16. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland , 12. Februar 2017

Gemeinsame Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates anlässlich der Eidesleistung des Bundespräsidenten Berlin, 22. März 2017

Inhalt 4 16. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland 6 Rede des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. 16 Konstituierung der 16. Bundesversammlung 28 Bekanntgabe des Wahlergebnisses 34 Rede von Dr. Frank-Walter Steinmeier

40 Gemeinsame Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates anlässlich der Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier 42 Programm 44 Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert 48 Ansprache der Präsidentin des Bundesrates, 54 Ansprache des Bundespräsidenten a. D., 62 Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier 64 Ansprache des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier

16. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland Berlin, 12. Februar 2017 Nehmen Sie bitte Platz.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Exzellenzen! Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle, die Mitglieder und Gäste, herzlich zur 16. Bundesversammlung im Reichstagsgebäude in Berlin, dem Sitz des Deutschen Bundestages. Ich freue mich über die Anwesenheit unseres früheren Bundesprä- sidenten und des langjährigen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer. Seien Sie uns herzlich willkommen!

Beifall

Meine Damen und Herren, der 12. Februar ist in der Demokratiegeschichte unseres Landes kein auffälliger, aber eben auch kein beliebiger Tag. Heute vor genau 150 Jahren, am 12. Februar 1867, wurde ein Reichstag gewählt, nach einem in Deutschland nördlich der Mainlinie damals in jeder Hinsicht revolu- tionären, nämlich dem allgemeinen, gleichen

Rede des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert

6 und direkten Wahlrecht. Der Urnengang zum konstituierenden Reichstag des Norddeut- schen Bundes stützte sich auf Vorarbeiten der bekannte. Öffentlich tat er allerdings 1867 deutschen Nationalversammlung in der Frank- kund, „kein besseres Wahlgesetz“ zu kennen, furter Paulskirche. Bei deren Wahl 1848 war und würdigte dieses allgemeine Wahlrecht das Stimmrecht in den Einzelstaaten noch an als „Erbteil der Entwicklung der deutschen die berufliche Selbstständigkeit des Wählers Einheitsbestrebungen“. Mit der Einschätzung, geknüpft gewesen. Arbeiter und Dienstboten dass das allgemeine Wahlrecht ein unaufgeb- blieben wie Bedürftige deshalb weitgehend barer Erbteil der deutschen Einheitsbestre- ausgeschlossen. Die Entscheidung ausgerech- bungen ist, behielt Bismarck ungewollt mehr net Otto von Bismarcks für ein allgemeines recht als mit seiner persönlichen Erwartung, Wahlrecht, nur für Männer freilich das Volk würde schon selbst einmal einsichtig genug werden, sich vom allgemeinen : Nix „freilich“! – Wahlrecht wieder frei zu machen. Das hat sich Gegenruf von : Ruhe! – glücklicherweise nicht bestätigt. Heiterkeit bei Mitgliedern der Bundesver­ Bis heute wählen wir – inzwischen selbst- sammlung verständlich auch die Frauen – nach diesem Prinzip unsere Repräsentanten: in die Stadt- – ich habe jetzt keine Empfehlung vorgetragen, und Gemeinderäte, in die Landtage und in den sondern auf historische Entwicklungen . Und weil unsere Demokratie aus aufmerksam machen wollen –, noch immer überzeugenden Gründen im Kern repräsentativ verfasst ist, haben die Mütter Heiterkeit und Beifall bei der weit überwiegen­ und Väter des Grundgesetzes im klug austa- den Mehrheit der Mitglieder der Bundesver­ rierten Zusammenwirken der Verfassungsor- sammlung gane die Wahl des Bundespräsidenten ganz bewusst der Bundesversammlung anvertraut, folgte im Ringen um die nationale Einheit einem Gremium, in dem Sie, meine Damen unter preußischer Führung rein taktischen und Herren, beauftragt sind, die Gesellschaft Erwägungen, wie Bismarck rückblickend im Ganzen zu repräsentieren.

„... die Mütter und Väter des Grundge- setzes [haben] im klug austarierten Zusammenwirken der Verfassungs- organe die Wahl des Bundespräsi- denten ganz bewusst der Bundesver- sammlung anvertraut“ – Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seiner Begrüßungsrede

7 Das war jetzt übrigens gefühlt eine verfas- sungsändernde Mehrheit. Diese 16. Bundesversammlung ist mit 1.260 Mitgliedern die drittgrößte seit Gründung der Heiterkeit und Beifall bei Mitgliedern der Republik; größer waren nur noch zwei in den Bundesversammlung – Widerspruch bei 1990er-Jahren, nach der Wiedervereinigung Mitgliedern der Bundesversammlung – und der ihr folgenden Vergrößerung des Zuruf aus den Reihen der SPD: Na ja! Bundestages, die aus guten Gründen mit Wirkung zur 15. Legislaturperiode 2002 auf Meine Damen und Herren, die Bundesver- 598 Abgeordnete zurückgeführt wurde. Ich sammlung macht schon durch ihre Zusam- hoffe, dass auch die nächste Bundesversamm- mensetzung die herausragende Bedeutung lung wieder im Reichstagsgebäude stattfinden der Wahl des Staatsoberhauptes deutlich: Sie kann, tritt nur zu diesem Zweck und nie wieder in der gleichen Besetzung zusammen. So wenig Heiterkeit und Beifall bei der weit überwiegen­ alltäglich also das Zusammenkommen von den Mehrheit der Mitglieder der Bundesver­ Bundestag und den Vertretern der Länder in sammlung der Bundesversammlung ist, so außergewöhn- lich sind auch die Erwartungen an den Bundes- jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber das präsidenten. Nicht selten sind es übertrieben jetzt geltende Wahlrecht so verändert, dass hohe Ansprüche. Richard von Weizsäcker, sich die Anzahl der Sitze im Deutschen von dem wir – wie auch von Walter Scheel Bundestag und die damit korrespondierende und – in den vergangenen doppelte Gesamtzahl der Wahlmänner und zwei Jahren Abschied nehmen mussten, hat Wahlfrauen der Bundesversammlung nicht in in seiner Antrittsrede als Bundespräsident beliebigen, unabsehbaren Größenordnungen 1984 festgestellt: „Unsere Verfassung spricht bewegen kann. ausführlich von unseren Rechten als Bürger. Pflichten dagegen werden kaum erwähnt. In Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit umgekehrter Weise behandelt das Grundgesetz der Mitglieder der Bundesversammlung das Amt des Bundespräsidenten […].“

8 Bundesversammlung – Die weit überwiegende 2014 hat das Bundesverfassungsgericht aus Mehrheit der Mitglieder der Bundesversamm­ gegebenem Anlass diese Rechte und Pflichten lung erhebt sich präzisiert. Der Bundespräsident hat demnach insbesondere den Auftrag, „im Sinne der Ich wollte noch in zwei folgenden Sätzen Integration des Gemeinwesens zu wirken“. das zum Ausdruck bringen, was Sie nun in Wie er diese Aufgabe wahrnimmt, entscheide demonstrativer Weise bereits getan haben. er dabei grundsätzlich autonom und – dem Ihnen, Herr Bundespräsident, lag das soli- knappen Amtsverständnis Richard von darische Miteinander der Bürgerinnen und Weizsäckers folgend – „überparteilich, aber Bürger ganz besonders am Herzen, und Sie nicht neutral und nicht meinungslos“. haben die Gesellschaft auch immer wieder Wir entscheiden heute in dieser Bundes- nachdrücklich in die Pflicht genommen, sich versammlung über die Neubesetzung dieses weder verängstigen noch spalten zu lassen, Amtes, das aus Sicht der Hüter des Grundge- auch nicht in Zeiten terroristischer Gefahren. setzes die Einheit des Staates verkörpert und Dabei haben Sie selbst einen bedeutenden das – wie es die Mitglieder des Bundesver- Beitrag zum demokratischen Zusammenhalt fassungsgerichts formuliert haben – auf „vor geleistet, indem Sie entschieden das Recht allem geistig-moralische Wirkung angelegt“ und die Notwendigkeit zur politischen ist. Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident Auseinandersetzung, auch zum heftigen Streit, Gauck, ist das in den vergangenen fünf Jahren betonten und zugleich Respekt vor dem poli- auf überzeugende Weise gelungen. tischen Gegner und Augenmaß einforderten. In den verbleibenden Tagen Ihrer Amtszeit, Langanhaltender Beifall bei der weit überwie­ Herr Bundespräsident, wird es noch mehrfach genden Mehrheit der Mitglieder der Bundes­ Gelegenheit geben, Ihre großen Verdienste um versammlung – Beifall bei Mitgliedern der unser Land zu würdigen. Aber im Namen

9 wir rückblickend als eine Epoche der besonde- ren Herausforderungen, der besonderen Hoff- nungen und Chancen begreifen. Die Zukunft scheint derzeit allenfalls unberechenbarer, weil vermeintliche Selbstverständlichkeiten, der Bundesversammlung möchte ich Ihnen in gewachsene Einsichten und Überzeugungen aller Form unseren Dank und unseren Respekt sowie seit Jahrzehnten gültige Regeln infrage aussprechen. gestellt oder auch mutwillig gebrochen werden. Meine Damen und Herren, vor 100 Jahren, Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit zum Ende des Ersten Weltkriegs, konstituierte der Mitglieder der Bundesversammlung sich mit dem Kriegseintritt der USA aufseiten der liberalen Demokratien in Europa das, Meine Damen und Herren, den demokra- was wir heute wie selbstverständlich „den tischen Grundkonsens zu artikulieren, ist Westen“ nennen: eine weltumspannende schwieriger geworden in einer Gesellschaft, Wertegemeinschaft. Folgen wir dem Historiker die immer mehr Einzelinteressen kennt, und Heinrich August Winkler, so ist die Geschichte in einer Öffentlichkeit, die gern das Tren- dieses normativen Prozesses, dem sich unser nende gegenüber dem Einigenden betont, das Land erst nach entsetzlichen Verirrungen Besondere gegenüber dem Allgemeinen. Das mit Gründung der Bundesrepublik ange- macht die Aufgabe des Bundespräsidenten schlossen hat, immer auch eine Geschichte gewiss nicht einfacher, aber seine Bedeutung von Verstößen gegen die eigenen Werte im Verfassungsgefüge umso größer, erst recht gewesen und zugleich eine Geschichte der in einem Moment, der von manchen Beobach- produktiven Selbstkritik und Selbstkorrektur. tern bereits zur beunruhigenden Zeitenwende Beides braucht es auch heute mehr denn je, dramatisiert wird. Selbstkritik und Selbstkorrektur, innerhalb der Dabei ist die Zukunft heute keineswegs offe- westlichen Staatengemeinschaft und innerhalb ner als früher. Sie war immer ungewiss und unserer liberalen Gesellschaften. Nicht etwa forderte ordnende Gestaltung, schon gar in die Werte des Westens stehen infrage – sie den vergangenen 25 Jahren seit Wiederherstel- haben nichts von ihrer Gültigkeit verloren –, lung der staatlichen Einheit Deutschlands, die aber unsere Haltung zu Menschenrechten,

10 Blick in den Plenarsaal während der Bundesversammlung

11 im Kampf gegen den Terror oder gegen den Klimawandel. Das gilt gewiss für jedes einzelne Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und den Land in Europa, aber auch für unser großes Prinzipien einer repräsentativen Demokratie. Partnerland jenseits des Atlantiks, in dem Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit vor wenigen Wochen ein vom Volk direkt fordert, wer sich sprichwörtlich einmauert, gewähltes Staatsoberhaupt zugleich die Regie- wer statt auf Freihandel auf Protektionismus rungsverantwortung übernommen hat. Jeder setzt und gegenüber der Zusammenarbeit Versuch, diese Herausforderungen je einzeln der Staaten Isolationismus predigt, wer zum zu bewältigen, schafft mindestens so viele neue Programm erklärt „Wir zuerst!“, darf sich nicht Probleme, wie damit angeblich gelöst würden. wundern, wenn es ihm andere gleichtun – mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internati- Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit onalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahr- der Mitglieder der Bundesversammlung hundert hinreichend bekannt sein sollten. Wir Europäer werden nur durch das Teilen Langanhaltender Beifall bei der weit von Souveränität einen möglichst großen Rest überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der von dem bewahren können, was früher die Bundesversammlung – Die weit überwiegende Nationalstaaten mit Erfolg reklamierten und Mehrheit der Mitglieder der Bundesversamm­ heute allenfalls rückwärtsgewandte Zeitgenos- lung erhebt sich sen irrig für sich beanspruchen,

Noch schöner wäre, wenn wir dieser Botschaft Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit selber auch gerecht würden. der Mitglieder der Bundesversammlung

Beifall bei Mitgliedern der Bundesversammlung nämlich unabhängig von anderen die eigenen Angelegenheiten selbstständig regeln zu Die wirklich großen Herausforderungen können. Deshalb brauchen wir die Union der können unter den Bedingungen der europäischen Staaten. Globalisierung allesamt nicht mehr von den Nationalstaaten allein bewältigt werden, nicht Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit in der Finanzwelt, nicht im Umgang mit den der Mitglieder der Bundesversammlung – weltweiten Migrationsbewegungen, nicht Martin Sonneborn erhebt sich

12 Roman Herzog mit der Proklamation des 27. Januar zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus,

Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Und wenn, meine Damen und Herren, weder der Mitglieder der Bundesversammlung der russische Staatspräsident noch der ameri- kanische Präsident ein Interesse an einem Horst Köhler und Christian Wulff mit ihren starken Europa erkennen lassen, ist dies ein nachdrücklichen Hinweisen auf die Bedeu- zusätzliches Indiz dafür, dass wir selbst dieses tung Afrikas und des Islam für die Zukunfts- Interesse an einem starken Europa haben perspektiven auch und gerade Europas müssen. Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung der Mitglieder der Bundesversammlung und zuletzt Sie, Herr Bundespräsident, mit Meine Damen und Herren, demokratische Ihrer Mahnung, historische Schuld nicht Haltung erwächst in Deutschland mehr dazu zu benutzen, um dahinter – wie Sie es noch als irgendwo sonst aus dem Wissen formuliert haben – „Weltabgewandtheit oder um die Geschichte mit ihren Abgründen, Bequemlichkeit zu verstecken“. aus dem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Dazu haben Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit unsere Bundespräsidenten, von Theodor der Mitglieder der Bundesversammlung Heuss angefangen, wichtige Beiträge geleistet als Seismografen des gesellschaftlichen Bequem ist die Auseinandersetzung mit Geschichtsbewusstseins und als Impulsgeber: der eigenen Vergangenheit nie, aber sie ist Richard von Weizsäcker mit seiner denkwür- eine demokratische Tugend. „Nur wer mit digen Rede zum 8. Mai, sich selbst im Reinen ist, kann mit Sinn gestalten. Ähnlich sehe ich das bei einem Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Staat.“ Das schrieb mir nach der diesjährigen der Mitglieder der Bundesversammlung Gedenkstunde des Bundestages am 27. Januar,

13 dem Tag der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, ein 24-jähriger Student, berührt und „auch stolz“, wie er schreibt, angesichts des Willens zur Aufarbeitung unserer Geschichte. Keine Schwäche, wie Republik bleibt darum die noch immer manche behaupteten, sei das für ihn, betonte ausstehende notwendige Ergänzung unserer er, sondern „das exakte Gegenteil: eine unserer vielfältigen Gedenklandschaft in Berlin, größten Stärken“. Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung der Mitglieder der Bundesversammlung so wie es der Deutsche Bundestag übrigens Und tatsächlich hat das erstaunliche Ansehen, längst beschlossen hat, das Deutschland heute in der Welt genießt, wesentlich mit unserem verantwortungsvollen Claudia Roth: Ja! Umgang mit der eigenen Gewaltgeschichte zu tun. Wer daran aus welchen Motiven auch symbolträchtig an einem 9. November, vor immer rüttelt, muss wissen: Er gefährdet die inzwischen fast zehn Jahren. internationale Reputation unseres Landes und hat die überwältigende Mehrheit der Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Deutschen gegen sich. Bemerkung zum Datum für die historisch Interessierten unter Ihnen, denen ich schon Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit bei der letzten Bundesversammlung mit der Mitglieder der Bundesversammlung meinen Hinweisen zum 18. März und seiner Bedeutung – von der Mainzer Republik über Zum historischen Werden Deutschlands die Aufstände in Berlin bis zur Volkskammer- gehört im Übrigen auch seine zwar wech- wahl im März 1990 – eine besondere Freude selvolle, aber beachtliche Freiheits- und gemacht habe. Der 12. Februar ist in der Demokratiegeschichte. Ihrer angemessen und deutschen Geschichte immer wieder ein Tag würdig zu gedenken, ist ebenso unverzichtbar der Inthronisation gewesen, an dem bereits wie konstitutiv für das Selbstverständnis früher Staatsoberhäupter in Amt und Würden unserer Nation. Ein Freiheits- und Einheits- gekommen sind: 881, heute vor 1.136 Jahren – denkmal an einem zentralen Ort unserer kein Mensch kann sich mehr daran erinnern –,

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Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Heiterkeit bei Mitgliedern der Bundesver­ der Mitglieder der Bundesversammlung sammlung – : Aber in , nehme ich an! Dass im Jahre 1111 die bereits begonnene Kaiserkrönung Heinrichs V. wegen Protesten – nein, nicht in Aachen – der versammelten Bischöfe und Tumulten unter der römischen Stadtbevölkerung im : Würselen! Chaos abgebrochen werden musste, sollte uns heute und wird dieser Bundesversammlung wurde in Rom Karl der Dicke zum Kaiser gewiss nicht als Vorbild dienen. gekrönt, Heiterkeit bei Mitgliedern der Bundesver­ Heiterkeit bei Mitgliedern der Bundesver­ sammlung sammlung Ein einiges, freiheitliches und rechtsstaatli- der über große Teile eines Territoriums ches, ein demokratisches Deutschland gab es herrschte, aus dem sich sehr viel später in keiner dieser Epochen unserer wechselvol- Deutschland entwickeln sollte. 861 Jahre später, len deutschen Geschichte, genauso wenig wie am 12. Februar 1742, wurde dem Wittelsbacher es heute einen gesalbten Monarchen an der Karl Albrecht von Bayern in einer prunkvollen Spitze unseres wiedervereinten Landes gibt. Zeremonie – wieder nicht in Aachen – in Wir haben uns versammelt, um jetzt für fünf Frankfurt die römisch-deutsche Kaiserwürde Jahre unser Staatsoberhaupt zu wählen – nicht verliehen. Als Karl VII. unterbrach er nicht nur von Gottes Gnaden, sondern als Repräsentan- die Serie habsburgischer Kaiser, sondern er war ten des deutschen Volkes. auch der letzte Bayer an der Spitze – Dazu habe ich noch einige formelle Hinweise vorzutragen. Ich bitte Sie dafür um die gleiche Heiterkeit und Beifall bei der weit überwiegen­ Aufmerksamkeit und Geduld, mit der Sie den Mehrheit der Mitglieder der Bundesver­ meiner Begrüßungsansprache liebenswürdi- sammlung gerweise gefolgt sind. Vielen Dank. bis Roman Herzog kam. Dann war die Welt wieder in Ordnung. Langanhaltender Beifall

15 Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Konstituierung der 16. Bundesversamm- lung. Die 16. Bundesversammlung besteht aus den 630 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 630 Mitgliedern, die von den Länderparlamenten gewählt worden sind. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Länder- parlamente haben mir mitgeteilt, welche 630 Mitglieder in den Ländern rechtsgültig gewählt worden sind. Zur Beschlussfähigkeit der Bundesversamm- lung ist die Anwesenheit von mindestens 631 Mitgliedern erforderlich. Mein Eindruck ist: Das ist der Fall.

Heiterkeit und Beifall

Hat jemand Zweifel daran? – Das ist glück- licherweise nicht der Fall. Dann stelle ich hiermit die Beschlussfähigkeit der Bundesver- sammlung fest.

Konstituierung der 16. Bundesversammlung

16 Zurufe: Buh! – Ah! Nach § 8 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten findet die Geschäftsord- Möchte sich jemand der Stimme enthalten? – nung des Deutschen Bundestages auf den Na ja, die Ablehnung ist genauso zulässig wie Geschäftsgang der Bundesversammlung die Zustimmung. sinngemäße Anwendung, sofern sich die Bundesversammlung nicht eine eigene Beifall bei Mitgliedern der Bundesversamm­ Geschäftsordnung gibt. lung – Zuruf: Hört! Hört! Mir liegt ein Antrag zur Geschäftsordnung vor – der in der Osthalle ausliegt und gege- Die Mehrheitsverhältnisse sind allerdings benenfalls noch einmal eingesehen werden übersichtlich. Bei einigen Gegenstimmungen kann, der aber knapp ist und den ich Ihnen und Enthaltungen ist mit ganz breiter Mehr- vortragen möchte –, den die Fraktionen der heit dieser Geschäftsordnungsantrag angenom- CDU/CSU, der SPD, Die Linke und Bünd- men. Ich stelle also fest, dass nunmehr laut nis 90/Die Grünen gemeinsam eingebracht Gesetz die Geschäftsordnung des Bundestages haben: mit der gerade beschlossenen Maßgabe gilt. „ Die 16. Bundesversammlung wolle beschließen: Wir kommen jetzt zur Bestellung der Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- Schriftführerinnen und Schriftführer. Ich tages findet sinngemäß auf die 16. Bundes- schlage Ihnen dazu die 65 Abgeordneten vor, versammlung mit der folgenden Maßgabe die im Deutschen Bundestag diese Aufgabe Anwendung: Geschäftsordnungsanträge und wahrnehmen. andere Anträge können nur schriftlich gestellt werden. Eine mündliche Begründung und Britta Haßelmann: Sehr schön! eine Aussprache finden nicht statt.“ So sind wir auch bei früheren Bundesver- Wenn Sie darauf bestehen, lese ich die auch sammlungen verfahren. – Wir stimmen über alle vor. – Das ist erkennbar nicht der Fall. Das diesen Antrag ab. Ich darf diejenigen, die spart uns Zeit. Sie können die Namensliste ihm zustimmen wollen, um ihr Handzeichen aber ebenfalls beim Sitzungsvorstand oder bitten. – Stimmt jemand dagegen? – draußen am Meldetisch einsehen.

Blick auf die Besuchertribüne während der Bundesversammlung

17 der Namen aller Mitglieder der Bundesver- sammlung in alphabetischer Reihenfolge. Ich stelle also hiermit Ihr Einvernehmen mit Dabei werden nachgerückte Mitglieder, die der Bestellung der Schriftführerinnen und für Gewählte in dieses Amt eintreten und die Schriftführer fest und bitte nunmehr den nicht mehr im Namensverzeichnis alphabe- Obmann der Schriftführerinnen und Schrift- tisch aufgeführt werden konnten, am Schluss führer, den Abgeordneten , und dieser Namensliste aufgerufen. Es muss also die Abgeordnete neben mir niemand Sorge haben, dass irgendjemand Platz zu nehmen. – Die sind darauf hoffentlich vergessen worden sei. eingerichtet. – Perfekte Choreografie: einer Verfolgen Sie bitte den Namensaufruf, von rechts, einer von links. Ja, wir haben das und gehen Sie erst dann zum Empfang der wochenlang geübt. Wahlunterlagen in die Osthalle, wenn Sie aufgerufen worden sind. Die Kolleginnen Heiterkeit und Beifall und Kollegen im Bundestag werden Ihnen bestätigen können, dass die Osthalle nicht Wir kommen jetzt zum Wahlvorgang. Es größer, sondern kleiner ist als der Plenarsaal. liegen mir folgende schriftlich eingereichten Das heißt, es wird da nicht gemütlicher Vorschläge für die Wahl zum Bundespräsiden- als hier, sodass sich auch aus praktischen ten vor: Gründen dringend empfiehlt, hier den Aufruf z Herr Prof. Dr. Christoph Butterwegge, des eigenen Namens abzuwarten und dann z Herr , in die Osthalle zu gehen – das ist die Halle z Herr Alexander Hold, direkt hinter dem Präsidium –, die Sie durch z Herr Engelbert Sonneborn und eine der beiden seitlichen Glastüren erreichen z Herr Dr. Frank-Walter Steinmeier. können. Die Vorgeschlagenen haben gemäß § 9 des Für den ersten Wahlgang benötigen Sie den Gesetzes über die Wahl des Bundespräsiden- gelben Wahlausweis, den Sie bereits erhalten ten schriftlich ihre Bereitschaft zur Kandida- haben. Sie sollten sich auch noch einmal tur erklärt. Ich stelle fest, dass die Vorschläge vergewissern, dass Sie ihn nicht nur erhalten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. sondern auch tatsächlich bei sich haben. Ich darf Sie nun um Ihre Aufmerksamkeit für In der Osthalle geben Ihnen dann die einige Hinweise zum Ablauf der Wahl bitten. Schriftführerinnen und Schriftführer an den Wir beginnen jetzt gleich mit dem Aufruf Ausgabetischen Ihre Stimmkarte und den

18 amtlichen Wahlumschlag. Beides bekommen Sie nur, wenn Sie Ihren gelben Wahlausweis vorzeigen, den Sie dort aber bitte noch nicht abgeben. Dann kreuzen Sie bitte den Stimm- zettel in der Wahlkabine an und stecken ihn wollen. Wenn Sie mehr als ein Kreuz machen auch noch in der Wahlkabine in den dafür oder andere Namen oder sonstige Zusätze vorgesehenen Wahlumschlag; denn die Wahl auf den Stimmzettel schreiben, wird er damit ist bekanntlich geheim. Deswegen bitte ich ungültig. im Übrigen im Umfeld der Wahlkabinen noch Nach Ihrer Stimmabgabe kommen Sie bitte sorgfältiger die Empfehlung zu beachten, die durch den mittleren Eingang hier hinter dem wir Ihnen ja ohnehin mit auf den Weg gegeben Adler wieder in den Plenarsaal; aber das hatten, hier in der Bundesversammlung wird sich durch den Ablauf, glaube ich, ohne während des Wahlaktes nicht zu fotografieren weitere Komplikationen so ergeben. Hier vorn oder zu filmen. sehen Sie bereits zwei Wahlurnen. Zuerst Die Schriftführerinnen und Schriftführer übergeben Sie bitte der Schriftführerin oder müssen diejenigen zurückweisen, die ihre dem Schriftführer hier vorne Ihren gelben Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine Wahlausweis, und anschließend werfen Sie gekennzeichnet oder erst außerhalb der dann den Wahlumschlag mit Ihrem Votum in Wahlkabine in den Umschlag gelegt haben. eine dieser beiden Urnen. In diesem konkreten Fall müsste dann gegebe- Nach Artikel 54 Absatz 6 des Grundgesetzes nenfalls der Wahlvorgang wiederholt werden, ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der also nicht der gesamte Wahlgang, sondern die Mitglieder der Bundesversammlung erhält, Stimmabgabe des Betreffenden. das heißt, wer mindestens 631 Stimmen auf Noch ein letzter Hinweis zum Ausfüllen der sich vereinigt. Stimmkarten – Sie ahnen, was ich jetzt sage, Wenn es nun, was ich sehr hoffe, keine aber ich muss es natürlich trotzdem tun –: Fragen oder Irritationen über den Ablauf des Sie können auf der Stimmkarte tatsächlich Wahlverfahrens gibt, bitte ich die Schriftfüh- nur einen Namen ankreuzen rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze an den Tischen zur Ausgabe der Stimm- Heiterkeit karten und an den Wahlurnen einzunehmen. Ich eröffne die Wahl und bitte, mit der oder gegebenenfalls die Sparte „Enthaltung“, Verlesung der Namen zu beginnen. – wenn Sie keinen der Kandidaten wählen Bitte schön, Herr Koeppen.

19 Namensaufruf A Thomas Adasch, Dr. Gerhard Aden, Doris Ahnen, , Jan van Aken, , , , Britta Altenkamp, , Dr. , , Tarek Al-Wazir, , Rayk Anders, , Dr. Gabriele Andretta, , Kathrin Anklam-Trapp, , , Jasmin Arbabian-Vogel, Ingrid Arndt-Brauer, , Hans-Jörn Arp, , Inge Aures B Klaus-Peter Bachmann, Günter Back, , , , Bettina Bähr-Losse, Christian Baldauf, Dr. Rainer Balzer, Julien Bam, Dorothee Bär, Frank Baranowski, Heinz-Joachim Barchmann, Thomas Bareiß, Dr. , , André Barth, , , Dr. , Sören Bartol, Dr. , Ali Baş, Bärbel Bas, Theresia Bauer, Thomas Bauer, Dr. Christina Baum, Günter Baumann, Dr. Winfried Bausback, Andreas Bausewein, (), (Köln), Dagmar Becker, Horst Becker, , Dr. Günther Beckstein, , Sigrid Beer, , , (Börde), Holger Bellino, , , Walburga Benninghaus, Verena Bentele, Iris Berben, Lars Patrick Berg, Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Dr. André Berghegger, Dr. , Dr. Otmar Bernhard, Sabine Berninger, Christian Bernreiter, , Peter Beuth, , Dr. Kurt Biedenkopf, Peter Biesenbach, , , Sascha Binder, (Heidelberg), , Astrid Birkhahn, Dr. Stefan Birkner, Matthias W. Birkwald, , , , Markus Blume, André Bock, Reinhold Bocklet, Michael Boddenberg, Andrea Bogner-Unden, Dr. Maria Böhmer, Siegfried Borgwardt, Frank Börner, , Sandra Boser, , Dr. Rainer Bovermann, Hans-Josef Bracht, , Klaus Brähmig, Gabriele Brakebusch, Michael Brand, Dr. , , Dr. , , Dr. , Dr. Bernhard Braun, Dr. , , Georg-Ludwig von Breitenbuch, Sebastian Brendel, Gudrun Brendel-Fischer, , , Elmar Brok, Dr. Jörg Brückner, , Helmut Brunner, Dr. Karl-Heinz Brunner, , Christina Bührmann, Birke Bull-Bischoff, Eva Bulling-Schröter, Dr. h. c. , Marco Bülow, Klaus Burger, , Oskar Burkert, Bernd Busemann, Heinz Buss, Dr. Christoph Butterwegge, Matthias Büttner C Cajus Caesar, Lorenz Caffier, Christian Calderone, Barbara Cárdenas , Christian Carius, Dr. , Kerstin Celina, , Peter Clausen, Thomas Colditz, , Frederick Cordes, Jürgen Coße, Petra Crone, Mario Czaja, Sebastian Czaja D Sevim Dağdelen, , , Gesine Dannenberg, Thomas de Jesus Fernandes, Dr. , Dr. , Ekin Deligöz, Renan Demirkan, Dr. Frank Deppe, Rainer Deppe, Petra Dettenhöfer, Dr. Sandra Detzer, Dr. Antje von Dewitz, Dr. , Eberhard Diepgen, Klaus Dietz, Birgit Diezel, Alexandra Dinges-Dierig, , , Andrea Dombois, Dieter Dombrowski, , Thomas Dörflinger (Mitglied des Deutschen Bundestages), Thomas Dörflinger (Mitglied des Landtages Baden-Württemberg), Martin Dörmann, Katja Dörner, Marie-Luise Dött, Dr. Andreas Dressel, Malu Dreyer, Elvira Drobinski-Weiß, Katharina Dröge, Dr. Wilhelm Droste, , Martin Dulig, Christian Dürr, Hansjörg Durz E Iris Eberl, , Katja Ebstein, Jutta Eckenbach, Siegmund Ehrmann, Dr. Ute Eiling-Hütig, Dr. Peter Enders, Michaela Engelmeier, Stefan Engstfeld, Konrad Epple, Rüdiger Erben, Dr. h. c. , , Petra Ernstberger, , Karin Evers-Meyer

20 F Dr. , Nancy Faeser, Marcel Falk, Hermann Färber, Dr. , , Franz Fehrenbach, , Dr. , Sylvia M. Felder, Annegret Feldmann, Dr. , , Elke Ferner, Veronica Ferres, Jürgen Filius, Dr. Ute Finckh-Krämer, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dirk Fischer (), Dr. , Christian Flisek, Klaus-Peter Flosbach, , Helmut Fokkena, Stefan Förster, Dr. , Uwe Frankenberger, Rainer Fredermann, , Wolfgang Freese, , , Dr. , Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), , Michael Frisch, Dr. Michael Fuchs, Hans-Joachim Fuchtel, Alexander Fuhr, Dr. Stefan Fulst-Blei, Alexander Funk G , Ingo Gädechens, Dr. Thomas Gambke, , Dr. Dr. h. c. Ursula Gather, Dr. , Yvonne Gebauer, , Dr. , Angela Geermann, Wolfgang Gehrcke, , Thomas Gehring, Manfred Geis, Marion Gentges, , Dr. Karl Gerhold, , Knut Gerschau, , , , Albrecht Glaser, Thorsten Glauber, Iris Gleicke, Angelika Glöckner, Lisa Gnadl, Carina Gödecke, , Herbert Goldmann, Diana Hertha Golze, Josef Göppel, Katrin Göring-Eckardt, Christian Görke, Ulrike Gote, , Eva Gottstein, Fabian Gramling, Martin Grath, Wolfgang Grenke, Dr. , , Christoph Grimm, Dr. Bernd Grimmer, Ursula Groden-Kranich, Hermann Gröhe, Klaus-Dieter Gröhler, Gabriele Groneberg, Michael Groschek, Michael Groß, Michael Grosse-Brömer, Astrid Grotelüschen, , Uli Grötsch, Markus Grübel, Gernot Gruber, , , Wilfried Grunendahl, Monika Grütters, Stefan Grüttner, Martin Güll, Dr. , Wolfgang Gunkel, Daniel Günther, Fritz Güntzler, Jens Guth, Petra L. Guttenberger, , Dr. H , Heike Habermann, Martin Habersaat, Christine Haderthauer, Petra Häffner, Marcel Hafke, , Manuel Hagel, Rita Hagl-Kehl, Dr. André Hahn, , , Rainer Hajek, , Volkmar Halbleib, Eike Hallitzky, Ulrich Hampel, Tobias Hans, Heike Hänsel, Dr. , Jürgen Hardt, Lars Harms, , Michael Hartmann (Wackernheim), , Dr. , Raimund Haser, , Britta Haßelmann, , , Johann Häusler, Dr. Dr. h. c. Axel Haverich, Dr. Stefan Heck, Ingrid Heckner, Britta Heidemann, , Dr. , , Jürgen W. Heike, (Peine), , Dr. , Dr. Jan Heinisch, , (Chemnitz), , Dr. Roland Heintze, , Mark Helfrich, Dr. Dr. h. c. mult. Stefan Hell, Uda Heller, , Jörg Hellmuth, Anne Helm, Dr. Barbara Hendricks, , Frank Henkel, Heidtrud Henn, Susanne Hennig-Wellsow, , Ute Henschel, Hendrik Hering, , Hans Herold, Stefan Herre, Dr. Florian Herrmann, Joachim Herrmann, Monika Herrmann, Marc Herter, Dr. Leopold Herz, , , Bernd-Carsten Hiebing, Alexandra Hiersemann, Reinhold Hilbers, Oliver Hildenbrand, Gabriele Hiller-Ohm, Jörg Hillmer, Rainer Hinderer, Priska Hinz, Walter Hirche, , Dr. , , Robert Hochbaum, Ulli Hockenberger, Peter Hofelich, Alexander Hoffmann, Reiner Hoffmann, (Dortmund), Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Jörg Hofmann, Dr. , Inge Höger, Dr. Eva Högl, Klaus Hoher, Bärbel Höhn, Matthias Höhn, Alexander Hold, Leif-Erik Holm, , Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Franz-Josef Holzenkamp, Henning Höne, Daniel Hopp, Dr. , Margaret Horb, Bettina Hornhues, Dr. Mathias Edwin Höschel, Gerda Hövel, Inge Howe, Charles Huber, Erwin Huber, Dr. Martin Huber, Anette Hübinger, Michael Hübner, , , Thomas Hunsteger-Petermann, Dr. Otto Hünnerkopf, Sigrid Hupach, Hubert Hüppe

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I Matthias Ilgen, , Hans-Jürgen Irmer, Eva Irrgang J Ralf Jäger, , Meta Janssen-Kucz, Christina Jantz-Herrmann, , , Burkhard Jasper, , Dr. Lukrezia Jochimsen, Oliver Jörg, Wolfgang Jörg, Sylvia Jörrißen, Petra Joumaah, , Dr. , Tilo Jung, , , Uwe Junge, , , Dr. Egon Jüttner K , Olaf Kahle, Johannes Kahrs, Gabriele Kailing, Klaus Kaiser, Roland Kaiser, Bartholomäus Kalb, Erika von Kalben, Jens Kamieth, Hans-Werner Kammer, Christina Kampmann, Steffen Kanitz, Antje Kapek, Niko Kappel, , Susanna Karawanskij, , , Norbert Kartmann, Kerstin Kassner, Jörg Kastendiek, Bernhard Kaster, , Volker Kauder, Dr. Stefan Kaufmann, Carolin Kebekus, Jürgen Keck, , , Michael Kellner, , Hape Kerkeling, Marina Kermer, Walter Kern, , Oliver Keymis, , Sven-Christian Kindler, Dr. , , Oliver Kirchner, , , Horst Klee, Hugo Klein (Freigericht), , Maria Klein-Schmeink, Jürgen Klimke, , Julia Klöckner, Kai Klose, Stefanie Kloß, Tosca Kniese, Oliver Knöbel, , Roland Koch, Tobias Koch, Kerstin Köditz, Tom Koenigs, Jens Koeppen, Dr. Bärbel Kofler, , , Birgit Kömpel, , Regina Kopp-Herr, Carsten Körber, Hans-Willi Körfges, , , Hartmut Koschyk, Sylvia Kotting-Uhl, , , , Annegret Kramp-Karrenbauer, Bernd Kränzle, Dr. Herbert Kränzlein, Raúl Krauthausen, , , , Thomas Kreuzer, , Manfred Krick, Dr. Günter Krings, , Bernd Krückel, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Thomas Krüger, Rüdiger Kruse, , Christiane Küchenhof, , Thomas Kufen, Dr. Hermann Kuhn, Christian Kühn (Tübingen), Stephan Kühn (Dresden), Dr. Roy Kühne, Eva Kühne-Hörmann, Helga Kühn-Mengel, Ines Kummer, Renate Künast, Katrin Kunert, André Kuper, Frank Kupfer, Annette Kurschus, Daniel Kurth, Markus Kurth, Markus Kurze, Thomas Kutschaty L Günter Lach, Klaus Laepple, , Uwe Lagosky, , Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers, Andreas Lämmel, Dr. Norbert Lammert, , Christian Lange (Backnang), Ulrich Lange, Shermin Langhoff, Judith Lannert, Barbara Lanzin- ger, Armin Laschet, Dr. Mojib Latif, Karl-Josef Laumann, Dr. , Dr. , , , Sebastian Lechner, Daniel Andreas Lede Abal, Sven Lehmann, , Dr. Ulrike Lehmann-Wandschneider, , , Dr. , , Steffen-Claudio Lemme, Dr. , , Dr. , Dr. Melanie Leonhard, Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, Franz-Josef Lersch-Mense, , Roger Lewentz, Dr. , , Alexander Licht, , , , Lutz Lienenkämper, Julia Lier, Matthias Lietz, Gunnar Lindemann, , , Dr. , Dr. , , , Jan Löffler, Sylvia Löhrmann, Dr. Eva Lohse, Editha Lorberg, Siegfried Lorek, Wilfried Lorenz, Frank Lortz, Gabriele Lösekrug-Möller, Barbara Loth, Andreas Lotte, , Dr. Gesine Lötzsch, Joachim Löw, Dr. Claudia Lücking-Michel, Dr. Jan-Marco Luczak, Cornelia Lüddemann, Nadja Lüders, Barbara Ludwig, , Simone Luedtke, Kirsten Lühmann, Marc Lürbke,

22 M , , Peter Maffay, , Thomas Mahlberg, Dr. Erika Maier, Nicole Maisch, Dr. Thomas de Maizière, Dr. Birgit Malecha-Nissen, , Stefan Mappus, , Helmut Markwort, , Michele Marsching, Hans-Georg von der Marwitz, , , , (Altötting), David McAllister, Josef Mederer, Norbert Meesters, Reiner Meier, Klaus Meiser, Dr. , Peter Meiwald, Birgit Menz, Dr. Beate Merk, Dr. , Friedrich Merz, Gerhard Merz, Dr. Heiner Merz, , Elfriede Meurer, Dr. Jörg Meuthen, Friederike Mey, Franz Meyer, , Jens Michel, Dr. h. c. , Dr. , Claudia Middendorf, Serpil Midyatli, Dr. , , Dr. Georg Milbradt, Dr. Mariele Millowitsch, , , Willi Mittelstädt, Johanne Modder, Mike Mohring, Cornelia Möhring, , Ina Morgenroth, Karsten Möring, , Volker Mosblech, Heinrich Möschel, Mehrdad Mostofizadeh, , , Bettina Müller, Carsten Müller (Braunschweig), Detlef Müller (Chemnitz), Emilia Müller, Dr. Gerd Müller, Michael Müller, Norbert Müller (Potsdam), Ruth Müller, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Volker Müller, Dr. Werner Müller, Beate Müller-Gemmeke, Elisabeth Müller-Witt, Franz Müntefering, Michelle Müntefering, Petra Münzel, Dr. , Dietmar Muscheid, Özcan Mutlu, Dr. Rolf Mützenich N Jens Nacke, Dr. mult. Dr. h. c. Eckhard Nagel, , Ruth Naumann, Paul Nemeth, Dr. , Mona Neubaur, Dr. Reimund Neugebauer, Luise Neuhaus-Wartenberg, Christine Neumann, Bahra Niazmand, Dr. , Dr. Angelika Niebler, Iris Nieland, , Stefan Nimke, , Katharina Nocun, , , Hans Jürgen Noss, Dr. , , Helmut Nowak, Thomas Nückel, Dr. Georg Nüßlein O , , Frank Oesterhelweg, Simone Oldenburg, Asta von Oppen, , Dr. Marcus Optendrenk, Florian Oßner, , Bernd Osterloh, Dr. , Jochen Ott, , Cem Özdemir, Mahmut Özdemir (Duisburg), Aydan Özoğuz P Dr. Katja Pähle, , Thomas Axel Palka, , Dirk Panter, , , Dr. Martin Pätzold, , Joachim Paul, Josefine Paul, , Georg Pazderski, Matthias Penkala, Dr. Gisela Penteker, Dr. , , Dr. , (Havelland), Ulrich Petzold, Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. , Sibylle Pfeiffer, Jeannine Pflugradt, Dr. Michael Piazolo, Dr. Werner Pidde, Anja Piel, Wolfgang Josef Pieper, , Volker Pispers, Boris Pistorius, Richard Pitterle, Matthias Platzeck, André Poggenburg, , Uwe Polkaehn, , , , Joachim Poß, (Minden), , Brigitte Pothmer, Dr. Hans-Gert Pöttering, Iris Preuß-Buchholz, Dr. Wilhelm Priesmeier,

23 R Dr. , Dr. Simone Raatz, , Dr. Christoph Rabenstein, , , , Ülker Radziwill, Alois Rainer, , Dr. , Dr. Patrick Rapp, Katja Rathje-Hoffmann, Dr. Reinhard Rauball, Tobias Rausch, Doris Rauscher, Claudia Ravensburg, , Stefan Rebmann, , , Markus Rehm, Gerold Reichenbach, Gabriele Reich-Gutjahr, Dr. Hans Reichhart, Lars Reichow, Clemens Reif, Dr. Carola Reimann, Hans Wilhelm Reiners, Dr. Wolfgang Reinhart, Nariman Reinke, Tobias Reiß, Dieter Reiter, Johannes Remmel, , Florian Rentsch, Hans Hermann Reschke, Herbert Reul, , Cerstin Richter-Kotowski, , , Dr. Franz Rieger, Dr. , , Markus Rinderspacher, Dr. Franz-Georg Rips, Iris Ripsam, Sönke Rix, Petra Rode-Bosse, Dr. Susanne Rode-Breymann, , Daniel Roi, Gabi Rolland, Norbert Römer, Johannes Röring, Kathrin Rösel, Dr. , Marcus H. Rosenmüller, Georg Rosenthal, Dr. Markus Rösler, René Röspel, Stefan Rößle, Dr. Matthias Rößler, Dr. , Tabea Rößner, Claudia Roth (), Michael Roth (Heringen), Thomas Roth, Dr. Norbert Röttgen, Erwin Rüddel, Günter Rudolph, Corinna Rüffer, Heide Rühle, Dr. Hans-Ulrich Rülke, , Berthold Rüth, Susann Rüthrich, Dr. Dr. h. c. Jürgen Rüttgers, Bernd Rützel, S , Barbara Saebel, Reinhard Sager, Raed Saleh, Dr. , , Rainer Sass, Annette Sawade, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Anita Schäfer (Saalstadt), Axel Schäfer (Bochum), Dorothea Schäfer, Thorsten Schäfer-Gümbel, Verena Schäffer, Susanne Schaper, Ulrike Scharf, Elisabeth Scharfenberg, Ina Scharrenbach, Dr. Wolfgang Schäuble, Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, , Dr. , Landolf Scherzer, Heidemarie Scheuch-Paschkewitz, , Dr. , Thorsten Schick, , Dr. Ina Schieferdecker, , Horst Schiesgeries, Karl Schiewerling, Patrick Schiffer, , Norbert Schindler, Dr. Dagmar Schipanski, , Michael Schlecht, Dr. Dorothee Schlegel, Klaus Schlie, Dirk Schlömer, Beate Schlupp, Rainer Schmeltzer, Christian Schmidt (Fürth), (Wetzlar), Dr. , Gabriele Schmidt (Ühlingen), Matthias Schmidt (Berlin), Thomas Schmidt, (Aachen), Ronald Schminke, Arnold Schmitt, Helga Schmitt-Bussinger, Karin Schmitt-Promny, Hendrik Schmitz, Renate Schnack, (Erfurt), Christine Schneider, Susanne Schneider, , Elfi Scho-Antwerpes, Alexander Schoch, , Nadine Schön (St. Wendel), Jörg Schönbohm, Angelika Schorer, Tanja Schorer-Dremel, Kerstin Schreyer, Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden), Dr. Ole Schröder, Doris Schröder-Köpf, , Bernhard Schulte-Drüggelte, Herbert Schulz, Martin Schulz, (Spandau), Kordula Schulz-Asche, Dr. Klaus-Peter Schulze, Svenja Schulze, Christina Schulze Föcking, , , (Weil am Rhein), Dr. Albrecht Schütte, , Susanne Schwaderer, , Andrea Schwarz, (Mitglied des Deutschen Bundestages), Andreas Schwarz (Mitglied des, Landtages Baden-Württemberg), Annette Schwarz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Christina Schwarzer, , Hans-Ulrich Sckerl, Kai Seefried, , Bernhard Seidenath, Dr. Anna Seidl, , Susanne Selbert, , Erwin Sellering, , Ingo Senftleben, Gisela Sengl, Dr. , Bernd Siebert, Dr. , Dr. Stephan Siemer, , , Dr. , Stefan Skora, Dr. Daniela Sommer, Martin Sonneborn, , Dr. Ludwig Spaenle, , , , Norbert Spinrath, Iris Spranger, Christian Springer,

24 Dr. h. c. Friede Springer, Ines Springer, , Angelika Stahl, Linda Stahl, Barbara Stamm, Martina Stamm-Fibich, Dr. Joachim Stamp, Britta Stark, Carola Stauche, Dr. , , Dr. , , Dr. , Dieter Stein, , Udo Stein, , , Lencke Steiner, Bibiana Steinhaus, , , Dr. Frank-Walter Steinmeier, Jutta Steinruck, Dr. Dr. Thomas Sternberg, Christian Freiherr von Stetten, , Sylvia Stierstorfer, André Stinka, Andreas Stoch, Rita Stockhofe, Dr. , , , Marlies Stotz, , Christoph Strässer, , Matthäus Strebl, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, , Günter-Helge Strickstrack, Thomas Stritzl, Hans-Christian Ströbele, , Dr. Simone Strohmayr, Lena Strothmann, Michael Stübgen, , Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Marta Szuster T , Dr. , Rena Tangens, Azize Tank, Detlef Tanke, Hakan Taş, Walter Taubeneder, Dr. , , Frank Tempel, Bernhard Tenhumberg, Andreas Terhaag, Dr. Harald Terpe, Dr. h. c. Erwin Teufel, Frank Thelen, , , Ulf Thiele, Dr. h. c. , Dr. Karin Thissen, Franz Thönnes, Stanislaw Tillich, Angela Tillmann, , Astrid Timmermann-Fechter, Dr. Anjes Tjarks, Stephan Toscani, Carsten Träger, Carolina Trautner, André Trepoll, , Jürgen Trittin, Manuel Trollmann, Dr. , Josef Tumbrinck U Günther Uecker, Dr. Hans-Peter Uhl, Eckhard Uhlenberg, Dr. Volker Ullrich, , Joachim Unterländer, Jörg Urban, Christine Urspruch V , Carola Alexandra Veit, Rüdiger Veit, , Dr. , Péter Vida, , Michael Vietz, Dr. Dr. h. c. mult. , Frank Vogel, (Kleinsaara), , Christopher Vogt, , Eva-Maria Voigt-Küppers, Klaus-Günther Voigtmann, Sven Volmering, Dirk Vöpel, Eggert Voscherau, Christel Voßbeck-Kayser, W Dr. , Dr. , , Doris Wagner, Mathias Wagner (Taunus), Laura Wahl, Ruth Waldmann, Dr. Norbert Walter-Borjans, Beate Walter-Rosenheimer, , Karl-Heinz Wange, , Dr. Gerhard Waschler, Annette Watermann-Krass, , , Manfred Weber, Jürgen Wechsler, Gunnar Wegener, Nina Weger, , Kornelia Wehlan, Horst Wehner, Angelika Weikert, , Dr. Adolf Weiland, Dr. Nils Weiland, Dr. h. c. , , (Hamburg), Nico Weinmann, Marina Weisband, Dr. , Marius Weiß, Peter Weiß (Emmendingen), Rüdiger Weiß, Sabine Weiss (Wesel I), , Karl-Georg Wellmann, , , , Waldemar Westermayer, , , Peter Wichtel, Andrea Wicklein, Jutta Widmann, Annette Widmann-Mauz, Kurt Wiegel, , Heinz Wiese (Ehingen), Margit Wild, Klaus-Peter Willsch, Dr. Valerie Wilms, Lutz Winkelmann, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Peter Winter, Axel Wintermeyer, Claus Wisser, Dr. Volker Wissing, Sandro Witt, , Mechthilde Wittmann, Dagmar G. Wöhrl, Dr. , Guido Wolf, Karin Wolff, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Sabine Wölfle, Carola Wolle, Birgit Wöllert, Hans Peter Wollseifer, Barbara Woltmann, Petra Wontorra, Natalia Wörner, Jörn Wunderlich, Hendrik Wüst Y Gülistan Yüksel, Turgut Yüksel Z Isabell Zacharias, Feridun Zaimoglu, , , Josef Zellmeier, Heinrich Zertik, , , , Benno Zierer, , Dr. , Dr. Jens Zimmermann, , Sabine Zimmermann (Zwickau), Dr. Reinhard Christian Zinkann, Roman Zitzelsberger, Thomas Zöller, Manfred Zöllmer, Gudrun Zollner, Volkmar Zschocke, .

Dr. Heike Carstensen

25 Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Stimmabgabe

26 Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert:

Meine Damen und Herren, wenn jetzt jemand Heiterkeit und Beifall – Özcan Mutlu: hier im Saal anwesend ist, dessen Name Auszahlung ist immer gut! noch nicht genannt wurde, der aber plausibel darstellen kann, dass er zu den Wahlmännern Zu diesem Teil der Prozedur verweise und Wahlfrauen gehört, dann wäre es zweck- ich auf die schriftlichen Informationen, mäßig, sich hier vorne beim Sitzungsvorstand die alle Mitglieder erhalten haben. zu melden. Bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses Meine Damen und Herren, darf ich förmlich unterbreche ich die Sitzung. Das wird nachfragen, ob noch ein Mitglied der Bundes- sicher, wenn es gut geht, mindestens eine versammlung hier im Saal anwesend ist, das halbe Stunde, aber auch nicht viel länger seine Stimme nicht abgegeben hat? – Oder als 45 Minuten dauern. Das heißt, für einen kennt jemand jemanden, der seine Stimme kurzen Spaziergang um das Reichstagsgebäude nicht abgegeben hat? – wird es reichen, für einen Ausflug zur Berlinale eher nicht. Heiterkeit Ich unterbreche die Sitzung bis zur Bekannt- gabe des Wahlergebnisses. Wir machen durch Auch das scheint nicht der Fall zu sein. Dann Klingelzeichen rechtzeitig auf den Wiederbe- schließe ich die Wahl und bitte die Schriftfüh- ginn aufmerksam. rerinnen und Schriftführer, mit der Auszah- lung zu beginnen – mit der Auszählung. Unterbrechung von 13.40 bis 14.15 Uhr

27 Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert:

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bedanke mich bei den Schriftführerinnen und Schriftführern, die mit einer natürlich über Jahre eingeübten Präzision zügig das Ergebnis ermittelt haben.

Beifall

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs zur Wahl des Bundespräsidenten: abgegebene Stimmen 1.253, ungültige Stimmen 14, gültige Stimmen 1.239. Enthalten haben sich 103 Mitglieder dieser Bundesver- sammlung. Es sind entfallen auf Prof. Dr. Christoph Butterwegge 128 Stimmen,

Lebhafter Beifall bei Mitgliedern der Bundes­ versammlung – Michael Grosse-Brömer: Das kann jetzt eine halbe Stunde dauern!

auf Albrecht Glaser 42 Stimmen,

Bekanntgabe des Wahlergebnisses

28 Beifall bei Mitgliedern der Bundesversamm­ lung – Zurufe: Buh! auf Alexander Hold 25 Stimmen, Aufmerksamkeit bitten. Sie ziehen zwar alle aus den bekanntgegebenen Abstimmungser- Beifall bei Mitgliedern der Bundesversammlung gebnissen die richtigen Schlussfolgerungen, auf Engelbert Sonneborn 10 Stimmen Heiterkeit

Beifall bei Mitgliedern der Bundesversammlung aber erst, wenn festgestellt wird, dass er die notwendige gesetzliche Mehrheit erreicht – offenkundig haben nicht alle, die jetzt hat und sich dann tatsächlich entschließt, klatschen, ihn auch gewählt – die Wahl auch anzunehmen, ist der Vorgang amtlich, der jetzt voreilig bereits zur Übergabe Heiterkeit und Beifall bei Mitgliedern der von Blumenbuketten geführt hat. Bundesversammlung Heiterkeit und auf Dr. Frank-Walter Steinmeier 931 Stimmen. Ich stelle fest, dass nach Artikel 54 Absatz 6 des Grundgesetzes gewählt ist, wer die Langanhaltender Beifall bei der weit Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält, das heißt, wer Bundesversammlung – Die Mitglieder der mindestens 631 Stimmen auf sich vereinigt Bundesversammlung erheben sich – hat. Das ist ganz offensichtlich der Fall. Der Dr. Frank-Walter Steinmeier nimmt Glück­ Kandidat Dr. Frank-Walter Steinmeier hat die wünsche von Bundespräsident Joachim Gauck erforderliche Mehrheit der Stimmen erhalten und von Mitgliedern der Bundesversammlung und ist damit zum Bundespräsidenten der entgegen und bekommt Blumensträuße Bundesrepublik Deutschland gewählt, überreicht Beifall bei Mitgliedern der Bundesversammlung Meine Damen und Herren, ich muss die Mitglieder der Versammlung und auch den wenn er meine Frage, ob er die Wahl annimmt, Kandidaten um einen kleinen Augenblick der nun hoffentlich positiv beantwortet.

29 Seite 29: Applaus der Bundesversammlung für Frank-Walter Steinmeier nach seiner Wahl

Bundespräsident Joachim Gauck gratuliert Frank-Walter Steinmeier zu seiner Wahl

30 Frank-Walter Steinmeier nimmt die Glückwünsche des Fraktions- vorsitzenden der CDU/CSU Volker Kauder entgegen; rechts neben ihm der Fraktionsvorsitzende der SPD Thomas Oppermann, im Vordergrund Gregor Gysi

31 Dr. Frank-Walter Steinmeier:

Ich nehme die Wahl an, gerne sogar. Vielen Dank.

Anhaltender Beifall bei der weit überwie­ genden Mehrheit der Mitglieder der Bundes­ versammlung – Dr. Frank-Walter Steinmeier Deswegen schlage ich vor, dass ich jetzt im nimmt Glückwünsche von Mitgliedern der Namen der gesamten Bundesversammlung Bundesversammlung entgegen – Herrn Dr. Steinmeier herzlich zu seiner Wahl Prof. Dr. Christoph Butterwegge nimmt gratuliere. Glückwünsche von Mitgliedern der Bundes­ versammlung entgegen und bekommt einen Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Blumenstrauß überreicht der Mitglieder der Bundesversammlung

Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert: Da er mir zugesagt hat, anschließend an dem Empfang teilzunehmen, besteht dort zeitlich Meine Damen und Herren, es gibt natürlich fast unbegrenzt die Möglichkeit, ihm persön- den verständlichen Wunsch fast aller Mitglie- lich zu gratulieren und ihm vor allen Dingen der der Bundesversammlung, dem gerade wichtige Empfehlungen für die Wahrnehmung gewählten Bundespräsidenten persönlich zu seines Amtes mit auf den Weg zu geben. gratulieren. Ich habe das einmal durchgerechnet: Heiterkeit Martin Schulz: Sehr gut, Herr Präsident! Herr Steinmeier, wenn Sie mögen, erhalten Wenn das Gratulieren pro Vorgang zehn Sie jetzt das Wort. Sekunden dauerte, würden wir etwa drei Stunden bis zur Beendigung der Bundesver- Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit sammlung benötigen. der Mitglieder der Bundesversammlung

32 Bundestagspräsident Norbert Lammert gratuliert Frank-Walter Steinmeier zu seiner Wahl

33 Herr Präsident! Verehrte Mitglieder der Bundesversammlung! Sehr geehrte Mitbewerber! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Ihr macht mir Mut!“ Dieser Zuruf einer jungen Frau, damals vor zwei Jahren, hat lange in mir nachgehallt. Ich möchte ihn heute an Sie weitergeben. Von Herzen danke ich Ihnen, den Mitgliedern dieser Bundesversammlung, für die Ermu- tigung, mit der Sie mich heute auf den Weg in das höchste Amt unseres Staates senden. Ihre Wahl erfüllt mich mit großer Freude, und mein großer Respekt vor diesem Amt bleibt. Mein Respekt ist umso größer, weil Joachim Gauck hier im Saal ist; ein Bundespräsident,

Rede von Dr. Frank-Walter Steinmeier

34 der diesem Amt und unserem Land gutgetan hat; ein Präsident, der für die Freiheit spricht und der das Glück der Freiheit mit jeder Faser verkörpert. Ihnen, verehrter Herr Präsident, gilt mein und – da bin ich ganz sicher – unser aller tiefster Dank. Und vor allen Dingen fragen sie: Hält dieser Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Kitt auch noch für die Zukunft? Andere der Mitglieder der Bundesversammlung fragen: Wenn die Welt unsicherer wird und wenn unser Land mit dieser Welt so eng Ich danke allen, die mich gewählt haben, verflochten ist, was bedeutet das für unsere für das Vertrauen. Denen, die mich nicht Sicherheit, für unsere Zukunft? Auch diese unterstützt haben, gebe ich ein Versprechen: Sorgen spüre ich in unserem Land, und ich Im gleichen Respekt vor allen demokratischen nehme sie ernst. Parteien, vor Regierung und Opposition, Aber in meinen letzten Jahren als Außenmi- vor dem Vielklang der Stimmen in unserer nister habe ich auch etwas anderes erfahren: Demokratie werde ich dafür arbeiten, auch ihr „Ihr macht mir Mut!“ Es war eine junge Frau Vertrauen zu gewinnen. in Tunesien, die diesen Satz zu mir gesagt hat, Ich weiß, meine Damen und Herren: Wir leben eine Aktivistin, die sich in ihrer Heimat für in stürmischen Zeiten. Viele in unserem Land Demokratie und Menschenrechte engagiert. sind verunsichert. Die Welt – das hat der eine Als sie diesen Satz sagte, da meinte sie gar oder andere schon einmal von mir gehört nicht mich und auch nicht meine Delegation, – scheint aus den Fugen geraten. Aber viele sondern unser Land, Deutschland, war fragen auch: Was ist eigentlich der Kitt, der gemeint. „Ihr Deutschen macht mir Mut“, unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält? hat sie gesagt.

35 Als vor der ersten Bundesver- sammlung stand, da räumten die Menschen in Deutschland den Schutt von Krieg und Diktatur beiseite, da bauten sie Stein um Stein Meine Damen und Herren, ist es nicht die Bundesrepublik auf, eine Demokratie, die erstaunlich, ist es nicht eigentlich wunderbar, damals nur auf dem Fundament des Westens dass dieses Deutschland, unser „schwieriges festen Halt finden konnte. Meine Damen Vaterland“, wie Gustav Heinemann es nannte, und Herren, wenn dieses Fundament heute für viele in der Welt ein Anker der Hoffnung anderswo wackelt, dann müssen wir umso geworden ist? fester zu diesem Fundament stehen.

Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung der Mitglieder der Bundesversammlung

Wir machen anderen Mut, nicht weil alles Als später Roman Herzog hier vor der Bundes- gut ist in unserem Land, sondern weil wir versammlung stand, da war die deutsche gezeigt haben, dass es besser werden kann, Wiedervereinigung noch jung, da wehte der dass nach Kriegen Frieden werden kann, dass Wind des Aufbruchs durch das Land; aber es nach Teilung Versöhnung kommen kann, dass gab auch Ängste vor dieser neuen Zukunft. nach der Raserei der Ideologien so etwas wie Doch die Lockrufe derer, die schon damals politische Vernunft einkehren kann und dass mit Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments uns in unserem Land vieles geglückt ist. An zündelten, hat unsere Gesellschaft damals all das erinnert uns dieser Tag, der Tag der überwunden, und ich bin sicher, das werden Bundesversammlung. wir auch heute tun.

36 Seite 34: „Ich danke allen, die mich gewählt haben, für das Vertrauen“ – Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rede nach der Wahl

„Wir brauchen den Mut, zu sagen, was ist, und auch den Mut, zu sa- gen, was nicht ist“ – Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rede

37 Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung

Als hier stand, sah sich das geeinte Deutschland durch den Einsatz auf dem Balkan mit schwierigen außenpoliti- schen Entscheidungen konfrontiert, mit einer neuen Verantwortung in der Welt, die bis Wir brauchen den Mut, einander zuzuhören, heute noch weiter gewachsen ist und die die Bereitschaft, das eigene Interesse nicht wir angenommen haben. absolut zu setzen, das Ringen um Lösungen Meine Damen und Herren, wir haben vieles in einer Demokratie nicht als Schwäche zu miteinander gemeistert, und nicht immer empfinden, die Realität nicht zu leugnen, waren die Zeiten einfach. Der Blick auf die sondern sie verbessern zu wollen. Welt, insbesondere der auf Europa, lehrt uns: Und wir brauchen den Mut, zu bewahren, Auch heute ist eine schwere Zeit, aber sie ist was wir haben. Freiheit und Demokratie in unsere. Wir tragen die Verantwortung. Und einem vereinten Europa, dieses Fundament wenn wir anderen Mut machen wollen, dann wollen, müssen wir miteinander verteidigen. brauchen wir selber welchen. Wir brauchen Es ist nicht unverwundbar; aber ich bin fest den Mut, zu sagen, was ist, und auch den davon überzeugt: Es ist stark. Mut, zu sagen, was nicht ist. Wir müssen den Nein, wir leben nicht auf einer Insel der Anspruch, Fakt und Lüge zu unterscheiden, Seligen. Wir sind Teil einer Welt mit ihren an uns selbst stellen. Das Vertrauen in die Risiken, und Risiken gibt es auch bei uns. eigene Urteilskraft, das ist das stolze Privileg Aber, meine Damen und Herren, kaum eines jeden Bürgers, und sie ist Voraussetzung irgendwo auf der Welt gibt es mehr Chancen für jede Demokratie. als bei uns.

Gratulation des Bundestagspräsiden- ten an Frank-Walter Steinmeier nach dessen Rede

38 Und wer, wenn nicht wir, kann da eigentlich guten Mutes sein! Deshalb, liebe Landsleute, lasst uns mutig sein! Dann jedenfalls ist mir Beifall um die Zukunft nicht bange. Wir singen nun die Nationalhymne. Herzlichen Dank. Nationalhymne – Beifall Langanhaltender Beifall bei der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Meine Damen und Herren, Sie sind nun alle Bundesversammlung – Die weit überwiegende wie die geladenen Gäste zu einem Empfang Mehrheit der Mitglieder der Bundesversamm­ im Paul-Löbe-Haus eingeladen. Damit möchte lung erhebt sich ich einen praktischen Hinweis verbinden: Es wäre ganz schön, wenn diejenigen, die dort am Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert: frühesten eintreffen, nicht gleich am Anfang stehen bleiben und sich das nächste Bier Bevor ich die Bundesversammlung schließe, greifen, sondern die Ersten zügig durchgehen möchte ich allen Mitgliedern der Bundes- Richtung Kanzleramt; die Kanzlerin freut versammlung, aber insbesondere den vorhin sich über jeden Besuch. Das erleichtert dann schon einmal aus gegebenem Anlass erwähn- das Eintreffen. Wir gehen ja alle durch einen ten Schriftführerinnen und Schriftführern, vergleichsweise engen, jedenfalls nicht riesigen aber insbesondere all den Mitarbeiterinnen Gang. Es wäre schön, wenn das Verlassen des und Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung Saals zügig abgewickelt werden könnte. und der Länderparlamente herzlich danken, Ich schließe hiermit die Bundesversammlung. die diesen reibungslosen Ablauf möglich gemacht haben. Beifall

39 40 Gemeinsame Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates anlässlich der Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier Berlin, 22. März 2017 Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert

Ansprache der Präsidentin des Bundesrates, Malu Dreyer

Ansprache des Bundespräsidenten a. D., Joachim Gauck

Eidesleistung des Bundespräsidenten

Ansprache des Bundespräsidenten, Dr. Frank-Walter Steinmeier

Nationalhymne

Programm

42 Bundesratspräsidentin Malu Dreyer, Bundestagspräsident Norbert Lammert, gefolgt von Elke Büdenbender und Bundesprä- sident Frank-Walter Steinmeier, dahinter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Daniela Schadt, Bundespräsident a. D. Joachim Gauck und Bundestagsdirektor Horst Risse

43 Meine Herren Bundespräsidenten! Frau Bundeskanzlerin! Frau Bundesratspräsidentin! Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! Exzellenzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich begrüße Sie alle herzlich zur gemeinsamen Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates. Ich freue mich über die vielen Ehrengäste, darunter frühere Bundespräsi- denten und Parlamentspräsidenten und eine stattliche Anzahl von amtierenden Richtern des Verfassungsgerichts. Meine Damen und Herren, lebten wir noch in feudalen Zeiten, wäre heute Feiertag.

Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert

44 Beifall

Vor genau 130 Jahren, 1887, wurde zum letzten Mal der Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. am 22. März gefeiert, übrigens nicht mit einem Beifall gesetzlich verankerten arbeitsfreien Tag, aber doch mit einem Feiertag mit nationalem Wir leben heute in republikanischen Anspruch, der mit Militärparaden und Festan- und vergleichsweise prosaischen Zeiten, sprachen begangen wurde. Und in den Schulen weswegen ich darauf verzichte, die weiteren wurden Gedichte vorgetragen wie dieses: Strophen dieser Kaiserhuldigung oder meine Begrüßung in Reimform vorzutragen. Nicht Heiterkeit verzichten möchte ich aber darauf, neben den Vertretern der Verfassungsorgane und den Der Kaiser ist ein lieber Mann, zahlreichen Ehrengästen ganz besonders herz- er wohnet in Berlin, lich Daniela Schadt und Elke Büdenbender zu und wär das nicht so weit von hier, begrüßen, so ging ich heut noch hin. Beifall Nun ist uns der Kaiser abhandengekommen, die – um es in gutem Deutsch zu sagen Beifall – ersten Damen unseres Landes, die im angelsächsischen System als First Ladies aber pünktlich zum heutigen Ereignis haben bezeichnet werden. Bundestag und Bundesrat in einer gemeinsa- Sie nehmen ein Amt wahr, das es in unserer men Kraftanstrengung das Wetter organisiert, Verfassungsordnung gar nicht gibt, wohl aber das man früher wohl als Kaiserwetter bezeich- in der politischen und gesellschaftlichen net haben soll. Wirklichkeit. Damit sind vielfältige

45 wünschen Ihnen zusammen mit dem Herrn Bundespräsidenten eine erfolgreiche Amtszeit, in der Sie beide hoffentlich immer wieder auch Freude am eigenen Land und seiner Vertretung nach innen wie nach außen haben mögen. Verpflichtungen, Aufgaben, Erwartungen Dieses Amt – so hat es der erste Bundesprä- und Ansprüche verbunden, für die sie weder sident Theodor Heuss bei seiner Vereidigung kandidiert haben noch gewählt wurden, 1949 zum Ausdruck gebracht – hat den Sinn, aber die sie – meist unauffällig – mit großem „über den Kämpfen, die kommen, die nötig Engagement, Charme und stiller Größe wahr- sind, die ein Stück des politischen Lebens genommen haben oder wahrnehmen werden. darstellen, nun als ausgleichende Kraft Dafür möchte ich Ihnen, Frau Schadt, ganz vorhanden zu sein“. herzlich danken – und ich darf dies heute Unseren Dank und Respekt an Sie, verehrter Morgen ausnahmsweise nicht nur für den Herr Bundespräsident Gauck, verbinden wir Deutschen Bundestag, sondern auch für den mit den besten Wünschen an Ihren Nachfolger, Bundesrat zum Ausdruck bringen, dessen Herrn Bundespräsidenten Steinmeier, in den Präsidentin im Anschluss an meine Begrü- kommenden Jahren bei den unvermeidlichen ßung die Arbeit des scheidenden Bundespräsi- Auseinandersetzungen ebenso kraftvoll wie denten würdigen wird. ausgleichend zu wirken. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Beifall Nun hat die Präsidentin des Bundesrates, Frau Ministerpräsidentin Dreyer, das Wort. Ihnen, Frau Büdenbender, gelten unsere guten Wünsche für die bevorstehenden Jahre. Wir Beifall

46 Seite 45: Bundestagspräsident Norbert Lammert begrüßt alle Anwesenden zur gemeinsamen Sitzung des Bundestages und des Bundesrates

Blick in den Plenarsaal während der gemeinsamen Sitzung des Bundestages und des Bundesrates

47 Sehr geehrte Herren Präsidenten! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Exzellenzen! Meine sehr verehrten Herren und Damen!

Diese Stunde bietet die wunderbare Gelegen- heit, unserem neuen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier die besten Wünsche mit auf den Weg zu geben und unserem scheidenden Präsidenten Joachim Gauck von Herzen Danke zu sagen. Lieber Herr Dr. Steinmeier, lieber Frank-Walter, im Namen des Bundesrates und des Bundes- tages, aber auch persönlich darf ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrer Wahl zum Bundesprä- sidenten gratulieren. Wir freuen uns auf Sie als zwölften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

Beifall

Sehr geehrter, lieber Präsident Gauck, Sie haben in den letzten fünf Jahren mit Ihrer klaren und herzlichen Art das Vertrauen der Menschen in unserem Land, aber auch weit über die Grenzen hinaus gewonnen. Im besten

Ansprache der Präsidentin des Bundesrates, Malu Dreyer

48 Sinne haben Sie gezeigt, was die Kraft des klugen Wortes vermag. Sie haben so dem Amt des Bundespräsidenten im In- und Ausland Umso wichtiger scheint mir deshalb, was Ansehen und Würde verliehen. Dafür gebührt Sie uns, verehrter Präsident Gauck, in Ihrer Ihnen unser aller Dank. großen Europarede ein knappes Jahr später mit auf den Weg gegeben haben: „Europäische Beifall Identität definiert sich nicht durch negative Abgrenzung vom anderen. Europäische Sehr verehrter Herr Präsident Gauck, schon Identität wächst mit dem Miteinander und der als Sie das höchste Staatsamt übernahmen, Überzeugung der Menschen, die sagen: Wir bestimmte das Wort „Krise“ die politische wollen Teil dieser Gemeinschaft sein, weil Agenda und auch das Lebensgefühl vieler wir die gemeinsamen Werte teilen.“ Menschen in unserem Land. Die Folgen Mit Sorge beobachten wir, dass heute auch der Finanzmarktkrise und die enormen in Deutschland populistische Kräfte stark Staatsschulden mehrerer europäischer Länder werden, die einem neuen Nationalismus nährten massive Zweifel am Projekt Europa: das Wort reden, die die Geschichte als Kann die Europäische Union wirklich die Siegergeschichte schreiben wollen und gegen Herausforderungen einer globalisierten Welt alles Fremde hetzen. Aber das wollen die besser bewältigen als ein Nationalstaat allein? Menschen mehrheitlich nicht. Die Wahl in Ihre Antwort, lieber Herr Bundespräsident, den Niederlanden war ein klarer Sieg gegen war eindeutig, als Sie in diesem Hohen Hause Fremdenfeindlichkeit und für Europa. Ihre Antrittsrede hielten. Sie sagten: „Wir wollen mehr Europa wagen.“ Damals Beifall haben wir uns wohl alle noch nicht vorstellen können, wie sehr ein freies, ein solidarisches Sie, verehrter Herr Gauck, haben populistischen Europa tatsächlich unter Druck geraten würde. Hass stets einen „Ansporn“ genannt, noch Heute erinnern wir in besonderer Weise an die entschiedener für die demokratische Freiheit Opfer der Terroranschläge in Brüssel, die vor einzutreten. Diese Leidenschaft für die Freiheit, genau einem Jahr durch Selbstmordattentäter sie entspringt Ihrer Erfahrung von massivem des „Islamischen Staates“ getötet wurden. Unrecht, von Unfreiheit und Enge, die Sie in Wir sind als Europäer gefordert, alles zu der DDR erlebt haben. Daraus haben Sie den unternehmen, um Terror und Gewalt zu Trotz eines evangelischen Pastors entwickelt, verhindern und unsere Werte zu verteidigen. der als Bürgerrechtler in der Friedlichen

Bundesratspräsidentin Malu Dreyer dankt dem scheidenden Bundesprä- sidenten Joachim Gauck und über- mittelt dem neuen Bundespräsiden- ten Frank-Walter Steinmeier beste Wünsche für seine Amtszeit

49 Revolution die Menschen geradezu begeistert hat. Sie waren Abgeordneter der ersten frei forderten, die Bundesrepublik solle sich in gewählten Volkskammer der DDR und mit der internationalen Konflikten, vor allem bei der Wiedervereinigung Mitglied des Deutschen Krisenprävention, „früher, entschiedener und Bundestages – und haben als Beauftragter der substanzieller einbringen“. Wenn Sie so die Stasi-Unterlagen-Behörde wesentlich dazu Macht des Wortes nutzten, haben nicht alle beigetragen, die Gewalt des DDR-Staates aufzu- Beifall geklatscht. Für Sie aber ist das offene decken. Mit all Ihrer Kraft kämpfen Sie gegen Wort Ausdruck der Überzeugung, dass Frei- Vergessen und für Demokratie. heit immer auch Verpflichtung bedeutet.

Beifall Beifall

Es bleibt das Besondere Ihrer Präsidentschaft, „Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verant- dass wir mit Ihnen noch einmal das Geschenk wortung.“ – Dieser Satz, so wünschen Sie sich, der deutschen Einigung, die große Bedeutung möge mit Ihnen verbunden bleiben. freier Wahlen und den Geschmack von Frei- Verantwortung zu übernehmen, ist besonders heit erleben durften, ja, dass wir selbst noch wichtig, wenn es keine vorgezeichneten Wege einmal staunen durften über das „Wunder der gibt. Vieles ist derzeit im Umbruch. Sie haben Demokratie“. Sie haben das kostbare Gefühl mit Blick auf die digitale Revolution sogar von Befreiung mit uns geteilt – und mit Ihrer von einem „Epochenwechsel“ gesprochen. Im Begeisterung auch uns bewegt. Wir brauchen Umbruch ist auch unsere Gesellschaft, die sehr diese demokratische Leidenschaft. Der Wert viel pluraler geworden ist. Sie haben uns dazu der Freiheit darf nicht durch Gewöhnung aufgefordert, diese Vielfalt als Reichtum zu verkümmern. Wir dürfen die Kraft der Emotio- begreifen. Hartnäckig und charmant werben Sie nen nicht denen überlassen, die unsere offene für ein gutes Miteinander – ohne zu verschwei- Gesellschaft bekämpfen. gen, dass Vielfalt auch anstrengend ist. In Ihrer Abschiedsrede haben Sie zudem Beifall darauf hingewiesen, dass die entscheidende Trennlinie in unserer Demokratie nicht Sehr geehrter Herr Präsident Gauck, auch zwischen Alteingesessenen und Neubürgern im höchsten Amt des Staates haben Sie oder zwischen Christen, Muslimen, Juden Schwieriges offen ausgesprochen und damit und Atheisten verläuft, sondern zwischen eben auch Debatten angestoßen, etwa als Sie Demokraten und Nichtdemokraten.

50 Beifall und Demokratie unseren Verstand und unsere Herzen erobert. Meine Herren und Damen, wir müssen also alles tun, um unsere Demokratie stark zu Beifall machen. Mit unserer föderalen Ordnung haben wir alle Chancen dazu. Unser föderaler Ich danke Ihnen für Ihren herausragenden Staat achtet die Verschiedenheit der Lebens- Dienst an der Bundesrepublik Deutschland. verhältnisse, ohne ihre Gleichwertigkeit aus dem Blick zu verlieren: Menschen in Langanhaltender Beifall – Die Anwesenden Berlin-Kreuzberg beschäftigt ja manchmal erheben sich anderes als Menschen in der Eifel. Und die See in Rostock prägt das Gemüt anders als Auch wenn der Bundestagspräsident Ihnen die Berge in Bayern oder die Weinberge in schon gedankt hat, möchte auch ich in diesen Rheinland-Pfalz. – Wir sind verschieden, Dank Sie, liebe, sehr verehrte Frau Schadt, aber wir gehören zusammen. Wir gehören ausdrücklich einschließen. Sie waren die zusammen, und wir stehen zusammen. Das starke Frau an der Seite unseres Bundesprä- haben Sie, lieber Herr Präsident Gauck, in den sidenten. Und Sie selbst haben die Menschen vergangenen Jahren immer wieder betont. auf Ihre warmherzige Art angesprochen und Ich möchte das bekräftigen: Zusammen sind stark gemacht. wir Deutschland. Beifall Beifall Unabgesprochen hatten der Bundestagspräsi- Sehr verehrter Herr Präsident Gauck, mit dem dent und ich den gleichen Gedanken: Auch Klima der See kennen Sie sich bestens aus. wenn unsere Verfassung das Amt noch nicht Den scharfen Gegenwind von Machthabern kennt – Sie waren in den vergangenen fünf haben Sie in der DDR mehr als einmal Jahren unsere kluge und gewinnende First gespürt. Und als elfter Bundespräsident der Lady. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich. Bundesrepublik Deutschland mussten Sie so manches Mal gegen ein Klima der Perspek- Beifall tivlosigkeit ankämpfen. Das ist Ihnen ohne Zweifel gelungen. Ich glaube, ich darf sagen: Lieber Herr Bundespräsident Steinmeier, Ihr Sie haben mit Ihrer Leidenschaft für Freiheit Vorgänger hat davon gesprochen, dass die

51 Zeiten rau sind und dass unser vereinigtes Deutschland auch international größere Verantwortung übernehmen muss. Es ist ein und die Zuversicht vermitteln, dass wir Glücksfall, dass mit Ihnen ein Präsident ins unsere Aufgaben meistern können. Sie werden Amt kommt, der Deutschland auch aus dem das zusammen mit Ihrer Frau tun. Liebe Frau Blickwinkel anderer Nationen kennengelernt Büdenbender, liebe Elke, Sie stellen dafür hat und der dabei gezeigt hat, dass man selbst Ihren Beruf hintan. Ich danke Ihnen beiden in schwierigsten Konflikten wie im Iran oder dafür, dass Sie sich so in den Dienst unseres in der Ukraine mit Beharrlichkeit und großer Landes stellen. Geduld etwas für die Menschen erreichen kann. In den letzten Wochen haben Sie immer Beifall wieder leidenschaftlich daran erinnert, wie wenig selbstverständlich ist, was wir hier Meine Herren und Damen, in den nächsten in unserem Rechtsstaat selbstverständlich Jahren sind wir in besonderem Maße aufgeru- genießen: der Schutz des Lebens, die gleiche fen, für unsere offene Demokratie einzutreten, Würde aller Menschen, Meinungs- und damit auch unsere Kinder und Enkel in einem Gewissensfreiheit, eine freie Presse, soziale Deutschland des guten Miteinanders und Sicherheit. Sie lenken damit unseren Blick in einem freien, solidarischen Europa leben auf die Möglichkeiten, die Deutschland bietet. können. Demokratie verträgt in Ihren Augen keine Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Präsident Resignation. Sie braucht entschlossene Demo- Steinmeier, für Ihr neues Amt zusammen mit kraten und Demokratinnen, die sich engagie- Ihrer Frau alles erdenklich Gute, ren und die sich auch dann nicht aufs Glatteis führen lassen, wenn gefühlte Wahrheiten an Beifall die Stelle überprüfter Fakten treten. viel Kraft und allzeit eine glückliche Hand. Beifall Lassen Sie uns gemeinsam für Einigkeit und Recht und Freiheit streiten. Lieber Präsident Steinmeier, lieber Frank- Vielen Dank. Walter, ich bin sicher: Sie treffen den Nerv der Zeit, wenn Sie den Menschen Mut machen Beifall

52 Blick in den Plenarsaal während der Rede von Bundesratspräsidentin Malu Dreyer

53 Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesver- fassungsgerichtes! Sehr verehrte Abgeordnete! Verehrte Damen und Herren!

Es ist nun fünf Jahre her, dass ich hier stand, schon einmal vor Bundestag und Bundesrat. Damals als Bundespräsident durfte ich jenen Eid leisten, den gleich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hier ablegen wird. Heute darf ich noch einmal zu Ihnen spre- chen; ich tue es diesmal als Bürger.

Ansprache des Bundespräsidenten a. D., Joachim Gauck

54 Als Erstes muss ich gestehen: Diese fünf Jahre als Bundespräsident, sie sind wie im Flug vergangen. Aber sie sind weitgehend anders verlaufen, als ich es mir vorgestellt habe. Doch gestatten Sie mir heute, nicht die Sorgen Einmal mehr hat sich bestätigt: Geschichte ist und Ängste in den Mittelpunkt zu stellen. nicht vorgezeichnet, sie ist auch nicht vorher- Vielmehr möchte ich Sie alle teilhaben lassen sehbar. Sie ist voller Überraschungen – im an Eindrücken und Erfahrungen aus meiner Guten, aber leider auch im Bösen. Zeit als Bundespräsident, die mein Verhältnis Ordnungen, die nahezu unverrückbar erschie- zu diesem Land verändert haben, Eindrücke nen, sie haben Risse bekommen oder lösen und Erfahrungen, die in mir das Gefühl sich manchmal sogar auf; Landesgrenzen großer Dankbarkeit ausgelöst haben. Bei gar werden nicht mehr von allen respektiert, den Auslandsreisen konnte ich, ähnlich wie internationale Verträge, internationale Bünd- Frank-Walter Steinmeier es schon beschrieben nisse und demokratische Spielregeln nicht hat, unser Land mit den Augen von Fremden mehr von allen beachtet. An den Rändern erblicken und es so neu schätzen lernen. Europas herrschen kriegerische Aktivitäten. Eine beglückende Erfahrung wurde dadurch Die demokratische Ordnung, einst Sehn- bestärkt: Viele Länder orientieren sich bei suchtsziel vieler Länder Europas und in der ihrem gesellschaftlichen Wandel an unserem Welt, sie hat für manche ihre Attraktivität Modell des Rechtsstaates, an unserer demo- verloren. Nationalistisches, autoritäres und kratischen Praxis mit dem umstandslosen fundamentalistisches Denken hingegen hat an und friedlichen Wechsel von Regierungen, Boden gewonnen. Demokratie und Freiheit nicht zuletzt auch an unserem Sozialstaat sehen sich von innen wie von außen unter- und unserer Sozialpartnerschaft mit ihren schiedlich starken Gegenkräften ausgesetzt. ausgleichenden Wirkungen auf die ganze All dies hat viele verstört und auch erschreckt Gesellschaft. Viele Länder schätzen Deutsch- und zu überraschenden Veränderungen in land auch als verlässlichen Bündnispartner der politischen Landschaft einzelner Länder und als Stabilitätsanker in einer Welt der geführt. Unwägbarkeiten. Länder mit eigener

„Frieden und Demokratie können gelingen, weil wir sie wollen“ – Bundespräsident a. D. Joachim Gauck bei seiner Rede

55 Beifall

Meine Damen und Herren, mögen sich viele zu Recht über das einstige Wirtschaftswunder und den wirtschaftlichen Aufschwung unseres Landes, der ja immer noch anhält, beständig freuen und sich dafür begeistern, für mich gibt es eine noch größere Leistung der alten und Diktaturerfahrung orientieren sich auch an neuen Bundesrepublik: Es ist das beglückende Deutschlands selbstkritischem Umgang mit Demokratiewunder, das unser Land bis heute seiner Vergangenheit, am Umgang mit Schuld prägt. und Versagen. Ich habe oftmals, und zwar auf eine außeror- Beifall dentlich berührende Weise erlebt, wie Überle- bende oder deren Kinder, Enkel und Urenkel Die dunklen Schatten der Vergangenheit es wissen und spüren: Das Deutschland von begleiten uns noch, aber sie dürfen auch heute verurteilt und verfolgt Naziungeist und die Erfahrungen und Prägungen der letzten -methoden wie kaum ein anderes Land. An Jahrzehnte nicht überdecken, Erfahrungen den Stätten des einstigen Grauens, etwa im und Prägungen, die bestimmt wurden durch französischen Oradour-sur-Glane, im griechi- Teilhabe am normativen Projekt des Westens. schen Lingiades, im italienischen Sant’Anna Wir haben allen Grund, das Erreichte mit di Stazzema, im tschechischen Lidice, sind Freude und Dankbarkeit anzuschauen. Welch mir Menschen daher im Geist der Versöhnung andere Ordnung hat den Menschen ähnlich und sogar mit Freundschaft begegnet. Ja, viel Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und ehemalige Opfer haben Vertrauen zu Deutsch- Frieden gebracht? Welch andere Ordnung hat land entwickelt, und Migranten wählen auch nur annähernd so erfolgreiche Wege zu Deutschland als neue Heimat, darunter Korrekturen gefunden, Korrekturen, die nicht Abertausende von Juden aus der ehemaligen durch Gewalt oder Bürgerkrieg, sondern durch Sowjetunion. Für einen, der im Krieg geboren Dialog und Gewaltlosigkeit erzielt wurden? ist, ist dies eine unglaubliche und wunderbare Nach meiner fünfjährigen Amtszeit ist Erfahrung und Grund zu tiefer Dankbarkeit. mir noch mehr als zuvor bewusst: Unsere

Applaus von der Regierungsbank für den scheidenden Bundespräsi- denten

56 Weil das Bewusstsein von Bedrohungen Gesellschaft hat ein zunehmend reflektiertes wächst, wächst eben auch das Rettende. Wir Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein Bürger werden gerade wieder wacher, und gewonnen; sie hat sich damit selbst beschenkt. wir packen mehr an. Viele von uns lernen Denn Vertrauen und Zutrauen zu sich selbst wieder – und einige neu –: Frieden und geben Kraft und eröffnen Zukunft. Wir Demokratie können gelingen, weil wir sie dürfen die sein, die sich mehr Verantwortung wollen. Deshalb! zutrauen – in Deutschland, in Europa und in der Welt. Beifall

Beifall Meine Damen und Herren, diese Kraft, diesen Optimismus, diese Zukunftszugewandtheit Schauen wir uns gegenwärtig um: Trotz einer starken Zivilgesellschaft spüren zu der Verunsicherung in letzter Zeit sind die dürfen, das war eine der beglückendsten und meisten Bürger nicht in Verzagtheit verfallen, eine mich stärkende Erfahrung dieser Präsi- haben sich nicht ins Private abgesetzt oder dentschaft. Ich bin zutiefst dankbar dafür. sind gar in Wut und Hass verfallen. Ich habe Vor mir sehe ich sie, die Bürger, die sich in den Jahren meiner Präsidentschaft unzäh- den neuen Entwicklungen in Gegenwart lige Arbeiter und Angestellte, Unternehmer und Zukunft wirklich stellen und den und Wissenschaftler, Schüler, Eingewanderte, Vereinfachern und Verführern mit der Kraft Tausende von Ehrenamtlichen in den der Vernunft begegnen. Sie widerstehen verschiedensten Landesteilen gesprochen. Ich dem traditionellen politischen Extremismus, habe dabei die Gewissheit gewonnen: Diese verschließen aber auch die Augen nicht vor Bürger verschließen nicht die Augen vor den neuem Populismus und auch nicht vor der großen Problemen unserer Zeit. Das Erstarken Demokratieferne, dem Nationalismus oder antidemokratischer Kräfte wird von ihnen dem Islamismus unter Teilen unserer Einwan- oftmals sogar als ein Weckruf empfunden. derer. Sie unterstützen den Dialog mit unseren

57 engeren und weiteren Nachbarn, wollen aber auch nicht hilflos werden gegen Destabilisie- rungsversuche von außen, egal ob sie durch offene Provokationen oder anonyme Cyber- noch einmal an und denke an die kommenden attacken erfolgen. Demokraten wissen: Freiheit Wahlkämpfe. Schenken Sie denen, die mit ist notfalls auch dadurch zu verteidigen, Ressentiments und Hass auf die Straßen strö- dass sie für die Feinde der Freiheit begrenzt men, nicht Ihre Furcht, und fürchten Sie sich wird. Unsere Gesellschaft hat dabei beständig nicht vor den bösen Zwergen und Trollen, die abzuwägen. Freiheiten dürfen zwar niemals im Internet Hass und Niedertracht erzeugen! vorschnell zur Abwehr von Bedrohungen geopfert werden; sie dürfen aber auch nicht Beifall zu lange dem Missbrauch überlassen bleiben. Sie sollen sich auch nicht fürchten vor den Beifall Scheinriesen, die draußen, in der erweiterten politischen Welt, herumspringen und um Manchmal führt das in ein Dilemma; das ist Aufmerksamkeit buhlen. mir wohl bewusst. Einfache Lösungen stehen eben oftmals nicht zur Verfügung. Aber ich Beifall habe die Zuversicht – auch unter den neuen Bedingungen und angesichts neuer Bedro- Politik, meine Damen und Herren, hat in der hungen –: Unsere Demokratie ist und bleibt Vergangenheit der Bundesrepublik gerade wehrhaft. dann Erfolg gezeigt, wenn sie Kontroversen Vor mir sehe ich Politiker wie Sie, auf die in nicht scheute, wenn sie innovativ und unter Gegenwart und Zukunft besondere Verantwor- Umständen so weitsichtig war, dass sie in tung zukommt. Es gilt, große Fragen zu klären, einigen Fällen nicht auf Mehrheiten in der Fragen, die sich in einem Geist der Furcht Bevölkerung zählen konnte. Wir brauchen vor der Problemfülle oder der Furcht vor den offene und erhellende Debatten, und das Wählern nicht lösen lassen. Ich schaue Sie Parlament ist ein guter Ort dafür.

„Wir brauchen offene und erhellende Debatten, und das Parlament ist ein guter Ort dafür“ – Blick auf die Pressetribüne und in den Plenarsaal während der Rede von Bundesprä- sident a. D. Joachim Gauck

58 Beifall

Beifall Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich auch allen Menschen danken, Wir brauchen, hier wie draußen, überall die mir Vertrauen geschenkt und mich als Menschen, die sich immer wieder selbst Bundespräsidenten auf verschiedene Weise ermächtigen, um unser Zusammenleben zu unterstützt haben. Dankbar bin ich für die stärken und zu verbessern. Wir brauchen eine fruchtbare und faire Zusammenarbeit mit den Bürgergesellschaft, die gerade in der heutigen anderen Verfassungsorganen, dem Bundestag, Zeit Einheimische und Eingewanderte im dem Bundesrat, dem Bundesverfassungsge- Streben nach dem demokratischen Rechtsstaat richt, der Bundesregierung, und insbesondere vereint. Denn ich weiß: Es sind wir, die auch Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Merkel. einheimischen und die eingewanderten Mein Dank gilt ferner all den Menschen im Bürger, die mit der Demokratie und der Land, die mich zu Beginn ermutigt haben, die Freiheit in unserem Lande viel zu verteidigen Präsidentschaft anzutreten, und die mich mit haben. Wir wollen nicht Hass, sondern Dialog, einem hohen Maß an Zustimmung begleitet nicht Ausgrenzung, sondern Einbindung und haben. Mitwirkung aller. Das gilt ganz besonders für einen Menschen, von dem heute schon gelegentlich die Rede Beifall war: für die Frau, die sich entschloss, sich von ihrem Beruf zu verabschieden und Ich will es ruhig mit dem diesem Anlass ange- an meiner Seite das Amt zu stärken. Ihre messenen Pathos sagen: Wir wollen, dass sich Offenheit, ihre Neugier, ihre Klugheit und all diese unterschiedlichen Menschen, die vor allem ihre Menschenfreundlichkeit hier leben, engagieren für das Land, in dem haben diese Präsidentschaft mitgeprägt und wir gemeinsam leben: für unser Deutschland. mitgetragen.

59 Daniela, zusammen mit vielen anderen Menschen, aber auf meine ganz persönliche Weise sage ich dir hier vor dieser Öffentlich- keit von Herzen: Danke! Unzählige Menschen in unserem Land sind Ihnen dafür dankbar. Beifall Sie haben den Bürgern im Land nach Ihrer Wahl vor allem Mut zugesprochen. Nun Das letzte Wort aber gilt Ihnen, Herr Bundes- möchte ich es sein, der Ihnen Mut zuspricht, präsident Frank-Walter Steinmeier. Lieber Mut, aber auch Geduld, Freude und Schaffens- Herr Bundespräsident, wir wissen es alle: kraft. Gottvertrauen schadet dabei nicht, und Sie treten Ihr Amt in schwierigen Zeiten an. Zutrauen zu den Menschen wird zum Segen Aber Sie haben diesem Land schon lange für das Land. auf vielfältige Weise gedient. Sie sind dabei Schwierigkeiten nicht ausgewichen, sondern Anhaltender Beifall – Die Anwesenden sind ihnen immer entschlossen begegnet. erheben sich

60 “... zum Schluss möchte ich auch allen Menschen danken, die mir Vertrauen geschenkt und mich als Bundespräsidenten auf verschiede- ne Weise unterstützt haben” – Bundespräsident a. D. Joachim Gauck bei seiner Abschiedsrede

61 Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Herr Gauck!

Im Respekt vor Ihrer Leistung haben sich die Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates wie die Mitglieder der Bundesversammlung am 12. Februar 2017 von ihren Plätzen erhoben. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, was ich heute für den Bundestag wie für den Bundesrat vor der deutschen Öffentlichkeit ausdrücklich bekräftigen möchte: Joachim Gauck hat sich um unser Land verdient gemacht.

Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier

62 Beifall

Meine Damen und Herren, am 12. Februar mehren, Schaden von ihm wenden, das Grund- dieses Jahres hat die Bundesversammlung gesetz und die Gesetze des Bundes wahren Herrn Dr. Frank-Walter Steinmeier zum und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft Bundespräsidenten der Bundesrepublik erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann Deutschland gewählt. Herr Dr. Frank-Walter üben werde. So wahr mir Gott helfe. Steinmeier hat vor der Bundesversammlung die Wahl angenommen und das Amt des Bundestagspräsident Bundespräsidenten am vergangenen Sonntag, Prof. Dr. Norbert Lammert: dem 19. März 2017, angetreten. Nach Artikel 56 des Grundgesetzes leistet Herr Bundespräsident, Sie haben den vorge- der Bundespräsident bei seinem Amtsantritt sehenen Eid geleistet. Ich gratuliere Ihnen vor den versammelten Mitgliedern des im Namen des Deutschen Bundestages, des Bundestages und des Bundesrates den Bundesrates und des deutschen Volkes herzlich vorgeschriebenen Eid. Ich bitte Sie, Herr und wünsche Ihnen für Ihre Amtszeit Gottes Bundespräsident, zu mir zu kommen, um den Segen und viel Erfolg. Eid zu leisten. Dazu bitten möchte ich auch die Frau Präsidentin des Bundesrates. Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier: Die Anwesenden erheben sich Vielen Dank, Herr Bundestagspräsident. Herr Bundespräsident, ich halte in meinen Händen die Urschrift des Grundgesetzes und Anhaltender Beifall darf Sie bitten, den in der Verfassung vorgese- henen Eid zu leisten. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert: Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier: Niemand, Herr Bundespräsident, wäre überrascht, wenn Sie nun auch etwas zu Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle uns sagten. Jedenfalls möchte ich Sie dazu des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen ausdrücklich einladen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier leistet den Amtseid

63 Herr Präsident des Deutschen Bundestages! Verehrte Mitglieder von Bundestag und Bundesrat! Verehrte Gäste aus dem In- und Ausland! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor allem aber: Lieber Joachim Gauck!

Ich glaube, Sie selbst haben das ja in den vergangenen Tagen gespürt: diese Welle von Sympathie, die Sie getragen hat, bei Ihren Abschiedsreisen, bei Ihren Auftritten überall. Und Ihre gerade verklungenen Abschieds- worte haben es den Deutschen noch einmal eindrucksvoll vor Augen geführt: Sie haben das Amt des Bundespräsidenten tief geprägt und darüber unserem ganzen Land einen republika- nischen, einen aufgeklärten Stolz vermittelt.

Ansprache des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier

64 Wenn nicht jeder wüsste, wofür der Bundes- präsident kraft unserer Verfassung steht – Sie haben es in Ihrer Amtsführung gezeigt, mit Klugheit, mit Charme. Sie haben die im Augenblick allen so – ganz besonders in Einheit des Staates verkörpert und befördert die Türkei! Viel steht auf dem Spiel für die einschließlich all dessen – Sie haben es eben Türkei, aber auch für das Verhältnis der Türkei noch einmal gesagt –, wofür unser Gemeinwe- zu uns. Wir versuchen, uns unser Urteil nicht sen steht und weltweit geachtet wird: Freiheit allzu einfach zu machen: Wer die Türkei vor und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und 30 Jahren oder mehr bereist hat, kam in ein Menschenrechte. rückständiges Land. Die Menschen waren arm, Lieber Herr Gauck, bei Ihrer Wahl vor fünf Millionen verließen ihre Heimat auf der Suche Jahren haben Sie hier in diesen Plenarsaal nach Arbeit in ganz Europa. Heute ist die gerufen: „Was für ein schöner Sonntag!“ Mit Türkei ein anderes Land. Sie hat eine Phase Blick auf all das, was Sie gemeinsam mit von wirtschaftlichem Aufbau und Reformen Daniela Schadt für unser Land getan haben, erlebt und – ich glaube, niemand wird das darf ich heute zu Ihrem Abschied auch sagen: leugnen – zwischendurch auch eine Periode Was für ein wehmütiger Mittwoch! – Wir alle der Annäherung an Europa. All das haben wollen Ihnen beiden heute von Herzen noch wir Deutsche gewürdigt und unterstützt. Dem einmal danken, und diese Dankbarkeit bleibt. Weg, den die Türkei in zwei Jahrzehnten nahm, fühlten wir uns sogar besonders Beifall verbunden – auch wegen der vielen Menschen türkischer Abstammung, die in Deutschland Aber nicht nur die Dankbarkeit bleibt. Frei- leben, arbeiten und hier zu Hause sind. heit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte Und weil das alles so ist, meine Damen und verteidigen – auch die Aufgabe bleibt, umso Herren, schauen wir auf die Türkei von heute mehr in einer Zeit, in der alte Gewissheiten nicht mit Hochmut und Besserwisserei. ganz offenbar ins Wanken geraten. Viele Wir wissen um die Lage der Türkei in fragen: Wie fest sind die Fundamente der Nachbarschaft der großen Krisenregionen Irak Demokratie? Hat der Westen als Modell eine und Syrien. Wir verurteilen den versuchten Zukunft? Wohin treibt Europa? Militärputsch im vergangenen Sommer. Aber: Unser Blick geht zu den Wahlen in Frank- Unser Blick ist von Sorge geprägt, dass all reich, nach Russland, in die USA, aber in das, was über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut diesen Tagen – und ich glaube, das geht uns worden ist, gewachsen ist, zerfällt.

65 Diese Sorge ist es, die meinen Appell leitet: Präsident Erdogan, gefährden Sie nicht das, was Sie mit anderen selbst aufgebaut haben! Glaubwürdige Signale der Entspannung sind Wir leben nicht auf einer Insel! Die weltweiten willkommen. Aber: Beenden Sie die unsägli- Trends wirken auch bei uns. Ich glaube, auch chen Nazivergleiche! Zerschneiden Sie nicht unsere eigene Geschichte, insbesondere die das Band zu denen, die wie wir Partnerschaft des 20. Jahrhunderts, hat uns nicht wirklich mit der Türkei wollen! Respektieren Sie den immunisiert. Die Geschichte der Weimarer Rechtsstaat, die Freiheit von Demokratie – deren 100. Jubiläum wir im Medien und Journalisten! Und: Geben Sie nächsten Jahr begehen – zeigt doch, dass Deniz Yücel frei! die Demokratie weder selbstverständlich ist noch mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet Beifall ist, dass sie, einmal errungen, auch wieder verloren gehen kann, wenn wir uns nicht um Aber, meine Damen und Herren, machen wir sie kümmern. es uns – auch mit Blick auf unseren eigenen „Die liberale Demokratie steht unter Beschuss“, Kontinent – nicht zu einfach! Die Anfechtung so hat es Joachim Gauck in seiner Abschieds- der freiheitlichen Demokratie findet nicht nur rede ausgedrückt. Ja, sie steht unter lautem bei anderen statt – weit westlich und östlich Beschuss von Radikalismus und Terrorismus, der europäischen Grenzen. Die Wahrheit ist vom Machthunger der Autokraten, die – rund doch: Eine neue Faszination des Autoritären um die Welt – einer freien Zivilgesellschaft ist inzwischen tief nach Europa eingedrungen. die Luft zum Atmen rauben. So sehr ich mich freue über die niederlän- Aber es gibt auch das andere, die schleichende dischen Nachbarn, so sehr ich mich darüber Erosion von innen: durch Gleichgültigkeit, freue, dass die Niederländer den Angriff auf Trägheit und Teilnahmslosigkeit oder, wie ihre demokratischen Traditionen in der Wahl- Präsident Lammert es in der Bundesversamm- kabine zurückgeschlagen haben: Ich finde, für lung gesagt hat, die Anfechtung durch jene, übergroße Gelassenheit besteht kein Anlass. die Parlamente und demokratische Institutio- Geht uns das was an in Deutschland? Ich nen nicht mehr als Ort für politische Lösungen denke: ja. Wir können uns nicht zurückleh- sehen wollen, sondern als Zeitverschwendung nen, uns gegenseitig auf die Schulter klopfen diskreditieren – und das politische Personal und Noten für andere verteilen. gleich mit.

66 Seite 65: „Mut ist das Lebenselixier der Demokratie“ – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht im Plenum

Blick ins Plenum während der gemeinsamen Sitzung des Bundes- tages und des Bundesrates

67 überwältigend ungewiss. Diese Offenheit, die bei den einen Hoffnung auslöst, jagt anderen Populisten erhitzen die öffentliche Debatte Angst ein. „Wer von Angst getrieben ist, durch ein Feuerwerk von Feindbildern, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das laden zum Kampf ein gegen das sogenannte Wirkliche und verpasst das Mögliche“, so hat Establishment und verheißen eine blühende Heinz Bude geschrieben. Zukunft nach dessen Niedergang. Ich glaube auch: Der Ängstliche ist anfällig für Es gibt – das ist meine Sicht – in Deutschland die Lockrufe jener, die immer mit ganz einfa- keinen Grund für Alarmismus, das nicht. Aber chen Antworten zur Stelle sind. Mir scheint: ich sage mit Blick auf das, was sich da am Das Angebot an einfachen Antworten steigt Horizont auftut, mit ganz großer Ernsthaftig- im Wochenrhythmus. Dabei könnten wir doch keit, meine Damen und Herren: Wir müssen eigentlich wissen: Die einfachen Antworten über Demokratie nicht nur reden – wir müssen sind in der Regel keine Antworten. Wer soll wieder lernen, für sie zu streiten! Darum geht es. denn glauben, dass in einer Welt, die kompli- zierter geworden ist, die Antworten einfacher Beifall werden? Wer soll denn glauben, dass nach dem blutigen 20. Jahrhundert und den Lehren Nun ist Streiten für Demokratie nicht Sache aus zwei Weltkriegen ausgerechnet die alten der Politik allein. Aber Politik muss verstehen, Muster von Abschottung und nationaler dass die Zeiten besondere sind; Zeiten, in Eiferei die Welt friedlicher machen? denen alte Gewissheiten verschwunden und Die neue Faszination des Autoritären, auch – jedenfalls bislang – neue nicht an ihre Stelle die in Teilen Europas, ist nach meiner getreten sind; Zeiten, in denen internationale Überzeugung am Ende nichts anderes als die Konflikte Sorge um den Frieden und auch um Flucht in die Vergangenheit aus Angst vor die Sicherheit im eigenen Lande auslösen; der Zukunft. Ich finde, das kann und das darf Zeiten, in denen Eltern sich fragen, ob es ihren nicht unser Weg in diesem Land, in Deutsch- Kindern noch genauso gut gehen wird wie land, sein. ihnen selbst. Wir leben in Zeiten des Übergangs. Wie die Beifall Zukunft wird, darauf gibt es nicht nur eine Antwort. Da ist Zukunft nicht „alternativlos“. Ich kenne Weltregionen, in denen die Zukunft Im Gegenteil: Die Zukunft ist offen, und sie ist weit weniger gewiss ist als bei uns. Ich denke

„Demokratie ist die einzige Staats- form, die Fehler erlaubt, weil die Korrekturfähigkeit mit eingebaut ist“ – Blick ins Plenum während der Ansprache von Bundespräsi- dent Frank-Walter Steinmeier

68 Zukunft ist kein Schicksal, dem Gesell- schaften ausgeliefert sind – erst recht nicht die demokratischen. Wer, wenn nicht wir Deutsche, kann davon ein glückliches Zeugnis geben? Wer, wenn nicht wir, hat erfahren, dass an meine letzte Begegnung mit Shimon Peres nach zwei Weltkriegen Frieden werden kann vor seinem Tod im vergangenen Jahr. Wir beide und nach Jahren der Teilung Versöhnung? waren unterwegs zu einem Besuch der Hebrä- Wer, wenn nicht wir, hat erfahren, dass nach ischen Universität in Jerusalem – für mich bis der Raserei der Ideologien so etwas einkehren heute ein ganz und gar unvergesslicher Tag! kann wie politische Vernunft? Dort in der Nachmittagssonne unter freiem Es ist nicht alles gut in unserem Land, Himmel auf dem Skopusberg waren wir zu aber vieles ist bei uns geglückt, und das Gast, als die stolzen Absolventinnen und miteinander. Deshalb haben wir allen Grund, Absolventen der Universität ihre Zeugnisse zuallererst zu sagen: Lasst uns bewahren, was bekamen. Nach der Veranstaltung standen gelungen ist in diesem Land, meine Damen wir mit einer kleinen Gruppe von Studenten und Herren! zusammen und diskutierten. In dieser Gruppe gab es eine junge Frau, die fragte: „Verehrter Beifall Shimon Peres, was wird uns die Zukunft bringen?“ Statt einer langen Antwort hat Aber natürlich – Sie ahnen es –: Bewahren Shimon Peres ihr eine Geschichte erzählt. wird nicht genügen. Wir machen doch alle die „Die Zukunft“, sagte Peres, „ist wie ein Erfahrung: Das gerade Erreichte bleibt immer Kampf zweier Wölfe. Der eine ist das Böse, hinter dem Besseren zurück und immer weit ist Gewalt, Furcht und Unterdrückung. Der weg von dem Erträumten. Haben wir Probleme andere ist das Gute, ist Frieden, Hoffnung gelöst, stellen sich bald die nächsten, oder – und Gerechtigkeit.“ Die junge Frau hörte auch das erfahren wir – die alten Probleme zu, schaute fasziniert und fragte dann ganz stellen sich in neuem Gewand. Das mag den gespannt zurück: „Und? Wer gewinnt?“ Peres einen oder anderen frustrieren. Aber wir lächelte und sagte: „Der, den du fütterst.“ wissen: Das Gebäude der Demokratie ist eben Du hast es in der Hand! Wir haben es in der nie ganz vollständig errichtet. Demokratie Hand! Das war seine Botschaft an die jungen ist Herrschaft auf Zeit und liefert auch nur Leute. Und er hat eigentlich recht damit: Lösungen auf Zeit.

69 Eine kluge Frau, eine ehemalige Kollegin aus Indien, hat mir in einem Gespräch darüber einmal den tröstenden Rat gegeben: In der Rechtschreibung der Politik gibt es keinen Punkt, sondern immer nur das Komma. – Die Frage ist: Muss uns das eigentlich frustrieren, oder ist das nicht eigentlich die Stärke von Demokratie? Demokratie ist die einzige Staats- Nur in der Demokratie kriegen wir das hin. form, die Fehler erlaubt, weil die Korrektur- Das ist ihre Stärke, und deshalb brauchen wir fähigkeit mit eingebaut ist. Die Stärke von sie, meine Damen und Herren. Demokratien liegt nach meiner Überzeugung nicht in ihrem Sendungsbewusstsein, sondern Beifall in ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Selbstverbesserung. Defizite benennen, um Lösungen ringen – das ist anstrengend. Demokratie ist eine anstren- Beifall gende Staatsform, und sie ist zugleich ein Wagnis: Wir trauen einander zu, uns selbst Wo denn sonst als in der Demokratie können zu regieren. Herrschaft aus dem Volk, durch so unterschiedliche Interessen von Alt und das Volk und für das Volk – so hat es uns ein Jung, Stadt und Land, Wirtschaft und Umwelt großer amerikanischer Präsident gelehrt, ein friedlich zum Ausgleich gebracht werden? Republikaner übrigens. Das mag dem einen Wo denn sonst als in der Demokratie begegnen oder anderen zu idealistisch klingen, und es sich Bürger unabhängig von ihrer Herkunft ist idealistisch. Aber was dahintersteckt, ist als Gleiche und Gleichberechtigte? Und wo doch die tiefe Einsicht, dass die Flucht vor sonst als in der Demokratie, wo Minderheiten den Anstrengungen der Demokratie nicht etwa Stimme und Gehör finden, soll uns etwa die zu besserer Politik führt, ganz sicher nicht, gewaltige Aufgabe der Integration gelingen? auch und gerade nicht von denen,

70 die von sich behaupten, im Namen des „eigentlichen Volkes“ oder der schweigenden Mehrheit zu sprechen gegen „die da oben“. Beifall Demokratie kennt das Volk aber nur in seiner ganzen Vielfalt. Deshalb: Wer heute in Herr Gauck, Sie haben es angedeutet: Wir Deutschland seinen Sorgen Luft macht und navigieren zurzeit in unbekannten Gewässern. dabei ruft „Wir sind das Volk!“, der darf das Ob wir nach Osten oder nach Westen schauen: gern – aber der muss auch hinnehmen, dass Wir steuern da auf viel unkartiertes Gelände andere Leute mit anderen Ansichten diesen zu. Oftmals werden wir Antworten geben stolzen Satz genauso beanspruchen, müssen, ohne uns an andere anlehnen zu können. Das verlangt Selbstbewusstsein. Beifall Aber noch viel mehr verlangt es Mut, Mut, nach vorn in Richtung Zukunft zu denken, so wie ich das vor ein paar Monaten in nicht darauf zu hoffen, die Antworten in Dresden gesehen habe, wo eine bunte Truppe der Vergangenheit zu finden, Mut, unsere junger Leute ein Plakat in die Höhe hielt, auf Geschicke selbst in die Hand zu nehmen – dem ganz gelassen stand: „Nö – wir sind das ohne, Herr Präsident, den Kaiser oder den Volk!“ „großen Bruder“ oder selbst ernannte „starke Männer“. Ich finde: Mut ist das Lebenselixier Heiterkeit und Beifall der Demokratie, so wie die Angst der Antrieb von Diktatur und Autokratie ist. Genauso ist es, meine Damen und Herren. In der Demokratie tritt das Volk eben nur im Beifall Plural auf und hat viele Stimmen. Nie wieder darf eine politische Kraft so tun, als habe sie Deshalb, meine Damen und Herren: Die allein den Willen des Volkes gepachtet und Staatsform der Mutigen – das ist die Demo- alle anderen seien Lügner, Eindringlinge oder kratie. Die Demokratie braucht diesen Mut Verräter. Deshalb ist meine Bitte: Wo immer auf beiden Seiten: auf der Seite der Regierten solche Art von Populismus sich breitmacht – ebenso wie auf der Seite der Regierenden. bei uns im Land oder bei unseren Freunden Denn nur wer selber Mut hat, kann auch und Partnern –, da lassen Sie uns gemeinsam andere ermutigen, und nur der kann Mut vielstimmig dagegenhalten! erwarten.

71 Menschen hervorrufen – so hat gerade in der „Zeit“ einer der großen deutschen Wirtschafts- führer geschrieben –, sollten wir die Debatte darüber nicht „vorschnell als Neiddebatte abtun“. Ich finde: Recht hat er. Es geht um das gemeinsame Interesse, dass das Vertrauen Politik tut sich keinen Gefallen, wenn sie über in unsere wirtschaftliche und politische Sorgen der Menschen, über politische Fehlent- Ordnung nicht durch das Handeln weniger wicklungen, über offene Fragen nicht ebenso insgesamt Schaden nimmt. offen redet. Wir leben in hochpolitischen Der Bundespräsident hat dazu keine Zeiten. Das verlangt den Mut, zu sagen, was Vorschläge zu machen. Aber die lebendige ist und was zu tun ist. Wie gelingt Integration? Debatte darüber – davon bin ich überzeugt – Wie, lieber Herr Gauck, bringen wir das braucht die Gesellschaft. Führen wir sie nicht, überein: unser weites Herz und die endlichen dann – das sage ich voraus – werden Popu- Möglichkeiten? Wie erneuern wir das Verspre- listen unterschiedlicher Couleur sie am Ende chen vom Aufstieg durch Bildung, das mich gegen die Demokratie wenden. Deshalb sind persönlich und eine ganze Generation auf den wir alle miteinander gefragt, meine Damen Weg gebracht hat? Wie erhalten wir Hoffnung und Herren. dort, wo im Dorf Schule, Arztpraxis, Friseur- laden und Tankstelle längst geschlossen sind Beifall und jetzt auch noch die letzte Busverbindung gekappt wird? Das geht nicht von allein. Dafür brauchen wir Wie schaffen wir ethische Standards auch in eine Kultur des demokratischen Streits. Selten der Wirtschaft, die das Oben und Unten in der werden wir alle derselben Meinung sein. Gesellschaft verbunden halten, damit oben Umso wichtiger ist, dass wir das gemeinsame nicht nach Regeln gehandelt wird, die von Fundament von Demokratie pflegen, aber die den Menschen als unanständig empfunden Auseinandersetzung über Ideen, Optionen werden? Wo Abfindungen und Bonuszahlun- und Alternativen nicht scheuen. Wir brauchen gen nur noch „Fassungslosigkeit“ bei den das Dauergespräch unter Demokraten,

Blick auf die Bundesratsbank

72 Wer das aufgibt, der rührt am Grundgerüst wo nötig, auch kontrovers. Die tägliche Selbst- von Demokratie. bestätigung unter Gleichgesinnten bringt uns nicht weiter. Bevor wir uns daran gewöhnen, Beifall nur noch mit denen zu reden, die gleicher Meinung sind, frage ich: Warum nicht mal mit Vor einigen Monaten fragte mich ein promi- denen sprechen, die uns Facebook nicht als nentes Mitglied dieses Hauses – wohlgemerkt Kontakt vorschlägt? Warum nicht überhaupt ganz wohlwollend –: „Herr Steinmeier, nach mal den Blick vom Smartphone heben und ins so vielen Jahren in der Politik – können Sie wirkliche Leben schauen? da eigentlich neutral sein?“ Die ehrliche Antwort ist: Nein, ich bin nicht neutral. Beifall Überparteilich – ja, wie es das Amt verlangt. Aber ich glaube, neutral darf ich gar nicht da Ich will, dass diese Gesellschaft miteinander sein, wo es um das ganz Grundsätzliche geht. im Gespräch bleibt. Der Raum der Demokratie, Deshalb sage ich Ihnen: Ich werde parteiisch das ist einer, in dem – ja – viele zu Wort sein, parteiisch, wenn es um die Sache der kommen müssen, in dem es aber auch ein paar Demokratie selbst geht. geben muss, die zuhören. Ich will, dass wir uns rauswagen aus den Beifall Echokammern, auch aus mancher Selbstge- wissheit der intellektuellen Ohrensessel und Partei ergreifen werde ich auch für Europa. erst recht aus der Anonymität des Netzes, Ich freue mich über die vielen, vor allen wo die Grenze zwischen dem Sagbaren und Dingen jungen Menschen, die in diesen Tagen dem Unsäglichen immer mehr schwindet, wo auf die Plätze gehen und uns den Puls von inzwischen eine Sprache aggressiver Maßlo- Europa wieder spüren lassen. sigkeit herrscht und wo täglich immer nur noch neue Erregungswellen erzeugt werden. Beifall Und vor allem, meine Damen und Herren, will ich eines: dass wir in Deutschland festhalten Die, die sich da versammeln, erinnern an dem Unterschied zwischen Fakt und Lüge. uns vielleicht daran, wie viel gerade wir

73 Aufgeklärter Patriotismus und Einstehen für Europa, das geht Hand in Hand. Deutsche dem vereinten Europa zu verdanken Denn – auch wenn wir, meine Generation, es haben: die Rückkehr unseres Landes in die nicht so nennen – für viele unserer Kinder Weltgemeinschaft, Wiederaufbau, Wachstum, ist Europa längst ein „zweites Vaterland“ Wohlstand und vor allem 70 Jahre Frieden. geworden. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam Das verdanken wir den Müttern und Vätern Partei ergreifen – für ein besseres Europa, für Europas, die nach 1945 den Mut hatten, eines, das für die politische Freiheit steht, das die richtigen Lehren aus Jahrhunderten von sein Gewicht einsetzt für eine friedlichere und Kriegen zu ziehen. gerechtere Welt, für gute Nachbarschaft! Dafür Mut zu Europa, den brauchen wir wohl auch will ich gerne streiten – und das mit möglichst heute. Es stimmt ja: Europa ist weit davon vielen von Ihnen, meine Damen und Herren. entfernt, perfekt zu sein. Das wissen wir auch nicht erst seit dem Brexit. Wir dürfen Beifall nichts schönreden, was schlecht läuft. Und selbstverständlich ist dringend Zeit für mutige All die Mutigen, all die, die Partei ergreifen Reformen. Dabei muss vielleicht auch nicht für Demokratie, werden jedenfalls den jedes Detail des institutionell verfassten Euro- Bundespräsidenten dabei an ihrer Seite pas mit Zähnen und Klauen verteidigt werden. wissen. Aber denen, die heute meinen: „Ach, ich habe Meine Antrittsbesuche in unseren Bundes- dieses Europa über; lieber zurück hinter die ländern werden eine Deutschlandreise ganz vertrauten Butzenscheiben der Nation“, denen besonderer Art sein: Ich will an die Orte sage ich: Das ist zu einfach, und das ist der der deutschen Demokratie gehen – und vor falsche Weg. allen Dingen hin zu den Menschen, die sie leben und beleben, die, um auf Shimon Peres Beifall zurückzukommen, dem guten Wolf das Futter geben. Ich will zu denen, die nach ihrem Jean-Claude Juncker hat jüngst gesagt: „Wir wohlverdienten Feierabend in Gemeinderäten haben nicht das Recht, gegeneinander patrio- um das Schwimmbad oder die Bücherei in der tisch zu sein.“ Ich sehe es genauso: Nachbarschaft ringen. Ich will zu den kleinen

74 übernehmen für die Nachbarschaft, das Dorf, und mittelständischen Unternehmen, die auf die Region, die helfen, wo Hilfe nötig ist. den Märkten der Welt bestehen müssen, aber Nichts, glaube ich, ist wertvoller als das, und zugleich Verantwortung für ihre Mitarbeiter, das macht mich so stolz auf unser Land und für ihre Stadt, für ihre Region zeigen, zu den seine Menschen. Betriebsräten, die geholfen haben, dass Unter- nehmen auch Krisenjahre überstanden haben, Beifall und darauf achten, dass es fair zugeht im Betrieb. Ich will zu denen, die in Kindergärten Und weil das so einzigartig ist – wenn man vorlesen oder im Hospiz Sterbende begleiten. ein bisschen herumgekommen ist und sich Und wenn ich allein alle diejenigen, die sich andere Länder angeschaut hat, weiß man bis zur Erschöpfung für Flüchtlinge engagiert das – und uns das von vielen anderen Ländern haben, mit einem Orden auszeichnen wollte – unterscheidet, bin ich mir so sicher, dass wir das würde ich gern, glauben Sie es mir –, dann den Stürmen der Zeit trotzen werden und wäre allerdings jetzt schon klar, womit ich die unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft nächsten fünf Jahre vollauf beschäftigt wäre. schenken werden, meine Damen und Herren.

Beifall Beifall

Doch, meine Damen und Herren, das muss 1949, am Tag, als unsere Verfassung in Kraft ich gar nicht. Denn wenn ich mit Feuerwehr- trat, sagte Theodor Heuss: Mit dem Grundge- leuten, Rotkreuzhelfern, Jugendtrainern oder setz ist „ein ganz kleines Stück festen Bodens Kirchenvertretern spreche, höre ich: Die für das deutsche Schicksal geschaffen“. – Heute warten nicht auf Orden, sondern die sagen ist dieses Grundgesetz ein breites Fundament mir: „Worum’s geht, ist nicht, was du für für das wiedervereinigte Deutschland. dich selber rausholst, sondern das, was du 1969 sagte Gustav Heinemann: „Wir stehen für andere reingibst.“ – Das sagt nicht nur erst am Anfang der ersten wirklich freiheitli- einer, das sagen nicht zehn, das sagt nicht chen Periode unserer Geschichte. Freiheitliche eine Minderheit – es sind viele Millionen in Demokratie muß endlich das Lebenselement unserem Land, die sich um mehr kümmern als unserer Gesellschaft werden.“ Heute ist sie nur um sich selbst, die Verantwortung uns ganz und gar selbstverständlich geworden.

75 1990, im Jahr der Einheit, sagte Richard von Weizsäcker: „Nun gilt es, in der Freiheit zu Bundestagspräsident bestehen. Das ist schwer.“ – Heute setzen Prof. Dr. Norbert Lammert: andere, die anderswo in Unfreiheit leben, ihre Hoffnung in uns. Ich danke Ihnen, Herr Bundespräsident. – Für Meine Damen und Herren, welch ein weiter, Ihre Amtszeit wünsche ich Ihnen noch einmal welch ein erstaunlicher Weg! Ist es nicht im Namen des ganzen Hauses die Autorität eigentlich ganz wunderbar, dass unser Land, dieses Amtes, das Vertrauen der Menschen ein Land mit dieser Geschichte, zu einem und eine glückliche Hand. Anker der Hoffnung in der Welt geworden ist? Zur Bekräftigung unserer gemeinsamen Überzeugungen, unserer Prinzipien, unserer Beifall Erfahrungen, unserer Erwartungen und guten Wünsche an alle, die für dieses Land Verant- Ist es nicht ein unschätzbares Glück, meine wortung tragen, singen wir nun gemeinsam Damen und Herren, dass wir – unsere Genera- die Nationalhymne. tionen – das erleben dürfen? Wer also, wenn nicht wir, ist gefragt, mutig Nationalhymne für die Demokratie zu streiten, wenn sie heute weltweit angefochten wird. Das ist der Mut, Bevor ich die gemeinsame Sitzung des von dem ich spreche, das ist der Mut, den Bundestages und des Bundesrates schließe, wir brauchen: keinen Kleinmut – dafür gibt muss ich daran erinnern, dass dies zwar ein es keinen Grund –, keinen Hochmut – davon Festtag, aber kein Feiertag ist. hatten wir in Deutschland genug –, sondern Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen den tatkräftigen, den lebenszugewandten Mut Bundestages für heute, 14.30 Uhr, ein. Dann von Demokraten. Den brauchen wir! geht es mit der Regierungsbefragung weiter. Herzlichen Dank. Die Sitzung ist geschlossen.

Langanhaltender Beifall Beifall

76 Beifall im Plenum nach der Vereidigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

77 Bundespräsident a. D. Joachim Gauck und Daniela Schadt gratulieren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach der Vereidigung, links neben dem Bundespräsidenten seine Frau Elke Büdenbender

78 Glückwünsche aus dem Plenum an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach seiner Vereidigung

79 Impressum

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Stand: Juni 2017 © Deutscher Bundestag, Berlin Alle Rechte vorbehalten.

In der Mediathek des Deutschen Bundestages (www.bundestag.de/mediathek) finden sich vollständige Mitschnitte der 16. Bun- desversammlung der Bundesrepublik Deutschland sowie der gemeinsamen Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundes- rates anlässlich der Eidesleistung des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier.

Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages. Sie wird kostenlos abgegeben, ist nicht zum Ver- kauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung eingesetzt werden.

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