen wir rechtsverbindliche Rege- der Corona-Pandemie sollten wir uns hinsichtlich lungen bzw. Mindestvoraussetzungen für Kran- der Hygienestandards im stationären Bereich an kenhäuser sowohl im fachlichen, technischen als Ländern wie z. B. den Niederlanden orientieren. auch im personellen Bereich, insbesondere für die Hierbei muss auf Isolationsmöglichkeiten - also die Behandlung und Pflege von Patientinnen und Pati- strikte Trennung von infektiösen und anderen Pati- enten mit schweren Krankheitssymptomen, z. B. enten - hingearbeitet werden. Nicht nur die Patien- Schlaganfall, Herzinfarkt oder für Erkrankungen tensteuerung, sondern auch der Umgang mit dem der Onkologie. Publikums- bzw. Besucherverkehr muss in pan- Weiterhin muss gesetzlich verankert werden, demischen Krisenfällen dringend optimiert werden. Krankenhäuser bzw. einzelne Abteilungen aus Insbesondere in Bereichen wie Altenpflegeeinrich- dem Landeskrankenhausplan nach vorbereitender tungen oder Hospizen brauchen wir eine klare Empfehlung durch den Planungsausschuss her- Regelung. ausnehmen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Eine weitere große Herausforderung ist der zu- Bericht der Enquetekommission, die Handlungs- nehmende Personalbedarf. Im medizinischen Be- empfehlungen für das weitere Vorgehen, einstim- reich fehlt es zunehmend an qualifiziertem Perso- mig abgestimmt, und zwar in wirklich großer Einig- nal. Wir brauchen eine sachgerechte Finanzierung keit. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir des Pflegepersonals. Die Arbeitsbedingungen in im Ausschuss gute Beratungen haben werden. Ich der stationären Pflege müssen verbessert werden. freue mich darauf. Der Zugang für ausländisches Personal muss ver- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. einfacht werden. Ausländische Berufsqualifikatio- nen müssen beschleunigter anerkannt werden. Es (Beifall bei der CDU und bei der SPD) braucht finanzielle Hilfeleistungen bezüglich der eventuell notwendigen Sprachverbesserung. Ärz- Vizepräsident Bernd Busemann: tinnen und Ärzte, die nach Deutschland einwan- Vielen Dank, Frau Kollegin Joumaah. - Der nächs- dern wollen, müssen z. B. durch die Übernahme te Redner für die SPD-Fraktion - ebenfalls einbrin- der Integrationskosten unterstützt werden. gend - ist der Kollege Uwe Schwarz. Bitte sehr, Die Investitionsfinanzierung für den Kranken- Herr Schwarz! haussektor müssen wir zukunftsorientiert weiter- entwickeln und auf der Grundlage einer neuen, Uwe Schwarz (SPD): gestuften Versorgungsstruktur stärker auf struktur- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe verbessernde Maßnahmen ausrichten. Dabei ist zu Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp drei Monaten berücksichtigen, dass im Rahmen eines Struktur- haben wir hier den Abschlussbericht unserer En-

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quetekommission „Sicherstellung der ambulanten Dieses seit Jahren zunehmende Problem hat die und stationären medizinischen Versorgung in Nie- Corona-Pandemie sehr deutlich gemacht und un- dersachsen für eine hochwertige wohnortnahe terstreicht die dringende Notwendigkeit einer Neu- medizinische Versorgung“ intensiv diskutiert. ausrichtung der Krankenhausplanung. Die Wahr- heit ist nämlich auch: Von unseren 168 Kranken- Vorausgegangen - Petra Joumaah hat es schon häusern in Niedersachsen haben lediglich 67 gesagt - war eine zweijährige gemeinsame Arbeit Krankenhäuser 94 % aller Corona-Fälle behandelt; aus Vertreterinnen und Vertretern der Wissen- das waren vor allem die Schwerpunkthäuser und schaft, der wichtigsten Gesundheitsverbände und Maximalversorger. Ein Drittel unserer Krankenhäu- der Fraktionen unseres Hauses. Im Laufe der Be- ser, also 56, haben gar nicht an der Versorgung ratungen hat uns die unvorhersehbare Corona- von Corona-Patienten teilgenommen, weil sie dafür Pandemie die fundamentale Bedeutung eines leis- weder die personellen noch die technischen Vo- tungsfähigen und effizienten Gesundheitswesens raussetzungen erfüllen können. noch einmal deutlich vor Augen geführt und gleichzeitig auch erkennbare Defizite ausgemacht. Gleichzeitig werden den Krankenhäusern zur Stär- kung der Qualität und Patientensicherheit weitere Die Sicherung einer wohnortnahen medizinischen Indikationen mit der Erbringung von Mindestmen- Versorgung als Kernelement der Daseinsvorsorge gen vorgegeben werden. Erreichen die Kranken- ist und bleibt für uns der zentrale Faktor für die häuser die Zahlen nicht, so können die dortigen Zukunft unseres Flächenlandes Niedersachsen. Behandlungen nicht mehr durchgeführt werden. Das einstimmige Abschlussvotum der Kommission Nach dem Gesundheitsversorgungsweiterentwick- ist ein unschätzbares Pfund, das wir gemeinsam lungsgesetz wird die Festlegung von Mindestmen- zügig nutzen sollten und wollen. gen dem Gemeinsamen Bundesausschuss zur Mit den vorliegenden Anträgen halten SPD und Ausgestaltung übertragen. Das führt zwangsläufig CDU ihr Versprechen ein, schnellstmöglich mit der zu einer weiteren Konzentration spezialisierter Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommissi- Krankenhäuser, ob uns das gefällt oder nicht. Wir on in den einzelnen Fachbereichen zu beginnen. brauchen daher einen gestärkten ambulanten Sek- Mit einer Reform des Niedersächsischen Kranken- tor, eine neu ausgerichtete Krankenhausplanung hausgesetzes und Möglichkeiten für eine sekto- mit besser ausgestatteten und leistungsfähigeren renübergreifende Versorgung wollen wir mit den Krankhäusern und die Sicherung einer flächende- nach unserer Auffassung beiden wichtigsten The- ckenden Grundversorgung. menfeldern beginnen. Die weiteren Themenfelder Wir wollen dies nach den Ergebnissen der Enque- Notfallversorgung, ambulante Versorgung, öffentli- te mit drei Versorgungsstufen gewährleisten: Kran- cher Gesundheitsdienst und Digitalisierung werden kenhäuser der Grund- und Regelversorgung zu- Zug um Zug folgen. züglich Fachkliniken, Krankenhäuser der Schwer- Die Krankenhausversorgung in Niedersachsen ist punktversorgung und Krankenhäuser der Maximal- gut und flächendeckend sichergestellt. Gerade in versorgung. Merkmale für die Mindestvorausset- der Pandemie haben die Kliniken grundsätzlich zungen der jeweiligen Stufen hat die Enquete vor- ihre hohe Belastbarkeit und Funktionalität unter geschlagen. Unter dem Strich führt das dazu, dass Beweis gestellt. Damit das in Zukunft so bleibt, es sieben anstelle von heute zwei Maximalversor- müssen wir jetzt die Weichen für eine landesweit gern geben soll, wobei es Übergangsregelungen gleichwertige Versorgungsqualität, für eine aus- zum Erreichen der höchsten Stufe der Kranken- kömmliche Personalausstattung und für die digitale hausversorgung geben soll. Infrastruktur stellen. Das Land soll zukünftig deutlich kleinräumiger in Unsere Bettendichte lag bei 6 Krankenhausbetten acht statt bisher vier Versorgungsregionen unter- auf 1 000 Einwohner. Das sind doppelt so viele wie teilt werden, um eine gleichmäßige wohnortnahe im internationalen bzw. OECD-Durchschnitt. Ver- Versorgung besser gewährleisten zu können. Um gleicht man allerdings die Personalausstattung in die Versorgungsqualität zu steigern und Fachkräf- den Krankenhäusern, sieht es leider ganz anders temangel zu reduzieren, sollen Kooperationen und aus. Dann ist Deutschland mit 2,4 Ärzten und Fusionen im Rahmen der Krankenhausbehandlung 5,6 Pflegekräften auf 1 000 Einwohner nur noch verstärkt werden. Wir schlagen außerdem u. a. Durchschnitt. Fazit: Wir haben zu viele Betten, vor, gemeinsame Personalplanungen und/oder aber zu wenig Personal, und das geht zulasten der Poolbildung landesseitig zu unterstützen, anstatt Qualität in der stationären Versorgung. dass sich wechselseitig die nicht ausreichend vor-

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handenen Ärzte und Pflegekräfte mit Fangprämien gen. Es darf bei gleichen Leistungen keine unter- abgekauft werden. Eine Verbesserung der Versor- schiedlichen Bezahlungen geben, egal ob diese gung bewirkt diese Vorgehensweise jedenfalls ambulant oder stationär erfolgen. Ambulantisie- nicht. rungspotenziale müssen konsequent ausgeschöpft werden. Ausgerichtet am Versorgungsbedarf, Im ländlichen Raum macht es übrigens überhaupt muss es eine gemeinsame sektorenunabhängige keinen Sinn, bei immer knapper werdendem Per- Standortplanung geben. sonalangebot und steigenden Qualitätsanforde- rungen entweder gar keine oder doppelte Angebo- Anstelle von angstauslösenden Schließungsdebat- te im stationären und ambulanten Bereich vorzu- ten wollen wir mit der Schaffung von regionalen halten. Schon unter diesen Gesichtspunkten ist die Gesundheitszentren neue Wege beschreiten und sogenannte doppelte Facharztschiene nicht mehr orientieren uns sehr deutlich an den Empfehlungen zu rechtfertigen. Sie ist eine unnötige Vergeudung des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen von ärztlichen Ressourcen und gehört abgeschafft. auf der Bundesebene. Kernelemente sind für uns in Niedersachsen eine ambulante fachärztliche Die Weiterentwicklung einer zukunftsorientierten Versorgung, eine 24/7, rund um die Uhr, erreichba- strukturverbessernden und überfälligen Kranken- re Einheit sowie eine bettenführende Pflegeeinheit. hauslandschaft kostet Geld. Insofern - das will ich Optionalen Erweiterungen sind nach oben - je deutlich sagen - verstehe ich auch die Hinweise nach örtlichen Gegebenheiten - keine Grenzen der Krankenhausgesellschaft und der kommunalen gesetzt. Spitzenverbände von vorgestern. Hinzu kommen aktuell gewaltige Baukostensteige- Regionale Gesundheitszentren können nach unse- rungen und der Umstand, dass Corona auch deut- rer Auffassung vor allem in den Regionen eine lich gemacht hat, dass bisher pandemische Lagen Lösung werden, wo mehrere zusammentreffende weder in der Krankenhausplanung noch in der Faktoren die Existenz von Krankenhäusern infrage Krankenhausbauplanung berücksichtigt werden. stellen. Mangels fehlender Zuständigkeit soll dafür Dies werden wir so nicht weitermachen können. die Planung in Niedersachsen zunächst dem Zum Beispiel brauchen wir Möglichkeiten der strik- Krankenhausplanungsausschuss mit übertragen ten Trennung und Optimierung der Patientensteue- werden. rung von infektiösen Notfallpatientinnen und Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die -patienten, um den Krankenhausregelbetrieb - also Krankenhauslandschaft in Niedersachsen zu- auch planbare OPs - im Pandemiefall sichern zu kunftsfähig gestalten und ihre Entwicklung in den können. Wir brauchen die baulichen Vorausset- Mittelpunkt stellen. So steht es im Koalitionsvertrag zungen für die Umsetzung von vernünftigen und dieser Koalitionsregierung. Und weiter steht dort: stringenten Hygienekonzepten. Wir brauchen klare Regelungen zur Beschaffung und Bevorratung. „Wir werden Wege der Spezialisierung er- Diese Liste ließe sich erheblich fortsetzen. öffnen. Fusionen und Schwerpunktbildungen sollen gefördert werden. Den Investitions- Die Enquete hat deshalb zur Finanzierung auf die stau bei den Krankenhäusern in Nieder- Fortführung des Strukturfonds des Bundes, die sachsen werden wir weiter abbauen und ei- Erhöhung der jährlichen Krankenhausinvestitions- nen neuen verhindern. Dazu wollen wir das mittel und die Errichtung eines landesweiten Struk- Fördervolumen des Landes für die Einzel- turförderfonds verwiesen. Die Wahrheit ist aller- förderung von Krankenhäusern deutlich er- dings auch, dass sowohl die vorherige rot-grüne höhen, das Krankenhausinvestitionspro- als auch die jetzige rot-schwarze Landesregierung gramm fortentwickeln und analog zum Wirt- jeweils so viel Geld für den Krankenhausbau in die schaftsförderfonds verstetigen.“ Hand genommen haben wie vorher nie in Nieder- sachsen. So weit die Koalitionsvereinbarung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufhebung Ich finde, dass wir 2017 in der Unterarbeitsgruppe starrer Versorgungsstrukturen, streng getrennt Soziales und Gesundheit bei den Koalitionsver- nach ambulanter und stationärer Versorgung, ist handlungen, lieber Reinhold Hilbers, gemeinsam nach übereinstimmender Auffassung aller Fachleu- etwas entwickelt haben, das dem heutigen Koaliti- te das Schlüsselinstrument für die Sicherung einer onsantrag schon ein gutes Stück voraus war. Es flächendeckenden Versorgung. Vor allem in den gilt, dieses jetzt umzusetzen. Wir müssen die ländlichen Gebieten brauchen wir gleiche Leistun- Krankenhäuser baulich und strukturell fit für die

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Herausforderungen der Zukunft machen. Packen ben - beim besten Willen nicht ausreichen. Das ist wir es gemeinsam an, liebe Kolleginnen und Kolle- wirklich ein großes Problem. Wir brauchen die gen! Mittel wirklich.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Wenn ich richtig rechne, dann brauchen wir jährlich eine halbe Milliarde, und zwar 520 Millionen Euro. Vizepräsident Bernd Busemann: Das haben uns auch die Krankenhausgesellschaft Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. und vor allem auch die kommunalen Spitzenver- bände sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die Fraktionen überein- (Beifall bei den GRÜNEN) gekommen sind, drei weitere Tagesordnungspunk- te von heute Nachmittag auf den Vormittag vorzu- Da waren Sie ja in Ihrem Antrag nicht ganz so ziehen. Das sind die Tagesordnungspunkte 34, 35 mutig. Kollege Schwarz, ich fand es aber schön, und 36. Ich gehe davon aus, dass die betroffenen dass Sie jetzt noch einmal vorgetragen haben, was Rednerinnen und Redner, aber auch die betroffe- in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Das müsste dann nen Ministerinnen und Minister entsprechend in ja jetzt zum Doppelhaushalt mit auf den Weg ge- Kenntnis gesetzt sind. bracht werden. Jetzt geht es weiter. Für die Fraktion Bündnis 90/ Ich fand es auch richtig und wichtig, dass Sie den Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Meta Jans- Punkt mit den DRGs noch einmal aufgenommen sen-Kucz. haben. Das hängt ja mit der Finanzierung zusam- men. Wir sehen ja jetzt, dass unsere Krankenhäu- Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): ser einen Großteil ihrer Investitionen selbst finan- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst zieren. Dafür nutzen sie die Einnahmen aus den einmal vielen Dank für die Aktivitäten der Regie- Fallpauschalen, aus den DRGs, die ja eigentlich rungsfraktionen! Damit ist der erste Aufschlag ge- für die Finanzierung von Betriebskosten vorgese- macht. Ich habe ja bei der Beratung des Enquete- hen sind. Diese Ausgestaltung der DRGs hat ja Berichtes sehr deutlich gemacht, dass er nicht in wirklich zur Folge, dass es Behandlungen gibt, die der Schublade verschwinden darf, dass er nach nicht immer notwendig sind - um das etwas freund- Umsetzung schreit und dass wir wirklich einen lich auszudrücken -, nur um schwarze Zahlen zu großen Handlungsdruck haben. Das hat Corona schreiben und investieren zu können. noch einmal verstärkt. Das Brennglas ist darauf Ich glaube, wir sind uns alle einig: Die Fallpau- gerichtet. schalen müssen weiterentwickelt werden. Grund- (Zustimmung bei den GRÜNEN) vorhaltekosten müssen stärker berücksichtigt wer- den, Investitionen müssen gestärkt und Fehlanrei- Der Kollege Schwarz hat es zum Schluss sehr auf ze beseitigt werden, und die Vorsorge und Pflege den Punkt gebracht. Ein entscheidender Punkt für müssen besser vergütet werden. die zukünftige Weichenstellung in der medizini- schen Versorgung in Niedersachsen, vor allem auf (Beifall bei den GRÜNEN) dem Lande, ist die Krankenhausfinanzierung. Das Land Niedersachsen und wir alle haben eine ge- Das alles sind Großbaustellen, die wir als Land setzliche Verpflichtung, der wir auch nachkommen nicht unbedingt ganz alleine wuppen können. Da- müssen, wenn wir den Enquete-Bericht, den wir bei ist auch der Bund gefragt. gemeinsam verabschiedet haben, ernst nehmen - Unser grünes Ziel ist und bleibt weiterhin, die einmal unabhängig von Aussagen im Koalitions- Krankenhäuser in Niedersachsen in öffentlicher vertrag. bzw. freigemeinnütziger Hand zu sichern. Mit einer Für die Ausstattung der Krankenhäuser müssen aktiven Qualitäts- und Versorgungsplanung sowie die jährlichen Investitionsmittel auf 8 % des Ge- der Finanzierung der Krankenhausinvestitionen samterlöses stationärer Leistungen erhöht werden. müssen wir die medizinische Versorgung vor Ort Gerade letzte Woche wurde durch die Anträge und sichern. Dafür ist es natürlich notwendig, dass wir die Beratungen im Krankenhausplanungsaus- eine vorausschauende integrierte Versorgungspla- schuss deutlich, dass die bisherigen Mittel - auch nung auf den Weg bringen, Kliniken und regional die Mittel aus Sondervermögen, die wir unter Rot- integrierte Versorgungszentren zusammen denken Grün schon eingebracht und quasi verdoppelt ha- und nicht immer nur über Krankenhaus einerseits

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und Versorgungszentren andererseits reden. Sta- denken. Wir haben auch mit Gießen usw. länder- tionär wie ambulant gehört zusammen. übergreifend Kooperationen - nicht nur mit NRW, nicht nur mit Hamburg, nicht nur mit Bremen. Viel- (Beifall bei den GRÜNEN) leicht soll das aber erst einmal nur ein Anfang sein. Das müssen wir im Kopf zusammenbringen und so Denn hier geht es vor allem um hoch spezialisierte auch gegenüber der Bevölkerung kommunizieren. Versorgungsbereiche, die wir besser verzahnen Das Ziel ist doch, dass wohnortnah Leistungen müssen. erbracht werden. Aber das muss nicht unbedingt Wir haben aus Corona einiges gelernt. Wir müssen wohnortnah in einem Krankenhaus sein. Der uns den Bereich der stillen Bettenkapazitäten noch Kernpunkt ist, eine hohe Qualität zu sichern. Des- einmal sehr genau anschauen, vor allem auch die halb ist es richtig, mit dem Antrag den Einstieg in Einbindung von Rehakliniken. Das heißt aber eine neue Krankenhausplanung auf den Weg zu auch, dass man die Finanzierung sicherstellen bringen und dabei auch über acht Versorgungsre- muss. gionen nachzudenken. Denn Versorgungssicher- heit und das Wohlergehen der Patienten sind, Last, but not least: Unser Fokus muss vor allem glaube ich, unser gemeinsamer Maßstab für ein auf der Qualität der medizinischen und pflegeri- wirklich krisenfestes Gesundheitssystem. schen Versorgung liegen. Wenn man einen Herzin- Sie haben das Fehlen von Ärzten, aber auch von farkt hat, sollte man in ein Krankenhaus kommen, Pflegefachkräften angesprochen. Wir müssen das auch ein Herzkatheterlabor hat. Krankenhauspolitik immer Hand in Hand mit Pfle- (Glocke des Präsidenten) gepolitik denken und betreiben. Wir dürfen nicht nur an der einen Baustelle arbeiten, wir müssen Es ist nicht entscheidend, dass dieses Kranken- auch den Bereich der Pflege mitdenken. Denn was haus ganz nah gelegen ist. Es geht darum, in das nützt uns ein Krankenhaus, wenn uns das Perso- richtige, spezialisierte Krankenhaus zu kommen, nal fehlt oder abwandert? Das haben die Kollegen um insbesondere auch Folgeschäden zu vermei- auch beschrieben. Das heißt, wir müssen letzten den. Deshalb sollten wir gemeinsam darüber Endes die Krankenhauslandschaft umstrukturieren nachdenken, wie wir das Rettungswesen weiter und den Aufbau einer dreifach abgestuften Ver- ausgestalten, wie wir gut ausgestattete Spezial- sorgung voranbringen. Wir müssen klar definierte krankenwagen auf den Weg bringen, mit denen Mindestanforderungen haben, um wirklich eine Patienten dann in ein solches Krankenhaus ge- hohe Versorgungsqualität zu erreichen. Diese bracht werden können. Forderungen haben Sie gut aus dem Enquete- Bericht übernommen. Meine Damen und Herren, wie eingangs gesagt: Die Qualitätskriterien müssen für die Bürger sehr Ich will noch ein paar Sätze zu dem Thema Min- transparent sein, damit sie sich wirklich bewusst destanforderungen sagen. Natürlich müssen auch für mehr Qualität und nicht nur für Wohnortnähe für interdisziplinäre regionale Gesundheitszentren entscheiden. Ein Großteil der Bürger macht das Mindestanforderungen gelten. Das ist mir deshalb aber schon. so wichtig, damit Menschen, die Eingriffe in einem Schwerpunktkrankenhaus oder bei einem Maxi- Vizepräsident Bernd Busemann: malversorger hatten, im Anschluss wohnortnah postoperativ weiterversorgt werden können und Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen! nicht weiterhin weit entfernt beim Maximalversor- ger liegen müssen. Meta Janssen-Kucz (GRÜNE):

Es ist auch wichtig und richtig, dass es eine län- Deshalb glaube ich, dass wir gemeinsam auf die- derübergreifende Zusammenarbeit gibt. Ich war ein ser Grundlage Entscheidendes für die medizini- bisschen erstaunt, dass in Ihrem Antrag nur von sche Versorgung auf den Weg bringen können. bundesländerübergreifender Zusammenarbeit die Danke. Rede ist. Wir haben ja auch schon eine länder- übergreifende Länderzusammenarbeit mit Gronin- (Beifall bei den GRÜNEN - Meta gen. Ich bitte, dass wir das mit aufnehmen. Janssen-Kucz [GRÜNE]: Die Uhr hat mich total irritiert! Die sprang gar nicht Ich habe auch nicht ganz verstanden, weshalb wir mehr weiter!) nicht über die Zusammenarbeit mit Hessen nach-

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Vizepräsident Bernd Busemann: Menschen werden auch älter und haben nicht nur Die Uhr hat ein bisschen gestreikt. Das hat Ihnen den akut entzündeten Blinddarm, mit dem sie ins viele Sekunden gebracht. Krankenhaus kommen, aus dem sie nach vier Tagen wieder nach Hause gehen. Die höhere Le- (Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Dan- benserwartung bedeutet auch eine größere Samm- ke! Ich habe sie aber nicht beein- lung von chronischen Krankheiten oder kleineren flusst!) gesundheitlichen Mängeln - Zipperlein, eben was - Geheime Kräfte waren da dran! man so ansammelt -, die sich durchaus zu einer komplizierten Gemengelage bei der Behandlung Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratun- zusammenfinden können. gen fort. Für die FDP möchte jetzt die Kollegin Susanne Victoria Schütz sprechen. Frau Schütz, Und noch etwas: Es geht um etwas wirklich Wich- bitte sehr! Wenn die Uhr nicht funktioniert: Wir tiges: Leben und Gesundheit. Es muss unbedingt stoppen freundlich mit für Sie. auch um die Qualität der Behandlung gehen. Komplizierte Behandlungen machen da am meis- Susanne Victoria Schütz (FDP): ten Sinn, wo viel Erfahrung damit vorhanden ist. Für Ärzte gilt das Gleiche wie für jeden Menschen: Das ist nett. Danke schön, Herr Präsident. - Meine Wenn man etwas häufig macht, Erfahrungen Damen und Herren! Die beiden Anträge - das wur- sammelt und Routine erlangt, wird die Qualität der de von Frau Joumaah und Herrn Schwarz schon Arbeit besser sein, als wenn man etwas eher sel- explizit ausgeführt - sind Ergebnisse der Enquete- ten ausführt. Auch selten auftretende Komplikatio- kommission. Meta Janssen-Kucz hat es auch dar- nen bei Behandlungen hat der behandelnde Arzt gestellt. dann schon selber kennengelernt, und er hat den Es werden darin verschiedene Problemstellungen Umgang damit üben können. angesprochen. Ich werde in meinen wenigen vier Minuten - die Uhr läuft nicht, aber das Präsidium Das führt im Umkehrschluss zu der Erkenntnis - guckt ja darauf - das wurde auch schon dargestellt -, dass es Sinn macht, nicht jede Leistung an jedem Ort zu erbrin- Vizepräsident Bernd Busemann: gen, sondern gerade seltenere Eingriffe in be- stimmten Krankenhäusern zu bündeln. Die vorge- Sie haben vier Minuten, und davon haben Sie nur sehene Abstufung wurde hier schon dargestellt. 20 Sekunden verbraucht. Eine gute Grundversorgung für die Behandlung Susanne Victoria Schütz (FDP): häufig auftretender Erkrankungen kann wohnort- - die Darstellung für die weniger Eingeweihten nah erbracht werden. Aber wenn es kompliziert versuchen. wird, werden die Menschen sich lieber selber auf einen weiteren Weg machen, aber mit dem Gefühl, In meinen Augen ist es das größte Problem - das dort besser versorgt zu werden. sehen wahrscheinlich wir alle so -, dass wir zu wenig Personal haben. Für dieses Problem ist Nun müssen wir zum Glück nicht ständig ins Kran- wahrscheinlich am schwierigsten für Abhilfe zu kenhaus; die ambulante Versorgung ist oft die sorgen. Man sollte das vorhandene Personal also angemessene und ausreichende. Dass wir auch effektiv und schonend einsetzen und sich darüber hier eine breit aufgestellte Landschaft an Fachärz- Gedanken machen, wie man für mehr Personal ten haben, ist natürlich mehr als hilfreich. Bin ich sorgt. vor Ort vielleicht besser versorgt, wenn es ein paar eng zusammenarbeitende Fachärzte in einem Die Demografie zeigt uns gnadenlos auf: Immer Versorgungszentrum gibt statt eines klitzekleinen mehr alte Menschen stehen immer weniger jungen Krankenhauses, das nur relativ wenige OPs durch- gegenüber, die ins Sozialsystem einzahlen und die führt, und komme ich nach einem vielleicht doch die Pflegekräfte und Ärzte stellen, die pflegen und notwendigen Krankenhausaufenthalt so schnell behandeln. wie möglich wieder nach Hause, aber mit einer Krankheiten werden spezifischer behandelbar. Das guten Vernetzung zwischen dem Krankenhaus, ist wunderbar für den Einzelnen, dem geholfen örtlichen Ärzten und Fachärzten und vielleicht der werden kann, ist aber für die Kassenlage der Kas- Pflegeeinrichtung, in der jemand lebt, oder einem sen nicht ganz so wunderbar. Pflegedienst?

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Medizinische Versorgungszentren, regionale Ver- Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und sorgungszentren und regionale Gesundheitszen- Gleichstellung soll für beide Anträge tätig werden. tren - Namen gibt es viele. Sie werden manchmal Ich darf um ein Handzeichen bitten, wenn Sie dem mit leichten Abstufungen sehr unterschiedlich für beipflichten möchten. - Gegenprobe! - Enthaltun- dasselbe und manchmal nicht für dasselbe ver- gen? - Das ist einstimmig so beschlossen. wandt nach dem Motto: Sucht euch einen Namen aus! - Der Missing Link zwischen der einzelnen Vereinbarungsgemäß rufe ich nun auf den Hausarzt- und Facharztpraxis und dem Großbe- trieb Krankenhaus könnte für viele Regionen Nie- dersachsens genau die zielführende Idee sein, die Tagesordnungspunkt 34: eine qualitativ hochwertige regionale Versorgung Erste Beratung: ermöglicht. Dazu gilt es, die Trennung der Sekto- Keine schmutzigen Deals bei Sustainable- ren - ambulant und stationär - noch an vielen Stel- Finance-Regeln - Atomkraft und fossiles Gas len durchlässiger zu machen. Es ist z. B. schwer von EU-Nachhaltigkeitslabel ausschließen - erklärlich, warum gleiche Leistungen, ambulant Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - oder stationär erbracht, so unterschiedlich viel Drs. 18/9389 kosten. Natürlich ist der Hintergrund auch die gro- ße Vorhaltung an Technik, Personal und Raum, die in einem Krankenhaus erfolgen muss. Das Einbringen möchte den Antrag die Kollegin Miriam muss mitbezahlt werden. Aber vom Beitragszahler Staudte, Bündnis 90/Die Grünen den Antrag. Bitte und den Krankenkassen aus gedacht, ist es eben sehr! doch irgendwie unverständlich. Miriam Staudte (GRÜNE): In den vorliegenden Anträgen wird eine Menge Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen guter Vorschläge aus der Enquetekommission und Kollegen! Wir in Deutschland, gerade wir in Gesundheitsversorgung aufgegriffen. In den Vor- Niedersachsen, sind uns ja parteiübergreifend schlägen zu den regionalen Pflegekompetenzzen- einig, was die Ablehnung der Atomkraft angeht. tren finden wir einige unserer Ideen auch aus un- Nukleare Katastrophen - Fukushima, Tschernobyl - serem abweichenden Votum wieder. haben uns gelehrt, dass die Risiken nicht hin- Einen Punkt gibt es, der für mich noch nicht ganz nehmbar sind. Auch die Endlagersuche beschäftigt selbsterklärend ist. Ihr müsst mir im Ausschuss uns ja jetzt überall, auch in den Kommunen, inten- erklären, was genau mit „Integration akademisch siv. Heute startet wieder eine neue mehrtägige ausgebildeter Pflegender in die direkte Patienten- Teilgebietskonferenz, an der Hunderte von Bürge- versorgung“ gemeint ist. Das finde ich ein bisschen rinnen und Bürgern teilnehmen werden und ihre putzig formuliert; denn das klingt so, als wenn wir Freizeit opfern, um das bestmögliche Endlager zu sie sozusagen nicht auf Patienten loslassen kön- finden. nen. Ich glaube nicht, dass das damit gemeint ist. Das Ende der Laufzeit der Atomkraftwerke ist in Aber darüber könnt ihr mich dann gerne im Aus- Deutschland absehbar. Aber die große Frage ist: schuss aufklären. Was passiert eigentlich im Rest der EU? Die Zu- Vielen Dank. ständigkeit für die Energiepolitik liegt ja bei den Mitgliedstaaten. Das ist klar geregelt. Es gibt keine (Beifall bei der FDP) Verbote für die Nutzung fossiler Energien oder für die Nutzung der Atomkraft. Jeder kann also im Vizepräsident Bernd Busemann: Prinzip machen, was er möchte. Vielen Dank, Frau Kollegin. Nun stehen aber große Weichenstellungen für die Meine Damen und Herren, wir sind in der ersten weitere EU-Energiepolitik an. Was uns jetzt wirk- Beratung. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht lich droht, ist ein großes Gefeilsche unter den vor, sodass wir die Beratung schließen können. Staaten. Da muss sich Deutschland positionieren. Wenn wir nicht aufpassen, dann wird nämlich Wir haben die beiden Tagesordnungspunkte ge- demnächst ein ganz großes Scheunentor für die meinsam beraten. Deswegen können wir auch die Atomkraft geöffnet. Das müssen wir verhindern. Ausschussüberweisung zu beiden Tagesord- nungspunkten gemeinsam beschließen. (Beifall bei den GRÜNEN)

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Eigentlich verfolgt die EU gerade ein ganz hehres Das Problem ist, dass die Bundesrepublik auch Ziel und will Spitzenreiter bei nachhaltigen Investi- eigene Interessen verfolgt und im Schulterschluss tionen werden. Es geht also um umweltverträgliche mit der heimischen Förderindustrie für Erdgas Finanzprodukte. Die sollen mit einer Art Nachhal- auch Änderungen wollte, nämlich das grüne Label tigkeitslabel ausgezeichnet werden. Nun gibt es für diesen Bereich. allerdings jede Menge Lobbyistinnen und Lobbyis- ten, die eben die Atomkraft und auch die Erdgas- Deswegen bringen wir hier heute diesen Antrag nutzung als nachhaltig labeln wollen. Auch unter ein, weil wir ganz genau wissen möchten, wie sich der Beteiligung der Großen Koalition in Berlin droht eigentlich die Niedersächsische Landesregierung womöglich ein Kuhhandel, der sowohl der Atom- im Erdgasland Niedersachsen positioniert und ob kraft als auch dem fossilen Gas einen vermeintlich wir damit rechnen können, dass hier klare Kante grünen Anstrich geben soll. Das muss jetzt thema- gezeigt wird. Wir haben ja in Niedersachsen mehr tisiert werden. als genug Last mit der Atomenergie und ihren Hin- terlassenschaften. Wir erwarten, dass Niedersach- (Beifall bei den GRÜNEN) sen hier vorangeht und sich beim Bund dafür ein- Die grundsätzliche Idee dieser Sustainable-Finan- setzt, dass genau dieser Kuhhandel verhindert ce-Regeln ist erst einmal begrüßenswert. Es soll wird. also Transformation durch Transparenz geben. Es (Beifall bei den GRÜNEN) geht um große börsenorientierte Unternehmen, die künftig offenlegen müssen, inwiefern ihre Tätigkei- Noch einmal zum aktuellen Stand: Die EU-Kom- ten nun nachhaltig sind oder auch nicht. Es gibt mission hat im April ihre Vorschläge vorgelegt. Sie ganz große Erwartungen an diese Transparenz. Es hat Atomenergie und Erdgas erst einmal ausge- wird auf jeden Fall auch beeinflussen, was sich klammert. Es soll nun intensive Abstimmungen künftig lohnen wird und was nicht. geben. Die Kommission hat neue Studien beauf- Den grünen Technologien, also den als nachhaltig tragt, die Ende Juli vorliegen sollen. Ende des gelabelten Technologien, winken in Zukunft zu- Jahres 2021 wird ein neuer Vorschlag beschlos- sätzliche Fördermöglichkeiten durch den Europäi- sen. Deswegen ist es jetzt wahnsinnig wichtig, schen Green Deal. Auch wenn wir mal in unsere dass sich Deutschland und Niedersachsen hier Bekanntenkreise oder in die Reihen der Klein- und positionieren, dass das nicht im allgemeinen Wahl- Großanleger schauen, ist es inzwischen so, dass kampfgetöse um unsere Probleme, die wir in sich inzwischen wirklich alle fragen: Was passiert Deutschland haben, untergeht, sondern dass auch eigentlich mit meinem Geld? - Es geht ja immer um auf diese wichtige, wichtige Positionierung gegen- Divestment. Wir haben auf der Seite der Verbrau- über Brüssel Einfluss genommen wird. cherinnen und Verbraucher eine ganz große Sen- Wir hoffen, dass Sie uns mit unserem Anliegen im sibilität in den letzten Jahren entwickeln können. Ausschuss unterstützen und wir zu einer gemein- Das ist gut. Deswegen wird ein solches Label auch samen Positionierung kommen können, die ganz auf das Anlageverhalten von Kleinstanlegern Aus- klar deutlich macht: Wir haben aus den Atomkata- wirkungen haben, und das ist gut so. strophen von Fukushima und Tschernobyl gelernt. Nun stellt sich also die Frage: Welche wirtschaftli- Wir wollen nicht, dass der Weg für eine weitere chen Aktivitäten werden künftig als nachhaltig ein- Nutzung oder den Ausbau der Nutzung der Atom- gestuft? Ursprünglich sollte mal vonseiten der EU kraft in der EU geebnet wird. Wir wollen auch, dass klar wissenschaftlich definiert werden: soundso viel Erdgas ganz klar als das eingestuft wird, was es Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom, die erzeugt ist, nämlich ein fossiler Energieträger, der nicht zur wird. Dann gibt es noch das sogenannte Do-no- Energiewende gehört, auch nicht als Brückentech- harm-Prinzip. Es geht also nicht nur um das Emit- nologie. tieren von CO2, sondern es sollen auch ansonsten keine Umweltrisiken eingeschlossen werden. Wir alle müssen deutlich machen, dass die Zukunft bei den Erneuerbaren - und nur bei den Erneuer- Die EU hat dann ihre Pläne vorgelegt - und plötz- baren - liegt. Deswegen hoffe ich wirklich sehr auf lich, wenig erstaunlich, brach ein ganz großer konstruktive Beratungen im Ausschuss. Sturm der Lobbyisten los. Insbesondere Frankreich hat sich natürlich ganz stark dafür gemacht, dass Danke schön. Atomkraft doch nun auch wirklich nachhaltig sei und im Sinne des Klimaschutzes helfen würde. (Beifall bei den GRÜNEN)

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Vizepräsident Bernd Busemann: Frau Staudte, Sie haben schon relevante Bereiche Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Nächster angesprochen. Aber gerade unter dem Aspekt der Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Volker Entwicklung des Wasserstoffprojektes - sozusagen Senftleben. Herr Senftleben, Sie haben das Wort. der Umstellung - ist genau diese Positionierung zu möglichen Schlüsseltechnologien jetzt sinnvoll, wichtig und erforderlich. Volker Senftleben (SPD): (Unruhe) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- ginnen und Kollegen! Im Rahmen des sogenann- Vizepräsident Bernd Busemann: ten Green Deals der EU wurde seitens der Europä- ischen Kommission die Taxonomie-Verordnung Herr Senftleben, einen Moment, bitte! geschaffen. Damit soll für Investitionen in Finanz- Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bit- produkte Transparenz hergestellt werden und sol- ten - auch an der Regierungsbank; sonst müssen len durch private Investitionen grüne und nachhal- wir alles mitschreiben -, mit Ausnahme der Parla- tige Projekte gefördert werden. mentarischen Geschäftsführer. Die können sich Der Kern besteht darin, dass die Einführung eines gerne überlegen, ob wir noch einen weiteren Punkt einheitlichen Klassifizierungssystems für ökolo- vor die Mittagspause ziehen. gisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in der EU Wenn jetzt Ruhe ist, sind Sie, Herr Senftleben, erreicht wird. Damit eine Wirtschaftstätigkeit als wieder dran. ökologisch nachhaltig gelten kann, muss sie zur Verwirklichung eines der in der Verordnung ge- Volker Senftleben (SPD): nannten Umweltziele beitragen. Diese lauten: Kli- Vielen Dank, Herr Präsident. maschutz, Anpassung an den Klimawandel, nach- haltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Mee- Seitens der Kommission wurden - das haben wir resressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirt- von Ihnen, Frau Staudte, eben auch schon gehört - schaft, Vermeidung und Verminderung der Um- zwei weitere Berichte von der Gemeinsamen For- weltverschmutzung sowie Schutz und Wiederher- schungsstelle angefordert. Diese werden zurzeit stellung der Biodiversität und der Ökosysteme. erwartet, um dann - wissenschaftlich basiert - den delegierten Rechtsakt final auszugestalten. Ich Neben dem Ziel der Taxonomieverordnung, private sehe diesen wissenschaftlichen Berichten ausge- Investitionen in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken, sprochen interessiert entgegen. soll zudem Greenwashing vermieden werden, indem Anforderungen an die Vermarktung von Ich freue mich auf einen kritischen, aber hoffentlich Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen als konstruktiven Austausch im Ausschuss und be- ökologisch nachhaltige Investitionen festgelegt danke mich für Ihre Aufmerksamkeit. werden. Vielen Dank. Folglich dient die Verordnung einerseits Transpa- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) renzzwecken. Andererseits soll von Anfang an aber auch eine Lenkungsintention bestehen, die Vizepräsident Bernd Busemann: eine echte Bedeutung sowohl für die Finanzbran- Vielen Dank, Herr Kollege. - Der fraktionslose Kol- che als auch für die Realwirtschaft hat. lege Stefan Wirtz hat sich gemeldet. Auch die Bundesregierung verfolgt den Weg einer (Unruhe) nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft, und - Ich darf um Ruhe bitten! Wie gesagt, Verhand- selbstverständlich wird auch in Niedersachsen lungen dürfen sein. Aber es geht auch leiser. dieser Weg mit Nachdruck gegangen werden. Herr Wirtz, bitte sehr! Sie sind mit drei Minuten Entscheidend ist bei dem aktuell angelaufenen notiert. Prozess aber auch, dass wir uns europaweit mit allen Mitgliedstaaten eng über die Rahmensetzung Stefan Wirtz (fraktionslos): dieser Verordnung abstimmen. Für uns in Nieder- Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Da- sachsen bedeutet dies ganz konkret auch, dass men und Herren! Wir haben es gerade schon ge- wir eine Positionierung zu möglichen Schlüssel- hört: Die Taxonomie soll private Investitionen len- technologien diskutieren und festlegen. ken, und das im gesamten Bereich der EU. Hier

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darf man ausnahmsweise auch von ganz Europa Ihnen sagen: Wenn Private investieren, ist es im- sprechen. Wir sprechen hier aber vor allen Dingen mer besser. Wenn sie in richtige und wichtige von einem ganz anderen Begriff, der noch gar Strukturen investieren, ist es besser. Denn nicht gefallen ist: PCI. Auf Deutsch: gemeinsame Deutschland ist immer noch der größte Nettozahler europäische Interessen. Ein Hauptinteresse ist in der EU. Wenn nicht Private investieren, müssten dabei ganz profan die Sicherstellung der Energie- wir das tun. Dass deutsche Steuergelder in euro- versorgung der EU. päische Gasleitungen und vielleicht sogar Kern- kraftwerke investiert werden, wäre - da bin ich Wie sehen das andere Länder und eine andere ausnahmsweise Ihrer Meinung - nicht so sinnvoll. Partei als die antragstellende? - Die CDU spricht von Erdgas als Brückenenergiequelle. Sie ist zu- Alles Weitere kommt sicherlich im Ausschuss zum mindest CO2-arm. Von daher ist Gas für eine Brü- Tragen. Am Ende werden vielleicht auch die Grü- cke, von der wir nur nicht wissen, wie lang sie sein nen an einen Dexit denken, zumindest bei diesem wird, mindestens noch für eine geraume Zeit ge- Thema. eignet, unsere Energieversorgung sicherzustellen. Vielen Dank. Die Grünen haben hier - das ist natürlich ihre (Zustimmung bei fraktionslosen Ab- DNA - vor allen Dingen von der Kernkraft gespro- geordneten - Helge Limburg [GRÜ- chen. Auch dabei können wir einmal auf die Nach- NE]: Nein, werden wir nicht! Keine barländer achten: Frankreich, die Niederlande und Sorge! Das haben Sie exklusiv!) auch Polen setzen auf Kernkraft. Neue Kraftwerke werden dort gebaut. - Das ist natürlich nicht im Vizepräsident Bernd Busemann: grünen Sinne. Danke schön, Herr Kollege. - Nächster Redner ist Ich glaube, Sie merken jetzt - das ist eigentlich Kollege Kortlang von der FDP-Fraktion. Bitte sehr, unsere DNA -: Die EU ist doch nicht so toll. Das, Herr Abgeordneter! was die EU-Nachbarn vorhaben, passt nicht zu Ihrer Agenda. In Finnland wird Kernkraft sogar mit Horst Kortlang (FDP): Unterstützung der dortigen Grünen gefördert. Sie Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen, liebe Kol- waren mit bei der Besichtigung des dortigen End- legen! „Keine schmutzigen Deals … - Atomkraft lagers, das bald fertiggestellt wird. und fossiles Gas von EU-Nachhaltigkeitslabel aus- (Christian Meyer [GRÜNE]: Wollen schließen“, so lautet die Überschrift Ihres Antra- Sie jetzt raus aus der EU oder nicht?) ges, liebe Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Atomkraft auszuschließen, war und ist Es geht um Gasleitungen in und nach ganz Euro- immer Ihr Markenkern. Sie wollen selbstverständ- pa: von Irland nach Frankreich, nach Polen und lich verhindern, dass diese Energiebereitstellungs- auch nach Italien. Alle diese Länder setzen auf technik durch die Hintertür wieder etabliert wird. diese Energieversorgung, fernab von irgendwel- chen grünen Ideen, die hier in Deutschland gelten, (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - fernab von irgendwelchen Windrädern. Das ist die Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Struktur, die sich die EU gerade zurechtlegt. Selbstverständlich!) Sie haben allerdings recht: Pipelines nach Däne- In einigen anderen Ländern ist das ja so. Wir sind mark mögen nicht im Sinne der Antragsteller sein. auch der Meinung, dass das eigentlich nicht sein Deshalb legen Sie hier nach. Sie rütteln an dieser darf. Aber weiterhin kann ich das sehr wohl nach- PCI-Liste, u. a. an den vielen Projekten, die ich vollziehen. Auch wenn die neuen Techniken kein gerade aufgezählt haben. Sie versuchen jetzt, über Plutonium und im Allgemeinen weniger strahlen- den Landtag - wieder einmal ein bisschen indirekt - den Abfall produzieren würden, ist das auch für etwas zu bewirken, über die Bundesregierung, die uns, wie ich gesagt habe, eigentlich kein gangba- auf EU-Ebene etwas bewirken soll, nämlich dass rer Weg. das neue Nachhaltigkeitslabel in Ihrem Sinne be- (Beifall bei der FDP) setzt wird. Konsequenterweise sollten wir dann aber auch die An dieser Stelle bin ich allerdings ausnahmsweise Kernfusion ausschließen. geneigt, Ihrer Meinung zu sein. Denn das Nachhal- tigkeitslabel würde sich dann auch auf private In- Wie sieht es mit Ihrer Forderung aus, auch fossiles vestitionen beziehen. An dieser Stelle muss ich Gas auszuschließen? - Die Kollegen von den Re-

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gierungsfraktionen und auch ein paar andere wer- Vizepräsident Bernd Busemann: den sagen: Der blaue Wasserstoff bzw. der türkise Vielen Dank, Herr Kortlang. - Jetzt fehlt noch die Wasserstoff sind doch klimaneutral, weil kein fossi- Position der CDU. Sie wird uns von der Kollegin les CO2 in die Atmosphäre gelangt. Laura Hopmann übermittelt. Aber stimmt das auch, wenn wir das richtig be- (Vereinzelt Beifall bei der CDU) leuchten? - Klimaneutral ist dieser Wasserstoff nämlich nicht. Denn bei der Förderung oder auch Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte! beim Transport des Erdgases wird, wie Sie richtig dargestellt haben, Methan freigesetzt. Auch Me- Laura Hopmann (CDU): than ist klimaaktiv, und zwar sogar mehr als 30- Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe mal so stark wie Kohlendioxid. Kolleginnen und Kollegen! Dr. Ursula von der Leyen, Niedersächsin und Chefin der EU-Kommis- Haben Sie also recht mit Ihrer Forderung? - Nicht sion, hat von Anfang an deutlich gemacht, dass sie ganz! Es kommt auf den Vergleich an. Der von die Europäische Union mit einem Green Deal als Ihnen favorisierte grüne Wasserstoff ist bei genau- Vorreiterin in Sachen Klimaschutz und nachhalti- er Betrachtung erst einmal nicht klimaneutral. Es gem Wachstum positionieren will. liegt an der Erzeugung des Stroms, mit dem Sie diesen Wasserstoff herstellen wollen. Jetzt hat - das haben die anderen Redner hier schon gut ausgeführt - die Kommission als Bau- (Zustimmung bei der FDP) stein dieser Strategie ein recht umfassendes Maß- Der aktuelle deutsche Strommix hat einen CO2- nahmenpaket angenommen, das dazu beitragen Fußabdruck von 400 g je erzeugter Kilowattstunde. soll, in der Europäischen Union mehr Geld in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken. Es ist der An- Da Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse nicht spruch der Europäischen Union, bei der Weichen- direkt am Windpark oder an der Photovoltaikanla- stellung für ein nachhaltiges Finanzwesen globale ge hergestellt werden kann, hat er sogar einen Maßstäbe zu setzen. Das, liebe Kolleginnen und größeren Fußabdruck, nämlich 500 g je Kilowatt- Kollegen, können sicherlich wir alle hier im Saal stunde. Insofern liefere ich das Argument mit dem gutheißen. Bis hierher, liebe grüne Fraktion, kann sofortigen Kohleausstieg, das wir ja eigentlich ich Ihren Antrag schon bei der ersten Beratung voll auch propagiert haben. Aber auch der Wasserstoff unterstützen. direkt am Windpark wäre nicht viel besser. Auch er hat einen erhöhten Abdruck. Dann kommen aber Ihre drei Forderungen.

Aber schauen wir uns nun einmal auch den grauen Sie fordern, „wirksame Anreize für Investitionen in Wasserstoff an! Er kommt auf 250 g je Kilowatt- genuin grüne Wirtschaftsbereiche zu schaffen“. stunde. Das ist eine gute Forderung. Aber es ist auch eine überflüssige Forderung. Denn unter dem Titel „Ei- Der einzig klimaneutrale Wasserstoff ist also der ne grüne Wirtschaft für Europas Regionen“ hat das aus Biomasse, allerdings nur dann, wenn die neu- EU-Parlament schon im Mai einen rund 18 Milliar- en Techniken angewandt werden. Wir sind ja da- den Euro starken Fonds für den gerechten Über- bei, das alles zu entwickeln. Der Preis würde das gang genehmigt, um die Transformation zu einer auch steuern. klimaneutralen Wirtschaft zu gestalten. Das ist also Sie sehen also: Wir haben uns da Gedanken ge- eigentlich erledigt. Daran kann man einen Haken macht. Wir werden im Ausschuss noch einiges zu machen. beraten haben. Aber ich glaube, dass wir da auf Außerdem fordern Sie ein wissenschaftsbasiertes einen Nenner kommen und das tatsächlich zum und ambitioniertes EU-Nachhaltigkeitslabel im Besten führen werden. Finanzwesen. Genau das hat die Europäische Ich bedanke mich fürs Zuhören und freue mich auf Union vor. die Ausschussarbeit. Meiner Meinung nach ist des Pudels Kern in Ihrem Danke. Antrag eigentlich die Forderung, auf gar keinen Fall Erdgas für dieses Label zuzulassen. Da sind (Beifall bei der FDP) wir ganz klar: Das halten wir für falsch. Frau Staudte hat vorhin ja noch einmal betont, dass Gas für sie keine Brückentechnologie sei. Wir mei-

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nen, dass moderne Gaskraftwerke für den Über- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- gang einen wichtigen Beitrag leisten können. wurf mit Änderungen anzunehmen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber zu Die Beratungen beginnen mit einer Wortmeldung welchem Preis!) des Kollegen Hiebing, CDU-Fraktion. Bitte sehr! Wir glauben auch, dass wir bei der Transformation zu einem bezahlbaren und verlässlichen Umstieg Bernd-Carsten Hiebing (CDU): auf erneuerbare Energien kein Instrument aus der Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Hand geben dürfen. Eine wichtige Brückentechno- Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- logie auf dem Weg zur Klimaneutralität zum jetzi- gen! Am heutigen Mittag wollen wir über ein, wie gen Zeitpunkt ins Abseits zu stellen, wäre unklug. ich finde, zentrales Fundament einer jeden Demo- Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. kratie sprechen, nämlich über das Wahlrecht.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die Beratung im Es geht in der gebotenen Kürze - es ist ja keine Ausschuss. Vielleicht können wir Sie ja noch da- allzu lange Redezeit vorgesehen; es ist auch viel von überzeugen. Konsens in den Beratungen festgestellt worden - Lieben Dank für Ihre Aufmerksamkeit. darum, punktuelle Anpassungen und Regelungen für uns in Niedersachsen darzustellen. Lassen Sie (Beifall bei der CDU) mich einige wenige Aspekte anreißen, die in den doch sehr wichtigen und intensiven Beratungen Vizepräsident Bernd Busemann: des Innenausschusses eine große Rolle gespielt Vielen Dank, Frau Hopmann. haben.

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesord- Mit Blick auf die bestehenden Bundesregelungen nungspunkt liegen mir keine weiteren Wortmel- wird etwa die Unterstützung wahlberechtigter Per- dungen vor. Das war die erste Beratung. Diese sonen, die ein Handicap, eine Behinderung, haben kann ich jetzt schließen. und eine Wahl nicht eigenständig durchführen Wir müssen noch die Ausschussüberweisung re- können, glaube ich, besser geregelt. Ganz wichtig geln. ist dabei, dass sich die Beteiligten darüber im Kla- ren sind, dass der erklärte Wille der wahlberechtig- Es wird vorgeschlagen, dass der Ausschuss für ten Person im Vordergrund stehen muss, wenn Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz tätig auch Dritte beteiligt sind und helfen und unterstüt- werden soll. Ich darf um Ihr Votum bitten und fra- zen. gen, ob das so passieren kann. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlos- Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema ist sen. die Briefwahl. Von dieser Option - das wissen wir - machen immer mehr Bürgerinnen und Bürger Ge- Bevor ich den Tagesordnungspunkt 35 aufrufe: brauch. Das wird in Zeiten der Corona-Pandemie Gibt es von den Parlamentarischen Geschäftsfüh- natürlich noch verstärkt. Daher sollen neue Mög- rern noch eine Botschaft dazu, welche Punkte lichkeiten für die Strukturen in Wahlvorständen vielleicht noch vor der Mittagspause aufgerufen eröffnet werden. Auch in Absprache mit den kom- werden sollen? - Nein, noch nicht. Dann warten wir munalen Spitzenverbänden - es war sozusagen ab. auch deren Wunsch - wollen wir einen effektiven Ich rufe auf den Ausgleich zwischen den Wahlvorständen schaffen. Bislang war meist ein Wahlvorstand ausschließlich für die Briefwahl zuständig, und es gab viele Wahl- Tagesordnungspunkt 35: vorstände in den Wahllokalen. Das soll besser Abschließende Beratung: geregelt werden, sodass die Arbeit bewältigt wer- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- den kann. dersächsischen Landeswahlgesetzes und des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes - Meine Damen und Herren, wir wollen mit diesem Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/8647 Gesetz zusehends auch die Pandemie in den Blick - Beschlussempfehlung des Ausschusses Inneres nehmen. In einer, wie ich finde, schwierigen Situa- und Sport - Drs. 18/9411 - Schriftlicher Bericht - tion müssen Wahlen möglicherweise auch ver- Drs. 18/9454 schoben werden können, wenn die Pandemie nichts anderes zulässt. Das soll aber durchaus in

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einem engen Rahmen geschehen. Eine Wahl darf Insbesondere wir Abgeordneten sind der Demokra- zwar maximal bis zu einem Jahr verschoben wer- tie - die von der Vielfalt der Menschen lebt - gera- den, aber sie sollte schnellstmöglich nachgeholt dezu verpflichtet. Es gilt auch und vor allem jetzt, werden. dieser Vielfalt gerecht zu werden. Deshalb müssen und wollen wir selbstverständlich dafür sorgen, Wir haben weiterhin für die Teilnahme der Öffent- dass wirklich alle, die auf dem Boden unserer de- lichkeit Regelungen geschaffen, die auch in Zu- mokratischen Verfassung stehen, eine reale Chan- kunft Livestream-Veranstaltungen ermöglichen, um ce bekommen, unser Leben vor Ort in den Kom- der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, auf munen, in den Räten und in den Kreistagen, mit- diese Art und Weise an Sitzungen teilzunehmen. gestalten zu können. Meine Damen und Herren, es gibt weitere gezielte Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mir eine Anpassungen, die es gilt, zeitnah auf den Weg zu Politik ohne Diskurs nicht vorstellen. Wir alle profi- bringen. Das Wahlrecht ist, wie ich finde, für unse- tieren von der Diversität der Meinungen. Das geht re Demokratie elementar wichtig. Deshalb sollen aber nicht, wenn wir politische Entscheidungen nur auch in dieser Zeit Anpassungen gemacht werden, durch etablierte Instanzen treffen lassen. Wir sind wenn sie notwendig sind. Mit diesem Gesetzent- der Überzeugung, dass Gesellschaften sich wan- wurf schaffen wir, glaube ich, dafür eine gute Vo- deln. Das impliziert aber auch, dass das auch die raussetzung. Interessen und Anliegen derer tun, denen wir uns Herzlichen Dank. verpflichtet haben. Deshalb kann gute Politik nur gemacht werden, wenn sie den Lebensrealitäten (Beifall bei der CDU und bei der SPD) ins Auge sieht, davor nicht haltmacht und Chancen zum Mitgestalten bietet. Vizepräsident Bernd Busemann: Vielen Dank, Herr Kollege Hiebing. Die zur Abstimmung stehenden Änderungen sollen auch in der aktuellen Situation zu einem fairen Ich darf das Haus darüber informieren, dass nach Wettbewerb und einer breiten Akzeptanz beitra- der Beratung unter den Parlamentarischen Ge- gen. Für uns steht fest, dass auch 40 % der bisher schäftsführern auch der Tagesordnungspunkt 37 notwendigen Stimmen unter den Vorzeichen einer noch vor der Mittagspause behandelt wird. Pandemie die unterschiedlichen Interessen sehr Jetzt setzen wir die Beratungen zu TOP 35 fort. deutlich zum Ausdruck bringen. Uns ist es ein ech- Der Kollege Lynack, SPD-Fraktion, hat das Wort. tes Anliegen, dass auch in dieser Zeit ein fairer Wettbewerb möglich ist und nicht der Pandemie Bernd Lynack (SPD): zum Opfer fällt - ein Wettbewerb, der niemanden ausschließt und deutlich zeigt, dass wir Demokra- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tie auch in der Krise leben, liebe Kolleginnen und Mit dem heutigen Beschluss werden wir vor allen Kollegen. Dingen die jetzt anstehenden Wahlen pandemie- fest machen. Ich denke, auf die großen Inhalte Hervorheben möchte ich an dieser Stelle aus- brauche ich nicht mehr einzugehen. Das hat der drücklich noch einmal, dass wir mit diesem Gesetz Kollege Bernd-Carsten Hiebing gerade hervorra- auch wichtige Regelungen zum assistierten Wäh- gend gemacht. Herzlichen Dank dafür! len umsetzen werden. Bernd-Carsten Hiebing hat darauf hingewiesen. Damit gehören pauschale (Vizepräsident Frank Oesterhelweg Wahlausschlüsse von Personengruppen endgültig übernimmt den Vorsitz) der Geschichte an. Ich finde, liebe Kolleginnen und Ich möchte mir zwei Punkte ganz besonders her- Kollegen, das ist ein starkes Signal im Sinne unse- ausgreifen. res inklusiven Miteinanders. Wenn man in diesen Tagen vor die Tür geht, fühlt Ich denke, alles in allem sind die zur Abstimmung es sich schon fast so an, als hätten wir Corona stehenden Änderungen allesamt ein starkes Zei- endlich überwunden. Leider ist das noch nicht so. chen für die anstehenden Wahlen. Ich freue mich Auch das langsam wiederkehrende Gefühl von auf einen fairen Wettbewerb und wünsche uns Normalität soll nicht verschleiern, was in Folge der allen eine besonders hohe Wahlbeteiligung. Pandemie ganz deutlich sichtbar geworden ist, Herzlichen Dank. nämlich wie elementar unsere Demokratie für das Miteinander in unserer Gesellschaft ist. (Beifall bei der SPD und bei der CDU)

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Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Wünschenswert wäre es, die Anregungen des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen zu Herzlichen Dank, Herr Kollege Lynack. - Für die berücksichtigen. Dieser hatte angeregt, man möge Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kolle- darauf achten, dass auch Fortbildungen und Wei- gin Susanne Menge das Wort. Bitte schön! terbildungen gemacht werden,

Susanne Menge (GRÜNE): (Zustimmung bei den GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen damit man Regelungen trifft und weiß: Was heißt und Herren! Im Prozess dieses Gesetzentwurfs es eigentlich, jemanden bei einer Wahl aktiv zu sind einige wichtige Änderungen und Anpassun- unterstützen? gen vorgenommen worden, um verfassungsrechtli- § 52 c beispielsweise ist präzisiert worden. Sie che Risiken nahezu auszuräumen und um gesell- haben für den Fall einer pandemischen Lage die schaftlichen Bedingungen Rechnung zu tragen. Verschiebung von Wahlen nun endlich auf Neu- wahlen und einzelne Direktwahlen beschränkt, und Leider müssen wir inzwischen unbedingt darauf zwar nur für Wahlen, die nach dem 1. November schauen, wie wir Kandidierende schützen können, 2021 abgehalten werden müssen. Einbezogen damit sie nicht Opfer übler Hasstiraden werden. wurde auch unser Vorschlag, diese Wahlverschie- (Beifall bei den GRÜNEN) bung auf maximal ein Jahr zu befristen. Aber mein Kollege Limburg hat im Rechtsaus- Menschen, die sich politisch engagieren und ver- schuss vom Innenministerium dreimal leider keine antwortliche Aufgaben in ihrer Kommune wahr- Antwort auf die Frage erhalten, ob Wahlverschie- nehmen, treten nach außen und vertreten ihre bungen im Zusammenhang mit dem Ablauf einer Positionen. Und Menschen, die sich äußern, ma- Amtszeit oder im Zusammenhang mit dem Ablauf chen sich nun einmal auch angreifbar. Dass wir einer Amtszeit, dem Alter und der Wahlverschie- uns heute präventiv vor diejenigen stellen müssen, bung zusammenfallen und wie das geregelt wird. die sich trauen, in öffentlichen Ämtern unsere De- Insofern werden wir uns heute zum Gesetzentwurf mokratie mitzugestalten, ist eine traurige und auch enthalten. eine beschämende Entwicklung. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Lieber Kollege Hiebing, Sie haben in der letzten Debatte gesagt, dass man den privaten Bereich (Beifall bei den GRÜNEN) des Bewerbers ausklammern wolle und dass es für Sie nie ein Problem gewesen sei, offen mit Ihrer Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Wohnanschrift umzugehen. So sollte es eigentlich Vielen Dank, Frau Kollegin Menge. - Nun hat Herr auch sein, und so wäre es wünschenswert. Aber Kollege Dr. Genthe für die FDP-Fraktion das Wort. heute ist die Veröffentlichung einer Privatanschrift Bitte schön! leider Türöffner für diejenigen, die sich nicht in eine sachliche Auseinandersetzung begeben, sondern Dr. Marco Genthe (FDP): Möglichkeiten suchen, Engagierte einzuschüchtern Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und und sogar zu bedrohen. Herren! Dieser Entwurf nimmt einige notwendige Änderungen an dem Niedersächsischen Kommu- (Beifall bei den GRÜNEN) nalwahlgesetz vor. Es ist deshalb richtig, dass wir uns mit diesem Schwierig war insofern der § 52 c bezüglich des Gesetz schützend vor die Privatsphäre Kandidie- Verschiebens von Wahlen, beispielsweise auf- render stellen und Adressen eben nicht mehr grund einer Pandemie. Die jetzt gefundene überall auslegen. Höchstfrist, innerhalb derer die Wahlen dann nachgeholt werden müssen, erscheint mir nun (Zustimmung bei den GRÜNEN) angemessen. Das aktive Wahlrecht in einer inklusiven Gesell- Auch die Absenkung der Anzahl von Unterstüt- schaft wird mit diesem Gesetz gestärkt. Betreue- zungsunterschriften und die Regelungen zur rinnen und Betreuer haben die Möglichkeit, beein- Briefwahl tragen dieser neuen Situation durchaus trächtigte Menschen zu unterstützen. Rechnung.

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Ausdrücklich begrüßen wir auch die Erleichterun- Meine Damen und Herren, da nun diese erhebli- gen hinsichtlich der Videoübertragung von Sitzun- che Rechtsunsicherheit für alle ehrenamtlichen gen der kommunalen Parlamente. Insoweit wün- Betreuer in dem Gesetz verbleibt, werden wir uns schen wir uns jedoch auch weitere Möglichkeiten an dieser Stelle enthalten. wie z. B. hybride Sitzungen von kommunalen Vielen Dank. Fachausschüssen. Vor der Kommunalwahl würde das sicherlich die Attraktivität für die ehrenamtlich (Beifall bei der FDP und bei den Engagierten in den kommunalen Parlamenten GRÜNEN) noch einmal erhöhen. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Meine Damen und Herren, richtig ist es auch, Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Meine Damen und wenn die Fälle geregelt werden, in denen die Herren, für die Landesregierung hat sich nun Herr wahlberechtigte Person Hilfe bei der Abgabe ihrer Minister Pistorius zu Wort gemeldet. Bitte schön, Stimme benötigt. Da Herr Lynack diesen Punkt Herr Minister! gerade angesprochen hat, noch einmal zur Erinne- rung: Das Wahlrecht für Personen mit Einschrän- Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: kungen mussten FDP und Grüne erst vor dem Bundesverfassungsgericht gerichtlich durchsetzen. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Zeit und da von jedem (Beifall bei der FDP und bei den schon fast alles gesagt worden ist, beschränke ich GRÜNEN) mich darauf, festzuhalten, dass wir mit diesem Gesetz die richtigen Schlüsse aus der Pandemie Sie von der Großen Koalition haben sich an dieser ziehen und die Möglichkeiten eröffnen, die es Stelle in Berlin verweigert. braucht, um in diesen Zeiten auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Wir schaffen mehr Möglichkeiten für (Beifall bei der FDP und bei den Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Insge- GRÜNEN) samt sind wir jetzt wirklich an einem Punkt, an dem wir sagen können: Wir machen den nächsten Meine Damen und Herren, nach wie vor störe ich Schritt beim Wahlrecht. mich aber an der Regelung in Artikel 2 Nr. 9 b Satz 3 des Gesetzentwurfes. Die Formulierung Ich freue mich sehr darüber und bin sehr dankbar „unter missbräuchlicher Einflussnahme“ erzeugt dafür, dass die Ausschussberatungen so zügig massive Rechtsunsicherheiten. Darauf hatte ich in haben erfolgen können. Das ermöglicht es, dass der ersten Plenardebatte und auch in den Aus- wir heute den Weg frei machen können, damit schusssitzungen intensiv hingewiesen. Es ist diese Regeln dann auch zur kommenden Kommu- überhaupt nicht ersichtlich, wann eine Einfluss- nalwahl in Kraft treten können. Vielen Dank dafür - nahme missbräuchlich sein soll. und lassen Sie uns gemeinsam auf eine hohe Wahlbeteiligung hoffen! In der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf wurde auch zu Recht der Hinweis gegeben, dass viele Vielen Dank. Betreuer gar nicht über eine Ausbildung verfügen, (Beifall bei der SPD) um eine solche Situation überhaupt rechtskonform einschätzen zu können. Schon der Hinweis auf Vizepräsident Frank Oesterhelweg: einen Presseartikel, einen Kandidaten oder eine Herzlichen Dank, Herr Minister. allgemeinpolitische Diskussion kann eine miss- bräuchliche Einflussnahme sein. Insofern hätte ich Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen mir gewünscht, die wesentlich klarere Definition liegen nicht vor. des § 107 a StGB an dieser Stelle zu übernehmen. Wir kommen nun zur Einzelberatung zu Nr. 1 der (Beifall bei der FDP und bei den Beschlussempfehlung. Ich rufe auf: GRÜNEN) Artikel 1. - Änderungsempfehlung des Ausschus- ses. Wer dieser so zustimmen möchte, den bitte Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hatte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthal- auch erklärt, dass gegen eine solche Übernahme tungen? - Dann ist das mit großer Mehrheit so überhaupt nichts sprechen würde. beschlossen.

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Artikel 2. - Änderungsempfehlung des Ausschus- Ich rufe auf den ses. Wer dieser Änderungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch hier die Regierungsfraktionen und fraktionslose Tagesordnungspunkt 36: Abgeordnete. Gegenprobe! - Keine Gegenstim- Abschließende Beratung: men. Enthaltungen? - Danke schön. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes über den Nationalpark „Niedersächsi- Artikel 2/1. - Änderungsempfehlung des Ausschus- sches Wattenmeer“ - Gesetzentwurf der Fraktion ses. Wer möchte dieser folgen? - Gegenprobe! - der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/8996 Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit wurde der - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- Empfehlung gefolgt. welt, Energie, Bauen und Klimaschutz - Drs. 18/9413 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/9453 - Artikel 3. - Änderungsempfehlung des Ausschus- dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis ses. Wer möchte ihr folgen? - Gegenprobe! - Ent- 90/Die Grünen - Drs. 18/9450 haltungen? - Auch hier wurde der Änderungsemp- fehlung mit großer Mehrheit gefolgt. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- Artikel 4. - Änderungsempfehlung des Ausschus- wurf mit Änderungen anzunehmen. ses. Wer möchte dieser folgen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsempfeh- Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die lung wurde mit großer Mehrheit gefolgt. Grünen strebt Änderungen zu zwei Paragrafen des Gesetzes an. Gesetzesüberschrift. - Änderungsempfehlung des Ich eröffne die Beratung und gebe zunächst dem Ausschusses. Wer folgt dieser Empfehlung? - Ge- Kollegen Axel Miesner für die CDU-Fraktion das genprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Ände- Wort. Bitte schön, Herr Kollege! rungsempfehlung wurde mit großer Mehrheit ge- folgt. Axel Miesner (CDU):

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Schlussabstimmung über die Ausschussempfeh- Herren! Es geht um unser Wattenmeer, das be- lung zum Gesetzentwurf. kanntlich ein UNESCO-Biosphärenreservat ist. Das zeigt schon die Bedeutung dieses schönen Wer dieser folgen möchte, den bitte ich, sich vom Stückchens Erde bei uns in Niedersachsen. Wir Platz zu erheben. - Das sind die Regierungsfrakti- alle wollen gemeinsam weiter pfleglich damit um- onen und fraktionslose Abgeordnete. Gegenprobe! gehen, um dem Umweltschutzgedanken nachzu- - Gegenstimmen gibt es nicht. Enthaltungen? - Das kommen, aber auch um das Biosphärenreservat sind einige fraktionslose Abgeordnete und die für den sanften Tourismus weiterzuentwickeln. Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Anlass des Ganzen ist letztendlich, dass Modell- Dann ist das entsprechend so beschlossen. projekte für nachhaltige Entwicklung und die Durchführung durch unsere Kommunen in diesem Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nr. 2 Bereich ermöglicht werden sollen. Sie wollen sich der Beschlussempfehlung. in dem Bereich nachhaltiger und sanfter Tourismus einbringen, Fördermittel dafür akquirieren und sich Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Aus- für Projekte einsetzen, die diesem Zweck dienen. schusses folgen und damit die Einsender der in die Dem wollen wir gerne nachkommen, weil das dem Beratungen einbezogenen Eingaben 2429, 2518, Biosphärenreservat insgesamt dient. Es geht um 2599 und 2643 über die Sach- und Rechtslage eine Ausweitung der Entwicklungszone auf Flä- unterrichten möchte, den bitte ich um ein Handzei- chen außerhalb des jetzigen Nationalparks. Dafür chen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist ist die vorgesehene Änderung des Gesetzes nötig. das einstimmig so beschlossen. Wir haben eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf Das war Tagesordnungspunkt 35. durchgeführt, in der die Gesetzesänderung positiv aufgenommen wurde. Das Ganze ist mit den Ge- meinden weiterzuentwickeln. Wir wollen den ge- setzlichen Rahmen schaffen, um in den Kommu-

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nen die Mitwirkungsbereitschaft zu fördern. Das ist Marcus Bosse (SPD): ein ganz positives Signal. Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen Es geht nicht darum, neue Schutzgebiete auszu- und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und weisen. Darauf weise ich ausdrücklich hin; denn Herren! Beim Nationalpark „Niedersächsisches danach wurde auch seitens der Landwirtschaft Wattenmeer“ besteht tatsächlich auch aus zeitli- gefragt. Das wird mit der Änderung des Gesetzes cher Sicht Handlungsbedarf. Nach UNESCO- nicht geschehen - auch nicht durch die Hintertür. Kriterien muss als Teil des bestehenden Biosphä- Ich lege Wert darauf, das hier noch einmal festzu- renreservates eine Entwicklungszone gesetzlich stellen. Es geht auch nicht darum, wie uns seitens definiert werden, die 50 % des gesamten Gebietes der Grünen unterstellt wird, die Erdgasförderung umfassen soll. Darum war dieser Gesetzentwurf weiter zu befördern - ganz im Gegenteil. Auch das zur Änderung des Nationalparkgesetzes - ich nen- lehnen wir von unserer Seite ab. Das ist an diesem ne ihn einmal Teil 1 - notwendig. Platz auch schon mehrmals deutlich gemacht wor- Die notwendigen Entwicklungszonen sollen samt den. und sonders binnendeichs entstehen. Entschei- Zusammengefasst: Es geht, wie gesagt, darum, dend für die Umsetzung ist, dass die Bevölkerung die Umwelt in diesem Bereich zu stärken, den die Planung, die Bewirtschaftung und vor allem Tourismus für die Menschen im Einklang mit der auch die Gestaltung dieses Bereiches komplett Umwelt weiterzuentwickeln und eine nachhaltige mitträgt. Dazu ist eine intensive Beratung erfolgt. Entwicklung in diesem Bereich zu ermöglichen. Kollege Miesner hat darauf hingewiesen: Auch die kommunalen Träger, die wir zu einer Anhörung Zum Thema Erdgasförderung hat die Fraktion eingeladen hatten, haben sich dazu durchweg Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag positiv geäußert und die Änderungen begrüßt. eingereicht. Er geht aber total am Thema vorbei, weil dieses Thema hier gar nicht mitzubehandeln Modellprojekte sind für nachhaltige Entwicklungen ist. Es hier nur darum, Entwicklungszonen zu er- und sollen ausschließlich auf freiwilliger Basis er- weitern. folgen. Für die Erweiterung der Entwicklungszonen ist es wichtig, gesetzlich klarzustellen, welche Ge- (Zuruf von Imke Byl [GRÜNE]) biete Teil der Entwicklungszone sind oder sein Wenn Sie im Ausschuss zugehört haben, dann können und wie es sich mit der Gültigkeit der Re- wissen Sie ganz genau, dass ein Gesetzentwurf gelungen des Nationalparkgesetzes und der Auf- dazu von der Landesregierung erarbeitet wurde, gabenwahrnehmung durch die Nationalparkverwal- der sich in der Schlussabstimmung befindet. Das tung an der Stelle verhält. ist auch zu Protokoll gegeben worden. Lesen Sie Die Zugehörigkeit von Flächen zum UNESCO- einfach das Protokoll, dann wissen Sie genau Be- Biosphärenreservat, die außerhalb des National- scheid! Und hören Sie auf, sozusagen einen Tag parks liegen, steht unter dem Entscheidungsvor- nach Ihrer verlorenen Landtagswahl in Sachsen- behalt der Kommunen. Die Flächen außerhalb des Anhalt hier solche Anträge einzureichen. Nationalparks unterliegen keinem weiteren natur- Ihr Dreizeiler wird nichts daran ändern, sage ich schutzrechtlichen Schutz. mal, dass wir auf diesem Gebiet weiter aktiv sind, Die Beratung dieses Gesetzes musste relativ zügig um die Erdgasförderung in diesem Bereich zu durchgezogen werden, und ich bin - das sage ich verhindern - das wissen Sie ganz genau. Das ist ganz deutlich - allen, die daran beteiligt waren, im Ausschuss auch dargestellt worden. Ihr Dreizei- dankbar dafür, dass das dann auch so zügig mög- ler wird in der Richtung nichts bringen. Gesetze lich war. umfassen nun einmal etwas mehr als drei Zeilen auf grün bedrucktem Papier. Der erwartete Gesetzentwurf Teil 2 zum National- Vielen Dank. park „Niedersächsisches Wattenmeer“, auf den wohl der Änderungsantrag der Grünen abzielt, ist - (Beifall bei der CDU und bei der SPD) darauf hat Kollege Miesner auch hingewiesen - sehr wohl im Protokoll abgedruckt. In ihm geht es Vizepräsident Frank Oesterhelweg: um Erdöl- oder Erdgasförderung im Nationalpark Herzlichen Dank, Herr Kollege Miesner. - Für die „Niedersächsisches Wattenmeer“. Er befindet sich SPD-Fraktion hat sich der Kollege Marcus Bosse tatsächlich in der Schlussabstimmung und wird in zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege! Kürze auch das Parlament erreichen.

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Ich habe eben noch mal im Protokoll nachge- unser Gesetzentwurf sehr wohl dem Ziel dient, schaut: Als Kollege Miesner das gesagt hat, ist von solche Bohrungen zu verhindern. der Landesregierung ausdrücklich gesagt worden, (Beifall bei den GRÜNEN) es sei in keinster Weise damit zu rechnen, dass in Kürze oder auch in mittelfristiger Zukunft irgend- Sie hatten ganze zwei Jahre Zeit, einen Gegen- welche Explorationsarbeiten im Schutzgebiet Nati- vorschlag zu machen. Ich warte bis heute drauf! onalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ zu er- Herr Bosse, Sie nennen das in Ihrem Gesetzent- warten sind. Insofern ist es tatsächlich so, wie wurf „Entwicklungszone Teil 1“. Das zeigt ja schon, Kollege Miesner sagt: Der Antrag geht an der Rea- dass auch Sie wissen, dass der Teil 2 mit den lität vorbei. Bohrungen ins gleiche Gesetz gehört. Danke nochmal an alle! Ich bitte um breite Zu- (Marcus Bosse [SPD]: Der ja kommt! - stimmung für dieses Gesetz. Christian Meyer [GRÜNE]: Drei Jahre Danke schön. warten wir!) (Beifall bei der SPD und bei der CDU) Sie sagen, dass der Teil 1 eine besondere zeitliche Handlungsnotwendigkeit hat. Aber der Teil 2 mit Vizepräsident Frank Oesterhelweg: den Bohrungen doch sicherlich auch. Da stimmen Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Nun hat sich Sie mir doch auch zu! die Kollegin Imke Byl für die Fraktion Bünd- „In Kürze kommt etwas“ - das hören wir seit zwei nis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön, Jahren! Frau Kollegin! (Christian Meyer [GRÜNE]: Nachdem Imke Byl (GRÜNE): neue Bohrungen genehmigt sind!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Das haben wir auch 2020 wiederholt im Ausschuss und Kollegen! Das Biosphärenreservat „Nieder- gehört. Sie wissen selber - wir sitzen beide im sächsisches Wattenmeer“ wird weiter wachsen - Ausschuss -, dass wir von grüner Seite immer und das ist großartig! wieder gesagt haben: Dann bestehen wir jetzt nicht darauf, darüber abzustimmen, und warten (Beifall bei den GRÜNEN) weiter, dass Sie etwas vorlegen. - Aber seit zwei Wir sind uns doch auch alle darin einig, dass wir Jahren ist nichts von Ihnen gekommen! dieses einzigartige Wattenmeer unbedingt schüt- (Beifall bei den GRÜNEN - Julia Willie zen müssen. Aber dazu, liebe Kolleginnen und Hamburg [GRÜNE]: Traurig! Wirklich Kollegen, gehört eben auch ein klares Verbot von traurig!) Öl- und Gasbohrungen! Der Anlass könnte aktueller nicht sein. Es gibt die (Beifall bei den GRÜNEN - Marcus Gasexplorationen der Firma ONE-Dyas im Bosse [SPD]: Das kommt doch!) deutsch-niederländischen Grenzgebiet vor Bor- Sorry, aber das fehlt leider in Ihrem Gesetzesent- kum. Das geht uns sehr wohl etwas an. Auch dem wurf! wollen wir mit der Gesetzesänderung Rechnung tragen. Zur zeitlichen Dimension. Sie haben Ihren Gesetz- entwurf innerhalb von zwei Monaten durch den Und am Montag stellt sich Umweltminister Olaf Landtag gebracht. Wenn Sie wollen, dann können Lies plötzlich per Pressemeldung hinter die Forde- Sie auch. Wenn Sie allerdings nicht wollen, dann rung von Umweltverbänden, von uns Grünen, aber sitzen Sie es offensichtlich einfach aus. Wir haben auch von den Ostfriesischen Inseln und sagt, die unseren grünen Gesetzentwurf für ein Verbot von Förderung im Umfeld des Nationalparks muss Öl- und Gasbohrungen im Wattenmeer schließlich beendet werden. schon vor zwei Jahren - also nicht zwei Monaten - (Christian Meyer [GRÜNE]: Die sollen vorgelegt. Und wenn Sie sagen „Dreizeiler“, Herr ja zustimmen!) Miesner: Das klingt ziemlich abwertend. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns das nicht mal eben Ja, stimmt. Es ist toll, dass Sie das noch mal beto- morgens unter der Dusche ausgedacht haben, nen. Aber hier und heute haben Sie mit unserem sondern dass wir das mit Umweltjuristinnen be- Antrag doch die Chance, das, was Sie hier ver- sprochen und erarbeitet haben und dass dieser sprechen, auch umzusetzen.

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(Beifall bei den GRÜNEN - Christian aufzunehmen: Artikel 1 Abs. 2, Abs. 4, Abs. 5. Es Meyer [GRÜNE]: Wieder nur eine An- geht um fehlende Rechtsfolgen und Rechtssyste- kündigung! Wieder nur heiße Luft des matik. Denn eigentlich müssten die geltenden Ministers!) Schutzzwecke an die des UNESCO-Biosphären- reservats angepasst werden. So wurde es ja aus- Sie sagen, in Kürze kommt etwas. Das hören wir geführt. seit zwei Jahren. Ganz ehrlich: Wenn wir noch zwei Jahre darauf warten, dann ist diese Legisla- Das ist für uns eigentlich der Hauptgrund, diesen turperiode rum. Und dann sitzen hoffentlich wir in Antrag abzulehnen. UNESCO-Biosphärenreservat der Regierung und können das selber umsetzen. „Niedersächsisches Wattenmeer“ ist ohne Frage ein anzustrebender Titel. Wir sind auch gar nicht (Beifall bei den GRÜNEN - Christian dagegen. Das geht aber nur mit einem vernünfti- Meyer [GRÜNE]: Ja! - Wiard Siebels gen Gesetz. [SPD]: So wie in der vergangenen Legislaturperiode! Daran kann ich Meine Frage, ob außendeichs Klei entnommen mich gut erinnern! Da haben Sie das werden könnte, wurde leider nicht richtig beantwor- ja auch schon mal geregelt!) tet. Wenn man in Entwicklungszonen geförderte Projekte realisieren möchte, wäre es gerade für die Wir hätten es aber gerne früher. Deswegen sind Landwirtschaft sehr bedeutsam, einen Großteil der wir darauf angewiesen, dass Sie das machen. Wasserflächen, die durch den Kleiabbau für die Wenn der Umweltminister und Sie als Fraktion Deichertüchtigung entstanden sind, als Bewirt- dieses Verbot wirklich durchsetzen wollen, dann schaftungsfläche zurückzuerhalten. Dazu gehören stimmen Sie unserem Änderungsantrag heute zu! auch diese Ausgleichsflächen. Das wäre aktiver Eine Alternative haben Sie nicht vorgelegt. Wir Klimaschutz. freuen uns dementsprechend fraktionsübergrei- fend über Zustimmung zu unserem Änderungsan- Ich bedanke mich fürs Zuhören. Leider kann ich trag. hier nicht mehr sagen als: Wir werden uns der Sache nicht mit annehmen. Wir werden also dage- Danke schön. gen stimmen. (Beifall bei den GRÜNEN) Danke.

Vizepräsident Frank Oesterhelweg: (Beifall bei der FDP) Vielen Dank, Frau Kollegin Byl. - Meine Damen Vizepräsident Frank Oesterhelweg: und Herren, für die FDP-Fraktion hat sich der Kol- lege Horst Kortlang zu Wort gemeldet. Bitte schön! Vielen Dank, Herr Kollege Kortlang. - Meine Da- men und Herren, nun hat sich Herr Minister Lies Horst Kortlang (FDP): für die Landesregierung zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister! Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kolle- gen! Mit diesem Gesetzesänderungsantrag geht Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen es Ihnen aus den Reihen der Regierungskoalition und Klimaschutz: darum, den Nationalpark „Niedersächsisches Wat- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tenmeer“ zum UNESCO-Biosphärenreservat zu Ich fange mal mit dem Argument an, das Sie, lie- erweitern. ber Horst Kortlang, in der Runde hier vorgebracht Nur diesen Titel wollen Sie nach der Anerkennung haben. Denn das beschreibt die Situation und geht anstreben. Es wird kein Gedanke darauf gerichtet, auch auf das ein, was die Kollegin Imke Byl gesagt ob nicht auch einige der Dinge, die momentan so hat. strikt gefasst sind, an die Idee des zwischenstaatli- Wenn wir in die Beschlussfassung über diesen chen und wissenschaftlichen Programms „Man and Gesetzentwurf jetzt auch noch das Verbot von Biosphere Programme“ angepasst werden könnten Erdöl- und Erdgasförderung aufnehmen würden - und sollten. eine Frage, die uns überhaupt nicht auseinander- Ich verstehe auch die Weigerung der Koalitionäre bringt -, dann bedürfte das Ganze noch erheblich nicht, die Anregungen des Gesetzgebungs- und mehr Zeit. Und Sie wissen doch auch warum - das Beratungsdiensts zu zwei sehr wichtigen Punkten, ist im Ausschuss gesagt worden -: weil es eben die er in den Ausschüssen angesprochen hat, bergrechtliche Genehmigungen gibt, die man nicht

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einfach mit einem Federstrich streichen kann, ohne zu einer Beschlussfassung kommen und den zwei- zu wissen, welche wirtschaftlichen Folgen das hat. ten Aspekt - das Verbot von Erdöl- und Erdgasför- Genau das muss sauber geklärt sein. Das machen derung - in eine nächste Runde verlagern. wir auch gerne transparent Ich möchte beschreiben, wie das entstanden ist. (Christian Meyer [GRÜNE]: Zwei Jahre!) Wir sind vor allen Dingen von der Wirtschaft - ins- besondere vom Arbeitgeber- und Wirtschaftsver- - Ja, vier Jahre! Ich will daran erinnern, wer vorher band, der die Wirtschaftsinteressen in der Stadt Umweltminister war: Da ist es auch nicht gelöst Wilhelmshaven und den Landkreisen Friesland worden! und Wittmund vertritt - angesprochen worden. Die Wissen Sie, es ist immer so leicht, sich dahinzu- Botschaft war: Wenn für uns im Gesetzentwurf setzen und zu sagen: Es dauert, es dauert! - Wenn nachvollziehbar ist, dass das, was ihr uns ver- es so einfach wäre, hätte es doch schon gelöst sprecht, keine Auswirkungen hat, dann empfehlen werden können! Jetzt bleiben Sie doch mal ehrlich wir als Wirtschaft den kommunalen Parlamenten, und sachlich, das hilft uns vielleicht ein bisschen zuzustimmen. - Genau das hat die Wirtschaft auf mehr in der Sache weiter. Es ist ja sonst immer Grundlage dieses Gesetzentwurfs getan. das Gleiche! Ich finde, das ist ein wichtiges Signal. Es zeigt - (Beifall bei der SPD und Zustimmung wie beim „Niedersächsischen Weg“ -, dass man, bei der CDU) wenn man miteinander redet, gemeinsame Lösun- gen findet, auf die man sich verlassen kann. Inso- Wir sind uns in der Sache einig, das ist richtig. Also fern geht es bei gemeinsamen politischen Ent- hätte man sagen können, wir warten noch mit der scheidungen nicht nur um die Frage, wie viel Zu- Beschlussfassung, die wir heute vornehmen. Aber stimmung es im Parlament für sie gibt. Vielmehr ist warum ist es wichtig, heute zu beschließen? Lieber die Frage entscheidend, ob es eine politische Ak- Horst Kortlang, das wäre - wohlwissend, dass man zeptanz für das gibt, was wir hier gemeinsam tun. nicht mal eben die Abstimmung ändert - mein Ap- pell an die Fraktionen von FDP und Grünen: Wir Ich würde mir wünschen - als ein zweites Ziel, das geben damit ein Signal. wir noch nicht gänzlich erreicht haben -, dass das auch bei der Landwirtschaft dazu führt, dass sie Die Kritik des Gesetzgebungs- und Beratungs- mit Blick auf die Lösung die Lösung, die die Wirt- dienstes war ja: Warum ist es notwendig, dass ihr schaft mit erarbeitet hat und die quasi einen dop- etwas in einem Gesetz fixiert, obwohl das Problem pelten Boden schafft - dass es keine aus dem Bio- doch gar nicht besteht? - Aber genau das erleben sphärenreservat abgeleiteten Folgerestriktionen wir doch vor Ort! Sie, lieber Herr Kortlang, erleben gibt -, sagt: Unter diesen Bedingungen akzeptieren das in der Wesermarsch, wir erleben das auf der wir das. gesamten Ostfriesischen Halbinsel: die Sorge der Landwirtschaft und die Sorge der Wirtschaft, ob Warum sehe ich das ganz entspannt? - Meine das, was wir machen - nämlich der freiwillige Bei- Gemeinde, in der ich Ratsherr bin, war die erste tritt der Kommunen zum Biosphärenreservat - am überhaupt, die 2009 dem Biosphärenreservat bei- Ende nicht doch weitere naturschutzfachliche Auf- getreten ist. Ich wohne mitten in einer von Land- lagen mit sich bringt. wirtschaft geprägten Region, und noch kein Land- wirt hat zu mir gesagt, das Biosphärenreservat ist Das ist die Sorge, die Wirtschaft und Landwirt- ein Problem. schaft umtreibt. Das hat uns dazu bewogen, zu sagen: Wir wollen eine schnelle Lösung, die das Ich will aber auch auf eine Frage eingehen, die absichert. Und sie wäre aus meiner Sicht noch mich sehr nachdenklich macht: Warum gibt es in eindrucksvoller, wenn es einen breiten Beschluss der Landwirtschaft diese große Sorge? - Sie ist des Landtags gäbe, weil die Kolleginnen und Kol- entstanden, weil man der Landwirtschaft in der legen vor Ort meines Erachtens damit sicher sein Vergangenheit suggeriert hat: Wir weisen hier zwar könnten, dass das gesamte Parlament, unabhän- ein Schutzgebiet aus, aber ihr müsst euch keine gig ob Regierungs- oder Oppositionsfraktionen, Sorgen machen. Das hat keine Auswirkungen. Wir dahintersteht und der freiwillige Betritt der Kom- lösen die Ansprüche, die die UNESCO stellt, mit munen zum Biosphärenreservat, über den jeweils freiwilligen Maßnahmen ein, bei denen ihr selbst bis zum Sommer eine Entscheidung getroffen wer- entscheidet, ob ihr mitmacht. - Das war falsch. den muss, einfacher möglich wäre. Das ist der Damit haben wir - ohne auf politische Verantwort- einzige und nachhaltige Grund, weshalb wir heute lichkeit einzugehen; das würde uns heute nicht

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weiterhelfen - leider nur eines erreicht - und dem (Beifall bei der SPD und Zustimmung konnten wir mit der Verständigung über den „Nie- bei der CDU) dersächsischen Weg“ begegnen -: Wir haben das Bitten lassen Sie uns also keine Debatte über den Vertrauen der Landwirtschaft in politische Aussa- falschen Punkt führen. gen und Entscheidungen verspielt. Vielmehr verfolgen wir ein zweistufiges Vorgehen: Es ist unsere Aufgabe, dieses Vertrauen in politi- Heute geben wir ein Signal an die Wirtschaft und sche Entscheidungen zurückzugewinnen - sowohl Landwirtschaft, damit sie den Kommunen empfeh- bei der Wirtschaft und Landwirtschaft als auch mit len, zum Biosphärenreservat beizutreten. Danach - Blick auf die Frage, wie Klima-, Umwelt- und Na- in der Zeit, die es benötigt, aber noch in dieser turschutz nicht in einem Gegeneinander mit Wirt- Legislaturperiode - folgt eine klare Entscheidung schaft und Landwirtschaft, sondern in einem Mitei- darüber, dass es keine Erdöl- und Erdgasförde- nander geschehen kann. rung im Niedersächsischen Wattenmeer geben Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, die- wird. sen Beschluss gemeinsam zu fassen, um Wirt- Herzlichen Dank. schaft und Landwirtschaft zu signalisieren - auch wenn es nur ein bescheidenes Signal wäre -: Der (Beifall bei der SPD und Zustimmung Beitritt zum Biosphärenreservat wird euch nicht bei der CDU - Christian Meyer [GRÜ- belasten. Gleichzeitig zeigen wir euch, dass wir NE]: Die Aussage ist wie die zur Lan- politisch geschlossen dahinterstehen und es auch deswohnungsbaugesellschaft - nichts stärken. dahinter!)

Wir wollen einerseits Wirtschaft und Landwirtschaft Vizepräsident Frank Oesterhelweg: nicht belasten. Andererseits wollen wir aber auch dem UNESCO-Biosphärenreservat durch die Ent- Herzlichen Dank, Herr Minister. wicklungszone eine weitere Perspektive geben, Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist Sinn und liegen nicht vor. Zweck des Gesetzentwurfs. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf: (Zustimmung bei der SPD und bei der Artikel 1. - Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU) Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache Damit verbunden war, wie gesagt, die Bitte, den 18/9450 vor. Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer Beschluss möglichst zeitnah zu fassen, weil die möchte diesem Änderungsantrag folgen? - Das ist kommunalen Parlamente bis zum Sommer ihre die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! Entscheidungen darüber treffen. Sie haben viel- - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag leicht über die Medien verfolgt, dass vor kommuna- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit großer len Entscheidungen im Rahmen von Kreistags-, Mehrheit abgelehnt. vor allen Dingen aber von Gemeinderatssitzungen Wir kommen jetzt zur Änderungsempfehlung des Demonstrationen und große Ansammlungen statt- Ausschusses. Wer möchte dieser folgen? - Die fanden - wie gesagt, aus der Sorge heraus, dass Regierungsfraktionen und einzelne Fraktionslose. das, was wir den Bürgerinnen und Bürgern heute Gegenprobe! - Die FDP-Fraktion. Enthaltungen? - zusagen, morgen nicht greift, und aus der Erfah- Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einzelne rung heraus, dass sie das leider schon erlebt ha- Fraktionslose. ben. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es heute diese Entscheidung nach einem Artikel 2. - Unverändert. schnellen Beratungsverfahren. Gesetzesüberschrift. - Unverändert. Ich bitte darum, jetzt nicht wieder eine Debatte zu Meine Damen und Herren, wir kommen zur führen - das hatten wir gestern schon - nach dem Schlussabstimmung über diesen Gesetzentwurf Motto: Eigentlich will diese Landesregierung wei- mit den entsprechenden Änderungen. Wer ihm terhin Erdöl- und Erdgasförderung im Wattenmeer. seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, - Wir lehnen das konsequent ab, und zwar - ich sich vom Platz zu erheben. Gegenprobe! - Die glaube, das darf ich so sagen - in der Geschlos- Fraktion der FDP. Enthaltungen? - Die Fraktion senheit aller hier im Parlament vertretenen Frakti- Bündnis 90/Die Grünen und einzelne Fraktionslo- onen. se. - Meine Damen und Herren, damit ist dem Ge-

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setzentwurf mit großer Mehrheit zugestimmt wor- ber in diesem Sommer ihre Spielhallen nicht den. schließen müssen, um sie demnächst wieder zu öffnen. Ich rufe auf den Für uns stehen auch hier wieder die Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer klar im Fokus, die zwi- Tagesordnungspunkt 37: schen der Schließung einer Spielhalle im kom- Abschließende Beratung: menden Juli und der möglichen Neueröffnung im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- nächsten Jahr für einen langen Zeitraum arbeitslos dersächsischen Glücksspielgesetzes - Gesetz- werden. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die- entwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der se Betriebe ohnehin schon lange geschlossen. CDU - Drs. 18/9189 - Beschlussempfehlung des Hier haben nicht nur die Betreiber, sondern auch Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und wir als Land eine klare Verantwortung gegenüber Digitalisierung - Drs. 18/9414 - Schriftlicher Bericht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Immerhin - Drs. 18/9455 sprechen wir dabei von rund 275 Spielhallen mit etwa 825 Beschäftigten. Für die Betreiber einer Bestandspielhalle, bei der Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- das Abstandsgebot von 100 m nicht eingehalten wurf mit Änderungen anzunehmen. werden kann, gibt es allerdings keinen Spielraum Ich eröffne die Beratung und erteile der Kollegin mehr. Hier eine Verlängerung zu beschließen, geht Sabine Tippelt für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte völlig gegen den beschlossenen Glücksspiel- schön, Frau Kollegin! staatsvertrag. So geht es im Übrigen auch aus der Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Bera- Sabine Tippelt (SPD): tungsdienstes hervor, und darum werden diese Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Spielhallen zum 30. Juni dieses Jahres geschlos- und Kollegen! Zum 1. Juli 2021 tritt der neue sen. Glücksspielstaatsvertrag, wie im März-Plenum Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf beschlossen, in Kraft. Der § 29 gibt uns als Land zu! dabei die Möglichkeit, in einer Ausführungsbe- stimmung zu entscheiden, wie die Ausgestaltung Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. des Niedersächsischen Spielhallengesetzes in (Beifall bei der SPD und Zustimmung Bezug auf bestehende Verbundspielhallen vollzo- bei der CDU) gen werden kann. Aus Gründen der Vernunft, aber auch der Fairness Vizepräsident Frank Oesterhelweg: gegenüber Betreibern, aber vor allem Mitarbeite- Vielen Dank, Frau Kollegin Tippelt. - Nächster rinnen und Mitarbeitern dieser Hallen möchte ich Redner ist für die CDU-Fraktion der Kollege Rainer im Namen der Regierungsfraktionen dafür werben, Fredermann. die Übergangsfrist für Spielhallen im baulichen Verbund bis zum 31. Januar 2022 zu verlängern. (Vereinzelt Beifall bei der CDU) Andernfalls müssten diese Hallen mit Ablauf der Bitte schön! aktuellen Übergangsfrist zum 30. Juni 2021 ge- schlossen werden. Mit dieser Fristverlängerung Rainer Fredermann (CDU): bekommen wir die Gelegenheit, die Spielhallen im Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen baulichen Verbund auf Grundlage des genannten und Kollegen! Worum geht es in diesem Gesetz- § 29 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag 2021 in ein entwurf? - Frau Tippelt hat die rechtliche Grundla- neues Niedersächsisches Spielhallengesetz zu ge, den Glücksspielstaatsvertrag, schon angespro- überführen. chen. Es geht um die Verlängerung der Erlaubnis Leider ist es uns nicht mehr möglich, dieses Ge- zum Weiterbetrieb von Spielhallen im Bestand, die setz bis zum 1. Juli 2021 zu verabschieden. Daher den Mindestabstand zur nächsten Spielhalle nicht möchten wir nun die Möglichkeit schaffen, ein Ge- einhalten, und um die sogenannten Mehrfachkom- setz auf den Weg zu bringen, das bis zum plexe. Da uns leider zum 1. Juli der rechtliche 31. Januar 2022 Gültigkeit hat. Der große Vorteil, Rahmen fehlt, müssen wir jetzt handeln. Im We- der sich daraus ergibt, ist, dass Spielhallenbetrei- sentlichen geht es uns hier aber um den Erhalt von

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Arbeitsplätzen in den betroffenen Spielhallen und Vizepräsident Frank Oesterhelweg: um Planungssicherheit für die Betreiberinnen und Vielen Dank, Herr Kollege Fredermann. - Für die Betreiber der Spielhallen. FDP-Fraktion hat nun der Kollege Christian Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst ist der Grascha das Wort. Bitte schön! Auffassung, dass dieses Gesetz in vollem Umfang gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstößt und Christian Grascha (FDP): die Regelungen verfassungsrechtlich unzulässig Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- sind. Dabei hat er aber unterschiedliche Begrün- ginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, der hier dungen zu den jeweiligen Spielhallen geliefert. heute zur Änderung des Glückspielgesetzes auf Diese Feststellung nehmen wir sehr ernst und dem Tisch liegt, ist aus meiner Sicht eine pragma- haben daher im Ausschuss beschlossen, auf die tische Regelung - da kann ich mich meinen Vor- Verlängerung der Befristung für die Hallen, die den rednern anschließen -, zumal den betroffenen Un- Mindestabstand zur nächsten Spielhalle nicht ein- ternehmen bzw. den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- halten, zu verzichten. Das heißt aber auch: Ca. 65 tern zumindest für sieben Monate eine weitere Spielhallen werden am Monatsende schließen, Perspektive eröffnet wird. Es ist ja auch so, dass und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese von der beabsichtigten Übergangsregelung werden unter Umständen ihre Arbeitsplätze verlie- aufgrund der Einschränkungen durch die Corona- ren, was uns allen, glaube ich, persönlich sehr Pandemie gar nicht in der Form Gebrauch machen leidtut. konnten. Von daher ist das sicherlich eine pragma- Liebe Kolleginnen und Kollegen, es soll aber bei tische Regelung, und bei allen juristischen Diskus- der Verlängerung der Befristung für die sogenann- sionen werden wir diese Änderung am Ende auch ten Mehrfachspielhallen bis zum 31. Januar nächs- entsprechend mittragen. ten Jahres bleiben. Denn es macht wirklich keinen Man muss allerdings dazu sagen, dass Hinter- Sinn und ist arbeitnehmer- und unternehmerfeind- grund dieser Übergangsphase von noch einmal lich, die Befristung nicht zu verlängern und dann im sieben Monaten die Uneinigkeit in der Landesre- nächsten Jahr mit einem neuen Glücksspielgesetz gierung bzw. in der Koalition ist. Denn man hätte bzw. Spielhallengesetz die Eröffnung von Mehr- natürlich schon nach dem Beschluss des Glücks- fachspielhallen wieder zu ermöglichen. Wir wollen spielstaatsvertrages im März von der bereits ge- nicht, dass die betroffenen 800 Arbeitnehmer ihre nannten Reglung in Artikel 29 Abs. 4, also von der Arbeitsplätze verlieren und nicht wissen, ob sie Option, auch landesrechtlich Verbundspielhallen später wieder dort angestellt werden. zu ermöglichen - mit den Bedingungen, die der Sehr geehrte Damen und Herren, in der Anhörung Kollege Fredermann hier angesprochen hat -, Ge- hat das Wirtschaftsministerium mitgeteilt, dass uns brauch machen können. Das ist aber leider nicht rechtzeitig vor Fristablauf ein neues Gesetz vorge- erfolgt. legt wird, das Mehrfachkomplexe mit maximal zwei Insofern erhoffe ich mir, dass die Landesregierung Spielhallen neu regelt und - was mich persönlich bzw. die sie tragenden Fraktionen jetzt zügig zu besonders freut, weil ich es auch gefordert habe - einer gemeinsamen Linie kommen, sodass wir die Zertifizierungspflicht für alle Spielhallen in Nie- dann tatsächlich eine langfristige Änderung des dersachsen vorsieht. Mit der Zertifizierung werden Glücksspielgesetzes auf der Basis des Glücks- wir dann den Spielerschutz hier in Niedersachsen spielstaatsvertrages auf den Weg bringen können deutlich verbessern. und die Unternehmer im Land, und damit auch die Wir von der CDU-Fraktion und auch von der SPD- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, endlich langfristig Fraktion sind heute gerne bereit, für sieben Mona- Planungssicherheit haben. te ein Gesetz zu beschließen, das unter Umstän- Vielen Dank. den verfassungsrechtlich bedenklich ist, das aber Arbeitsplätze für 800 Menschen in Niedersachsen (Beifall bei der FDP) sichert. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Nun be- Vielen Dank. kommt die Kollegin Susanne Menge für die Frakti- (Beifall bei der CDU und bei der SPD) on Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

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Susanne Menge (GRÜNE): Selbst der Minister war also der Auffassung, dass Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen genügend Rücksicht genommen worden ist. Wa- und Herren! Während Spielen in verschiedenen rum also sollten wir an dieser Stelle einen Ver- Wissenschaftsdisziplinen als grundlegend und tragsbruch mit Ansage gegenüber dem gerade kulturbildend betrachtet wird, ist es in vielen Berei- beschlossenen Glücksspielstaatsvertrag riskieren? chen des täglichen Lebens explizit herausgelöst. (Beifall bei den GRÜNEN) Ich fand zumindest ganz interessant, wie wir unse- re Sprache verwenden: Das ist hier doch kein Auch die Pandemie darf kein Grund sein, vertrags- Spiel, das ist Ernst! - Oder: Wenn aus Spiel Ernst brüchig zu werden. wird. (Beifall bei den GRÜNEN) Spielverhalten in unserer Sozialisierung hat sich zumindest nicht hinter verdunkelten Scheiben und Vizepräsident Frank Oesterhelweg: mit lockender Leuchtreklame versteckt abgespielt. Herzlichen Dank, Frau Kollegin Menge. - Meine Für unsere kulturelle Entwicklung brauchen wir Damen und Herren, für die Landesregierung hat auch nicht, wie ich kürzlich in einem Fernsehbei- nun Herr Minister Dr. Althusmann das Wort. Bitte trag gesehen habe, brüllende und schreiende schön, Herr Minister! Werbeträger bzw. YouTuber, die Internetspielan- gebote anpreisen. Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Ich bleibe also bei meinen Zweifeln, genauso wie Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: meine Fraktion, aus dieser kulturellen und auch Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und aus einer soziologischen Sichtweise heraus. Herren! Es handelt sich hier um eines der aufwän- (Zustimmung bei den GRÜNEN) digsten Verfahren zur Änderung des Glücksspiel- gesetzes, das wir in dieser Legislaturperiode ab- Nach Ansicht des GBD verstößt der Gesetzentwurf solviert haben. Das Abstimmungsverfahren war in vollem Umfang gegen den kürzlich geschlosse- äußerst komplex - wie es bei spieltheoretischen nen Glücksspielstaatsvertrag, dem der Landtag Ansätzen im Übrigen immer der Fall ist, wenn es durch Gesetz vom 17. März 2021 zugestimmt hat. um rationales Entscheidungsverhalten in sozialen Dieser Gesetzentwurf enthält laut GBD handwerk- Konfliktsituationen geht. Wir haben wirklich ver- liche Fehler, die in der Ausschussberatung auch sucht, die sozialen Konflikte rational zu lösen. Das deutlich genannt worden sind. Die geplante Ver- war zwischen den Fraktionen ein sehr umfangrei- längerung der Erlaubnis für Spielhallen, die Sie ches, ein sehr intensives Verfahren. hier mit den Arbeitsplätzen begründen, hat nun nicht mehr mit der Abstandsregelung zu tun; denn Das als kleine Vorbemerkung, die Beteiligten wis- die haben Sie aus dem Gesetzentwurf herausge- sen, was ich damit meine. strichen. Dennoch finde ich den Hinweis wichtig, dass auch die Betreiberinnen und Betreiber von (Heiterkeit) Spielhallen - trotz der Pandemie - über ein Jahr Wir werden heute eine Änderung des Niedersäch- lang Zeit gehabt haben, um sich darauf vorzuberei- sischen Glücksspielgesetzes beschließen, das zu ten. zwei wesentlichen Verbesserungen führt. Erstens. Das entspricht an diesem Punkt nicht der Recht- Über 800 Menschen in der Spielhallenbranche sprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die- wird der Arbeitsplatz erhalten. Zweitens. Es wird ses hat die Schließung von Spielhallen, die schon der Weg eröffnet, eine Steigerung der Qualität in mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 beschlos- Spielhallen in Niedersachsen zu erreichen. Das sen waren, in der Entscheidung aus dem Jahre war von Anfang an unser Ziel. 2017 bestätigt. Und ich erinnere an die Worte von Im April dieses Jahres ist der Glücksspielstaatsver- Herrn Althusmann: trag 2021 wirksam geworden. Jetzt geht es darum, „Diese befristeten Regelungen sind vertret- im Sinne eines Zeichens der Vernunft die begrenz- bar, weil wir im Gesetz jetzt auch die Sucht- te Gruppe der Betreiber von Verbundspielhallen vorbeugung deutlich stärken. Außerdem vor temporären Schließungen vom 1. Juli 2021 an nehmen wir damit Rücksicht auf die Sorgen zu schützen. Diese Siebenmonatsfrist, die der der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Überbrückung dient, ist meines Erachtens ein kla- Spielhallen um Arbeitsplatzverluste.“ res Signal der Vernunft.

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Alles andere ist von allen Vorrednern sehr ausführ- (Unterbrechung der Sitzung von lich dargestellt worden. Insofern herzlichen Dank 12.52 Uhr bis 14.31 Uhr) an die Regierungsfraktionen, dass hier im Sinne eines vernünftigen Glücksspielgesetzes entspre- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: chende Änderungen vorgenommen werden. Wir Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich hoffe, Sie überbrücken sieben Monate bis wir ein Spielhal- hatten eine gute erholsame Mittagspause. lengesetz dann abschließend beschlossen haben. Alles andere wäre angesichts des aufwendigen Wir starten nach der Pause mit Beratungsverfahrens ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Tagesordnungspunkt 32: Ich danke für die Aufmerksamkeit und die Zuarbeit Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses der Fraktionen. nach § 54 Abs. 4 GO LT für das Jahr 2020 - Drs. 18/9340 Vielen Dank. (Beifall bei der CDU und bei der SPD) In der Drucksache 18/9340 hat der Petitionsaus- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: schuss den nach § 54 Abs. 4 unserer Geschäfts- Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. ordnung vorgesehenen jährlichen Bericht für das Jahr 2020 vorgelegt. Die Fraktionen waren sich im Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ältestenrat darüber einig, dem Anliegen des Petiti- onsausschusses zu folgen und Gelegenheit zur Wir kommen zur Einzelberatung, und zwar zu: Erörterung dieses Berichts im Plenum zu geben. Artikel 1. - Änderungsempfehlung des Ausschus- Ich komme jetzt zu den Wortmeldungen. Für die ses. Wer möchte dieser Änderungsempfehlung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abge- seine Zustimmung geben? - Das sind die Fraktio- ordnete Christian Meyer. Sie haben eine Redezeit nen von CDU, SPD und FDP sowie fraktionslose von 2:30 Minuten beantragt. - Nun funktioniert Kollegen. Ich bitte um Gegenstimmen. - Das sind auch die Uhr wieder hervorragend. Bitte, Herr Ab- Bündnis 90/Die Grünen und ein fraktionsloser Kol- geordneter Meyer! lege. Enthaltungen? - Die haben wir nicht. Damit ist dieser Änderungsempfehlung mit großer Mehr- (Unruhe) heit gefolgt worden. - Bevor Sie anfangen, warten wir noch, bis alle, die Artikel 2. - Unverändert. hier noch im Plenarsaal herumlaufen, wieder Platz genommen haben. Gesetzesüberschrift. - Unverändert. Bitte schön! Wir kommen zur Schlussabstimmung über die Ausschussempfehlung, d. h. über den Gesetzent- Christian Meyer (GRÜNE): wurf mit Änderungen. Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr ver- Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich, sich ehrten Damen und Herren! Petitionen sind ein vom Platz zu erheben. - Das sind die Regierungs- Grundrecht, sowohl nach der Bundes- als auch fraktionen, die FDP-Fraktion sowie Fraktionslose. nach der Landesverfassung. Es zeichnet Demo- Gegenstimmen? - Das sind Bündnis 90/Die Grü- kratie und den Rechtsstaat aus, dass man sich mit nen sowie ein Fraktionsloser. Enthaltungen? - Beschwerden und Anregungen an die Regieren- Sehe ich nicht. Damit wurde der Änderungsemp- den wenden kann, ohne Sanktionen oder Ähnli- fehlung und somit dem Gesetzentwurf mit Ände- ches befürchten zu müssen. rungen mit großer Mehrheit des Hauses zuge- Ich muss diesen Tätigkeitsbericht des Petitions- stimmt. ausschusses, der jetzt vorliegt, sehr loben. Er zeigt Unsere Tagesordnung für heute Vormittag ist somit noch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem abgearbeitet. Ich gehe davon aus, dass Sie damit Bericht vom letzten Jahr. Wir haben diese Berichte einverstanden sind, dass wir dabei bleiben, um ja neu eingeführt. Ich danke an dieser Stelle ganz 14.30 Uhr mit der Sitzung fortzufahren. herzlich den Damen und Herren im Eingabenbüro der Landtagsverwaltung für die Umsetzung der Ich wünsche Ihnen eine angenehme Mittagspause. Anregungen der Grünen und für ihr unermüdliches

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Engagement bei der Bearbeitung der Petitionen, enthaltsgenehmigungen oder ähnliche Themen sowie allen Ausschussmitgliedern für die Zustim- geht. mung. Deshalb danke ich dafür. Das ist ein Instrument (Beifall bei den GRÜNEN) von Demokratie und Bürgernähe. Wir sollten uns mit jedem einzelnen Anliegen weiterhin intensiv Wir haben eine Gliederung vorgenommen: Aus beschäftigen. welchen Bereichen kommen eigentlich die Petitio- (Beifall bei den GRÜNEN) nen? Es ist klar, dass die meisten eingehenden Petitionen Corona betrafen. Aber auch sonst ha- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: ben wir mal geschaut, in welchen Ressortberei- chen eigentlich viele Petitionen eingesendet wer- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. - Für die den. Es gab vieles aus dem Sozialministerium, SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Sebastian aber auch sehr viel aus dem Justizministerium. Zinke zu Wort gemeldet. Bitte schön! Das sind oft individuelle Beschwerden, denen man nachgehen muss. Aber auch das Landwirtschafts- Sebastian Zinke (SPD): ministerium ist betroffen. Das sind dann eher all- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und gemeine Anregungen zum Tierschutz oder zu Kon- Herren! Ich kann mich da nur anschließen. trollen usw. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Die Menschen können nun sehen, aus welchen Auch ich empfehle Ihnen allen die Lektüre der Bereichen besonders viele Petitionen kommen. genannten Drucksache, nicht nur weil wir den Be- Das heißt ja nicht, dass es dort besonders viele richt tatsächlich noch etwas erweitert haben und Missstände gibt. Aber es kann eben sein, dass in jetzt wirklich übersichtlich dargestellt ist, mit was einzelnen Bereichen viele Anregungen kommen. sich der Petitionsausschuss beschäftigt hat. Man Auch im Bereich Familie, im Bereich des Kultusmi- kann an ihm auch ablesen, was die Menschen in nisteriums gibt es natürlich eine Vielzahl von Peti- unserem Land bewegt. tionen. Dies kann man in dem Bericht nun klar sehen. Ich habe nicht viel Redezeit und möchte deshalb nur ein oder zwei Dinge aufzeigen, die ich bemer- Es wird in den Anlagen erläutert, wie das Verfah- kenswert fand. ren im Zusammenhang mit einer Petition ist. Alle Wie gesagt, es ist ein Grundrecht, Petitionen zu Mitglieder des Petitionsausschusses werden vor- stellen. Christian Meyer hat das gesagt. Es gibt gestellt. Es gibt ja immer Berichterstatter. Ein nicht nur den Anspruch, dass sich eine unabhän- Schaubild zum Ablauf eines Petitionsverfahrens ist gige Stelle die Entscheidungen der Exekutive und aufgenommen worden. Es gibt eine Übersicht über der Judikative noch einmal anschaut. Wir als Land- die Neueingänge im Jahresvergleich sowie eine tag bekommen vielmehr auch ein Gefühl dafür, Übersicht der Rechtsgrundlagen des Petitionswe- was im Lande los ist. Wenn man sich alleine mal sens. die Eingänge im Jahre 2020 anguckt, fällt eines Leider ist keine einzige Petition in dieser Wahlperi- auf: Im Verhältnis zu den Vorjahren haben wir, ode zur „Berücksichtigung“ empfohlen worden. obwohl wir im ersten Corona-Jahr waren, relativ Das liegt oft an den Mehrheiten. Es gilt aber sicher wenige Eingaben bekommen. Allein die Pflege- auch zu schauen, in welchen Bereichen der Lan- kammer - wenn man sich mal die letzten Jahre desregierung etwas als „Material“ mitgegeben anguckt - hat mehr Eingaben produziert als worden ist. Es gab sogar zwei Fälle, in denen der Corona. Landtag dann mal „Erwägung“ beschlossen hat, in Ich muss den Kollegen Meyer etwas korrigieren: denen er also gesagt hat: Bitte Regierung, prüfe Von den 503 Petitionen, die am Ende als richtige diesen Fall noch mal. Eingaben von uns behandelt worden sind, betraf nur etwa ein Fünftel zum Thema Corona. Der Rest In vielen Fällen - die stehen auch im Bericht - ist verteilte sich auf andere Themen. dem Begehren des Petenten gefolgt worden, weil das Ministerium oder die Behörde gesehen hat: Ich finde es bemerkenswert, dass sich das Thema Ach, das war ein Fehler in einer Berechnung oder Corona gar nicht so niedergeschlagen hat. Im ver- eine falsche Grundlage. - Oder man hat dem Pe- gangenen Jahr hatten wir nur 870 Eingänge. Im tenten helfen können, wenn es um bestimmte Auf- Jahr davor waren es - mit Massenpetitionen - fast

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6 200. Das zeigt mir, dass die Menschen, was die Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Corona-Einschränkungen angeht, die wir intensiv Vielen Dank, Herr Kollege Zinke. - Für die FDP- diskutiert haben, offensichtlich doch zufriedener Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Hillgriet Eilers sind und eher damit leben können, als wir das das Wort. Bitte schön, Frau Eilers! vielleicht manchmal geglaubt haben.

Es gibt zwei weitere Schwerpunkte, die wir als Hillgriet Eilers (FDP): Landtag, als Parlament herauslesen können. 20 % der Eingaben, die nicht zu Corona gelaufen sind, Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Da- sind im Bereich des Innenministeriums aufgelau- men und Herren! Sie merken schon, bei der Beur- fen, und 20 % im Bereich des Justizministeriums. teilung des Inhalts des Petitionsberichts gibt es Der Kollege Meyer hat schon gesagt, dass es im keinen Dissens. Auch ich danke insbesondere Bereich des Justizministeriums insbesondere um Frau Böhm herzlich für die Erstellung dieses guten Menschen geht, die inhaftiert sind und nicht zufrie- Berichtes. Er ist Ausweis einer zwar streitbaren, den mit ihrer Situation sind. Das kann man ja auch aber meist konstruktiven Zusammenarbeit im Aus- verstehen. schuss, die erst durch die hervorragende Beglei- tung der Angestellten des Landtages effektiv wird. Beim Innenministerium ist es ganz interessant, Vor allem aber belegt der Bericht, dass Bürgerin- dass wir nach wie vor einen großen Schwerpunkt nen und Bürger des Landes Niedersachsen sich im Bereich Ausländerangelegenheiten und Staats- stets an das Parlament wenden können und ihre angehörigkeitsangelegenheiten haben. Auch dort Anliegen sehr ernst genommen werden. ist offensichtlich noch etwas zu tun, wo wir mal hinschauen müssen. Die Fülle von Eingaben beweist, dass das Instru- ment wichtig ist und wirksam ist. Die Arbeitsabläu- Es ist eine Anregung, die wir als Parlament von fe im Jahre 2020 haben durchaus spürbare Ver- den Menschen bekommen. Insofern ist das Petiti- besserungen erfahren. Ein Beispiel dafür sind die onsrecht nicht nur ein Recht zur Beschwerde und jetzt digital gut möglichen Zugänge, die zügiges zur Überprüfung von Anliegen. Ich sehe das Petiti- Bearbeiten ermöglichen. Das ist schon ein großer onsrecht auch als ein echtes Mitbestimmungs- Unterschied zu den Jahren vorher. Auch der Um- recht, das wir hier in Niedersachsen haben. gang mit den öffentlichen Petitionen erfolgte tadel- (Zustimmung bei allen Fraktionen) los.

Meine Damen und Herren, auch ich darf mich für Aber erlauben Sie mir noch eine persönliche Be- meine Fraktion für die gute Zuarbeit zu diesem merkung. Ich arbeite jetzt seit ca. neun Jahren im Bericht bedanken, insbesondere bei Frau Böhm, Petitionsausschuss und habe, da ich das einzige die das hier in hervorragender Weise gemacht hat. Mitglied meiner Fraktion in diesem Ausschuss bin, Ich darf mich bei den Kolleginnen und Kollegen Tausende von Petitionen gelesen, geprüft und meiner Fraktion, aber auch der anderen Fraktionen anschließend bewertet. Hilfreich und ein gutes bedanken. Insbesondere bedanke ich mich auch Rüstzeug war dabei meine 20-jährige Erfahrung in bei der Oppositionsfraktion, weil sie ja schon sozu- der kommunalen Ratsarbeit; denn es handelt sich sagen jede Petition lesen muss. Das ist schon eine um Anliegen von Petenten, die sehr persönlich andere Arbeit, als wir sie sonst in den anderen sein können, die nicht nach außen getragen wer- Ausschüssen erledigen müssen. Man muss sehr den, es sei denn, die Petenten wünschen dies; das viel lesen und muss sich sehr intensiv mit den gibt es ja auch. Vertraulichkeit wird großgeschrie- Sachverhalten beschäftigen. ben. Es ist schön festzustellen, dass das für die FDP gilt, für die CDU, für die SPD und für die Grü- Herzlichen Dank für die gute und konstruktive Zu- nen - für alle Fraktionen, die daran aktiv mitarbei- sammenarbeit. So kann es weitergehen, dann ten. werden wir auch 2021 hier einen guten Bericht vorlegen können. Viele Themen beziehen sich auf die Lebenswirk- Herzlichen Dank. lichkeit der Menschen. Dies können Anregungen zur dritten Kita-Kraft sein oder eben zur Corona- (Beifall bei der SPD und Zustimmung Politik oder zu den Straßenausbaubeitragssätzen - bei der CDU) auch ein wichtiges Thema -, die unsere Politik in die richtige Richtung bringen.

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Besonders herausfordernd und auch berührend wir 95 Eingaben im Zusammenhang mit der allerdings sind die Petitionen, die persönliche Corona-Pandemie erhalten. Ich denke, dass sich Schicksale widerspiegeln. Ich will Ihnen nur die diese Anzahl im laufenden Jahr sicherlich noch Aufenthaltsberechtigungen nennen - Herr Zinke einmal erhöhen wird. hat es getan, Herr Brammer nickt - oder die Petiti- Das öffentliche Petitionsverfahren, bei dem die onen, die sich mit Kindeswohl befassen, die einen Mitzeichnung und das Quorum von 5 000 Stimmen doch sehr intensiv beschäftigen können. erforderlich sind, kam im vergangenen Jahr 21-mal Der Ausschuss ist kein Gericht, aber wir können - zum Tragen, wobei das Quorum nur zweimal er- nicht immer, aber manchmal - auch Dinge bewe- reicht wurde und es dazu eine Anhörung zu der gen. Das ist ein gutes Gefühl. Gerade in solchen Eingabe „Bedeutung des Lehrerberufs in Nieder- Fällen bin ich ganz froh, dass sich die Änderung sachsen“ gegeben hat. Diese Eingabe wurde dann der Geschäftsordnung bewähren konnte - eine mit dem Votum „Die Eingabe wird der Landesre- Änderung, für die ich sehr gekämpft habe und die gierung als Material überwiesen. Zusätzlich ist der dafür sorgt, dass nach sechs Monaten eine Ant- Petent über die Sach- und Rechtslage zu informie- wort an den Petenten gegeben wird - und diese ren.“ abgeschlossen. Frist auch tatsächlich eingehalten wird. Meine Damen und Herren, als Sprecherin des (Beifall bei allen Fraktionen) Arbeitskreises „Petitionen“ der CDU-Fraktion lese natürlich auch ich jede Eingabe. Die Bandbreite Abschließend danke ich dem Vorsitzenden Herrn der Anliegen - Frau Eilers hat es eben auch ausge- Brammer, und ich danke allen, die daran beteiligt führt - ist wirklich enorm groß. Nicht selten errei- waren, dass wir den Petenten gewissenhaft und chen uns Eingaben, die uns tief bewegen und uns zügig unsere Entscheidungen mitteilen konnten. Einblick in sehr persönliche Lebenssituationen Herzlichen Dank. geben. (Beifall bei allen Fraktionen) Es gibt auch immer wieder Fälle, bei denen wir nach Recht und Gesetz keine Möglichkeit haben, Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: den Petenten zu helfen. Das ist an mancher Stelle Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eilers. - Für die auch wirklich unbefriedigend, sodass man aus CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Editha einem solchen Verfahren mit einem nicht so guten Westmann das Wort. Bitte, Frau Westmann! Gefühl herausgeht. Aber wir können auch helfen, losgelöst von parteipolitischen Ausrichtungen und Editha Westmann (CDU): Interessen. Das zeichnet uns im Petitionsbereich aus. Wir stehen mit unserer Arbeit nicht im Fokus Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Öffentlichkeit. Wir sind aber dafür nahe an den Das Petitionsrecht ist in Artikel 17 des Grundge- Bürgerinnen und Bürgern. setzes verankert und gemäß Artikel 3 Abs. 2 ein wichtiger Bestandteil unserer Niedersächsischen Ich danke der Landtagsverwaltung, insbesondere Verfassung. Daher ist die Arbeit im Petitionsaus- Herrn Gutzler und seinem Team im Eingabenbüro, schuss für meine CDU-Kollegen und mich mit ei- für die sehr gute Betreuung und Unterstützung vor, nem besonderen Auftrag verbunden, dem wir mit während und nach den Ausschusssitzungen. Nicht dem gebotenen Respekt und der erforderlichen jeder Petent ist Ihnen gegenüber immer freundlich Achtsamkeit gerne nachkommen. gestimmt. Danke, dass Sie auch in diesen Fällen souverän und sehr verständnisvoll und hilfsbereit Der Tätigkeitsbericht 2020 beinhaltet anschaulich agieren. Vielen Dank dafür! alle wichtigen Informationen zum Petitionswesen und zeigt die unterschiedlichen Themenfelder auf, (Beifall bei allen Fraktionen) mit denen wir uns im Vorjahr befasst haben. Frau Böhm gebührt an dieser Stelle ein besonde- Es wurde schon gesagt, dass uns 870 Zuschriften rer Dank für diesen wirklich hervorragend gelunge- und Bitten erreicht haben, von denen 503 in einem nen Tätigkeitsbericht. Eingabeverfahren mündeten. Der Tätigkeitsbericht Ich möchte auch ein herzliches Dankeschön an die ist beispielsweise auch so gestaltet, dass die Ein- Mitarbeitenden in den Ministerien richten, die uns gaben prozentual auf die Ministerien verteilt dar- natürlich auch durch die Stellungnahmen immer gestellt sind. Das ist auch für den Leser eine sehr wieder hervorragend unterstützen. wichtige Information. Im vergangenen Jahr haben

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Abschließend bleibt mir noch, meinen Kollegen Ich rufe zunächst die Eingaben aus der 33. Einga- und natürlich Frau Eilers ganz herzlich für die benübersicht in der Drucksache 18/9400 auf, zu überwiegend sachliche und am Einzelfall orientier- denen keine Änderungsanträge vorliegen, und te harmonische Zusammenarbeit zu danken. Im komme zur Abstimmung. letzten Jahr hatten wir noch Herrn Limburg an Wer zu diesen Eingaben den Ausschussempfeh- Bord. Es tut uns leid, dass Sie uns im Petitionsbe- lungen zustimmen möchte, den bitte ich um ein reich jetzt verlassen haben. Handzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. (Helge Limburg [GRÜNE]: Der Aus- Enthaltungen? - Auch nicht. Damit wurde den Aus- schuss war das Sprungbrett! Er hat es schussempfehlungen einstimmig gefolgt. mir ermöglicht!) Ich rufe nun die Eingaben aus der 33. Eingaben- Es war wirklich eine gute und konstruktive Zu- übersicht in der Drucksache 18/9400 auf, zu denen sammenarbeit. die erwähnten Änderungsanträge vorliegen. (Zustimmung bei der CDU, bei der Hier kommen wir erst einmal zur Beratung. Es liegt SPD und bei der FDP) eine Wortmeldung aus der FDP-Fraktion zur Ein- Meine Damen und Herren, mit jeder Petition darf gabe 02286/11/18 vor. Dabei geht es um die alter- ich meinen persönlichen Erfahrungsschatz erwei- nierende Telearbeit. tern. Dafür bin ich besonders dankbar und freue Herr Abgeordneter Bode, bitte schön! mich, dass ich das auch in diesem Jahr weiter tun darf. Jörg Bode (FDP): Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Hier geht es um ein bisher noch nicht groß beachtetes und disku- (Beifall bei allen Fraktionen) tiertes Problem im Zuge der Corona-Pandemie. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Die Landesregierung macht bereits seit Jahren, Vielen Dank, und vor allem danke schön, dass Sie seit der großen Verwaltungsreform mit der Um- sich bei der Landtagsverwaltung, den Ministerien strukturierung der Bezirksregierungen, Telearbeit und allen Kollegen und Kolleginnen - auch bei und Heimarbeit möglich, damit sozusagen die Ak- denen, die nicht dem Petitionsausschuss angehö- ten und nicht die Mitarbeiter umziehen müssen und ren, sondern zugearbeitet haben - bedankt haben. um das alles sozialverträglich zu machen. Ich glaube, wir wissen alle, welche Arbeit dort ge- Durch die Corona-Pandemie gab es noch einmal leistet wird. Das ist wirklich hervorragend. Danke einen Schub, was mobiles Arbeiten und Home- für Ihre Mitarbeit und die wirklich gute Debatte über office angeht. Mitarbeiter haben ihren digitalen den Bericht! Ich muss diese Wertung hier anbrin- Arbeitsplatz quasi mit nach Hause genommen und gen, weil ich vor dieser Arbeit im Petitionsaus- dort aufgebaut, haben neue Laptops und andere schuss immer den Hut ziehe. Anbindungssysteme bekommen etc. (Beifall bei allen Fraktionen) Wir haben jetzt folgende Situation: Die bisher ein- Meine Damen und Herren, damit können wir die- gerichtete Telearbeit ist sehr streng reglementiert. sen Tagesordnungspunkt abschließen. Wir stim- Das neue, im Rahmen der Corona-Pandemie ein- men nicht ab. Wir haben die Aussprache darüber geführte mobile Arbeiten wird sehr flexibel, einfach geführt. und ohne große Anforderungen an die Mitarbeiter gehandhabt. Von daher müsste die Landesregie- Wir kommen jetzt zu rung dringend dazu kommen, eine neue Strategie zur Tele- und Heimarbeit zu entwickeln. Tagesordnungspunkt 33: Der Vorschlag des Petenten kann so natürlich 33. Übersicht über Beschlussempfehlungen der nicht umgesetzt werden. Hier bräuchte man nicht ständigen Ausschüsse zu Eingaben - eine Einzelfall-, sondern eine grundsätzliche Lö- Drs. 18/9400 - strittige und unstrittige Eingaben - sung. Diese sollte sich aus unserer Sicht auch an Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die dem derzeitigen Standard orientieren und nicht an Grünen - Drs. 18/9451 - Änderungsantrag der dem alten, vor etlichen Jahren einmal unter dem Fraktion der Fraktion der FDP - Drs. 18/9460 Begriff „Telearbeit“ eingeführten Standard, und so für mehr Flexibilität, mehr Möglichkeiten und die

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Nutzung der heutigen technologischen Möglichkei- Insofern ist bei dieser Petition entsprechend mit ten sorgen. Das gilt übrigens bitte auch für die „Sach- und Rechtslage“ zu votieren. Wir können Vorgaben zur Arbeitsplatzsicherheit. Zu Hause hier nicht erkennen, dass es dem Land Nieder- muss man sicherlich andere Vorgaben erfüllen und sachsen an Weitsicht mangelt, der Telearbeit ma- hat andere Kontrollpflichten, als sie Büro im Minis- ximalen Vorschub zu leisten. Insofern bitte ich im terium erforderlich sind. Rahmen der Positionierung der regierungstragen- den Fraktionen, mit „Sach- und Rechtslage“ zu Die Landesregierung sollte erwägen, hier schnell votieren. zu einer vernünftigen einheitlichen Regelung zu kommen und keine weiteren Benachteiligungen Vielen Dank. auszulösen. (Beifall bei der SPD und Zustimmung Herzlichen Dank. bei der CDU) (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Senftleben. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bode. - Ebenfalls Es liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten zu dieser Eingabe - alternierende Telearbeit - hat Christian Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die sich aus der SPD-Fraktion der Abgeordnete Volker Grünen vor. Da geht es um die laufende Nr. 16 der Senftleben zu Wort gemeldet. Bitte schön! Eingabenübersicht, betr. Maßnahmen im Zusam- menhang mit der Bekämpfung der COVID-19- Volker Senftleben (SPD): Pandemie und deren Folgen, hier: kostenfreie Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Ausgabe von FFP2-Masken. und Kollegen! Wie eben bereits gehört, handelt es Bitte, Herr Abgeordneter Meyer! sich bei der Petition 02286 um einen Vorgang hin- sichtlich der Telearbeit im Land Niedersachsen. Christian Meyer (GRÜNE): Ganz konkret geht es um das Niedersächsische Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr ver- Landesamt für Bau und Liegenschaften. Das heißt, ehrten Damen und Herren! Der Petent aus Ritter- wir sprechen über eine Einrichtung, die auch viel hude hat gelesen, dass die Gesundheitsministerin im operativen Bereich unterwegs ist und wo viele in Bremen ganz pragmatisch an alle Bürger des Projektarbeiten abzustimmen ist. Das hat natürlich Landes Bremens fünf kostenlose FFP2-Masken dazu geführt, dass im Rahmen einer Dienstverein- verteilt hat, barung zwischen Dienststelle und dem Bezirksper- sonalrat strenge Regeln an die Ausführung mögli- (Beifall bei den GRÜNEN) cher Telearbeitsplätze geknüpft werden mussten. und fragt: Warum kann Niedersachsen das nicht Wir haben es im Rahmen der Pandemiesituation auch machen? seitens des Landes tatsächlich dahin gehend ver- Niedersachsen - wir haben das hier mehrfach ge- ändern können, dass bis zu vier Fünftel der wö- fordert - hat ja aus eigener Hand noch nicht einmal chentlichen Arbeitszeit in Telearbeit verbracht wer- für Bedürftige kostenlose Masken oder Gutscheine den können. Nichtsdestotrotz ist das im Normalbe- ausgegeben. Vom Bund gab es Gutscheine - sehr trieb, um die Steuerbarkeit zu erhalten, hier tat- bürokratisch -, zum Teil noch mit Eigenanteil. Die sächlich auf maximal zwei Fünftel begrenzt. Das über 60-Jährigen bekamen sechs Gutscheine und macht vor dem Hintergrund der abzuschließenden mussten 2 Euro bezahlen. Dann gab es noch ein- Projektarbeit auch Sinn. mal zehn Masken für Bedürftige, aber auch per Der Petent wendet sich auch noch ganz speziell Gutschein. gegen die Verletzung von Persönlichkeitsrechten Jetzt möchte ich einmal Friedrich Merz zitieren. hinsichtlich der Belegbarkeit der Arbeitsplätze vor Der hat nämlich den rot-rot-grünen Senat in Bre- Ort. Wir sind der festen Auffassung, dass die vor- men gelobt und gesagt: Das einzige Bundesland, gelegte Stellungnahme sehr eindrücklich zeigt, dass das mit den ganzen Masken pragmatisch dass das dem Arbeitsanfall geschuldet ist. Das gemacht hat, war Bremen. Es hat nämlich keine kann auch mit Zeichnungen und Skizzen doku- Gutscheine ausgegeben. mentiert werden. Wir sehen an der Stelle insofern auch keinen Handlungsbedarf. (Zustimmung bei den GRÜNEN)

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Wir wissen ja auch, wie Herr Spahn die Masken und „Sach- und Rechtslage“ beschieden, und ich eingekauft hat etc. Wir wissen auch, dass die Apo- bitte Sie, sich diesem Votum anzuschließen. theker zum Teil 6 Euro pro Maske gekriegt haben, Vielen Dank. obwohl man die Masken für 1,10 Euro oder so bekam. Deshalb war es sehr pragmatisch, Leuten (Zustimmung bei der CDU) keine Gutscheine zu schicken, sondern ihnen die Masken einfach nach Hause zu schicken. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Zustimmung bei den GRÜNEN) Vielen Dank.

Dieser Petent aus Niedersachsen fragt also, wa- Es liegt eine Wortmeldung zur laufenden Nr. 57 rum Niedersachsen das nicht auch gekonnt hat. der Eingabenübersicht vor: Eingabe 2388/11/18, betr. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Be- Wir plädieren für solch Vorgehen, zumindest dann, kämpfung der COVID-19-Pandemie und deren wenn wieder so eine Situation kommt. Hier geht es Folgen, hier: Berücksichtigung der Bedürfnisse von auch um Verteilungsfragen und um das Armutsrisi- Familien. ko. Wir können uns das vielleicht leisten, aber wenn die Maskenpflicht weitergeht und man immer Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich wieder Masken kaufen muss, ist das natürlich ein der Abgeordnete Christian Meyer zu Wort gemel- Kostenfaktor. det. Bitte, Herr Meyer!

Die hochwertigen Masken sind da. Deshalb plädie- Christian Meyer (GRÜNE): ren wir dafür, dem Beispiel des Bremer Senats zu Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Auch dieser Pe- folgen und auch in Niedersachsen kostenlose tent fordert ein, dass man den Familien, den Kin- Masken an die Bevölkerung zu verteilen, und zwar dern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie nicht durch Gutscheine, sondern pragmatisch di- mehr zuhören sollte. Er schlägt vor, dass es eine rekt. Krisenpolitik mit ihnen und nicht über sie gibt und (Beifall bei den GRÜNEN) man Alleinerziehendenverbände, Schulräte, El- ternvertreter, Kinderschutzbund etc. deutlich mehr Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: einbeziehen sollte. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. - Ebenfalls Diese Petition habe ich deshalb einmal herausge- zu dieser Eingabe spricht für die CDU-Fraktion der griffen, weil sie ein Beispiel für die vielen Petitionen Abgeordnete Oliver Schatta. ist, die es dazu gibt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU) Die GroKo-Abgeordneten, die ja sonst immer nicht über die Verordnungen abstimmen wollen, sagen Bitte schön! im Ausschuss immer, alles ist perfekt. Egal, ob es um Draußensport oder Drinnensport geht, zu allen Oliver Schatta (CDU): Regelungen wird immer „Sach- und Rechtslage“ Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Her- empfohlen. ren! Liebe Kollegen! Beim Thema Masken komme (Editha Westmann [CDU]: Das stimmt ich mir so ein bisschen vor wie auf einer Reise in doch gar nicht! Das ist einfach nicht die Vergangenheit, die noch gar nicht lange her ist. wahr) Wir sehen die Inzidenzen, wir sehen das Wetter, wir schauen mal raus, wir wissen, was in der Stadt - Sie können gerne gleich berichten. los ist, und wir wissen, wie das alles gesunken ist. Sie sagen immer, die Verordnungen der Landes- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und regierung sind gut. Zu allen Eingaben - wir haben deshalb brauchen wir nicht mehr dar- noch zu sieben, acht, neun weiteren Eingaben über zu reden? Das ist ja wohl aben- Änderungsanträge gestellt -, in denen Leute Vor- teuerlich!) schläge machen - z. B. beim Sport zwischen Frei- zeitsport und Profisport, zwischen draußen und Ich denke, alle Hinweise und Vorschläge sind ge- drinnen zu differenzieren und über Maskenpflich- macht, und ich denke, dass auch die Regierung ten in der Arbeitswelt zu diskutieren -, empfehlen Zeitung liest und soziale Medien konsumiert. Wir Sie „Sach- und Rechtslage“, obwohl sich oft etwas haben diese Petition im Ausschuss mit „Material“ ändert. Manchmal wird den Petenten gefolgt,

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manchmal nicht, dann wieder wird das Gegenteil nommen, um diesen Forderungen nachzukommen. gemacht. Im Stufenplan 2.0 hat sie viele Aspekte berücksich- tigt. Diese Petition ist ein Beispiel. Wir schlagen vor, sie der Landesregierung wenigstens als Material mit- Deswegen ist „Sach- und Rechtslage“ ein vernünf- zugeben, weil diese Verordnungen ja immer wei- tiges, wohlabgewogenes Votum, das der Petition tergehen. gerecht wird. (Beifall bei den GRÜNEN) Vielen Dank. Dieser Petent sagt: Familien und Kinder werden zu (Beifall bei der CDU) wenig berücksichtigt. Man muss gerade sie einbe- ziehen. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Wir fordern einen Pandemierat. Expertinnen sollen Herr Kollege Limburg hat sich zu einer Kurzinter- sich mit der psychologischen Situation befassen. vention gemeldet. Herr Kollege Limburg, wir sind Da verlangen wir einfach mehr. uns gerade nicht sicher, ob Kurzinterventionen bei Petitionen möglich sind. Aber Sie als Parlamentari- Deshalb wollen wir wenigstens, dass Petenten, die scher Geschäftsführer werden es uns - - - lange Ausführungen machen und Anregungen (Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Alles, geben, auch bei der Landesregierung Gehör fin- was nicht ausgeschlossen ist, ist er- den. Deshalb plädieren wir dafür, diese und ande- laubt!) re Petitionen zu Corona der Landesregierung als Material zu überweisen. Wir gucken gerade noch einmal nach. Wir sind uns da sehr sicher. Warten Sie noch eben ganz kurz! (Beifall bei den GRÜNEN) Dann haben Sie die Kurzintervention. Sie kennen Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: die Spielregeln: 90 Sekunden. Vielen Dank, Herr Meyer, für die Punktladung. - Für die CDU-Fraktion hat sich, ebenfalls zu dieser Helge Limburg (GRÜNE): Eingabe, der Abgeordnete Christian Fühner zu Frau Präsidentin, ich kann Ihnen kurz die Ände- Wort gemeldet. rungsgeschichte der Thematik „Kurzinterventionen und Eingaben“ darstellen: In der 16. Wahlperiode Christian Fühner (CDU): sind Kurzinterventionen zu Eingaben untersagt Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Abgeordne- worden. In der 17. Wahlperiode sind sie mit der ter Meyer, ich möchte vorweg sagen: Den Vorwurf, nächsten Geschäftsordnungsreform wiederzuge- die Petitionen nicht ernst zu nehmen, lassen wir lassen worden, und das hat bis heute Gültigkeit. uns hier nicht gefallen. Es ist gerade im Vorfeld (Beifall bei den GRÜNEN) über den Tätigkeitsbericht gesprochen worden. Da wurde vor allen Dingen die sachliche und ernsthaf- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: te Auseinandersetzung mit den Anliegen der Pe- Vielen Dank. Ich war wohl noch in der 16. Wahlpe- tenten gelobt. Dass Sie jetzt so tun, als würden wir riode. die nicht ernst nehmen, ist eine Unverschämtheit. Wir nehmen jede Petition sehr ernst und diskutie- (Ulf Thiele [CDU]: Was sollen wir oh- ren sie ausgiebig. Wir machen uns kein Votum ne dich machen, Helge? - Weitere Zu- einfach, sondern entscheiden so, wie wir es für rufe) richtig halten. Helge Limburg (GRÜNE): (Zustimmung bei der CDU) Herr Thiele, der war so gut, da fällt mir keine gute Zu der vorliegenden Petition möchte ich sagen, Erwiderung ein. dass das Anliegen des Petenten berechtigt ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aber wer sich intensiv mit der Stellungnahme aus- Fühner, ich möchte noch einmal unterstreichen, einandergesetzt hat, der wird relativ schnell fest- was der Kollege Meyer gesagt hat. stellen, dass seine Ideen - es sind ja insgesamt sechs Forderungen - weitestgehend umgesetzt Frau Westmann, vielen Dank für die Würdigung. worden sind, dass viele Anregungen umgesetzt Das Lob für die gute Zusammenarbeit gebe ich wurden. Die Landesregierung hat vieles unter- ausdrücklich zurück. Nur habe ich selber in meiner

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Zeit im Petitionsausschuss Ähnliches erlebt wie Sie legen sich das so zurecht, wie es Ihnen passt. jetzt Herr Kollege Meyer. Wir gehen da sehr differenziert vor. Wir schauen uns jede Petition sehr genau an und entscheiden Wenn wir über die Maßnahmen gegen die Co- dann wirklich nach gutem Gewissen über unser vid-19-Pandemie beraten, dann sind wir doch in Votum. Es ist eben nicht so, dass jede Corona- der Situation, dass die Maßnahmen in schneller Petition mit „Sach- und Rechtlage“ beschieden Abfolge ergriffen werden - aus guten Gründen, worden ist. Wir haben durchaus die eine oder an- natürlich - und die Bearbeitung der Petitionen mit dere Petition auch als Material an die Landesregie- diesem Tempo nicht immer mithalten kann. Das ist rung gegeben. Deswegen ist Ihre Darstellung erst einmal normal und akzeptabel. schlichtweg falsch. Nur ist es dann doch das Minimum und die logi- (Lebhafter Beifall bei der CDU) sche Konsequenz, dass wir Eingaben, die Fehl- entscheidungen aufzeigen - wir haben gestern viel Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: diskutiert, was in den Verordnungen schiefgelau- Meine Damen und Herren, uns liegen keine weite- fen ist; teilweise räumt die Landesregierung selber ren Redebeiträge zu einzelnen Eingaben vor. Auch ein, dass da Sachen schieflaufen -, z. B. zu weit die Diskussion im Rahmen der Kurzintervention ist gehende Verbote von Besuchen in Seniorinnen- hiermit beendet. Also schließe ich die Beratung. heimen - auch darüber haben wir aus Anlass von Petitionen diskutiert; da waren wir uns eigentlich Wir kommen nun zur Abstimmung zu den Einga- einig, dass es ein komplettes Besuchsverbot nie ben, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Ich mehr geben darf -, wenigstens als Material über- rufe sie einzeln bzw. bei gleichem Sachinhalt im weisen und damit der Landesregierung mitgeben: Block auf und lasse zunächst über die Änderungs- Wenn ihr wieder in eine ähnliche Situation kommt, anträge und, falls diese abgelehnt werden, dann wenn diese Pandemie wieder schlimmer wird oder über die Ausschussempfehlungen abstimmen. eine neue Pandemie kommt, dann lasst bitte diese Laufende Nr. 16 der Eingabenübersicht: Eingabe Maßnahmen bleiben, dann verordnet nicht mehr 2200/11/18, betr. Maßnahmen im Zusammenhang solche drastischen Einschränkungen! mit der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und deren Folgen, hier: kostenfreie Ausgabe von Dass die Große Koalition sich irgendwann ver- FFP2-Masken. ständigt hat, so etwas immer nur mit „Sach- und Rechtslage“ zu bescheiden, gibt jedenfalls nicht Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die das Signal an die Landesregierung: „Ihr müsst Grünen lautet auf „Erwägung“. Wir kommen zur diese Fehler zukünftig vermeiden“, sondern es gibt Abstimmung. Wer dem zustimmen möchte, bitte im Grunde genommen das Signal: Egal, was ihr ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Ge- macht, ihr macht es schon richtig. - Das teilen wir genstimmen der FDP-, der CDU- und der SPD- in der Tat nicht, Herr Fühner. Fraktion sowie der Fraktionslosen im Saal. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN) Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Beschlussempfehlung des Ausschusses, die auf „Material, im Übrigen Unterrichtung des Einsen- Herr Fühner möchte auf diese Kurzintervention ders über die Sach- und Rechtslage“ lautet. Wer antworten. Bitte schön! dem zustimmen möchte, bitte ich um ein Handzei- chen. - SPD, CDU, FDP und Fraktionslose. Ge- Christian Fühner (CDU): genstimmen? - Der Grünen-Fraktion. Enthaltun- gen? - Sehe ich nicht. Damit wurde mehrheitlich Frau Präsidentin, vielen Dank. - Herr Kollege Lim- „Material und Unterrichtung über die Sach- und burg, Sie haben gesagt, dass jede Petition, die Rechtslage“ beschlossen. irgendetwas mit Corona zu tun hat, hier mit „Sach- und Rechtslage“ beschieden werde. Aber zu der Wir kommen zur laufenden Nr. 22 der Eingaben- Petition, zu der gerade der Kollege Schatta ge- übersicht: Eingabe 2039/11/18, betr. Genehmi- sprochen hat, ist „Material“ und „Sach- und Rechts- gung von Schulbegleitung. lage“ empfohlen worden. Da haben sich die Grü- Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die nen aber komischerweise entschieden, nicht „Ma- Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen terial“ zu beantragen, sondern „Erwägung“. möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Die Frakti-

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on Die Grünen. Gegenstimmen? - SPD, CDU, FDP gen? - Sehe ich nicht. Damit ist mehrheitlich und Fraktionslose. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. „Sach- und Rechtslage“ beschlossen. Der Änderungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt Wir kommen zu den laufenden Nrn. 31 bis 38 der worden. Eingabenübersicht: Eingabe 2190/11/18-001 bis Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be- 007, betr. Aufenthaltsrecht für eritreische Staats- schlussempfehlung des Ausschusses, die auf angehörige; Voraussetzungen für die Erteilung „Sach- und Rechtslage“ lautet. Wer dem zustim- eines unbefristeten Aufenthaltstitels. men möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Ge- Der Änderungsantrag der Fraktion Bünd- genstimmen? - Der Grünen-Fraktion. Enthaltun- nis 90/Die Grünen lautet auf „Material“. Wer dem gen? - Sehe ich nicht. Mehrheitlich wurde „Sach- zustimmen möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - und Rechtslage“ beschlossen. Zustimmung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Wir kommen zur laufenden Nr. 26 der Eingaben- nen. Gegenstimmen? - Gegenstimmen von der übersicht: Eingabe 2144/11/18, betr. Maßnahmen SPD, der CDU, der FDP und von Fraktionslosen. im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- Enthaltungen? - Kann ich nicht mehr feststellen. VID-19-Pandemie und deren Folgen, hier: Home- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- schooling; Freistellung von Schülern mit Risikopa- empfehlung des Ausschusses, die auf „Sach- und tienten im Haushalt unabhängig von einem Inzi- Rechtslage“ lautet. Wer dem zustimmen möchte, denzwert. den bitte ich um ein Handzeichen. - SPD, CDU, FDP, Fraktionslose. Gegenstimmen? - Gegenstim- Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die men der Grünen. - Keine Enthaltungen. - Damit ist Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen „Sach- und Rechtslage“ beschlossen. möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Die Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen stimmt zu. Gegenstim- Wir kommen zur laufenden Nr. 39 der Eingaben- men? - Gegenstimmen von SPD, CDU und Frakti- übersicht: Eingabe 2215/11/18, betr. Umgang mit onslosen. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. psychischen Erkrankungen von Schülerinnen und Schülern. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- empfehlung, die auf „Sach- und Rechtslage“ lautet. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP lautet Wer dem zustimmen möchte, bitte ich um ein auf „Material, im Übrigen Unterrichtung des Peten- Handzeichen. - Gegenstimmen? - Gegenstimmen ten über die Sach- und Rechtslage“. Wer dem der Grünen-Fraktion. Enthaltungen? - Sehe ich zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzei- nicht. „Sach- und Rechtslage“ ist mehrheitlich be- chen. - Zustimmung bei FDP und Grünen. - Ge- schlossen. genstimmen? - Gegenstimmen bei SPD, CDU und Fraktionslosen. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Wir kommen zur laufenden Nr. 29 der Eingaben- Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. übersicht: Eingabe 2178/11/18, betr. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- Die Empfehlung des Ausschusses lautet „Sach- VID-19-Pandemie und deren Folgen; Tragepflicht und Rechtslage“. Wer möchte dem zustimmen? - von Mund-Nasen-Bedeckungen a) in Wohnanla- Gegenstimmen? - Gegenstimmen von FDP und gen, b) auf dem Schulweg. Grünen. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist „Sach- und Rechtslage“ beschlossen. Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen Wir kommen zur laufenden Nr. 40 der Eingaben- möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Zustim- übersicht: Eingabe 2238/11/18, betr. Rentenange- mung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. legenheit; Schließung der Versorgungslücke sog. Gegenstimmen? - Gegenstimmen von der Fraktion „Lückeprofessoren“. der SPD, der CDU und der FDP sowie von Frakti- Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die onslosen. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist Grünen lautet auf „Der Landtag sieht keinen An- der Änderungsantrag abgelehnt worden. lass, sich für das Anliegen zu verwenden.“ Wer dem zustimmen möchte, bitte ich um ein Handzei- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- chen. - Gegenstimmen? - Gegenstimmen von der empfehlung des Ausschusses, die auf „Sach- und SPD, der CDU und Fraktionslosen. Enthaltungen? Rechtslage“ lautet. Wer dem zustimmen möchte, - Sehe ich keine. Der Änderungsantrag wurde bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - abgelehnt. Der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltun-

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Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet empfehlung, die auf „Sach- und Rechtslage“ lautet. auf „Sach- und Rechtslage“. Wer möchte dem Wer möchte dem zustimmen? - Gegenstimmen? - zustimmen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei der FDP und bei den Grünen. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Bei Gegenstimmen von Bünd- Sehe ich nicht. Damit ist „Sach- und Rechtslage nis 90/Die Grünen ist mehrheitlich „Sach- und beschlossen. Rechtslage“ beschlossen. Wir kommen zur laufenden Nr. 44 der Eingaben- Wir kommen zu den laufenden Nrn. 50 bis 52 der übersicht: Eingabe 2277/11/18, betr. Maßnahmen Eingabenübersicht: Eingabe 2316/11/18-001 und im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- 002, betr. Maßnahmen im Zusammenhang mit der VID-19-Pandemie und deren Folgen; Breitensport. Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und deren Folgen; Schutzmaßnahmen in Kindertageseinrich- Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die tungen. Hierzu liegen Änderungsanträge der Frak- Grünen lautet auf „Material, im Übrigen Unterrich- tion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der tung der Petentin über die Sach- und Rechtslage“. FDP vor. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Zustimmung bei den Grünen und Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP lautet der FDP. Gegenstimmen? - SPD, CDU, Fraktions- auf „Material, im Übrigen Unterrichtung der Peten- lose. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit wurde tin über die Sach- und Rechtslage“. Wer dem zu- der Änderungsantrag abgelehnt. stimmen möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Zustimmung von FDP und Grünen. Gegenstim- Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- men? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist schusses, die auf „Sach- und Rechtslage“ lautet. der Änderungsantrag der FDP abgelehnt worden. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenstimmen? - Damit ist bei Gegenstimmen von den Grünen und Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die der FDP mehrheitlich „Sach- und Rechtslage“ be- Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen schlossen. möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Zustim- mung von FDP und Grünen. Gegenstimmen? - Wir kommen zur laufenden Nr. 45 der Eingaben- Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist der Än- übersicht: Eingabe 2286/11/18, betr. alternierende derungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden. Telearbeit beim SBN. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Die gleichlautenden Änderungsanträge der Frakti- empfehlung des Ausschusses, die auf „Sach- und on Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Rechtslage“ lautet. Wer möchte dem zustimmen? - FDP lauten auf „Erwägung“. Wer möchte dem Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. zustimmen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der FDP und der Fraktion Sehe ich nicht. Das reicht nicht für eine Mehrheit, Bündnis 90/Die Grünen ist mehrheitlich „Sach- und daher ist „Erwägung“ abgelehnt. Rechtslage“ beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- Wir kommen zur laufenden Nr. 57 der Eingaben- empfehlung, die auf „Sach- und Rechtslage“ lautet. übersicht: Eingabe 2388/11/18, betr. Maßnahmen Wer möchte dem zustimmen? - Gegenstimmen? - im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Bei Gegenstim- VID-19-Pandemie und deren Folgen; Berücksichti- men von FDP und Grünen ist „Sach- und Rechts- gung der Bedürfnisse von Familien. lage“ beschlossen. Die gleichlautenden Änderungsanträge der Frakti- Wir kommen zur laufenden Nr. 47 der Eingaben- on Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der übersicht: Eingabe 2299/11/18, betr. Maßnahmen FDP lauten auf „Material“. Wer dem zustimmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegen- VID-19-Pandemie und deren Folgen; Distanzunter- stimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Bei richt für Berufsschüler im Gesundheitswesen. Gegenstimmen von SPD, CDU und Fraktionslosen Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die sind die Änderungsanträge abgelehnt worden. Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Zustim- empfehlung des Ausschusses, die auf „Sach- und mung der Grünen. Gegenstimmen? - Enthaltun- Rechtslage“ lautet. Wer möchte zustimmen? - gen? - Sehe ich nicht. Damit ist der Änderungsan- Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich keine. trag abgelehnt worden. Bei Gegenstimmen der Grünen und der FDP wur-

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de mehrheitlich „Sach- und Rechtslage“ beschlos- Weil wir die nächsten Tagesordnungspunkte be- sen. reits heute Vormittag beraten haben, kommen wir jetzt zu Wir kommen zur laufenden Nr. 58 der Eingaben- übersicht: Eingabe 2449/11/18, betr. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- Tagesordnungspunkt 38: VID-19 Pandemie und deren Folgen; allgemeine Erste Beratung: Schutzmaßnahmen und Impfungen in Kinderta- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der diffe- geseinrichtungen. renzierten Hochschulautonomie - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/9392 Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lautet auf „Material“. Wer dem zustimmen möchte, bitte ich um ein Handzeichen! - Gegen- Zur Einbringung hat sich für die Landesregierung stimmen? - Gegenstimmen von SPD, CDU und der Wissenschaftsminister Björn Thümler zu Wort FDP. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist der gemeldet. Bitte, Herr Minister Thümler! Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und empfehlung, die auf „Sach- und Rechtslage“. Wer Kultur: möchte dem zustimmen? - SPD, CDU und Frakti- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen onslose. Gegenstimmen? - Der Grünen. Enthal- und Herren! Das vergangene Jahr war für uns alle tungen? - Sehe ich nicht. Damit ist mehrheitlich eine herausfordernde und einschneidende Basis, „Sach- und Rechtslage“ beschlossen worden. auf der wir arbeiten mussten. Das gilt insbesonde- re für das Bildungssystem in Niedersachsen, in Wir kommen zur laufenden Nr. 62 der Eingaben- Deutschland und auf der ganzen Welt. übersicht: Eingabe 2413/11/18, betr. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der CO- Als Wissenschaftsminister ist es mir ein Bedürfnis, VID-19-Pandemie und deren Folgen; a) Absehen die heutige Beratung auch zu nutzen, von Klausuren zum Schulhalbjahr, b) Durch- (Unruhe - Glocke der Präsidentin) schnittsnoten anstelle von Prüfungen für Abiturien- ten, c) einheitliche (länderübergreifende) Regelun- den Hochschulen und insbesondere den in den gen. Hochschulen engagierten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, der Verwaltung, aber auch Die gleichlautenden Änderungsanträge der Frakti- den Studierenden zu danken für das, was sie auf on Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der sich nehmen mussten, und für das, was sie geleis- FDP lauten auf „Material“. Wer dem zustimmen tet haben. Dafür mein tiefer Dank und herzlicher möchte, bitte ich um ein Handzeichen. - Zustim- Dank an alle! mung von Grünen und FDP. Gegenstimmen? - SPD, CDU und Fraktionslose. Somit abgelehnt. (Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD - Anhaltende Unruhe) Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- empfehlung, die da lautet: „Die Eingabe wird im Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Hinblick auf die einheitlichen (länderübergreifen- Herr Minister, warten Sie bitte kurz! Der Applaus ist den) Regelungen (Punkt c) für erledigt erklärt, da Ihrer fürs Einbringen. - Ich möchte wirklich noch dieses Anliegen bereits umgesetzt wurde. Im Übri- einmal darum bitten, dass hier etwas mehr Ruhe gen Unterrichtung des Petenten über die Sach- einkehrt und dass Gespräche außerhalb des Ple- und Rechtslage.“ Wer dem zustimmen möchte, narsaals stattfinden. bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Bei Gegenstim- Bitte! men von Grünen und FDP wurde das mehrheitlich so beschlossen. Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur: Meine Damen und Herren, das waren die Einga- Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch ben. den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, die in den letzten Monaten eine wahre Herkulesaufgabe geleistet haben, insbesondere

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nach den Anhörungen, als es darum ging, die Er- Es zeigt sich, dass die Grünen die Novelle entwe- gebnisse zusammenzuführen und ein umfangrei- der nicht gelesen oder einfach nicht verstanden ches Gesetzesvorhaben hier auf den Weg zu brin- haben. Ersteres wäre bedauerlich. Zweiteres wäre gen. Auch dafür herzlichen Dank! mit Abhilfe zu begleiten.

Mit der vorliegenden Novelle des Niedersächsi- Die Novelle stärkt die Präsidien und die Senate. schen Hochschulgesetzes stärken wir die Hoch- Voraussetzung ist jedoch eine Verankerung in der schulen, damit sie einer wichtigen Aufgabe noch Grundordnung der Hochschule. Es ist nun einmal besser nachkommen können, nämlich der akade- ein Kernelement der Hochschulautonomie, dass mischen Fachkräftesicherung. Die Liste der für uns die eine Gruppe nicht stärker als die andere ist. alle so relevanten Aufgaben wird immer länger. Beide miteinander gestalten diese Hochschule. Fachkräfte in Bildung, Gesundheit, Digitalisierung Das ist ein gutes Grundprinzip, das wir in den letz- werden händeringend gesucht. Die fachschuli- ten Jahren festgelegt haben und dementsprechend schen Ausbildungen werden an die Hochschulen auch weiterführen müssen. verlagert - Stichwort: Akademisierung nicht nur im Pflegebereich, sondern auch in vielen anderen Die Novelle stärkt die Hochschulen im Berufungs- Bereichen. recht. Mit einer weiterentwickelten Genieklausel erleichtern die vorgeschlagenen Regelungen die Das stellt die Hochschulen geradezu vor neue Anwerbung wissenschaftlichen Personals, dessen Herausforderungen ungeahnter Art. Die Hochschu- herausragende Qualifikation nicht nur in Deutsch- len leisten auch an dieser Stelle Herausragendes land, sondern auch in Europa und weltweit offen- und Beachtliches, und das jenseits der Pandemie. kundig ist, und erreichen damit eine Stärkung un- Man kann sagen: Der Laden läuft. - Dies verdient serer Hochschulen. Anerkennung und Dank. Herzlichen Dank! (Zustimmung bei der CDU und bei der Auch die Exzellenzklausel gibt Möglichkeiten, noch SPD) mehr zu wagen - aber auch das nur im gemeinsa- men Einvernehmen zwischen Präsidien, Senaten Es verdient aber eben auch Vertrauen und Ver- und den Hochschulräten. Meine Damen und Her- antwortung. Deshalb wollen wir mit dem neuen ren, mehr Autonomie bzw. mehr Verantwortung Hochschulgesetz mehr Verantwortung übertragen - geht an dieser Stelle nicht. nicht überhastet, nicht ohne eingehende Prüfung und so, dass die Rahmenbedingungen in den je- Die Vorstellung, dies würde an den Studierenden weiligen Hochschulen stimmen. Hierfür steht der vorbeigehen, ist geradezu absurd. Gleiches gilt für Begriff der differenzierten Hochschulautonomie. die Idee, dass im Gesetz eine Verankerung des Die Hochschulen haben bewiesen, dass sie es Portfolios Studium und Lehre im Präsidium zwin- können. Mit den vorgeschlagenen Änderungen im gend erforderlich ist, um studentische Interessen Hochschulgesetz geben wir ihnen mehr Verantwor- zu berücksichtigen. Wenn die Hochschulen mehr tung - Verantwortung, die sie sich redlich verdient Freiheiten erhalten, Präsidium und Senate zu ge- haben. stalten, erübrigen sich begrenzende Vorschriften. Was unsere Hochschulen hingegen nicht verdient An der Realität vor Ort, meine Damen und Herren, haben, ist unqualifiziertes, uninformiertes, unge- wird das nichts ändern. Auch künftig wird jede rechtfertigtes und teilweise ehrabschneidendes Hochschule das Portfolio Studium und Lehre im Misstrauen, meine Damen und Herren. Präsidium vertreten sehen. Warum? Aus eigenem (Zustimmung bei der CDU) Interesse heraus, aus der Überzeugung heraus, dass eine Hochschule nur funktioniert, wenn alle Die Pressemitteilung der Grünen vom vergange- Teile dieser Hochschule miteinander agieren. Dazu nen Dienstag war ein derartiger Akt des Misstrau- gehören natürlich auch die Studierenden, weil: ens. Die darin nachzulesenden Anwürfe an unsere ohne Studierende keine Hochschule. Hochschulen und vor allem an ihre Leitungen wei- se ich auf das Schärfste zurück. Es ist eben kein Selbstzweck. Dementsprechend (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist es falsch, zu behaupten, dass die Studierenden war doch gar nicht so! Zwischen Be- hier zurückgesetzt würden. Ganz im Gegenteil: Sie teiligung und Misstrauen besteht doch stehen im Fokus dieses Unternehmens, meine wohl ein Unterschied!) Damen und Herren.

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Was mich besonders nachdenklich stimmt, ist der den Studierenden schuldig, meine Damen und Vorwurf autoritären Verhaltens. Mit dieser Grenz- Herren. überschreitung machen es die Grünen denjenigen (Beifall bei der CDU) leichter, die bewusst Grenzen überschreiten, um unserer freiheitlichen demokratischen Grundord- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: nung zu schaden. Unzufriedenheit darüber, in wel- cher Form die hochschulinterne Demokratie ge- Vielen Dank, Herr Minister. - Nach der Einbringung stärkt wird, rechtfertigt diese Wortwahl nicht. kommen wir jetzt zur Beratung. Für die FDP- Fraktion hat sich der Abgeordnete Lars Alt zu Wort Eine sorgfältige Lektüre der vorgeschlagenen No- gemeldet. Bitte schön, Herr Alt! velle hätte auch weitere erfreuliche Punkte zutage gefördert, die unseren Hochschulen helfen und Lars Alt (FDP): dort sehr willkommen sein dürften. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Novelle trägt mit mehreren kleinen Änderun- Im Wesentlichen braucht es zwei Voraussetzun- gen Erfahrungen aus hochschulinternen Diskussi- gen, um die Hochschulen zukunftsfähig und wett- onen zur Verwendung von Studienqualitätsmitteln bewerbsfähig aufzustellen. Die erste Vorausset- Rechnung. zung ist, dass man die Hochschulen trotz schwieri- ger Haushaltslage mit finanzieller Planungssicher- Die Novelle schafft eine Rechtsgrundlage für die heit ausstattet. Die zweite ist, dass man die Hoch- Online-Prüfungen sowie die Lehrveranstaltungen schulen aus den piefigen Zwängen landespoliti- und Prüfungen in Fremdsprachen. scher Bürokratie befreit und ihnen ein Maximum an Die Novelle stellt sicher, dass Inhaberinnen und Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit gibt. Inhaber einer W-2-Professur mit Tenure-Track Das Erste, die finanzielle Planungssicherheit, ha- nach einer negativen Evaluierung nicht automa- ben Sie den Hochschulen mit der globalen Min- tisch vor dem Nichts stehen. derausgabe bereits genommen. Diese ist nämlich mit einem Auslaufen von Professuren, mit einer Zudem werden die Universität Oldenburg und die Verkleinerung des akademischen Mittelbaus und Jade-Hochschule aus einem Korsett entlassen, mit einem Abbau von Studienkapazitäten verbun- das ihnen nach der Defusion der sogenannten den. Fachhochschule O/O/W auferlegt worden war. Der § 54 a besagte nämlich, dass beide zusammen Das Zweite, mehr Autonomie, adressieren Sie mit Gremien bilden sollten, um enger zusammenzu- dieser Novelle des Hochschulgesetzes natürlich wachsen. Nach einer Evaluierung dieses Ganzen auch. Aber eigentlich passen Sie die Rechtslage durch die Wissenschaftliche Kommission Nieder- nur der rechtlichen Situation in anderen Ländern sachsen lautete das niederschmetternde Ergebnis: an, die dort schon deutlich weiter sind. Es hat sich überlebt und wird nicht gebraucht. Deswegen kann es gestrichen werden. Es bleibt also dabei: Im bundesweiten Vergleich schöpfen die Hochschulen in Niedersachsen ihr Zudem wird die Universitätsmedizin in Oldenburg Potenzial nicht aus, weil sie vom Land weder wis- gestärkt. Vorbehaltlich der Zustimmung der Uni- senschaftspolitisch noch finanzpolitisch dazu in die versität Oldenburg kann künftig einem kooperie- Lage versetzt werden. An diesem Grundproblem renden Krankenhaus der Titel „Universitätsklini- ändert leider auch die vorliegende Novelle nichts. kum“ übertragen werden. Dies ist nicht nur eine (Beifall bei der FDP) Würdigung der Leistung derer, die die EMS in Oldenburg aufgebaut haben, sondern würdigt auch Der Gesetzentwurf, der ja immerhin über das ge- die Entwicklung am Standort Oldenburg insge- samte NHG hinweg vorgibt, die differenzierte samt, meine Damen und Herren, und verschafft Hochschulautonomie zu gewährleisten, ist also der EMS im Konzert der Universitätsmedizin in kein Geniestreich. Viele Passagen sind sprachliche Deutschland den Rang, den sie haben muss, um Anpassungen und Klarstellungen. Sie werden aber auf dieser Ebene auch mitspielen zu können. auch von kleineren positiven Änderungen beglei- tet, und diese, Herr Minister, will ich auch einmal Daher mahne ich zu einer bedachten Wortwahl wertschätzend ansprechen. und einer gern kritischen und konstruktiven Beglei- tung der Novelle in den Ausschüssen. Dies sind Dazu zählt etwa die Erprobungsklausel, dazu zählt wir den Hochschulen, den Lehrenden, aber auch mehr Freiheit bei der Zusammensetzung und beim

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Zuschnitt der Hochschulpräsidien, und dazu zählt und beim Budget, vor allen Dingen aber auch bei auch die Schaffung eines landesgesetzlichen den Liegenschaften. Rahmens für digitale Prüfung und für die Aufzeich- Diese Novelle versucht also eher, den Rückstand nung von Vorlesungen, weil damit auch landesge- zu anderen Bundesländern aufzuholen, anstatt setzlich klar wird, dass die Hochschule nach der eigene Akzente zu setzen. Deutlich unabhängiger, Pandemie eine andere ist als vorher. Das sind profilierter und wettbewerbsfähiger werden die wichtige hochschulrechtliche Anpassungen. Hochschulen dadurch wahrscheinlich nicht. Im Übrigen wird die Novelle Ihrem Anspruch aber Ich wiederhole mich: Sie verdienen sich mit dieser nicht gerecht. Wichtige Stellschrauben fassen Sie Hochschulgesetznovelle in dieser Wahlperiode zwar an, regeln es aber nicht konsequent zu Ende. vielleicht ein Fleißsternchen, aber die Hochschulen Das will ich auch an einigen Beispielen festma- bleiben überreguliert und unterfinanziert zurück, chen: und das wird sich auch mit dieser Novelle leider So bleibt Ihre eigenständige Regelung des Beru- nicht ändern. Aber wir lassen uns in der Aus- fungsrechts, das sie vom Land auf die Hochschu- schussberatung natürlich gerne eines Besseren len übertragen, dann aber nur auf Widerruf regeln, belehren. hinsichtlich der Berufungsfreiheit gegenüber ande- Vielen Dank. ren Bundesländern zurück. Selbiges gilt auch für die Ausgestaltung des Tenure-Tracks. (Beifall bei der FDP)

Auch die flexible Nutzung der Studienqualitätsmit- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: tel darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, Vielen Dank, Herr Abgeordneter Alt. - Für die Frak- dass Sie den Hochschulen mit dem letzten Haus- tion der SPD: Frau Abgeordnete Dr. Silke Lese- halt den finanziellen Boden unter den Füßen weg- mann! gerissen haben. Gegen diese Haushaltsplanung haben Hunderte Studierende in den letzten Wo- Dr. Silke Lesemann (SPD): chen und Monaten in Göttingen und Hannover protestiert. Als Oppositionsfraktion stellen wir uns Meine sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und an deren Seite, weil wir als FDP-Fraktion nicht nur Herren! Ich werde sicherlich auf Zustimmung sto- den finanziellen Rahmen, sondern auch den ge- ßen, wenn ich sage, dass die niedersächsischen setzlichen Rahmen für mehr Autonomie für die Hochschulen und Universitäten zentrale Orte der Hochschulen schaffen wollen. Wissenschaft und Motoren einer erfolgreichen und nachhaltigen Entwicklung in unserem Bundesland (Beifall bei der FDP) sind. Genau an diesem Punkt offenbart sich auch ein (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Auf Denkfehler in der Novelle. Es gibt nämlich ein jeden Fall!) Konnex zwischen Hochschulfinanzierung und Die Stärkung von Wissenschaft und Forschung ist Hochschulautonomie. Eine Geltendmachung der für die Modernisierung, für die Stärkung von Wirt- Hochschulautonomie in Form von echter Entschei- schaft und Gesellschaft in Niedersachsen von dungsfreiheit von Hochschulen ist nämlich nur bei herausragender Bedeutung. Wie wertvoll und wich- einer soliden finanziellen Absicherung der Hoch- tig Wissenschaft und Forschung für uns alle sind, schulen möglich. Andersherum verhindert die haben gerade die aktuelle Corona-Pandemie und Überregulierung des Hochschulwesens in Nieder- vor allen Dingen deren Bekämpfung gezeigt. sachsen auch einen effektiven Einsatz der finanzi- ellen Mittel. Den gesetzlichen Handlungsrahmen für unsere Hochschulen gibt das Niedersächsische Hoch- Um diese Überregulierung abzubauen, braucht es schulgesetz vor. Dessen zeitgemäße Anpassung auch ein anderes Rollenverständnis des Staates - soll mit dem vorliegenden Entwurf mit Schwerpunkt das andere Bundesländer in der Vergangenheit auf der Stärkung der differenzierten Hochschulau- auch schon gezeigt haben. Wir brauchen einen tonomie geschehen. Staat, der sich zurücknimmt, der den Hochschulen etwas zutraut und der sein Steuerungsprimat vor Meine Damen und Herren, die niedersächsischen allen Dingen über die Zielvereinbarung ausübt. Hochschulen stehen mit Hochschulen anderer Erfolgreiche Bildungsinstitutionen haben jede Bundesländer und auch international im Wettbe- Menge Autonomie: insbesondere beim Personal werb um Personal, Studierende und Drittmittel.

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Neben der Ressourcenausstattung sind aber auch In der vorhergehenden Wahlperiode haben wir das angemessene Handlungsspielräume entscheiden- NHG unter dem Motto „Beteiligungskultur stärken!“ de Erfolgsbedingung. Vor zwei Jahren hat bei- reformiert. Befürchtungen, in dieser Regierungsko- spielsweise die LHK ein Gutachten erstellt und dort alition gebe es nun ein Rollback, weise ich ent- verschiedene inhaltliche Rahmenbedingungen schieden zurück. identifiziert, die niedersächsische Hochschulen im Vergleich mit anderen Bundesländern im Wettbe- Gleiches gilt für den völlig überzogenen Vorwurf werb um Personal, materielle Ressourcen und in der Grünen, die Landesregierung plane die Einfüh- ihrer je eigenen strategischen Ausrichtung in Be- rung autoritärer Strukturen. Sie betreiben hier pure zug auf Lehre, Forschung und Tansfer einschrän- Effekthascherei! Auch die Grünen sollten in ihren ken. persönlichen Gesprächen mit Hochschulleitungen und an den Hochschulen Tätigen festgestellt ha- Deshalb wird in diesem Gesetzentwurf ein ben, dass unsere Hochschulen und diejenigen, die Schwerpunkt auf die Eröffnung neuer Möglichkei- dort Verantwortung tragen, meilenweit davon ent- ten gelegt, mit der die Profilierung und Schwer- fernt sind. Der Geist der 60er-Jahre, der Muff unter punktsetzung der jeweiligen Hochschule weiter- den Talaren ist doch nun wirklich schon lange ver- entwickelt und gestärkt werden kann. Dies betrifft trieben. insbesondere die Erweiterung der Exzellenz- und die Einführung einer Erprobungsklausel, die Mög- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und lichkeit der unbefristeten Übertragung des Beru- deswegen ist Beteiligung nicht wichtig?) fungsrechts, erweiterte Spielräume für die Hoch- schulen bei der Zusammensetzung des Präsidiums Selbstverständlich werden wir zu diesem Gesetz- sowie eine mögliche Erweiterung des Senats. entwurf eine Anhörung im Wissenschaftsaus- Überdies soll der Bürokratieabbau vorangetrieben schuss durchführen. Uns interessiert, was maßge- werden. bende Player an den Hochschulen zu diesem Ge- setzentwurf zu sagen haben. Mit solchen Überlegungen befindet sich das MWK im Geleitzug verschiedener Länder, die ähnliche (Eva Viehoff [GRÜNE]: Ja, dazu gibt es Vorhaben angehen oder bereits angegangen und eine Pressemitteilung der Landeshoch- in ihren Hochschulgesetzen verankert haben. Die schulkonferenz, der LandesAstenKonfe- einschlägigen Gesetze von Berlin, Hessen, Bay- renz usw.!) ern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-An- halt sehen dies beispielsweise bereits jetzt vor. Was sagt der DGB? Was sagt die LHK? Was sagt Hervorheben will ich die Einführung eines Studien- die LandesAStenKonferenz, was sagen die Perso- orientierungsverfahrens zur Beratung von Studie- nalräte an den Hochschulen? Was sagen die renden, um Abbrecherquoten zu verringern. Das Hochschulen insgesamt dazu? wird sicherlich auch infolge der Corona-Pandemie (Eva Viehoff [GRÜNE]: Es gibt eine PM eine ganz wichtige Aufgabe sein. Dazu gehören dazu, von heute!) aber auch Regelungen zur elektronischen Fernprü- fung - Digitalisierung des Prüfungswesens - und Mit großem Interesse sehe ich auch den Kommen- zur Kooperation von Hochschulen mit Promotions- tierungen durch den GBD entgegen. recht und Fachhochschulen, die Promotionen durchführen wollen. Und denken Sie beispielswei- Sicherlich gilt auch für das NHG das Struck’sche se auch an die Aufwertung der Universitätsmedizin Gesetz. Aber der Entwurf hat vielversprechende Oldenburg oder an die absichernden und guten Eckpunkte. Regelungen für Inhaberinnen und Inhaber einer Tenure-Track-Professur. Ich bin auf die weiteren Beratungen gespannt, vor allem auch auf die Ergebnisse der Anhörung im Meine Damen und Herren, ein gutes Studium für Wissenschaftsausschuss. alle Studierenden zu ermöglichen, den Beschäftig- ten und Forschenden aller Statusgruppen gute Vielen Dank. Arbeitsbedingungen zu bieten - dieses Ziel muss an den Hochschulen wie auch in der Hochschulpo- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) litik in den nächsten Jahren eine herausgehobene Rolle spielen.

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Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Helge Limburg [GRÜNE]: Dass Ihnen Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Die nächste Ungarn und Polen einfallen, ist klar!) Wortmeldung kommt vom fraktionslosen Abgeord- - Ja, aber wir werden mal sehen, was Sie dabei im neten Harm Rykena. Bitte! Hinterkopf haben. Ich fürchte, das ist etwas ganz anderes. Harm Rykena (fraktionslos): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Da- (Eva Viehoff [GRÜNE]: Wir haben das men und Herren! Es besteht Regelungsbedarf u. a. Gesetz nicht geschrieben!) aufgrund der Corona-Einschränkungen und der DSGVO. Diesem Bedarf wird im vorliegenden Ge- In der Überschrift zum Gesetz schreiben Sie, sie setzentwurf vorgeblich „zur Stärkung der differen- wollten mit diesem Entwurf vor allem die „differen- zierten Hochschulautonomie“ mit Änderungen in zierte Hochschulautonomie“ stärken. Andere zahlreichen Paragrafen Rechnung getragen. höchst bedenkliche Entwicklungen greift das Ge- setz dagegen gar nicht auf. So ist an den Universi- Aus der Vielzahl von Änderungen möchte ich zu täten zunehmend eine Einschränkung der Diskurs- zwei Einzelpunkten sprechen, die mir bei der freiheit zu beobachten. Durchsicht des Gesetzestextes aufgefallen sind. (Eva Viehoff [GRÜNE]: Das ist so ab- In § 4 heißt es demnach: wegig! Nennen Sie ein Beispiel! Das „Im besonderen gemeinsamen öffentlichen ist ja unglaublich!) Interesse nutzen die Hochschulen in staatli- Ein offener Diskurs ist eigentlich Kern jeglicher cher Verantwortung die Möglichkeiten zum intellektueller Beschäftigung - bzw. so sollte es Zusammenwirken, um insbesondere die ge- sein. Schon 2019 gab es diesbezüglich warnende genseitige Abstimmung sowie die Nutzung Worte vom Deutschen Hochschulverband, und im von Lehrangeboten, Personal, Sachmitteln Frühjahr 2021 hat sich das Netzwerk Wissen- und der vorhandenen Infrastruktur für For- schaftsfreiheit gegründet. Dieses besteht aus mehr schung und Lehre zu verbessern.“ als 70 Professoren, die ein inakzeptables Mund- Zusammenwirken und gemeinsame Nutzung von totmachen und eine Art von Meinungszensur an Ressourcen sind auf den ersten Blick natürlich deutschen Hochschulen feststellten. Hervorgerufen immer sehr sinnvoll. Aber was heißt „im besonde- werde dies durch überbordende Political Cor- ren gemeinsamen öffentlichen Interesse“? Das rectness und eine auch an den Hochschulen um hört sich so gar nicht nach autonomer Entschei- sich greifende Cancel Culture, die übrigens auch dung der Hochschule an. Das riecht eher nach hier im Niedersächsischen Landtag ihre Förderer politischer Einflussnahme. hat. Beispielsweise in England werden Maßnah- Nach Firmenfusionen spricht man in diesem Zu- men dagegen ergriffen. Dort plant die Regierung sammenhang gern von Synergieeffekten. Sie ge- u. a. die Einführung eines Obudsmannes, der in nießen in der darauf folgenden öffentlichen Dis- Fällen von Cancel Culture oder Einschränkungen kussion meist einen sehr schlechten Ruf. von akademischer Freiheit einschreiten soll. Ferner ist mir in § 64 b die erwähnte staatliche (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Der Anerkennung nichtstaatlicher Hochschulen aufge- wird sich ja langweilen!) fallen. Dort heißt es u. a.: Im vorliegenden Gesetzentwurf: Fehlanzeige! „Niederlassungen von staatlichen oder staat- lich anerkannten Hochschulen aus Mitglied- Ein weiteres Problemfeld ist die um sich greifende staaten der Europäischen Union gelten als Steuerung der Forschung durch die Politik über staatlich anerkannt, soweit sie Hochschul- verschiedenste Instrumente, sei es über Drittmittel, qualifikationen ihres Herkunftsstaates ver- die übrigens auf Umwegen auch größtenteils vom mitteln und die Qualität des Studienange- Staat kommen, oder sei es durch spezielle Förder- bots nach den im Herkunftsstaat geltenden programme. Statt nun die finanzielle Grundausstat- Regelungen gesichert ist.“ tung der Hochschulen zu verbessern und diesen die Entscheidung über die Verwendung der Mittel Das ist sehr interessant! Ich bin schon sehr auf die selbst zu überlassen, wird zunehmend auf die ungarische oder die polnische Hochschule hier in Vergabe von zielgerichteten Projektmitteln umge- Niedersachsen gespannt. stellt. Auch so kann man die Aktivitäten der Hoch-

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schulen und damit „die Erkenntnisse der Wissen- schulen ab, die die frühere grüne Wissenschafts- schaft“ in eine gewünschte Richtung lenken. ministerin, Frau Heinen-Kljajić,

Der Kern unseres Hochschulwesens, nämlich die (Eva Viehoff [GRÜNE]: Auf den Na- Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ist akut men habe ich gewartet!) gefährdet. Diese zu gewährleisten, diese zu för- dern, wäre auch ein deutliches Zeichen in Bezug eingeführt hat, indem sie einen Steuerungskatalog auf die Autonomie der Hochschulen gewesen. Die mit immerhin 95 Zielen vorgegeben hatte. Chance, hier etwas zu verbessern, wurde hier (Helge Limburg [GRÜNE]: Das hat Sie jedoch nicht ergriffen. Meine Vermutung: Dazu gibt traumatisiert, nicht wahr?) es auch gar keinen Willen. - Leiden Sie immer noch, Herr Limburg? Inwieweit dieses Gesetz nun wenigstens akzeptab- le Lösungen bezüglich der zahlreichen Detailfra- (Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, ich gen enthält, werden die Ausschussberatungen mache mir Sorgen!) zeigen. Hoffen wir, dass der Landesregierung hier eine ähnliche Bauchlandung wie aktuell bei der Das wichtigste Instrument der Hochschulprofilie- Neufassung des Kita-Gesetzes erspart bleibt. Die- rung und Hochschulentwicklung ist das Berufungs- se wird bekanntermaßen von allen Seiten heftig recht, meine Damen und Herren. Professorinnen kritisiert. und Professoren wirken über Jahre an einer Hoch- schule und prägen deren inhaltliche Ausrichtung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. äußerst nachhaltig. Das Berufungsrecht sollen demnächst auch Hochschulen in staatlicher Trä- (Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten) gerschaft nutzen können.

Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Auch bei der inneren Organisation der Hochschu- Danke. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abge- len verlagern wir Gestaltungsspielraum vom Ge- ordnete Jörg Hillmer das Wort. Bitte schön, Herr setz in die Grundordnungen der Hochschulen. Die Hillmer! Anzahl und der Aufgabenzuschnitt von hauptamtli- chen Vizepräsidenten können zukünftig die demo- Jörg Hillmer (CDU): kratischen Gremien in ihrer Grundordnung selbst festlegen. Das stärkt den Senat und die Demokra- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- tie in der Hochschule. ten Damen und Herren! Die Freiheit von For- schung und Wissenschaft ist für die CDU ein sehr Ich möchte es also noch einmal deutlich sagen: hohes Gut. Wir wollen den Hochschulen in Nieder- Dieses Gesetz gibt zusätzliche Entscheidungs- sachsen sogar noch mehr Freiheiten geben; denn kompetenzen vom Land an die Hochschulen. Die wenn wir eines in der Pandemie gelernt haben, demokratischen Entscheidungsstrukturen in den dann doch dies: Wir können froh sein, dass die Hochschulen bleiben unverändert - genau so, wie Wissenschaft auf ein breites Wissen zurückgreifen es die rot-grüne Mehrheit in der letzten Legislatur- konnte, dessen Grundlagen zum Teil schon Jahr- periode selbst für gut befunden hat. Wie man darin zehnte vor der Krise gelegt wurden. Forscher aus „einen Rückschritt in autoritäre Strukturen“ - das ist vielen Disziplinen konnten ihr Wissen einbringen ein Zitat aus der Pressemitteilung von Frau und mit aktuellen Forschungen auf das Problem Viehoff - sehen kann, bleibt ein Geheimnis der Corona vertiefen. Grünen. Frau Viehoff, begründen Sie bitte gleich Ihren Vorwurf, oder nehmen Sie ihn von dieser Niemand, meine Damen und Herren, hat vor zwei Stelle aus zurück! Jahren wirklich gewusst, welche Kompetenzen 2020 dringend gefragt sein würden. Wir wissen Ein Unterschied, meine Damen und Herren, wird heute auch nicht, welches Wissen im nächsten heute deutlich: Die Grünen haben die Hochschulen Jahr dringend gebraucht wird. Die Wissenschaft ist unter Ministerin Heinen-Kljajić mit 95 zumeist un- sehr wohl in der Lage, den Prozess der Suche und wissenschaftlichen Zielvorgaben an die kurze Ket- der Erkenntnis stärker selbst zu steuern. te des Landes gelegt und damit ihr Misstrauen ausgesprochen. Wir als CDU vertrauen den Hoch- Deshalb stärken wir mit dem vorliegenden Gesetz- schulen und der demokratischen Steuerung der entwurf die Hochschulautonomie und grenzen uns Hochschulen. damit deutlich von der Detailsteuerung der Hoch-

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Die Grünen wollen die Gesellschaft verändern und Es liegt eine Novellierung des Niedersächsischen sehen die Hochschulen dabei als ein Instrument. Hochschulgesetzes für mehr differenzierte Hoch- schulautonomie vor, an der positiv ist - das merke (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ich gerne an -, dass Erfahrungen, die in der Pan- stimmt doch gar nicht!) demiezeit gesammelt wurden, darin ihren Nieder- Wir haben das nicht nötig. Wir halten es sogar für schlag gefunden haben sowie dass eine Regelung gefährlich, wenn die wissenschaftliche Erkenntnis bezüglich des Status als Universitätsklinikum im in den Verdacht gerät, politische Wünsche zu erfül- Blick auf die European Medical School getroffen len. wird. Auch die Regelungen zum Bereich Tenure- Track kritisieren wir keinesfalls, sondern finden (Beifall bei der CDU - Julia Willie diese gut. Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! Wo sind Ihre Belege?) (Beifall bei den GRÜNEN) Umso enttäuschender ist es allerdings, dass trotz Unser Ideal ist der freie Geist, der getrieben ist von der breiten Verbandsbeteiligung zum Kabinetts- reinem Forschungsinteresse und nicht von politi- entwurf sehr wenige der Bedenken der Studieren- schen Wünschen. Wir lehnen es ab, den freien den, der Mitarbeitenden, des Landesrechnungs- Meinungsaustausch an den Hochschulen durch hofs und vieler anderer Beteiligter in dem jetzt Boykott oder Verbannung einzuschränken. Wir vorgelegten Gesetzentwurf wiederzufinden sind. nehmen wissenschaftliche Erkenntnis an, auch wenn sie uns politisch nicht passt. Wir sind neugie- (Beifall bei den GRÜNEN) rig und keine Besserwisser. Meine Damen und Herren, wir müssen konstatie- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Was ren, dass diese Autonomie in Zeiten einer Mängel- sind das für Unterstellungen?) verwaltung eingeführt wird. Obwohl die Grundfi- nanzierung nicht ausreichend ist, soll das Gesetz - Jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt. regeln, dass 40 % der Studienqualitätsmittel für Unser Land braucht starke, unabhängige Hoch- Bau ausgegeben werden können, anstatt damit die schulen, die sich selbst und idealerweise klug auf Studierendenbetreuung zu verbessern. die Herausforderungen der Zukunft ausrichten. (Beifall bei den GRÜNEN) Deshalb lassen Sie uns den Hochschulen mehr Freiheiten geben! Dafür hat die Landesregierung Das kritisiert der Landesrechnungshof, der nun einen guten Entwurf vorgelegt, den wir offen und wirklich nicht im Verdacht steht, irgendwie grün breit im Ausschuss diskutieren wollen. versifft zu sein, meine Damen und Herren.

Vielen Dank. Ich glaube, dafür kriege ich gleich einen Ordnungs- ruf. Den nehme ich aber gerne an. (Beifall bei der CDU) (Zurufe) Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Er kritisiert dies, indem er sagt, dass diese steuer- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hillmer. - Für die finanzierten Mittel in die Grundfinanzierung gehö- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau ren. Abgeordnete Eva Viehoff das Wort. Bitte, Frau Kollegin Viehoff! Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Frau Viehoff, Sie haben das mit dem Ordnungsruf Eva Viehoff (GRÜNE): sehr gut erkannt. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu- (Heiterkeit) nächst einmal, Herr Hillmer, weise ich Ihren Vor- Aber ich würde Sie, auch wenn Sie selbst erken- wurf der Wissenschaftsfeindlichkeit mit deutlichen nen, dass es dafür einen Ordnungsruf gibt, bitten, Worten zurück. diese Begrifflichkeiten nicht ein weiteres Mal an- (Beifall bei den GRÜNEN - Julia Willie zuwenden Hamburg [GRÜNE]: Kein Beleg! Nicht (Eva Viehoff [GRÜNE]: Ja!) ein Beleg! - Helge Limburg [GRÜNE]: Einfach stumpfe Plattitüden!) und jetzt in Ihrem Redebeitrag fortzufahren.

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Eva Viehoff (GRÜNE): All das muss auch vor dem Hintergrund des Koali- Der vorliegende Gesetzentwurf fällt in eine Phase tionsvertrags gesehen werden. Wie kann diese gravierender Einsparungen. Diese Einsparungen Politik mit dem Koalitionsvertrag vereinbar sein, in wurden auf den Demonstrationen am 12. Mai von dem steht: „die demokratische Mitbestimmung der Beteiligten aller Statusgruppen der Hochschulen - Statusgruppen an Hochschulen stärken“? von Professorinnen und Professoren, von wissen- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: In- schaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von dem man es halt nicht macht!) Studierenden und vom technischen Personal - deutlich kritisiert. Das müssen Sie sich selbst einmal fragen. Diese Novellierung, meine Damen und Herren, schafft (Beifall bei den GRÜNEN) das nicht. In Hannover waren 650 Menschen mit Fahrrädern (Beifall bei den GRÜNEN) auf der Straße und haben Ihnen, Herr Thümler, Autonomie in einer Mängelverwaltung führt uns gesagt, dass es so nicht weitergeht. leider nicht zu unserem, wie ich denke, gemeinsa- Natürlich bedeutet Autonomie im Mangel, dass men Ziel einer gut aufgestellten niedersächsischen man Abstriche machen muss. Aber wo denn, wenn Hochschullandschaft, die mit ausreichenden Fi- man eine Professur freihändig vergeben will? Hier nanzmitteln ausgestattet ist, damit sie gutes Per- muss man bei einem Anteil der Personalausgaben sonal und exzellente Wissenschaftlerinnen und am Gesamthaushalt von 80 % beim Personal ein- Wissenschaftler gewinnen kann, die ausreichend sparen. Wo bitte soll das Geld sonst herkommen, mit investiven Mitteln ausgestattet ist, um die Ge- um den nächsten Steve Jobs hier nach Hannover bäude, die zu großen Teilen dem Land gehören, zu berufen? zu sanieren, und die ausreichend breit aufgestellt ist, um ein möglichst breites Angebot auch mit (Beifall bei den GRÜNEN) Blick auf kleine Fächer wie der Skandinavistik in Die Mittel für eine solche Berufung kommen aus Göttingen oder der Afrikanischen Geschichte in der Grundfinanzierung. Deshalb schränkt man Hannover machen zu können. Mitbestimmungsrechte an der Hochschule ein, Von diesem Ziel sind wir weit entfernt, meine Da- wenn man die freihändige Vergabe von Professu- men und Herren. Ich habe erhebliche Zweifel, dass ren regelt. es mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zu errei- Sie sagen, dass all das im Senat und über die chen ist. Grundordnung geregelt werden kann. Aber wir (Beifall bei den GRÜNEN) müssen feststellen, dass die Statusgruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Trotzdem freue ich mich auf eine intensive Bera- ter im Senat wahrscheinlich - ohne jede Grundord- tung im Ausschuss und hoffe, dass der eine oder nung zu kennen - von ein bis zwei Mitgliedern ver- andere Hinweis aus den Anhörungen, auf die wir treten wird, die der Studierenden von zwei Mitglie- uns freuen, möglicherweise in das Gesetz über- dern und die Professorinnen- und Professoren- nommen wird. schaft von sieben Mitgliedern. Wer kann da wen Herzlichen Dank. überstimmen? (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN) Mit der Exzellenzklausel und der Genieklausel ist Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: nicht mehr gegeben, dass solche Stellen transpa- Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. rent und partizipativ vergeben werden. Wir haben Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. überhaupt nichts dagegen, hoch angesehene Wis- Damit schließe ich die erste Beratung. senschaftlerinnen und Wissenschaftler für Nieder- sachsen zu gewinnen - aber doch bitte in einem Wir kommen zur Ausschussüberweisung. transparenten Verfahren! Federführend soll der Ausschuss für Wissenschaft (Beifall bei den GRÜNEN) und Kultur sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer dem so zu- Die Genieklausel und die Exzellenzklausel schlie- stimmen möchte, den bitte ich um ein Handzei- ßen dies aus. chen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - sehe ich

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nicht. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig so Personalausweis wenig geändert. Bisher kommt überwiesen. die elektronische Signatur in Bauverfahren nicht vor. Wir kommen zum Insofern leisten wir in Niedersachsen Pionierarbeit, wenn die elektronische Bauakte künftig zum Re- Tagesordnungspunkt 39: gelfall wird. Dies geschieht nicht von heute auf Erste Beratung: morgen, sondern beinhaltet Übergangsvorschrif- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Nie- ten. Das gewährleistet den reibungslosen Verfah- dersächsischen Bauordnung und des Nieder- rensübergang und stellt das Ziel rascher Abwick- sächsischen Denkmalschutzgesetzes - Gesetz- lung von Bauvorhaben sicher. Für die Bauherren entwurf der Landesregierung - Drs. 18/9393 ändert sich die Kommunikationsform, die Ämter können dagegen ihre Ressourcen erheblich besser einsetzen und so zur Beschleunigung von Bauge- Da keine Wortmeldung vorliegt, bin ich nicht si- nehmigungsverfahren beitragen. cher, ob eine Einbringung seitens der Landesre- gierung vorgesehen ist. - Gut, dann steigen wir in In der Verbandsanhörung hat sich gezeigt, dass die Beratung ein. Ich erteile dem Abgeordneten die beteiligten Verbände ebenfalls mit größerer der Fraktion der SPD Alptekin Kirci das Wort. Bitte Effizienz bei den entsprechenden Verfahren rech- schön! nen. Darüber hinaus ist die elektronische Bauakte ein echter Meilenstein in der Digitalisierung von (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Herr Verwaltungsverfahren und wird beispielgebend für Lies lässt dem Parlament halt immer andere Verfahren sein. Die elektronische Bauakte das erste Wort! - Gegenruf von Alpte- wird einen großen Impuls für weitere Verfahren kin Kirci [SPD]: Das ist doch höflich!) setzen, die nach diesem Beispiel in digitalisierte Der Herr Minister hat sich anders entschieden und Abläufe überführt werden können. Niedersachsen lässt Herrn Kirci den Vortritt. Somit arbeiten wir die wird hier unter den Bundesländern Vorreiter sein. Wortmeldungen nach ihrem Eingang ab. Bitte Verehrte Damen und Herren, der zweite Schwer- schön! punkt dieses Gesetzentwurfs betrifft den Klima- schutz. Alptekin Kirci (SPD): Die inzwischen gesetzlich verankerten Klima- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen schutzziele des Landes erfordern den weiteren und Kollegen! Wir haben vor einigen Monaten Ausbau von Windenergie und Photovoltaik. Der weitreichende Verbesserungen der Niedersächsi- Gesetzentwurf sieht neben der Erleichterung beim schen Bauordnung debattiert und auf den Weg Bau von Windkraftanlagen vor allem den gezielten gebracht. Unser Ziel ist dabei, das Bauen zu ver- Ausbau der Photovoltaik im Gebäudesektor vor. einfachen und zu beschleunigen. Wir haben zahl- Das hat seinen Grund u. a. im enormen Flächen- reiche Vorschriften erleichtert oder unter zeitlicher bedarf, wenn wir die benötigten Kapazitäten er- Befristung ausgesetzt, um zügig zu neuem Wohn- neuerbarer Energien tatsächlich erreichen wollen. raum zu kommen, der dringend nötig ist. Dazu sind bis zum Jahr 2050 sage und schreibe Der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf ist 40 000 ha zusätzlicher Fläche an Photovoltaik ein weiterer wichtiger Baustein, diese Ziele zu nötig. erreichen. Die Einbeziehung von Gebäudedächern bei Neu- (Vizepräsident Bernd Busemann über- bauvorhaben ist daher zwingend notwendig. nimmt den Vorsitz) Ich bin der festen Überzeugung, dass die beab- Ein Schwerpunkt des heute vorliegenden Reform- sichtigte Pflicht, solche PV-Anlagen bei Gewerbe- schritts ist die Beschleunigung und Vereinfachung neubauten zu errichten, auf große Bereitschaft von Baugenehmigungsverfahren. Es gibt den ge- stößt. Die Anlagen erfordern zwar höhere Investiti- flügelten Satz „Papier ist geduldig“. Dieser Satz onen, sind aber auf Dauer wirtschaftlich zu betrei- könnte tatsächlich am Erfordernis der Schriftform ben. Zudem würde das Handwerk von der Errich- für Baugenehmigung entstanden sein. Bisher wer- tungspflicht profitieren. Wohngebäude sollen künf- den in Deutschland elektronische Verwaltungsver- tig so geplant werden, dass PV-Anlagen problem- fahren wenig genutzt. Daran hat der elektronische los nachgerüstet werden können, wenn der Bau-

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herr sie nicht von vornherein vorsieht. Ob eine Legislaturperiode die Dinge bei der Niedersächsi- Solarpflicht für private Neubauten erforderlich sein schen Bauordnung voranzubringen, über die wir in wird, um die Ziele der Energiewende und des Kli- den letzten beiden Jahren intensiv diskutiert ha- maschutzes zu erreichen, müssen wir prüfen. Um ben. die Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfas- sungsgerichts vom 24. März 2021 zu erfüllen, Ich darf das in zwei Segmente unterteilen. Der eine spricht vieles dafür. Teil sind die Dinge, die wir sehr intensiv mit den Beteiligten besprochen und auch in die Verbands- Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende beteiligung gegeben haben und die von dort zu- Gesetzentwurf enthält neben diesen beiden rückgekommen sind. Der andere Teil betrifft die Schwerpunkten vielfältige Änderungen zur Verein- Frage - der Kollege Kirci hat das gerade beschrie- fachung, zur Verbesserung bei der praktischen ben -, wie weit wir hier eigentlich kommen können. Anwendung und zur weiteren Annäherung an die Ich danke den Fraktionen, die in den letzten Mona- Musterbauordnung. Hierzu zählen Vereinfachun- ten intensive Gespräche geführt haben, um zu gen beim Holzbau oder Erleichterungen bei der sehen, wie man die Bauordnung so gut novellieren Änderung und Nutzungsänderung bestehender kann, dass sie dem Anspruch, eine Erleichterung Gebäude. Diese Novelle ist ein weiterer wichtiger und eine Verbesserung herbeiführen, gerecht wird. Baustein, die Situation auf dem Wohnungsmarkt deutlich zu verbessern. Insofern freue ich mich auf den weiteren Prozess. Wir haben aber davon abgesehen, Änderungen, Wir haben uns in Niedersachsen das ehrgeizige die es im laufenden Diskurs noch gab, wieder in Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 40 000 neue So- das Verfahren einzubringen. Ich glaube, dafür ist zialwohnungen entstehen zu lassen, und geben das parlamentarische Verfahren ideal. Das hat sich dafür rund 400 Millionen Euro aus Landesmitteln auch bei den vergangenen Veränderungen so aus, mobilisieren insgesamt 1,7 Milliarden Euro. gezeigt. Wir wollen wieder mit einer Landeswohnungsbau- gesellschaft gezielt den Wohnungsbau unterstüt- Also: Nach intensiven Abstimmungen legen wir zen und selbst steuern. Wir brauchen aber auch Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Än- die traditionellen Investoren im Wohnungsbau, die derung der Bauordnung und des Denkmalschutz- Genossenschaften, die kommunalen und privaten gesetzes vor. Ich habe gerade gesagt, dass es Wohnungsbaugesellschaften, um den Wohnungs- hier noch weitere Diskussionen geben wird. Aber markt zu entspannen. wichtig ist, welche Eckpunkte wir damit auf den Die neue Niedersächsische Bauordnung wird ihren Weg bringen wollen. Beitrag leisten, das Bauen in Niedersachsen einfa- Wir wollen vor allen Dingen vereinfachen, und cher, schneller und ökologischer zu machen. Ich zwar mit dem Blick auf die Digitalisierung. Die Re- freue mich auf die weiteren parlamentarischen gelungen zur Digitalisierung im Bauordnungsrecht Beratungen. Wir als SPD und CDU wollen diesen sind ein echter Meilenstein. Es ist im Grunde das Gesetzentwurf noch besser machen. erste Fachgesetz in Niedersachsen, das konkrete Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Regelungen für das elektronische Antragsverfah- ren enthält, und zwar als Regelverfahren. Natürlich (Beifall bei der SPD und bei der CDU) ist im Ausnahmefall auch noch ein schriftliches Verfahren möglich, weil wir ja wissen, dass noch Vizepräsident Bernd Busemann: nicht jeder so weit ist. Aber ich glaube, dass der Vielen Dank, Herr Kollege Kirci. - Darf ich es als Architekt die Baugenehmigung komplett digital auf Lebenszeichen der Regierung werten, Herr Minis- den Weg bringt, ist der richtige Weg, um Verfahren ter, dass Sie uns jetzt die formelle Einbringung des zu verkürzen. Gesetzentwurfs zuteilwerden lassen wollen? - Bitte! Dabei geht es nicht darum, dass ich einen analo- gen Antrag digitalisiere, er in der Behörde am En- Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen de aber wieder analog bearbeitet wird. Vielmehr und Klimaschutz: muss sich das gesamte Verfahren verändern: Im Zentrum der Bearbeitung steht künftig der digitale Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Antrag, auf den dann alle Fachbehörden zugreifen Ich möchte mich dafür bedanken, dass wir jetzt die und zu dem sie ihren Teil leisten können. Chance haben, quasi in der letzten Phase der

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Das führt angesichts der Dynamik, die wir im Bau- Dass dabei die Sicherheit eine große Rolle spielt, bereich haben, zu einer deutlichen Verbesserung muss uns klar sein, und das wird auch weiterhin so der Situation, und zwar sowohl im Sinne des An- sein. Deswegen begleiten und unterstützen wir tragstellers als auch im Sinne der Baubehörden. auch das, was auf Bundesebene läuft: dass es am Ich bin sehr froh, dass uns das gelingt. Das ist ein Ende nicht zu Regelungen kommt, die in jedem Zeichen dafür, dass Digitalisierung in der Praxis Bundesland unterschiedlich sind, sondern dass es eben auch einen Mehrwert für alle Beteiligten zu einheitlichen Regelungen kommt, die dann bringt. Dass dafür ein relativ hoher Abstimmungs- auch in jedem Bundesland so angewendet werden bedarf notwendig ist, ist uns klar, aber das halte können. ich an der Stelle auch für vernünftig und richtig. Aber zum Klimaschutz gehört noch mehr. Auch Der zweite große Aspekt, der uns umtreibt, ist der das haben wir sehr intensiv diskutiert. Zum Klima- Klimaschutz. Klimaschutz fängt, wie wir hier schon schutz gehört auch, wie es mit dem Ausbau der oft diskutiert haben, bereits bei der Wahl der Bau- Photovoltaik weitergeht. Wir haben uns entschie- stoffe an und nicht erst bei der Frage, welche den, eine Photovoltaikpflicht für Gewerbegebäude Energie ich später z. B. zum Heizen verwende. einzuführen und die Tragwerkskonstruktionen der Dabei spielt aus meiner Sicht gerade der Holzbau Wohngebäude so zu definieren, dass sie in der eine sehr große Rolle. Lage sind, Photovoltaikanlagen aufzunehmen. Wir haben auch hier im Parlament schon intensiv Beim Holzbau haben wir in der Frage der höheren darüber diskutiert, ob das eigentlich ausreichend Gebäudeklassen die Regelungen aus Nordrhein- ist. Diese Debatten haben aber noch vor dem Be- Westfalen übernommen, wobei ich weiß - wenn ich schluss des Bundesverfassungsgerichts und auch die Diskussion aufgreife, die in den letzten Wochen noch vor der Entscheidung der Bundesregierung und Monaten in den Fraktionen geführt worden stattgefunden, die Klimaschutzziele noch einmal sind -, dass der Blick nach Baden-Württemberg erheblich zu verändern. Die Klimaschutzzeile be- noch einmal weitere Chancen eröffnet. Deswegen, sagen jetzt, dass wir 2045 in Deutschland klima- glaube ich, ist es klug, dass wir im weiteren Ver- neutral sein wollen. Um das zu erreichen, müssen fahren sagen, welche Aspekte sinnvollerweise zu wir zuvor die gesamte Energieerzeugung auf Er- übernehmen sind, damit der Holzbau in einem neuerbare umgestellt haben, weil wir natürlich Land wie Niedersachsen trotz aller Debatten, die auch noch natürliche Emissionen aus der Land- im Moment über die Preise geführt werden, eine wirtschaft und aus dem Boden haben. Das heißt, echte Perspektive bietet, ganzheitlichen Klima- wir müssen schon 2040 energieneutral sein. schutz zu betreiben, also unter Klimaschutz nicht nur weniger Energie im Betrieb zu verstehen. Ziel Wir müssen also in 18,5 Jahren in der Lage sein, ist eine ganzheitliche Betrachtung, also vom Bau die gesamte Energieversorgung Deutschlands aus bis zur Verwertung eines Gebäudes eine positive Erneuerbaren zu decken. Sicherlich mit einem Gesamtenergiebilanz zu haben. Dafür scheint mir, Importanteil - aber das wird nicht der größte Teil dafür scheint uns insgesamt der Holzbau ein ganz sein, das kann am Ende nur eine Lücke decken -, wichtiger Aspekt zu sein - und das funktioniert ja sondern vor allem durch die Erzeugung im eigenen auch. Land. Insofern kommt der Photovoltaik auch mit Blick auf die Energieneutralität 2040 eine heraus- Der Weg, den wir jetzt gewählt haben - Stichwort ragende Bedeutung zu. Nordrhein-Westfalen - bedeutet, dass die allge- Ich glaube, angesichts der Entscheidung, die meine Zulässigkeit nicht mehr, wie noch derzeit, jüngst in Berlin getroffen wurden, ist es angemes- von der Existenz technischer Baubestimmungen sen, zu prüfen, inwieweit man die Photovoltaik- abhängt, sondern dass wir eine Verfahrenserleich- pflicht auf Wohngebäude ausweiten kann. In fünf terung vorsehen: Sofern es für die Bauweise keine Jahren wird man sich diese Frage rückblickend technischen Baubestimmungen gibt, braucht die nicht mehr stellen. Wir stellen sie uns jetzt, weil wir untere Bauaufsichtsbehörde künftig keine Abwei- diese Entscheidung treffen müssen. Insoweit ist es chung mehr zuzulassen. Das heißt, wir haben eine gut, dass wir im Parlament und in den Ausschüs- Grundlage geschaffen, um den Holzbau im verein- sen sehr intensiv darüber diskutieren, welche Mög- fachten Verfahren zuzulassen, und zwar eben lichkeiten bestehen, die Energieziele zu erreichen auch für Gebäudeklassen, bei denen das bisher und trotzdem das Wohnen und das Bauen für die nicht der Fall war. Menschen in unserer Gesellschaft bezahlbar zu

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machen. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der wir das Thema „Klimaschutz im Bauen“ betrachten. uns umtreibt und über den wir aufgrund der Ver- Wenn es uns gelingt, den Klimaschutz im Bauen änderungen, die gekommen sind, vielleicht noch ganzheitlich zu betrachten, also von der Bauphase einmal sprechen müssen. über die Betriebsphase, ist das ein guter Weg.

Des Weiteren geht es um die praktischen Anwen- Insofern freue ich mich auf die weitere Beratung dungen, die sich aus der Annäherung an die Mus- und auf die intensive Diskussion. Ich bin mir sicher, terbauordnung ergeben. Auch das haben wir im- dass es uns in dieser Legislatur gelingen wird, eine mer wieder intensiv diskutiert: Inwieweit sind Län- letzte größere Novelle der NBauO auf den Weg zu derbauordnungen notwendig, inwieweit gibt es bringen - die aus meiner Sicht schon eine ganze Musterbauordnungen? Dabei geht es vor allem Reihe Anregungen aus den Fraktionen berücksich- darum, schneller und flexibler zu sein, ohne in tigt bzw. sie im weiteren Verfahren noch aufgreift. jedem Land eine andere Regelung zu haben. (Beifall bei der SPD und bei der CDU) Ferner schaffen wir Möglichkeiten, die zu Erleichte- rungen beim Bauen im Bestand führen. Auch das Vizepräsident Bernd Busemann: haben wir schon sehr intensiv diskutiert. Wie Vielen Dank, Herr Minister. schaffen wir es, in der Stadt Aufstockungen mög- lich zu machen? Wann ist der Fahrstuhl notwen- Meine Damen und Herren, formal war das jetzt die dig? Es geht also um Regelungen, die es ermögli- Einbringung des Gesetzentwurfs. Herr Kollege chen sollen, in einer Zeit, in der Wohnraum not- Kirci, ich hoffe, Sie sind damit einverstanden, wenn wendig ist, diesen mit relativ einfachen Möglichkei- ich Ihren Redebeitrag als ersten Beratungsbeitrag ten auch zu schaffen. Dazu gehört es, Umnutzun- dem jetzt laufenden Beratungsvorgang zuordne. gen zu ermöglichen - vielleicht auch nur tempo- Als Nächste ist Frau Susanne Victoria Schütz von rär -, aber auch, bei weiteren Notsituationen die der FDP-Fraktion dran. Genehmigungsfreiheit zu erweitern. Wir haben beim Corona-Bündelungsgesetz erlebt, dass man Susanne Victoria Schütz (FDP): in der Lage sein muss, in bestimmten Situationen Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und zu reagieren. Ich erinnere an die Notkrankenhäu- Herren! Im Unterschied zum Minister habe ich nur ser, die aufgebaut wurden. Ich glaube, es ist gut, eine Redezeit von drei Minuten. Daher greife ich wenn wir das, was wir aus der Praxis heraus erar- nur zwei wichtige inhaltliche Schwerpunkte aus der beitet haben, jetzt im Gesetz so weit verstetigen, Vorlage zur Novellierung der NBauO heraus. dass es jederzeit, wenn der Bedarf besteht, wieder abrufbar ist. Der eine ist die Digitalisierung. Wir von der FDP haben es ja mit der Digitalisierung und sehen im- Wir vereinfachen noch andere Dinge, ganz banale mer deren Chancen und Möglichkeiten, um zu Dinge, die uns immer wieder beschäftigen. Ich schnelleren Genehmigungsverfahren zu kommen, denke beispielsweise an Friedwälder oder an Ver- was den Abbau von Reibungsverlusten fördert und anstaltungen in der freien Landschaft, die in der zu weniger Verlust von Informationen führt, statt- Vergangenheit als bauliche Anlage angesehen dessen die Verknüpfung vorhandener Informatio- werden - mit all den Aufwendungen, die es dort nen ermöglicht. gibt -, weil Personen mit Pkw dorthin gefahren sind. Das entspricht meines Erachtens aber nicht Der Gesetzentwurf der Landesregierung weitet die der Realität. Insofern ist es gut, dass wir in der Möglichkeiten für ein digitales Bauantragsverfah- Bauordnung die Dinge jetzt so vereinfachen, dass ren deutlich aus, und das begrüßen wir ausdrück- sie handhabbar und für den Einzelnen umsetzbar lich. sind. Das scheint mir ein vernünftiger Weg zu sein. (Beifall bei der FDP) Gleiches gilt für die Standsicherheitsnachweise im Baugenehmigungsverfahren und weitere Themen. Ob es sich in der Praxis, wie jetzt gedacht, be- währt, wird man sehen, aber ich bin da ganz opti- Ich freue mich, dass wir im weiteren Prozess die mistisch. Gelegenheit wahrnehmen werden, die Vorschläge, die noch kommen, einzuarbeiten. Uns hat doch Der andere Schwerpunkt ist der Klimaschutz. Dazu immer geeint, dass wir sicher, flexibel und schnell gehört die gesamte Fragestellung, wie wir in den bauen wollen, ohne dabei das Thema Barrierefrei- nächsten Jahrzehnten wohnen werden, wie wir heit aus dem Auge zu verlieren. Außerdem wollen unsere Häuser heizen oder gar kühlen werden und

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woher die notwendige elektrische Energie kommt. Dann kam der Einwand, dass es durch Flächen- Dazu gibt es in der Vorlage einen Vorschlag. Vor verschnitt und bei komplizierten Dachformen wie allem aber geht es um die Frage, wie wir insge- Walmdach oder Dächern mit vielen Gauben samt am sinnvollsten den CO2-Ausstoß minimie- Schwierigkeiten geben würde, solche Anlagen ren. unterzubringen. Diese Argumentation ist mir in der Stellungnahme aber doch zu einfach vom Tisch Ob man allerdings eine Technologie gesetzlich gewischt worden. vorschreiben muss oder ob nicht Anreize sinnvoller sind, da sind wir unterschiedlicher Meinung. Wobei Durch die Erweiterung der Regelung in § 38 Abs. 2 die Anreize für die Errichtung von PV-Anlagen Satz 2, dass auch im Fall der nachträglichen Er- offenbar ganz gut funktionieren, wenn man sich richtung weiterer Geschosse zum Wohnen auf anguckt, wie viele im letzten Jahr errichtet worden bestehenden Gebäuden kein Aufzug zu den Auf- sind. Muss man die Menschen wirklich zu ihrem enthaltsräumen mit einer Fußbodenoberkante von Glück zwingen? Das verflixte Menschenbild von mehr als 12,25 m errichtet werden muss, sind uns Liberalen setzt ja mehr auf Anreize und eine Menschen mit Behinderungen insoweit betroffen, breite Vielfalt als auf Vorschriften und eine Festle- als sie diese Wohnräume nur schwer oder gar gung, auch z. B. auf eine Energiequelle. Da liegen nicht nutzen können. wir eben auseinander. Zum Schluss noch ein großes Lob. Die Änderun- gen zur Aufzugspflicht bei Aufstockungen, wie in Der Bund plant noch weitergehende Vorgaben. In § 38 beschrieben - es geht um die 12,25 m -, freu- Niedersachsen soll laut dem vorliegenden Entwurf en mich sehr. Das habe ich in meiner Vorlage auf jedem geeigneten Dach eines neu errichteten schon vor fast zwei Jahren gefordert. Daher freut Gewerbebaus eine PV-Anlage installiert werden. es mich, dass das jetzt kommt. Neue Wohngebäude - der Minister hat es erläu- tert - sollen so geplant werden, dass eine Nachrüs- Vielen Dank. tung möglich ist. Dabei geht es einmal natürlich um (Beifall bei der FDP) den Platzbedarf und um die Vorhaltung für die notwendige Elektroinstallation und zum anderen Vizepräsident Bernd Busemann: um die Statik, damit die zusätzlichen Lasten abge- fangen werden können. Das ist eine auf den ersten Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner ist Blick sinnvolle Idee. Bei meinem Flachdach zu- der Kollege Christian Meyer, Bündnis 90/Die Grü- hause geht das allerdings nicht. Das 70er-Jahre- nen. Bitte sehr! Reihenhaus lässt nicht einmal eine Bekiesung zu, geschweige denn eine PV-Anlage. Christian Meyer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Endlich kommt mal Also, günstiger wird Bauen so natürlich nicht. Vor ein Regierungsentwurf zu einer NBauO-Novelle. allem kann man auf Dächern außer Photovoltaik- Im 2019 hatte meine Kollegin Imke Byl gefordert, anlagen eben auch anderes Sinnvolles veranstal- eine Solarpflicht für die Dächer in Niedersachsen ten, als da wären: Oberlichter oder andere Aufbau- einzuführen. Das war auch so ein heißer Sommer ten zur Belichtung, oft die Voraussetzung für die wie dieses Mal. Ich kann mich noch an die Presse- Nutzbarkeit der Innenflächen, Rettungswege - artikel erinnern. Neue Presse vom 22. Juli 2019: auch nicht so ganz unwichtig -, Nutzung der Flä- SPD und CDU lehnen Solarpflicht entschieden ab. chen für Solarthermie oder - das habe ich eben Das ginge alles nicht. Und im Ausschuss mussten schon erwähnt - als Gründach, was klimatisch wir uns anhören, dass dies auch rechtlich nicht auch ganz wünschenswert ist und ebenfalls im machbar wäre. Daher freue ich mich, dass zumin- Sinne des Klimaschutzes wäre. dest bei Gewerbebauten eine Umkehr erreicht worden ist. Dennoch bleibt Niedersachsen Nach- In der Auswertung der Anhörung, die die Landes- zügler. regierung vorgenommen hat, wird dagegengehal- ten, man müsse es ja nur auf 50 % der Fläche tun, Der Minister hat es angesprochen: Baden-Würt- die anderen 50 % könnten für etwas anderes ge- temberg mit CDU und Grünen führt jetzt eine So- nutzt werden. Das ist bei kleinen Flächen natürlich larpflicht auch für Wohngebäude ein. In Schleswig- Augenwischerei. In Wirklichkeit ist damit eine Holstein mit seiner Jamaika-Koalition aus CDU, Technologieoffenheit eben nicht mehr gegeben. FDP und Grünen wurde auch gerade ein neues Klimagesetz gemacht, das eine Solarpflicht bei

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Neubauten beinhaltet - natürlich immer nur dann, Württemberg zu Fahrradabstellanlagen zu über- wenn es machbar, möglich und wirtschaftlich ver- nehmen, wäre, glaube ich, sehr sinnvoll. tretbar ist. Aber andere Länder zeigen eben, dass (Beifall bei den GRÜNEN) man deutlich mehr machen kann, um die Solar- energie voranzutreiben. Da greift der niedersächsi- Beim Holzbau haben Sie immerhin angedeutet, sche Entwurf zu kurz. dass Sie bereit sind, noch weiter zu gehen. Der Waldbesitzerverband und die Bauwirtschaft schla- (Beifall bei den GRÜNEN) gen vor, auch hier eine Regelung aus Baden- Jetzt hat der Minister mal wieder angekündigt - in Württemberg zu übernehmen, die noch holzbau- dieser Woche in der Neuen Osnabrücker Zeitung -, freundlicher ist. In der Vorlage heißt es noch, dass er möchte die Solarpflicht nun auch bei Wohnge- dem nicht entsprochen werden soll. Aber ich finde, bäuden haben. Ich hoffe, dass das nicht so schei- wenn das in Baden-Württemberg seit Jahren geht, tert wie die Landeswohnungsbaugesellschaft, son- dann sollte man auch hier eine Erleichterung dern dass die CDU dieses Mal den Fuß von der schaffen und es dem Bauherren freigeben, wel- Bremse nimmt. Ich hoffe, dass die Solarpflicht chen Baustoff er nutzt. Auf jeden Fall ist Holz bes- auch bei den Wohnungsneubauten kommt, und bin ser, als wenn man Beton verwendet. Es ist ökolo- gespannt, wie die CDU dort argumentiert. gischer, es ist nachhaltiger. Die Clearingstelle von Herrn Althusmann hat we- Das werden wir alles in die ausführliche Debatte gen des Bürokratieabbaus eine umfangreiche Stel- zur Bauordnung einbringen. lungnahme gefertigt. Darin sagt sie, dass sie es (Beifall bei den GRÜNEN) nicht verstehen könnte, warum man landwirtschaft- liche Gebäude von der Solarpflicht ausnimmt. Ich Vizepräsident Bernd Busemann: finde, da ist noch keine Plausibilität vorhanden. Ich weiß, wie viele Landwirte Solaranlagen auf den Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Jetzt steht Dächern haben. Ich denke, das ist eine sinnvolle noch der Redebeitrag der CDU-Fraktion aus. Herr Nutzung, und daher sollten wir auch über diese Abgeordneter Martin Bäumer, bitte sehr! Ausnahmen reden. Martin Bäumer (CDU): (Beifall bei den GRÜNEN) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Und wir haben natürlich noch weitere Punkte. Ges- Herren! Wir diskutieren heute die Novelle der Nie- tern haben wir ja über den Verkehr usw. diskutiert. dersächsischen Bauordnung. Ordnungen sind ja Was in den Stellungnahmen dazu gesagt wird, ist dafür gemacht worden, das Zusammenleben von auch ganz spannend. Die Landesvereinigung Menschen zu regeln. Wo kämen wir denn da hin, Bauwirtschaft und die Unternehmerverbände re- wenn alle Menschen so bauen dürften, wie sie gen gemeinsam an, auf die Parkplatzpflicht zu wollten? Dann wäre es wahrscheinlich schwierig. verzichten, um Wohnungsbau zu erleichtern, weil Insofern freue ich mich, dass wir mit dieser Novelle das natürlich ein Kostentreiber ist. unsere Zusage einhalten, dass wir neben dem Herr Lies, Sie haben ja immer den „Niedersächsi- Zweckentfremdungsverbot, dem Wohnraumschutz- schen Weg“ gelobt. Wir haben in diesem Parla- gesetz, dem Wohnraumfördergesetz und dem ment auch gemeinsam beschlossen, den Flächen- Quartiersgesetz in dieser Wahlperiode auch die verbrauch zu reduzieren. 3 ha 2030, netto 0 ha Novelle der Bauordnung anpacken. Ich denke, das 2050 steht im Gesetz. Wenn die Unternehmerver- zeigt, wie fleißig wir im Umweltausschuss beim bände und die Bauwirtschaft - und ich sage jetzt Thema Bauen sind. auch mal: die Umweltverbände - anregen, dass Die von der Regierung vorgeschlagenen Änderun- man nicht bei jeder Aufstockung eines Gebäudes gen lassen sich ganz grob in vier Überschriften oder bei jeder Schließung einer Baulücke sofort zusammenfassen. einen zusätzlichen Parkplatz bauen muss - der natürlich Fläche verbraucht und das Bauen ver- Der erste Punkt ist die Digitalisierung. Davon war teuert -, dann könnte man doch auch gemeinsam vorhin schon die Rede. Wir bekommen jetzt end- entbürokratisieren und auf diese Vorschrift verzich- lich die Möglichkeit der elektronischen Kommuni- ten und es ihnen überlassen, ob man wirklich kation. Minister Lies hat es vorhin schon erwähnt. überall zusätzliche Versiegelungen für Parkplätze Die Bauordnung wird das erste Fachgesetz in Nie- braucht. Hier Regelungen vom ADFC in Baden- dersachsen mit einer derart konkreten Regelung.

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Darauf können wir stolz sein. Damit vollziehen wir gewissermaßen eine Verfahrensfreiheit machen. das nach, was heute schon in vielen Bereichen Das wäre im Ausschuss zu diskutieren. des Lebens üblich ist, nämlich: weg vom Papier und hin zu Bits und Bytes. Ich bin froh, dass wir im Bereich des Holzbaus zu deutlichen Verbesserungen kommen. In der Ver- Der zweite Punkt ist die Fokussierung auf Klima- gangenheit war es ja so, dass, obwohl Holzbau gut schutz und Nachhaltigkeit. Im Zusammenhang mit für das Klima ist, der Brandschutz dem entgegen- Neubauten gibt es demnächst bei Gewerbebauten stand. Da musste man immer Kompromisse ma- eine Pflicht zur Installation von Photovoltaikanla- chen. Ich glaube, mittlerweile sind wir weiter. Man gen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, kann mit Holz bauen, ohne dass man den Brand- damit kann ich sehr gut leben. Ich wohne ja im schutz vernachlässigt. Insofern, glaube ich, ist es Süden von Osnabrück, und ich fahre relativ häufig gut, wenn wir dort etwas machen. Und wenn wir die Autobahn A 2. Wenn ich mir anschaue, was schon etwas machen - da bin ich mit dem Kollegen dort in den vergangenen Jahren links und rechts Kirci einig -, dann machen wir das vernünftig und an Gewerbehallen entstanden ist, dann gruselt es machen das Gleiche wie in Baden-Württemberg. mich ein wenig, wenn ich mir vorstelle, dass sich Dann vermeiden wir die Fehler aus Nordrhein- darauf keine Photovoltaikanlagen befinden, weil Westfalen. das nämlich eine gute Möglichkeit ist, Dinge zu- sammen zu bringen. Wenn ich schon Flächenver- Außerdem ist es richtig, dass man mit ökologi- brauch dadurch habe, dass ich eine große Gewer- schen Baustoffen baut. Es gibt aus Frankreich behalle baue, dann kann ich doch oben zumindest Beispiele. Da gibt es schon über 5 000 Gebäude, die Sonne einfangen. Das muss doch möglich die mit Stroh gebaut worden sind. Bei uns ist mir sein. Und wenn es nicht gemacht wird, dann muss ein Gebäude in Verden bekannt, vielleicht gibt es man das vielleicht mit einer Pflicht belegen. Wir noch zehn weitere. Auch dort kann man zeigen, halten das für gut, weil das nämlich der Flächen- dass man da weiter ist. Denn ein Gebäude nur mit versiegelung entgegenwirkt. erneuerbaren Energien zu beheizen, verschenkt 50 % des Potenzials bei der Einsparung von CO2. Ich kann mir, lieber Kollege Meyer, auch vorstellen, dass wir das Thema landwirtschaftliche Bauten mit Der dritte Punkt ist die Entbürokratisierung. Das einbeziehen. Ich habe mir sagen lassen, dass es will ich gar nicht groß erwähnen. Demnächst fallen vielleicht nur deswegen nicht mit erwähnt worden Friedwälder und Flächen für Veranstaltungen in ist, weil die Landwirte das in der Vergangenheit der freien Landschaft aus dem Katalog der bauli- sowieso schon gemacht haben. Die brauchten gar chen Anlagen heraus. Ich glaube, es ist gut, dass keine Pflicht, sie haben es gemacht, weil es sich wir das machen, weil das sowieso kaum jeman- nämlich gerechnet hat. dem zu vermitteln war. Und was den vierten Punkt, Bauen im Bestand, Ich kann mir auch vorstellen, dass wir darüber angeht: Herr Minister Lies hat es vorhin erwähnt. nachdenken, wie das bei großen Parkplätzen ist. Wir bekommen es jetzt hin, dass wir auch in Städ- Es gibt ja große Möbelhäuser, die große Parkplät- ten, in denen der Wohnungsmarkt manchmal sehr ze haben. Wenn es zukünftig immer wärmer wer- angespannt ist, aufstocken können, ohne dass den sollte und da Autos stehen, die sich erwär- man gleich wieder darüber nachdenken muss: men, dann könnte man doch dafür sorgen, dass Muss ich jetzt einen Aufzug bauen oder nicht? diese Autos dadurch gekühlt werden, dass oben Macht es das am Ende so teuer, dass ich gar nicht Photovoltaik ist und die Autos darunter parken. mehr aufstocke? - Nein, wir kriegen das voran, Dann habe ich den Kühleffekt für das Auto, und ich meine sehr geehrten Damen und Herren. habe die Ernte des Stroms von der Sonne. Etwas Besseres gibt es doch eigentlich gar nicht. Mit dieser Bauordnungsnovelle tun wir was für das Thema Bauen in Niedersachsen. Und die Land- Auch die Verfahrensfreiheit von Windkraftanlagen tagsfraktionen von CDU und SPD haben sich in in Gewerbe- und Industriegebieten ist, glaube ich, den vergangenen Monaten erlaubt, auch schon eine richtige Sache. Wir sollten auch darüber mal zu diskutieren, was man denn noch machen nachdenken - das haben wir vor zehn Jahren auch kann. Es ist ja Aufgabe parlamentarischer Arbeit, schon mal getan, es war damals nicht erfolgreich -, dass man selber überlegt, was man denn noch ob wir vielleicht auch im Außenbereich Kleinwind- machen kann. kraftanlagen von Verfahren freistellen und dort

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Dort werden wir sicherlich noch eine ganze Menge probe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig Vorschläge machen, was das Thema Brandschutz so beschlossen. angeht, was das Thema eines Prüfingenieurs für Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Brandschutz angeht. Auch den könnte man zu- künftig in Niedersachsen haben. Den gibt es in anderen Bundesländern auch schon. Damit kommt Tagesordnungspunkt 40: man erfolgreich klar. Abschließende Beratung: Nachdenkenswert wäre aus meiner Sicht auch, ob a) Luftfahrtstandort Niedersachsen stärken, man demnächst vielleicht eine qualifizierte Ein- Impulse für innovative und nachhaltige Mobili- gangsbestätigung bei Bauanträgen hat, um damit tät setzen - Antrag der Fraktion der SPD und der dann dafür zu sorgen, dass Bauantragsverfahren Fraktion der CDU - Drs. 18/5866 neu - zukünftig verbindlicher ablaufen. b) Niedersachsen muss jetzt die Chancen für einen Offshore-Weltraumbahnhof prüfen und Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin vorantreiben - Antrag der Fraktion der FDP - mir sicher, dass wir am Ende dieser Novelle sagen Drs. 18/7548 - Beschlussempfehlung des Aus- werden: Das hat das Bauen in Niedersachsen schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- richtig vorangebracht. lisierung - Drs. 18/9169 - dazu: Änderungsantrag Ein Punkt, der mir persönlich wichtig ist, ist das der Fraktion der FDP - Drs. 18/9443 Thema innerörtliche Tierhaltungsanlagen. Wir ha- ben in vielen Orten das Problem, dass man dort ganz gerne Wohnraum schaffen würde, dass dies Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der aber nicht geht, weil es dort jemanden gibt, der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in eine Genehmigung hat, Tiere zu halten - auch geänderter Fassung anzunehmen und den Antrag wenn er diese seit vielen Jahren gar nicht mehr der FDP-Fraktion abzulehnen. hält. Ich glaube, da wäre es sinnvoll, dass man in Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. einer bestimmten Zeit dafür sorgt - wenn bei- spielsweise neun oder zwölf Jahre lang keine Tiere Der zu Tagesordnungspunkt 40 b vorliegende Än- mehr gehalten werden -, dass diese Genehmigung derungsantrag der FDP-Fraktion zielt auf die An- erlischt. Es kann ja nicht so sein, dass solche Din- nahme ihres Antrages in einer geänderten Fas- ge auf Dauer dafür sorgen, dass dort nicht mehr sung. gebaut werden darf. Wir haben das schon einmal mit Betroffenen diskutiert. Von dort kam das Ent- Wir treten in die Beratung ein. Herr Kollege Meyer, gegenkommen, das könne man so machen. ich bitte um etwas Ruhe. Als erste Wortmeldung liegt mir aus der CDU-Fraktion die Wortmeldung Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir des Kollegen Schatta vor. haben viel zu tun. Wir haben viele Ideen. Packen wir es an und bringen wir das Thema Bauen in (Vereinzelt Beifall bei der CDU) Niedersachsen voran. Herr Kollege, bitte sehr! Vielen Dank. Oliver Schatta (CDU): (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- Vizepräsident Bernd Busemann: legen! Sie alle kennen den Spruch „Nur Fliegen ist schöner“. Das ist eine häufig verwendete Rede- Vielen Dank, Herr Bäumer. wendung, wenn man zum Ausdruck bringen möch- Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen te, dass das Erlebte von großer und allergrößter zur Beratung dieses Gesetzentwurfs liegen nicht Freude geprägt ist. Fliegen ist - das kann ich vor- vor. Die Beratung ist damit geschlossen. weg sagen - eine coole Sache. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP) Federführend soll der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz sein, mitberatend Zu den Merkmalen der Luftfahrt. Die Luftfahrt ver- soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungs- bindet Kontinente und große Strecken. Man kann fragen sein. Wenn Sie das so beschließen möch- weite Entfernungen in kurzer Zeit zurücklegen, und ten, darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegen- dazu benötigt ein Flugzeug sogar relativ wenig

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Infrastruktur; zwischen Start- und Landebahn be- Diese Vielfalt führt nicht nur zu einem hohen Maß nötigt es so gut wie keine Infrastruktur. an Diversität in den Berufs- und Ausbildungsfel- dern. Vielmehr stärkt diese Vernetzung der Luft- Noch viel cooler ist, dass Niedersachsen mitten- fahrt in andere vor- und nachgelagerte Branchen drin, wenn nicht sogar ganz vorne mit dabei ist, die gesamte Volkswirtschaft und kann so eine das Fliegen von heute und morgen maßgeblich Vielzahl an hochqualifizierten Arbeitsplätzen si- mitzugestalten und zu verbessern. Hier bei uns in chern bzw. zur Verfügung stellen und einen stetig Niedersachsen ist die Forschung für die Luft- und wachsenden Umsatz generieren. - Zukunft! Raumfahrt quasi zu Hause. Die Luftfahrt und die Forschung gehören zu Niedersachsen. Getragen wird diese Branche vor allem durch ei- nen leistungsstarken Mittelstand, der sich zudem (Zustimmung bei der CDU) durch einen hohen Grad an Spezialisierung aus- zeichnet und sogenannte High-Potential-Jobs ge- Voller Überzeugung möchte ich auf meine Heimat- neriert. stadt Braunschweig hinweisen. Genau dort haben Zur Sicherung dieser starken Branche in der Zu- wir einen ausgewiesenen Forschungsflughafen. kunft brauchen wir auch auf Bundesebene gezielte Wir haben also exzellente Voraussetzungen für die Investitionen in die Zukunft und förderliche Richtli- Forschung in der Luft- und Raumfahrt. Er ist der nien und Rahmenbedingungen, z. B. die Mitfinan- zweitgrößte europäische Forschungsflughafen und zierung an der Flugsicherheit. maßgeblich für viele Unternehmen in der gesam- ten Region und natürlich für ganz Niedersachsen Deutschlandweit sind etwa 800 000 Arbeitsplätze und sogar darüber hinaus wichtig. der Luftfahrt zuzuordnen.

Hier in Niedersachsen ist die Forschung zur Mobili- Nun komme ich zum Flughafen Hannover. Mehr tät der Zukunft zu Hause. Es geht auch um das als 8 000 Personen arbeiten im unmittelbaren Um- CFK Valley, um CFK NORD, um die Technologie- feld des Flughafens. Dieser ist somit ein enorm zentren in Nordenham und Varel und viele andere, wichtiger Arbeitgeber in der gesamten Region, für die wieder oder weiter unterstützt werden können, ganz Niedersachsen und darüber hinaus. Wir alle damit die in Niedersachsen ansässigen Unterneh- profitieren davon. men und Forschungseinrichtungen für die Zukunft Ich möchte auch sehr gerne auf Niedersachsen weiterhin wettbewerbsfähig aufgestellt bleiben. Aviation eingehen. Niedersachsen Aviation ist eine Das möchte ich bei aller Sympathie für Braun- Initiative des Landes zur Unterstützung der Luft- schweig natürlich nicht unerwähnt lassen. und Raumfahrtindustrie Niedersachsens. Überge- ordnetes Ziel sind der Erhalt und die Förderung der (Zustimmung bei der CDU und bei der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Luftfahrtbran- FDP) che. Gleichzeitig ist sie wichtiger Ansprechpartner Über 50 Forschungseinrichtungen sind in Nieder- für Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit. sachsen an dieser Spitzenforschung beteiligt. Niedersachsen Aviation bietet Unternehmen an Rund 260 Unternehmen sind an 350 Standorten verschiedenen Stellen ihre Kompetenzen an, z. B. tätig. 194 Milliarden Euro Umsatz sprechen ganz bei der Finanzierungsberatung, der Projektentwick- klar für sich. Niedersachsen in Verbindung mit lung oder dem Zugang zum Markt. Die Förderung Bremen ist der zweitgrößte Standort in Deutsch- von Netzwerken und die Weiterentwicklung der land und nimmt die führende Rolle in der Luft- und Wertschöpfungsketten über die bisher erschlosse- Raumfahrtforschung ein. nen Märkte hinaus stehen im Mittelpunkt der Auf- gabenfelder. Sehr wichtig ist auch die Einrichtung Luft- und Raumfahrt ist zugleich ein enormer Tech- von Testfeldern für Drohnen für die Erprobung in nologietreiber. Spitzentechnologien in der Luftfahrt den zentralen Wirtschafts- und Industriezweigen finden regelmäßig auch in anderen Branchen Ver- Niedersachsens und im realen Betrieb. Testfelder wendung und bringen diese weiter voran. Sie ist sind wichtig für die Sicherheit, und die Sicherheit quasi die Formel 1 im Vergleich zum Automobil für steht im Zentrum der Fliegerei. den Normalfahrer, eben nur für wesentlich vielfälti- gere Einsatzbereiche unseres täglichen Lebens. Zur Zukunft der Luftfahrt ist es mir wichtig zu er- Materialforschung sei an erster Stelle stellvertre- wähnen, dass mittlerweile quasi hier bei uns vor tend genannt. der Haustür auch an elektrischen Luftfahrzeug- triebwerken geforscht wird. Wichtig ist, dass wir

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dabei Vorreiter bleiben und nicht den Anschluss Klaus Wichmann (fraktionslos): verlieren. Das wäre ein sehr schwerer Fehler. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch Jede neue Flugzeuggeneration ist rund 25 % ef- ich fand das eben eine ziemlich coole Sache. Das fektiver und nachhaltiger als die vorherige. Jede Problem ist nur, Herr Schatta: Nr. 10 Ihres Antrags Generation wird leichter und/oder sparsamer. Da betrifft nicht das, was Sie erzählt haben, sondern müssen wir einfach mitmachen. die Messeförderung. Das passt nicht so ganz zu- sammen. Wir müssen also weiter nach vorne blicken und die Forschung unterstützen. Der schon angesproche- Meine Damen und Herren, Spitzentechnologien ne Techniktransfer ist enorm. Autonomes Fliegen und Deutschland, die verhalten sich wie Magneten. wird zum Alltag gehören. Wir müssen die Zukunft Auf der einen Seite ist Deutschland, sind die Deut- annehmen und gestalten. Ein Teil der Mobilität der schen wie geschaffen dafür, Spitzentechnologien Zukunft wird sicher in der Luft liegen oder zumin- hervorzubringen, auf der anderen Seite sind wir dest wird durch den Technologietransfer unser komplette Technologieversager. Das Faxgerät, in tägliches Leben sicherer und bequemer werden. Deutschland erfunden - Japan hat damit den gro- ßen Reibach gemacht. Transrapid, in Deutschland Jetzt möchte ich noch auf den Änderungsantrag erfunden und gebaut - die Technologie abgegeben der FDP eingehen. So ein Weltraumbahnhof ist an China, und da fährt er nun. Siemens Nixdorf, natürlich eine richtig coole Sache! ein Traum von einer Firmengeschichte! Manche von Ihnen sind vielleicht sogar zu jung, um zu wis- (Beifall bei der FDP und Zustimmung sen, dass Computer einmal in Deutschland gebaut bei der CDU) wurden. Unglaublich, oder? Es gibt auch schon im Cuxland - in Nordholz, um Technologieversager: Die aktuelle deutsche Vari- genauer zu sein - die Bestrebung, so etwas zu tun. ante erkennen Sie daran, mit welchem Gesell- Das kann natürlich ein sehr potentes Signal für die schaftsbild die Grünen jedenfalls in Westdeutsch- Innovationsoffenheit Niedersachsens sein. Das ist land ihre Umfrageerfolge - mehr sind es ja bis jetzt auch Zukunftsmarketing; wir hatten darüber ge- nicht - einfahren. Ein Gesellschaftsbild, in dem sprochen. Allein die Diskussion trägt schon dazu Spitzentechnologien keine große Rolle spielen. bei, die Entwicklung positiv zu begleiten. Da, wo andere Parteien sehr genau wissen, dass In unserem Antrag haben wir genau deshalb diese ohne Innovationen von Weltrang unser Land auf Thematik unter Nr. 10 eingefügt. Aber wenn die Dauer kaputtgeht, da propagieren die Grünen FDP der Auffassung ist, dass das nicht reicht, und Spitzentechnologie nur insofern als Lösung, wo sie nun flugs einen Änderungsantrag - der schon in selbst unter größter Anstrengung aus ihrer ideolo- ähnlicher Art schon einmal vorlag - dazu einbringt, gische Monothematik keine verkaufbare Lösung für dann können wir dabei nicht mitmachen. Wenn ein Problem herauspressen können. Auf Deutsch: das, was wir hier beschließen wollen, nicht aus- Manchmal gibt man widerwillig zu, dass in einigen reicht, wäre meine Empfehlung, dazu einen origi- wenigen politisch korrekten und dreifach vom Ho- nären Antrag einzubringen, um dieses sicherlich hen Rat der Moralapostel genehmigten Bereichen diskussionswürdige Zukunftsthema als originären ein wenig Technologie zugelassen wird. Antrag zu beraten, vor allem im Kontext zu den Die Grünen als anerkannt technikkritische - man- gerade angesprochenen Überlegungen, die für das che sagen auch: technikfeindliche - Partei wollen Cuxland angestellt werden. den nächsten Kanzler stellen. Und anstatt diesen Vielen Dank. Widerspruch nun mit der Technologie zu reflektie- ren und die daraus für unser Land folgende Prob- (Beifall bei der CDU) lematik zu erkennen, ist der einzige Beitrag aus den Reihen Grünen dazu vermutlich: Nein, Herr Vizepräsident Bernd Busemann: Wichmann, wir wollen die Kanzlerin stellen.

Danke schön, Herr Kollege. - Nächster Redner ist Nun stehen wir in Niedersachsen vor der Ent- der fraktionslose Kollege Herr Wichmann. Bitte scheidung, wie wir mit dem jungen Wirtschafts- sehr! und Technologiezweig Microlauncher umgehen, also kleinen Raketen, die begrenzte Nutzlast ins All transportieren können und die man auch von

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Niedersachsen aus starten könnte, z. B., wie bean- Microsoft und Co. und staunen, und staunen: Wie tragt, von einer Plattform in der Nordsee. machen das diese Amis bloß? Wir begreifen gar nicht, dass diese Chancen bei uns auch auf der Aber halt! Raketen? Das scheint nicht in die von Straße liegen und wir nur einfach nicht zugreifen - grüner Doppelmoral bestimmte politische Land- schaft zu passen. Machen diese Raketen nicht Vizepräsident Bernd Busemann: Dreck? Machen die nicht Lärm? Die sind bestimmt nicht gut für den Klimawandel. Diese Raketen Herr Wichmann, lassen Sie eine Frage des Abge- könnten bei ihrem Aufstieg ins All Vögel oder In- ordneten Schatta zu? sekten treffen. Das ist doch unverantwortlich! - So, stelle ich mir vor, wird eine Zukunftstechnologie Klaus Wichmann (fraktionslos): schlechtgemacht, wenn sie geframt werden soll, - am Ende gerne -, weil wir langsam geworden weil sie nicht in die ideologische Engstirnigkeit sind, weil wir bürokratisch geworden sind, weil wir hineinpasst. Wollen Sie ein Beispiel hören? - Wind- technologiefeindlich und besserwisserisch gewor- räder z. B. töten Abertausende von Vögeln und den sind. Millionen von Insekten! In summa: Wir stehen hier bloß rum und diskutie- (Helge Limburg [GRÜNE] lacht) ren in extra dafür geschaffenen Gremien darüber, Aber das interessiert niemanden, und Herr Lim- ob unser geistiges In-der-Nase-Bohren à la Gen- burg lacht sogar noch drüber. der-Gaga unverzichtbar oder sogar superunver- zichtbar ist, während an anderen Orten auf der (Wiard Siebels [SPD]: Glasscheiben Welt gerade das neue Apple gegründet wird. auch! Wollen Sie die auch verbieten? Fensterscheiben! - Weitere Zurufe) Meine Damen und Herren, Deutschland war ein- mal die Weltspitze, insbesondere in Pharmazie, Zusammengefasst: Ich rechne mit größtem Wider- Maschinenbau, Elektroindustrie, optischer Indust- stand vonseiten der Grünen und von Herrn Siebels rie. Wer in der Forschung etwas werden wollte, der sowie seiner gesamten SPD gegen diese Techno- studierte in Deutschland. Für einige Jahrzehnte logie und leider - leider! - auch von der CDU, da war Deutsch die Wissenschaftssprache. Das ist so ich Ihnen bisher zugehört habe. lange her, dass sich hier im Haus garantiert keiner Dabei sagen alle Fachleute den Microlaunchern mehr daran erinnern kann, es nicht mal hätte erle- eine glänzende Zukunft voraus. Auch die Investo- ben können. ren - die privaten, wohlgemerkt - sind längst einge- Jetzt haben wir hier die Chance, ein Stück Zukunft stiegen. Die Firma Isar Aerospace aus München nach Niedersachsen zu holen. Wir haben solche hat nicht nur einen Wettbewerb der ESA und damit Chancen nicht oft. Greifen wir zu! 11 Millionen Euro zur Finanzierung von zwei Rake- tenstarts gewonnen, sondern sie hat bereits im Vielen Dank. Dezember 2020 Investorengelder in Höhe von (Beifall bei fraktionslosen Abgeordne- 75 Millionen Euro eingesammelt. Hier soll mit klei- ten - Wiard Siebels [SPD]: Sie können nen Raketen Nutzlast kommerziell in den Welt- ja schon mal in den Weltraum losflie- raum gebracht werden. Erwartet wird übrigens gen!) zukünftig ein Bedarf von Tausenden solcher Mini- satelliten. Vizepräsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren, die ESA hat bereits seit Danke schön. Jetzt noch einmal die Frage von Jahren Wettbewerbe, Machbarkeitsstudien und Herrn Kollegen Schatta. Soll es eine Kurzinterven- Konferenzen dazu veranstaltet. Wir reden also tion werden? Die Zwischenfrage ist geparkt. Wenn nicht über ein paar Spinner, die ein paar Silvester- er sie zulässt, dann los. raketen zusammengebunden haben, sondern über innovative Start-ups, über klügste Köpfe, über die Klaus Wichmann (fraktionslos): Zukunft. Wir könnten als Land dabei sei und könn- ten davon profitieren. Ja, gerne.

Stattdessen wollen SPD, CDU und Grüne diesen Vizepräsident Bernd Busemann: Antrag der FDP ablehnen, und das verstehe ich Bitte! nicht. Wir schauen immer nur auf SpaceX, Tesla,

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Oliver Schatta (CDU): Dennoch können wir uns heute beim Antrag von Hallo! Ich habe eine kurze Frage: In dem Antrag, SPD und CDU nur enthalten und den Antrag der über den wir beschließen, haben wir extra eine FDP ablehnen; denn beide träumen von einem Nr. 10 eingefügt. Das haben wir im Ausschuss großen Weltraumbahnhof inmitten von drei großen abgestimmt. sensiblen Naturschutzgebieten in der Nordsee. Bisher handelt es sich nur um eine Werbetour des Darin steht: Bundesverbandes der deutschen Industrie, ohne „… die Überlegungen der Bundesregierung jedoch vertiefende Studien zu den Auswirkungen zu einer seegestützten Startmöglichkeit für auf den Tisch zu legen. Viele Probleme werden an einen Satellitentransport in die Erdumlauf- der Stelle ausgeblendet: Die Luftverkehrssperrung, bahn im Rahmen der Zuständigkeit des die Vereinbarungen mit der Schifffahrt, die Konkur- Landes zu begleiten; die Chancen für einen renznutzung durch die Fischerei und die Offshore- Offshore-Weltraumbahnhof sollten geprüft Windparks, aber vor allem der Umwelt- und Natur- und möglichst weiter vorangetrieben wer- schutz sind bisher nicht eingepreist. den, …“ Ich möchte aber eines sehr deutlich klarstellen: Wie ist denn die Reaktion darauf? Jegliche Forschung im Bereich des Klima- und Umweltschutzes wird von uns Grünen vollends Vielen Dank. unterstützt.

Klaus Wichmann (fraktionslos): (Beifall bei den GRÜNEN) Die Reaktion darauf ist, dass ich das unglaublich Somit sind natürlich Forschungsprojekte zum Start begrüße, dass ich alle Ausführungen und Anschul- und Betrieb von Erdbeobachtungssatelliten einer digungen an die CDU hiermit zurücknehme und der Grundpfeiler des grünen Verständnisses von dass offensichtlich die TO, die ich aufgemacht Maßnahmen zum Klimaschutz. Wenn aber der Bau haben, und damit auch Ihr Antrag ein bisschen und Betrieb eines Startplatzes für Raketen in der veraltet waren. Ich finde das ganz toll. Machen Sie Nordsee erwogen wird, dann müssen erst mal weiter so! rechtliche, aber vor allem auch die ökologischen Rahmenbedingungen geklärt werden. (Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten) Wenn wir die europäische Zusammenarbeit ernst Vizepräsident Bernd Busemann: nehmen, dann sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass es bereits existierende Startplätze sowohl in Danke schön. - Nächster Redner ist Herr Schulz- Kiruna in Schweden als auch in Andøya in Norwe- Hendel. Bitte sehr, Herr Kollege! gen gibt. Deutsche Innovationstreiber wie die Ro- cket Factory in Augsburg, aber auch andere Start- Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): up-Unternehmen aus dem süddeutschen Raum Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ziehen beide Plattformen bereits für ihre Starts in zugegebenermaßen noch ein bisschen traumati- Betracht. siert von dem vorherigen Redebeitrag. (Beifall bei den GRÜNEN) (Heiterkeit) In Schottland soll es ja auch ähnliche Pläne geben. Die aktuellen Herausforderungen in der Luft- und Ich sage aber ganz deutlich: Aufgrund von rein Raumfahrt können ja durchaus eine Chance sein, ökonomisch getriebenen Motiven lehnen wir Grü- um eine Vorreiterrolle auf den Gebieten Technolo- nen aus ökologischer Sicht die Förderung und den gie und Forschung einzunehmen. Das gilt natürlich Bau eines nationalen Raketenstartplatzes ab und insbesondere dann, wenn es darum geht, ökologi- sprechen uns für den Ausbau und die Förderung sche Maßstäbe zu setzen. Deshalb wollen wir bestehender europäischer Infrastruktur aus. auch die Technologiezentren und die Fertigungs- standorte der Premium Aerotec in Nordenham und (Beifall bei den GRÜNEN) Varel stärken und unterstützen. Meine Damen und Herren, eines ist doch klar: (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Raumfahrt und globale Forschung, wirklich wichti- FDP) ge Themen, vertragen eben keine Kleinstaaterei. Das Land Niedersachsen muss sich hier sehr deut-

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lich und sehr klar für eine europäische Lösung dazu gehört hat, dabei, oder man ist es nicht. Ich positionieren. plädiere dafür, dass Niedersachsen diese Chan- cen wahrnimmt. Herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Schatta, ich liebe das Cuxland (Beifall bei den GRÜNEN - Miriam ja auch. Aber seegestützte Systeme im Cuxland - Staudte [GRÜNE]: So etwas macht das wäre ein Binnensee, das wird nicht funktionie- man als Konföderation!) ren. Von daher glaube ich, man sollte sich auf die anderen Sachen im Cuxland konzentrieren. Eine Vizepräsident Bernd Busemann: gewisse Nähe zu Bremen und Bremerhaven ist ja Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner ist auch da. Das würde tatsächlich Sinn machen. Kollege Jörg Bode von der FDP-Fraktion. Bitte! Meine sehr geehrten Damen und Herren, von den Jörg Bode (FDP): Grünen kommt auch der Vorwurf, es würden even- tuell ein oder zwei europäische Standorte reichen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, für die Systeme, die wir brauchen - für die Lieber Kollege Schatta, in der Tat ist Nr. 10 Ihres GPS-Systeme, für die Klimaforschungssysteme geänderten Antrags eine echt coole Sache. Da etc. -, wird jedes Jahr eine Vielzahl an Starts not- geht es nämlich um das, was auch in unserem wendig werden, die die vorhandenen Startsyste- Antrag dargestellt ist, allerdings viel umfassender me - Norwegen, Schottland, Mittelmeer - von der und deutlicher, nämlich um die Zukunftschancen Auslastung her einfach nicht schaffen können. durch einen Weltraumbahnhof, also durch das Deshalb ist der Bedarf tatsächlich gegeben. Es ist Ermöglichen einer Startplattform für sogenannte an der Zeit, hier tätig zu werden. Microlauncher, damit diese Technologie auch hier in Niedersachsen beheimatet und unterstützt wird Wir freuen uns, dass die Große Koalition unsere und auch wirtschaftliche Impulse auslösen kann. Gedanken hierzu zumindest teilweise aufgenom- men hat. Wir werden natürlich - das Angebot von Wir freuen uns, dass Sie das aufgenommen ha- Herrn Schatta nehme ich gerne an - zu gegebener ben. Wir begrüßen das sehr, hätten es uns nur Zeit weitere Aktualisierungen zum jeweiligen Pro- deutlicher gewünscht. Deshalb haben wir es mit jektstatus hier einbringen, damit wir als Land hier unserem Änderungsantrag auch noch einmal ak- auch weitergehen. Dann freue ich mich natürlich tualisiert. auf Ihre Zustimmung, die Sie in der Debatte hier Denn: Die Zeit ist in der Tat schon deutlich weiter quasi versprochen haben. fortgeschritten. Ich muss dem Kollegen Schulz- (Beifall bei der FDP) Hendel sagen: Wir schreiben das Jahr 2021. Wir sind noch nicht so weit wie bei „Raumschiff Enter- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wer- prise“, aber die Studie, die Sie angemahnt haben, den der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist bereits in der Mache und wird bis Ende dieses zu dem GroKo-Antrag zustimmen. Wir begrüßen Jahres vorgelegt werden. Nächstes Jahr ist der sehr, dass dieser zuerst etwas dünne Antrag in- Kick-off mit dem Umbau von Schiffen für entspre- haltlich wirklich rund gemacht wurde. Ich bin sehr chende Startsituationen außerhalb der Natur- zufrieden mit dem, was Sie darin angesprochen schutzgebiete geplant, sprich außerhalb dieser haben: Niedersachsen Aviation, die Chancen des umweltheiklen und sensiblen Situationen. 3D-Drucks. Wenn hier die Basis dafür ist, geht es doch jetzt Wir begrüßen, dass Sie das, was unter der Über- darum, dass man diese Startsysteme hinbringt, um schrift „CFK Valley“ läuft, fortsetzen wollen. Das weitere Forschungs-, Entwicklungs- und Technolo- macht uns ein bisschen stolz und auch zufrieden. gieunternehmen nicht nur in Bremerhaven anzu- Wenn Dinge, die wir einmal angestoßen haben, siedeln, wo es wahrscheinlich stattfinden wird, über mehrere Legislaturperioden mit mehreren sondern solche Chancen auch im Umland hier in unterschiedlichen Regierungskonstellationen fort- Niedersachsen zu ergreifen, wie wir sie in anderen gesetzt werden, dann können wir sie damals nicht Technologiefeldern schon genutzt haben. Im An- ganz falsch gemacht haben. Vielmehr waren sie trag der Großen Koalition stehen CFK Valley etc. richtig und dienten dem Wohle des Landes. Ich freue mich, dass auch diese Regierungskoalition Dann werden wir sehen, dass 2023 tatsächlich das noch so sieht. Wir freuen uns, dass diese Din- Starts in der Nordsee stattfinden. Dann ist man ge tatsächlich fortgeführt werden. entweder mit dem gesamten anderen Bereich, der

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Wir freuen uns auch, dass das um Drohnen, also Unternehmen mit knapp 30 000 Arbeitsplätzen und unbemannte Flugkörper, erweitert werden soll. Da immenser Bedeutung für den Wirtschafsstandort sollten wir aber nicht nur in der Frage der techno- Niedersachsen. logischen und wirtschaftlichen Innovation einen Schritt weitergehen, Herr Minister Althusmann, In Nordholz spricht man sogar von einer einmali- sondern auch in den ethischen Fragen. gen Chance, wie mir der Kollege Oliver Lottke verraten hat. Kein Wunder! Denn viele wissen, Im militärischen Bereich werden Drohnen mit dass die Forschung in Luft- und Raumfahrt immer künstlicher Intelligenz entwickelt. Es werden sozu- wieder auch Verbesserungen für andere Bereiche sagen Kampfroboter entwickelt. Bei dieser Ent- hervorgebracht hat. wicklung müssen wir sehr aufpassen. Darüber müssen wir debattieren. Denn so darf es nicht Die Digitalisierung, die Automatisierung, die For- weitergehen. Dass am Ende sozusagen ein Termi- schung zum Einsatz moderner Werkstoffe wie CFK nator entwickelt wird, darf in Niedersachsen nicht oder Titan und natürlich auch die Forschung zur unterstützt werden. Aerodynamik und zur Effizienz seitens des Deut- schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Braun- Den zivilen Ansatz finde ich hervorragend. Aber wir schweig liefern wichtige Impulse zur Kostensen- sollten aufpassen, dass die Wissenschaft hier nicht kung und zur Verbesserung der Ökobilanz der weltweit abgleitet. zivilen Luftfahrt. Wir alle wissen: Kostensenkung Wir werden dem Antrag zustimmen. und Verbesserung der Ökobilanz, das sind Zu- kunftsfaktoren gerade auch für diese Branche. Herzlichen Dank. Und die Zukunft wird jeden Tag bewiesen. Die (Beifall bei der FDP und Zustimmung bohren da nicht in der Nase herum. Vielmehr wird bei der CDU - Dragos Pancescu da jeden Tag Zukunft gemacht, mit der Arbeit von [GRÜNE]: Aber du weißt, dass der 52 Instituten, an neun Universitäten, in fünf Groß- Terminator auch Ökoaktivist ist, forschungseinrichtungen. oder?) Luftfahrt ist eben mehr als der Flieger nach Malle. Vizepräsident Bernd Busemann: Luft- und Raumfahrt, das ist Hochtechnologie und Hochlohngebiet und damit, so finde ich, genau Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Jetzt fehlt noch richtig und willkommen in diesem Bundesland. die SPD. Herr Kollege Jörn Domeier, ich erteile Ihnen das Wort. Ich gebe zu: Als der reißerische Begriff des Welt- raumbahnhofs Thema war, da kam als Reaktion Jörn Domeier (SPD): manchmal auch die Scheibenwischer-Geste. Kein Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Wunder! Die Bilder von Cape Canaveral kennen sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es tat weh, alle. Genau das ist mit einem Weltraumbahnhof als der Vertreter der schlumpfblauen Partei hier aber eben nicht gemeint. In der Zukunft werden - gerade darüber sprach, was alles nicht funktioniert. wir haben es gehört - immer mehr Mikrosatelliten Wir sind führend in der Recyclingtechnik, wir sind benötigt, und es wird auch immer mehr geben. führend im Maschinenbau, wir sind führend in der Für uns steht bei allen wirtschaftlichen Vorteilen Automobilindustrie und in einem Dutzend weiterer immer der Mensch der Mittelpunkt. Daher ist klar, Bereiche, die der Wirtschaftsminister nennen könn- dass jegliche Starts - auch von Klein- und Nanosa- te. Wie sehr muss man das eigene Land hassen, telliten - nur über unbewohntem Gebiet, also über um uns so schlechtzureden? Das war ein glatte einem weitläufigen Wasserareal - nicht nur einen Sechs. Bitte setzen! See - stattfinden dürfen. Weil der Mensch im Mit- (Beifall bei der SPD) telpunkt steht, werden wir dieses Thema weiter begleiten. Mit diesem Antrag wollen wir eine der innovativs- ten Branchen in unserem Land, die Luft- und Zur Luft- und Raumfahrt gehört auch der Transport Raumfahrt, stärken. Luft- und Raumfahrt, das ist von Menschen und Gütern. Besonders wertvoll ist eben nicht nur die NASA in Florida. Das ist nämlich dafür aufgrund der Nachtflugmöglichkeit der Stand- auch in Langenhagen, in Stade, Varel, Norden- ort Langenhagen. Wichtig ist also, dass wir die ham, Nordholz und natürlich auch in und für Menschen in der Umgebung von Langenhagen Braunschweig. Es sind 260 meist mittelständische mitnehmen, sie anhören und gemeinsame Lö-

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sungswege suchen, damit die Luft- und Raumfahrt Deutschland im Jahr 2019 ihren Arbeitsplatz in der wirklich für alle Menschen von Vorteil ist. Luftfahrtindustrie.

Vielen Dank. Es gibt aber neben dieser großartigen Entwicklung (Lebhafter Beifall bei der SPD) bis zum Jahr 2019 auch die Schattenseite. Im Übrigen war der Airbus A320 das Flugzeug, das Vizepräsident Bernd Busemann: weltweit am meisten bestellt und verkauft wurde. Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt folgt noch der Der Airbus war der Erfolgsschlager schlechthin. Redebeitrag der Landesregierung. Herr Dr. Alt- husmann, bitte sehr! Und dann kam das Corona-Jahr: minus 74 % im Umsatz und im Verkauf von Flugzeugen. Auf zahl- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, reichen Flughäfen weltweit standen Flugzeuge Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: noch ungenutzt herum, oder sie waren noch in der Produktion. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte zunächst einmal In dieser Situation kam neben dieser Corona- die Bedeutung der Luftfahrt für unser Bundesland Situation ein Zweites hinzu. Ich will es einfach betonen und nicht nur darauf hinweisen, dass die erwähnen, weil es zur ganzen Wahrheit des Wett- Luftfahrt natürlich eine Art Lebensader für die nati- bewerbs in der Luftfahrtindustrie gehört. Ich weiß onalen und internationalen Handelsströme ist, nicht, ob Ihnen diese Firma schon über den Weg sondern auch darauf, dass wir als Niedersachsen gelaufen ist, ob sie Ihnen geläufig ist - mir war das ein ganz besonderes Interesse daran haben müs- bis vor Kurzem noch gar nicht so klar -: Es gibt ein sen, ein starker Luftfahrtstandort zu bleiben. Denn chinesisches Unternehmen, das sich COMAC Niedersachsen ist immerhin der drittgrößte Luft- nennt. Das ist der Wettbewerber von Boeing und fahrstandort in Deutschland, nach Bayern und Airbus. Dieser chinesische Wettbewerber hat ein Hamburg. Zusammen mit Bremen und mit Ham- Ziel: Er strebt 20 % Anteil am Weltmarkt der Luft- burg sind wir weltweit das drittgrößte zivile Luft- fahrtindustrie in den nächsten Jahren an. fahrtcluster, nach Seattle und Toulouse, mit im- merhin rund 30 000 Arbeitsplätzen in der zivilen 20 % Weltmarktanteil! Das heißt, wir kommen in Luftfahrtindustrie. eine doppelt schwierige Situation: auf der einen Seite Corona - Transformation, Strukturwandel der Ich möchte einmal mehr unterstreichen, dass diese Luftfahrtindustrie - und gleichzeitig ein neuer Wett- Landesregierung gemeinsam mit den anderen bewerber, der massiv und aggressiv neue Markt- Bundesländern alles dafür tun wird, dass die Luft- anteile erwirbt. Alles das hat dazu geführt, dass ein fahrt in Niedersachsen erfolgreich aufgestellt bleibt Unternehmen wie Airbus jetzt natürlich intensiv mit und wir den Menschen in Niedersachsen weiterhin den Betriebsräten über die Frage von Optimierung sichere Arbeitsplätze im Bereich der Luftfahrt an- von Prozessen spricht - sowohl mit dem internatio- bieten können. nalen Konzernbetriebsrat als auch mit denen an (Zustimmung bei der CDU) den jeweiligen Standorten von Premium Aerotec in Nordenham und Varel. Meine Damen und Herren, wir fragen uns im Mo- ment immer: Ist ausschließlich Corona die Ursache Ich will deutlich sagen, dass die jetzt angekündigte für das, was wir im Moment erleben? - Ja und nein. und geplante Umstrukturierung der Prozesse eben nicht nur dem Personalabbau dienen soll. Vielmehr Warum ja? - In den letzten zehn Jahren ging die dient sie gleichzeitig auch einer Optimierung, die Entwicklung der Luftfahrtindustrie kontinuierlich natürlich angesichts eines solchen Wettbewerbs- nach oben. Sie alle haben zum Teil davon profi- umfeldes notwendig erscheint. tiert. - Die Grünen haben immer darauf hingewie- sen: Die Preise fürs Fliegen sind in Deutschland, Von daher habe ich in den letzten Wochen und aber auch international viel zu günstig. - Dem Monaten im Hintergrund intensive Gespräche mit Grunde nach sorgte der internationale Wettbewerb der Geschäftsleitung und den Betriebsräten von über Angebot und Nachfrage dafür, dass eine in- Airbus und Premium Aerotec geführt. Ich kann dustrielle Luftfahrt entstand, die weltweit massiv heute schon sagen, dass die Betriebsräte sowohl Absatz fand. Das hat zu einem Allzeithoch von bei Airbus als auch bei Premium Aerotec zum Teil etwa 41 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2019 ge- geräuschlos, zum Teil auch mit der entsprechen- führt. Rund 114 000 Menschen fanden in ganz den öffentlichen Darstellung am Ende bei den Vor-

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bereitungen auf Umstrukturierungen aber mitgezo- die Politik in Niedersachsen, diese Landesregie- gen haben. rung, ohne Wenn und Aber hinter der Luft- und Raumfahrtbranche, in diesem speziellen Fall Air- Man darf nicht vergessen: Bei Airbus sind immer- bus und Premium Aerotec, steht und wir diese hin 1 300 Mitarbeiter mit einem Sozialplan freiwillig Standorte sichern wollen. ausgestiegen und bei Premium Aerotec immerhin rund 1 000. Und trotzdem war es richtig, dass sich (Beifall bei der CDU) Ministerpräsident Weil gemeinsam mit dem bayeri- Meine Damen und Herren, in dem Antrag wird schen Ministerpräsidenten an die Bundeskanzlerin auch der Drohnenmarkt angesprochen. Die Droh- bzw. die Bundesregierung gewandt und gesagt nentechnologie wird Teil unserer Wirtschaft wer- hat: Achtung, da ist etwas im Rahmen der Um- den. Sie ist ein wichtiger Bereich. Das Volumen strukturierung unterwegs, das unsere Bundeslän- des deutschen Drohnenmarktes wird von 574 Milli- der in Bezug auf Augsburg, Nordenham und Varel onen Euro im Jahr 2019 auf fast 3 Milliarden Euro besonders betreffen könnte. Möglicherweise gibt im Jahr 2030 ansteigen. Wir haben hier also eine es sogar die Übernahme eines Detail Parts durch signifikante Wertschöpfung. andere Investoren. Das sehen wir mit Blick auf die Beteiligung des Bundes an Airbus kritisch. - Und Zu guter Letzt: Ich möchte den Antrag der FDP insofern haben auch wir Wirtschaftsminister der zum Thema Weltraumbahnhof nicht ins Lächerli- norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg che ziehen. Ich glaube, er ist inhaltlich berechtigt. und Niedersachsen immer und immer wieder an Man muss nur sehr genau hinschauen, was alles die Bundesregierung appelliert: Bitte, achtet genau in diesem Antrag gefordert wird und im Moment darauf, was im Moment an den beiden Standorten durch uns in Niedersachsen nicht geleistet werden Deutschland und Frankreich bei Airbus passiert! kann. Denn die Detaillierung Ihres Antrages und die Aufforderung, das Land möge sich jetzt ent- Jetzt hat Airbus diese Umstrukturierung auf den sprechend einbringen, kann dem eigentlichen Pro- Weg gebracht und angekündigt, gemeinsam mit zess, dass das Bundeswirtschaftsministerium und den Betriebsräten ein Konzept erarbeiten zu wol- der BDI - von dem ja die Initiative zu einem sol- len. Das ist ein richtiger und wichtiger Weg. Ich chen Weltraumbahnhof ausgeht -, diesen zunächst hoffe sehr, dass dieser Dialog, ergänzt durch die einmal auf eine sichere Finanzierung stellt, nicht Bund-Länder-Gespräche, die für unser Bundes- vorgelagert sein. Wir brauchen zahlreiche Prüfun- land notwendigen Arbeitsplätze in Niedersachsen gen von umweltschutzfachlichen Belangen. Wir am Ende auch sichert. Es ist in erster Linie die brauchen die Klärung der Frage der Landesraum- Aufgabe des Wirtschaftsministers, dafür zu sorgen, ordnung bzw. überhaupt müssen Umweltfragen mit dass an den Standorten in Niedersachsen Blick auf das Meer geklärt werden. Ich glaube, Nordenham, Varel und Stade Premium Aerotec man kann das nicht mal eben so beschließen, und Airbus bestmöglich aufgestellt sind. wenn die genaue Richtung auf Bundesebene noch Meine Damen und Herren, ich kann im Moment nicht klar ist. nur sagen: Die ersten Hoffnungsschimmer für die Aber in der Satelliten- und der Weltraumtechnik Branche sind erkennbar. Wir erleben ein deutlich einen entsprechenden Punkt zu setzen, ist begrü- anziehendes Geschäft. Die Erholung des Marktes ßenswert. Ich habe das schon einmal an dieser wird prognostiziert, und sie wird nicht nur prognos- Stelle erklärt. Ich habe gesagt: Sie haben vor eini- tiziert, sondern ist mittlerweile auch erkennbar, weil gen Monaten diese Perlenketten-Satelliten von die Auslieferungsraten steigen und die Kurzarbeit Elon Musk gesehen. Eigentlicher Hintergrund die- zurückgefahren wird. In Hamburg - der Kollege Kai ser Satellitentechnik ist es, am Ende die 5G-Tech- Seefried kommt aus dem Hamburger Umland - nologie möglicherweise satellitengestützt deutlich wird schon keine Kurzarbeit mehr gefahren, son- zu verbessern. Das heißt, dass durchaus die dern dort ist man schon wieder auf Vorkrisenni- Kommunikationsfähigkeit von Volkswirtschaften veau. dahintersteht. Insofern hoffe ich sehr, dass unser Luftfahrtförder- Insofern ist das Ziel, das hinter dem Antrag steht, programm in Niedersachsen, das wir immerhin - ausdrücklich begrüßenswert. Das ist auch nicht das ist ein Riesenerfolg dieser Landesregierung - irgendwie niedlich oder zu weit nach vorn gedacht, von 25 Millionen Euro auf 45 Millionen Euro ange- sondern der Inhalt an sich ist richtig. Die Detaillie- hoben haben, am Ende auch von Airbus und Pre- rung und die Forderungen Ihres Antrages können mium Aerotec anerkannt wird und sie sehen, dass wir allerdings derzeit so nicht überblicken und auch

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nicht erfüllen. Insofern müssen wir tatsächlich da- che 18/7548 ablehnen will, den bitte ich um ein rauf setzen, dass der Bund in der Frage der Luft- Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - und Raumfahrttechnik die entsprechenden Enthaltungen sehe ich nicht. Gegenstimmen ka- Schwerpunkte an dieser Stelle auch finanziell und men von der FDP und einigen fraktionslosen Kol- konzeptionell unterlegt. Darum geht es. legen. Das Erste war die deutliche Mehrheit. Insofern werden die Fraktionen dem Antrag wahr- Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschus- scheinlich so nicht zustimmen, wie ich gehört ha- ses gefolgt worden, und damit ist zugleich der be. Aber ich hoffe sehr, dass wir dabei trotzdem Änderungsantrag der FDP in der Drucksache das Ziel nicht aus dem Auge verlieren, weil es 18/9443 nach § 39 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit volkswirtschaftlich mit Blick auf Kommunikations- § 31 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 unserer Geschäfts- technologien absolut notwendig ist, dass wir uns ordnung abgelehnt worden. auch dieser Herausforderung stellen. Meine Damen und Herren, ich gehe über zum Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU und Zustimmung Tagesordnungspunkt 41: bei der SPD) Abschließende Beratung: Ausbeutung beenden - Verbot von Werkverträ- Vizepräsident Bernd Busemann: gen in der Fleischindustrie durchsetzen - An- Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Meine Damen und Herren, die Beratungen sind Drs. 18/6814 - Beschlussempfehlung des Aus- damit beendet. schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- lisierung - Drs. 18/9218 - dazu: Änderungsantrag Wir kommen zu den Abstimmungen. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/9448 Zunächst stimmen wir über die Nr. 1 der Beschlus- sempfehlung ab. Das ist der Antrag der Fraktion Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- der SPD und der Fraktion der CDU. lehnen. Wer also der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden Grünen zielt auf die Annahme ihres Antrages in geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich einer geänderten Fassung. um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltun- gen? - Bei Enthaltung einiger Fraktionsloser und Wir treten in die Beratung ein. Es eröffnet die Kol- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Be- legin Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen. schlussempfehlung des Ausschusses gefolgt wor- den. Miriam Staudte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Meine Damen und Herren, ich komme zur Ab- und Kollegen! Aus den unendlichen Weiten des stimmung zu der Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Universums Das ist der Antrag der Fraktion der FDP. (Jörg Bode [FDP]: Des Weltraums!) Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitergehende Empfehlung. Nach § 39 muss ich Sie nun zu den irdischen Problemen hier Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 bei uns in Niedersachsen zurückführen. und Abs. 4 unserer Geschäftsordnung stimmen wir Es geht in unserem Antrag um die Arbeitsbedin- daher zunächst über die Beschlussempfehlung ab. gungen in der Fleischindustrie. Wir haben im Juli Nur falls die Beschlussempfehlung abgelehnt wird, 2020 einen Antrag in den Landtag eingebracht, der stimmen wir anschließend noch über den Ände- zum Ziel hatte, Werkverträge und Leiharbeit in der rungsantrag ab. Fleischindustrie zu verbieten. Damals war in der Wir kommen also zur Abstimmung über die Be- hitzigen Debatte zwischen SPD und CDU im Bund, schlussempfehlung. Wer der Nr. 2 der Beschluss- aber auch hier in Niedersachsen die Frage, ob empfehlung des Ausschusses folgen und damit man ein Arbeitsschutzkontrollgesetz bräuchte. den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksa- Inzwischen ist es beschlossen worden - im De-

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zember 2020 -, was wir ausdrücklich begrüßen. Niedersachsen eingehalten werden muss. Im Mo- Die Werkverträge in der Fleischindustrie, also bei ment sind es 0,81 Vollzeitstellen, also nur etwas allen Betrieben über 50 Mitarbeitern, sind seit über 80 %. 1. Januar 2021 verboten - und auch die Leiharbeit Wir haben kein Verständnis dafür, dass in einer seit 1. April dieses Jahres. solchen Situation unser Antrag vollständig abge- Nun kommt es aber bei dieser ganzen Thematik lehnt wird und nicht einmal ein Änderungsantrag auch auf die Umsetzung an. Da sind an erster vorgelegt wird. Insofern haben wir nicht den Ein- Stelle die Bundesländer gefragt. Niedersachsen ist druck, dass Sie es mit dem Schutz der Arbeitskräf- also dafür zuständig, in den Betrieben dafür zu te hier in Niedersachsen sonderlich ernst meinen. sorgen, dass diese Maßgaben eingehalten werden (Beifall bei den GRÜNEN) und dass auch alle anderen Arbeitsschutzvorga- ben eingehalten werden. Vizepräsident Bernd Busemann: Wenn wir da einmal genau hinschauen - wir haben Danke schön, Frau Kollegin. - Nächster Redner ist eine Anfrage an die Landesregierung gestellt -, der Abgeordnete Frank Henning, SPD-Fraktion. sehen wir, dass die Zahlen wirklich erschreckend Herr Henning, bitte sehr! sind. Während es 2014 in Niedersachsen noch 743 Kontrollen in Betrieben gab, waren es 2020 Frank Henning (SPD): nur noch 380. In den letzten Jahren wurde also nur 1 % der Betriebe kontrolliert. Pandemiebedingt ist Hier steht, meine Redezeit ist abgelaufen. Herr dann die Quote der Kontrollen - darüber haben wir Präsident, das war es? im Landtag auch schon einmal diskutiert - auf 0,6 % abgesunken. Das ist eine Situation, die wir Vizepräsident Bernd Busemann: definitiv nicht akzeptieren können. Wir kommen Ihnen gern entgegen. (Beifall bei den GRÜNEN) Frank Henning (SPD): Das Arbeitsschutzkontrollgesetz des Bundes sieht Ich hoffe, dass wir das mit der Technik noch hin- vor, ab 2026 jährlich 5 % aller Betriebe zu kontrol- kriegen. lieren. Schon dafür müssten wir in Niedersachsen eine enorme Steigerung hinlegen. Wir sagen aber Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und auch ganz deutlich: 5 % der Betriebe im Jahr zu Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst kontrollieren, bedeutet letztendlich nur, dass alle einmal vielen Dank an die grüne Landtagsfraktion 20 Jahre ein Kontrolleur vorbeikommt. Das kann dafür, dass Sie mit Ihrem Antrag die Arbeit der uns natürlich definitiv nicht zufriedenstellen. Bundesregierung, vor allem von Hubertus Heil als unserem Bundesarbeitsminister, heute noch ein- Wir sind von den Gewerkschaften auch darauf mal deutlich unterstützen; denn es war unser Bun- aufmerksam gemacht worden, dass diese Quote desarbeitsminister Heil, der das Verbot von Werk- „Kontrolle pro Betrieb“ nicht wirklich aussagekräftig verträgen in der Fleischindustrie ziemlich tatkräftig ist. Gerade in einer Mangelsituation, in der es ei- durchgesetzt hat. gentlich zu wenige Kontrolleurinnen und Kontrol- leure gibt, könnte man ja dazu neigen, eher die (Beifall bei der SPD) kleineren Betriebe, in denen nicht so viele Arbeits- Werkverträge sind menschenverachtend und beu- verhältnisse existieren, zu kontrollieren und die ten Menschen aus. Elementare Arbeitnehmerrech- großen Betriebe dann erst einmal hinten anzustel- te bleiben dabei auf der Strecke. Das hat die Dis- len. Und das kann definitiv nicht unser Ziel sein. kussion in der Fleischindustrie deutlich gezeigt. Da (Beifall bei den GRÜNEN) sind wir uns auch alle einig, glaube ich. Zwar wird immer gesagt: Das ist ja nur ein Durch- Insofern war Ihr Ursprungsantrag durch das be- schnittswert; wir kontrollieren natürlich risikoba- herzte Handeln von Hubertus Heil schon der Sa- siert. - Das ist richtig. Aber wir brauchen definitiv che nach erledigt, als Sie ihn gestellt haben. Mit mehr Kontrolleure. Deswegen haben wir in unse- dem heute vorliegenden Änderungsantrag korrigie- ren Antrag auch aufgenommen, dass der von der ren Sie Ihren eigenen Ursprungsantrag und wollen ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation der noch einmal drauflegen, die Kontrollen verstärken Vereinten Nationen, geforderte Wert von einem und die Regeln verschärfen. Ich habe allerdings Kontrolleur pro 10 000 Beschäftigte auch hier in den Eindruck, dass Sie hier nur noch einmal eine

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eigene Duftmarke setzen wollen, um nicht zugeben schließlich über Werkverträge als Dienstleister zu müssen, dass Hubertus Heil unser gemeinsa- tätig sind. Das Kerngeschäft - darum geht es uns - mes Kernanliegen, die Werkverträge in der einer Produktionsfirma darf nicht ausschließlich Fleischindustrie zu verbieten, schon lange umge- oder überwiegend per Werkvertrag erledigt wer- setzt hat. den, bzw. der gesamte Produktionsprozess darf nicht an Externe delegiert werden. Stammbeleg- Die Unterrichtung durch die Landesregierung zu schaften, meine Damen und Herren, müssen wie- Ihrem Änderungsantrag im Wirtschaftsausschuss der eine klare und deutlich erkennbare Mehrheit hat im Übrigen ergeben, dass einige Punkte gar unter den Beschäftigten bilden. nicht so umsetzbar sind, wie Sie sie im Ände- rungsantrag vorgesehen haben. Ausbeutung und systematische Umgehung gesetz- licher Mindeststandards gehören bislang in vielen Die Umsetzung der von der Grünen-Fraktion ge- Branchen zum System. Ich verweise einmal auf die forderten erhöhten Kontrollquote von 5 % schon Erfahrungen aus der Beratungspraxis von Faire vor dem Jahr 2026 wird an dem dafür erforderli- Mobilität, der Beratungsstelle des DGB in Olden- chen qualifizierten Personal scheitern, das bis burg, die der Bund auch mit 4 Millionen Euro un- dahin noch nicht zur Verfügung steht. Denn für die terstützt, oder die Erfahrungen des Landes im Qualifizierung dieses neuen, zusätzlichen Perso- Rahmen der Unterstützung der Beratungsstellen nals - und Sie haben ja selber gesagt, dass es für mobile Beschäftigte mit insgesamt 850 000 eine ganze Menge Betriebe sind, die überprüft Euro. Diese Beratungsstellen, die wir hier bei fünf werden müssen - braucht es einen größeren zeitli- Trägern von Arbeit und Leben Niedersachsen ha- chen Vorlauf, sodass dieser Punkt schon an prak- ben, sind seinerzeit durch eine Initiative der SPD- tischen Umsetzungsschwierigkeiten scheitern wird. Landtagsfraktion zustande gekommen. Im Übrigen ist der Antrag in einem Punkt auch (Vizepräsident Frank Oesterhelweg sachlich falsch. Nicht die Kommunen sind für Ver- übernimmt den Vorsitz) stöße gegen das Arbeitszeitgesetz zuständig, son- dern die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter. Auch Jüngstes Beispiel - darauf möchte ich heute noch dieser Punkt in Ihrem Antrag geht schlicht und unbedingt zu sprechen kommen - ist wieder einmal einfach ins Leere, meine Damen und Herren. die Meyer-Werft in Papenburg, meine Damen und Herren. Für großen Streit sorgen auch hier die Was mich aber an Ihrem Antrag generell stört, ist Werkverträge. Betriebsrat und Gewerkschaft die einseitige Fokussierung auf die Fleischindust- IG Metall werfen der Geschäftsführung vor, Kern- rie. Auch Ihr erweiterter Änderungsantrag bezieht arbeiten über Werkverträge erledigen zu lassen, sich auf die Fleischindustrie. Dabei müssen wir während die Stammbelegschaft in Kurzarbeit ist. doch feststellen, dass das Problem der Werkver- träge viel weiter geht und nicht nur diese eine Ich bin geradezu entsetzt über die aktuellen Vor- Branche der Fleischindustrie betrifft. Das System kommnisse auf der Papenburger Meyer-Werft. Der der Werkverträge ist in den letzten Jahren auf viele Versuch der Geschäftsführung, die Belegschaft zu Branchen deutlich ausgeweitet worden. spalten und ohne Beteiligung des Betriebsrates eine Abstimmung herbeizuführen, ob nun 1 000 (Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE]) oder nur 660 Kolleginnen und Kollegen entlassen Wir als SPD-Fraktion sagen sehr deutlich: Wir werden sollen, ist ein unmöglicher Vorgang. Das wenden uns gegen Werkverträge, wenn sie dazu können wir nicht akzeptieren. missbraucht werden, ganze Belegschaften und (Beifall bei der SPD) Kernbestandteile der Produktion auszulagern, weil mit ihnen Tarife und Arbeitsbedingungen unterlau- Ein derartiger Umgang mit Mitarbeiterinnen und fen und vor allen Dingen Handlungsmöglichkeiten Mitarbeitern der Meyer-Werft ist aus meiner Sicht von Betriebsräten ausgehebelt werden. nicht zu verantworten. Unsere Fraktionsvorsitzen- de Hanne Modder hat aus Sicht der SPD-Fraktion (Johanne Modder [SPD]: So ist es!) und auch als örtliche Wahlkreisabgeordnete in Vielen Unternehmen geht es vor allen Dingen nur letzter Zeit schon deutliche Worte dazu gefunden. darum, mit Werkverträgen die Verantwortung für Ich zitiere: ihre Beschäftigten abzugeben. „In Deutschland gilt das Betriebsverfas- Es kann nicht sein, dass die Mehrheit der Beschäf- sungsgesetz - und das gilt eben auch für die tigten bei Subunternehmern angestellt ist, die aus- Meyer-Werft.“

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Es ist aus unserer Sicht Aufgabe des Betriebsra- eigentlich genau tun wollen - also einen eigenen tes, so viele Arbeitsplätze wie irgend möglich zu Entschließungsantrag, einen Änderungsantrag, retten und die Umwandlung von Stammarbeitsplät- irgendeine parlamentarische Initiative -, frage ich zen in Werkvertragsarbeitsplätze zu verhindern. Sie: Was genau machen Sie denn parlamenta- Nur wenn der Betriebsrat Einsicht in die Pläne der risch, um die Situation zu verbessern, außer unse- Geschäftsleitung bekommt, wird sich auch dieser ren Antrag - der ja ein erster Schritt wäre - abzu- Werftstandort am Ende sichern lassen. lehnen? Aufgabe der Politik - deswegen spreche ich das (Beifall bei den GRÜNEN) an - muss es sein, die weitere Ausdehnung von Werkverträgen in anderen Branchen, nicht nur in Vizepräsident Frank Oesterhelweg: der Fleischindustrie, zu verhindern. Es darf nicht Bitte schön! sein, dass wir weiter dabei zusehen, wie Stamm- belegschaften bei der Meyer-Werft in Kurzarbeit Frank Henning (SPD): sind oder gar entlassen werden, während Werkver- Zunächst mal, lieber Kollege Limburg, stelle ich tragsarbeitnehmer gleichzeitig das Kerngeschäft fest, dass das Thema für die Fleischindustrie durch der Produktion zu übernehmen drohen - und das in ist, weil die SPD und Hubertus Heil das vernünftig einer Situation, in der die Meyer-Werft öffentliche geregelt haben. Es gibt ein Werkvertragsverbot für Subventionen aus Steuergeldern erhält. die Fleischindustrie! Meine Damen und Herren, hier sehe ich dringen- (Beifall bei der SPD) den Handlungsbedarf für die SPD-Landtagsfrak- tion, aber auch für die Politik insgesamt. Deswe- Mein Ansinnen war, hier noch mal deutlich zu ma- gen lehnen wir heute den Grünen-Antrag - weil er chen, dass es eben Handlungsbedarf über die sich nur auf die Fleischindustrie bezieht - als zu Fleischindustrie hinaus gibt. Deswegen werden wir einseitig und für viel zu unterdimensioniert ab. in nächster Zeit auch mit entsprechenden Anträ- gen auf Sie zukommen. Sie können sich darauf (Lachen bei den GRÜNEN) verlassen. Wir glauben, dass wir da viel mehr tätig werden Vielen Dank! müssen. (Beifall bei der SPD - Helge Limburg Vielen Dank, meine Damen und Herren. [GRÜNE]: Da bin ich mal gespannt!) (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Vielen Dank, Herr Kollege Henning. - Meine Da- Herr Kollege, Augenblick noch, bitte! Der Kollege men und Herren, für die FDP-Fraktion hat nun der Limburg hätte Ihnen zu gerne noch eine Frage Kollege Jörg Bode das Wort. Bitte schön! gestellt. Jörg Bode (FDP): Frank Henning (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Was das Thema Herr Kollege Limburg, ich bitte darum. Werkverträge und Fleischindustrie angeht, ist die Sache ja relativ klar. Wir haben auch hier im Ple- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: num eine deutliche Diskussion darüber gehabt, dass der Missbrauch, dass die Umgehung von Bitte schön, Herr Kollege! Zeit- und Leiharbeit durch die Konstruktion von Werkverträgen schlicht und ergreifend unzulässig Helge Limburg (GRÜNE): ist, dass dem Einhalt geboten werden muss, dass Vielen Dank, Herr Kollege Henning, dass Sie die das nicht akzeptabel ist. Das muss mit Nachdruck Frage zulassen. verhindert werden, weil es dabei schlicht und er- Vor dem Hintergrund, dass Sie gerade in einem greifend darum geht, Sozialleistungen zu entzie- Satz gesagt haben, Sie sähen im Bereich der hen. Die Leute, die so etwas machen, sind keine Werkverträge sehr viel Handlungsbedarf für die ehrenwerten Kaufleute, sondern das sind Leute, SPD-Fraktion, und im nächsten Satz angekündigt denen man auf die Finger hauen muss. Ich glaube, haben, dass Sie den Antrag der Grünen deshalb dazu gibt es auch keine zwei Meinungen hier im ablehnen, und dann aber nicht folgt, was Sie denn Plenum.

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Die Bundesregierung hat jetzt einen Vorschlag das Geschuldete leisten, nämlich z. B. die Farbe in gemacht, den ich persönlich für umgehungsanfällig der entsprechenden Qualität, eventuell mit Tapete, halte. Ich glaube schon, dass das am Ende all bei Ihnen an die Wand bringen. dieser Kreativität der Gestaltung in diesem Be- Dazu will ich schon jetzt etwas sagen, Herr Hen- reich, so sage ich es mal, eine Grenze aufzeigen ning, weil Sie es quasi en passant - vielleicht auch wird. Aber die Zeit wird zeigen, ob die Branche nicht gewollt - so dargestellt haben, als wenn auch erkennt, dass man das nicht mehr machen kann, die Meyer-Werft mit ihren Werkverträgen und ent- machen darf und machen sollte. sprechenden anderen Arbeitskräften zielgerichtet Ich glaube, in einigen Bereichen ist das Kind auch Missbrauch von Leiharbeit und Zeitarbeit zum So- mit dem Bade ausgeschüttet worden, nämlich was zialleistungsmissbrauch begeht. Dem ist mitnichten die ja durchaus zulässige Leih- und Zeitarbeit an- so! Tatsächlich haben sehr viele Untersuchungen geht, die - durchaus richtig - für Auftragsspitzen ergeben, dass es sich hierbei um Werkverträge angewendet worden ist. Hier hat man aus meiner handelt, in denen ein Gewerk vereinbart ist, das Sicht zu viel geregelt und verboten, was kleine abgeliefert wird. Das ist ein ganz legaler Einsatz mittelständige Schlachtbetriebe auch durchaus vor von Werkverträgen. Probleme stellt. Sie werden die Briefe über die Sie können schlicht und ergreifend nicht die unter- Situation ja auch alle bekommen haben. Darüber nehmerische Freiheit eines Unternehmens ein- wird man zu gegebener Zeit noch einmal nach- schränken, die auch darin besteht zu entscheiden: denken müssen. Was muss ich mit eigenen Leuten machen? Wo ist Was die Grünen jetzt mit ihrem Änderungsantrag meine Kernkompetenz? Wo kann ich einen Zuliefe- machen, ist aus meiner Sicht, noch einen oben rer bekommen, der dies, weil es ein Teilbereich ist, draufzusetzen, um das Thema noch einmal zu besser macht? - Sie hauen auf alle drauf, beziehen vermarkten. Ich glaube, es ist unrealistisch, diese es auf alle und meinen, alle, die irgendwo einen Ansprüche zu erheben, die über das Maß hinaus- Werkvertrag machen, sind Verbrecher. Das haben gehen. Das hat der Kollege Henning auch ganz Sie so direkt nicht gesagt, aber man konnte es richtig dargestellt. Deshalb stimmen wir in dieser heraushören. - Das ist mitnichten so! Frage auch mit der Großen Koalition überein. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, (Beifall bei der FDP - Zuruf von sollten wir nicht das Kind mit dem Bade ausschüt- Miriam Staudte [GRÜNE]) ten. Wir sollten hier auch nicht andere Unterneh- men, die in der Vergangenheit sehr viel Gutes und Herr Henning, zu dem Bereich, den Sie gerade sehr viel Ehrenwertes auch für Niedersachsen angesprochen haben - Sie haben gesagt, man getan haben, in ein schlechtes Licht rücken. Das müsse jetzt über die Fleischindustrie und so hin- würde der Sache nicht gerecht. Deshalb, Herr ausgehen, und Sie haben auch die Meyer-Werft Kollege Henning, überlegen Sie noch einmal, was angesprochen -: Ja, natürlich muss man darüber Sie öffentlich über die Meyer-Werft sagen. hinausgehen. Aber dann müssen Sie bitte auch akzeptieren, dass Werkvertrag nicht gleich Werk- Herzlichen Dank. vertrag und Werkvertrag nicht gleich Missbrauch (Beifall bei der FDP) ist. Jeder von uns - bestimmt auch Sie - hat im privaten Bereich sicherlich schon ganz oft Werk- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: verträge abgeschlossen. Nicht jeder Werkvertrag ist per se eine Umgehung von Leiharbeit oder Ähn- Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Nun hat der liches. Mitnichten! Kollege Karl-Heinz Bley für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön! Deshalb ist unser Ansatz, zu sagen, wir müssen über eine vernünftige, auch juristische Definition Karl-Heinz Bley (CDU): von „Werkvertrag“ haben, damit klar ist, dass je- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mand, der einen Werkvertrag bekommt, in seiner ich spreche gerne zu dem Thema „Ausbeutung Arbeitszeiteinteilung, in seinem Materialeinsatz frei beenden - Verbot von Werkverträgen in der ist etc. und nur das geschuldete Werk abliefern Fleischindustrie durchsetzen“. muss. Das ist absolut sinnvoll. Wenn Sie z. B. für zuhause einen Maler bestellen, dann entscheidet Am 20. Mai 2020 hat das Bundeskabinett auf Vor- der selbst, wann er kommt, mit wie vielen Mitarbei- schlag von Minister Hubertus Heil das Ende der tern er kommt und wie er es macht. Er muss nur Werkverträge in der Fleischindustrie auf den Weg

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gebracht. Am 23. Juni 2020 erreichte den Landtag Meine Damen und Herren, die Entscheidung in der Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Berlin ist aber während unserer Beratung gefallen. Grünen. Dort heißt es: Das muss ich hier nicht weiter erklären. Ich bin froh, dass hier eine Regelung getroffen wurde. „Der Landtag unterstützt den am 20. Mai Unsere Beratungen im Ausschuss und die des 2020 in der 97. Sitzung des Bundeskabi- eigenen Entschließungsantrags haben länger ge- netts gefassten Beschluss ‚Eckpunkte eines dauert, als die Berliner Politik benötigt hat, um ihre Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirt- Beschlüsse zu fassen. schaft‘“. Die weiteren Forderungen des Entschließungsan- So lautet die Einleitung des Entschließungsan- trags der Grünen wie die nach zusätzlichen Maß- trags. nahmen von Zoll und Arbeitsschutzbehörden so- wie kommunalen Ordnungs- und Gesundheitsäm- Meine Damen und Herren, die Landesregierungen tern halten wir für nicht erforderlich. aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ha- ben sich schon damals - besonders durch die Mit- Für Gemeinschaftsunterkünfte gelten übrigens wirkung von unserer Ministerin Barbara Otte-Kinast nach der Arbeitsstättenverordnung branchenüber- und unserem Minister Dr. Bernd Althusmann - zu greifende Mindestanforderungen. Dieser Bereich den zehn Kernforderungen zur Verbesserung der ist also gut geregelt. Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäfti- gen der Branche bekannt. Auch eine Verdoppelung des Bußgeldrahmens bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz auf 30 000 Ja, es gab Missbrauch bei Werkverträgen, beson- Euro halten für nicht erforderlich. ders in der Fleischindustrie. Bundestag und Bun- desrat haben sich ausgiebig mit dem Thema be- Die Pflicht zur elektronischen, manipulationssiche- schäftigt und nach Abwägung aller rechtlichen ren Arbeitszeiterfassung hilft, den Missbrauch zu Vorgaben - auch von der EU - den Beschluss ge- beseitigen. Auch das ist ein gutes Instrument. fasst, die Werkverträge bei der Fleischindustrie zu Die Beratungsstellen für mobile Beschäftigte wer- unterbinden und zeitversetzt auch die Zeitarbeit in den von Bund und Land unterstützt. der Fleischindustrie zu untersagen. Ob die Be- schlüsse gerichtsfest sind, bleibt abzuwarten. Deswegen können wir sagen: Die Regierungen in Berlin und in Niedersachsen machen gute Arbeit. Noch zur Info: Der Tariflohn in der Zeitarbeit liegt weit über dem Mindestlohn. Positiv sehe ich auch Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet die jahrelang andauernden Tarifverhandlungen mit auf Ablehnung des Antrags - nicht, weil wir gegen einem positiven Ergebnis für die Fleischbranche. die Abschaffung des Missbrauchs von Werkverträ- Es gibt doch noch Lichtblicke. gen wären, sondern weil sich der Antrag in der Hauptsache mit dem Berliner Beschluss durch Unser Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr Regierungshandeln erledigt hat. Ich darf jetzt alle und Digitalisierung hat sich in einigen Sitzungen bitten, den Antrag der Grünen abzulehnen, so wie mit dem Thema beschäftigt. Wir waren uns alle auch der Ausschuss entschieden hat. einig, dass in der Sache etwas geschehen muss, um den Missbrauch zu beenden. Die Vertreter der Meine Damen und Herren, vorgestern, am 8. Juni Koalitionsfraktionen hatten dazu einen eigenen 2021, haben die Grünen einen Änderungsantrag Antrag in Arbeit. Sehr gerne hätten wir auch für gestellt. Das Thema sollte also noch einmal auf- andere Bereiche der Wirtschaft wie z. B. bei der gewärmt und etwas Wahlkampf betrieben werden. Paketzustellung oder der Metallindustrie die Werk- Laut dem Änderungsantrag soll die Anzahl der vertragsarbeit eingrenzen wollen. Kontrollen erhöht werden. Es sollen über das Ar- beitsschutzkontrollgesetz hinausgehende Erweite- Ich persönlich hätte es gut gefunden, wenn wir in rungen der Arbeitsnormen gemäß den Regeln der allen Bereichen die Regelbeschäftigung erhöhen ILO vorgenommen werden, sodass ein Kontrolleur und für die Werkvertragsarbeit nur bis zu 20 % der auf 10 000 Mitarbeiter vorhanden ist. Kommunen Beschäftigtenzahlen erlauben. Die Zeitarbeitsver- sollen weitere Vorgaben bekommen und damit träge hätte ich dann auch als Instrument der Auf- höhere Sanktionsmöglichkeiten haben. Die Unter- tragsbewältigung in Auftrags-Spitzenzeiten als bringung von Angestellten soll durch Erlass stren- erlaubt gesehen. ger reglementiert werden.

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Diesem Änderungsantrag können wir nicht zu- Das Instrument der Werkverträge gibt es seit über stimmen, weil die darin geforderten Maßnahmen 121 Jahren, nämlich seit dem Inkrafttreten des nicht erforderlich sind und weil er nur der Versuch BGB am 1. Januar 1900. Werkverträge sind in eines Aufwärmens des Themas seitens der Grü- nahezu allen Bereichen bekannt, vom Handwerk nen ist. bis zur Kultur. Es musste - zu Recht; ich kritisiere das gar nicht - ein rechtlicher Weg für einen Be- Meine Damen und Herren, abschließend wünsche reich gefunden werden, in dem Werkverträge ich allen Betrieben ausreichend gute Mitarbeiter überhandgenommen hatten und letztendlich zum und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Teil auch zu einer - nennen wir es ruhig so - Aus- gute Arbeitsplätze mit fairer Bezahlung nach dem beutung der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen Motto: Gutes Geld für gute Arbeit. und Mitarbeiter und zum Teil auch zu erbärmlichen Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte, die Unterbringungsbedingungen geführt haben. Das Anträge abzulehnen. war die eigentliche Ursache. Danke schön. Ich habe mehrfach hier im Plenum unmissver- ständlich erklärt, dass wir es auf keinen Fall zulas- (Beifall bei der CDU und Zustimmung sen können, dass diese Zustände in der Schlacht- bei der SPD) und Zerlegeindustrie in Niedersachsen weiterhin geduldet werden. Wir haben sie nicht geduldet und Vizepräsident Frank Oesterhelweg: werden sie auch zukünftig nicht dulden. Vielen Dank, Herr Kollege Bley. - Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Althusmann das (Beifall bei der CDU) Wort. Bitte schön! Insofern war die Initiative des Bundesarbeitsminis- ters an dieser Stelle absolut richtig, der Versuch, Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, die Regelungen auszuweiten, allerdings fraglich, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: auch fachlich nicht richtig und aus meiner Sicht Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und nicht in die richtige Richtung weisend. Herren Abgeordnete! Der Abgeordnete Bley hat Letztendlich wurde im Rahmen des Erlasses nach sehr ausführlich darauf hingewiesen, dass der dem Arbeitsschutzkontrollgesetz einiges für die Antrag zum Zeitpunkt, als er gestellt wurde, im Fleischindustrie erreicht. Jetzt gilt im Rahmen der Grunde erledigt war. Denn Maßnahmen zur Errei- Arbeitsschutzkontrolle für die Schlachtung, Zerle- chung des Ziels, das mit dem Antrag verfolgt wur- gung und Fleischverarbeitung in der Fleischindust- de, wurden bereits durch das Handeln der Bundes- rie ein grundsätzliches Verbot des Einsatzes von regierung und im Übrigen auch durch eigenes Fremdpersonal. Das ist richtig. Zutun der Landesregierung auf den Weg gebracht. Für Gemeinschaftsunterkünftige nach der Arbeits- (Miriam Staudte [GRÜNE]: Wir haben stättenverordnung gelten branchenübergreifende ja einen Änderungsantrag einge- Mindestanforderungen, die letztlich mit den unver- bracht!) antwortbaren Zuständen in den Unterkünften be- Ich erinnere an die zehn Kernforderungen zur Ver- gründet sind. besserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Eine Pflicht zur elektronischen, manipulationssi- von Beschäftigten in der Schlacht- und Zerlege- cheren Arbeitszeiterfassung wurde begründet. industrie. Dazu haben die Landwirtschaftsministe- Auch das war richtig und wichtig. rien sowohl in NRW als auch hier in Niedersach- sen gemeinsam mit den jeweiligen Wirtschaftsmi- Mindestkontrollquoten wurden eingeführt. nisterien die notwendigen Weichen gestellt. Außerdem unterstützt der Bund die Beratungsstel- Ich erinnere daran, dass das Ziel des Bundes, len des Projekts „Faire Mobilität“ des DGB mit zunächst Werkverträge in der Fleischindustrie zu jährlich 4 Millionen Euro, und auch wir in Nieder- verbieten, nicht das einzige Ziel war. Im Grunde sachsen unterstützen unsere Beratungsstellen mit war, wenn ich mich richtig an die Diskussionslage 850 000 Euro. erinnere, das eigentliche Ziel des Bundesarbeits- Ich will zum Schluss noch etwas Erfreuliches mit- ministeriums, das Instrument der Werkverträge in teilen. Wir haben drei Jahre lang andauernd dar- Gänze infrage zu stellen. Da sollten wir ehrlich über verhandelt und in Auseinandersetzung mit bleiben. den Tarifvertragsparteien immer wieder eingefor-

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dert, dass es möglich sein muss, einen Mindest- den Weg gebracht werden kann und dazu beitra- lohntarifvertrag abzuschließen. Ich habe in zahlrei- gen soll, die Kostenstruktur der Meyer-Werft für die chen Gesprächen mit den Vertreterinnen und Ver- nächsten Jahre zukunftssicher aufzustellen. Es tretern der Fleischwirtschaft für eine solche Ver- muss möglich sein, dass man an den Verhand- einbarung geworben - zuletzt im Rahmen des lungstisch zurückkehrt. Runden Tischs im Sommer 2020. Hört auf, euch gegenseitig zu blockieren! Das ist Insofern ist es erfreulich, dass das jetzt vorgelegte mein persönlicher Appell in Sachen Meyer-Werft. Ergebnis nach mir vorliegenden Informationen Wir brauchen eine Lösung. Man kann sich hier einen Mindeststundenlohn in dieser Branche vor- nicht ein Jahr lang gegenseitig blockieren. sieht, der von 10,80 Euro über 11 Euro Anfang 2022 bis auf 12,30 Euro zum 1. Dezember 2023 (Beifall bei der CDU) steigen wird. Das ist ein echter Fortschritt. Wir Uns allen muss bewusst sein, dass das Familien- haben ihn lange - ich meine, seit 2015 - eingefor- unternehmen Meyer-Werft in einem Wettbewerb dert. Nun hat man endlich ein einvernehmliches mit staatlichen Unternehmen weltweit steht, mit Ergebnis erzielt. Das halte ich für richtig. den größten Schiffsbauern der Welt in China, in Meine Damen und Herren, ich möchte einige letzte Italien, Frankreich und anderen Ländern. Sie be- Sätze zur Meyer-Werft sagen. Die Meyer-Werft ist findet sich also schon in einer besonderen Kosten- nicht irgendeine Werft. Sie ist für Niedersachsen situation. Aber die Geschäftsleitung hat natürlich systemrelevant. Sie bedeutet Arbeitsplatzsicherheit auch eine unternehmerische Verantwortung nach nicht nur für 4 100 Kernarbeitnehmer der Werft, Betriebsverfassungsgesetz und nach den allge- sondern letzten Endes für über 14 000 Arbeitsplät- meinen Regularien des Umgangs miteinander. ze der Zuliefererbereiche in der gesamten Region Insofern, liebe Freunde der Meyer-Werft - sowohl Emsland und Ostfriesland. Geschäftsleitung als auch Betriebsräte -: Setzt Deshalb wird diese Landesregierung Seite an Sei- euch nächste Woche an den Tisch! Verhakt euch te mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber nicht wieder ausschließlich an der Frage der Werk- natürlich auch mit den Verantwortlichen in der verträge! Werkverträge - Frau Modder weiß es, Geschäftsleitung immer dafür eintreten, dass wir und alle anderen Beteiligten wissen es auch - sind eine gemeinsam getragene Lösung erzielen, mei- notwendig, um bestimmte Aufgaben beim Schiff- ne Damen und Herren. bau zu erledigen - so ein Schiff kostet 1,8 Milliar- den Euro -, um bestimmte Aufbauten zu fertigen, Es ist, wie ich finde, nicht mehr hinnehmbar, dass bestimmte Küchen einzubauen, bestimmte Hand- wir nun seit über einem Jahr verhandeln, verhan- werksleistungen zu erbringen. Das alles kann die deln, verhandeln. Es gab gegenseitige Vorwürfe. sogenannte Kernbelegschaft der Meyer-Werft zur- Ich möchte mich nicht daran beteiligen, die Ver- zeit überhaupt nicht erledigen. antwortung von der einen zur anderen Seite hin- und herzuschieben. Alle haben ihren Anteil daran. Insofern: Eine Mischung aus klugen, vernünftigen Werkverträgen und Kernbelegschaft ist das not- Ich war vor Ort. Ich habe vor Demonstranten ge- wendige Element, um kostenmäßig auf der richti- standen. Ich habe mich mit der Geschäftsleitung gen Seite zu stehen, um so ein Schiff tatsächlich unterhalten. Ich habe mich erst gestern mit dem zu vertretbaren Kosten zu bauen. Das muss unser Betriebsrat unterhalten, dann wiederum mit der Ziel sein. Geschäftsleitung. Seit Wochen und Monaten be- finden wir uns in Verhandlungen und Gesprächen Frau Modder weiß es: Wenn die Gespräche am mit der Meyer-Werft und den Verantwortlichen der Montag wieder scheitern sollten und dann wieder Werft. in Richtung Politik gezeigt würde, wenn die Lan- desregierung, Herr Weil und ich gemeinsam, oder Ich habe eine große Bitte. Liebe Vertreter der IG Frau Modder, Herr Thiele, Herr Busemann, Herr Metall vor Ort, sehr verehrte Vertreter des Be- Hiebing oder andere, die in der Region Verantwor- triebsrats der Meyer-Werft und - ebenso - liebe tung tragen, sozusagen vors Rohr geschoben Geschäftsleitung der Meyer-Werft, ich erwarte, würden, dann hielte ich das, ehrlich gesagt, für dass am Montag der nächsten Woche endlich ein einen echten Schuss in den Ofen. Ich halte es Ergebnis zur Sicherung der Gesamtarbeitsplätze wirklich für nicht mehr vertretbar, dass wir uns der Meyer-Werft erzielt wird - abzüglich eines mög- nach einem Jahr immer noch im Kreis drehen. lichen Abbaus, der aber nur gemeinschaftlich auf

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Insofern ein Appell an Herrn Nico Bloem und an Aber auch die Landesregierung tritt momentan Herrn Bernhard Meyer: Setzt euch am Montag so nicht mehr einheitlich auf, um das einmal so zu lange hin, bis weißer Rauch aufsteigt! Es geht hier sagen. Es gibt die Aktivitäten des Umweltministers, nicht nur um eine Werft mit 3 000, 4 000 Mitarbei- der sich gestaltend vor Ort immer noch als heimli- tern, es geht um einen ganzen Wirtschaftsstandort cher Wirtschaftsminister sieht. Es gibt die Aktivitä- - auch um Niedersachsen. Deshalb hoffe ich sehr, ten des Ministerpräsidenten, der urplötzlich Positi- dass wir uns hier nicht parteipolitisch über solche on für nur eine Seite bezogen und damit den Ein- Sachen zerstreiten, sondern gemeinsam an die druck erweckt hat, die Landesregierung beziehe dortigen Parteien appellieren, zu einer Lösung zu ausschließlich Position für den Betriebsrat. Ob sie kommen. mit der der IG Metall deckungsgleich ist, weiß man ja nicht so genau. Und dann haben Sie heute - aus Wir haben landesseitig alle Hausaufgaben erledigt. meiner Sicht korrekt und richtig - gesagt, alle sollen Wir haben landesseitig versucht, die Frage des sich zusammenfinden. Ausbaus, des Baggerns usw. zu klären. Wir haben Förderprogramme auf den Weg gebracht. Jetzt Dieser Ausgleich muss zunächst einmal von den muss eine Lösung auf den Tisch, und ich hoffe Sozialpartnern geleistet werden und nicht von der sehr, dass sie nächste Woche erreicht wird. Mit ein Politik. Deshalb sollte die Landesregierung schon wenig gutem Willen kann das gelingen. Ich hoffe einmal sagen - und zwar nicht nur uns, sondern sehr, dass es gelingt. auch der IG Metall und dem Betriebsrat, aber auch der Geschäftsführung -, wofür sie tatsächlich steht: Vielen Dank. Steht sie für das, was der Umweltminister macht? (Beifall bei der CDU und Zustimmung Steht sie für das, was der Ministerpräsident bei der SPD) macht? Oder steht sie für das, was hier gerade von Ihnen - aus meiner Sicht war das richtig - im Ple- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: num gesagt wurde?

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. - Für Herzlichen Dank. die FDP hat sich noch einmal der Kollege Jörg Bode zu Wort gemeldet. Ich gebe Ihnen nach § 71 (Beifall bei der FDP) Abs. 3 der Geschäftsordnung anderthalb Minuten. Bitte schön! Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Herzlichen Dank, Herr Kollege Bode. Jörg Bode (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir been- und Kollegen! Herr Minister Althusmann, ich bin den die Beratung und kommen zur Abstimmung. nicht davon ausgegangen, dass die Meyer-Werft Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung so stark in der Fleischwirtschaft tätig ist. Aber ist die weitergehende Empfehlung. Nach § 39 wenn die Debatte schon dahin führt, dann, denke Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 ich, muss man auch noch zwei, drei Worte zu dem und Abs. 4 unserer Geschäftsordnung stimmen wir sagen, was hier gerade passiert. daher zunächst über die Beschlussempfehlung ab. Ich glaube, die Landesregierung ist am Anfang Nur wenn die Beschlussempfehlung abgelehnt dieser großen Problemlage, die weder durch die wird, stimmen wir anschließend noch über den Geschäftsführung noch durch die Mitarbeiter, son- Änderungsantrag ab. dern durch die Corona-Pandemie ausgelöst wor- Wir kommen also zur Abstimmung über die Be- den ist, sehr gut und konstruktiv gestartet. Sie hat schlussempfehlung. vernünftig und konstruktiv daran mitgewirkt, zu einer Lösung zu kommen. Inzwischen habe ich Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses aber eher das Gefühl, dass - woran auch immer es folgen und damit den Antrag der Fraktion Bünd- liegt - von verschiedenen Seiten mehrere Weichen nis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/6814 in unterschiedliche Richtungen gestellt worden ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - sind. Das sind die Fraktionen von CDU, SPD und FDP. Gegenprobe! - Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In der Tat - Herr Minister, das haben Sie richtig Enthaltungen? - Dann ist der Beschlussempfeh- gesagt - gibt es unterschiedliche Gemengelagen lung mit großer Mehrheit gefolgt worden. bei Betriebsrat, IG Metall und Geschäftsleitung.

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Demzufolge ist zugleich der Änderungsantrag der gleich niedrig ist. Sie liegt bei ungefähr 50 %, über Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache alle Bundesländer gesehen. Experten z. B. des IW 18/9448 nach § 39 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit halten 70 % für anstrebenswert. § 31 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 unserer Geschäfts- Niedersachsen sticht da noch einmal heraus. Wir ordnung abgelehnt worden. sind das einzige Bundesland, das es in den letzten Wir können den Tagesordnungspunkt 41 damit Betrachtungszeiträumen des Statistischen Bun- beenden. desamtes geschafft hat, die Eigentumsquote sin- ken zu lassen. Alleinstellungsmerkmal - das schafft Wir kommen zum kein anderes Bundesland. (Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten) Tagesordnungspunkt 42: Ich halte das für eine traurige Entwicklung. Es ist Abschließende Beratung: natürlich die Frage, wie man darauf schaut. Ich Eigentümerland Niedersachsen: Freibetrag bei komme gleich noch dazu. der Grunderwerbsteuer einführen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/8720 - Beschlussemp- Wie sieht das eigentlich die Landesregierung? Wie fehlung des Ausschusses für Haushalt und Finan- sehen das eigentlich die regierungstragenden zen - Drs. 18/9247 Fraktionen? Aus dem Koalitionsvertrag jedenfalls wird man nicht schlau. Aber wenn man recher- chiert, kommt man z. B. auf die Antwort der Lan- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- desregierung auf eine Kleine Anfrage von mir aus lehnen. dem letzten Jahr. Da schreibt die Landesregie- rung - ich zitiere mit Auslassungen -: Das Ziel der Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Eigenheimförderung unterstützen wir. - „Wir“ ist die Ich eröffne die Beratung und gebe zunächst dem Landesregierung. - Das ist ja schon mal schön. fraktionslosen Kollegen Lilienthal das Wort. Bitte Dann ist zumindest das Ziel geeint. schön, Herr Kollege! Warum halte ich und hält auch die Landesregie- (Christian Grascha [FDP]: Entschuldi- rung das Eigenheim eigentlich für eine erstre- gung, Herr Präsident! Ich habe mich benswerte Wohnform? - Ich sehe im Eigenheim doch gemeldet!) einen Rückzugsort, wo man das Eigene pflegen kann, sich vom Trubel des Alltags zurückziehen - Bitte? und seine eigene Freiheit ausleben kann. Der (Christian Grascha [FDP]: Ich habe Focus hat vor einigen Wochen einen wunderbaren mich doch gemeldet! Wir sind doch Begriff dafür gefunden: Er beschrieb es als „Sehn- die einbringende Fraktion!) suchtsort“ der Deutschen. Ich denke, das ist ein wunderschönes Wort dafür und absolut treffend. - Sie haben sich gemeldet, ja. Aber das ist ja heute nicht die Einbringung. Bisher war in Deutschland - so habe ich es jeden- falls wahrgenommen - gesellschaftlicher Konsens, (Christian Grascha [FDP]: Ja, aber dass dieser Sehnsuchtsort auch von vielen erreicht das ist doch normale Tradition!) werden kann, nämlich durch Fleiß und Konsum- - Da wird das durchaus anders gehandhabt. Sie verzicht. Das hat in der Vergangenheit dazu ge- haben hier das letzte Wort; das ist vielleicht auch führt, dass man sich Eigentum leisten konnte - nicht schlecht. Zur Einbringung ist das in der Tat zumindest dann, wenn man es denn wollte. Und so üblich. gewollt wird das von sehr, sehr vielen jungen Fa- milien. Auch das ließe sich statistisch belegen. Bitte schön, Herr Kollege! Dieser Konsens ist aber irgendwie aufgekündigt Peer Lilienthal (fraktionslos): worden, könnte man meinen. Warum eigentlich? - In den letzten Jahren ist es für junge Familien sehr Herr Präsident, das hat auch mich überrascht. schwer geworden, sich ein Eigenheim zu leisten. Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich. Schauen Sie sich die Preisentwicklungen an! Ein „Eigentümerland Niedersachsen“ - leider nicht! Im Anhaltspunkt sind die Bodenrichtwerte. Sie sind ja Gegenteil: Sie und wir wissen, dass die Eigen- mittlerweile, seit diesem Jahr, kostenlos einsehbar. tumsquote in Deutschland im europaweiten Ver- Sie sind unheimlich gestiegen. Aber wenn man in

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die Realität, also z. B. auf Immobilienportale, (Heiterkeit - Wiard Siebels [SPD]: schaut, dann sieht man, dass das nicht annähernd Aber da kann man wieder sehen, das abbildet, was im Moment abgeht. Es ist also dass ich unschuldig bin!) ein unheimlicher Kostendruck im Eigenheimmarkt. - Naja, so ganz nicht. Also, nicht allein schuldig. Aber warum ist das eigentlich so? Was sind die Sagen wir es mal so, Herr Kollege. Gründe? (Johanne Modder [SPD]: Ich bin auf Das sind zum einen die niedrigen Zinsen. Was für Ihrer Seite, Herr Kollege!) den Landeshaushalt ganz besonders toll ist, ist für Herr Kollege, bitte fahren Sie fort! den Eigenheimkäufer katastrophal. Das wirkt gleich zweifach: Erst einmal können sich die Leu- Peer Lilienthal (fraktionslos): te - vermeintlich! - mehr Eigenheim leisten, können Vielen Dank. also mehr finanzieren. Darüber freuen die sich auch noch, ohne zu verstehen, dass Kaufpreis und Wenn wir das jetzt noch einmal durchgehen, sehen Zinsniveau zusammenhängen. Und zweitens ist es wir, dass alle Faktoren, die ich eben genannt habe, so, dass bei den geringen Zinsen quasi die Flucht durch die Politik bestimmbar sind. Das ist ein Be- vom Sparbuch ins Betonsparbuch naheliegt. Die reich, bei dem im Prinzip marktliche Mechanismen niedrigen Zinsen haben also eine doppelte Wir- komplett in die Hand der Politik gelegt wurden. Die kung. - Sie tun unseren Eigenheimkäufern also Notarkosten, die Grunderwerbsteuer sind per Ge- eine ganze Menge an, um die südeuropäischen setz festgelegt, und auch alle anderen Faktoren, Staaten zu retten! die von mir aufgezählt wurden, ließen sich politisch regeln. Vielleicht mit Ausnahme des Drangs zu Der zweite Grund ist das geänderte Wohnverhal- kleineren Familien. Das ließe sich möglicherweise ten. Ganz klar, wir haben eine Vereinzelung. Viele nicht politisch regeln, zumindest nicht kurzfristig. Leute in Hannover wohnen in Einzelwohnungen, in Aber alle anderen Sachen natürlich schon, und Singlewohnungen usw. Das führt zu einem Ver- insofern geht der Antrag in genau die richtige Rich- drängungseffekt, der darin besteht, dass letztend- tung. lich auch mehr Leute in Eigenheime wollen. Vermutlich wird der Antrag abgelehnt. Nichtsdes- Und - jetzt komme ich zu dem Antrag - auch die totrotz hat die Landesregierung ja artikuliert, dass Kaufnebenkosten wie Notar, Makler oder Grund- sie Eigentum fördern möchte. Aber dazu habe ich erwerbsteuer, die ja an den Kaufpreis gekoppelt in dieser Legislatur noch nichts gesehen. Es wäre sind, wirken quasi wie ein Preissteigerungsturbo, doch mal ein Anfang, wenn man diesen Antrag als machen das Ganze also noch einmal teurer. Anstoß nehmen würde und sagt: Okay, das geht. Ein weiterer Grund ist - das habe ich neulich im Bei der Grunderwerbsteuer wird immer argumen- Spiegel gelesen, der sich mit dem Thema schwer- tiert - das ist ein Klassiker und kommt hundertpro- punktmäßig befasst hat - die Zuwanderung. Also: zentig auch gleich wieder von der Regierungssei- Sogar vom Spiegel erkannt, unter Experten so- te -: „Wir wollen das nicht bürokratischer machen.“ wieso unstrittig. Der Spiegel schreibt dann auch Aber ein Freibetrag, wie er hier vorgeschlagen noch: die innereuropäische Zuwanderung. wurde, ist im Prinzip eine Fingerübung - und nicht (Unruhe - Glocke des Präsidenten) Bürokratie! Das ließe sich relativ leicht machen. Da müsste man jetzt noch einmal näher gucken, Von daher: Nicht dahinter verstecken! Oder Sie was das genau ist. Aber es ist doch klar: Wenn erklären den Leuten einfach einmal, wie Sie junge mehr Menschen in einem Lebensraum wohnen, Familien ins Eigentum bringen wollen. dann wird, wenn alle anderen Faktoren gleich blei- Vielen Dank. ben, das Wohnen natürlich teurer. (Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten) Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Herr Kollege, Augenblick, bitte! - Es ist im Bereich der sozialdemokratischen Fraktion, auch unter Vielen Dank, Herr Kollege Lilienthal. - Für die Frak- Beteiligung anderer Fraktionen, eindeutig zu laut. tion der CDU erteile ich dem Kollegen Holsten das Eindeutig! - Jetzt hat er es gemerkt. Aber er macht Wort. weiter. (Vereinzelt Beifall bei der CDU)

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Eike Holsten (CDU): immer mit der Frage verbunden: Wer soll das Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen nachvollziehen und prüfen? und Kollegen insbesondere der FDP! Bei der Ein- Doch neben den Fragen und Ausführungen in bringung Ihres Entschließungsantrags hatten wir Bezug auf Bürokratie und Finanzierbarkeit des einen Schlagabtausch, bei dem es vor allem um Antrags kam im Ausschuss seitens des Ministeri- überbordende Bürokratie ging - wir haben es eben ums noch ein weiterer, in meinen Augen entschei- gehört -, um den nicht zu beziffernden Ausfall von dender, kluger Hinweis dazu: Die Grunderwerb- Steuereinnahmen oder aber auch um Share Deals. steuer funktioniert neben der Einkommensteuer Letztere hat man auf Bundesebene jüngst einge- nur so lange gut, wie sie niedrig ist und nur mit hegt, wenngleich mit dem gefundenen Kompro- relativ wenigen Ausnahmen erhoben wird. Das miss erwartungsgemäß nicht alle einverstanden macht u. a. das Beispiel mit den eingangs erwähn- sind. Beim Finden des Kompromisses wurde sehr ten Share Deals deutlich. augenfällig, dass die Schwierigkeit auch darin be- Wirklich klug erscheint mir persönlich daher nur stand, dass man die 16 Bundesländer auf dem eine Verminderung der Grunderwerbsteuer, und Weg der Änderung des Grunderwerbsteuergeset- zwar ohne jedwede Ausnahme. Eine angemessen zes mitnehmen wollte, um nachher im Bundesrat niedrige Grunderwerbsteuer schafft Möglichkeiten, die Zustimmung zu erhalten. Eigentum zu erwerben. Ausnahmen hingegen schaffen häufig Ungerechtigkeiten. Als Land sollte Das gilt umso mehr bei dem Bestreben, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer einzuführen, daher unsere oberste Prämisse sein, wenn wir mehr Eigentümer in diesem Land möchten, die wie hier von Ihnen vorgeschlagen. Zwar hatte man Steuern zu senken, wann immer hierfür Spielräu- sich in der Großen Koalition im Bund darauf ver- ständigt, diesen zu prüfen. Abschließend ist das me gegeben sind. Ich bedauere ausdrücklich, dass das in dieser Legislaturperiode nicht gelungen ist. aber ersichtlich nicht erfolgt, was sicherlich mit der Vielstimmigkeit der besagten Bundesländer zu tun (Zustimmung bei der CDU) hatte, denen Sie mit ihrem Vorschlag ja an eine Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wie ganz wesentliche Einnahmequelle herangehen schon im Ausschuss lehnen wir Ihren Antrag auch wollen. heute im Plenum ab. Er ist aber sicher nicht für die Laut MF, das sich bei seinen Zahlen auch etwas große Ablage geschrieben. Der liest sich gut. Den an Ihren Zahlen orientiert hat, drohen dem Land könnten Sie im Grunde 1 : 1 ins Wahlprogramm bei Umsetzung des Entschließungsantrags Ein- schreiben. Wenn ich es nicht besser wüsste, fände nahmeausfälle zwischen 520 und 780 Millionen ich, dass Sie dafür durchaus wählbar wären. Und Euro, berechnet auf der Grundlage, dass 2020 in dann heißt es: Wiedervorlage in wenigen Wochen Niedersachsen rund 1,3 Milliarden Euro mit der im Wahlkampf und vielleicht ja auch in den Koaliti- Grunderwerbsteuer eingenommen wurden und onsverhandlungen im Herbst. dass mit einem Wegfall von 40 bis 60 % zu rech- (Zurufe von der FDP: Oh!) nen sei. Wie Sie diese Ausfälle kompensieren wollen, haben Sie noch nicht hinreichend aufzei- Liebe FDP, Sie wollen das, und bei uns gibt es, gen können, weshalb sich dieses Manöver schon zumindest auf Bundesebene - so lese ich das - vor diesem Hintergrund im Grunde verbietet. offenkundig Sympathie für diesen Vorschlag, wenn ich das im Koalitionsvertrag, aber auch in der De- Zur Bürokratie. Das MF hat uns recht eindrücklich batte im Bundestag richtig nachvollzogen habe. geschildert, was es alles bedürfe, um Ihre Vorstel- lung eines Freibetrags umzusetzen: Regelungen, Bei der Gelegenheit: Ich finde, das wäre auch ein wie der Freibetrag verbraucht werden darf, zu wel- schönes Beispiel im Wahlkampf für die Wählerin- chem Zweck man ihn bekommt, wie lange man nen und Wähler, die sich ja mehr Unterscheidbar- sich an diese Zwecke halten muss, wie man bei keit der Parteien wünschen. Die könnte man hieran Nichteinhaltung rückabgewickelt, wer diese Um- vielleicht ganz nett festmachen. Da gibt es welche, stände überhaupt prüft. Freibetrag nur für Woh- die finden, man müsse ganz viel Geld ausgeben, nungen, Grundstücke und Häuser? Was ist mit wissen aber nicht, wo sie das Geld hernehmen Immobilien, in denen man wohnt und arbeitet? sollen und machen dann Schulden. Dann gibt es Muss man die Immobilie selbst nutzen und, wenn die, die die Belastung der Steuerzahler verringern ja, wie lange? Gibt es da Ausnahmen? - Diese wollen, aber dann nicht wissen, wie man all das, Liste hat das MF noch deutlich länger gefasst und was man bezahlen möchte, bezahlen soll. Das,

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würde ich sagen, ist die Kategorie FDP - zumin- (Wiard Siebels [SPD]: Die SPD ist zur dest im Wahlkampf, natürlich nicht im Regierungs- Stelle!) handeln. Und schließlich gibt es diejenigen, die das sehr, sehr klug in Einklang bringen können. Nachdem wir das nun auch geklärt haben, möchte Die sitzen auf dieser Seite des Saals und nennen ich Ihnen mitteilen - den einen oder anderen wird sich Christdemokraten es interessieren -, dass der Ministerpräsident mit- geteilt hat, dass er nach dem Tagesordnungspunkt (Beifall bei der CDU - Johanne Mod- 42 eine Unterrichtung über die Ergebnisse der der [SPD]: Ach herrje!) heutigen MPK abgeben möchte. Ich wollte Ihnen und sind dafür, wie ich finde, durchaus wählbar. das vorab mitteilen, dann können Sie sich entspre- chend darauf vorbereiten. (Johanne Modder [SPD]: Da warten wir mal ab, lieber Kollege!) Jetzt hat das Wort zum Tagesordnungspunkt 42 der Kollege Christian Grascha. Bitte schön. Ich ahne, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt: Wir werden unse- ren Teil dazu beitragen, im Herbst zu Koalitions- Christian Grascha (FDP): verhandlungen einladen zu dürfen. Liefern Sie Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- doch einfach Ihren Teil, und dann sehen wir Libe- legen! Wir haben mit dieser Initiative den Wunsch rale und Christdemokraten wieder gemeinsam vieler Bürgerinnen und Bürger im Land nach den rauchend auf dem Balkon! eigenen vier Wänden aufgegriffen. Es gibt eine (Johanne Modder [SPD]: Was soll das Sehnsucht danach, in den eigenen vier Wänden zu denn jetzt? - Weitere Zurufe) leben, und das hat nicht nur emotionale, sondern ganz rationale Gründe: Die Eigentumsbildung ist Und wenn Sie dann nicht nur die nötigen Prozente, ein wichtiger Baustein der eigenen finanziellen sondern auch den Willen zum Regieren mitbrin- Unabhängigkeit, und das gilt insbesondere für die gen, findet sich Ihr Antrag vielleicht in dem kom- Sicherung der Altersvorsorge. Deswegen ist es menden Koalitionsvertrag wieder. uns ein wichtiges Anliegen, die Eigentumsbildung Ich sage an dieser Stelle: Vielen Dank für die Auf- zu fördern, gerade angesichts der Tatsache, dass merksamkeit. wir in Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinken und eher eine geringe Eigentums- (Beifall bei der CDU) bildung haben.

Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Wir haben das aufgegriffen, was zu Beginn der Legislaturperiode auf Bundesebene angesprochen Herzlichen Dank, Herr Kollegen Holsten. wurde, dass man nämlich eine Gegenfinanzierung Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen schafft, indem man auf der einen Seite Share Grascha für die FDP-Fraktion das Wort gebe, Deals einschränkt und auf der anderen Seite einen möchte ich Ihnen mitteilen - - - Freibetrag einführt.

(Unruhe) Wir waren doch etwas verwundert: Wir haben über - Wenn Sie so nett sein wollen, Herr Kollege Lim- einen sehr langen Zeitraum immer wieder das burg, Herr Kollege Lechner! Herr Kollege Nacke Finanzministerium gefragt, ob man uns eine Aus- auch! kunft zu den finanziellen Auswirkungen der Einfüh- rung eines Freibetrags geben könne, haben aber (Anhaltende Unruhe - Jens Nacke nie eine Antwort bekommen. Uns wurde gesagt, [CDU]: Eben war es auf der anderen man könne es nicht richtig kalkulieren, weil die Seite laut!) einzelnen Sachverhalte nicht vorlägen. Aber in der - Was wollen Sie haben, um das zu klären: fünf Ausschussberatung, als es politisch willkommen oder zehn Minuten Pause? war, wurde dann eine Berechnung unserer Bun- destagsfraktion herangezogen! Das hat uns schon (Alptekin Kirci [SPD]: Also, ich kann etwas irritiert. gleich reden!) Gleichzeitig aber konnte zu den Share Deals über- - Sie sind immer sprechfähig, das kann ich mir gut haupt keine Auskunft gegeben werden. - Das alles vorstellen. - Alles klar. ist nicht so richtig zufriedenstellend gewesen. Inso-

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fern bleiben wir dabei, dass man über dieses The- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: ma zumindest gemeinsam diskutieren müsste. Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Er war vorhin Wir haben bei der Grunderwerbsteuer die Situati- sprechfähig und ist es jetzt hoffentlich auch noch: on, dass wir von Rekordeinnahme zu Rekordein- Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Kollege nahme eilen. Der Staat ist schließlich der Haupt- Alptekin Kirci. Bitte schön! profiteur der Baupreis- und der Immobilienpreis- entwicklung. Die Bautätigkeit nimmt ja erfreuli- Alptekin Kirci (SPD): cherweise auch zu, aber insbesondere steigen die Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Preise, und damit steigen auch die Steuereinnah- und Herren! Herr Grascha, ich dachte eigentlich, men. Davon einen Teil an die Bürgerinnen und Sie würden den Antrag zurückziehen - nach der Bürger zurückzugeben, ist aus unserer Sicht die Rede von Herrn Birkner, in der er gerade davon Pflicht des Staates. sprach, dass wir sparen müssten, weil die fetten (Zustimmung bei der FDP) Jahre vorbei seien. Aber Sie wollen jetzt Steuerge- schenke verteilen. - Sie widersprechen sich ja Deswegen ist es Zeit für Entlastung, deswegen ist komplett! es Zeit für Anreize bei der Eigentumsbildung. (Beifall bei der SPD) Herr Kollege Holsten, wenn man hier bürokratische Gründe finden will, warum das alles nicht möglich Die Forderung - ich habe das in der Historie einmal ist, warum das alles schwierig ist und wo noch verfolgt - nach einem Freibetrag bei der Grunder- Fragestellungen sind, dann findet man die natür- werbsteuer ist so etwas wie ein politischer Untoter. lich auch. Das ist doch völlig klar. Aber wir sind der Ihr Parteichef, Herr Christian Lindner, hat bereits Auffassung, wir sollten eher Gründe finden, den 2016 einen Freibetrag ins Gespräch gebracht, Freibetrag einzuführen. Wir hatten gedacht, dass 2017 erneut und 2018 ein weiteres Mal und dies die CDU an unserer Seite ist, aber leider haben wir schließlich auch 2019 wiederholt. Lindner hat die uns in diesem Punkt getäuscht. Grunderwerbsteuer bei einer seiner Vorstöße als eine Art Strafsteuer bezeichnet - Sie sprechen ja Ich hätte mir gewünscht, dass Sie eine Initiative auch davon, dass der Staat Profiteur sei -, die des Landeswirtschaftsministers Bernd Althusmann zunehmend den Erwerb von selbstgenutzten Im- aufgegriffen hätten. Vor Kurzem habe ich in Stein- mobilien für Familien verhindere. garts „Morning Briefing“ gelesen, dass der Wirt- schaftsminister einen Reformplan für den Bund Dieses Argument wird auch von einigen Immobi- vorgelegt hat. Da war die Rede davon, Wachs- lienverbänden vertreten, deren Lobbyarbeit Sie tumsimpulse zu setzen: Es müsse etwas gegen hier machen wollen. das Hochsteuerland getan werden, es müssten Die Zahl der Eigentumswechsel spricht dagegen Unternehmen und Privathaushalte endlich entlas- eine ganz andere Sprache. Sie ist in Niedersach- tet werden. Es war auch die Rede davon, die sen nahezu konstant, die Unsicherheiten der Grunderwerbsteuer auszusetzen. Corona-Krise haben den Zahlen keinen Abbruch Ich würde mir wünschen, so etwas nicht nur mor- getan - trotz fortgesetzt steigender Immobilienprei- gens zu lesen, sondern es auch hier im Landtag zu se. diskutieren. Ich hätte richtig Lust darauf, Impulse Darf ich Sie, lieber Herr Grascha, daran erinnern, zu setzen und entsprechende Punkte anzuspre- dass unter Ihrer Regierungsbeteiligung im Jahr chen. Es wäre gut, wenn es hier vergleichbare 2011 die höchste Erhöhung des Grunderwerbs- Initiativen der CDU geben würde und man den teuersatzes in der Geschichte des Landes Nieder- Wirtschaftsminister unterstützt. Natürlich, Herr sachsen stattgefunden hat? Holsten, könnte man in dem Zusammenhang auch über eine Senkung der Steuer diskutieren. Dage- (Frauke Heiligenstadt [SPD]: Hört! gen habe ich nichts, das würde auch einen Teil Hört!) unserer Forderung erfüllen. Aber statt einer blan- - 2011! ken Ablehnung wäre ich dafür, über dieses Thema einmal sachgerecht zu diskutieren. Und dass Nordrhein-Westfalen einen Grunder- werbsteuersatz von 6,5 % hat? Ihre Kollegen in Vielen Dank. Nordrhein-Westfalen könnten dort etwas machen, (Zustimmung bei der FDP) machen es aber nicht.

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Sehr geehrte Damen und Herren, das ifo-Institut Vizepräsident Frank Oesterhelweg: für Wirtschaftsforschung hat sich in einer Studie Vielen Dank, Herr Kollege Kirci. - Jetzt hat Herr der Frage gewidmet, ob die Grunderwerbsteuer Kollege Stefan Wenzel für die Fraktion Bünd- den Immobilienerwerb erschwert. Das Ergebnis ist nis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön! insoweit überraschend: Nach Meinung der Wirt- schaftsforscher senkt die Grunderwerbsteuer die Stefan Wenzel (GRÜNE): Nettopreise für Immobilien sogar, weil Verkäufer Sehr geehrter Herr Präsident! Um es vorwegzu- sie sozusagen in Abschlag bringen, um den Ver- nehmen: Wir werden uns der Stimme enthalten. kauf realisieren zu können. Fiele die Steuer durch Der Antrag enthält interessante Aspekte - wir hat- den, wie von Ihnen gefordert, üppig ausgestatten ten das bei der Einbringung schon erwähnt -, aber Freibetrag faktisch weg, wäre der Effekt vorher- er bringt es nicht so auf den Punkt, wie wir uns das sehbar. vorstellen würden. Sie, Herr Grascha, haben bei der zurückliegenden Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht, endlich Debatte in Ihrer Zwischenfrage angedeutet, dass eine Lösung für diese Share Deals zu finden. Man Sie den Staat für einen Profiteur der Entwicklung kann es den Bürgerinnen und Bürgern einfach am Immobilienmarkt halten. Niedersachsen ist kein nicht erklären, warum sie, wenn sie ein Grundstück Teilnehmer auf diesem Markt und reguliert ihn erwerben, Grunderwerbsteuer zahlen müssen, auch nicht. Selbstverständlich steigen die Einnah- aber warum keine Grunderwerbsteuer anfällt, men aus der Grunderwerbsteuer, wenn die Preise wenn ein großer Konzern ein Unternehmen er- für Wohnungen, Häuser und Baugrundstücke fort- wirbt, zu dem auch Flächen gehören. Es gibt über- während steigen. haupt keinen Grund dafür, ausgerechnet sehr po- Die Grunderwerbsteuer macht etwa 5 % des Län- tente Marktteilnehmer zu entlasten. Das erscheint dersteueraufkommens aus. Der Kollege Holsten mir total widersinnig zu sein. Das lässt sich höchs- hat es gesagt, und Sie haben es auch angespro- tens historisch aufklären. chen. Zu der Kompensation der zwingend folgen- (Zustimmung bei den GRÜNEN) den Steuerausfälle von ca. 520 bis 780 Millionen Euro bei Gesamtsteuereinnahmen von 1,3 Milliar- Wenn diese Frage endlich geklärt ist, dann kann den Euro sagen Sie überhaupt nichts. Eine sachli- man auch die andere Frage klären, die in dem che Begründung für den Steuerverzicht ist ebenso Antrag der FDP angesprochen wird. Allerdings nicht erkennbar. Die aber hätte ich erwartet, weil muss man da noch mal an den Bürokratieaufwand Herr Birkner eine flammende Rede zur Haushalts- denken, weil man dann eigentlich für die ganze disziplin gehalten hat. Lebenszeit eine Datei vorhalten müsste, um si- cherzustellen, dass sozusagen jede Person nur (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Absolut!) einmal von diesem Recht Gebrauch macht. Mög- - Aber dann erklären Sie das einmal dem Kollege licherweise gibt es da auch andere Instrumente, Grascha. Da ist ja ein Widerspruch. die bei der Förderung dieses Zwecks zielführender wären. (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Der ist noch schlimmer als ich!) So weit von meiner Seite. Wie gesagt, wir enthal- ten uns heute bei dem Antrag. - Das merke ich. Vielen Dank fürs Zuhören. Sie stellen hier eine Politik nach Wunschdenken vor, für die Ihr Parteivorsitzender seit Jahren aus (Zustimmung bei den GRÜNEN) guten Gründen vergeblich wirbt. Ihre Versuche werden weiter vergeblich bleiben, weil ein solcher Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Freibetrag nach Auffassung eines führenden Wirt- Herzlichen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Zu Wort schaftsforschungsinstituts nicht einmal denen hilft, gemeldet hat sich nun für die Landesregierung - - - die Immobilien erwerben wollen. (Frauke Heiligenstadt [SPD]: Ich Das kann hier keine politische Zustimmung finden, dachte, Eigentum verpflichtet! - Ge- weil es finanzpolitischer Unsinn ist. genruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE]) Danke schön. - Frau Heiligenstadt, Frau Hamburg, beruhigen Sie (Beifall bei der SPD) sich doch! Jetzt kommt noch der Finanzminister.

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Das ist sicherlich ein weiteres Highlight in dieser durch leichte Zugaben des Staates sehr viele ei- Debatte. Und dann können Sie ja noch mal ein- gene Investitionen auszulösen. greifen. Meine Damen und Herren, die Diskussion über (Helge Limburg [GRÜNE]: Vor allem den Freibetrag ist nicht neu. Die FDP hat das 2017 haben wir dann noch zehn Minuten! - schon mal aufgelegt. Insofern ist das ein Ever- Heiterkeit) green, der gelegentlich mal wiederkommt. Neue Argumente sind aber meines Erachtens nicht hin- Bitte schön, Herr Minister Hilbers! zugefügt worden.

Reinhold Hilbers, Finanzminister: Die Grunderwerbsteuer ist eine Objektsteuer, eine Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Verkehrssteuer. Sie orientiert sich also an dem Herren! Ob das ein Highlight wird? - Wenn Sie sich Zustandekommen des Geschäfts, an dem Ge- da bei diesem Thema mal nicht zu viel verspro- schäftsverkehr, der dort stattfindet. Insofern ist sie chen haben! Ich werde aber mein Bestes geben. auch nicht geeignet, mit besonderen Förderinstru- menten bedacht zu werden - weil sie dann eben (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Bei nicht zielgerichtet fördert! Sie würde ja nicht nur Ihnen ist doch die Wahrscheinlichkeit diejenigen fördern, die das benötigen, sondern sie groß!) würde über alle Bereiche fördern und auch sehr Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will viel Förderung dort ausschütten, wo das nicht er- ja auch betonen: Die Förderung des Erwerbs von forderlich ist und wo der Eigentumserwerb auch so Eigentum, die Steigerung der Eigentumsquote und stattfinden würde. die Möglichkeit, zu einem Eigenheim zu kommen, Das würde dazu führen, dass es bei uns erhebli- heiße ich gut. Das unterstützen wir auch ausdrück- che Einnahmeausfälle gibt, die wir nicht einfach lich. kompensieren könnten und die wir auch nicht ein- Im Ergebnis muss man analysieren, dass ver- fach beziffern könnten, weil wir diesen Tatbestand schiedene Faktoren dazu beigetragen haben, dass bisher nicht erheben. dies in letzter Zeit schwieriger geworden ist. Die Und es würde erhebliche Ressourcen in den Fi- Niedrigzinspolitik auf der einen Seite ermöglicht es, nanzämtern binden, weil wir eben doch feststellen leichter Kapitaldienst zu erbringen. Auf der ande- müssen, dass es ein sehr bürokratisches Instru- ren Seite hat das aber dazu geführt, dass durch ment ist. Man muss schauen, ob das Objekt wirk- das verstärkte Drängen in Sachwerte so etwas wie lich selbst benutzt wird, ob es auf längere Zeit eine Vermögensinflation stattgefunden hat. Die selbst bewohnt wird. Man muss das nachhalten. Investitionen in Vermögenswerte sind von den Man muss das kontrollieren. Man muss am Ende Preisen her stark angestiegen. Baupreise sind dann auch diejenigen zur Kasse bitten, die das angestiegen, Baumaterialpreise sind angestiegen, unter Umständen anschließend anders nutzen. die Preise für Bauland sind gestiegen. Das haben Das muss ja gar nicht böswillig erfolgen. wir allenthalben kennenlernen dürfen. Das hat auch damit zu tun, dass sich die niedrigen Zinsen Vizepräsident Frank Oesterhelweg: am Ende in Nachfrage ausgezahlt haben und dann die Preise wieder entsprechend erhöht haben. Die Herr Minister, ich habe immer gedacht, dass Sie Niedrigzinspolitik der EZB ist also auch an dieser irgendwann einen Punkt machen. Ich habe aber Stelle nicht nur vorteilhaft. Man sieht exemplarisch, immer nur Kommata wahrgenommen. dass sie auch zu Fehlallokationen in der Volkswirt- (Heiterkeit) schaft führt. Das sind Themen, die man dabei auch in den Blick Der Kollege Grascha wollte ganz gerne eine Zwi- nehmen muss, wie auch andere Faktoren, die schenfrage stellen. Können wir die zulassen? dazu dienen, Vermögen in Arbeitnehmerhand, Vermögen bei Sparern anzusammeln und entspre- Reinhold Hilbers, Finanzminister: chende Möglichkeiten zu schaffen. Das Baukin- Aber gerne! dergeld ist beispielsweise so ein Instrument, das ich für sehr wichtig und gut halte, und ich würde es Vizepräsident Frank Oesterhelweg: auch für vernünftig halten, wenn man das fortsetzt. Bitte schön, Herr Kollege Grascha! Es knüpft da an, durch Investitionen des Staates,

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Christian Grascha (FDP): Wenn es viele Mehreinahmen gäbe, dann würde Das ist sehr nett, Herr Minister. es, glaube ich, sehr viel Unmut im Mittelstand ge- ben, weil gerade bei den Kapitalgesellschaften Ich habe eine Zwischenfrage zu dem eben ange- dann viele Geschäfte mit einbezogen werden wür- sprochenen Reformplan von Wirtschaftsminister den, die in Wirklichkeit keinen Übergang von Althusmann für den Bund. Vor dem Hintergrund, Grundstücken bedeuten, sondern eine Änderung dass ich die Argumente zunächst einmal zur von Unternehmensbeteiligungen. Kenntnis genommen habe, die gegen den Freibe- trag sprechen, würde mich interessieren, ob Sie Deswegen glaube ich, dass das keine vollumfäng- wissen, was genau der Wirtschaftsminister mit liche Lösung dafür ist und auch keine Kompensati- „Aussetzung Grunderwerbsteuer“ meint? on dafür, an dieser Stelle sehr viel nachzulassen. (Zustimmung bei der FDP) Ich glaube, dass wir sehr genau schauen müssen, wie wir vernünftige Lösungen bekommen. Ihr Frei- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: betrag ist für mich keine vernünftige Lösung. Obendrein ist das nicht die richtige zielführende Bitte schön, Herr Minister! Maßnahme, um dem gesamten Thema gerecht zu werden. Reinhold Hilbers, Finanzminister: Herr Kollege Grascha, wir werden über alle Fakto- Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer wer- ren reden. Wenn wir über die Grunderwerbsteuer den - sobald die Haushaltslage das zuließe - in der reden, reden wir auch über den Block Share Deals, Tat eine Frage des Hebesatzes. Ich glaube, dass zu dem ich gleich noch komme und bei dem ich all die Problematiken, die wir dort haben, eine Fra- glaube, dass wir eine vollumfängliche Lösung ge des Hebesatzes sind. Ich bin froh, dass wir in brauchen. Wenn man das lösen will - und so hat Niedersachsen in dieser Wahlperiode den Hebe- der Wirtschaftsminister das auch gemeint -, muss satz von 5 % nicht erhöht haben. Obwohl wir große man sich das Thema Grunderwerbsteuer ganzheit- Haushaltsprobleme haben und obwohl wir vor lich anschauen. Dann muss man schauen, zu wel- großen Herausforderungen stehen, haben wir chen Lösungen man kommt. Damit ist sicherlich ausdrücklich darauf verzichtet. Wir liegen in Nie- nicht eine rein isolierte Betrachtung eines Freibe- dersachsen mit unserem Beitragssatz gut im Mit- trages, wie Sie ihn hier vorschlagen, gemeint. telfeld. Das Wichtigste ist, glaube ich, dass man Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wür- nicht ständig an der Beitragsschraube dreht, weil de also sehr viel Bürokratie auslösen. Und wir man dann nämlich wirklich hilft, den Satz insge- hätten dort doch erheblichen Verwaltungsaufwand, samt niedrig zu halten. Das ist bei einer Verkehrs- den wir an der Stelle nicht wollen und der auch steuer immer sehr wichtig, weil man damit dafür nicht zielführend ist. sorgt, dass diese Grundstücksgeschäfte auch stattfinden. Sie haben die Änderung des Grunderwerbsteuer- gesetzes angesprochen, die im Bundesrat beraten Ihr Ansatz zur Eigentumsförderung ist nicht zielfüh- worden ist. Sie meinen damit die Share-Deal- rend. Deswegen freut es mich sehr, dass die Re- Betrachtung. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie hoch gierungsfraktionen sich entschieden haben, diesen die zusätzlichen Einnahmen in Niedersachsen sein Antrag abzulehnen. Ich kann das nur ausdrücklich werden, wenn wir zukünftig Share Deals besteu- begrüßen. Er würde nicht zum Erfolg führen. Er ern. Ich glaube, dass die Regelungen, die getrof- würde uns hohe Einnahmeausfälle bescheren und fen worden sind, nicht zielführend sind, weil sie würde nicht mit den entsprechenden Ergebnissen zum einen nicht beinhalten, dass die Kapitalgesell- aufwarten. Daher ist es sehr konsequent, dass er schaften, die hier mit einbezogen werden sollen, hier abgelehnt wird. genauso behandelt werden wie Personengesell- schaften - mit den Ausnahmen, die möglich sind. Vielen Dank. Ich glaube, dass über Umgehungen wieder sehr (Beifall bei der CDU und Zustimmung viele Ausnahmetatbestände konzipiert werden bei der SPD) können, weil man es nicht ganzheitlich angegan- gen ist. Ich glaube auch, dass die Absenkung auf 90 % keine große Wirkung zeigen wird. Deswegen Vizepräsident Frank Oesterhelweg: verspreche ich mir von dem Gesetz nicht allzu viel Vielen Dank, Herr Minister Hilbers. an Mehreinahmen.

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Meine Damen und Herren, wir kommen nun, da tungen der Bundesregierung, über die diskutiert keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, zur Ab- worden ist. Das ist bei zwei Themen ständig der stimmung. Fall.

(Unruhe) Dabei geht es erstens um die Entwicklung der Energiewende. Die Bundesregierung hat über den - Frau Kollegin Hamburg, Herr Kollege Limburg, Stand des Netzausbaus berichtet. Wir haben sei- wir würden jetzt gerne abstimmen - und Sie wahr- tens der Länder vor allen Dingen darauf aufmerk- scheinlich auch. sam gemacht, dass mit einer Verschärfung von (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ich Klimaschutzzielen eine Beschleunigung des Aus- bin bereit!) baus und des Transports von erneuerbaren Ener- gien notwendig ist; denn ohne die erneuerbaren Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Energien lassen sich verschärfte Klimaschutzziele folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP nicht erreichen. Die Bundesregierung wird, gewis- in der Drucksache 18/8720 ablehnen will, den bitte sermaßen in Vorarbeit für die Nachfolgeregierung, ich um ein Handzeichen. - Das sind die regierungs- entsprechende Vorarbeiten leisten, wie die Bun- tragenden Fraktionen und ein fraktionsloser Kolle- deskanzlerin uns berichtet hat. ge. Wer ist dagegen? - Die Fraktion der FDP. Wer enthält sich? - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Zweitens die Digitalisierung der Verwaltung, also nen. Dann ist der Beschlussempfehlung des Aus- insbesondere betreffend den Sachstand zum Onli- schusses gefolgt worden. ne-Zugangsgesetz. Auch dazu gab es einen Be- richt der Bundesregierung, ohne dass darüber Wir kommen zu Beschlüsse zu fassen gewesen wären.

Drittens das Thema Corona mit drei Unterpunkten. Außerhalb der Tagesordnung: Der erste Punkt war, wie wir mit Großveranstaltun- Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten gen umgehen, also insbesondere solchen, die über die Ergebnisse der heutigen Ministerprä- länderübergreifend gleich sind, wie beispielsweise sidentenkonferenz Spiele der Fußballbundesliga oder Konzerttour- neen. Es gibt den Auftrag an die Runde der Chefs der Staatskanzleien, innerhalb der nächsten ein Meine Damen und Herren, wie bereits mitgeteilt, bis zwei Wochen hierzu einen zwischen Bund und hat Herr Ministerpräsident Weil die Absicht, eine Ländern abgestimmten Vorschlag auf den Tisch zu Unterrichtung über die Ergebnisse der heutigen legen. Nach unserer Einschätzung dürfte das auch MPK abzugeben. Ich erteile ihm dafür das Wort. nicht auf große Schwierigkeiten stoßen; denn wir Bitte schön, Herr Ministerpräsident! können uns dabei an einer entsprechenden ge- meinsamen Beschlussfassung aus dem letzten Stephan Weil, Ministerpräsident: September orientieren. Der Beschluss wird darauf Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zu überprüfen sein, was jetzt nicht mehr notwen- Ich möchte Sie gerne über die Ministerpräsiden- dig, aber auch was hinzukommt. Damals hat z. B. tenkonferenz mit der Bundeskanzlerin unterrichten, die Frage der Tests keine Rolle gespielt. Von der die vor etwa einer Stunde zu Ende gegangen ist. Praxis her wird man sich das, so denke ich, im Ich gebe diese Unterrichtung nicht etwa deswe- Wesentlichen in dem Rahmen vorstellen können, gen, weil besonders spektakuläre Ergebnisse zu wie am vergangenen Wochenende in Braun- berichten wären. Aber es versteht sich von selbst, schweig bei den Deutschen Leichtathletikmeister- dass Sie, wenn das Plenum tagt und natürlich schaften schon einmal zu besichtigen gewesen ist. auch die Medien unterrichtet sind, die Möglichkeit Zweiter Unterpunkt: Die Bundesregierung hat über haben sollen, von mir zu hören, wie ich diese die zu erwartende Menge an Impfstoff berichtet - Stunden wahrgenommen habe. mit dem für uns alle ernüchternden Ergebnis, dass Wenn Sie so wollen, war das Spektakuläre an es nach wie vor keine verlässlichen, belastbaren, dieser Sitzung das Unspektakuläre; denn das war konkreten Zusagen der Impfstoffhersteller, insbe- ein reines Arbeitstreffen, wie wir es schon lange sondere für den Juli, gibt. Das ist natürlich etwas, nicht mehr hatten, und Corona war nicht etwa völ- worauf wir alle sehr warten. Aber da gehen die lig dominant, sondern ein Thema von manchen Hersteller, gewissermaßen schon einer nicht so anderen. Es gab im Wesentlichen Berichterstat- guten Tradition folgend, nicht über unverbindliche

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Planungen hinaus. Wir werden die weitere Ent- sprechung zu eröffnen, wenn dies von zehn Mit- wicklung weiterhin abwarten müssen. gliedern des Landtages verlangt wird. - Ich sehe keine Wortmeldung, es macht niemand Anstalten. Dritter Unterpunkt, vielleicht nicht der uninteres- Also beende ich jetzt ganz schnell diesen Punkt santeste Punkt hier im Landtag. Die Bundesregie- und stelle, ehe es sich die Kollegen noch anders rung will die Arbeit der Impfzentren zum 30. Sep- überlegen, fest, dass eine Aussprache nicht ge- tember beenden. Es bestand Einigkeit darüber, wünscht wird. dass wir es im Sommer mit einem Wettlauf zu tun haben: Wir müssen versuchen, so schnell wie (Heiterkeit) möglich so viele Menschen in Deutschland zu ver- Wenn Sie so weit sind, Herr Kollege Toepffer, impfen, damit im Herbst eine mögliche weitere dann machen wir mit dem letzten für heute vorge- Infektionswelle durch Mutationen keine Resonanz sehenen Punkt weiter, nämlich finden kann. Das ist ein sehr wichtiges Thema. Ich habe für das Land darauf aufmerksam gemacht, dass vor die- Tagesordnungspunkt 43: sem Hintergrund eine Beendigung der Tätigkeit Abschließende Beratung: der Impfzentren dringend noch einmal hinterfragt Einsatz künstlicher Intelligenz zur Suizidprä- werden sollte, vor allen Dingen auch deswegen, vention und Verbesserung der Sicherheit in weil die „Schleifspuren“ natürlich sehr viel früher zu niedersächsischen Justizvollzugsanstalten - sehen sind. Denn wenn zum 30. September die Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Tore eines Impfzentrums geschlossen werden, CDU - Drs. 18/8729 - Beschlussempfehlung des dann hört man Mitte Juli mit den Erstverimpfungen Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - mit AstraZeneca und Mitte August mit der Erstver- Drs. 18/9420 impfung bei weiteren Impfstoffen auf. Das heißt, exakt in dem Zeitraum, in dem wir besonders viel Druck auf die Pipeline geben wollen, würde uns Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unver- ein weiterer Vertriebskanal nur noch mit zuneh- ändert anzunehmen. mend abnehmender Tendenz zur Verfügung ste- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. hen. Ich halte das für nicht klug. Ich habe mich gefreut, dass die Bundeskanzlerin erklärt hat, das Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Dr. Nie- noch einmal überprüfen zu wollen. werth-Baumann für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin! Zum Schluss zum Stichwort Bundeskanzlerin. Das war die letzte, jedenfalls die letzte reguläre Minis- (Vereinzelt Beifall bei der CDU) terpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nun ist es ein bisschen schwierig, Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU): über Videokonferenzen Wehmut aufkommen zu Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der lassen, aber dass das ein besonderer Moment Ministerpräsidentenkonferenz direkt in die Justiz- war, dessen waren wir uns alle bewusst. Wir ha- vollzugsanstalten in Niedersachsen! ben uns noch einmal vergewissert, dass es doch (Heiterkeit) eigentlich immer recht schön war. - So kommt man zu später Stunde noch einmal zu (Heiterkeit und Beifall bei allen Frakti- Aufmerksamkeit! onen) Künstliche Intelligenz kann vieles und wird in im- Schön, wenn man aus der Distanz doch noch zu mer mehr Bereichen eingesetzt, so auch bald in so einem solchen Resümee gelangen kann! unseren Justizvollzugsanstalten. Jeder Suizid ist Herzlichen Dank. eine Tragödie und jeder Suizid ein Suizid zu viel. Viel Gewalt könnte in unseren Justizvollzugsan- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) stalten verhindert werden. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Suizidprävention und Verbesserung Vizepräsident Frank Oesterhelweg: der Sicherheit in JVAs kann hier ein Schritt in die Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. richtige Richtung sein. In Nordrhein-Westfalen gibt es seit zwei Jahren ein Pilotprojekt, das sehr gut Meine Damen und Herren, nach unserer Ge- läuft. schäftsordnung ist über die Ausführungen die Be-

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Natürlich - das ist wichtig, zu betonen - soll Künst- Ich danke der Justizministerin dafür, dass sie den liche Intelligenz kein Personal einsparen oder per- Antrag von Anfang an positiv begleitet hat, und sönliche Kontakte ersetzen. Wir sind mit dem Ver- freue mich darauf, dass wir die Chancen nutzen band Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter können, die Künstliche Intelligenz ergänzend ein- der Meinung, dass Künstliche Intelligenz kein Er- zusetzen. satz für einen Bediensteten oder eine Bedienstete Ich danke für die Aufmerksamkeit. sein soll, sondern nur eine Unterstützung für das Personal. Menschliches Handeln kann durch (Beifall bei der CDU und Zustimmung Technik nicht ersetzt werden, aber es kann sinnvoll bei der SPD) ergänzt werden. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Allein oder mit dem Unterausschuss für Justizvoll- Herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat der Kol- zug habe ich mir viele Justizvollzugsanstalten in lege Dr. Marco Genthe für die FDP-Fraktion das diesem Land angesehen und habe einen Einblick Wort. Bitte schön! in die Videotechnik bekommen. Die Monitorüber- wachung bestimmter Bereiche stellt höchste An- Dr. Marco Genthe (FDP): forderungen an die Konzentration und an die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Wahrnehmungsfähigkeit des Personals. Es ist sehr es um die Videoüberwachung geht, bin ich ja bei schwierig, alle Bilder permanent im Blick zu behal- jeder Diskussion schon etwas skeptisch und lege ten. Auf Künstlicher Intelligenz basierende Über- sehr viel Wert darauf, dass eine solche Überwa- wachungssysteme können hier für Entlastung sor- chung tatsächlich auch geeignet und verhältnis- gen. Sie erkennen z. B. Messer oder Schlingen mäßig im Einzelfall ist. sowie riskante Verhaltensweisen und werten diese Bilder algorithmengestützt aus. Justizvollzugsbe- In Justizvollzugsanstalten ist eine Videoüberwa- amte erhalten ein entsprechendes Alarmsignal und chung durchaus in vielen Fällen verhältnismäßig gewinnen Zeit. und auch geeignet. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei dieser Technik könnte die Sicherheit Hier geht es nicht um blindes Vertrauen in Technik. für die Bediensteten, aber auch für die Insassen Es wird auch in Zukunft auf die Beobachtung und deutlich erhöhen. Insoweit ist es schon richtig, ein Einschätzung der Justizvollzugsbeamten mit ihrer entsprechendes Pilotprojekt jetzt anzugehen und hohen Sozialkompetenz ankommen. Das Zusam- zu eruieren, was die Technik in der Praxis in den menspiel aus Künstlicher Intelligenz und menschli- Justizvollzugsanstalten tatsächlich verbessern chem Handeln bietet aber die Chance, die Sicher- könnte. heit in unseren Justizvollzugsanstalten zu erhöhen. (Zustimmung bei der FDP) Keine Kamera, kein Algorithmus ersetzt einen Justizvollzugsbeamten, einen Therapeuten, einen Wenn wir von einem weiteren Einsatz Künstlicher Psychologen oder einen Seelsorger - jeweils auch Intelligenz bei der Videoüberwachung ausgehen in weiblicher Form. Aber Künstliche Intelligenz wollen, dann bedarf es allerdings auch einer Ver- kann die verantwortungsvolle und anspruchsvolle änderung des Justizvollzugsgesetzes, und da wird Arbeit des Justizpersonals erleichtern. Das For- dann auch der Datenschutz zu beachten sein. Das schungsprojekt bietet die Gelegenheit, diese Tech- gilt insbesondere dann, wenn es um die Überwa- nik zu erproben und auszuwerten. chung von Gemeinschaftsbereichen geht, also die Bereiche, die auch von Externen wie z. B. Rechts- Im Zuge der Novellierung des Niedersächsischen anwälten oder Sozialarbeitern usw. betreten wer- Justizvollzugsgesetzes schaffen wir die Grundla- den. Insoweit werde ich auch auf eine ganz enge gen für den Einsatz der technischen Assistenzsys- Einbindung der Landesdatenschutzbeauftragten teme. Diese dienen neben der Suizidprävention drängen. auch dem Schutz vor Gewalt gegen Personal oder In keinem Fall, meine Damen und Herren, darf Mithäftlinge. Auch jeder Übergriff, meine Damen diese Technik als Möglichkeit gesehen werden, und Herren, ist einer zu viel. Personal einzusparen oder den notwendigen Auf- bau von Personal nicht zu vollziehen; denn wir ha- (Glocke des Präsidenten) ben nach wie vor einen deutlichen Personalmangel - Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. in den Justizvollzugsanstalten. Diese Technik darf also wirklich nur eine Ergänzung sein.

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Das Ziel einer Justizvollzugsanstalt ist es, straffäl- setzes zu schaffen ist, zumal es hier wirklich nicht lig gewordene Menschen zu resozialisieren. Das um Kleinigkeiten geht. Kollege Genthe hat das erreicht keine Künstliche Intelligenz. Das erreichen gerade schon sehr gut ausgeführt. nur Menschen, und die brauchen wir auch in den Die Datenschutzbeauftragte hat erhebliche Beden- Anstalten. ken ob der tiefgreifenden, hochsensiblen Eingriffe Vielen Dank. in die Grundrechte geäußert. Der Verband der niedersächsischen Strafvollzugsbeamten und auch (Beifall bei der FDP) die Gefängnisleitungen haben darauf hingewiesen, dass das definitiv an einer Schnittstelle ist, die Vizepräsident Frank Oesterhelweg: ganz besonders sensibel zu betrachten ist, dass Herzlichen Dank, Herr Dr. Genthe. sie sich natürlich freuen, wenn es Entlastungen Ich habe eben ein bisschen Unmut gesehen, weil gibt, aber dann darf es auf gar keinen Fall zulasten die Reihenfolge der Redner offensichtlich nicht so der personellen Situation gehen. ganz nachvollzogen werden kann. Auch vor dem Hintergrund, dass wir angesichts der Erstens ist in § 70 nachzulesen, wie das eigentlich heutigen technischen Ausstattung vor erheblichen funktioniert. Ich bemühe mich im Großen und Gan- Investitionen und auch Begleitkosten stehen, Sie zen, die Worterteilung nach dem Eingang der Zet- aber hierzu bisher gar nichts gesagt haben, wun- telchen vorzunehmen. Nur, wenn die irgendwo hier dern wir uns, dass Sie an der Stelle so weit nach oben liegenbleiben und nicht bei mir ankommen, vorne rennen, obwohl eben viele grundsätzliche ist mir das nicht möglich. Dafür bitte ich um aller- Fragen ungeklärt sind, und gleichzeitig weder die größtes Verständnis. juristischen noch die haushalterischen Vorausset- zungen getroffen worden sind. Da ich jetzt immer noch nicht weiß, ob der Kollege Bajus oder der Kollege Zinke sein Zettelchen zu- Wenn ich dann auch noch sehe, dass es in NRW erst abgegeben hat, bereits ein entsprechendes Modellprojekt gibt, wir uns aber nicht mal die dortigen Erfahrungen ange- (Zuruf: Bajus!) schaut haben, muss ich ganz ehrlich sagen: Für ist jetzt Herr Bajus dran. Wenn er denn möchte, Eile besteht hier überhaupt keine Veranlassung. und wenn er sich jetzt auf den Weg macht! Wenn Das hätte man sich alles anschauen können. er das nicht tut, ist er jetzt nicht dran. (Beifall bei den GRÜNEN) Bitte schön, Herr Kollege! Daher bitte ich um Verständnis, dass wir nur we- gen der schicken Überschrift nicht zustimmen kön- Volker Bajus (GRÜNE): nen. Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch Herrn Zinke. Der Weisheit des Präsidiums würden Vielen Dank. wir hier nie widersprechen. Die Reihenfolge, in der (Beifall bei den GRÜNEN) Sie aufrufen, ist immer richtig; gar keine Frage. Das war nur eine kleine Irritation zwischen Herrn Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Genthe und mir. - Vielen, vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Für die SPD- Die Grünen werden dem Antrag heute nicht zu- Fraktion hat sich der Kollege Sebastian Zinke zu stimmen. Der klingt natürlich erst mal toll. „Künstli- Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege! che Intelligenz“ - das klingt modern, zukunftsorien- tiert und gleichzeitig sicherheitsbewusst. Das ha- Sebastian Zinke (SPD): ben wir auch im Ausschuss diskutiert. Aber es Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehr- bleibt am Ende eine gewisse Skepsis übrig, warum ten Damen und Herren! Wenn man den Antrag es mit dieser Eile geschehen musste. Ja, warum? liest, dann stellt man fest: Wir wollen mit diesem Ich finde, da hätte man ja nun den Sachverstand Antrag nicht die Künstliche Intelligenz einführen des Unterausschusses Justizvollzug nutzen kön- nen. Er wurde hier nicht vollständig genutzt. (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das geht auch nicht!) Ich verstehe übrigens auch nicht, warum man das von der Rechtsgrundlage entkoppelt, die erst mit - das geht auch nicht, wie der Kollege Birkner der Schaffung der Reform des Justizvollzugsge- sagt -, sondern wir wollen die Landesregierung mit

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diesem Antrag auffordern, sich für den Fall bereit- (Beifall bei der SPD und Zustimmung zumachen, dass wir eine gesetzliche Grundlage bei der CDU - Volker Bajus [GRÜNE]: schaffen. Das Justizvollzugsgesetz ist ja derzeit in Versuchen wir es!) der Beratung. Da werden wir das, was Sie hier zu Recht fordern, erledigen, und zwar im dafür zu- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: ständigen Unterausschuss. Vielen Dank, Herr Kollege Zinke. - Wir sind uns (Zustimmung bei der SPD und bei der hier oben in der Vermutung einig, dass die Wort- CDU) meldung, die wir hier noch haben, die der Frau Justizministerin liegt. Da stehen kein Name und Ich darf diesem Unterausschuss in dieser Wahlpe- keine Fraktion drauf. Aber sie ist in Grün geschrie- riode vorsitzen. Das ist eine große Ehre für jeman- ben. Von daher waren wir relativ dicht dran. den, der diesem Hohen Haus das erste Mal ange- hört. Zu Beginn der Wahlperiode, als wir mit unse- Frau Ministerin, Sie haben das Wort. rer Arbeit angefangen und gelernt haben, wie Jus- (Zuruf von den GRÜNEN) tizvollzugsanstalten von innen aussehen und dass wir durch das Justizministerium über alle besonde- - Ja, ich weiß, Sie schreiben alle grün. Aber in den ren Vorkommnisse jederzeit informiert werden, großen Fraktionen und in der Regierung ist das hatten wir eine ungewöhnliche Häufung von Suizi- genau geregelt, Frau Kollegin. Das ist ja so. den in unserem Justizvollzug. Bitte sehr! Ein Fall ist mir sehr stark in Erinnerung. Ich kann das sagen, weil öffentlich darüber berichtet worden (Helge Limburg [GRÜNE]: Das wissen ist. Da hat sich ein Gefangener suizidiert, obwohl wir seit dem Untersuchungsaus- er in einer Justizvollzugsanstalt in einem kamera- schuss! - Weitere Zurufe) überwachten Haftraum untergebracht war. Wir haben uns gefragt: Was kann man eigentlich ma- Barbara Havliza, Justizministerin: chen - man den Menschen ja nicht hinter die Stirn Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gucken -, um die Menschen, die dieses Land in fasse mich möglichst kurz und weiche von meinem Obhut hat - und das ist ja bei Gefangenen so -, zu Konzept ein bisschen ab. schützen, vielleicht manchmal auch vor sich selbst zu schützen? Ich fange einmal mit Herrn Bajus an. Es geht mir nicht um „chic“. Es geht mir nicht um „schön“. Es Dann haben wir natürlich überlegt: Geht das mit geht mir darum, jedes Menschenleben zu retten, menschlicher Kompetenz? - Es ist so, dass wir die das ich - egal wie - retten kann. Und das können Psychologinnen und Psychologen, die in den Jus- wir mit KI. Jedenfalls hoffen wir das. Das wollen wir tizvollzugsanstalten tätig sind, unterstützen müs- testen. Um mehr geht es nicht. sen, dass wir darauf achten müssen, dass das attraktive Arbeitsplätze sind, sodass diese Stellen Ich lade Sie gerne ein, einmal mit in den Justizvoll- besetzt werden können. zug zu kommen und sich anzusehen, vor wie vie- len Bildschirmen unsere Justizvollzugsbeamten Das, was wir jetzt hier vorschlagen, der Weg, den sitzen müssen, um zu erkennen, ob es irgendwo wir einschlagen, ist tatsächlich eine unterstützende eine Situation gibt, in der etwas passiert und aus Maßnahme, mit der wir die Mitarbeiterinnen und dem Ruder läuft. Genau da soll die KI ansetzen. Mitarbeiter des Justizvollzuges unterstützen - nicht ersetzen, sondern in ihrer Arbeit unterstützen - und Das ist nichts, was wir sofort und mit Eile machen. in der wir für Sicherheit bei den Gefangenen sor- - Eile kann es eigentlich bei der Rettung von Men- gen. schenleben gar nicht genug geben; das will ich einmal dazusagen. - Vielmehr soll in Hannover ein Es ist eine schöne Überschrift. Wir wollen den Pilotprojekt gestartet werden, gemeinsam mit der Fortschritt nutzen, um für Sicherheit und für Entlas- Leibniz Universität Hannover. Die Mittel dafür sind tung bei den Bediensteten zu sorgen. Wir gehen zum Haushalt angemeldet. Wir hoffen vorbehaltlich diesen Weg mit der CDU gemeinsam. Ich hoffe, der Haushaltsberatungen, dass wir sie bekommen dass wir im Rahmen der Gesetzesberatung viel- werden. leicht auch wieder zueinanderkommen werden, Herr Kollege Bajus. Nach all dem, was man z. B. aus Österreich er- Herzlichen Dank. fährt, gibt es da gute Erfolge. Das ist unser Ansatz.

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Wir wollen, dass unsere Justizwachtmeisterinnen Eine Verbesserung der personellen Situation fände und -wachtmeister im Vollzug - die jedes Mal ge- ich an dieser Stelle angemessen. Ich würde mich schockt vor einem solchen Ereignis stehen -, Zeit sehr freuen, wenn sie endlich gelingen würde. auf menschliche Zuwendung und Resozialisie- Danke schön. rungsmaßnahmen verwenden können, ohne stän- dig auf Bildschirme starren zu müssen, um jedes (Zustimmung bei den GRÜNEN) Ereignis zu sehen, und ohne sich, wenn sie viel- leicht etwas übersehen haben, auch noch Vorwür- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: fe zu machen. Um nicht mehr und nicht weniger Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Zu Ihrem kur- geht es. Das ist genau das, was wir anstreben. zen Redebeitrag liegt jetzt eine Wortmeldung zu Ich bin CDU und SPD sehr dankbar für diesen einer Kurzintervention vor, und zwar vom Kollegen Entschließungsantrag. Denn ich bin froh, wenn wir Calderone. Bitte schön, Herr Kollege! die KI auch an dieser Stelle einsetzen können. (Volker Bajus [GRÜNE]: Das wollte Vielen Dank. ich jetzt nicht provozieren! Das war doch nur ein netter Appell!) (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD) Christian Calderone (CDU): Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Bajus, das ist nicht nur eine Frage des Personals. Vielen Dank, Frau Ministerin. Denn wenn einer sich in der Dunkelheit der Nacht und in der Abgeschiedenheit der Zelle suizidiert, (Volker Bajus [GRÜNE] meldet sich dann hilft auch eine Vollausstattung mit Personal zu Wort) nicht. Deswegen brauchen wir einen Mix aus un- terschiedlichen Maßnahmen, um möglichst viele - Herr Kollege Bajus, ich gehe davon aus, dass Sie Suizide zu verhindern. zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 der Ge- schäftsordnung möchten. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es sehr bedauerlich, dass die Grünen als einzige politische (Volker Bajus [GRÜNE]: Für einen Kraft gegen diese Maßnahme - die Erprobung der Satz!) Künstlichen Intelligenz im Justizvollzug - gewandt hat. Bedenken hat auch die FDP geäußert. Die Oder soll das eine Wortmeldung zu einer Frage Grünen haben dann gesagt: Wir brauchen eine sein? schriftliche Anhörung. - Das war sehr nachvoll- (Volker Bajus [GRÜNE]: Nein, nach ziehbar, und dem sind wir nachgekommen. § 71 Abs. 3!) Die Datenschutzbeauftragte hat eben nicht, wie - Nach § 71 Abs. 3. Bitte schön, anderthalb Minu- Sie es formuliert haben, grundsätzliche, große ten! Bedenken geäußert. Sie hat zwar gesagt, die ge- setzlichen Rahmenbedingungen müssen geschaf- fen werden, aber im Prinzip unterstützt sie die Volker Bajus (GRÜNE): Maßnahme, die wir vorsehen. Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben mich angesprochen. Wir sind Der Verband Niedersächsischer Strafvollzugsbe- uns darin einig, dass Eile das Gebot der Stunde diensteter, den Sie zitiert haben, hat ganz deutlich ist, wenn es um Menschenleben geht. Ich würde gesagt, dass es natürlich - wie es die Kollegin mich sehr freuen - ich glaube, das ginge nicht nur Niewerth-Baumann und der Kollege Zinke formu- meiner Fraktion so, sondern, so hoffe ich, allen liert haben - nicht zu einem Personalabbau kom- hier -, wenn wir sofort etwas tun könnten, nämlich men darf, aber dass die Maßnahme auch vom insbesondere die personelle Situation in den Jus- VNSB in hohem Maße unterstützt wird. tizvollzugsanstalten verbessern. Denn das würde Sie stellen die Dinge hier falsch dar. Ich hätte mich sofort helfen, anders als eine Technik, die erst in gefreut, wenn auch Sie als Grüne sich in die gute einem Modellprojekt und dann langsam Stück für Diskussion hineinbegeben hätten, die die anderen Stück eingeführt wird. Fraktionen geführt haben,

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(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das Mit einer sauberen, intensiven, sachlichen Debatte hat Herr Bajus sicher gemacht! An- kommen wir genauso schnell zum Zug. ders kenne ich ihn gar nicht!) Was das Ziel angeht, sind wir uns einig. Deswegen wenn sie diese Maßnahme unterstützt hätten und gibt es keinen Grund für unsachliche oder unseriö- wenn wir sie gemeinschaftlich auf den Weg hätten se Unterstellungen gegen uns, ganz im Gegenteil. bringen können. Das haben Sie tatsächlich ein Insofern war, glaube ich, gerade Ihr letzter Satz wenig versäumt. nicht ganz hilfreich für eine zukünftige sachliche Debatte. Herzlichen Dank. Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wir sollen (Zustimmung bei den GRÜNEN) das versaut haben? Ist „versaut“ par- lamentarisch?) Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen Vielen Dank, Herr Kollege Calderone. - Herr Kolle- sehe ich nicht. ge Bajus möchte antworten. Bitte sehr! Ich bitte noch kurz um Aufmerksamkeit für die Volker Bajus (GRÜNE): Abstimmung. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Herren! Vielen Dank, Herr Calderone, für die Mög- folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD lichkeit, auf einen Punkt noch einmal einzugehen. und der Fraktion der CDU in der Drucksache Was die inhaltliche Debatte angeht, können Sie 18/8729 unverändert annehmen will, den bitte ich nicht sagen, dass wir uns an dieser Stelle nicht um ein Handzeichen. - Das sind SPD, FDP und sachlich und konstruktiv eingebracht hätten. CDU. Wer ist dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung des Frau Ministerin hat gerade einen wichtigen Punkt Ausschusses ist mit sehr großer Mehrheit gefolgt angesprochen: Im Betrachten von Bildschirmen worden. liegt in der Tat ein Risiko, gerade wenn es sich um eine große Station handelt und ein Mitarbeiter auf Damit beenden wir Tagesordnungspunkt 43 und viele Bildschirme gucken muss. die heutige Sitzung. Auf die gleiche Problematik hat aber auch die Lan- Wir sehen uns morgen früh um 9.30 Uhr wieder. desdatenschutzbeauftragte hingewiesen, indem Ich wünsche einen angenehmen Abend. sie gesagt hat: Wenn die Technik - gerade am Anfang - nicht so funktioniert, dann kann es auch Schluss der Sitzung: 18.48 Uhr. ein Abstumpfungsproblem geben, durch Fehlalar- me, durch Fehleinschätzungen der Technik usw. Diese Fragen haben wir überhaupt nicht weiter diskutiert. Insofern kann ich nicht verstehen, dass Sie uns an dieser Stelle einen Vorwurf machen, obwohl Sie weder die haushalterischen noch die personellen Probleme gelöst und beantwortet ha- ben. Und dann wollen Sie auch noch den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Denn die Grund- rechtsfragen müssen wir erst noch angehen, im Rahmen der Reform des Justizvollzugsgesetzes. Also noch einmal: Für diese Eile gibt es keinen Grund. Denn dadurch wird die Technik nicht schneller eingesetzt. (Zustimmung bei den GRÜNEN)

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