Plenarprotokoll 926

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 926. Sitzung

Berlin, Freitag, den 10. Oktober 2014

Inhalt:

Amtliche Mitteilungen ...... 309 A 4. Wahl der Schriftführer – gemäß § 10 Ab- satz 1 GO BR – ...... 311 B Zur Tagesordnung ...... 309 B Beschluss: Staatsminister Prof. Dr. Winfried B a u s b a c k (Bayern) Rückblick des Präsidenten ...... 309 C und Ministerin Prof. Dr. Angela K o l b (Sachsen-Anhalt) werden wiederge- 1. Wahl des Präsidiums – gemäß Artikel 52 wählt ...... 311 B Absatz 1 GG i.V.m. § 5 Absatz 1 GO BR – 310 B Beschluss: Der Ministerpräsident des 5. Entschließung des Bundesrates „Verläss- Landes Hessen, Volker B o u f f i e r , liche, planbare und auskömmliche Finan- wird zum Präsidenten des Bundesrates zierung im Bundesfernstraßenbau“ – An- gewählt. trag der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – (Drucksache 276/ Der Ministerpräsident des Landes Nie- 14) ...... 316 D dersachsen, Stephan W e i l , und der Ministerpräsident des Freistaates Sach- Beschluss: Annahme der Entschließung sen, Stanislaw T i l l i c h , werden zu in geänderter Fassung ...... 317 A Vizepräsidenten gewählt ....310 C, D 6. Entschließung des Bundesrates zur Insol- 2. Wahl der Vorsitzenden und der stellver- venzsicherung der Rückstellungen für tretenden Vorsitzenden der Europakam- Stilllegung, Abbau und Entsorgung im mer – gemäß § 45c GO BR – ..... 310 D Atombereich – Antrag der Länder Beschluss: Es werden gewählt: Staats- Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland- ministerin Lucia Pu t t r i c h (Hessen) Pfalz – Antrag des Landes Schleswig- zur Vorsitzenden und Ministerpräsi- Holstein gemäß § 23 Absatz 3 i.V.m. § 15 dent Stephan W e i l (Niedersachsen) Absatz 1 GO BR – (Drucksache 280/14) 317 A zum ersten stellvertretenden Vorsitzen- Dr. (Schleswig-Hol- den ...... 311 A stein) ...... 317 A, 327*A Mitteilung: Die Wahl des zweiten stell- Stefan Wenzel (Niedersachsen) .. 317 D vertretenden Vorsitzenden ist zu einem Beschluss: Annahme der Entschließung späteren Zeitpunkt vorgesehen ... 311 A nach Maßgabe der angenommenen Änderungen ...... 318 D 3. Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse – gemäß § 12 Absatz 1 GO BR – (Druck- 7. Entschließung des Bundesrates zur Er- sache 452/14) ...... 311 A weiterung des Bergschadensrechts auf Beschluss: Die Vorsitzenden der Aus- die Errichtung und den Betrieb von un- schüsse werden gemäß dem Antrag des terirdischen Kavernenspeichern sowie Präsidenten in Drucksache 452/14 ge- der Bergschadensvermutung auf die Auf- wählt ...... 311 A suchung und Gewinnung von Boden-

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schätzen in Tagebaubetrieben und durch 13. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung Tiefbohrungen – Antrag des Landes von Empfehlungen des NSU-Untersu- Nordrhein-Westfalen gemäß § 36 Ab- chungsausschusses des Deutschen Bun- satz 2 GO BR – (Drucksache 427/14) .. 318 D destages (Drucksache 396/14) ..... 311 B Dr. Angelica Schwall-Düren (Nord- Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-An- rhein-Westfalen) ...... 318 D halt) ...... 311 B Dr. Jürgen Martens (Sachsen) ... Mitteilung: Überweisung an die zustän- 312 B digen Ausschüsse ...... 319 B Dr. Holger Poppenhäger (Thüringen) 313 B Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 314 B 8. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Christian Lange, Parl. Staatssekre- des Asylbewerberleistungsgesetzes und tär beim Bundesminister der Justiz des Sozialgerichtsgesetzes – gemäß Arti- und für Verbraucherschutz ... 315 A kel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 392/14) ...... 319 C Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- kel 76 Absatz 2 GG ...... 315 D Irene Alt (Rheinland-Pfalz) .... 319 C Anette Kramme, Parl. Staatssekretä- 14. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung rin bei der Bundesministerin für der Richtlinie 2011/99/EU über die Euro- Arbeit und Soziales ...... 320 A päische Schutzanordnung, zur Durchfüh- Peter Friedrich (Baden-Württem- rung der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 berg) ...... 327*A über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen und Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- zur Änderung des Gesetzes über das kel 76 Absatz 2 GG ...... 320 C Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Ge- 9. Entwurf eines Gesetzes zum Vorschlag richtsbarkeit (Drucksache 397/14) ... 321 B für einen Beschluss des Rates über einen Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachs- kel 76 Absatz 2 GG ...... 321 C tum und Beschäftigung und zur Aufhe- bung des Beschlusses 2003/174/EG 15. Entwurf eines Gesetzes zur Durchfüh- (Drucksache 352/14) ...... 320 C rung des Haager Übereinkommens vom Beschluss: Keine Einwendungen gemäß 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsverein- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 327*C barungen (Drucksache 398/14) .... 320 C Beschluss: Keine Einwendungen gemäß 10. Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Ent- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 327*C lastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualita- 16. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung tiven Ausbau der Kindertagesbetreuung des Strafgesetzbuches – Umsetzung – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – europäischer Vorgaben zum Sexualstraf- (Drucksache 393/14) ...... 320 D recht (Drucksache 422/14) ...... 321 C Margit Conrad (Rheinland-Pfalz) . 328*D Eva Kühne-Hörmann (Hessen) .. 321 C Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Dr. Jürgen Martens (Sachsen) ... 322 C kel 76 Absatz 2 GG ...... 321 A Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 323 D Dr. Helmuth Markov (Brandenburg) 330*B 11. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und wei- Dr. Helge Braun, Staatsminister bei terer Vorschriften – gemäß Artikel 76 Ab- der Bundeskanzlerin ...... 332*A satz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 394/14) . 321 A Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 330*A kel 76 Absatz 2 GG ...... 325 A

Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- 17. Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll kel 76 Absatz 2 GG ...... 321 B Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Änderung der Konvention zum Schutz der Men- 12. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- schenrechte und Grundfreiheiten derung des Bundesdatenschutzgesetzes – (Drucksache 399/14) ...... 320 C Stärkung der Unabhängigkeit der Daten- schutzaufsicht im Bund durch Errichtung Beschluss: Keine Einwendungen gemäß ...... einer obersten Bundesbehörde (Druck- Artikel 76 Absatz 2 GG 327*C sache 395/14) ...... 320 C 18. Mitteilung der Kommission an das Euro- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß päische Parlament, den Rat, den Europäi- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 327*C schen Wirtschafts- und Sozialausschuss Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 III

und den Ausschuss der Regionen: Ein 23. Verordnung zur Bestimmung des für die umfassender europäischer Rahmen für Fortschreibung der Regelbedarfsstufen das Online-Glücksspiel nach § 28a des Zwölften Buches Sozial- COM(2012) 596 final gesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 che 651/12) ...... 320 C des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2015 (Regelbedarfsstufen- Beschluss: Stellungnahme ...... 327*D Fortschreibungsverordnung 2015 – RBSFV 2015) (Drucksache 423/14) ... 320 C 19. Mitteilung der Kommission an das Euro- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 päische Parlament, den Rat, den Europäi- Absatz 2 GG ...... schen Wirtschafts- und Sozialausschuss 328*A und den Ausschuss der Regionen: Pro- gramm zur Gewährleistung der Effizienz 24. Verordnung zur Kürzung der Zahlungs- und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung ansprüche im Rahmen der Betriebsprä- (REFIT) – Bestandsaufnahme und Aus- mienregelung für das Jahr 2014 (Druck- blick sache 377/14) ...... 320 C COM(2014) 368 final Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- Absatz 2 GG ...... 328* A che 272/14) ...... 325 A

Beschluss: Stellungnahme ...... 325 B 25. Verordnung zur Durchführung der Di- rektzahlungen an Inhaber landwirt- schaftlicher Betriebe im Rahmen von 20. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- Stützungsregelungen der Gemeinsamen schen Parlaments und des Rates zur Än- Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durch- derung der Richtlinien 2008/98/EG über führungsverordnung – DirektZahl- Abfälle, 94/62/EG über Verpackungen DurchfV) (Drucksache 406/14) .... 325 D und Verpackungsabfälle, 1999/31/EG über Abfalldeponien, 2000/53/EG über Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Altfahrzeuge, 2006/66/EG über Batte- Absatz 2 GG nach Maßgabe der ange- rien und Akkumulatoren sowie Altbatte- nommenen Änderungen ...... 326 A rien und Altakkumulatoren sowie 2012/ 19/EU über Elektro- und Elektronik-Alt- 26. Sechsundfünfzigste Verordnung zur geräte Durchführung des § 172 des Bundesent- COM(2014) 397 final; Ratsdok. 11598/14 schädigungsgesetzes (Drucksache 374/ – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- 14) ...... 320 C che 308/14, zu Drucksache 308/14) .. 325 B Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Beschluss: Stellungnahme ...... 325 D Absatz 2 GG ...... 328* A

21. Mitteilung der Kommission an das Euro- 27. Verordnung zur Anwendung des Fremd- päische Parlament, den Rat, den Europäi- vergleichsgrundsatzes auf Betriebsstät- schen Wirtschafts- und Sozialausschuss ten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuer- und den Ausschuss der Regionen Hin zu gesetzes (Betriebsstättengewinnauftei- einer Kreislaufwirtschaft: Ein Null-Ab- lungsverordnung – BsGaV) (Drucksache fallprogramm für Europa 401/14) ...... 320 C COM(2014) 398 final; Ratsdok. 11592/14 Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- Absatz 2 GG ...... 328*A che 311/14) ...... 325 D

Beschluss: Stellungnahme ...... 325 D 28. Zweite Verordnung zur Änderung der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungs- verordnung (Drucksache 378/14) ... 326 A 22. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates zur Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Errichtung einer Agentur der Europäi- Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- schen Union für die Aus- und Fortbil- schlossenen Änderung ...... 326 C dung auf dem Gebiet der Strafverfol- gung (CEPOL) und zur Aufhebung und 29. Verordnung zur transparenten Auswei- Ersetzung des Beschlusses 2005/681/JI sung staatlich gesetzter oder regulierter des Rates Preisbestandteile in der Strom- und Gas- COM(2014) 465 final grundversorgung (Drucksache 402/14) 326 C – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- che 373/14) ...... 320 C Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Absatz 2 GG nach Maßgabe der ange- Beschluss: Stellungnahme ...... 327*D nommenen Änderung ...... 326 C IV Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014

30. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur 34. Verfahren vor dem Bundesverfassungs- Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien gericht (Drucksache 416/14) ..... 320 C 2013 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2015 – LStÄR 2015) (Drucksache 372/14) 320 C Beschluss: Von einer Äußerung und ei- nem Beitritt wird abgesehen ....328*C Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- kel 108 Absatz 7 GG ...... 328*A 35. a) Entwurf eines … Gesetzes zur Ände- rung des Achten Buches Sozialgesetz- 31. Benennung von Mitgliedern und stellver- buch – Kinder- und Jugendhilfe – ge- tretenden Mitgliedern des Verwaltungs- mäß Artikel 76 Absatz 1 GG – Antrag rates und der Fachbeiräte der Bundesan- des Freistaates Bayern gemäß § 36 Ab- stalt für Landwirtschaft und Ernährung satz 2 GO BR – (Drucksache 443/14) – gemäß § 5 Absatz 1 und Absatz 3 und § 7 Absatz 1 BLEG – (Drucksache 376/14) 320 C b) Entschließung des Bundesrates zur Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- bundesweiten Verteilung der unbe- lungen des Ausschusses für Agrarpoli- gleiteten ausländischen Minderjähri- tik und Verbraucherschutz in Drucksa- gen – Antrag des Freistaates Bayern che 376/1/14 ...... 328*B gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Druck- sache 444/14) ...... 316 A 32. a) Benennung von Beauftragten des Bun- desrates in Beratungsgremien der Emilia Müller (Bayern) ..... 316 A Europäischen Union für die Rats- Mitteilung zu a) und b): Überweisung an arbeitsgruppe Gesellschaftsrecht – ge- die zuständigen Ausschüsse .... 316 D mäß § 6 Absatz 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt I der Bund-Länder-Verein- barung – (Drucksache 411/14) 36. Gesetz zu dem Übereinkommen der Ver- einten Nationen vom 31. Oktober 2003 b) Benennung von Beauftragten des Bun- gegen Korruption (Drucksache 449/14) 320 C desrates in Beratungsgremien der Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 74 Europäischen Union für die Rats- Absatz 1 Nummer 27 i.V.m. Absatz 2, arbeitsgruppe der Veterinärsachver- Artikel 105 Absatz 3 i.V.m. Artikel 106 ständigen (Gesundheitsschutz) – ge- Absatz 3 GG ...... 328*D mäß § 6 Absatz 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt I der Bund-Länder-Verein- barung – (Drucksache 412/14) 37. Wahl eines Mitglieds der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfall- c) Benennung von Beauftragten des Bun- stoffe“ gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 Num- desrates in Beratungsgremien der mer 3, Satz 4 und 6 des Standortauswahl- Europäischen Union für die „Readmis- gesetzes – gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 sion Expert Group“ (Expertengruppe Nummer 3, Satz 4 und 6 Standortaus- Rückübernahme) der Kommission wahlgesetz – Antrag der Länder Baden- – gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG i.V.m. Württemberg und Bayern, Berlin, Bran- Abschnitt I der Bund-Länder-Verein- denburg, Bremen, Hamburg, Hessen, barung – (Drucksache 413/14) ... 320 C Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach- sen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Beschluss zu a): Zustimmung zu der Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-An- Empfehlung in Drucksache 411/1/14 . 328*B halt, Schleswig-Holstein, Thüringen ge- Beschluss zu b): Zustimmung zu den mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache Empfehlungen in Drucksache 412/1/14 328*B 454/14) ...... 320 C Beschluss zu c): Zustimmung zu der Beschluss: Zustimmung zu dem Antrag Empfehlung in Drucksache 413/1/14 . 328*B aller Länder in Drucksache 454/14 ..328*B

33. Vorschlag des Bundesrates für die Bestel- Nächste Sitzung ...... 326 C lung eines Mitgliedes des Vorstandes der Deutschen Bundesbank – gemäß § 7 Bun- desbankG – (Drucksache 268/14) ... 320 C Beschlüsse im vereinfachten Verfahren ge- mäß § 35 GO BR ...... 326 B/D Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- lung des Finanzausschusses in Druck- sache 268/1/14 ...... 328*B Feststellung gemäß § 34 GO BR .... 326 B/D Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 V

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Brandenburg:

Präsident , Ministerpräsi- Dr. Helmuth Markov, Minister der Justiz dent des Landes Niedersachsen

Bremen:

Schriftführerin: , Bürgermeisterin, Senatorin für Finanzen Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-Anhalt) Ulrike Hiller, Staatsrätin für Bundes- und Euro- paangelegenheiten und Integration, Bevoll- mächtigte der Freien Hansestadt Bremen Amtierende Schriftführerin: beim Bund und für Europa

Ulrike Hiller (Bremen) Hamburg:

Cornelia Prüfer-Storcks, Senatorin, Präses der Schriftführer: Behörde für Gesundheit und Verbraucher- schutz Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern)

Hessen: Baden-Württemberg: Volker Bouffier, Ministerpräsident , Ministerpräsident Lucia Puttrich, Ministerin für Bundes- und Euro- paangelegenheiten und Bevollmächtigte des Peter Friedrich, Minister für Bundesrat, Europa Landes Hessen beim Bund und internationale Angelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württem- Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, berg beim Bund Verkehr und Landesentwicklung , Minister für Ländlichen Raum Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, und Verbraucherschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Bilkay Öney, Ministerin für Integration Eva Kühne-Hörmann, Ministerin der Justiz

Bayern: Mecklenburg-Vorpommern: Erwin Sellering, Ministerpräsident Horst Seehofer, Ministerpräsident Lorenz Caffier, Minister für Inneres und Sport Emilia Müller, Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration

Prof. Dr. Winfried Bausback, Staatsminister der Niedersachsen: Justiz Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport

Antje Niewisch-Lennartz, Justizministerin

Berlin: Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Frank Henkel, Bürgermeister und Senator für Inneres und Sport Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister VI Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014

Nordrhein-Westfalen: Sachsen-Anhalt:

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau- Gleichstellung cherschutz Jens Bullerjahn, Minister der Finanzen Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bun- desangelegenheiten, Europa und Medien und Bevollmächtigte des Landes Nordrhein-West- falen beim Bund Schleswig-Holstein:

Torsten Albig, Ministerpräsident

Rheinland-Pfalz: Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Malu Dreyer, Ministerpräsidentin Stefan Studt, Minister für Inneres und Bundes- Margit Conrad, Staatsministerin, Bevollmäch- angelegenheiten tigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa

Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Landwirt- Thüringen: schaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin Dr. Carsten Kühl, Minister der Finanzen Dr. Holger Poppenhäger, Justizminister Irene Alt, Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Jörg Geibert, Innenminister

Saarland: Von der Bundesregierung: Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsi- Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundes- dentin kanzlerin Anke Rehlinger, Ministerin für Wirtschaft, Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bun- Arbeit, Energie und Verkehr desminister für Wirtschaft und Energie Jürgen Lennartz, Staatssekretär, Chef der Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bun- Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Saar- desminister der Justiz und für Verbraucher- landes beim Bund schutz

Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Sachsen: Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesminis- Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und terium der Finanzen Chef der Staatskanzlei Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundes- Dr. Jürgen Martens, Staatsminister für Justiz und ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Europa Jugend Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 309

(A) (C) Redetext

926. Sitzung

Berlin, den 10. Oktober 2014

Beginn: 9.30 Uhr Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dies ist die letzte Sitzung des Bundesrates in meiner Zeit als Prä- sident. Gestatten Sie mir deswegen einige kurze An- Präsident Stephan Weil: Guten Morgen, liebe Kol- merkungen, wie es einer guten Tradition dieses Hau- leginnen und Kollegen, ich eröffne die 926. Sitzung ses entspricht! des Bundesrates. Wir alle sind überzeugte Vertreterinnen und Ver- Nach § 23 unserer Geschäftsordnung habe ich zu- treter des Föderalismus. Wenn dies überhaupt mög- nächst Änderungen in der Zusammensetzung des lich gewesen ist, dann ist diese Überzeugung bei mir Bundesrates bekanntzugeben: in den letzten Monaten noch einmal deutlich stärker Aus der Regierung des Freistaates Bayern und da- geworden. Der Föderalismus, der Staatsaufbau von mit aus dem Bundesrat ausgeschieden ist am 1. Sep- unten nach oben, die Mitbestimmung gesamtstaatli- tember Frau Staatsministerin H a d e r t h a u e r . cher Entscheidungen durch die Länder – alles dies ist in der Bundesrepublik gelebte Praxis, und zwar mit Die Staatsregierung hat am 22. September Herrn durchaus ansehnlichen Ergebnissen. (B) Staatsminister D r . Hu b e r zum ordentlichen (D) Vor einem Jahr, kurz nach der Bundestagswahl, Mitglied und Frau Staatsministerin S c h a r f zum war noch nicht ganz klar, in welcher Konstellation stellvertretenden Mitglied des Bundesrates bestellt. unser Land weiterregiert würde. Als es dann auf eine Aus der Regierung des Landes Schleswig-Holstein große Koalition hinauslief, wurde die Befürchtung und damit aus dem Bundesrat sind am 12. September laut, damit werde in Deutschland künftig auch über Frau Ministerin Professor D r . W e n d e und am den Bundesrat gewissermaßen „durchregiert“. 26. September Herr Minister B r e i t n e r ausge- Die Bilanz der letzten zwölf Monate spricht eine schieden. andere Sprache. Es ist den Ländern gelungen, ihre Die Landesregierung hat am 23. September Frau Anliegen sehr klar und immer wieder auch über Par- Ministerin E r n s t zum stellvertretenden Mitglied teigrenzen hinweg nachdrücklich einzubringen. Ich und mit Wirkung vom 7. Oktober Herrn Minister möchte vor allem die Novelle zum Gesetz über die S t u t h zum ordentlichen Mitglied des Bundesrates erneuerbaren Energien hervorheben, bei der anfangs bestellt. diametral entgegengesetzte Interessen der Länder als Risiko genannt wurden. Tatsächlich ist es genau Neuer Bevollmächtigter des Landes Schleswig- andersherum gelaufen: Die Länder haben ihre legiti- Holstein beim Bund ist als Nachfolger von Herrn Kol- men Interessen durchgesetzt, und wir waren zugleich legen Stuth Herr Staatssekretär M ü l l e r - B e c k . bereit, unseren Beitrag zu einer erfolgreichen Fort- setzung der Energiewende zu leisten. Das muss auch Den ausgeschiedenen Mitgliedern und dem bishe- in Zukunft so bleiben, zum Beispiel beim Netzaus- rigen Bevollmächtigten des Landes Schleswig-Hol- bau. Wir waren nicht der Bremsklotz der Energie- stein danke ich für ihre Arbeit. Den neuen Mitglie- wende, wir haben ihr vorangeholfen. Und daran soll- dern wünsche ich mit uns allen eine gute und ten alle Länder festhalten. vertrauensvolle Zusammenarbeit. Als Erfolg sehe ich es auch an, dass sich der Bund Ich komme nun zur Tagesordnung. Sie liegt Ihnen verstärkt bei der Bildung engagiert. Neben der Über- in vorläufiger Form mit 37 Punkten vor. Zur Reihen- nahme der Leistungen aus dem BAföG zeichnet sich folge: Nach Punkt 4 werden die Punkte 13 und 35 eine deutliche Lockerung des Kooperationsverbotes aufgerufen. Im Übrigen bleibt sie unverändert. ab. Ich will allerdings persönlich nicht verhehlen, Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? dass diese Entwicklung konsequent fortgesetzt wer- den sollte. Das Kooperationsverbot in Bildungsfragen Dann ist sie so festgestellt. ist meines Erachtens insgesamt falsch. 310 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Präsident Stephan Weil (A) (C) Es gibt manches andere Beispiel, aber zusammen- Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-Anhalt), Schriftfüh- gefasst lässt sich sagen: Der Bundesrat ist nicht etwa rerin: die verlängerte Werkbank irgendeiner Regierungs- Baden-Württemberg Ja oder Parteizentrale, er ist mehr denn je das selbstbe- wusste und nach seinem Verständnis auch konstruk- Bayern Ja tive Verfassungsorgan, mit dem die Länder ihren Bei- trag zur Bundespolitik leisten. Berlin Ja

Diese positive Bilanz ist durch etliche internatio- Brandenburg Ja nale Kontakte bestätigt worden, die mit der Präsi- Bremen Ja dentschaft einhergehen. Gerade im Vergleich mit der Verfassungsrealität anderer Länder schneidet der Hamburg Ja deutsche Föderalismus aus meiner Sicht sehr gut ab. Hessen Ja Der bewusst dezentrale Staatsaufbau unseres Landes schafft die erwünschte Vielfalt, ohne deswegen eine Mecklenburg-Vorpommern Ja gesamtstaatliche Blockade herbeizuführen. Im Bun- Niedersachsen Ja desrat engagieren sich die Mitglieder im Übrigen in einem Nebenamt; sie tun dies unentgeltlich und im Nordrhein-Westfalen Ja Rahmen sehr konzentrierter Sitzungen, wie wir wis- sen. Damit sind wir im Vergleich, so meine ich, übri- Rheinland-Pfalz Ja gens auch ein Beispiel für Lean Management in einer Saarland Ja Verfassungsordnung. Dass unsere Arbeit zugleich ei- nen Hauch lebhafter sein könnte, steht auf einem an- Sachsen Ja deren Blatt. Sachsen-Anhalt Ja Die Effektivität unserer Arbeit ist auch das Ergeb- Schleswig-Holstein Ja nis einer sehr gut arbeitenden Bundesratsverwal- tung. Ich möchte mich bei den Damen und Herren Thüringen Ja der Verwaltung sehr herzlich für ihre Arbeit bedan- ken. Es war mir ein Vergnügen! Präsident Stephan Weil: Danach kann ich feststel- len, dass Herr Ministerpräsident Volker B o u f f i e r Ein Vergnügen war mir die Präsidentschaft auch für das Geschäftsjahr 2014/2015 einstimmig zum insgesamt. Mit mir hätte man gut über eine Verlän- Präsidenten des Bundesrates gewählt ist. (B) gerung verhandeln können, (D) Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Nehmen Sie (Heiterkeit) die Wahl an?

aber davor stehen die Verfassung und die berechtig- ten Belange aller übrigen Kolleginnen und Kollegen, Volker Bouffier (Hessen): Herr Präsident, ich die in diesem Amte folgen werden. nehme die Wahl an und bedanke mich.

Ich wünsche Ihnen – Dir –, lieber Volker Bouffier, in Präsident Stephan Weil: Dann darf ich Ihnen, lie- den nächsten zwölf Monaten eine glückliche Hand ber Herr Kollege Bouffier, die Glückwünsche des und viele gute Erfahrungen. Du kannst Dich auf die- ganzen Hauses aussprechen. ses Amt freuen. (Lebhafter Beifall – Gratulation im Halbrund) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich für Ihre Unterstützung und für Ihre Aufmerksamkeit. Wir kommen nun zur Wahl der Vizepräsidenten. Nach dem verabredeten Turnus schlage ich Ihnen zur (Beifall) Wahl vor: zum Ersten Vizepräsidenten den Präsiden- ten des laufenden Geschäftsjahres und zum Zweiten Dies vorausgeschickt, rufe ich Punkt 1 der Tages- Vizepräsidenten den Sächsischen Ministerpräsiden- ordnung auf: ten, Herrn Stanislaw T i l l i c h .

Wahl des Präsidiums Mit Ihrem Einverständnis lasse ich über diese Vor- schläge gemeinsam abstimmen. Wer zustimmen Nach dem vereinbarten Turnus schlage ich Ihnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. für das am 1. November 2014 beginnende neue Ge- Die Vorschläge sind einstimmig angenommen. schäftsjahr vor, den Hessischen Ministerpräsidenten, Volker Bouffier, zum Präsidenten des Bundesrates zu Herr Kollege Tillich und ich selbst nehmen die wählen. Wahl an. Ich komme zu Tagesordnungspunkt 2: Über die Wahl des Präsidenten wird nach unserer Praxis durch Aufruf der Länder abgestimmt. Ich bitte Wahl der Vorsitzenden und der stellvertreten- die Länder aufzurufen. den Vorsitzenden der Europakammer Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 311 Präsident Stephan Weil (A) (C) Die Länder, deren Regierungschefs das Präsidium Bereits vor sechs Jahren haben mehrere Länder des Bundesrates bilden, stellen in gleicher Reihen- eine Bundesratsinitiative zur härteren Bestrafung für folge den Vorsitzenden der Europakammer und seine Straftaten, die aus rassistischen, fremdenfeindlichen zwei Stellvertreter. Gründen begangen wurden, beschlossen. Wenn wir heute den für die Strafzumessung einschlägigen § 46 Die Wahl des zweiten stellvertretenden Vorsitzen- des Strafgesetzbuches um rassistische, fremdenfeind- den ist zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. liche und sonstige menschenverachtende Beweg- Dementsprechend schlage ich vor, Frau Staats- gründe ergänzen, haben wir unser politisches Anlie- ministerin Lucia P u t t r i c h (Hessen) zur Vorsit- gen erreicht. Ich bin froh darüber, dass endlich die zenden und Ministerpräsident W e i l (Niedersach- Aussicht besteht, dass unsere Gesetzesinitiative auch sen) zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden der im Bundestag die längst überfällige Unterstützung Europakammer für das Geschäftsjahr 2014/2015 zu findet. wählen. Sachsen-Anhalt spricht sich mit vielen anderen Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den Ländern seit Jahren dafür aus, sogenannte Hass- und bitte ich um das Handzeichen. – Das ist wiederum Vorurteilskriminalität durch eine Änderung des einstimmig. Strafrechts explizit zu bekämpfen. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, im Kampf gegen Extre- Damit sind die Vorsitzende der Europakammer und mismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und der erste Stellvertreter einstimmig gewählt. alle Formen vorurteils- und hassgeleiteter Angriffe auf andere Menschen alle Möglichkeiten, die uns der Wir kommen zu Punkt 3: Rechtsstaat in die Hand gibt, auszuschöpfen. Dass es Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse (Druck- dabei in erster Linie um Prävention gehen muss, ist sache 452/14) unbestritten, verbietet jedoch nicht zu prüfen, ob der offensive Schutz der Grundsätze des demokratischen Für diese Wahl liegt Ihnen der Antrag des Präsi- Miteinanders auch durch Regelungen des Strafrechts denten vor. verbessert werden kann.

Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte Wir haben uns bereits zu Anfang der Debatte, vor ich um das Handzeichen. acht Jahren, dafür ausgesprochen, konkrete Straf- schärfungen im Besonderen Teil des Strafgesetz- Es ist wiederum einstimmig so beschlossen wor- buches vorzusehen, wenn die Tat – in erster Linie den. – Vielen Dank! kommen Körperverletzungsdelikte in Betracht – aus (B) Wir kommen zu Punkt 4: politisch motivierten Gründen, aus religiöser Miss- (D) achtung oder Missachtung ethnischer Minderheiten Wahl der Schriftführer begangen wurde.

Ich schlage vor, für das Geschäftsjahr 2014/2015 Natürlich hat es an dem Gesetzentwurf auch die Herrn Staatsminister Professor Dr. Winfried Kritik gegeben, dass es einer solchen Regelung nach B a u s b a c k (Bayern) und Frau Ministerin Profes- dem geltenden Recht nicht bedürfe, weil es nach den sor Dr. Angela K o l b (Sachsen-Anhalt) als Schrift- konkreten Fallgestaltungen bereits heute möglich führer wiederzuwählen. sei, diese Gesichtspunkte bei der Strafzumessung zu Wer dem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte berücksichtigen. ich um das Handzeichen. Wir haben dem stets entgegengehalten, dass letzt- Damit sind beide Schriftführer einstimmig wieder- lich jeder Straftatbestand immer eine objektive Seite gewählt. – Vielen Dank! und eine subjektive Seite hat. Hier brauchen wir eine besondere Klarstellung, dass bei der Feststellung der Jetzt kommen wir zu den Sachanträgen. Schuld des Täters die Beweggründe, die Ziele und die Gesinnung, die aus der Tat spricht, ausdrücklich Punkt 13: mit berücksichtigt werden. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von In der Praxis haben wir festgestellt, wie wichtig es Empfehlungen des NSU-Untersuchungsaus- insbesondere aus Gründen des Opferschutzes ist, schusses des Deutschen Bundestages (Drucksa- dass sich nicht erst die Richter, sondern schon die Er- che 396/14) mittlungsbehörden mit den Motiven, also den Be- Mir liegt eine Reihe von Wortmeldungen vor. Zu- weggründen, auseinandersetzen, um hier auch ein nächst hat Frau Ministerin Professor Dr. Kolb aus Stück Gerechtigkeit zu schaffen. Sachsen-Anhalt das Wort. Insoweit geht es uns hier eben nicht um reine Sym- bolpolitik, sondern darum, dass wir bei Straftaten, bei Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-Anhalt): Herr Präsi- denen die Betroffenen stellvertretend für eine be- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmte diskriminierte Minderheit stehen, den Ach- stehen heute am Ende einer langen politischen Weg- tungsanspruch, den jedermann – unabhängig von strecke. Hautfarbe, Religion und sozialer Stellung – in An- 312 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-Anhalt) (A) (C) spruch nehmen kann, dann auch mit den Mitteln des Ebenso zu Recht wurde moniert, dass die Auf- Strafrechts durchsetzen können. deckung der NSU-Mordserie mangels einheitlicher Ermittlungsführung erschwert und Rechtsextremis- Ich glaube, dass die mit diesen Straftaten verbun- mus und Rechtsterrorismus zu lange unterschätzt dene Terrorwirkung eine besonders schwere Verlet- wurden. zung der Menschenwürde ist. Insoweit ist eine kon- sequente Bestrafung der Täter notwendig. Durch eine Reihe von Änderungen des Gerichts- verfassungsgesetzes sollen diese Defizite behoben Daher machen wir hier nicht bloße Symbolpolitik. werden. Der vorliegende Gesetzentwurf will diese Vielmehr sorgen wir mit den Mitteln des Strafrechts Empfehlungen umsetzen. Das ist zu begrüßen. tatsächlich dafür, dass solche Straftaten konsequent verfolgt und bestraft werden. Damit kommen wir den Dennoch sind einige Worte der Kritik hier ange- Opfern entgegen und nehmen ihre Ängste ernst. bracht, ja notwendig; denn die Bundesregierung hat Gleichzeitig wird den Tätern klargemacht, dass die neben Empfehlungen des NSU-Untersuchungsaus- demokratische Gesellschaft derartige extremistische schusses eine weitere Änderung in das Gesetz „hi- Angriffe nicht toleriert. neingepackt“, die vom Untersuchungsausschuss we- der empfohlen wurde noch aus fachlicher Sicht Eine reine Symbolpolitik, für die das Strafrecht das sinnvoll oder gar unabweisbar erscheint. Es geht da- falsche Vehikel wäre, kann ich hierin nicht erkennen. bei, wie wir wissen, um die Änderung der Strafzu- Das Strafrecht ist zwar Ultima Ratio staatlichen Han- messungsvorschriften im Strafgesetzbuch, die nach delns, also letztes Mittel zur Zweckerreichung; ange- dem Willen der Bundesregierung in Zukunft aus- sichts der Erkenntnisse, die wir bereits heute über drücklich die Berücksichtigung rassistischer, frem- den NSU gewonnen haben, frage ich mich aber, wo denfeindlicher oder sonstiger menschenverachtender anders diese Ultima Ratio gefragt sein könnte als im Tatmotive vorschreiben sollen. Kampf gegen neu aufkommende extremistische Ge- walttaten. – Vielen Dank. Das klingt auf den ersten Blick plausibel. In Wirk- lichkeit ist es aber tatsächlich nicht mehr als ein deklaratorischer Akt. Es ist Symbolgesetzgebung. Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Meine Vorrednerin hat dies auch insofern bestätigt, Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Martens aus als sie gesagt hat, diese Regelungen würden ein poli- Sachsen. tisches Anliegen zum Ausdruck bringen und umset- zen. Die Bestrebungen zur Aufnahme derartiger Straf- Dr. Jürgen Martens (Sachsen): Sehr geehrter Herr zumessungsgründe sind ja nicht neu. Schon seit dem Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten (B) Jahr 2000 ist die Thematik immer wieder Gegen- (D) über einen Gesetzentwurf aus einem ebenso trauri- stand von Erörterungen im legislativen Bereich. Wie- gen wie nach wie vor leider dringenden Anlass. derholt gab es Gesetzesinitiativen. Bislang sind alle Uns allen ist die erschreckende Serie von Gewalt- gescheitert – und das nicht ohne Grund. taten und Anschlägen des NSU im Bewusstsein. Seit Meine Damen und Herren, in diesem Punkt sind Jahren beschäftigen sich verschiedene Untersu- sich die Fachleute einig: Rassistische, fremdenfeind- chungsausschüsse, darunter in Sachsen, und die Jus- liche und sonstige menschenverachtende Motive tiz mit der Aufarbeitung einer beispiellosen Reihe können ohne weiteres schon auf der Grundlage des abscheulicher Verbrechen. Auch wenn diese Aufar- geltenden Rechts, also bereits jetzt, berücksichtigt beitung noch lange nicht abgeschlossen ist und uns werden. Die entsprechende Vorschrift sieht vor, dass wahrscheinlich noch über Jahre hinweg beschäftigen das Gericht die Umstände, die für und gegen den Tä- wird, zeichnen sich jetzt schon einige Befunde ab. ter sprechen, gegeneinander abwägt und dabei na- Einer der schmerzlichsten Aspekte – neben dem mentlich auch – ich zitiere – „die Beweggründe und Leid der Opfer und ihrer Angehörigen – ist, dass die die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern nicht im- spricht, und den bei der Tat aufgewendeten Willen“ stande waren, die Verbrechen des NSU als rechts- zu berücksichtigen hat. extremistisch bedingt zu erkennen, sie aufzudecken Unter anderem aus diesem Grund hat der Bundes- oder gar zu verhindern. tag noch in seiner Sitzung am 18. Oktober 2012 einen Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bun- vergleichbaren Gesetzesvorschlag abgelehnt. Was destages hat dazu eingehende Feststellungen getrof- hat sich seit dem 18. Oktober 2012 getan, das eine fen und eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, die völlige Kehrtwende hier rechtfertigen würde? Aus es umzusetzen gilt. Heute beraten wir über einen Ge- fachlicher Sicht nichts! setzentwurf, der sich mit den justiziellen Aspekten Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: dieser Empfehlungen befasst. Die nachdrückliche Bekämpfung sogenannter Hass- Zu Recht hat der Untersuchungsausschuss des Bun- kriminalität ist ein wichtiges Anliegen der Justiz. Das destages moniert, dass sich der Generalbundesan- gilt natürlich auch in Sachsen. Das eigentliche Pro- walt ursprünglich für die Mehrheit der Straftaten, zu blem liegt jedoch nicht in der mangelhaften Berück- denen er aktuell noch ermittelt oder schon Anklage sichtigung solcher Motive bei der Strafzumessung. Es erhoben hat, für nicht zuständig hielt. liegt – das deckt sich mit den Erkenntnissen des Un- Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 313 Dr. Jürgen Martens (Sachsen) (A) (C) tersuchungsausschusses – vor allem darin, solche mit dem sogenannten NSU-Trio schonungslos aufge- Motive schon im Rahmen der Ermittlungen zu erken- deckt. Für die Zukunft gilt es nun, aus dem Ermitt- nen und zu berücksichtigen. lungsdesaster der beteiligten Behörden die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Deshalb gehören Regelungen, die diesen Themen- kreis betreffen, nicht in das Strafgesetzbuch, sondern Im Gegensatz zu meinem Vorredner gehe ich da- in die Richtlinien für das Strafverfahren und das Buß- von aus, dass der Gesetzentwurf der Bundesregie- geldverfahren, die sich an die Ermittlungsbehörden rung die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsaus- wenden. Die entsprechenden Änderungen sind be- schusses des Deutschen Bundestages für den Bereich reits auf den Weg gebracht worden und werden si- der Justiz sehr sachgerecht umsetzt. Aus meiner cherlich bald in Kraft treten. Sicht handelt es sich um einen ausgewogenen Ge- setzentwurf, der mit der Ergänzung der Strafzumes- Der Katalog der Strafzumessungsgründe hingegen sungsgrundsätze um die Kategorie der sogenannten ist aus gutem Grund neutral gefasst. Der Gesetzge- Hasskriminalität noch über die Empfehlungen des ber täte gut daran, es dabei zu belassen. Die Motive NSU-Untersuchungsausschusses hinausgeht. des Täters, seien sie auch noch so verabscheuungs- würdig, können – da wiederhole ich mich – schon Gerade Thüringen setzt sich seit geraumer Zeit da- nach geltendem Recht berücksichtigt werden. Genau für ein, dass die in dem Gesetzentwurf angeführten das tun Gerichte in ihrer täglichen Praxis, meine Da- Beweggründe bei der Strafzumessung ausdrücklich men und Herren. Es gibt keinen vernünftigen Grund, als erschwerende Umstände Berücksichtigung fin- von der bislang neutralen Fassung des Strafzumes- den. Deshalb trat Thüringen im letzten Jahr auf der sungsrechts abzurücken. Justizministerkonferenz als Mitantragsteller zu dem Thema „Konsequente Bekämpfung der Hasskrimina- Insbesondere steht dieses Bemühen nun wieder in lität“ auf. einem seltsamen Kontrast zu dem Ansinnen, das Strafrecht in anderen Zusammenhängen von Gesin- In der Folge haben sich die Justizministerinnen nungsmerkmalen zu befreien. Ich denke hier an die und Justizminister seinerzeit mit großer Mehrheit für laufende Diskussion über eine mögliche Reform der eine entsprechende Erweiterung der Strafzumes- Tötungsdelikte oder des Jugendstrafrechts. Warum sungskriterien ausgesprochen, die die Bundesregie- nun ausgerechnet im Strafzumessungsrecht eine ge- rung nun aufgegriffen hat. genläufige Tendenz eingeschlagen und verfolgt wer- Durch die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Rege- den soll, ist weder nachvollziehbar noch aus dem Ge- lung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches wird setzentwurf oder seiner Begründung erkennbar. künftig das Augenmerk der Strafverfolgungsbehör- den und der Gerichte ausdrücklich auf mögliche (B) Schlussendlich sollten wir uns bewusst machen, (D) dass die punktuelle Aufnahme von spezifischen Tat- fremdenfeindliche, rassistische oder sonstige men- motiven auch der Auftakt zu einer ganzen Reihe von schenverachtende Beweggründe gerichtet, was die Folgeänderungen sein könnte. Warum sollen denn Sensibilität der Praxis in diesem Bereich weiter stei- allein rassistische oder fremdenfeindliche Motive be- gern wird. Dies begrüßt die Thüringer Landesregie- rücksichtigt werden? Müssten wir konsequenter- rung. weise nicht auch andere – nennen wir sie einmal so – Darüber hinaus trägt der Gesetzentwurf aus meiner niedrige Beweggründe, Motive und Gesinnungen Sicht unter anderem mit der Erleichterung der Prü- aufnehmen, zum Beispiel religiösen Fanatismus oder fung und Begründung der Zuständigkeit des Gene- Extremismus, Linksextremismus, Homophobie oder ralbundesanwalts, der gesetzlichen Normierung der Frauenfeindlichkeit? Diese Liste ließe sich beliebig Vorlagepflicht von Vorgängen an ihn und der Verein- fortführen, ohne dass sich an der bewährten Spruch- fachung der Bildung länderübergreifender Sammel- praxis der Gerichte etwas ändern oder das Gesetz verfahren bei einer Staatsanwaltschaft dazu bei, die auch nur ein kleines bisschen besser würde. Sicherheitsstruktur auf der Grundlage der Erfahrun- Sachsen wird sich zu dem Gesetzentwurf der gen und Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse Stimme enthalten; denn wir glauben, dass das Straf- auf justizieller Ebene neu zu justieren. Deshalb recht tatsächlich als Ultima Ratio geachtet werden werbe ich um breite Zustimmung. Von einem solchen sollte und für eine solche Symbolgesetzgebung nicht breiten Konsens ginge zugleich ein Signal der Ge- zur Verfügung stehen kann. schlossenheit der Länderkammer im Umgang mit den Konsequenzen des Behördenversagens aus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Be- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! kämpfung des Rechtsextremismus halte ich für eine Das Wort hat jetzt Minister Dr. Poppenhäger aus der wichtigsten Aufgaben der Strafverfolgungsbe- Thüringen. hörden in den nächsten Jahren. Thüringen hat des- halb die erschütternde Mordserie des NSU zum Anlass genommen, unter anderem justizielle Konsequenzen Dr. Holger Poppenhäger (Thüringen): Herr Präsi- zu ziehen, von denen ich einige kurz darstellen dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die möchte. Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Län- dern haben die Versäumnisse beim Handeln der Si- Im April 2013 sind zwei gemeinsame Richtlinien cherheits- und Justizbehörden im Zusammenhang der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft und zentra- 314 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Dr. Holger Poppenhäger (Thüringen) (A) (C) ler polizeilicher Dienststellen in Thüringen in Kraft für Terrorismus bereitet wird, wo ein Klima der Into- getreten. Mittels dieser Richtlinien sollen insbeson- leranz und des Hasses auf Andersdenkende in die dere die zeitnahe und umfassende Information der Gesellschaft Einzug hält. sachleitenden Staatsanwaltschaft gewährleistet so- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wie die Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft schließt ein Vorgehen mit der ganzen Härte des und ihre Leitungs- und Kontrollfunktion speziell für Strafrechts ein. Der Staat darf doch nicht tatenlos zu- die Durchführung von Zielfahndungsmaßnahmen sehen, wenn auf unseren Straßen und Plätzen mit deutlicher herausgestellt werden. Fahnen und Plakaten für die Akzeptanz der Ziele von Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat fer- menschenverachtenden Organisationen geworben ner Ende 2013 eine Rundverfügung über die Behand- wird! Dies gilt für rechtsextreme Organisationen ge- lung von Auskunfts- und Akteneinsichtsgesuchen nauso wie für den „Islamischen Staat“ und andere der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der extremistische Vereinigungen. Wer für Vereinigun- Länder erlassen. Diese soll insbesondere die ver- gen wirbt, die als skrupellose Massenmörder auftre- schlusssichere Dokumentation erfolgter Aktenein- ten und in ihrem Wahn Verbrechen gegen die sichten gewährleisten. Flankierend wurde durch die Menschlichkeit begehen, wendet sich gegen die Änderung der Anordnung über Berichtspflichten die Grundwerte unseres Staates und gefährdet das ge- Unterrichtung des Justizministeriums über derartige sellschaftliche Zusammenleben in Frieden und Tole- Akteneinsichtsgesuche der Verfassungsschutzbehör- ranz. den sichergestellt. Angesichts öffentlicher Enthauptungen unschuldi- Im März 2014 hat unter dem Vorsitz Thüringens ger Menschen im Nahen Osten ist es für mich ein un- eine Unterarbeitsgruppe der bundesweiten Gemein- erträglicher Gedanke, dass sich hieran in Deutsch- samen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei über Vorschläge land straflos Sympathiebekundungen anschließen, zur Änderung der Gemeinsamen Richtlinien über wie erst kürzlich vor der US-Botschaft und dem Bran- den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten denburger Tor geschehen. Dort haben religiöse Fana- Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung getagt. tiker selbstbewusst ihre Propaganda präsentiert. Der abschließende Bericht der Unterarbeitsgruppe Auch in der rechtstreuen Bevölkerung wird es mit sprach sich insbesondere für Klarstellungen bei den völligem Unverständnis aufgenommen, wenn ein sol- Anforderungen für ein Entfallen der Bindung an die cher Sympathisant nicht strafrechtlich verfolgt und Vertraulichkeit im Falle der Straffälligkeit einer Ver- nicht bestraft werden kann. Wir müssen diese Sorgen trauensperson aus. und Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. So viel zu den bei uns bereits erfolgten Maßnah- Bayern stellt daher heute den Antrag, die Sympa- (B) men! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. thiewerbung für terroristische und kriminelle Verei- (D) nigungen wieder strafrechtlich zu sanktionieren. Wie Sie wissen, war die Strafbarkeit des Werbens für der- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! artige Organisationen im Jahr 2002 auf die Werbung Das Wort hat Staatsminister Professor Dr. Bausback um Mitglieder oder Unterstützer begrenzt worden. aus Bayern. Das war schon damals ein Fehler; das ist aus heutiger Sicht – vor dem Hintergrund des gewachsenen rech- ten Extremismus und des gewachsenen islamisti- Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- schen Terrorismus – ein umso größerer Fehler. Ge- dent! Hohes Haus! Fehler und Versäumnisse, wie sie meinsam sollten wir hier das Ruder herumreißen. sich im Zusammenhang mit der rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ in Sympathiewerbung ist sozial schädlich. Sie zielt Deutschland ereignet haben, dürfen sich nicht wie- auf die Gewinnung von Sympathisanten, auf die An- derholen. erkennung der Ziele der Vereinigung und auf die Schaffung eines für Aktionsmöglichkeiten geeigne- Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes und ten Umfelds. Wir müssen diesen Sumpf trockenlegen die entsprechenden Untersuchungsausschüsse vieler und Anbietern terroristischen Gedankenguts die Länder haben sich in der vergangenen Legislaturpe- Rote Karte zeigen. riode mit diesen Themen beschäftigt. Der Untersu- chungsausschuss des Bundes hat klare Empfehlun- Die gegen die Wiedereinführung der Sympathie- gen ausgesprochen. Sie betreffen auch den Bereich werbung erhobenen Einwände verfangen nicht. Der der Justiz und sollen mit dem vorliegenden Gesetz- Bundesgerichtshof hat seinerzeit eine ausgewogene, entwurf der Bundesregierung umgesetzt werden. praktikable, mit dem Bestimmtheitsgebot und der Meinungsfreiheit zu vereinbarende Rechtsprechung Kolleginnen und Kollegen, das ist ein wichtiger gefunden; an diese kann problemlos angeknüpft Schritt, den ich sehr begrüße. Doch wir dürfen hier- werden. bei nicht stehen bleiben. Der Rechtsstaat muss bei der Bekämpfung von Terrorismus jedweder Art klar Auch der Hinweis auf ein mögliches Vorgehen Flagge zeigen. Das fängt nicht erst dort an, wo An- nach dem Vereinsgesetz überzeugt nicht. Diese Mög- schläge vorbereitet werden und unmittelbare Gefah- lichkeit soll nicht angetastet, wohl aber ergänzt wer- ren für Leib und Leben drohen. Nein, wir müssen be- den. Eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen das reits dort tätig werden, wo der geistige Nährboden Vereinsgesetz oder Vereinigungsverbote nach dem Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 315 Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) (A) (C) Strafgesetzbuch setzen ein vorheriges verwaltungs- Artikel 2 des Entwurfs hingegen befasst sich mit rechtliches Verbot der Vereinigung voraus. Solange der sogenannten Hass- oder Vorurteilskriminalität. ein solches nicht ausgesprochen ist, bleibt das Han- Es wird in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ausdrücklich deln straflos. Zudem erfassen die dortigen Regelun- klargestellt, dass als Strafzumessungsumstände auch gen den Bereich der Sympathiewerbung nur unzurei- rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige men- chend. Diese Schutzlücken sollten wir schließen. schenverachtende Beweggründe und Ziele des Tä- ters in Betracht kommen. Dadurch soll die Bedeutung Ich bitte darum, dem Antrag Bayerns zuzustimmen. dieser Motive für die gerichtliche Strafzumessung hervorgehoben und zudem unterstrichen werden, Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! dass auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf solche für die Bestimmung der Rechtsfolgen be- Es spricht jetzt Herr Parlamentarischer Staatssekre- deutsamen Motive zu erstrecken hat. Herr Minister tär Lange aus dem Bundesministerium der Justiz und Dr. Poppenhäger, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auf für Verbraucherschutz. den Wunsch der Justizminister besonders hingewie- sen haben.

Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bayern minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr fordert nun in einem Plenarantrag – wir haben es ge- geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- hört –, den Artikel 2 mit einer weiteren Änderung zu men und Herren! Ich freue mich, dass wir heute den versehen und die Sympathiewerbung für terroristi- ersten Durchgang eines Gesetzes erleben, das die sche Vereinigungen in §§ 129 und 129a StGB auszu- Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des weiten. In seiner Begründung bezieht sich Bayern Deutschen Bundestages zu den Umtrieben des soge- ausdrücklich auf den „Islamischen Staat“, dessen nannten Nationalsozialistischen Untergrundes um- Umtriebe in hohem Maß besorgniserregend sind. setzt. Dieses Thema ist zweifelsohne sehr wichtig. Mit Dies ist ein wichtiges Signal, um zu zeigen, dass Blick auf die Umsetzung der UN-Resolution 2178 aus wir es ernst meinen mit der Bekämpfung und der diesem Jahr spielt es aktuell auch für das Bundes- Prävention des rechtsgerichteten Terrorismus, der in ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Gestalt dieser Gruppe in Deutschland unglaubliches eine große Rolle. Mein Haus befindet sich in einem Leid über die Opfer und ihre Angehörigen gebracht konstruktiven Dialog mit dem Bundesministerium hat. Der lange Zeitraum, über den der NSU in unse- des Innern, um die richtigen Maßnahmen herauszu- rem Land wüten konnte, hat aber auch – lassen Sie filtern. Dabei sind die strafrechtlichen Aspekte Teil (B) mich das durchaus so hart sagen – große Defizite un- (D) der Lösung, um gegen das Problem „Islamischer serer Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden Staat“ vorzugehen. Der Prüfungsprozess ist in dieser zum Vorschein gebracht. Hinsicht aber noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzentwurf hat daher zwei Artikel, die sehr unterschiedliche Aspekte der Lehren beinhalten, die Was jedoch feststeht: Die Frage, ob und wie die so- wir aus dem Geschehenen ziehen wollen. genannte Sympathiewerbung für terroristische Verei- nigungen strafrechtlich zu bewerten ist, hat im Kon- Der erste Teil erweitert den Spielraum des Gene- text dieses Entwurfs nichts zu suchen. Es geht im ralbundesanwalts für die Annahme seiner Strafver- vorliegenden Gesetzentwurf um Maßnahmen, die die folgungskompetenz bei den sogenannten gekorenen Bekämpfung und Prävention des rechtsgerichteten Staatsschutzdelikten in § 120 Absatz 2 des Gerichts- Terrorismus in Deutschland verbessern sollen. Dieser verfassungsgesetzes, also den Straftaten, für deren Fokus sollte dem Gesetz erhalten bleiben; darum Verfolgung der Generalbundesanwalt zuständig ist, möchte ich Sie herzlich bitten. Deshalb bitte ich Sie wenn er die Verfolgung übernimmt. Neben dem Ver- ebenso darum, den Plenarantrag Bayerns abzuleh- dacht des Vorliegens eines der in § 120 Absatz 2 nen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Nummer 3 GVG genannten Delikte und der beson- deren Bedeutung des Falles wird es künftig nur noch darauf ankommen, dass die Tat objektiv staatsschutz- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! feindlichen Charakter hat, nicht jedoch darauf, dass Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. sich zusätzlich eine staatsschutzfeindliche Zielvor- stellung des Täters bereits feststellen lässt. Außer- Ich komme zu den Abstimmungen. dem greift der Gesetzentwurf eine Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses auf, indem durch Aus den Ausschussempfehlungen rufe ich auf: die Einfügung eines neuen zweiten Satzes in § 120 Ziffer 1! Wer will zustimmen? – Mehrheit. Absatz 2 GVG hervorgehoben wird, dass in den Fällen des § 120 Absatz 2 Satz 1 eine besondere Be- Bitte Ihr Handzeichen für den Landesantrag aus deutung auch dann anzunehmen ist, wenn eine Er- Bayern! – Das ist eine Minderheit. mittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters einer Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Tat geboten ist. genommen. 316 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Präsident Stephan Weil (A) (C) Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesord- lich alle Kinder und Jugendlichen vor Vernachlässi- nungspunkte 35 a) und b) auf: gung und Gewalt zu schützen. So weit dürfen wir es mit Sicherheit nicht kommen lassen. a) Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist Jugendhilfe – Antrag des Freistaates Bayern wichtig, dass die – oft traumatisierten – jungen Men- gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache schen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern 443/14) durch die Jugendhilfe betreut werden. Um auch künftig eine kindeswohlgemäße Betreuung sicherzu- b) Entschließung des Bundesrates zur bundeswei- stellen, müssen die Belastungen bundesweit gleich- ten Verteilung der unbegleiteten ausländi- mäßig verteilt werden. schen Minderjährigen – Antrag des Freistaates Bayern gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Druck- Darüber hinaus ist eine finanzielle Unterstützung sache 444/14) durch den Bund unerlässlich. Die sprunghaft ange- stiegenen Kosten können nicht durch die Kommunen Mir liegt die Wortmeldung von Frau Staatsministe- allein getragen werden. In diesem Zusammenhang rin Müller aus Bayern vor. muss auch das hochkomplexe Kostenerstattungsver- fahren überarbeitet werden. Die bereits am 19. Sep- Emilia Müller (Bayern): Sehr geehrter Herr Präsi- tember im Bundesrat erklärte Bereitschaft der dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zugangs- Bundesregierung zu Verhandlungen über Kostenent- zahlen bei den Asylbewerbern sind – vor allem in lastungen ist ein erstes positives Signal. den letzten Monaten – extrem angestiegen. Bislang Meine Damen und Herren, in der Asylpolitik ste- wurde noch jede Prognose von der Wirklichkeit über- hen wir alle vor einer gesamtgesellschaftlichen Auf- holt. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Krisen- gabe, die nur gemeinsam zu bewältigen ist. Dies gilt herde in der Welt ist mit weiter steigenden Asylbe- nicht nur für die unbegleiteten Minderjährigen, son- werberzahlen zu rechnen. dern für die Unterbringung aller Asylbewerber. Hier- Auch die Zahl an unbegleiteten ausländischen für brauchen die Länder die konkrete Unterstützung Minderjährigen hat sich in den betroffenen Kommu- des Bundes bei der schnellen und unbürokratischen nen – vor allem an den Hauptfluchtrouten – im Jah- Überlassung von Kasernen und Liegenschaften, bei resvergleich vervielfacht. In Bayern bedeutet das der Verfahrensbeschleunigung im Bundesamt für das Sechsfache der bereits hohen Vorjahreszahlen. Migration und Flüchtlinge und bei den Kosten der Diese rasante Entwicklung wird sich im Jahr 2015 Unterbringung, um die permanent wachsende Zahl fortsetzen. Das stellt alle Bundesländer vor große He- an Asylbewerbern zu bewältigen. rausforderungen. (B) Zur Bewältigung des ansteigenden Zustroms an (D) Sehr geehrte Damen und Herren, nur in gemeinsa- Asylbewerbern ist eine nationale, gemeinsame Kraft- mer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommu- anstrengung notwendig. Ich bitte Sie deshalb, dieses nen können wir diese gesamtgesellschaftliche Auf- Anliegen in den anstehenden Ausschussberatungen gabe bewältigen. Dazu hat Bayern den vorliegenden zu unterstützen. Entschließungsantrag und die Gesetzesinitiative ein- gebracht. Darin fordern wir ein bundesweites Vertei- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! lungsverfahren für die unbegleiteten Minderjähri- gen, vor allem für unter 18-Jährige. Wir fordern die Weitere Wortmeldungen habe ich nicht. finanzielle Unterstützung der Kommunen und der Länder durch den Bund. Ich weise die Vorlagen dem Ausschuss für Frauen und Jugend – federführend – sowie dem Finanzaus- Damit wollen wir bei den unbegleiteten Minderjäh- schuss und dem Ausschuss für Innere Angelegenhei- rigen für eine gerechte Lastenverteilung, aber auch ten – mitberatend – zu. für eine kindeswohlgemäße Betreuung sorgen. An- ders als erwachsene Asylbewerber können unbeglei- Wir kommen zu Punkt 5: tete Minderjährige nicht bundesweit verteilt werden. Entschließung des Bundesrates „Verlässliche, Die aktuelle Rechtslage führt dazu, dass sich der Zu- planbare und auskömmliche Finanzierung im strom zunächst auf wenige Kommunen an den Bundesfernstraßenbau“ – Antrag des Landes Hauptzugangsrouten konzentriert. Dadurch wird dort Baden-Württemberg – (Drucksache 276/14) die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht. Weil Räumlichkeiten und Personal fehlen, müssen die Dem Antrag des Landes Baden-Württemberg ist Minderjährigen zum Teil in Notunterkünften, unter Nordrhein-Westfalen beigetreten. anderem Turnhallen und Gemeindesälen, unterge- bracht werden. Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir alle wissen, dass mit einem weiteren Anstieg Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen des Zugangs von unbegleiteten Minderjährigen zu die Ausschussempfehlungen vor. Ich rufe auf: rechnen ist. Dadurch ist zu befürchten, dass die be- Ziffer 1! – Mehrheit. troffenen Jugendämter überlastet und bald nicht mehr handlungsfähig sind. Sie können dann ihrem Bitte Ihr Handzeichen für Ziffern 2 und 3 gemein- eigentlichen Auftrag nicht mehr nachkommen, näm- sam! – Mehrheit. Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 317 Präsident Stephan Weil (A) (C) Wer dafür ist, die Entschließung nach Maßgabe der war, dass die Verantwortung jeder Landesregierung vorangegangenen Abstimmungen zu fassen, den für ihre spezifische Situation Berücksichtigung fin- bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. den musste. Einige Länder – Baden-Württemberg – stehen in direkter Verantwortung für die Konzerne Damit hat der Bundesrat eine Entschließung ge- der Atomenergie. Andere Länder, wie Nordrhein- fasst. Westfalen, haben eine enge kommunalpolitische Ver- Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung: flochtenheit mit der Solvenz der jeweiligen atom- kraftwerksbetreibenden Firmen. Entschließung des Bundesrates zur Insolvenzsi- cherung der Rückstellungen für Stilllegung, Dass es vor diesem Hintergrund gelungen ist – so Abbau und Entsorgung im Atombereich – An- scheint es jedenfalls in den Vorabstimmungen der trag der Länder Schleswig-Holstein, Hessen, Fall gewesen zu sein –, doch die Mehrheit für diesen Rheinland-Pfalz – Antrag des Landes Schles- Antrag zu finden, ist – ich erinnere an die Worte des wig-Holstein gemäß § 23 Absatz 3 i.V.m. § 15 Präsidenten – ein gutes Zeichen. Ich bezweifle, dass Absatz 1 GO BR – (Drucksache 280/14) der Bundestag in der Lage gewesen wäre, eine sol- che Entschließung zu fassen. Die Entschließung wird Mir liegt die Wortmeldung von Minister Dr. Habeck von Landesregierungen verschiedenster Couleur ein- aus Schleswig-Holstein vor. gebracht, und sie wird hoffentlich gleich von Landes- regierungen unterstützt, die unterschiedlichste Ver- Dr. Robert Habeck (Schleswig-Holstein): Herr Prä- antwortung für ihr Land tragen. sident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag, Dass damit der Bundesrat die Verantwortung für den wir noch einmal beraten und über den wir die Bürger dieses Landes übernimmt, eine klare Linie abstimmen, stellt die Frage nach der Höhe, der Aus- zieht und sagt, „gerade weil es so schwierig ist, weil kömmlichkeit und der Verfügbarkeit der Rück- die Sorge besteht, dass die Rückstellungen gebunden stellungen, die die Firmen, die Atomkraftwerke be- sind oder möglicherweise hier und da nicht ausrei- trieben haben, in der Vergangenheit gebildet haben. chen, muss dieses Thema angegangen werden“, ist Er ist damit die kommunizierende Röhre zu dem ein gutes Zeichen und ein guter Moment für dieses großen Konsens, aus der Atomkraft auszusteigen, Haus. – Vielen Dank. den die Bundesrepublik beschlossen hat. Und er wird vor einem Hintergrund verhandelt, Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! dass – sagen wir es einmal so – Indizien dafür spre- Das Wort hat Herr Minister Wenzel aus Nieder- chen, dass der Konsens noch immer nicht akzeptiert sachsen. wird. Es gibt Klagen gegen Gesetze und Gesetzes- (B) vorhaben, die den Konsens regeln. Deswegen ist es (D) wichtig, dass die Politik deutlich macht, dass sie zu Stefan Wenzel (Niedersachsen): Sehr geehrter Herr den Beschlüssen, die sie einmal gefasst hat, steht. Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Länder erleben in vielfältiger Form tagtäglich, Die Rückstellungen sind für den Rückbau und für welche Herausforderungen sich im täglichen Ge- die Lagerung der Lasten der Atomkraft vorgesehen schäft durch das nukleare Erbe stellen. Stück für und müssen jetzt, da wir in diese Phase einsteigen, Stück wird der ganze Umfang sichtbar. Es wird auch gegebenenfalls hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit über- klar: Dieses Erbe können wir leider nicht ausschla- prüft werden. gen. Einige von uns sind Mitglied in der Endlagersuch- Anlässlich einer Anhörung im Niedersächsischen kommission, der Kommission, die auch den letzten Landtag zu dem heutigen Thema haben alle dort Konflikt der Atomkraft prüft, nämlich die Frage, nach eingeladenen Sachverständigen die besondere welchen Kriterien das Endlager in Deutschland ge- Dringlichkeit dieser Thematik betont. Angesichts der funden werden soll. Ich glaube, es ist kein Geheim- rückläufigen Marktkapitalisierung der großen Ener- nis, wenn ich sage, dass diese Kommission unter ho- gieversorger wird es immer zweifelhafter, ob die für her öffentlicher Anspannung arbeitet. Das heißt, wir den Rückbau und die Entsorgung der Atomkraft- brauchen auch ein stabiles politisches Milieu, um die werke gebildeten bilanziellen Rückstellungen tat- Ergebnisse, die die Gesellschaft von uns erwartet, sächlich zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht umsetzen zu können. werden. Vor diesem Hintergrund war klar, dass unser An- Damit die Kosten für den Rückbau der Atomkraft- trag zu schwierigen Debatten in verschiedenen Län- werke und die Entsorgung des Atommülls aber nicht dern führen wird. Einige von Ihnen wissen vielleicht, eines Tages der öffentlichen Hand zur Last fallen, dass er eigentlich schon in der letzten Sitzung ver- brauchen wir meines Erachtens ein dreistufiges Vor- handelt werden sollte, aber von der Tagesordnung gehen. abgesetzt wurde. Heute liegt er uns genau so vor, wie er vor drei Wochen vorgelegen hat. Ein ziemlich Erstens müssen wir endlich Transparenz schaffen: rumpliger Weg lag dazwischen. Wir müssen so genau wie irgend möglich Klarheit Vielleicht hätten wir Möglichkeiten finden können, darüber schaffen, welche finanziellen Mittel für den diesen Weg nicht so beschreiten zu müssen. Aber ich Rückbau der Atomkraftwerke und die dauerhafte La- will ausdrücklich sagen, dass von vornherein klar gerung der Atomabfälle tatsächlich erforderlich sind. 318 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Stefan Wenzel (Niedersachsen) (A) (C) Und das Ganze kraftwerkscharf! Es ist richtig, dass es Ein solcher Fonds muss eine Lösung schaffen ins- bei den Kosten für die dauerhafte Lagerung hochra- besondere für die mittel- und langfristigen Verpflich- dioaktiver Abfälle noch an einigen politischen Vorga- tungen bezüglich Rückbau und Dauerlagerung, die ben fehlt. Daran arbeitet die Atommüllkommission; möglicherweise zeitlich über das Fortbestehen der mein Kollege Robert Habeck hat darauf verwiesen. betroffenen Unternehmen weit hinausreichen. Hier Ich bin mir aber sicher, dass die Kosten in jedem Fall gibt es interessante Vorbilder in der Schweiz, in deutlich höher liegen werden als die bislang in den Schweden und in Finnland, die wir sorgfältig prüfen Bilanzen der Energieversorger dafür eingestellten müssen. Auf keinen Fall dürfen die Betreiber aus ih- Rücklagen. In der Schweiz beispielsweise geht man rer rechtlichen Verantwortung für den Rückbau und von Summen aus, die zwei- bis zweieinhalbfach hö- die Entsorgung entlassen werden. her sind als die, die bei uns heute zugrunde gelegt werden. Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt eine Reihe von Handlungsansätzen, die dazu beitragen Die Finanzplanung muss auch Sicherheitszu- können, dass die von den Energieversorgern gebilde- schläge für unvorhergesehene Ereignisse und Kos- ten Rückstellungen tatsächlich monetär zur Verfü- tensteigerungen enthalten, wie wir sie gerade beim gung stehen, wenn sie gebraucht werden. Der vorlie- Rückbau des Atomkraftwerks Stade erleben, sowie gende Entschließungsantrag greift mehrere dieser Zuschläge für etwaige Rechtsänderungen, zum Bei- Elemente auf. Wir müssen endlich anfangen. spiel bei der Novellierung der Strahlenschutzverord- Ich bin den Antragstellern für diese Initiative sehr nung. dankbar und freue mich, dass es nunmehr offenbar Zweitens müssen wir sehr kurzfristig die Verfüg- gelingt, im Bundesrat eine Mehrheit dafür zu erzie- barkeit der notwendigen Finanzmittel im Rahmen len. – Herzlichen Dank fürs Zuhören. des bestehenden Systems sichern.

Dazu gehört eine gesetzliche Verpflichtung zur Ab- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! gabe „harter“ Patronatserklärungen der Konzern- Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. mütter für ihre atomkraftwerkebetreibenden Töchter beziehungsweise lückenlose Gewinnabführungs- und Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Beherrschungsverträge zwischen Betreibergesell- Ich rufe auf: schaften und ihren Mutterkonzernen über das Jahr 2022, dem derzeitigen Auslaufen der Solidarverein- Ziffer 1! – Mehrheit. barung, hinaus. Dass sich der Mutterkonzern von Ziffer 2! – Mehrheit. V a t t e n f a l l aus der Haftung für seine deutschen (B) Töchter verabschiedet hat, ist skandalös und zeigt Wer stimmt der Entschließung nach Maßgabe der (D) die Dringlichkeit dieses Vorhabens. vorangegangenen Abstimmungen zu? – Das ist die Mehrheit. Außerdem brauchen wir die Bildung eines kon- kursfesten und „mündelsicheren“ Sondervermögens Dann ist so beschlossen. innerhalb der Konzerne, aus dem im Fall einer Insol- Herr Minister Dr. Habeck (Schleswig-Holstein) hat venz die Verpflichtungen hinsichtlich Stilllegung, hierzu eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben. Rückbau und Entsorgung finanziert werden können. Wir kommen zu Tagesordnungpunkt 7: Prüfen sollten wir ferner einen Haftungsverbund der Muttergesellschaften der Atomkraftwerksbetrei- Entschließung des Bundesrates zur Erweite- ber untereinander, ähnlich wie die Solidarvereinba- rung des Bergschadensrechts auf die Errich- rung zur Deckung der Haftung für Schäden bei nu- tung und den Betrieb von unterirdischen Kaver- klearen Ereignissen oder wie bei Vereinen zur nenspeichern sowie der Bergschadensvermutung Absicherung von Pensionsansprüchen. Ein solcher auf die Aufsuchung und Gewinnung von Bo- Haftungsverbund könnte mit einem Garantiesystem denschätzen in Tagebaubetrieben und durch verbunden werden, so dass er nicht nur das Risiko für Tiefbohrungen – Antrag des Landes Nordrhein- diejenigen Beträge trägt, bis zu deren Höhe Rück- Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – stellungen gebildet worden sind, sondern auch für (Drucksache 427/14) darüber hinausgehende ungeplante Kosten gesamt- schuldnerisch garantiert. Dabei muss auch der Betrag Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren aus Nordrhein- für die Deckungsvorsorge im Haftungsfall sehr deut- Westfalen hat sich zu Wort gemeldet. lich nach oben korrigiert werden. Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen): Schließlich brauchen wir zur Absicherung unseres Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen Anliegens begleitende Änderungen des Atomgeset- und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bislang gilt zes, zum Beispiel die verbindliche Verpflichtung der das im Bundesberggesetz geregelte Bergschadens- Betreiber zum Rückbau ihrer stillgelegten Kraft- recht nicht für die Errichtung und den Betrieb von werke. Kavernenspeichern. Als dritten und neuen Schritt brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Fonds mit Garantiesystem und Nachschusspflichten der Betreiber. *) Anlage 1 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 319 Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) Wer zu Schaden kommt, muss allein auf die ver- für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wei- schuldensabhängigen Haftungs- und Schadenser- ter beraten – ob wohlwollend, weiß ich nicht. satzregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8: vertrauen, kann jedoch nicht von den verschuldens- unabhängigen Regelungen des im Bundesberggesetz Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asyl- verankerten Bergschadensrechts profitieren. Dabei bewerberleistungsgesetzes und des Sozialge- sind dort sogar vorsorgende Regelungen zum Berg- richtsgesetzes (Drucksache 392/14) schadensersatz für den Fall getroffen, dass es zum Haftungsausfall eines einzelnen Bergbauunterneh- Hierzu liegt die Wortmeldung von Frau Staats- mens kommt. ministerin Alt aus Rheinland-Pfalz vor. Zum Zweiten greift die im Bundesberggesetz gere- Irene Alt (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter Herr Prä- gelte Bergschadensvermutung nach § 120 Bundes- sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das berggesetz – im Kern also die „Beweislastumkehr“ – Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom zu Lasten der Bergbauunternehmen weder mit Blick 18. Juli 2012 den Bund aufgefordert, die Leistungen auf den sogenannten Bohrlochbergbau noch auf die für Asylbewerberinnen und Asylbewerber neu zu re- im Tagebau geführten Bergbaubetriebe. In der Tat geln, weil sie verfassungswidrig waren. Das Gericht und nachgewiesenermaßen kommt es aber auch im hat dem Bund klare Vorgaben zur Sicherstellung des Bereich solcher Betriebe zu folgenschweren Boden- Existenzminimums von Menschen gemacht, die auf bewegungen etwa durch Erschütterungen, durch das Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen sind. Tiefbohrungen oder durch ungleichmäßige Senkun- gen bei geologischen Besonderheiten und unge- Die Länder haben in der Arbeitsgemeinschaft für wöhnliche Grundwasserabsenkungen im Umfeld der Flüchtlingsfragen, der sogenannten ArgeFlü, eine Braunkohlentagebaue. zeitnahe und bundeseinheitliche Auslegung des Ur- teils verabschiedet und umgesetzt. Die Ausweitung des Bergschadensrechts ist aus der Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen dringend not- Nun hat der Bund nach mehr als zwei Jahren einen wendig, da sich geschädigte Betroffene in solchen Entwurf zur Änderung des Asylbewerberleistungs- Fällen auf Grund der zumeist komplexen Situation gesetzes vorgelegt. Als rheinland-pfälzische Inte- einer außerordentlich schwierigen Beweislage aus- grationsministerin bin ich von dem Gesetzentwurf gesetzt sehen, um ihre Schadensersatzansprüche um- enttäuscht. Der diskriminierende Charakter des Ge- fassend geltend machen und durchsetzen zu können. setzes besteht nach wie vor. Der vom Bundesverfas- sungsgericht vorgegebene Leitsatz „Die Menschen- Ferner fordert Nordrhein-Westfalen die Bundesre- würde ist migrationspolitisch nicht relativierbar“ gierung auf, durch eine Neufassung der Einwir- wurde nicht umgesetzt. (B) kungsbereichs-Bergverordnung zu definieren, wie (D) Einwirkungsbereiche festzulegen sind: erstens für Auch künftig erhalten Bezieherinnen und Bezieher das Aufsuchen und Gewinnen von Bodenschätzen nur in Notfällen und bei akuten Erkrankungen medi- durch Tiefbohrungen, zweitens für Betriebe von un- zinische Versorgung. terirdischen Kavernenspeichern und drittens für Auch künftig will der Bund die finanziellen Haupt- Tagebaubetriebe, die durch großflächige Grundwas- lasten allein den Ländern und Kommunen aufbür- serabsenkungen oder Erschütterungen schadens- den. wirksame Bodenbewegungen an der Erdoberfläche im Umfeld der Betriebe verursachen können. Ich bin daher nach wie vor der Auffassung – die Rheinland-Pfalz bereits vor zwei Jahren hier vertre- Im Zuge dieser Änderung sind im Übrigen die bis- ten hat und die der federführende Ausschuss für herigen Regelungen für Betriebe, die unter Tage Arbeit und Sozialpolitik sowie der Finanzausschuss Steinkohle abbauen, zu überarbeiten. Denn mittler- teilen –: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss ab- weile liegen für den untertägigen Steinkohlenberg- geschafft werden. bau Erkenntnisse vor, die nachweisen, dass er deut- lich über den vorbestimmten Wirkungsbereich Es wäre sehr viel einfacher, die betroffenen Perso- hinaus Bodenbewegungen auslösen kann. nengruppen in die bestehenden Sozialsysteme aufzu- nehmen. Der Gesetzentwurf schlägt sogar vor, be- Die in der Einwirkungsbereichs-Bergverordnung stimmte – allerdings sehr kleine – Personengruppen bisher bergschadenstechnisch erfassten Einwir- aus dem Asylbewerberleistungsgesetz auszuglie- kungsbereiche für den Untertage-Steinkohlenberg- dern und in die bestehenden Sozialsysteme einzu- bau genügen somit nicht mehr dem Stand der Tech- gliedern. Das ist gut so. Aber warum dann nicht nik und müssen aus der Sicht des Landes Nordrhein- gleich alle Personengruppen? Denn – ich sage es Westfalen ebenfalls angepasst werden. noch einmal sehr deutlich – alle Asylsuchenden ha- Ich bitte um wohlwollende Beratung in den Aus- ben das Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Mit schüssen. – Herzlichen Dank. dem Gesetzentwurf in dieser Form wird Asylsuchen- den ein menschenwürdiges Dasein dagegen weiter- hin erschwert. Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Mit dem Entwurf lässt der Bund die Länder und Über die Vorlage wird – federführend – im Wirt- Kommunen auch mit den immer weiter steigenden schaftsausschuss und – mitberatend – im Ausschuss Kosten der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlin- 320 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Irene Alt (Rheinland-Pfalz) (A) (C) gen alleine, gerade jetzt, da der Bund angesichts der Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! hohen Flüchtlingszahlen ein Zeichen setzen könnte Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – und müsste. Eine Erklärung zu Protokoll*) hat Minister Friedrich Länder und Kommunen brauchen zusätzliche Bun- (Baden-Württemberg) abgegeben. desmittel für Aufnahme, Unterbringung, Verpfle- Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen gung und Integration von Flüchtlingen. Sie brauchen vor: die Ausschussempfehlungen und ein Antrag ein dauerhaftes finanzielles Engagement des Bundes. Hamburgs in der Drucksache 392/2/14 (neu). Die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, sollten Ich beginne mit Ziffer 1 der Ausschussempfehlun- Schutz und Zuflucht bei uns finden und in unsere Re- gen. Wer ist dafür? – Das ist eine Minderheit. gel-Sozialsysteme aufgenommen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Wir kommen zu Ziffer 2. Wer ist dafür? – Mehrheit. Damit entfällt eine Abstimmung über Ziffer 3. Präsident Stephan Weil: Danke schön! Wir kommen zum Antrag Hamburgs in Drucksache 392/2/14 (neu), bei dessen Annahme Ziffer 4 der Es folgt Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ausschussempfehlungen entfallen würde. Wer ist da- Kramme aus dem Bundesministerium für Arbeit und für? – Das ist die Mehrheit. Soziales. Ziffer 4 entfällt damit.

Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Ich rufe Ziffer 5 auf, in der auf Wunsch eines Lan- desministerin für Arbeit und Soziales: Sehr geehrter des über die Buchstaben a und b getrennt abzustim- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! men ist. Lassen Sie mich nur einige wenige Sätze sagen! Wer ist für Ziffer 5 Buchstabe a? – Mehrheit. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregie- Wer ist für Ziffer 5 Buchstabe b? – Mehrheit. rung nimmt 1 : 1 die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 geforderten Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf, Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes auf. wie soeben festgelegt, Stellung genommen.

Die Forderungen des Verfassungsgerichts waren Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck klar, und – das sage ich sehr deutlich – sie waren be- ) rechtigt. 8/2014** zusammengefassten Beratungsgegenstände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: (B) Leider war es der vorherigen Bundesregierung (D) 9, 12, 15, 17, 18, 22 bis 24, 26, 27, 30 bis 34, 36 nicht gelungen, die nötigen Änderungen auf den und 37. Weg zu bringen. Uns, dieser Bundesregierung, ist es ein wichtiges Anliegen, den Auftrag des Verfas- Wer den Empfehlungen und Vorschlägen folgen sungsgerichts nun zügig umzusetzen. Ich finde, es möchte, den bitte ich um das Handzeichen. muss parteiübergreifend Einigkeit darüber geben, Es ist so beschlossen. dass Urteile des höchsten deutschen Gerichts zeitnah umgesetzt werden müssen. Zu Tagesordnungspunkt 37 sind der Vorlage des Landes Baden-Württemberg alle übrigen Länder Die beantragte vollständige Abschaffung des Asyl- beigetreten. bewerberleistungsgesetzes entspricht diesem Auf- trag aber nicht. Denn die grundsätzliche Berechti- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 10: gung des Asylbewerberleistungsgesetzes hat das Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Entlas- Verfassungsgericht nicht bestritten. Das ist nachvoll- tung von Ländern und Kommunen ab 2015 und ziehbar. Die Lebenssituation von Asylbewerbern un- zum quantitativen und qualitativen Ausbau der terscheidet sich maßgeblich von der jener Menschen, Kindertagesbetreuung (Drucksache 393/14) deren Hauptaufgabe es ist, sich in den ersten Ar- beitsmarkt zu integrieren. Es liegt eine Erklärung zu Protokoll***) von Frau Staatsministerin Conrad (Rheinland-Pfalz) für Wenn es um die Übernahme der Kosten durch den Staatsminister Dr. Kühl vor. – Weitere Wortmeldun- Bund geht, sollte das im Gesamtzusammenhang ei- gen sehe ich nicht. ner Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern besprochen werden. Kosten hier Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen und da immer hin- und, vor allen Dingen, herzu- die Ausschussempfehlungen vor. Daraus rufe ich auf: schieben ist nicht der geeignete Weg, zu einer ver- Ziffer 1! – Mehrheit. nünftigen und allseits akzeptierten Lösung zu kom- men. Ziffer 2! – Mehrheit.

Meine Damen und Herren, Sie haben die Möglich- keit, eine Entlastung von Ländern und Kommunen in *) Anlage 2 Höhe von 43 Millionen Euro jährlich ab 2016 auf den **) Anlage 3 Weg zu bringen. Darum bitte ich Sie. – Vielen Dank. ***) Anlage 4 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 321 Präsident Stephan Weil (A) (C) Ziffer 3! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung genommen. Ziffer 4! – Mehrheit. Wir kommen zu Punkt 16: Ziffer 5! – Mehrheit. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Ziffer 6! – Minderheit. Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Vorgaben zum Sexualstrafrecht (Drucksache genommen. 422/14) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11: Wortmeldung: Frau Staatsministerin Kühne- Hörmann aus Hessen. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Frei- zügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschrif- ten (Drucksache 394/14) Eva Kühne-Hörmann (Hessen): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dazu liegt eine Erklärung zu Protokoll*) von Fast auf den Tag genau vor sieben Monaten, am Staatsminister Professor Dr. Bausback (Bayern) für 14. März 2014, haben wir an dieser Stelle die Bun- Staatsministerin Müller vor. – Weitere Wortmeldun- desregierung mit großer Mehrheit aufgefordert, ei- gen gibt es nicht. nen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Strafrecht im Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Bereich der Kinderpornografie angemessen verschär- fehlungen vor. Ich rufe auf: fen soll. Ziffer 1! – Minderheit. Die Diskussion hat also schon einen langen Weg hinter sich, und ich bin froh, heute sagen zu können, Ziffer 2! – Minderheit. dass der nun vorliegende Gesetzentwurf aus meiner Wir kommen zu Ziffer 3. Da zu den einzelnen Sicht eine gute Grundlage darstellt. Zahlreiche Än- Buchstaben der Ziffer 3 um getrennte Abstimmung derungen sind vorgenommen worden, die auf die gebeten worden ist, bitte zunächst das Handzeichen Vorschläge der Länder zurückgehen. für: Aus hessischer Sicht gibt es aber immer noch we- Ziffer 3 Buchstabe a! – Mehrheit. sentlichen Änderungsbedarf. Das betrifft besonders Änderungen, die aus der staatsanwaltschaftlichen Ziffer 3 Buchstabe b! – Minderheit. Praxis vorgetragen werden. Die im Entwurf der Bun- Ziffer 3 Buchstabe c! – Minderheit. desregierung vorgesehene Einbeziehung von Abbil- dungen eines „ganz oder teilweise unbekleideten Wir fahren fort mit Ziffer 4. – Mehrheit. (B) Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körper- (D) Ziffer 5! – Mehrheit. haltung“ unter den Begriff der kinder- und jugend- pornografischen Schriften in § 184b, c Absatz 1 Num- Ziffer 6! – Mehrheit. mer 1 StGB-E soll zur Klarstellung führen. Ich sage: Ziffer 7! – Mehrheit. Wegen mangelnder Bestimmtheit führt diese Rege- lung aber zu Problemen in der Anwendung der Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf staatsanwaltschaftlichen Praxis. entsprechend Stellung genommen. Im vorliegenden Gesetzentwurf werden Bilddar- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14: stellungen umfasst, die nach der Rechtsprechung bis- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der her nicht strafbar sind, aus hessischer Sicht auch in Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Zukunft nicht strafbar sein sollen. Die mangelnde Be- Schutzanordnung, zur Durchführung der Ver- stimmtheit der vorgesehenen Regelung ist verfas- ordnung (EU) Nr. 606/2013 über die gegensei- sungsrechtlich bedenklich, weil nach dem Gesetzent- tige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in wurf quasi jedes unbefugt gemachte Foto eines Zivilsachen und zur Änderung des Gesetzes unbekleideten anderen Menschen erfasst würde und über das Verfahren in Familiensachen und in es demnach nun auch strafbar wäre, die eigenen und den Angelegenheiten der freiwilligen Ge- die Nachbarskinder zum Beispiel beim Planschen im richtsbarkeit (Drucksache 397/14) Garten zu fotografieren, ohne vorher die Erlaubnis der nicht anwesenden Nachbarn einzuholen. Das Wortmeldungen liegen nicht vor. kann zu einer Kriminalisierung der Privatsphäre füh- Wir kommen zur Abstimmung. Aus den Ausschuss- ren, die ich nicht für sinnvoll halte. empfehlungen rufe ich auf: Hessen unterstützt daher das Anliegen, eine Neu- Ziffer 5! – Mehrheit. fassung der §§ 184b Absatz 1 Nummer 1 und 184c Absatz 1 Nummer 1 vorzunehmen. Damit entfällt Ziffer 6. Ich bin der Auffassung, dass im Sinne der Rechts- Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten anwender, aber auch im Sinne der Rechtssicherheit Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. an dieser Stelle im weiteren Verfahren nachgebessert werden muss. Entsprechende Vorschläge – insbeson- dere aus Bayern – sind bereits eingebracht; ich be- *) Anlage 5 grüße sie ausdrücklich. 322 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Eva Kühne-Hörmann (Hessen) (A) (C) Ein weiterer Punkt: Es besteht eine Strafbarkeitslü- nannten Vorschläge aus der staatsanwaltschaftli- cke für den untauglichen Versuch des Cybergroo- chen Praxis in das Gesetzgebungsverfahren noch mings. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf blei- einflössen. – Vielen Dank. ben Täter straflos, die auf Kinder im Internet sexuell einwirken wollen. Deshalb fordern wir die Versuchs- strafbarkeit für Taten nach § 176 Absatz 4 Nummer 3 Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! StGB. Das Wort hat Staatsminister Dr. Martens aus Sach- Ebenso schlagen wir vor, die Erweiterung des sen. Schriftenbegriffs in § 11 Absatz 3 StGB um Daten im Sinne von § 202a StGB aufzunehmen, damit das Dr. Jürgen Martens (Sachsen): Sehr geehrter Herr Strafrecht den verschiedenen Formen digitaler Krimi- Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesre- nalität effektiv begegnen kann. Die Reform des Straf- gierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des gesetzbuches mit Blick auf die Internetkriminalität Strafgesetzbuches vorgelegt, der den klangvollen war ebenfalls ein Anliegen des Entschließungsan- Zusatz „Umsetzung europäischer Vorgaben zum Se- trags, den wir am 14. März 2014 im Bundesrat be- xualstrafrecht“ trägt. schlossen haben. Diese Bezeichnung kann und sollte indes nicht da- Ein weiterer Punkt, der der Änderung bedarf, ist rüber hinwegtäuschen, dass nur ein kleiner Teil der die Erhöhung des Strafrahmens von drei auf fünf Regelungen tatsächlich internationalen Vorgaben Jahre bei der Eigenbesitzverschaffung. Es geht etwa geschuldet ist. Wesentliche Inhalte des Gesetzent- um Fallgestaltungen, bei denen sich Täter mit wurfs werden nämlich in Wirklichkeit auf – jedenfalls Smartphones von einschlägigen Homepages Bilder nach Auffassung der Bundesregierung – darüber hi- herunterladen, eine Weiterverbreitungsabsicht aber nausgehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf zunächst nicht erkennbar ist. Es ist daher nicht ge- gestützt. So sollen etwa Schutzlücken im Sexualstraf- rechtfertigt, denjenigen, der sich selbst ein kin- recht geschlossen und die Verjährungsregeln ver- derpornografisches Bild verschafft, anders zu beur- schärft werden. Verbesserungswürdig, heißt es, sei teilen als denjenigen, der einem anderen ein solches auch der Schutz des Persönlichkeitsrechts gegen Bild verschafft. Beide nehmen gleichermaßen am „bloßstellende Bildaufnahmen“ und Aufnahmen un- Marktgeschehen teil. Beide machen Kinder zu Op- bekleideter Personen. fern. Meine Damen und Herren, die Vorschläge der Bun- Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht auch desregierung sind bei der im Vorfeld beteiligten Pra- für den Fall der Drittbesitzverschaffung einen Straf- xis – Gerichten und Staatsanwaltschaften –, aber rahmen von bis zu fünf Jahren vor, für die Eigenbe- auch bei den Verbänden und in den Medien auf ein (B) (D) sitzverschaffung jedoch nur einen solchen von bis zu sehr zwiespältiges Echo gestoßen, und das mit Recht. drei Jahren. Hier ist ein Ungleichgewicht im Gesetz- entwurf, das behoben werden sollte. Erst ab einem Meine Vorrednerin hat eine Reihe von Verbesse- Strafrahmen von fünf Jahren handelt es sich um rungs- oder Veränderungsvorschlägen aus der Arbeit Straftaten von erheblicher Bedeutung. Übrigens: der Staatsanwaltschaften vorgetragen, die im Ge- Selbst beim Ladendiebstahl ist der Strafrahmen fünf setzentwurf bisher nicht berücksichtigt wurden. Jahre. Und erst bei Straftaten von erheblicher Bedeu- Natürlich ist es zu begrüßen, wenn der Entwurf die tung haben die Ermittlungsbehörden die Möglich- Zielrichtung hat, die sexuelle Selbstbestimmung – vor keit, Verkehrsdaten gemäß § 100g StPO zu erheben. allen Dingen von Kindern und Minderjährigen – bes- Das bedeutet: In dem Fall, in dem ein Täter, der ser zu schützen und tatsächlich bestehende Rege- sich einschlägige Bilder heruntergeladen hat, sein lungslücken zu füllen. Das gilt ohne Zweifel im Zu- Smartphone mit einer falschen Identität betreibt, wie sammenhang mit dem sogenannten Cybergrooming es bei Prepaid-Handys leicht möglich ist, könnten die und in Bezug auf kinder- und jugendpornografische Ermittlungsbehörden ihn derzeit nicht ermitteln, weil Schriften oder entsprechende Live-Darbietungen. In- ihnen die Handy-Ortung gerade nicht zur Verfügung soweit unterstützen wir die Regelungen des Ent- steht. Durch Handy-Ortung könnte in Echtzeit fest- wurfs. gestellt werden, wo sich das genutzte Mobiltelefon Aber es gibt durchaus auch Grund zur Kritik. befindet, sie führt direkt zum Nutzer. Eine Erhöhung des Strafrahmens auf bis zu fünf Jahre würde also die Zum einen bleibt der Entwurf hinter dem selbst ge- Möglichkeit eröffnen, auch an Täter heranzukom- nannten Ziel der Umsetzung europäischer Vorgaben men, die wir heute nur sehr schwer ergreifen kön- zum Sexualstrafrecht zurück, wenn und weil eine nen. Überarbeitung der Vorschriften zur sexuellen Nöti- gung und Vergewaltigung vorerst unterbleibt. Die Meine Damen und Herren, wenn ich bedenke, dass sogenannte Istanbul-Konvention verlangt, dass jegli- es laut Statistischem Bundesamt seit dem letzten Jahr che nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter mehr Mobilfunkverträge als Festnetzanschlüsse in Strafe zu stellen ist. Ob das deutsche Strafrecht dem Deutschland gibt und uns die Prognosen sagen, dass tatsächlich genügt, ist mehr als zweifelhaft. schon in wenigen Jahren gut 90 Prozent aller genutz- ten Mobiltelefone Smartphones sein werden, kann Zum anderen geht der Entwurf nicht nur über die man die Dimension dieser Strafbarkeitslücke erah- europäischen Vorgaben, sondern auch über das Maß nen. Es würde mich freuen, wenn die von mir ge- der Vernunft und des strafrechtlich Gebotenen hinaus. Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 323 Dr. Jürgen Martens (Sachsen) (A) (C) Das betrifft insbesondere die Verschärfung des Ver- keiten hingewiesen, wenn das Gesetz tatsächlich in jährungsrechts und die Vorschriften zum Schutz des dieser Form verabschiedet würde. Persönlichkeitsrechts. Auch in Bezug auf die Strafbarkeit von Nacktauf- Die vorgesehene Ausdehnung des Ruhens der Ver- nahmen schießt der Entwurf weit über das Ziel hi- jährung bis zum 30. Lebensjahr des Opfers ist von in- naus; denn der Tatbestand umfasst jedwede, jegliche ternationalen Vorgaben nicht verlangt. Das räumt die Aufnahme einer unbekleideten Person. Damit wer- Gesetzesbegründung selbst ein. den aber eben nicht nur Abbildungen erfasst, die Darüber hinaus ist diese Ausweitung mit dem heimlich oder unter Verletzung der Intimsphäre ge- Grundgedanken der Verjährung im deutschen Straf- fertigt wurden oder die Nacktheit zur Schau stellen, recht wohl nur schwerlich zu vereinbaren und wird sondern auch Schnappschüsse, mit denen vollkom- die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. men harmlose Alltagssituationen festgehalten wer- Den Opfern von sehr lange zurückliegenden Taten den, und zwar ohne jede Rücksicht auf sexuelle Ab- gibt sie Steine statt Brot; denn in vielen Fällen wird sichten oder kriminelle Motive. es trotz zweifelsfrei sehr belastender Ermittlungen Meine Damen und Herren, das Strafrecht ist Ultima oder gar Prozessen schlussendlich zu keiner Verurtei- Ratio. So wird es immer wieder gesagt. Es ist das lung mehr kommen. letzte Mittel staatlichen Handelns. Da genügt es Missglückt ist auch der Entwurf zum Schutz des eben nicht, dass ein Verhalten gegen den guten Ge- Persönlichkeitsrechts gegen „bloßstellende Bildauf- schmack verstößt oder vielleicht ethisch bedenklich nahmen“ und Aufnahmen unbekleideter Personen. ist. Das Strafrecht hat sich darauf zu beschränken, so- Geht es nach der Bundesregierung, ist in Zukunft, zial inadäquate, schädliche und missbilligenswerte grob gesagt, jede „unbefugte“ Herstellung, Übertra- Handlungsweisen zu erfassen. Mit einem solchen gung oder Verbreitung von ehrenrührigen Fotos Gesetz verlagern wir die Begründung von Strafbar- – wie immer man das definieren mag – oder von keit aber bereits in eine Sphäre allgemeinen Übel- Nacktaufnahmen bei Strafe verboten. Dieser Vorstoß nehmens. Das ist für einen Rechtsstaat so nicht hin- hat nicht nur die Reaktion der Bezeichnung als nehmbar. „Planschbeckengesetz“ hervorgerufen, er ist auch Vor diesem Hintergrund kann ich nur nachdrück- durchaus ernst zu nehmenden juristischen Beden- lich dafür werben, dass der Bundesrat zumindest die ken, wie sie von der Fachwelt und Journalisten geäu- Prüfbitte Nordrhein-Westfalens zur geplanten Neu- ßert wurden, ausgesetzt. fassung des § 201a StGB mit in seine Stellungnahme Hinsichtlich der „bloßstellenden Bildaufnahmen“ aufnimmt. bestehen die Vorschrift und ihre Begründung aus ei- Grundsätzlich gilt aber in Bezug auf die angespro- (B) ner schlichten Aufhäufung unbestimmter Rechtsbe- (D) griffe, die für die strafrechtliche Praxis in dieser chenen Punkte: Der Bestimmtheitsgrundsatz des Weise nicht handhabbar sind. Grundgesetzes wird hier nach meiner Auffassung zu wenig beachtet. Als der vorerst letzte liberale Justiz- Erst recht gilt das für einen möglicherweise von minister in Deutschland sage ich: Das Grundgesetz Strafbarkeit betroffenen Bürger, der anhand des Ge- hat den Bestimmtheitsgrundsatz inkorporiert. Ein setzestextes nicht in der Lage ist zu erkennen, wo die Korrektheitsgebot kennt das Grundgesetz dagegen Grenzen der Strafbarkeit verlaufen und wo keine nicht. Strafbarkeit gegeben ist.

Was bei „bloßstellenden Bildaufnahmen“ als pein- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! lich, entwürdigend oder ehrverletzend empfunden wird oder empfunden werden kann, hängt im We- Nun folgt Staatsminister Professor Dr. Bausback sentlichen von den individuellen Vorstellungen der aus Bayern. Beteiligten ab und wird sich kaum allgemeingültig sagen lassen. Nach welchen Kriterien die Gerichte hierfür einen vernünftigen Maßstab entwickeln Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- sollen, ist schlicht nicht erkennbar. Da aber dieser dent! Hohes Haus! Das Sexualstrafrecht ist ein Motor Maßstab über die Frage der Strafbarkeit oder Straflo- der Kriminalpolitik. Dieser Motor läuft, wie wir alle sigkeit entscheiden soll, ist diese Vorschrift rechtspo- feststellen können, recht hochtourig. Es rumpelt und litisch und auch verfassungsrechtlich – ich sage es ruckelt aber noch. Wir sollten daher für das Fein- deutlich – eine Zumutung für jeden Bürger. Was hier tuning Sorge tragen. Dass dies bei dem vorliegenden vorliegt, ist ein rechtsstaatlicher Alptraum, meine Da- Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung men und Herren. des Sexualstrafrechts erforderlich ist, will ich kurz er- läutern. Das gilt aber nicht nur für die Frage der Bestimmt- heit der Norm, sondern vor allen Dingen auch in Hin- Zunächst einmal ist es richtig und wichtig, dass die blick auf ihre ausufernde materielle Reichweite, die Reform des Sexualstrafrechts nun endlich Gestalt an- sich mit den Grundrechten von Presse-, Informations- nimmt. Ich begrüße es, dass der von der Bundes- und Meinungsfreiheit kaum noch in Einklang brin- regierung eingebrachte Entwurf viele langjährige gen lässt. Völlig zu Recht haben Journalistenver- bayerische Forderungen aufgreift. Ich denke etwa an bände auf kaum noch beherrschbare Risiken für die die Verbesserungen bei der strafrechtlichen Verjäh- Bildberichterstattung und drohende Rechtsstreitig- rung. 324 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) (A) (C) Es ist gut für die Opfer, dass Straftaten im Fall von oder Tausch von Nacktbildern von Kindern entstan- sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erst den ist, eindämmen? zu verjähren beginnen, wenn die Opfer 30 Jahre alt Auch die vorgesehene Strafbewehrung ansehens- sind. Das stellt sicher, dass auch schwer traumatisier- gefährdender Bildaufnahmen ist fragwürdig. Hier ten Opfern der Weg zur Justiz lange genug offensteht. treibt mich die Frage um, ob die Formulierung tat- Auch die Verbesserungen beim Schutz Minderjähri- sächlich geeignet ist, Eingriffe in den höchstpersönli- ger vor sexuellem Missbrauch in Obhutsverhältnissen chen Lebensbereich lückenlos zu erfassen. Dabei unterstütze ich vorbehaltlos. denke ich besonders an Täter, die Frauen auf Roll- Ich sage aber auch, dass der Entwurf aus meiner treppen oder bei Volksfesten unter den Rock fotogra- Sicht in manchen Punkten nicht weit genug geht und fieren oder filmen. Ich frage mich: Wird hiermit wirk- dafür in anderen Punkten über das Ziel hinaus- lich dem Ansehen des Opfers geschadet, auch wenn schießt. Deshalb sollten wir an dieser Stelle offen und dieses auf der Aufnahme nicht erkennbar ist? sachlich im Interesse eines sachgerechten Rechtsgü- Die von der Bundesregierung gewählte Ausgestal- terschutzes diskutieren. Mir sind dabei folgende tung als eine Art Ehrschutzdelikt erscheint mir des- Punkte, die zum Teil schon angesprochen wurden, halb zweifelhaft. Ich finde, dass das noch näher ge- wichtig: prüft werden muss. Richtig ist allerdings die Zielrichtung. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Strafrechtliche Lücken im Bereich der Kinderpor- Der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz weist emp- nografie können nicht hingenommen werden. Ich findliche Lücken auf, die geschlossen werden müs- schlage deshalb vor, die Definition von Kinder- und sen. Jugendpornografie auf sexuell aufreizende Darstel- lungen von Genitalien und Gesäßen von Kindern zu Im Interesse des gemeinsamen Ziels eines umfas- erweitern. Dagegen strebt der Entwurf der Bundesre- senden und wirksamen Opferschutzes, der straf- gierung hier letztlich bloß eine Klarstellung der be- rechtlichen Prinzipien verpflichtet bleibt, spreche ich mich daher nachdrücklich dafür aus, die Empfehlun- reits geltenden Rechtslage an. Dies führt allerdings gen des Ausschusses für Innere Angelegenheiten leider zu Schutzlücken, beispielsweise bei Aufnah- aufzugreifen. Das wäre ein starkes Zeichen für einen men von schlafenden nackten Kindern oder bei sexu- verbesserten, aber zugleich ausgewogenen Rechts- ell motivierten Großaufnahmen von Genitalien, die güterschutz. – Vielen Dank. wir alle nicht wollen. Zugleich hinken wir damit hin- ter europäischen Vorgaben her, die der Entwurf ei- gentlich umsetzen will. Deshalb sollte hier nachge- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! bessert werden. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Je eine (B) ) (D) Nachjustieren sollte man auch im Bereich des sexu- Erklärung zu Protokoll* haben Minister Dr. Markov ellen Missbrauchs von Kindern. In den Fällen, in de- (Brandenburg) und Staatsminister Dr. Braun (Bun- deskanzleramt) für Herrn Parlamentarischen Staats- nen Täter über Chatrooms oder Internetforen Kon- sekretär Lange aus dem Bundesministerium der Jus- takt zu Kindern aufzunehmen versuchen, um ihre tiz und für Verbraucherschutz abgegeben. pädosexuellen Neigungen zu befriedigen, bleiben die Täter bislang straflos, wenn sie dabei rein zufällig Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen und irrtümlich an erwachsene Personen geraten – die Ausschussempfehlungen und ein Landesantrag etwa an Eltern oder ermittelnde Polizeibeamte. Hier vor. muss – das hat Kollegin Kühne-Hörmann schon aus- Aus den Ausschussempfehlungen rufe ich auf: geführt – unbedingt eine Versuchsstrafbarkeit einge- führt werden, wenn wir den Ermittlern vernünftiges Ziffer 1! – Minderheit. Handwerkszeug geben wollen. Ziffer 2! – Minderheit. Auch für die im Entwurf der Bundesregierung vor- Vereinbarungsgemäß stimmen wir zunächst über gesehene Änderung der Strafnorm zur Verletzung des den Landesantrag ab. Wer ist dafür? – Mehrheit. höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnah- men sehe ich noch deutlichen Optimierungsbedarf. Damit entfällt Ziffer 3 der Ausschussempfehlun- Das Fotografieren nackter Personen situationsunab- gen. hängig und ganz allgemein zu kriminalisieren, geht zu Ziffer 4! – Mehrheit. weit und ist auch unter dem Blickwinkel des Be- stimmtheitsgebotes fragwürdig. Unser bayerischer Ziffer 5! – Minderheit. Vorschlag knüpft daher ausdrücklich an Bilder an, die Ziffer 6! – Minderheit. die Nacktheit von Kindern zur Schau stellen, und be- grenzt die Strafbarkeit auf bestimmte, besonders straf- Ziffer 7! – Mehrheit. würdige Tathandlungen. Das erscheint mir ein vor- Ziffer 8! – Mehrheit. zugswürdiger Weg zu sein. Damit verliert man auch nicht – was bei dem Entwurf der Bundesregierung lei- Ziffer 9! – Minderheit. der der Fall ist – den Ausgangspunkt der von uns ge- führten Debatte aus den Augen, nämlich die Frage: Wie können wir den Markt, der im Internet zum Kauf *) Anlagen 6 und 7 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 325 Präsident Stephan Weil (A) (C) Ziffer 10! – Minderheit. 1999/31/EG über Abfalldeponien, 2000/53/EG über Altfahrzeuge, 2006/66/EG über Batterien Ziffer 11! – Mehrheit. und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Ziffer 12! – Minderheit. Altakkumulatoren sowie 2012/19/EU über Elektro- und Elektronik-Altgeräte Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung COM(2014) 397 final; Ratsdok. 11598/14 genommen. (Drucksache 308/14, zu Drucksache 308/14) Wir kommen zu Punkt 19: Wortmeldungen sehe ich nicht. Mitteilung der Kommission an das Europäische Wir kommen zu den Ausschussempfehlungen: Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- schafts- und Sozialausschuss und den Aus- Ziffer 7! – Minderheit. schuss der Regionen: Programm zur Gewähr- Ziffer 8! – Minderheit. leistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) – Bestandsaufnahme Ziffer 9! – Mehrheit. und Ausblick Ziffer 11! – Mehrheit. COM(2014) 368 final (Drucksache 272/14) Ziffern 12 und 13 gemeinsam! – Mehrheit. Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ziffer 17! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen und ein Landesantrag vor. Ziffer 21! – Mehrheit. Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. Ziffer 22! – Mehrheit. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Ziffer 23! – Mehrheit. Ziffer 6! – Mehrheit. Ziffer 26! – Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 9. Damit entfällt Ziffer 27. Ziffer 7! – Mehrheit. Ziffer 33! – Mehrheit. Ziffer 8! – Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 34. Ziffer 10! – Minderheit. Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Ziffer 13! – Minderheit. Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Ziffer 15! – Minderheit. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung (B) genommen. (D) Ziffer 17! – Mehrheit. Es folgt Punkt 21 der Tagesordnung: Ziffer 18! – Minderheit. Mitteilung der Kommission an das Europäische Ziffer 20! – Minderheit. Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- Ziffer 23! – Minderheit. schafts- und Sozialausschuss und den Aus- schuss der Regionen Hin zu einer Kreislauf- Ziffer 25! – Minderheit. wirtschaft: Ein Null-Abfallprogramm für Ziffer 27! – Minderheit. Europa COM(2014) 398 final; Ratsdok. 11592/14 Ziffer 28! – Minderheit. (Drucksache 311/14) Ziffer 29! – Minderheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 30! – Minderheit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Ziffern 32, 34 und 35 gemeinsam! – Mehrheit. Ich rufe auf: Ziffer 33! – Mehrheit. Ziffer 6! – Mehrheit. Wir kommen zum Landesantrag. Wer ist dafür? – Ziffer 18! – Mehrheit. Mehrheit. Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Es geht weiter mit den Ausschussempfehlungen. Ziffern! – Mehrheit. Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Ziffern! – Mehrheit. genommen. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Wir kommen zu Punkt 25: genommen. Verordnung zur Durchführung der Direktzah- Tagesordnungspunkt 20: lungen an Inhaber landwirtschaftlicher Be- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen triebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Parlaments und des Rates zur Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen- Richtlinien 2008/98/EG über Abfälle, 94/62/EG Durchführungsverordnung – DirektZahl- über Verpackungen und Verpackungsabfälle, DurchfV) (Drucksache 406/14) 326 Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 Präsident Stephan Weil (A) (C) Keine Wortmeldungen. Dann frage ich, wer der Verordnung nach Maß- gabe der soeben beschlossenen Änderung zuzustim- Wir kommen zu den Ausschussempfehlungen. Zur men wünscht. – Das ist die Mehrheit. Einzelabstimmung rufe ich auf: So beschlossen. Ziffer 2! – Mehrheit. Ziffer 3! – Mehrheit. Es folgt Punkt 29: Ziffer 4! – Minderheit. Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich gesetzter oder regulierter Preisbe- Ziffer 5! – Mehrheit. standteile in der Strom- und Gasgrundversor- Ziffer 6! – Mehrheit. gung (Drucksache 402/14) Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ziffern der Änderungsempfehlungen! – Mehrheit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- Ich rufe auf: chend zugestimmt. Ziffer 1! – Mehrheit. Es bleibt noch über die empfohlene Entschließung abzustimmen. Ich rufe auf: Ziffer 2! – Minderheit.

Ziffer 9! – Minderheit. Dann frage ich, wer der so veränderten Verord- nung zustimmt. – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat k e i n e Entschließung gefasst. Es ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 28: Meine Damen und Herren, damit hat sich die Ta- Zweite Verordnung zur Änderung der Arznei- gesordnung erschöpft – wir nicht. mittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (Drucksache 378/14) Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein auf Freitag, den 7. November 2014, 9.30 Uhr. Wiederum keine Wortmeldungen. Die Sitzung ist geschlossen. Herzlichen Dank! Ihnen liegt die Empfehlung des Gesundheitsaus- schusses vor. Wer stimmt zu? – Das ist die Mehrheit. (Schluss: 11.13 Uhr) (B) (D)

Beschlüsse im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Bericht der Kommission: Jahresbericht 2013 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Drucksache 346/14) Ausschusszuweisung: EU Beschluss: Kenntnisnahme

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Strategie und den Aktionsplan der EU für das Zollrisikomanage- ment: Umgang mit Risiken, Erhöhung der Sicherheit der Lieferkette und Vereinfachung des Handels (Drucksache 379/14) Ausschusszuweisung: EU – Fz – Wi Beschluss: Kenntnisnahme

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 925. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht ge- mäß § 34 GO BR als genehmigt. Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 327*

(A) (C) Anlage 1 I.

Erklärung Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungen zu erheben: von Minister Dr. Robert Habeck (Schleswig-Holstein) Punkt 9 zu Punkt 6 der Tagesordnung Entwurf eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Die Landesregierung Schleswig-Holstein geht da- Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen von aus, dass mit den in Ziffer 2 der Empfehlungs- Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung drucksache 280/1/14 genannten KKW-Betreiberge- und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG sellschaften nur solche Gesellschaften gemeint sind, (Drucksache 352/14) bei denen der Bund oder ein Land Mehrheitsgesell- schafter ist. Punkt 12 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes – Stärkung der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im Bund durch Errichtung einer obersten Bundesbehörde Anlage 2 (Drucksache 395/14)

Erklärung Punkt 15 Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des von Minister Peter Friedrich Haager Übereinkommens vom 30. Juni 2005 über (Baden-Württemberg) Gerichtsstandsvereinbarungen (Drucksache 398/ zu Punkt 8 der Tagesordnung 14) Baden-Württemberg unterstützt die Stellungnahme aus Drucksache 392/1/14, in der die Aufhebung des Punkt 17 Asylbewerberleistungsgesetzes beziehungsweise in Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 15 der hilfsweise eine nach zwölf Monaten erfolgende vom 24. Juni 2013 zur Änderung der Konvention Überleitung in das Zweite Sozialgesetzbuch und das zum Schutz der Menschenrechte und Grundfrei- Zwölfte Sozialgesetzbuch gefordert wird (Ziffer 1 be- heiten (Drucksache 399/14) ziehungsweise Hilfsempfehlung Ziffer 2 a) bb)). (B) (D) Baden-Württemberg weist jedoch darauf hin, dass die unstreitig notwendige Finanzierung der gesund- heitlichen Versorgung von Asylbewerbern eine ge- samtgesellschaftliche Aufgabe ist. Diese darf nicht II. allein der Solidargemeinschaft der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebürdet Zu den Vorlagen die Stellungnahmen abzugeben werden. Aus diesem Grund darf es zu keiner Mehr- oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- belastung für die gesetzliche Krankenversicherung stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- kommen. Die insgesamt der gesetzlichen Kranken- drucksache wiedergegeben sind: versicherung entstehenden versicherungsfremden Kosten, denen keine Beiträge in entsprechender Punkt 18 Höhe gegenüberstehen, sind als gesamtgesellschaft- liche Aufgabe aus Steuermitteln zu tragen. In den Mitteilung der Kommission an das Europäische weiteren Verhandlungen ist deshalb darauf zu ach- Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- ten, dass die entstehenden Kosten vom Bund in voller schafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss Höhe gegenüber der gesetzlichen Krankenversiche- der Regionen: Ein umfassender europäischer Rahmen für das Online-Glücksspiel rung ausgeglichen werden und durch die Reform COM(2012) 596 final keine Kosten auf die Beitragszahler zukommen. (Drucksache 651/12, Drucksache 424/14)

Punkt 22 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Anlage 3 Parlaments und des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Umdruck 8/2014 Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL) und zur Aufhebung und Ersetzung des Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der Beschlusses 2005/681/JI des Rates 926. Sitzung des Bundesrates möge der Bundesrat COM(2014) 465 final gemäß den vorliegenden Empfehlungen und Vor- (Drucksache 373/14, zu Drucksache 373/14, schlägen beschließen: Drucksache 373/1/14) 328* Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014

(A) (C) III. c) Benennung von Beauftragten des Bundesrates in Beratungsgremien der Europäischen Union Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen: für die „Readmission Expert Group“ (Exper- tengruppe Rückübernahme) der Kommission Punkt 23 (Drucksache 413/14, Drucksache 413/1/14) Verordnung zur Bestimmung des für die Fort- schreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Punkt 33 Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Vorschlag des Bundesrates für die Bestellung ei- Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu nes Mitgliedes des Vorstandes der Deutschen § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für Bundesbank (Drucksache 268/14, Drucksache das Jahr 2015 (Regelbedarfsstufen-Fortschrei- 268/1/14) bungsverordnung 2015 – RBSFV 2015) (Drucksa- che 423/14) Punkt 37 Wahl eines Mitglieds der „Kommission Lagerung Punkt 24 hoch radioaktiver Abfallstoffe“ gemäß § 3 Ab- Verordnung zur Kürzung der Zahlungsansprüche satz 1 Satz 2 Nummer 3, Satz 4 und 6 des Stand- im Rahmen der Betriebsprämienregelung für das ortauswahlgesetzes (Drucksache 454/14) Jahr 2014 (Drucksache 377/14)

Punkt 26 Sechsundfünfzigste Verordnung zur Durchfüh- rung des § 172 des Bundesentschädigungsgeset- V. zes (Drucksache 374/14) Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksache bezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei- Punkt 27 tritt abzusehen: Verordnung zur Anwendung des Fremdver- gleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Punkt 34 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstät- Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht tengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV) (Drucksache 416/14) (Drucksache 401/14)

Punkt 30 (B) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung (D) der Lohnsteuer-Richtlinien 2013 (Lohnsteuer-Än- VI. derungsrichtlinien 2015 – LStÄR 2015) (Drucksa- Dem Gesetz zuzustimmen: che 372/14) Punkt 36 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korrup- tion (Drucksache 449/14, Drucksache 449/1/14) IV.

Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen zu beschließen:

Anlage 4 Punkt 31 Benennung von Mitgliedern und stellvertreten- Erklärung den Mitgliedern des Verwaltungsrates und der Fachbeiräte der Bundesanstalt für Landwirtschaft von Staatsministerin Margit Conrad und Ernährung (Drucksache 376/14, Drucksache (Rheinland-Pfalz) 376/1/14) zu Punkt 10 der Tagesordnung

Punkt 32 Für Herrn Staatsminister Dr. Carsten Kühl gebe a) Benennung von Beauftragten des Bundesrates ich folgende Erklärung zu Protokoll: in Beratungsgremien der Europäischen Union Der vorliegende Gesetzentwurf regelt zwei für die für die Ratsarbeitsgruppe Gesellschaftsrecht Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern be- (Drucksache 411/14, Drucksache 411/1/14) deutsame Sachverhalte: b) Benennung von Beauftragten des Bundesrates Zum einen werden im Vorgriff auf die von der in Beratungsgremien der Europäischen Union Bundesregierung zugesagte Entlastung bei der Ein- für die Ratsarbeitsgruppe der Veterinärsach- gliederungshilfe die Kommunalhaushalte bereits in verständigen (Gesundheitsschutz) (Drucksa- den Jahren 2015 bis 2017 um jeweils 1 Milliarde Euro che 412/14, Drucksache 412/1/14) entlastet. Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 329*

(A) (C) Zum anderen werden das Sondervermögen „Kin- aktuellen Belastung durch die Eingliederungshilfe derbetreuungsausbau“ des Bundes um 550 Millionen ab. Euro aufgestockt und die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten für den Ausbau weiterer Betreu- Man kann deshalb in der Tat auf den Gedanken ungsplätze in den Jahren 2017 und 2018 um jeweils kommen – wie es einer der beratenden Ausschüsse in 100 Millionen Euro erhöht. seiner Mehrheit ja auch getan hat –, zumindest den höheren Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft Um mit der ersten der beiden Maßnahmen zu be- länderspezifisch und belastungsadäquat nach Maß- ginnen: In der Einigung zwischen Bund und Ländern gabe der derzeitigen Aufwendungen für Leistungen zur nationalen Umsetzung des Fiskalpakts hat die der Eingliederungshilfe zu verteilen. Bundesregierung zugesagt, in der laufenden Legisla- turperiode ein neues Bundesteilhabegesetz in Kraft Der Hinweis darauf, dass zwischen der derzeitigen zu setzen, das die rechtlichen Vorschriften zur Ein- Belastung durch die Kosten der Eingliederungshilfe gliederungshilfe ablöst. Die Träger der Eingliede- und durch die Kosten der Unterkunft in horizontaler rungshilfe sollen dadurch um 5 Milliarden Euro jähr- Betrachtung ein enormer Unterschied besteht, ist in lich entlastet werden. Der vorliegende Gesetzentwurf einem weitergehenden Zusammenhang von Bedeu- sieht im Vorgriff darauf vor, dass der Bund die Kom- tung: In den laufenden Verhandlungen zur Neuord- munen in den Jahren 2015 bis 2017 bereits um 1 Mil- nung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen spielt liarde Euro im Jahr entlastet. unter der Überschrift Entflechtung/Vertikalisierung nämlich auch der Vorschlag eine Rolle, dass die vor- Die Ausgaben im Rahmen der Eingliederungshilfe gesehene Mitfinanzierung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sind ein Lehrbuchbeispiel durch den Bund komplett entfällt und der Bund statt- für eine Ausgabe, die systematisch durch den Bund dessen zunächst weitere 5 Milliarden Euro an den finanziert werden sollte. Die Einführung eines Bun- Kosten der Unterkunft übernimmt. Dies hätte im Ver- desteilhabegeldes wäre aber auch und vor allem für gleich zu der zugesagten Entlastung bei der Einglie- die Betroffenen – die behinderten Menschen – ein derungshilfe mit Sicherheit enorme horizontale Ver- großer Fortschritt auf dem Weg zu einem stärker werfungen mit Blick auf die Haushalte der Länder selbstbestimmten Leben. und Kommunen zur Folge.

Das geplante Bundesteilhabegesetz wird seit dem Ich spreche die Problematik bei dieser Gelegen- Sommer 2014 in einem breit angelegten Beteili- heit an, weil die von der Bundesregierung zugesagte gungsprozess erörtert. Es wird diskutiert, dass die Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe aus Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliede- meiner Sicht eben kein Thema für die laufenden Ge- rungshilfe durch die Einführung eines Bundesteilha- spräche zu den Bund-Länder-Finanzen darstellen (B) begelds erfolgen soll, das auf die Eingliederungshilfe sollte. Die Reform der Eingliederungshilfe ist auch in- (D) angerechnet wird. In diesem Zusammenhang ist der haltlich von so großer Bedeutung, dass sie unabhän- Hinweis wichtig, dass es – auch mit Blick auf die in- gig davon zwischen den Verantwortlichen in Bund haltliche Reform der Hilfe für behinderte Menschen – und Ländern zu lösen sein wird. Alle Beteiligten soll- tatsächlich bei der angestrebten Entlastung der der- ten der Versuchung widerstehen, die Reform der Ein- zeitigen Träger in Höhe von 5 Milliarden Euro im gliederungshilfe als solche in Frage zu stellen und Jahr bleiben sollte. Ebenso wichtig ist es aus meiner stattdessen zu überlegen: Sollte der Bund die Verant- Sicht, bei der Reform der Eingliederungshilfe auch wortung für eine andere Sozialleistung übernehmen? die bereits heute bestehende nicht zuletzt auf Grund Sollte die Finanzierung der Eingliederungshilfe wie der demografischen Entwicklung äußerst starke bisher vollständig bei Ländern und Kommunen blei- Dynamik der Ausgaben der Eingliederungshilfe im ben? Dies würde nicht nur eine fiskalische Gefähr- Auge zu behalten. dung gerade für die Kommunalhaushalte bedeuten. Dadurch würde auch ein Stück Vertrauen in die Bun- Schließlich haben die Länder bei verschiedenen despolitik auf kommunaler Seite verspielt. Gelegenheiten deutlich gemacht, dass die zugesagte Entlastung bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2017 Um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungs- erfolgen sollte. Es ist an dieser Stelle nicht unwichtig, platz für ein- und zweijährige Kinder zum 1. August an diese Forderung zu erinnern, weil der vorliegende 2013 zu erfüllen, haben Bund, Länder und Kommunen Gesetzentwurf ja auch für das Jahr 2017 noch eine in den letzten Jahren enorme finanzielle Anstrengun- kommunale Entlastung in Höhe von lediglich 1 Mil- gen unternommen. Der Bedarf an Betreuungsplätzen liarde Euro enthält und damit indirekt von einem steigt jedoch weiter, so dass die Kommunen, aber späteren Inkrafttreten des neuen Bundesteilhabege- auch die Länder und der Bund nach wie vor gefordert setzes auszugehen scheint. bleiben, ein bedarfsgerechtes und qualitativ gutes Angebot zu gewährleisten. Hierfür müssen Ländern Die in dem vorliegenden Gesetzentwurf geregelte und Kommunen die notwendigen Finanzmittel zur kommunale Entlastung in Höhe von 1 Milliarde Euro Verfügung stehen. im Jahr erfolgt hälftig über einen höheren Bundesan- teil an den kommunalen Kosten der Unterkunft und Vor diesem Hintergrund ist die in dem vorliegen- hälftig durch einen höheren Gemeindeanteil an der den Gesetzentwurf vorgesehene weitere finanzielle Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes. Beide Vertei- Unterstützung des Bundes beim bedarfsgerechten lungsmaßstäbe weichen deutlich von der tatsächlichen Ausbau der Betreuungsplätze zu begrüßen. Mit Blick horizontalen – das heißt länderweisen – Verteilung der auf den nach wie vor hohen Bedarf wäre aus meiner 330* Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014

(A) (C) Sicht indes noch eine deutlich höhere Mittelausstat- von Kindern vor sexuellem Missbrauch und zur Be- tung angemessen gewesen. kämpfung von Gewalt gegen Frauen verpflichtet.

Neben den einmaligen Ausbaukosten fallen dau- Mit dem von der Bundesregierung nunmehr kurz- erhaft in deutlich größerem und ansteigendem Um- fristig vorgelegten umfangreichen Gesetzentwurf sol- fang Betriebskosten für die Ausweitung der Betreu- len einzelne noch nicht umgesetzte Anforderungen ungsplätze an. An den kontinuierlich ansteigenden der Übereinkommen erfüllt werden. Im Hinblick auf Kosten der U3-Betreuung beteiligt sich der Bund seit einen vermehrt festzustellenden Austausch von Bild- dem Jahr 2009 zwar aufsteigend, aber bis heute bei material unbekleideter Minderjähriger unter Abneh- weitem nicht in ausreichendem Maße. Eine höhere mern mit entsprechenden sexuellen Neigungen sieht Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der der Entwurf zusätzliche Gesetzesänderungen zum Kindertagesbetreuung ist nicht zuletzt deshalb erfor- Schutz der sexuellen Integrität von Kindern und Ju- derlich, weil vor allem der Bund und die Sozialver- gendlichen und generell zum Schutz des allgemei- sicherungssysteme – durch eine mit dem Ausbau er- nen Persönlichkeitsrechts vor. möglichte Ausweitung der Erwerbstätigkeit und damit einhergehend ein höheres Steuer- und Bei- Um es gleich vorwegzunehmen: Nachdem die tragsaufkommen – Nutznießer des Ausbaus sind, Frist der EU zur Umsetzung der Übereinkommen oh- während Länder und Kommunen den wesentlich grö- nehin bereits Ende 2013 abgelaufen war, hätte ich ßeren Teil der Finanzlast tragen. mir gewünscht, dass den Ländern noch genügend Zeit zu einem vertieften fachlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Diskurs zu dem Gesetzent- wurf eingeräumt worden wäre. Dass enormer Bedarf an Prüfung und Diskussion besteht, zeigt allein schon Anlage 5 die Vielzahl von Ergänzungs- und Änderungsanträ- gen in Vorbereitung auf die zurückliegenden Sitzun- Erklärung gen der Ausschüsse des Bundesrates Ende Septem- ber. von Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback Nach meinem Eindruck müssen insbesondere zwei (Bayern) wichtige verfassungsrechtlich geschützte Bereiche, zu Punkt 11 der Tagesordnung nämlich der Kinderschutz und die Persönlichkeits- Für Frau Staatsministerin Emilia Müller gebe ich rechte, angemessen berücksichtigt werden. Ich sehe folgende Erklärung zu Protokoll: hierin einen schwierigen Abwägungsprozess, der bisher noch nicht zu Ende geführt worden ist und (B) Der Freistaat Bayern hat die Diskussion über den noch viele Fragen offenlässt. Ich möchte hier und (D) vermehrten Missbrauch der Freizügigkeit und die heute die Gelegenheit nutzen, Ihr Augenmerk auf damit einhergehenden Herausforderungen für die einzelne Regelungen des modifizierten Gesetzent- Kommunen wesentlich mit angestoßen und begrüßt wurfs zu richten. Diese haben für Kritik gesorgt und daher den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur sind meines Erachtens weiterhin zu diskutieren. Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weite- rer Vorschriften. Bayern sieht den Gesetzentwurf als Erstens. Die Anhebung der Altersgrenze in der wichtigen ersten Schritt, um den Missbrauch des verjährungsrechtlichen Ruhensregelung auf das Freizügigkeitsrechtes einzudämmen und hiervon be- 30. Lebensjahr des Opfers scheint zunächst plausibel sonders belastete Kommunen zu entlasten. Bayern zu sein. Ich halte sie allerdings für zwiespältig. hält jedoch weitere Änderungen insbesondere des nationalen Rechts für erforderlich und nimmt inso- Einerseits ermöglicht die Anhebung auch für noch fern auf seinen Entschließungsantrag vom 13. Mai länger zurückliegende Tatzeiträume eine Strafverfol- 2014 (BR-Drucksache 202/14) Bezug. gung. Damit würde dem Umstand Rechnung getra- gen, dass Opfer häufig erst in vorgerücktem Alter und nach Veränderungen in ihrem sozialen Umfeld in der Lage sind, aktiv das an ihnen begangene Un- recht aufzuarbeiten und eine Anzeige zu erstatten. In Anlage 6 Anbetracht dessen stellt sich dann aber die Frage, warum die Anhebung der Altersgrenze nicht noch Erklärung höher ausfällt oder gar gänzlich aufgehoben werden kann. von Minister Dr. Helmuth Markov Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass (Brandenburg) mit der Anhebung der Altersgrenze die Probleme für zu Punkt 16 der Tagesordnung einen Tatnachweis zunehmen dürften. Es besteht die Die vollständige innerstaatliche Umsetzung euro- Gefahr, dass der Nachweis nur noch in Ausnahmefäl- päischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht – darüber len gelingen kann. Hoffnungen des Opfers auf eine dürfte kein Dissens bestehen – ist überfällig. Die strafrechtliche Verurteilung des Täters werden ge- Bundesrepublik Deutschland hatte sich hierzu bereits weckt, die unter Umständen enttäuscht werden und vor Jahren durch die Unterzeichnung von Überein- zu weiteren psychischen Verletzungen des Opfers kommen des Europarates unter anderem zum Schutz führen. Rechtsfrieden kann so nicht eintreten. Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014 331*

(A) (C) Ich würde es daher für sinnvoll halten, die vorge- rium der Eignung, „dem Ansehen der abgebildeten sehene Anhebung der Altersgrenze noch einmal zu Person erheblich zu schaden“, mit dem verfassungs- prüfen. rechtlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang zu brin- gen ist. Wie bereits die zuvor im Referentenentwurf Zweitens. Problematisch erscheint mir überdies die vorgeschlagene „bloßstellende“ Bildaufnahme dürfte in einzelnen Regelungen zu kinder- und jugendporno- auch die jetzige Formulierung zu unpräzise sein. grafischen Schriften vorgesehene Formulierung „un- Wann eine Aufnahme geeignet ist, das Ansehen ei- natürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung“. Da die ner Person erheblich zu schädigen, hängt von der in- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das soge- dividuellen Sichtweise und der Wertung des Betroffe- nannte Posing bereits als pornografisch einstuft, be- nen ab. steht eigentlich gar kein Regelungs- beziehungs- weise Vollzugsdefizit. Auch hier hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seine Bereitschaft bekun- Der Gesetzgeber möchte aber erkennbar auch die det, noch einmal eine Prüfung vorzunehmen. Ich Fälle strafrechtlich erfassen, in denen unwillkürlich denke, das wird auch nötig sein. geschlechtsbezogene Körperhaltungen – etwa von ei- nem schlafenden nackten Kind – eingenommen wer- Elementar erscheint mir, dass Bildaufnahmen vom den. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die nackten menschlichen Körper – ungeachtet des Al- Frage, ob mit der gewählten Formulierung die inkri- ters – nicht unbefugt hergestellt, weitergegeben oder minierende Handlung hinreichend bestimmt ist. Die verbreitet werden dürfen. Dies wird mit der vorgese- Formulierung knüpft erkennbar an eine bereits im henen Neuregelung auch zum Ausdruck gebracht. Jugendschutzgesetz gebräuchliche Wortwahl an. Mit Blick auf das verfassungsrechtlich zu gewährleis- Darüber hinaus ist mir wichtig, dass Aufnahmen tende Bestimmtheitsgebot in Artikel 103 Grundge- von nackten Kindern, die nicht aus sexuellen Motiven setz erscheint es aber sinnvoll zu sein zu überprüfen, und in einem familiären Umfeld gefertigt werden, ob die Formulierung den dort gestellten hohen An- straffrei sind. Ich hoffe, dass die in der Gesetzesbe- forderungen genügt. gründung enthaltenen Hinweise zu den Voraussetzun- gen einer wirksamen Einwilligung der Erziehungsbe- Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass das Bun- rechtigten ausreichen, um künftig die Straffreiheit desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz derartiger Aufnahmen sicherzustellen. Anderenfalls signalisiert hat, sich einem Prüfauftrag nicht entzie- müsste über die Einführung eindeutigerer Regelun- hen zu wollen. Nur mit einer eindeutigen und klaren gen nachgedacht werden. Formulierung lässt sich die erforderliche Rechtssi- cherheit gewährleisten. Fünftens. Abschließend möchte ich auf einen wichtigen Aspekt eingehen, der im Gesetzentwurf (B) Drittens. Die beabsichtigte Einführung einer klar- fehlt. (D) stellenden Regelung, die den Abruf kinderpornogra- fischer Inhalte mittels Telemedien – auch ohne Da- Die Istanbul-Konvention hatte die Vertragspar- tenspeicherung – unter Strafe stellt, ist zu begrüßen. teien aufgefordert, „nicht einverständliche sexuelle Die Nachfrage nach derartigen Inhalten schafft den Handlungen“ strafrechtlich zu verfolgen. Nicht ab- Markt für die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger. schließend geklärt ist, ob das geltende innerstaatli- Dies gilt es zu verhindern. Um jedoch eine als unver- che Recht diese Handlungen bereits unter Strafe hältnismäßig anzusehende Vorverlagerung der Straf- stellt. Zweifel sind angebracht. Insbesondere die ge- barkeit zu vermeiden, sollte in der Gesetzesbegrün- setzliche Regelung zur Vergewaltigung beziehungs- dung deutlich darauf hingewiesen werden, dass erst weise sexuellen Nötigung lässt es nach dem Wortlaut der bewusste Aufruf einer einschlägigen Seite im In- nicht genügen, wenn das Opfer nur verbal die Vor- ternet und nicht bereits die Eingabe eines Suchbe- nahme sexueller Handlungen durch den Täter ab- griffs eine strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht. lehnt. Zur Tatbestandsverwirklichung dieser Delikte bedarf es der Anwendung eines Nötigungsmittels Viertens. Im Hinblick auf den im öffentlichen oder des Ausnutzens einer schutzlosen Lage durch Raum zunehmend zu beobachtenden Einsatz von den Täter. Mobiltelefonen mit eingebauter Kamera und neuer- dings auch kameragestützten Freizeitdrohnen stellt Dem Begründungstext zum Gesetzentwurf ist zu sich die Frage, ob der gegenwärtige strafrechtliche entnehmen, dass das Bundesministerium der Justiz Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs vor und für Verbraucherschutz derzeit gesetzgeberischen unbefugten Bildaufnahmen ausreichend ist. Die bis- Handlungsbedarf prüft. Ich halte es für erforderlich, herige Regelung schützt nur den räumlichen Rück- dass diese Prüfung zügig, aber auch mit der gebote- zugsbereich des Betroffenen, beispielsweise die nen Sorgfalt abgeschlossen wird. Nur so besteht die Wohnung, vor unbefugten Bildaufnahmen. Ich halte reelle Chance, dass eine als erforderlich anzuse- es unter anderem auf Grund des mittlerweile weit hende Neuregelung noch im laufenden Gesetzge- verbreiteten Phänomens des „Cybermobbing“ für er- bungsverfahren Berücksichtigung findet. forderlich, den Einzelnen vor unbefugten Bildauf- nahmen umfassend zu schützen. Damit wir uns nicht missverstehen: Der Gesetzent- wurf wird von mir in seiner Intention, das Sexual- Ungeachtet einer erforderlichen Ausweitung des strafrecht umfassend zu reformieren, und in dem strafrechtlichen Schutzes ist derzeit jedoch unklar, ob Bestreben, die getroffenen Übereinkommen im Euro- das in der gesetzlichen Regelung vorgesehene Krite- parat nunmehr umzusetzen, ausdrücklich begrüßt. 332* Bundesrat – 926. Sitzung – 10. Oktober 2014

(A) (C) Gleichwohl halte ich ihn an einigen Stellen für weiter Erwähnen möchte ich hierzu zunächst die Anhe- erörterungsbedürftig. bung der Altersgrenze in der verjährungsrechtlichen Ruhensregelung des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB auf das 30. Lebensjahr des Opfers.

Zudem wird § 174 StGB erweitert, in dem es um Anlage 7 den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen geht. Hiermit soll unter anderem die Lücke geschlos- Erklärung sen werden, die etwa die Entscheidung des OLG Ko- blenz sichtbar gemacht hat. Das OLG sprach nämlich von Staatsminister Dr. Helge Braun einen Lehrer vom Vorwurf des sexuellen Miss- (BK) brauchs von Schutzbefohlenen frei, der ein sexuelles zu Punkt 16 der Tagesordnung Verhältnis mit einer Schülerin hatte, die die Schule besuchte, an der er unterrichtete. Grund dafür war Für Herrn Parlamentarischen Staatssekretär – dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung Christian Lange (BMJ) gebe ich folgende Erklärung des Bundesgerichtshofs –, dass der Lehrer die Schü- zu Protokoll: lerin nicht regelmäßig als Klassen- oder Fachlehrer, Der Bundesrat wird heute entscheiden, ob er zu sondern nur gelegentlich aushilfsweise unterrichtet, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umset- sie in den Pausen beaufsichtigt und einen freiwilli- zung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht gen Tanzkurs außerhalb der Schulzeiten angeboten eine Stellungnahme abgibt. hatte.

Mit diesem Gesetz sollen unter anderem die Richt- Für mich besonders wichtig ist die Verbesserung linie der Europäischen Union zur Bekämpfung des des Schutzes insbesondere von Kindern vor Bildauf- sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeu- nahmen. Es hat sich herausgestellt, dass mit Bildauf- tung von Kindern sowie der Kinderpornografie und nahmen von nackten Kindern, die gerade eben die das Übereinkommen des Europarates zum Schutz Schwelle der Kinderpornografie nicht erreichen, Ge- von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuel- schäfte gemacht werden und dass sie von Personen, lem Missbrauch umgesetzt werden, soweit dies nicht die einschlägige Interessen haben, zur Umgehung ei- schon ohnehin der Fall ist. Insoweit ist der Entwurf ner Strafbarkeit nach § 184b StGB benutzt werden. auch eilbedürftig; denn die Frist für die Umsetzung Der Entwurf schlägt dazu vor, den bisher einge- der Richtlinie der EU ist bereits im Dezember 2013 abgelaufen. schränkten Anwendungsbereich von § 201a StGB auf Bildaufnahmen von unbekleideten Personen zu er- (B) Zur Umsetzung der internationalen Vorgaben sind weitern. (D) neben Erweiterungen des Strafanwendungsrechts ei- nige Änderungen des Besonderen Teils des StGB er- Die in den Ausschüssen des Bundesrates erhobe- forderlich. Unter anderem fehlt im deutschen Straf- nen Bedenken, dies sei zu weitgehend und erfasse recht bisher eine Vorschrift, wonach sich strafbar auch sozial adäquate Verhaltensweisen, teile ich macht, wer pornografische Darbietungen mit unter nicht. Strafbar sein soll nur die unbefugte Herstel- 18-Jährigen besucht. Diese Lücke soll der neue lung, Weitergabe und Verbreitung solcher Bilder. El- § 184e StGB (Veranstaltung und Besuch kinder- und tern, die ihr Kind harmlos am Planschbecken oder jugendpornografischer Darbietungen) schließen. auf dem Wickeltisch fotografieren, machen sich na- türlich nicht strafbar. Der Pressefreiheit ist durch eine Zu dem Übereinkommen des Europarates zum besondere Klausel Rechnung getragen. Schutz von Frauen vor Gewalt und häuslicher Gewalt wird darüber hinaus derzeit geprüft, ob es gesetzge- Auch die Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit berischen Handlungsbedarf im Hinblick auf die der neu in das Strafgesetzbuch eingeführten Begriffe Strafbarkeit nicht einverständlicher sexueller Hand- „unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung“ und lungen mit sich bringt. Dazu ist, wie Sie wissen, auch „Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der die staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Praxis abgebildeten Person erheblich zu schaden“ sind aus der Länder beteiligt worden; die Ergebnisse erwarten der Sicht der Bundesregierung nicht begründet. Sie wir Ende des Monats. wird dies in ihrer Gegenäußerung ausführlich darle- Der Entwurf geht aber über die Umsetzung inter- gen, sofern der Bundesrat entsprechend Stellung nationaler Vorgaben hinaus. nimmt.