175 Jahre IHK Düsseldorf Handeln für Unternehmen

Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte Sonderband

Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf

Jahre 1831 – 2006 – 1831

Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln Köln 2006 175 Jahre IHK Düsseldorf – Handeln für Unternehmen 3

Inhalt Seite

Vorwort 5

Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg 1831 bis 1914 6

Schwere Zeiten 1914 bis 1945 18

Wiederaufbau: Das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg 32

Der IHK-Bezirk Düsseldorf: Eine Region im Wandel 40

Standortpolitik: Die Region stärken 46

Recht und Unternehmensförderung: Von der Wiege bis zur Bahre 68

International: Der Duft der großen weiten Welt 76

Wiedervereinigung: Aus 2 mach 1 85

Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 88

Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen 102

Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und rede darüber 120

Selbstverständnis und Gremien: Wie die IHK funktioniert 124

Und die Zukunft? 128

Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf 130

Quellen, Literatur und Bildnachweis 131

Impressum 132

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 4 175 Jahre IHK Düsseldorf – Handeln für Unternehmen

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 175 Jahre IHK Düsseldorf – Handeln für Unternehmen 5

Zum 175-jährigen Bestehen der IHK Düsseldorf

„Man muss das Gestern kennen, wenn man das Morgen wirklich gut und dauerhaft gestalten will“. Diese Worte des großen Konrad Adenauer beherzigend, haben wir uns im 175. Jahr des Bestehens der IHK Düsseldorf auf die Spurensuche in eigener Sache gemacht. Im Ergebnis, so hoffen wir, ist mit der vorliegenden Festschrift ein interessanter Aufriss von 175 Jahren Kam- mergeschichte entstanden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der jüngeren IHK-Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, für die bislang eine Gesamtdarstellung fehlte.

Während des Quellenstudiums in Archiven, in alten Akten, Kammerzeitschriften und Jahres- berichten konnten wir erkennen: Manches, was heute zur Arbeit einer IHK gehört, ist keine Erfindung der letzten Jahrzehnte, sondern war zumindest in Ansätzen lange vor unserer Zeit zum Nutzen der Unternehmen bereits vorhanden. Geändert haben sich gleichwohl Methoden, Instrumentarien und Techniken.

„Handeln für Unternehmen“, das wollten die Kaufleute, die 1831 die „Königliche Handelskam- mer zu Düsseldorf“ gründeten, und dieses Ziel bestimmt unser Tun auch heute.

Professor Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider, Präsident der IHK Düsseldorf von 1949 bis 1968, hat zu Recht betont: „Wirtschaft betreibt man nicht im luftleeren Raum, sondern immer in einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung“. In diesem Sinne will dieses Buch zeigen, wie die wirtschaftliche Selbstverwaltung in Düsseldorf entstand und wie sie sich unter wechselnden politischen und wirtschaftlichen Bedingungen bis heute entwickelt hat.

So beschäftigt sich diese Festschrift nicht nur mit der Kammergeschichte, sondern berichtet auch über die Entwicklung der Region Düsseldorf.

In der Rückschau wird deutlich, dass der IHK-Bezirk stets von einer hervorragenden Standort- qualität profitieren konnte. Seine ökonomische Leistungsfähigkeit aber verdankt er vor allem den Unternehmen, die sich von den Anfängen der Industrialisierung bis heute hier angesiedelt haben.

Hermann Franzen Dr. Udo Siepmann Präsident Hauptgeschäftsführer

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Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg 1831 bis 1914

Kaufleute schließen sich zusammen Um wöchentlich das „Wohl unserer hiesigen Angelegenheiten“ zu bera- ten, insbesondere aber um „alles das- jenige vorzunehmen und zu verrich- ten, was sie zum besten des hiesigen Handels, zu Wasser und zu Lande nö- thig, oder nützlich zu seyn erachten“, wählte die seit 1785 in Düsseldorf or- ganisierte Kaufmannschaft am 21. Oktober 1798 aus ihrer Mitte acht Vorsteher, den so genannten Hand- lungsvorstand, eine Vorläuferorgani- sation der späteren Handelskammer. Die Idee, sich in einer Gemein- schaft zusammenzuschließen, um so seine Interessen gegenüber Regierung und „anderen Behörden“ besser arti- kulieren zu können, war nicht neu – Beispiele aus anderen Städten gab es zur Genüge. Dennoch war der Zeit- punkt gut gewählt: Beflügelt von den Kurfürst Maximilian Josef, Ideen der Französischen Revolution in Personalunion Herzog forderte das (Wirtschafts-)Bürgertum von Berg und Herzog von allerorten sein Mitspracherecht ein. Ober- und Niederbayern, genehmigte 1801 die Ein- Und so sah sich der damalige Landes- richtung einer Handelsge- herr, Kurfürst Maximilian Joseph, in sellschaft und des Hand- Personalunion Herzog von Berg und lungsvorstands in Düssel- dorf, dem Vorläufer der Herzog von Ober- und Niederbayern, späteren Handelskammer. bereits 1799 mit dem ganz pragmati- schen Anliegen des Düsseldorfer Handlungsvorstands konfrontiert, in eigener Regie ei- Zum Vorsitzenden des Handlungsvorstands ernannte ne Handelsgesellschaft gründen zu wollen, um „Handel der Kurfürst einen Regierungskommissar. und Schiffahrt zu befördern“. Auf die Antwort mussten die Kaufleute in Düssel- Vom Empire zu Preußens Glanz und Gloria dorf jedoch zwei Jahre warten – zu sehr war der Kur- 1815, nach Beendigung der napoleonischen und dem fürst mit den anrückenden Heeren Napoleons beschäf- Beginn der preußischen Ära, verloren die Kaufleute das tigt, die Frankreichs Staatsgrenze de facto inzwischen Interesse an dem Handlungsvorstand – denn mit der bis an den Rhein verschoben hatten. Erst nach dem Frie- auf dem Wiener Kongress beschlossenen politischen densschluss nahm sich der Kurfürst 1801 des Düssel- und territorialen Neuordnung fehlte ihm zunächst die dorfer Anliegens an und genehmigte die Einrichtung gesetzliche Grundlage. Erst 1818 ernannte die preußi- der Handelsgesellschaft und des Handlungsvorstands, sche Regierung quasi als „Rechtsnachfolger“ des ehe- weil er die „Vortheile gemeinschaftlicher Berathschla- maligen Regierungskommissars den Düsseldorfer Ober- gungen und Verabredungen“ durchaus anerkannte, so- bürgermeister zum neuen Vorsitzenden des Hand- fern sie sich im Rahmen bestehender Gesetze beweg- lungsvorstands. Diese Entscheidung erwies sich schon ten und keinem Außenstehenden Schaden zufügten. bald als folgenschwer, denn Stadtverwaltung und

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Kaufmannschaft zogen aufgrund unterschiedlicher legen, denselben die Hindernisse, welche der Errei- Interessen nicht immer an einem Strang. Auch dieses chung dieses Zweckes entgegenstehen, bekannt zu „Erbe“ ist den Industrie- und Handelskammern bis heu- machen, und ihnen die Auswege anzuzeigen, wel- te erhalten geblieben! che sich zur Hebung derselben darbieten.“ Die Zeit des Handlungsvorstands neigte sich bald darauf ihrem Ende entgegen, als sich die Stimmen nach Heute heißt es dazu in § 1 Abs. 1 des IHK-Gesetzes: Errichtung einer „richtigen“ Handelskammer mehrten. Die Industrie- und Handelskammern sollen: Vorbild dafür waren die seit 1803 noch unter Napole- „…durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die on errichteten Kammern links des Rheins, die unter der Behörden (…) unterstützen und (…) beraten…“. preußischen Ägide zwar fortbestanden, aber bis zu die- sem Zeitpunkt keine Entsprechungen auf rechtsrheini- Selbstverwaltung und Staat – schem Gebiet gefunden hatten. eine schwierige Beziehung Das änderte sich, als im Jahre 1830 in Elberfeld und Im Vordergrund der Handelskammertätigkeit nach Barmen Kaufleute eine Handelskammer gründeten, de- preußischem Recht standen also nicht – wie im fran- ren Statut König Friedrich Wilhelm III. am 22. Juni 1830 zösischen Kammersystem – die Ausführung behörd- genehmigte. Dieses Beispiel sollte Schule machen. licher Aufgaben, sondern die Wahrnehmung der In-ter- der Wirtschaft. Wählen durften diejenigen Ein- Eine Handelskammer für Düsseldorf wohner des Gemeindebezirks, die wenigstens zwölf Die Düsseldorfer Unternehmerschaft, mit besten Bezie- hungen zu ihren Kaufmannskollegen in Elberfeld und Das Statut der Barmen, zögerte dann auch nicht lange: Bereits am 8. Königlichen Handelskammer Juli 1830 trafen sich Handlungsvorstand mit Oberbür- zu Düsseldorf, germeister, Landrat und Bezirksregierung, um über die genehmigt am Gründung einer Handelskammer auch in Düsseldorf zu 23. Mai 1831. beraten. Die Düsseldorfer Initiative fand ebenfalls bei der königlichen Regierung Anklang, man erbat ein Sta- tut in Anlehnung an dasjenige der Handelskammer für Elberfeld und Barmen inklusive der Erweiterung um Hafen- und Schifffahrtsfragen. Mit dem im Januar 1831 eingereichten Entwurf schoss der Handlungsvor- stand allerdings weit über das angepeilte Ziel hinaus, wollte er doch alle öffentlichen Anstalten „welche auf Handel, Fabriken und Schiffahrt Bezug haben“ der Han- delskammer unterstellen. Ferner sah der Entwurf vor, dass die Handelskammer künftig Abfahrten, das Ein- und Ausladen der Schiffe etc. bestimmen und verwal- ten sollte. Das ging nicht nur dem Düsseldorfer Ober- bürgermeister zu weit, der um die Autonomie der städ- tischen Wirtschaftsverwaltung fürchtete, sondern auch das am 23. Mai 1831 vom preußischen König gnädigst genehmigte Statut beschnitt die hochfliegenden Pläne des Handlungsvorstands auf die „Beaufsichtigung der- jenigen öffentlichen Anstalten und Anordnungen“ für Handel und Schifffahrt. Weitaus bedeutsamer – und zeitloser – war jedoch eine in § 4 des Statuts festge- schriebene Aufgabe der künftigen Handelskammer: „Die Bestimmung der Handels-Kammer ist, den Staats-Behörden ihre Wahrnehmungen über den Gang des Handels, des Manufaktur-Gewerbes und der Schiffahrt, und ihre Ansichten über die Mittel zur Beförderung der einen und der anderen darzu-

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Blick auf den Düsseldorfer Taler Gewerbesteuer pro Jahr entrichteten. Gewählt Marktplatz um 1840. werden konnten nach § 3 zunächst sechs Mitglieder, wenn sie „dreißig Jahre und darüber alt (waren), ein Hand- lungs- oder Fabrikgeschäft wenigstens fünf Jahre lang, für eigene Rechnung persönlich und selb- ständig betrieben, auch in dem Gemeinde-Bezirk von Düsseldorf (ihren) ordentlichen Wohnsitz, und den Hauptsitz (ihres) Gewerbes (hatten), und durchaus unbescholtenen Rufes (waren).“

Diese sechs Mitglieder (später Vollversammlungs- mitglieder genannt) wählten aus ihrer Mitte den Vor- sitzenden (= Präsidenten). Erster Vorsitzender der „Königlichen Handelskammer zu Düsseldorf“ war von 1831 bis 1833 der Düsseldorfer Kaufmann und Fabri- kant Franz Schimmelbusch. Zu seinem Vertreter wurde Gerhard Baum (Präsident von 1834 bis 1868) bestellt. Beiden zur Seite stand als Sekretär (= der spätere Hauptgeschäftsführer) Johann Ferdinand Wilhelmi, der bereits über Erfahrungen aus der Zeit des Handlungs- vorstands verfügte, für den er in gleicher Funktion tätig gewesen war. Franz Schimmelbusch Die Statuten der Handelskammern in Elberfeld Präsident von 1831 bis 1833 (1830) und Düsseldorf (1831) ähnelten einander, unter- schieden sich jedoch in einem wichtigen Punkt: Wäh- Franz Schimmelbusch war in Kommissionsgeschäf- rend die Barmer und Elberfelder Unternehmer es noch ten tätig, als er zum ersten Präsidenten der König- entschieden und erfolgreich abgelehnt hatten, den lichen Handelskammer zu Düsseldorf gewählt wur- Oberbürgermeister als preußischen Beamten an ihren de. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts be- Sitzungen teilnehmen und in diesem Falle auch den trieb er eine Eisengießerei auf der Kanalstraße, der Vorsitz führen zu lassen, wurde dieses Recht im Düssel- heutigen Westseite der Königsallee. Von ihm gin- dorfer Statut in § 2 verbrieft. Darüber hinaus wurde per gen entscheidende Impulse für die Gewerbe- und Kabinettsorder das Düsseldorfer Statut für alle weite- Industrieausstellung 1838 aus, wie er auch als ren Kammergründungen obligatorisch, auch die älte- Mitbegründer der Eisenindustrie in Düsseldorf gilt. ren linksrheinischen Handelskammern übernahmen seine Bestimmungen. Wenn auch de jure der staatliche

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Einfluss auf diese Weise festgeschrieben wurde, so hat- te er praktisch kaum Auswirkungen, denn de facto leitete der aus der Mitte der Kaufmannschaft frei gewählte Präsident die Sitzungen und führte die Geschäfte der Handelskammer. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Kammer von 1831 bis 1870 Quartier im Düsseldorfer Rathaus nahm: Aus der per Königsdekret verfügten Mesalliance wurde auch durch die räumliche Nähe keine Liebesheirat! Vielmehr weigerte sich Oberbürger- meister Philipp Schoeller zunächst, der Kammer im Rathaus dauerhaft Obdach zu gewähren und Stadt- rentmeister von Franz zeigte sich entrüstet über das Ansinnen der Handelskammer, im Zuge der Amtshilfe Gerhard Baum die Kammerbeiträge auf Grundlage der Gewerbesteu- Präsident von 1834 bis 1868 er festzustellen. Auch die Beziehung zum Nachfolger im Amt des Oberbürgermeisters, Josef von Fuchsius, Seit 1828 war Gerhard Baum Mitglied des Hand- gestaltete sich schwierig: Anlässlich des Todes von Kö- lungsvorstandes. Er war zunächst als Mitinhaber nig Friedrich Wilhelm III. hatte die Kammer pflicht- des Kommissions- und Speditionsgeschäftes seines schuldigst per Depesche kondoliert und ihre Glück- Schwiegervaters Wilhelm Cleff tätig. Dieses Unter- wünsche zum Regierungsantritt von Friedrich Wilhelm nehmen entwickelte er zum Bankgeschäft, das IV. übermittelt – allerdings ohne die Stadt davon vor- 1850 in Baum, Boeddinghaus & Co. umfirmiert und ab in Kenntnis zu setzen (denn der Oberbürgermeister später von der Deutschen Bank übernommen wur- hatte ja schließlich das Recht, an den Sitzungen teilzu- de. 1831 wählten ihn die Kaufleute zum Vizepräsi- nehmen und sich zu informieren!). Von Fuchsius be- denten der neuen Handelskammer und 1834 zu ih- fürchtete nun, dass das Kammerschreiben Berlin vor rem Präsidenten. Auf seine Initiative hin wurden seinem Brief erreichen könnte, was offenbar einem ge- 1836 die Mittel- und Niederrheinische Dampf- sellschaftlichen Faux Pas gleichgekommen wäre. Die schifffahrtsgesellschaft, 1842 die Düsseldorfer All- Handelskammer beantwortete das Schreiben des Ober- gemeine Versicherungsgesellschaft für See-, Fluss- bürgermeisters höflich, aber bestimmt: und Landtransport sowie 1846 die Niederrheini- „Wir hielten es dem Zwecke der Sache, der lediglich sche Dampfschleppschifffahrts-AG ins Leben ge- die Handelskammer und den von ihr vertretenen rufen. Er war maßgeblicher Initiator der Düssel- Handelsstand betrifft, angemessen, nur von der dorf-Elberfelder Eisenbahngesellschaft und lange Handelskammer selbst, die Erlassung eines solchen Jahre Vorsteher des Handelsgerichts. Seit 1827 war Actes ausgehen zu lassen.“ Gerhard Baum Mitglied des Stadtrates, seit 1843 vertrat er 30 Jahre lang Düsseldorfer Interessen im Weitere Scharmützel mit der Stadtspitze sollten Rheinischen Provinzial-Landtag, 1847 darüber folgen, auch scheute sich die Handelskammer nicht, hinaus im Vereinigten Landtag. In Anerkennung sich mit Vertretern der preußischen Staatsregierung seiner Verdienste verlieh ihm König Friedrich Wil- anzulegen. So zog sie sich 1837 den Zorn des Finanz- helm IV. 1840 den Titel eines Kommerzienrates. ministers Albrecht Graf von Alvensleben zu, weil sie – 1868 wurde er von Wilhelm I. zum Geheimen Kom- ohne ihn in dieser Frage vorab konsultiert zu haben – merzienrat ernannt. bei der Rheinschifffahrtskommission die gleichen Rechte für den Düsseldorfer Freihafen wie in Köln ge- fordert hatte. Die Drohung von Alvenslebens, die Kam- tungseinrichtungen der Wirtschaft in die Unabhängig- mer ob dieser Insubordination aufzulösen, wurde gott- keit – am 19. August 1897 folgte die Anerkennung der lob nicht in die Tat umgesetzt. Handelskammern als „juristische Personen“. Im Gegenteil: Der Staat entließ nach und nach mit der königlichen Verordnung vom 11. Februar 1848 Stadt, Land, Fluss (Handelskammergesetz) und der Novelle zum Handels- Lange, bevor man über europäische Hauptentwick- kammergesetz vom 24. Februar 1870 die Selbstverwal- lungsachsen sprach, profitierte Düsseldorf von seiner

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Damit hatte der Handlungsvorstand Recht und Un- recht zugleich, wie die spätere Entwicklung zeigen soll- te. Denn: Schon zum damaligen Zeitpunkt verstand sich „Klein-Paris“ auf das savoir vivre – für ein glanzvolles Leben der knapp 50.000 Einwohner sorgten 1816 meh- rere hier ansässige Regierungsbehörden, 186 Kaufleu- te, 24 Spezialhändler, 59 Kleinkrämer, Trödler oder Einzug Napoleons in Düs- Standortgunst: Der Nähe zum Rhein, dem wirtschaft- Hausierer, 61 Brauer, 38 Branntweinbrenner, 70 Schän- seldorf am 3. November lich starken bergisch-märkischen Hinterland und dem ker, 23 Weinhäuser, 17 Kaffeehäuser und Konditoreien, 1811 durch den von Vage- des errichteten Triumph- Repräsentativcharakter einer ehemaligen Residenz- 35 Fuhrleute, 19 Schiffer, drei Tanzmeister und 43 Mu- bogen in Höhe der Elber- stadt. Daraus ergaben sich – neben der berichtenden sikanten. Mit nur 13 Fabrikanten (zumeist vorindu- felder Straße. Nach einer und beratenden Tätigkeit – die ersten Handlungsfelder strielle Textilproduzenten) war Düsseldorf industriell Lithographie von Petersen. der Handelskammer fast schon von selbst. Im Sinne der stark unterrepräsentiert. Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingun- Dafür erfreuten sich die Bewohner dieses „Lieb- gen gehörten dazu in erster Linie Verkehr (Hafen, lings-Wohnsitzes der Musen“ neben den aufwerten- Rheinschifffahrt sowie Auf- und Ausbau des Schienen- den gesellschaftlichen Komponenten (Provinzialland- netzes), Warenhandel, Börsen- und Ausstellungswesen, tag ab 1826, Anwesenheit von einem Hohenzollern- Rechtspflege und Fortbildung sowie Stellungnahmen prinzen in Schloss Jägerhof und rheinischem Adel), zu zollrechtlichen und anderen Fragen. Die Standort- den Gartenanlagen, Alleen und Parks eines weit über gunst wie auch die stärkere Vernetzung mit benach- die Stadtgrenzen hinaus berühmten Theaters, der zeit- barten Wirtschaftsräumen bedingten darüber hinaus, weise in der Stadt anwesenden, bedeutenden Kompo- dass die Kammer sich eben nicht nur mit den Angele- nisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schu- genheiten der vor Ort ansässigen Unternehmen, son- mann und Johannes Brahms sowie der Einrichtung der dern mit Wirtschaftsthemen, die weit über den Kam- Kunstakademie im Jahre 1819. Diese „weichen“ Stand- merbezirk hinaus von Bedeutung waren, befasste. ortfaktoren sollten die Industrialisierung wie auch den Zuzug von Unternehmern vor allem in der zweiten Ein Dorf mit Entwicklungspotenzial Jahrhunderthälfte begünstigen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Düsseldorf „ein bescheidenes, durch die Unbilden der kriegerischen und Der Hafen als Tor zum Ruhrgebiet politischen Verwicklungen heruntergekommenes, und nach Westeuropa schlecht verwaltetes, bevölkerungsarmes Städtchen“, Als Trumpfkarte konnte Düsseldorf in der ersten Hälf- so charakterisierte Otto Most die Stadt in seiner „Ge- te des 19. Jahrhunderts seine Lagevorteile, vor allem die schichte der Stadt Düsseldorf“ von 1921. Wenn auch Rheinnähe und den Hafen, voll ausspielen. Das hing diese Beschreibung zu hart ausgefallen sein dürfte, so einerseits mit der Umstellung der bergischen Textilpro- übernahm der preußische Staat am 5. April 1815 mit duktion von Leinen auf Baumwolle zusammen (wäh- dem Bergischen Land (nebst dem dazugehörigen Düs- rend Flachs und Garn aus dem für Düsseldorf ungün- seldorf) doch ein schweres Erbe: Stadt und Umland stiger gelegenen Westfalen kamen, war Baumwolle fast waren durch die napoleonischen Kriege arg in Mitlei- nur über England zu beziehen), aber auch mit der Zu- denschaft gezogen, die Gemeinden hoch verschuldet nahme des allgemeinen Warenaustausches, der Schaf- und die Wirtschaft musste fast vollständig reorganisiert fung eines größeren Wirtschaftsgebietes zwischen werden. 1818 und 1834 (Gründung des deutschen Zollvereins), Bereits in einer Eingabe zum Erhalt der Residenz- der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse (Dampf- stadt vom August 1808 meinte der Handlungsvorstand schifffahrt und Eisenbahnverkehr), vor allem aber mit feststellen zu müssen: der beginnenden industriellen Entwicklung im - „…zu Fabriken sei Düsseldorf aus dem Grunde un- gebiet. geeignet, dass die Ländereien umher nicht von der Für die bergischen Produzenten erwies sich der Düs- besten Qualität seien, die Lebensmittel zu einem seldorfer Hafen alsbald in zweifacher Hinsicht als gün- sehr hohen Preise ständen und die hiesigen Ein- stig gelegener Warenumschlagplatz: Sowohl für die wohner schon ihre ständige mit dem Dasein der Textilwirtschaft, die über Düsseldorf Seide, Samt, Spit- Residenz mehr oder minder in Verbindung stehen- zen, Batiste, Leinen, Baumwolle, Tuche, Pottasche, de Beschäftigung hätten.“ Alaun sowie Farbstoffe einschließlich Indigo bezog und

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von hier aus Seide, Garne, Bänder, Decken und Tuche exportierte, als auch für die nach 1815 einsetzende Ei- Gustav Bloem sen verarbeitende Industrie, die ihre Rohstoffe vor- Präsident von nehmlich aus England und später aus dem Ruhrgebiet 1869 bis 1878 bezog. Der Handel mit Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigprodukten wiederum schuf die Voraussetzung Im Jahre 1848 gründe- dafür, dass sich auch in Düsseldorf Textil- und nach te Gustav Bloem in Düs- 1850 Eisen verarbeitende Industrie ansiedelte. Lage- seldorf-Derendorf eine vorteile und „weiche“ Standortfaktoren zogen in der Zündhütchenfabrik, die zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Unter- später eine Ergänzung in nehmer zumeist aus Belgien, der Aachener Region, der der Firma Braun & Bloem Eifel und dem bergisch-märkischen Raum nach Düssel- fand. In seine Amtsperiode fiel dorf, wie Albert Poensgen, Ferdinand Heye, Hermann- 1874 die Gründung des Börsenver- August Flender, Fritz Henkel, J. P. Piedboeuf und die eins. Innerhalb kurzer Zeit traten die- Brüder Mannesmann, um nur einige zu nennen. ser Vereinigung 500 Mitglieder aus Industrie Zu Beginn ihrer Tätigkeit bemühte sich die Han- und Handel bei, die an der zunächst reinen Pro- delskammer daher in erster Linie um Erleichterungen duktenbörse (Getreide, Saaten, Metalle, Kohle, für die Schifffahrt, ordnete den Handelsverkehr und Erze, Baustoffe) partizipierten. 1884 wurde die entwarf eine Hafenordnung. Ferner setzte sie sich – Börse der Stadt Düsseldorf staatlich anerkannt, so ganz im Sinne der ortsansässigen Wirtschaft – dafür dass sich der privat-rechtliche Verein auflöste. ein, den Schiffsverkehr behindernde Beschränkungen Ferner setzte sich während seiner Ägide die Indu- in den Niederlanden, aber auch in Köln, zu entschär- strialisierung des Bezirks mit der Ansiedlung che- fen. Hatte die Mainzer Rheinschifffahrtskonvention mischer Fabriken und Maschinenbauunternehmen von 1831 bereits erhebliche Erleichterungen für den fort. Bloem engagierte sich für das Markenschutz- Schiffsverkehr gebracht (Wegfall des Kölner Stapel- gesetz, für die Errichtung einer neuen Rheinbrü- rechts und der zollrechtlichen Beschränkungen in den cke und für die „Hebung Düsseldorfs als Hafen- Niederlanden) und so den Güterumschlag im Düssel- platz“. Die 1887 gegründete Fortbildungsschule für dorfer Hafen innerhalb eines Jahres explosionsartig auf Kaufmannslehrlinge, deren Kuratoriumsvorsitzen- mehr als 35.000 Tonnen steigen lassen, so ergab sich der er war, nahm unter seiner Ägide einen beson- nun die Notwendigkeit, noch stärker von diesen Vor- deren Aufschwung. Als Vorsitzender des Düssel- teilen durch aktive Beteiligung an einer Dampfschiff- dorfer Ruder-Vereins wirkte er in der Düsseldorfer fahrtsgesellschaft zu profitieren. Auf Initiative der Gesellschaft. Handelskammern von Düsseldorf und Elberfeld wurde

Das Röhrenwalzwerk der Firma J. P. Piedboeuf & Comp. an der Ellerkirch- straße um 1900.

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zität. Da man sich jedoch lange über die endgültige Standortwahl nicht einig war, verhinderte dies zu- nächst den kontinuierlichen Ausbau nach Süden. Zu- nächst jedoch veranlasste die Handelskammer die Re- stituierung der Freihafenrechte (1827 aufgehoben) und den Wiederaufbau des Freihafens (abgeschlossen 1838), um eine Gleichstellung gegenüber Köln zu er- reichen (endgültig 1841), denn, so die Kammer: „Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass hierdurch der Verkehr in unserem Hafen bedeutend gewinnen und namentlich die Verbindung mit dem oberen Rheine allmählig größeren Aufschwung erhalten wird.“

Rudolf Lupp Der Wunsch nach einem neuen beziehungsweise er- Präsident von 1879 bis 1885 weiterten Hafen erfüllte sich hingegen erst 1890: „…im Süden der Stadt, oberhalb des an der Neustadt befind- In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts verlegte lichen Parallelwerks, längs der nach Neuss führenden Rudolf Lupp seine Indigo-Blau-Druckerei von Eisenbahn“ erfolgte der erste Spatenstich, 1896 wur- Mettmann nach Düsseldorf, weil hier im Hafen das den die Anlagen vollendet. Indigo für die bergischen Textildruckereien umge- schlagen wurde. Während seiner Präsidentschaft Fahr’n, fahr’n, fahr’n mit der Eisenbahn lag Kommerzienrat Lupp der Ausbau des Düssel- Größter Konkurrent der prosperierenden Dampfschiff- dorfer Hafens besonders am Herzen, wie sich un- fahrt wurde der Eisenbahnverkehr. Als sich Ende 1832 schwer an folgendem Auszug eines Festliedes an- die öffentliche Aufmerksamkeit einer Eisenbahnlinie lässlich seiner „fünfundzwanzigjährigen Thätig- von der Weser bis zum Rhein zuwandte, wollte die Han- keit“ in der Kammer 1885 erkennen lässt: delskammer sogleich „Düsseldorf an den Vorteilen ei- „Jeder funkelneue Morgen ner solchen Eisenbahnverbindung beteiligen“. Mitstrei- Bracht’ der Kammer neue Sorgen, ter war hier erneut die Schwesterkammer in Elberfeld. Brachte neue Mühen mit! Auf Betreiben der Kammern schlossen sich 1835 die Dann hieß es: Du Präses Luppe, interessierten Kreise beider Städte zur „Düsseldorf-El- Löffle aus die garst’ge Suppe, berfelder Eisenbahngesellschaft“ zusammen. 1837 Uns verging der Appetit! wurde das Projekt genehmigt, 1838 der Streckenteil Unser viel zu enger Hafen Ließ den Biedermann nicht schlafen, Die Behörden schrie er an: Steht uns bei in unserem Jammer, da die ganze Handelskammer das Wasser ja nicht halten kann!“

daher am 13. Mai 1836 die „Dampfschifffahrtsgesell- schaft für den Niederrhein und Mittelrhein“ gegründet, die ab 1838 regelmäßig zwischen den Häfen Mainz und Rotterdam verkehrte. 1842 folgte – ebenfalls unter maßgeblicher Beteiligung der Düsseldorfer Handels- kammer – die Gründung der „Düsseldorfer Allgemeinen Versicherungs-AG für See-, Fluss- und Landtransport“. Ferner lag das Hauptaugenmerk der Handelskammer Das Kaufhaus Leonhard Tietz an der Schadowstraße auf der künftigen Hafenentwicklung. Der ursprünglich im Jahre 1902. im Norden gelegene Hafen besaß relativ wenig Kapa-

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Düsseldorf-Erkrath und 1841 die gesamte Strecke bis nach Elberfeld eröffnet. Bereits 1842 beförderte die Bahn über 383.000 Personen und 370.000 Zentner Güter. Ferner setzte sich die Düsseldorfer Kammer erfolg- reich für die Fortführung der Köln-Mindener-Bahn über Düsseldorf nach ein (Eröffnung der Strecke Deutz-Düsseldorf 1845, Eröffnung Düsseldorf- Duisburg 1846). Mit beiden neuen Verkehrsadern wurden das industriell geprägte bergisch-märkische Hinterland, aber auch das aufstrebende Ruhrgebiet mit seinen Zechen hervorragend an den prosperierenden Handels- und Umschlagplatz Düsseldorf angeschlossen. Im Folgenden widmete sich die Handelskammer dem Ausbau der Eisenbahnlinie Aachen-Mönchenglad- Wilhelm Pfeiffer bach-Oberkassel (Fertigstellung 1853/54) einschließ- Präsident von 1886 bis 1895 lich des erforderlichen Brückenbaus, um die Anbindung des rechtsrheinischen Raumes problemlos zu gewähr- An den Düsseldorfer Bankier und Geheimen Kom- leisten. Bis zur Fertigstellung der Hammer Brücke 1870 merzienrat Wilhelm Pfeiffer erinnert heute noch mussten Fahrgäste und Güter über den Rhein von Ober- die Pfeiffer-Straße in Gerresheim. Er gründete die kassel/Neuss nach Düsseldorf übergesetzt werden. Pfeifferstiftung zur Pflege der Parkanlagen in Gra- Nach der Verstaatlichung der privaten Eisenbahnli- fenberg und auf der Hardt. nien (1879 bis 1882) setzte sich die Kammer für den Umbau und die Zentrierung der bisher getrennt von- einander liegenden Bahnhöfe ein. Im Zuge der Errich- (1860) oder Deutschland-Russland (1894). Um die Jahr- tung des neuen Hauptbahnhofes, der 1891 fertig ge- hundertwende rückten auch schon Japan und China ins stellt wurde, plädierte sie bereits für einen Zugang von Blickfeld – zu Vertragsabschlüssen sollte es vor dem und nach Oberbilk (was allerdings erst mit dem Bahn- Ersten Weltkrieg allerdings nicht mehr kommen. Kern hofsumbau in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts der internationalen Aktivitäten der wirtschaftlichen verwirklicht werden sollte). Mit der Zentrierung der Selbstverwaltung war stets, sich als sachkundiger An- Bahnlinien in einem Bahnhof mussten Tarife angepasst, walt des Marktes für die heimische Wirtschaft – vor- Fahrpläne koordiniert und die Fahrkartenbeschaffung nehmlich bei Erleichterungen im Zollverkehr – stark zu erleichtert werden – im Interesse ihrer Unternehmen machen. Zeugnis legen davon mehrere „Denkschriften“ wurde die Kammer auch hier aktiv. ab, in denen die Kam- mer sich zu Fragen Düsseldorf: Sprungbrett für Auslandsbeziehungen der Freihandels- und Wie berichtet, wirkte Düsseldorf wie ein Magnet: Nicht Schutzzollpolitik ge- nur Industrielle, auch Verbände und Konzernzentralen äußert hat. Ziel all nahmen hier – vornehmlich in der zweiten Hälfte des dieser Bemühungen 19. Jahrhunderts – ihren Sitz: So wurde der „Schreib- war es, den Düs- tisch des Ruhrgebiets“ aus der Taufe gehoben. In zu- seldorfer Erzeugnis- nächst bescheidenerem Maße siedelten sich Banken sen neue Absatzmärk- und Versicherungen an. te zu erschließen. Ganz im Interesse ihrer zugehörigen (Groß-)Han- dels- und Industrieunternehmen hat sich die Kammer Klein-Paris putzt bereits sehr früh mit allen Fragen der preußischen und sich heraus deutschen Handelspolitik auseinandergesetzt und sie Neben der „großen“ Politik galt es für die Han- Kunstakademie am Eiskeller- zum Teil nachhaltig beeinflusst. So wurden beispiels- delskammer auch, sich mit den Vor-Ort-Fragen des berg, im Vordergrund der Sicherheitshafen, um 1890. weise Zugangsvoraussetzungen für europäische und innerstädtischen Handels zu beschäftigen. Denn neben internationale Märkte mitgestaltet, etwa mit den bila- den Speditions-, Kolonialwaren- und Materialhändlern, teralen Handelsverträgen Deutschland-Frankreich die alle dem Groß- beziehungsweise Zwischenhandel

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 14 Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Einzel- Ernst Schiess handel einen raschen Aufschwung, der sich in einer Präsident von weiteren Spezialisierung und einem größeren Waren- 1895 bis 1897 sortiment niederschlug. Düsseldorf galt schon bald als das führende Zentrum für modische Damenoberbe- Der Fabrikant Ernst kleidung im Rheinland, auch entwickelte sich hier eine Schiess kam 1865/66 lebhafte Kunsthandelsszene sowie der Handel mit nach Düsseldorf, um wertvollen Einrichtungsgegenständen. mit Unterstützung Albert Während der kleinteilige Einzelhandel über die ge- Poensgens seine kleine samte Stadt verstreut war, konzentrierten sich die Spe- Werkstatt zu einer modernen zialgeschäfte und die aus den früheren Magazinen her- Werkzeugmaschinenfabrik aus- vorgegangenen Warenhäuser in der Innenstadt. Dis- zubauen. Die Produktion umfasste kussionen über die „Zentralität von Innenstädten“ und später Spezialmaschinen für den Ei- Verdrängungswettbewerb beherrschten schon damals senbahnbedarf, den Schiffsbau, Werkzeug- das Tagesgeschäft. Als beispielsweise Kaufmann Leon- maschinen und Nähmaschinen. 1906 wurde die hard Tietz aus Platzgründen sein Warenhaus von der Fabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, Schadowstraße an die Königsallee und Kasernenstraße 1920/21 vom Duisburger Konzern Demag über- verlegen wollte, protestierten Stadtverwaltung und nommen. Neben seinem Amt als Handelskammer- mittelständische Händler, befürchteten Letztere doch Präsident leitete Ernst Schiess den „Verein Deut- einen Konkurrenzkampf, in dem sie unterliegen würden. scher Werkzeugmaschinen-Fabrikanten“ und war Nachdem die Wogen sich geglättet hatten, konnte Tietz Mitorganisator großer Veranstaltungen wie der den Neubau seines Warenhauses 1907 eröffnen. Gewerbeausstellungen von 1880 und 1902 oder Bereits 1804 hatte sich der Handlungsvorstand für des Presseballs von 1913. Der Unternehmer Schiess die Einrichtung einer Warenhandelsbörse und 1817 für engagierte sich darüber hinaus vorbildlich in der die Einrichtung eines Getreidemarktes stark gemacht. Ausbildung des gewerblichen Nachwuchses. Dem Beiden Unterfangen, wie auch späteren Versuchen für Düsseldorfer Stadtrat gehörte er von 1888 bis zu Frucht- und Wollmärkte, war zunächst kein dauerhaf- seinem Tod 1915 an. Als Vorsitzender der Orts- ter Erfolg beschieden. Daher forcierte die Handelskam- gruppe des Deutschen Flottenvereins setzte sich mer die Idee einer zentralen Börse ab 1844 erneut, ge- Schiess für eine starke Marineaufrüstung ein. nehmigt wurde diese endlich im Jahre 1884. Die er- folgreiche Gründung der Düsseldorfer Börse ist dabei in erster Linie den Industriellen um William Thomas zugerechnet werden müssen, gab es kleinteiligen Ein- Mulvany und Gustav Bloem, dem dritten Präsidenten zelhandel, Reisende und Marktbeschicker. der Handelskammer (1869-1878), zu verdanken, der Während Letztere für die Versorgung der Bevölke- von 1874 bis 1884 der Vorläufer-Organisation, dem rung mit Dingen des täglichen Bedarfs ihr Geld ver- Börsenverein, vorstand. Seit 1896 lag die Börsenauf- dienten, klagten die ortsansässigen Einzelhändler sicht in den Händen der Handelskammer. schon um 1830 über den „unlauteren Wettbewerb“ und die Zunahme der Reisenden. Die Kammer sah sich des- Düsseldorf ist eine Messe wert halb 1833 veranlasst, in ihrem Bericht darauf hinzu- Sehr früh, nämlich 1811 und 1817, hat es unter Betei- weisen, dass ligung des Handlungsvorstands Ausstellungen in Düs- „nahe und entfernte Fabrikanten, Manufakturisten seldorf gegeben. Allerdings dienten diese mehr einem und Großhändler ein Gewerbe daraus machen, die „Schaulaufen“ vor dem jeweiligen Landesherrn, als Produkte ihres Etablissements auch im Kleinen in dass sie den eigentlichen Zweck einer Gewerbeausstel- der Art an die Konsumenten abzusetzen, dass die lung erfüllten. Das änderte sich erst 1837 mit der von Reisenden hier fast von Haus zu Haus umherzie- der Kammer initiierten und vom 1836 gegründeten hen, um Bestellungen en detail aufzunehmen“. „Gewerbeverein für den Regierungsbezirk Düsseldorf“ organisierten Ausstellung. Ziel war es, den Absatz an- Die Kammer erwirkte daraufhin zum Schutze der zukurbeln, und zwar indem Kleinhändler eine gesetzliche Regelung, die schon bald „die Warenausstellungen nicht auf einzelne, oft in Abhilfe schuf. fremden Ländern gelegene Orte…zu beschränken

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg 15

Gedenkblatt zur Gewerbe- ausstellung für Rheinland und Westfalen in Düssel- dorf 1852.

(sind), um den ansässigen Stadt- und Landbewoh- übertroffen und die Absatzchancen der ortsansässigen nern Gelegenheit darzubieten, den Ankauf ihrer Be- Firmen enorm gesteigert hatte, folgte erst 1880 die dürfnisse aus nächster Quelle zu beziehen“. nächste Gewerbe- und 1902 die große „Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und be- 113 Firmen präsentierten rund 3.000 Produkte, für nachbarte Bezirke“. Der Kronprinz übernahm die die sich rund 8.700 Besucher interessierten. Schirmherrschaft und kam zusammen mit Reichskanz- Unter Regie des Fabrikanten und früheren Han- ler von Bülow zur Eröffnung am 1. Mai 1902. Für die delskammerpräsidenten Franz Schimmelbusch fand Produkte der 2.500 Aussteller interessierten sich bereits 1838 mit 71 Firmen und rund 6.000 Besuchern bis zum 20. Oktober rund fünf Millionen Besucher. Bei- die nächste heimische „Leistungsschau“ statt. 1852 gab de Ausstellungen hatte die Handelskammer befördert es die erste „Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für und beide sollten den Ruf Düsseldorfs als Messe- und Rheinland und Westfalen“ mit 756 Ausstellern aus dem Ausstellungsort begründen. gesamten preußischen Staatsgebiet, 60.000 Besucher wurden gezählt. Anlass für diese Ausstellung war die Alles, was Recht ist Londoner Weltausstellung 1851, von der die dort aus- Seit Beginn engagierte sich die Handelskammer in der stellenden 192 Firmen aus Rechtspflege. So beschäftigten sie neben handelsregi- dem Regierungsbezirk sterlichen Fragen auch solche des Marken- und Pa- Düsseldorf enttäuscht tentschutzes sowie des Konkursrechts. In erster Linie zurückgekommen wa- aber trat sie für die Errichtung eines Handelsgerichts ren. Obwohl die Aus- ein. stellung von 1852 die So setzte sich die Kammer seit 1863 für ein Mar- Erwartungen weit kenschutzgesetz ein, das nach mehreren Anläufen end-

Postkarte zur Industrie- und Gewerbeausstellung 1902. 175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 16 Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg

Der neue Hauptbahnhof, eröffnet 1891.

gültig 1874 erlassen wurde, dafür aber dem Gesetzes- gewähren – die Errichtung einer Maschinenbauschule entwurf der Kammer fast völlig entsprach. Ebenso und machte sich 1871 für die Institution der Mittel- erfolgreich entschied sie die Auseinandersetzung mit schulen stark. 1886/87 rückte die Idee einer kaufmän- der Handelskammer Köln um den Sitz einer Patentaus- nischen Fortbildungsschule auf freiwilliger Basis in den legestelle für sich, die 1891 in Düsseldorf eingerichtet Vordergrund des Kammerinteresses, die am 1. Oktober wurde. 1913 folgte der Entwurf eines Patent-, 1888 unter Vorsitz des Geheimen Kommerzienrats Wil- Gebrauchsmuster- und Warenzeichengesetzes. helm Pfeiffer, Präsident der Handelskammer von 1886 In punkto Handelsregister votierte die Kammer bis 1895, eröffnet wurde. Unterrichtet wurde dort in 1863 für die Eintragung aller Handelsfirmen, monierte den Abendstunden (also berufsbegleitend!) in den Fä- die ungleiche Behandlung von Eintragungen bei den chern kaufmännisches Rechnungswesen, Buchführung Gerichten (1868) und formulierte 1876 Abgrenzungs- sowie in Korrespondenz in englischer und französischer kriterien für Handel und Handwerk. Ferner forderte sie Sprache. Als 1902 der Fortbildungsunterricht Pflicht 1898 die Mitwirkung der Handelskammern bei der Füh- wurde, entstand neben der Handelskammer-Schule ein rung der Handelsregister. städtisches Institut. 1903 übernahm die Kammer fer- Seit ihrer Gründung trat die Handelskammer mas- ner die Handelsschule für Mädchen, die der Düsseldor- siv für die Einrichtung eines von Kaufleuten gebildeten fer Frauenverein 1897 gegründet hatte. 1908 entließ Handelsgerichts ein, das die preußische Regierung erst die Kammer beide Schulen in die Obhut der Stadt, be- 1862 genehmigte. zuschusste diese aber auch weiterhin. Darüber hinaus lud die Handelskammer seit 1898 Non scholae…. regelmäßig ihre Mitglieder zu wissenschaftlichen Vor- …sed vitae – gemäß diesem Lehrsatz geriet auch die trägen ein, die 1908 auch für den Mittelstand und die Aus- und Weiterbildung recht früh in den Fokus der Arbeitnehmer zugänglich gemacht wurden. Diese Vor- Handelskammer. Bereits 1835 regte sie die Einrichtung tragsreihe bildete den Vorläufer für die Akademischen einer Real- und Gewerbeschule in Düsseldorf an, for- Kurse, die Stadtverwaltung und Kammer ab 1911 ge- derte 1850 – unter Berufung auf das königliche Ver- meinsam ins Leben riefen. Der Vorschlag der Kammer sprechen, Düsseldorf ein polytechnisches Institut zu von 1911, auch für Fabriklehrlinge (= Auszubildende in

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg 17

industriell-technischen Berufen) analog zum Hand- werk Ausbildungs-Abschlussprüfungen einzuführen, Adolf Möhlau konnte vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht mehr Präsident von verwirklicht werden. 1898 bis 1907

Mit der Wirtschaft wachsen Stadt Adolf Möhlau war In- und Handelskammer haber der Blau-Drucke- Das pulsierende Wirtschaftszentrum benötigte Arbeits- rei Ferd. Möhlau & Söhne kräfte. Über die Zuwanderungen aus dem Bergischen (gegründet 1849), einer Land und vom Niederrhein (bis 1870/71) und später Färberei und Zeugdruckerei, auch aus Süd- und Ostdeutschland sowie aus den rus- die den seinerzeit bekannten sischen und österreichischen Gebieten Polens nahm Derendorfer Blaudruck herstell- die Bevölkerung zu: 1882 erreichte Düsseldorf die te. Wie fast alle Spitzen der Düs- 100.000-Grenze und wurde Großstadt. Seit den 60er seldorfer Gesellschaft partizipierte er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Citybildung vo- aktiv am Vereinsleben, so bei der Deutschen rangetrieben, die Stadt um- und neu gestaltet, benö- Kolonialgesellschaft, im Rheinischen Goetheverein tigt wurde Platz für neue Gewerbe und Wohnraum für für Festspiele und im Bergischen Verein für Ge- Arbeitskräfte. Über die Eingemeindungen vergrößerte meinwohl. Sein besonderes Engagement galt je- sich die „anbaufähige“ Fläche Düsseldorfs von 3,75 doch dem Kampf gegen die Tuberkulose. 1908 Quadratkilometern (1854) auf 78,04 Quadratkilometer wurde er zum Kommerzienrat ernannt, auch in sei- (1913). Wichtigster Impulsgeber dieser Entwicklung ner Eigenschaft als Vorsitzender des Düsseldorfer war seit 1860 die Eisen verarbeitende Industrie und hier Vereins für das Gemeinwohl. vor allem der Maschinenbau. Mit steigender Wirtschaftskraft vergrößerten sich auch Aufgabenspektrum und Zuständigkeitsbereich der Handelskammer. Über die Novellierung des preußi- schen Handelskammergesetzes von 1870 gehörten be- reits neben Düsseldorf auch Gerresheim, Erkrath, Eckamp, Ratingen und Hilden zum Handelskammer- Bezirk. 1885 folgte Benrath, 1900 der restliche Land- kreis und über die städtischen Eingemeindungen kam 1909 noch Heerdt-Oberkassel hinzu. Die Vollversamm- lung der Handelskammer wuchs von ursprünglich sechs Mitgliedern (1831) auf 26 Mitglieder vor Aus- bruch des Ersten Weltkrieges. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts manifestierte sich die Tätigkeit der Kammer in fünf ständigen Ausschüs- sen: 1. Jahresbericht, Haushalt und allgemeine Verwal- tung, 2. Industrie und Verkehr, 3. Recht, 4. Kleinhandel und 5. Verwaltung der kaufmännischen Lehranstalten. Diese Entwicklung schlug sich auch in einem ge- steigerten Personalbedarf und einer sich wiederholen- den Raumknappheit nieder: So musste die Handels- kammer mehrfach umziehen, und zwar vom Rathaus (1831-1870) über den Marien- (1870-1880) und Kö- nigsplatz (1880-1890) in die Elberfelder Straße (seit 1890), bis sie endgültig ihre Zelte 1901 im eigenen Neubau an der Graf-Adolf-Straße aufschlagen konnte. Dieser Standort blieb Sitz der Kammer bis zu seiner Das Gebäude der Handels- Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. kammer an der Graf-Adolf-Straße 1901.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 18 Schwere Zeiten – 1914 bis 1945

Schwere Zeiten 1914 bis 1945 Wirtschaft und Handelskammer im Ersten Weltkrieg Unvorbereitet traf der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 auch den Wirtschaftsstandort Düs- seldorf. Bereits seit der Jahrhundertwende hatte sich hier eine blühende und vielfältige Wirtschaft entwickelt, Vorreiter waren die Eisen verarbeitende Industrie und der Dienstleistungssektor (öffentliche und häusliche Dienste, Verbände und Vereini- gungen, Banken und Versiche- rungen). Düsseldorf hatte damit die einst zentrale Funktion El- berfelds für die Bergische und Ruhr-Wirtschaft übernommen und konnte sich mit Städten wie Köln, Frankfurt am Main und Hannover durchaus mes- sen. Düsseldorfer Unternehmen reüssierten bereits 1900 mit der breitesten Produktpalette, wie eine Umfrage der „Vereinigung von Handelskammern des nie- derrheinisch-westfälischen In- dustriebezirks“ (VHKnwI, ge- gründet 1899) bei den ihr an- geschlossenen Kammern ergab. Hatte die verkehrsgeografi- sche Lage der Stadt die bisheri- Arbeitslosigkeit in den 1920er Jahren: Düssel- ge wirtschaftliche Entwicklung dorfer auf Jobsuche. begünstigt, so begünstigte sie nun die Einbindung Düsseldorfs in die Kriegswirtschaft. „Klein-Paris“ wurde Versor- den durften. Ferner war es versäumt worden, Vorrats- gungsstadt für die Westfront, Lazarettstadt – und auf- lager für Rohstoffe und Halbfabrikate anzulegen. Die grund des hohen Anteils der Eisen verarbeitenden In- Blockadepolitik der Entente-Mächte verhinderte da- dustrie – auch Zentrum der Rüstungsindustrie. Das rüber hinaus bis ins Jahr 1919 die Versorgung mit die- bedeutete den kompletten Umbau der industriellen sen dringend benötigten Gütern. Produktion, der zunächst nur zögerlich anlief, weil man Durch Produktionsumstellung und Einberufung allseits mit einem kurzen und erfolgreichen Kriegsver- (von den rund 400.000 Einwohnern Düsseldorfs waren lauf rechnete. Die Umstellung von der Investitionsgü- bis zu 60.000 zeitweise oder ganz im Kriegseinsatz, fast ter- auf die Verbrauchsgüterproduktion (= Rüstungs- 10.000 davon sollten nicht mehr zurückkehren) kam es güter) bedeutete für die Wirtschaft zunächst steigen- zur Stilllegung zahlreicher Betriebe, Arbeitslosigkeit de Auftragseingänge für Waffen, Munition und Trans- war die Folge. Die Verschlechterung der Einkommens- portmittel sowie für Armeekleidung, mittelfristig je- situation wie auch die durch die Kriegswinter 1914/15 doch den Verlust des technologischen Vorsprungs und und 1916/17 („Steckrübenwinter“) zunehmend dra- wichtiger Absatzmärkte, weil nichtkriegsbezogene matische Entwicklung der Versorgungsengpässe führ- Produkte und Verfahren nicht weiter entwickelt wer- ten zu massiven Unterstützungsmaßnahmen seitens

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Schwere Zeiten – 1914 bis 1945 19

der Stadt. Das „Vaterländische Hilfsdienstgesetz“ vom 5. Dezember 1916 verpflichtete darüber hinaus nicht nur die nicht eingezogenen Männer vom 17. bis 60. Lebensjahr zum Dienst in der Rüstungsindustrie oder in kriegswichtigen Einrichtungen, sondern erhöhte auch den Frauenanteil an den Erwerbstätigen und ebnete Der sozialen oder Fürsorge-Pflicht kam die Han- Sanitätswache des Roten Kreuzes auf dem Bilker Bahn- den Weg für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer delskammer nach, indem sie zu Kriegsbeginn die Kauf- hof 1915. durch obligatorische Arbeiter- und Angestelltenaus- leute ermahnte, nicht vorschnell Betriebe zu schließen schüsse in den Betrieben und paritätisch besetzte und Mitarbeiter zu entlassen, um Arbeitslosigkeit und Schlichtungsausschüsse. Am Ende des Krieges stellten Versorgungsengpässen nicht zusätzlich Vorschub zu im Raum Düsseldorf 532 Unternehmen mit über 90.000 leisten. Gefragt war der Rat der Kammer bei der Flut Beschäftigten Kriegsmaterial her: So beschäftigte bei- der sich ständig ändernden Gesetze, Verordnungen und spielsweise die Rheinmetall AG 1913/14 8.000 Mitar- behördlichen Anordnungen für Handel und Industrie, beiter und 1918 48.000 Mitarbeiter, Mannesmann aber auch das aktive Eingreifen, wenn es um Verbesse- erhöhte im gleichen Zeitraum die Beschäftigtenzahl rungen dieser Gesetze und Verordnungen ging. von 10.200 auf 20.500. Engagiert hat sich die Kammer um die Versorgung mit Nahrungsmitteln gekümmert, hier in erster Linie Die Kammer vor neuen Herausforderungen um die Sicherung der Zufuhr über die Eisenbahn, tarif- Der Krieg war der „Vater aller Dinge“ – und nahm des- liche Erleichterungen sowie um eine Steigerung der Le- halb auch Einfluss auf die Handelskammeraktivitäten. bensmittelproduktion. Aktiv hat sie zwei Webstofflager Diese sah sich vor gänzlich fremde und neue Aufgaben der Kriegswirtschafts-AG verwaltet, Roh- und Ersatz- gestellt. Beratend – aber auch federführend – galt es, stoffe sowie Nahrungsmittel zugeteilt. Darüber hinaus den Mangel zu verwalten und Engpässe bei der Versor- galt ihr Augenmerk der Preisfestlegung. Hier benannte gung von Bevölkerung und Armee zu verhindern. Für sie Ende 1915 Beisitzer zum Schiedsgericht für Höchst- die Kriegswirtschaft war die Handelskammer erste An- preise, das sich mit Einführung der Bezugsscheine für laufstelle, wenn Unternehmen Aufträge von der Hee- Bekleidung seit 1916 mit Preisstreitigkeiten beim Ver- resverwaltung erhalten sollten: Auskünfte über Zuver- kauf von Web-, Wirk-, Strick- und Schuhwaren zu be- lässigkeit, Leistungsfähigkeit und Solidität der Firmen fassen hatte. Tätig wurde die Kammer auch, als es 1918 waren hier gefordert. Darüber hinaus war die Kammer- galt, Düsseldorf mit Notgeld zu versorgen. meinung gefragt, wenn es galt, Zurückstellungen vom Um den Eisenbahn-, Güter-, Post-, Telegrafen- und Wehrdienst zu erwirken beziehungsweise die Kriegs- Fernsprechverkehr wenigstens notdürftig für die Wirt- wichtigkeit von Betrieben feststellen zu lassen. schaft aufrechtzuerhalten, hat die Kammer während

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 20 Schwere Zeiten – 1914 bis 1945

dern auch die durch die neun Kriegsanleihen hervorgerufene Entwertung des Geldes, die sich durch hohen Kaufkraftüberhang bei geringer Güterproduktion wie auch durch die fortschrei- tende staatliche Verschuldung enorm beschleu- nigte. Beides, wie auch die Besetzung des links- rheinischen Gebietes mit Brückenköpfen in Köln, Koblenz und Mainz für fünf, zehn beziehungs- weise 15 Jahre diskreditierte die junge Weimarer Republik im Inland rasch, vor allem bei Selbstän- digen und im Mittelstand, soweit diese von Vermö- gensverlusten betroffen waren.

Düsseldorf nach dem Krieg War Düsseldorf während des Krieges stark in die Kriegs- güterproduktion eingebunden, so war die wirtschaft- liche Lage nach dem Krieg hier besonders schlecht. Düsseldorfer Not- geld vom September Arbeitslosigkeit und Versorgungsmangel einerseits so- 1923. wie Kaufkraftüberhang andererseits waren vor Ort in hohem Maße ausgeprägt. Die geforderten Repara- der Kriegsjahre engen Kontakt mit den Eisenbahn- und tionsleistungen ließen im ehemaligen „Rüstungszen- Postbehörden, aber auch mit den Militär- und zivilen trum“ so manche Firma bluten. Als Beispiel sei die Fir- Verwaltungsbehörden des Inlandes und des besetzten ma Rheinmetall genannt, während des Krieges größter Gebietes (Belgien) gehalten. Damit der Außenhandel Arbeitgeber vor Ort, deren Produktionsanlagen nach nicht völlig zum Erliegen kam, setzte sie sich für einen dem Krieg unter Aufsicht der englischen Besatzung zu eingeschränkten Personen- und Warenverkehr mit dem großen Teilen zerstört wurden. Auch der Übergang zur neutralen Ausland ein und bearbeitete zahlreiche An- zivilen Wirtschaft vollzog sich nur schleppend: Rhein- fragen zu Ausfuhr- und Durchfuhrverboten. metall etwa organisierte seine verbliebene Produktion Bereits während des Krieges dachte die Handels- auf „rollendes Eisenbahnmaterial“ um, der erste Wag- kammer nach vorn. Zwei Denkschriften von 1916 ge- gon und die erste Lok konnten jedoch erst 1920 aus- ben Aufschluss darüber, was nach Beendigung des Krie- geliefert werden. ges vordringlich zu erledigen sei: Abbau der Kriegsein- Ferner wurde das städtische (Wirtschafts-) richtungen, Aufbau der Rohstoffversorgung, Ordnung Leben durch den Spartakus/KPD-Aufstand (8. Januar der Staats- und Gemeindefinanzen sowie Wiederbele- bis 28. Februar 1919), die Besetzung Düsseldorfs, Duis- bung des Außenhandels. burgs und Ruhrort durch die französische Armee (8. März 1921 bis 25. August 1925) sowie durch die Ruhr- Zwischenspiel: 1918 bis 1932 besetzung (1923) erheblich behindert. Letztere, wie Der Waffenstillstand von Compiègne (11. November auch der von der Reichsregierung ausgerufene „passi- 1918) und der Friedensschluss mit Unterzeichnung des Versailler Vertra- ges (28. Juni 1919) beendeten den Ers- ten Weltkrieg. Als Erblast der jungen Republik wirkten sich in erster Linie fol- gende Bestimmungen des Versailler Vertrages aus: Anerkennung der Kriegsschuld und damit Verlust der internationalen Gleichberechtigung des Deutschen Reiches sowie finanziel- le Kriegsfolgen. Das betraf nicht nur Umstellung auf zivile Wirtschaft: Dampfpflug der die zu leistenden Reparationen in Form Firma Rheinmetall 1921. von Kohle, Maschinen und Vieh, son-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Schwere Zeiten – 1914 bis 1945 21

ve Widerstand“ brachten der Wirtschaft erhebliche Verluste. Der Kohletransport geriet ins Stocken, Eisen- und Stahlindustrie wurden über Monate unterversorgt, Telegrafen-, Telefon- und Eisenbahnverkehr waren für längere Zeit weitgehend unterbrochen. Daran konnte auch der – trotz guten Willens aller Beteiligten – 1923 von Vertretern der Stadt, der Handelskammer, der Ge- werkschaft und der Besatzungstruppen eingerichtete Wirtschaftsrat kaum etwas ändern. Erst die Währungsreform im Herbst 1923 und das Ende der Ruhrbesetzung sollten das einläuten, was heute allgemein unter den „Goldenen Zwanzigern“ be- kannt ist.

Handelskammer 1919 bis 1932 Neben den politischen Umbrüchen der Nachkriegsjah- re bewegte die Menschen auch die Frage nach der Gestaltung einer künftigen Wirtschaftsordnung. Hier Abzug der französischen sprach sich die Handelskammer Düsseldorf 1919 vehe- Truppen aus Düsseldorf ment gegen die im Reichswirtschaftsministerium ent- am Ratinger Tor 1925. wickelten und am 7. Mai veröffentlichten Pläne einer Planwirtschaft aus. Mit Minister und Unterstaatssekre- tär verschwanden diese nach wenigen Wochen zwar schnell in der Versenkung, Handelskammersyndikus Dr. Otto Brandt wollte aber auf Nummer sicher gehen und trug das Thema deshalb am 4. Juli 1919 dem Haupt- ausschuss des Deutschen Industrie- und Handelstages (gegründet 1861) vor, der diesen Vortrag später auch Postkartenansicht vom Quartier Général publizierte. Tenor: Es „war nicht alles schlecht in des Armees du Rhin. Deutschland, und das Beste und Erfolgreichste in ihm war seine Volkswirtschaft“. bezirkes war direkt nach Beendigung des Krieges von Konkret jedoch beschäftigte sich die Handelskam- den Briten, der Süden bis Benrath von den Belgiern und mer in den ersten Nachkriegsjahren damit, die Produk- die Stadt Düsseldorf sowie der restliche Bezirk seit März tion von Gütern des zivilen Bedarfs wieder in Gang zu 1921 von den Franzosen besetzt worden) fungierte die setzen, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungs- Handelskammer als Mittler zwischen Unternehmen, mitteln, Kleidung, Heizmaterial und Wohnungen zu Besatzern und Stadt. Über eine eigens in Oberkassel organisieren und die Versorgung der Wirtschaft mit eingerichtete Zweigstelle konnten auch die in der bri- dringend benötigten Rohstoffen und Vorprodukten tischen Zone angesiedelten Unternehmen am Dienst- sicherzustellen. Unter dem Vorsitz der Kölner Kammer leistungsangebot der Handelskammer partizipieren. schlossen sich die linksrheinischen Handelskammern Kernpunkt des Kammergeschäftes blieb bis zum Ende sowie einige rechtsrheinische, darunter Düsseldorf, der Besatzungszeit die Beratung der Unternehmen, die zum „Wirtschaftsausschuss für das besetzte Gebiet“ an Rohstoff- und Energiemangel, aber auch am Verlust zusammen. Im Gegenzug wurde der Handelskammer ihrer früheren Absatzmärkte litten. Düsseldorf dafür die „Reichshilfe zur Lohnsicherung Im Jahr 1924 änderte sich mit der Reform der und zur Kredithilfe“ übertragen, was nichts anderes Selbstverwaltung der deutschen Wirtschaft auch der bedeutete, als dass sie sich während des „passiven Name: Seit 1. April 1924 hieß es nun „Industrie- und Widerstands“ um die Einkommenssicherung der Ar- Handelskammer“ – wobei verbal nur zum Ausdruck beitnehmer wie auch um die Liquiditätssicherung der kam, was längst durch die wirtschaftliche Entwick- Unternehmen bemühte, um weitere Firmenzusammen- lung dokumentiert worden war: Die zunehmende brüche zu verhindern. Während der gesamten Besat- Bedeutung der Industrie. Bereits 1919 hatte sich die zungszeit (der linksrheinische Teil des Handelskammer- Handelskammer eine neue Wahlordnung gegeben.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 22 Schwere Zeiten – 1914 bis 1945

gierte sich in den folgenden Jahren für Er- leichterungen im Schiffsverkehr und für die Vereinheitlichung der Tarife. Auch im Eisen- bahnverkehr galt es, im Interesse der Unter- nehmen auf Tarifpolitik, Preis- und Fahrplan- gestaltung Einfluss zu nehmen, den Reisever- kehr zu erleichtern und Anschluss an das Köl- ner Drehkreuz im Personenverkehr zu errei- chen.

Straßenbau Mit dem Auto betrat ein neues Verkehrsmittel die Bühne, auch wenn es in den ersten Jahren noch nicht das Individualfahrzeug schlecht- hin war. So wurde zunächst auf öffentliche Kraftwagenlinien, sprich: Omibusse, gesetzt – die erste Linie verkehrte bereits 1908 vom Ha- fen nach Hamm. Der Überlandverkehr gestal- tete sich jedoch schwierig, 1929 übernahm die Stadt Düsseldorf die Rheinbahn von der 1924 gegründeten und inzwischen Not leidenden „Rheinischen Kraftwagen Betriebsgesellschaft mbH“, um die Städte Solingen, Mülheim und Langenfeld verkehrlich besser anzubinden. Aus der „Handelskammer“ Gewählt wurde nun in Wahlgruppen statt – wie bisher Der Bau von Landstraßen erfolgte über den Ausbau der wurde 1924 die „Industrie- – in Klassen nach Steueraufkommen. Der „Kleinhan- Chausseen, auch gab es bereits erste Pläne für den Bau und Handelskammer“. delsausschuss“ wurde 1921 in den „Einzelhandelsaus- von Autobahnen und Umgehungsstraßen. Das erste schuss“ umbenannt, „Industrie- und Verkehrsaus- Teilstück der ersten Autobahn (Bonn-Köln) wurde 1932 schuss“ wurden getrennt. Hinzu kamen 1924 der vom Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer er- „Großhandelsausschuss“ sowie ein „Kommunalpoliti- öffnet und – östlich von Düsseldorf – weitergeführt ins scher Arbeitskreis“. Die Mitgliederzahl der Vollver- Ruhrgebiet und nach Hannover. sammlung erhöhte sich 1924 auf 39 und 1928 erneut Die Kammer beschäftigte sich in diesem Zu- auf 42 Personen. Neu war auch der Vorstand, dem ne- sammenhang vornehmlich mit Wegebauabgaben, ben dem Präsidenten und seinen zwei Stellvertretern Kraftfahrzeugverordnungen, Fragen der Einführung zunächst zwei, später drei von der Vollversammlung einer Zwangshaftpflichtversicherung und Kraftfahr- gewählte Mitglieder angehörten. zeugbesteuerung wie auch mit der Benutzung öffent- Im Rahmen der kommunalen Neugliederung 1929 licher Wege durch Fuhrwerke. wurde der IHK-Bezirk Düsseldorf neu gefasst. Er be- stand nun aus dem Landkreis Düsseldorf-Mettmann mit den Städten Düsseldorf, Hilden, Kettwig und Ra- tingen sowie den Ämtern Angermund, Eckamp, Erkrath, Hubbelrath und Mintard.

Hafen und Schifffahrt Während des Krieges waren Rheinschifffahrt und Gü- terumschlag fast völlig zum Erliegen gekommen. Be- trug der Hafenumschlag 1913 1,8 Millionen Tonnen 1929 übernahm die Stadt Güter, so sank dieser zwischen 1915 und 1918 auf 0,5 Düsseldorf die Rheinbahn bis 0,6 Millionen Tonnen; erst 1927 konnte das Vor- von der notleidenden „Rheinischen Kraftwagen kriegsniveau mit 1,4 Millionen Tonnen Güterumschlag Betriebsgesellschaft mbH“. annähernd wieder erreicht werden. Die Kammer enga-

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den die IHK bei den Unternehmen kräftig geworben Mit Maschinen vom Typ hatte. Von April bis Oktober 1926 wurden 2.100 Perso- Junkers F 13 betrieb die Lufthansa 1927 die nen befördert, ab 1927 flog die Lufthansa diesen an – Verbindung Düsseldorf – Düsseldorf war damit an das Auslandsnetz der Flugge- Berlin. sellschaft angebunden. Neben diesen Transportfragen beschäftigte sich die IHK auch immer wieder mit dem Nachrichtenwesen, also mit Post, Telegraf, Telefon – und zunehmend auch Das Luftschiff „Deutsch- mit dem Rundfunk. land II“ wurde bei der Aus- fahrt aus der Halle auf der Golzheimer Heide von Handel einer Windböe erfasst und Während der Jahre 1924 bis 1932 nahmen im Handel völlig zerstört. die Anfragen nach Vergleichsverfahren, Ausverkaufs- Flughafen und Versteigerungsanträgen zu. Beklagt wurden von Bereits 1909 waren auf der Golzheimer Heide eine Luft- den Händlern in erster Linie die hohen Mieten. Die IHK schiffhalle und ein Luftschiffhafen der Deutschen Luft- lud daraufhin Einzelhandelsverband und Haus- und verkehrsgesellschaft entstanden, 1911 hatte es sogar Grundbesitzerverein zu einer Aussprache ein. Letzterer schon eine kleine Luftfahrt-Ausstellung gegeben. Die gelobte Besserung und bat in schwierigen Fällen um „Bruchlandung“ des Luftschiffes „Deutschland“ in Düs- Vermittlung durch die IHK. seldorf im selben Jahr dämpfte jedoch die hochflie- Im Interesse ihrer angeschlossenen Einzelhandels- genden Pläne deutlich. Nach dem Ersten Weltkrieg unternehmen wandte sich die IHK gegen den zuneh- wurde der Luftschiffverkehr eingestellt, man setzte menden Bahnhofshandel wie den „Beamtenhandel“, nun auf die moderneren Flugzeuge. Die erste Flugzeug- informierte über Inventur- und Saisonverkäufe, Markt- linie verkehrte zwischen Berlin und Gelsenkirchen und ordnung und Ausnahmesonntage (= verkaufsoffene veranlasste die Handelskammer bereits im November Sonntage) und wandte sich gegen den unlauteren 1920 zu der Forderung, die Linie bis Düsseldorf/Köln Wettbewerb. Ganz modern und entschieden wandte auszudehnen, um Nachtflüge für Geschäftsreisende sich ein Vollversammlungsbeschluss von 1926 gegen anbieten zu können. Das scheiterte jedoch daran, dass das „Rabatt- und Zugabe(un)wesen“, denn: sowohl die technischen Voraussetzungen fehlten, als „Die Rabattgewährung, die in letzter Zeit mehr und auch an den einschränkenden Bestimmungen des Ver- mehr weite Kreise des Einzelhandels zu erfassen sailler Vertrages. Erst 1926 konnte der städtische Flug- sucht, ist geeignet, dem Einzelhandel und der Wirt- hafen auf der Golzheimer Heide eröffnet werden, für schaft empfindliche Schädigungen zuzuführen.“

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So würde nur das „Vertrauen der – gefragt waren Informationen über Zollbestimmun- Käuferschicht“ erschüttert und das gen und Wirtschaftsverhältnisse in den einzelnen Län- Image des Einzelhandels empfindlich dern, über Liefer- und Bezugsadressen – aber auch die beschädigt: Unsolide Kalkulation wür- Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Handel wur- de der Vorwurf lauten! de zunehmend wichtiger. Eine eigens eingerichtete Zollauskunftsstelle wie auch die 1924/25 in Düsseldorf Steuern und Abgaben fest im Blick eingerichtete Reichsnachrichtenstelle für Außenhan- Steuern und Abgaben, aber auch die del (1930 nach Wuppertal verlegt) half den Unterneh- Verschwendung öffentlicher Mittel, men bei der Informationsbeschaffung. belasteten die Wirtschaft – und deshalb Die Kammer organisierte darüber hinaus Auslands- hatte die IHK diese stets fest im Blick. tage, gab Merkblätter zu Außenhandelspapieren, kon- So forderte sie 1924 in der Denkschrift sularischen Vertretungen sowie zu deutschen Zoll- und „Einfluss der Baupolitik der öffent- Außenhandelsvorschriften heraus. Ferner nahm die lichen Körperschaften auf die Wirt- Kammer Stellung zu den Handelsvertragsentwürfen schaftslage“ an den Reichskanzler äu- mit europäischen Staaten, aber auch mit Kanada und ßerste Sparsamkeit mit öffentlichen Siam. Darüber hinaus machte sie sich für die Ansied- Geldern, Beschränkung auf das wirklich lung von Konsulaten und ausländischen Handelsför- Notwendige, feste Preise, Termintreue dereinrichtungen in Düsseldorf stark, so zum Beispiel Eine – 1918 noch vertrau- und vor allem solide Etatansätze – damit keine Mehr- für die Länder Brasilien, Estland und die Niederlande. liche – Denkschrift der ausgaben auf „Pump“ entstünden. Diese Denkschrift Bereits 1924 hatte die IHK-Vollversammlung die Handelskammer Düssel- dorf über „Deutschlands fand in ganz Deutschland große Beachtung – offenbar Leitsätze für eine „thatkräftige Außenhandelspolitik“ Handelspolitik nach dem war die öffentliche Verschwendung nicht nur für die formuliert. Gefordert wurden darin: Beseitigung von Kriege“. Düsseldorfer Wirtschaft ein Problem! Ein- und Ausfuhrverboten, Exportförderung, Werbung Im Fokus standen darüber hinaus die Reichsfinanz- für deutsche Produkte im Ausland, Ausbau des Konsu- und Steuerreform, die Befreiung der Ausfuhr und der latswesens, Aufbau von Auslandshandelskammern, Reparationslieferungen von der Umsatzsteuer, Fragen Mustermessen und Ausstellungen. Im Sinne eines freien des Finanzausgleichs zwischen Reich, Staat und Ge- Warenverkehrs über die Grenzen hinweg begrüßte die meinden sowie einzelne Steuerarten. IHK 1928 den Entwurf zur Gründung des Völkerbundes. Ferner begutachtete die Kammer gemäß ihres ge- setzlichen Auftrages auch die Haushaltspläne der ihr Aus- und Weiterbildung zugehörigen Kommunen und konnte im Jahresbericht Während der Kriegsjahre konnten zunächst keine Ver- 1925 zufrieden feststellen: besserungen für Aus- und Fortbildung erzielt werden. „In allen Fällen hat sich eine Einigung erzielen las- Um die größte Not zu lindern, regte die Kammer 1919 sen; lediglich die Stadt Hilden glaubte, dem Vor- den Bau eines „Ledigenheims“ für junge Kaufleute mit schlag der Kammer nicht Rechnung tragen zu kön- 200 Zimmern an, um dem kaufmännischen Nachwuchs nen, so dass hier besondere Auseinandersetzungen eine sichere Unterkunft am Standort Düsseldorf zu er- notwendig waren. Auch diese sind in durchaus möglichen. freundschaftlicher Weise erfolgt und werden, wie 1921 wurde in der Kammerpublikation „Rheinische zu erwarten ist, zu einem guten Ausgang für beide Wirtschaftszeitung“ ein Beitrag über das „Lehrlingswe- Teile führen“. sen in der Zukunft“ veröffentlicht. 1922 unterstützte die Handelskammer den Aufruf des Berufsamtes an die Außenwirtschaft Unternehmen, auch wirklich jede freie Lehrstelle zu Waren durch den Krieg und die einseitige Ausrichtung melden, wie sie auch während der gesamten 1920er auf die Rüstungsindustrie sowie durch Blockadepolitik Jahre immer wieder an die Pflicht, auszubilden, appel- und Versailler Vertrag die ausländischen Märkte verlo- lierte. Seit 1923 fanden regelmäßig Stenografenprü- ren gegangen, so war die IHK Düsseldorf kurz nach dem fungen statt, wenn auch zunächst ohne ordentliche Kriege bestrebt, die so wichtigen Auslandsbeziehungen Prüfungsordnung. 1925 endlich konnte an das Bemü- wieder zu beleben. hen von 1911, eine Abschlussprüfung auch für indu- Der Wegfall der handelspolitischen Fesseln des striell-gewerbliche Lehrlinge einzuführen, angeknüpft Versailler Vertrages am 10. Januar 1925 löste einen An- werden: Gemeinsam mit der Düsseldorfer Industriel- sturm auf die Außenhandelsabteilung der Kammer aus len-Vereinigung wurde eine Facharbeiterprüfung nebst

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Blick in eine Lehrwerkstatt 1928. dazugehörigem Prüfungsausschuss installiert, ein wei- trieb und den Lerneifer“. Zum Vergleich: In einer IHK- Facharbeiterprüfungs- terer Prüfungsausschuss konnte 1930 in Ratingen ein- Umfrage aus dem Jahr 2004 bemängeln die befragten zeugnis der Industrie- und Handelskammer 1927. gerichtet werden. Die erste Prüfung in Düsseldorf fand Betriebe als größte Ausbildungshemmnisse nicht nur 1925 bei der Jagenberg AG statt, von 24 Prüflingen fehlende Kenntnisse der Schulabgänger in Mathematik bestanden 19. Dazu die Kammer in „Wirtschaft und und Deutsch, sondern auch mangelnde Motivation und Verkehr“: Leistungsbereitschaft! „Alle Beteiligten schieden von der ersten Prüfung 1931 sprach sich die Kammer gegen die Erweite- mit dem Bewusstsein, dass hier ein Weg beschrit- rung der Berufsschulpflicht aus und schloss sich 1932 ten ist, der sicher segensreiche Auswirkungen für mit anderen großen Kammern zu einem Berufsschul- Werkstatt und Jugend zeitigen wird“. verband zusammen, der sich mit Fragen der beruflichen Ausbildung befasste. 1926 wehrte sich die Kammer gegen den Versuch, In Sachen Fortbildung bot die IHK neben den Aka- die Not der älteren kaufmännischen Arbeitslosen über demischen Kursen ihren Vollversammlungs- und Aus- eine Beschränkung der Zahl der Auszubildenden zu lin- schussmitgliedern Vorträge zu speziellen Wirt- dern. Derartige dirigistische Maßnahmen seien völlig schaftsthemen an. Geschäfts- ungeeignet, vielmehr sei der Heranbildung des Fach- führer, wissenschaftliche Mit- kräftenachwuchses größte Aufmerksamkeit zu wid- arbeiter, aber auch Mitglieder men, garantiere diese doch letztlich die Wettbewerbs- des IHK-Ehrenamts referierten fähigkeit der deutschen Wirtschaft. Und das sei, wie zum Beispiel über Themen wie: auch Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, die „Wirtschaft und Reparationen“ das Düsseldorfer Arbeitsamt in vorbildlicher Weise or- oder „Aufgabe und Wege neu- ganisiere, der beste Schutz für Arbeitnehmer zum Er- zeitlicher Verkehrspolitik“. halt des Arbeitsplatzes. 1927 arbeitete die IHK Düsseldorf maßgeblich an Wirtschaftskrise und Auszubildende der Firma den Entwürfen eines Berufsbildungsgesetzes mit und NS-Diktatur Mannesmann stellen sich richtete gemeinsam mit neun Unternehmen unter- Bereits im Winter 1927/28 stagnierte die Industrie- dem Fotografen. schiedlicher Wirtschaftszweige eine Musterlehrwerk- produktion in Deutschland. Der New Yorker Börsen- statt ein. Auch die auf Initiative der IHK organisierte krach („Schwarzer Freitag“ am 25. Oktober 1929) und Ausstellung mit Lehrlingsarbeiten im selben Jahr wur- die Wirtschaftskrise in Deutschland schürten Ängste de ein großer Erfolg. Ziel war es, den Besuchern die Vor- und führten zur Not. Es kam 1930 zum Wahlerfolg der teile einer soliden Ausbildung in der Industrie zu ver- Nationalsozialisten, die stärkste Partei wurden. Infla- mitteln. tion und fehlendes Inlandskapital hatten in den ver- Die Wirtschaftskrise seit 1929 bedeutete auch den gangenen Jahren vermehrt Auslandskapital nach Verlust vieler Ausbildungsplätze. Trotz der schlechten Deutschland fließen lassen, das jedoch – sollten die Wirtschaftslage gab es Anlass zu ungewöhnlicher Kla- Geldgeber selbst in Schwierigkeiten geraten oder ihnen ge. So konstatierte die IHK in ihrem Jahresbericht von die Verhältnisse in Deutschland zu unsicher erscheinen 1930: Die Jugendlichen „lassen sich nicht für ihren – jederzeit wieder abgezogen werden konnte. Eine Stand ausreichend vorbilden, verlieren den Arbeitsan- Notverordnung der Regierung vom 5. Juni 1931 brach-

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Düsseldorf „rüstet“ auf: Blick in die Geschützbau- halle von Rheinmetall im Jahre 1939.

te das Fass zum Überlaufen. Der Versuch von Reichs- tererlasse wurden „Gesetz“) wurden die Weichen für kanzler Heinrich Brüning, Steuererhöhungen, Gehalts- Gleich- und Ausschaltung gestellt. kürzungen und Senkung der Sozialleistungen der Be- völkerung mit folgenden Worten schmackhafter zu Die IHK in der Wirtschaftskrise machen: „Die aufs äußerste bedrohte wirtschaftliche Auch die Düsseldorfer Industrie litt 1928 unter der ab- und finanzielle Lage des Reiches [zwingt] gebieterisch flauenden Konjunktur – wie auch unter den drücken- zur Entlastung Deutschlands von untragbaren Repara- den Reparationsleistungen. Ferner wurde sie zusätzlich tionsverpflichtungen“ wurde im In- und Ausland als durch Streiks in der Eisen- und Stahlindustrie zur Bankrotterklärung der Weimarer Republik verstanden. Durchsetzung höherer Lohnforderungen belastet. Die Firmenzusammenbrüche, Bankkräche und Devisenbe- IHK sah ihre Aufgabe in der Vermittlerrolle: „Maßhal- wirtschaftung führten in eine tiefe Depression. Indu- ten“ müsse für beide Parteien das Gebot der Stunde strieproduktion und Volkseinkommen sanken von 1929 lauten, denn sowohl höhere Löhne würden die Wett- bis 1932 um 40 Prozent, das Arbeitseinkommen sogar bewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf dem Welt- noch stärker. 1931 waren zwischen 4 und 5,6 Millionen markt gefährden, wie auch höhere Preise im Inland Menschen arbeitslos, 1932 wurde der traurige Spitzen- nicht durchsetzbar seien, um Beamte und andere „Fest- wert von 6,1 Millionen erreicht. besoldete“ nicht noch stärker zu belasten. Als „Hüterin Der Vertrauensverlust in Staat und Regierung trieb der Wirtschaft“ machte sich die IHK für das freie Unter- große Bevölkerungskreise in die Arme der radikalen nehmertum stark und wandte sich strikt gegen die Parteien, allen voran die Bauern und den Mittelstand. wirtschaftliche Betätigung von Beamtenorganisatio- Hatten 1928 von 41,2 Millionen Wahlberechtigten 30,8 nen, die eigene Verteilstellen und Banken eingerichtet Millionen ihre Stimme abgegeben und davon 0,8 Milli- hatten. Ein Dorn im Auge waren ihr auch die Versuche, onen (= zwei Prozent) für die NSDAP votiert, so ent- die in bedenkliche Schieflage geratenen Gemeindefi- schieden sich 1933 von 39,3 Millionen Wählern (Wahl- nanzen über den „so beliebten und oft gegangenen berechtigte: 44,7 Millionen) 17,3 Millionen oder 38,7 Weg“ der Gewerbesteuererhöhung zu sanieren, denn Prozent für die Partei Adolf Hitlers. dies helfe nicht aus der Not, sondern verschärfe sie nur. Da über eine demokratische Wahl die absolute Als die Regierung 1930 per Notverordnung Maß- Mehrheit nicht zu erzielen war, kam es zum „Staats- nahmen zur Preissenkung erließ, wurde dies von der IHK streich“ mit „formal legalen Mitteln“: Die Ernennung begrüßt, da sie sich davon positive Auswirkungen auch Adolf Hitlers zum Reichskanzler (30. Januar 1933), die auf die ihr angeschlossenen Unternehmen erhoffte. „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Denn verantwortlich für die Preisgestaltung seien nicht Februar 1933 und das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. zuletzt hohe Energie- und Frachtkosten, staatliche Ab- März des gleichen Jahres machten den Weg frei für den gaben wie Zölle und Steuern, sondern auch Monopole totalitären Staat. Spätestens seit Ende 1933 war die auf Post und Telefon, die die Produktionskosten in die enge Verbindung von Partei-, Staats- und Verwal- Höhe treiben würden. In einer Eingabe an den Reichs- tungsämtern vollzogen, mit dem „Führerprinzip“ (Füh- kanzler machte sie dennoch klar, dass der Preisabbau rerentscheidungen und von diesem gebilligte Minis- „frei von behördlichen Zwangseingriffen“ bleiben

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müsse, denn beispielsweise habe die Preisbindung von Markenartikeln auch eine Schutzfunktion für kleinere Carl Rudolf Poensgen Einzelhändler. PoensgenPräsident von Ebenfalls 1930 entwickelte die IHK einen Zehn- Präsident1908 bis 1933 von Punkte-Katalog mit Reformvorschlägen für Wirtschaft 1908 bis und Staat. Gefordert wurden unter anderem eine Carl Rudolf Poensgen, Staatsgewalt mit einfacher und klar gegliederter Ver- Mitinhaber und Vor- waltung, freie Entfaltung der individualistischen standsmitglied der Wirtschaft, nur subsidiäre öffentliche wirtschaftliche Düsseldorfer Röhren- Betätigung, Abschaffung der staatlich-fürsorgenden und Eisen-Walzwerke Kultur- und Sozialpolitik, Stärkung des Binnenmarktes AG (vormals Poensgen unter Berücksichtigung des Welthandels, sparsames AG) sowie seit 1898 Wirtschaften der öffentlichen Hand „unter weitgehen- Aufsichtsratsmitglied der der Schonung der Steuerquellen“, eine Steuerreform „Industrieterrains Düssel- mit gerechtem Lastenausgleich sowie eine Vereinfa- dorf-Reisholz AG zu Benrath“, chung des Schul- und Bildungswesens. initiierte 1903 gemeinsam mit Noch im Krisenjahr 1932 setzte die IHK Düsseldorf anderen Unternehmern die Grün- weiter auf die Selbsthilfe als erste Voraussetzung für dung der „Arbeitgebervereinigung für die Gesundung der Wirtschaft. Syndikus Dr. Josef Wil- Düsseldorf-Oberbilk und Umgebung“, die sich zum den bemerkte dazu – frei nach Schiller: Ziel setzte, die „hiesigen Arbeitsverhältnisse“ zu „Woran erkenne ich den besten Staat? verbessern. 1901 wurde er zum Kommerzienrat Woran du die beste Frau kennst: und 1911 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. daran, mein Freund, dass man von beiden nicht Verdient gemacht hat er sich ferner 1926 um die spricht.“ „Gesolei“ – Ausstellung für Gesundheitspflege, so- ziale Fürsorge und Leibesübungen – die ein ein- und weiter: drucksvolles Zeichen für Düsseldorfer Lebens- und „Heute spricht man leider auch in Wirtschaftskrei- Aufbauwillen setzte. Darüber hinaus hat Carl Ru- sen viel zu viel vom Staate, von dem man Hilfe dolf Poensgen durch seine internationalen Ver- heischt und Hilfe erwartet.“ bindungen viel für die Entwicklung Düsseldorfs hin zu einem internationalen Handelsplatz geleistet. Düsseldorf nach 1933 Als IHK-Präsident trat Carl Rudolf Poensgen nach Die Reichstagswahl vom 5. März 1933 brachte in Düs- 25-jähriger Präsidentschaft 1933 auf Druck der seldorf kein grundsätzlich anderes Ergebnis als im Nationalsozialisten zurück. Reich: 36,3 Prozent der abgegebenen gültigen Stim- Sein Name und sein Wirken leben bis heute fort men entfielen auf die NSDAP. Von 1932/33 bis 1938 in der anlässlich des 125-jährigen Kammerjubi- fiel die Arbeitslosenzahl von 60.000 (= 25 Prozent) auf läums 1956 gegründeten „C. Rudolf Poensgen- 5.689 (= zwei Prozent). Unabhängig von der Machter- Stiftung e. V. zur Förderung von Führungskräften greifung erholte sich die Wirtschaft nach der langen in der Wirtschaft“. Krise ohnehin merklich über den Aufbau der Lagerbe- stände und über Rationalisierungsinvestitionen. Weite- re konjunkturelle Impulse gingen von Instandsetzungs- Gleichschaltung oder der Anfang vom Ende der programmen und ab 1934/35 von der Aufrüstung wirtschaftlichen Selbstverwaltung (Staatsaufträge für Kasernen, Waffen, Uniformen) aus. Die NS-Durchdringung von Staat, Verwaltung und Ge- Gerade die Düsseldorfer Industrie profitierte davon: Die sellschaft machte auch vor den Toren der Industrie- und Arbeitsplätze in der Metallindustrie wurden von 1933 Handelskammern nicht halt. Wenn auch diese bestehen (31.000) bis 1939 (74.000) mehr als verdoppelt. Poli- blieben, so wurden bereits in den ersten Monaten nach tisch gewollt, wurde auch die Versorgungs- und Ge- der Machtergreifung Präsidien und Geschäftsführung brauchsgüterindustrie angekurbelt: Die Nachfrage ausgetauscht und NS-Funktionären über Scheinwah- wurde bewusst auf heimische Produkte gelenkt, die len zu den Vollversammlungen der Einzug in die „Par- Einfuhr von Konsumgütern beschränkt und der Außen- lamente der Wirtschaft“ ermöglicht. In Düsseldorf wur- handel kontrolliert. de der 70-jährige Carl Rudolf Poensgen, seit 25 Jahren

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Mit dem „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Karl Zucker Aufbaus der Deutschen Wirtschaft“ (27. Februar 1934) Präsident von und der Einführung des Führerprinzips (20. August 1933 bis 1943 1934) endete die Selbstverwaltung der Wirtschaft auch de jure. Ab jetzt beriefen die (systemtreuen) Präsiden- Nach dem erzwunge- ten nach vorheriger „Freigabe“ durch die NSDAP die nen Rücktritt Carl Rudolf neuen Mitglieder der Beiräte (vormals Vollversamm- Poensgens wählten die lungen), aus deren Reihen sie früher frei gewählt wur- neuen Mitglieder der den. Die so ernannten Mitglieder konnten auch – bei Industrie- und Handelskam- unbotmäßigem Verhalten – wieder abberufen werden. mer Düsseldorf am 8. Mai Die Wirtschaft wurde umorganisiert in ein fachlich 1933 den NS-Kommissar Karl und bezirklich geordnetes Kammersystem. Fachlich Zucker, Mitinhaber der Hydro- wurde sie in Fachgruppen auf Bezirks- und Reichsebe- Apparatebau-Gesellschaft, zum IHK- ne gegliedert, bezirklich über Bezirkswirtschaftskam- Präsidenten. Dieses Amt hatte er bis zur mern (wiederum zusammengefasst in der Reichswirt- Auflösung der Industrie- und Handelskammern am schaftskammer), denen die Industrie- und Handels- 31. Dezember 1942 inne. Er blieb aber noch im Amt, kammern sowie die Handwerkskammern unterstellt bis die neue Gauwirtschaftskammer am 31. Mai wurden. Der Bezirkswirtschaftskammer Düsseldorf ge- 1943 ihre Tätigkeit aufnahm. Präsident dieser Ein- hörten danach die früheren IHK-Bezirke Düsseldorf, richtung wurde auf Vorschlag des Gauleiters bis Duisburg, Essen, Krefeld, Mönchengladbach, Solingen zum Ende des Zweiten Weltkriegs Fritz Höfermann, und Wuppertal an. 1936 wurden ebenfalls die Bezirks- Direktor der Commerzbank-Niederlassung Düssel- gruppen der Industrie- und Handelsverbände inte- dorf, seit 1933 Vorsitzender der Düsseldorfer Bör- griert. In der aufgeblähten Organisation kam es durch se und seit 1939 auch Teilhaber des Wuppertaler Kompetenzstreitigkeiten und nicht eindeutig geregel- Bankgeschäftes von der Heydt-Kersten & Söhne. te Zuständigkeiten häufig zu einem unproduktiven Neben- wenn nicht Gegeneinander von „Industrie- und Handelskammerabteilung“ einerseits und „Indu- ununterbrochen Handelskammerpräsident, durch die strie-“ oder „Handelsabteilung“ andererseits. widerrechtliche Besetzung der IHK-Geschäftsstelle In diesem Zusammenhang liest sich die folgende durch NSDAP-Kommissare und SA am 28. März 1933 Passage aus dem IHK-Jahresbericht von 1934 wie ein gedrängt, noch am selben Tag vor der Vollversammlung Dokument zwischen Hoffnung und Resignation: eine Erklärung abzugeben, in der sich die IHK bereit „Die neue Organisation der gewerblichen Wirt- erklärte, „an den großen Aufgaben mitzuwirken, die schaft ist für Düsseldorf als die Stadt, die nächst Herr Reichskanzler Hitler in seinem Regierungspro- Berlin die meisten Wirtschaftsverbände beher- gramm aufgezeichnet hat“. Am 12. April legten Präsi- bergt, von großem Einfluss. Wie sich der Aufbau der dent und Mitglieder der Vollversammlung, nachdem sie wirtschaftlichen Selbstverwaltung unter der Gel- Poensgen zum Ehrenpräsidenten ernannt hatten, ihre tung der neuen Bestimmungen im Düsseldorfer Be- Ämter nieder. Mit den folgenden Wahlen wurden die zirk entwickeln wird, lässt sich jetzt noch nicht jüdischen Vollversammlungsmitglieder wie Oskar Ma- ganz übersehen. Soviel steht aber fest, dass in sei- nes, seit 1910 Vollversammlungs- und seit 1925 Vor- nem Mittelpunkt die Industrie- und Handelskam- standsmitglied der IHK sowie Vorsitzender des Düssel- mer stehen wird, deren Arbeit seit jeher nicht den dorfer Einzelhandels, aus der Wirtschaftsvertretung Belangen einzelner Wirtschaftsgruppen gilt, son- vertrieben. dern dem Dienst an der Gesamtwirtschaft und an IHK-Präsident war nun seit 8. Mai 1933 das NSDAP- dem Gemeinwohl.“ Mitglied Karl Zucker, Mitinhaber der Hydro-Apparate- bau-Gesellschaft. Die Ausrichtung der Kammer änder- Und noch 1935 setzte die IHK auf Rechtstaatlich- te sich spürbar: Zucker forderte bereits in seiner An- keit kontra Willkür: Von 1933 bis 1935 hatte der Reichs- trittsrede die Einbindung der IHK in einen autoritären verband Deutscher Makler (RDM) nichts unversucht ge- Staatsaufbau, auch wäre sie in ihrer Arbeit erfolgrei- lassen, einen jüdischen Immobilienmakler aus der Liste cher, „wenn sie die Durchführung ihrer Beschlüsse und der vereidigten Sachverständigen der Düsseldorfer IHK Anordnungen erzwingen(!) könnte“. entfernen zu lassen. Die gegen den Makler erhobenen

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großdeutschen Traumes“ durch den Anschluss Öster- Bericht über die erste reichs und die Besetzung des Sudetenlandes Wirklich- Sitzung der Wirtschafts- kammer Düsseldorf 1935. keit geworden sei. Der IHK-Jahresbericht von 1938 widmete ferner ein ganzes Kapitel dem Thema „Entjudung der Wirtschaft“ und beschrieb präzise die Rolle, die die IHK darin (zwangsweise) übernommen hatte. Beschrieben wird die Gutachtertätigkeit der Kammer hinsichtlich der „Arisierung“ jüdischer Unternehmen. Begutachtet wer- den musste, ob die Überführung in „arisches“ Eigentum volkswirtschaftlich angezeigt und ob der neue Eigen- tümer sachlich und persönlich geeignet sei. Ferner wur- de der vereinbarte Kaufpreis überprüft. Für die Bewer- tung der Warenbestände ehemaliger jüdischer Ge- schäfte wurden 33 Sachverständige benannt. Hier galt es, die Interessen von Beschäftigten und Gläubigern zu wahren wie auch die Verwertung ehemals jüdischen juristischen Vorwürfe konnte der RDM auf Verlangen Besitzes, etwa Kunstgegenstände, im Sinne „der Belan- der IHK jedoch nicht beibringen, so dass die Kammer ge der Düsseldorfer Fachkreise“ zu betreiben. die Streichung ablehnte, denn „die bloßen Anschuldi- Die nach den November-Pogromen einsetzenden gungen des Maklervereins dürften unseres Erachtens Verfolgungsmaßnahmen – so der IHK-Bericht – hätten nicht genügen, die Streichung durchzuführen“, schrieb „mannigfache Gelegenheiten [für die Kammer] gebo- sie im August 1934. Die gleiche Position vertrat Syndi- ten, die behördlichen Maßnahmen nachhaltig zu kus Dr. Josef Wilden noch im November desselben Jah- unterstützen“. IHK und Registergericht vereinbarten res entschieden und erfolgreich bei seinem Besuch im von diesem Zeitpunkt an bereits bei der Beantragung Reichswirtschaftsministerium. Im Juli 1935 gab der jü- des Handelsregistereintrags die Vorlage des „Arier- dische Makler dennoch auf und legte sein Amt nieder. nachweises“. Der staatliche Zugriff forcierte die Gründung wei- terer Zusammenschlüsse: Beispielsweise in Form von Einzelhandelsvertretungen unter dem Dach der IHK oder als eigene Gruppe Verkehr, die alle Verkehrstrei- benden und -vermittler sowie die Unternehmen der „Hart wie …“ - die Braune Kraftfahrzeugbewirtschaftung umfasste. Neu war Elite drückte auch der auch, dass nun die nicht im Handelsregister eingetra- Berufsausbildung ihren genen Minderkaufleute (heute: Kleingewerbetreiben- Stempel auf. de) in der Kammer vertreten waren, ihre Position wur- de 1936 durch die Berufung ihres Repräsentanten Karl Rieth zum Vizepräsidenten noch gestärkt. Ferner wur- den die Gremien neu geordnet. Fortan gab es je einen Ausschuss für Einzelhandel, Großhandel, Großindustrie sowie für kleinere und mittlere Industrie.

„Kammeraufgaben“ im Sinne der NS-Ideologie 1938 wurde Syndikus Dr. Josef Wilden aus dem Amt ge- drängt und durch den strengen Parteisoldaten und Gauwirtschaftsberater Emeran Amon ersetzt. Gang- und Tonart verschärften sich abermals. Der Jahresbe- richt von 1938 wertete rückblickend das Jahr denn auch als „Jahr der politischen Ernte nach fünf Jahren gewaltigster Aufbauarbeit der nationalsozialistischen Führung“, in dem die „Erfüllung des jahrhundertealten

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Aufgaben – fast ohne „politischen“ Anstrich Seit 1935 engagierte sich die IHK mit Einführung Neben dieser staatlich verordneten Tätigkeit blieb die der Lehrlingsrolle noch stärker als bisher in der Berufs- Kammer – wenn auch in eingeschränktem Maße – ih- ausbildung. 15 Prüfungsausschüsse mussten gebildet ren angestammten Aufgaben in den Themen Verkehr, werden, die 1935/36 200 Kaufmannsgehilfen prüften, Handel, Außenwirtschaft und Berufsausbildung treu. von denen 150 bestanden. Geprüft wurden aber auch In welchem Maße diese jedoch vom Staat beschnitten 68 Lehrlinge in Kurzschrift und Maschineschreiben so- worden waren, zeigte bereits der IHK-Jahresbericht wie 443 industriell-gewerbliche Lehrlinge. Aufgrund 1936: Er war gegenüber den Vorjahren um die Hälfte ihrer „umfangreichen Erfahrungen“ bot die IHK darü- geschrumpft, auch enthielt er nicht mehr – wie bis da- ber hinaus ihre Mitwirkung bei der Erarbeitung eines hin – einen Bericht zur allgemeinen Wirtschaftslage. Berufsbildungsgesetzes an. Die IHK engagierte sich beispielsweise im Rahmen der Neuordnung des Güterfernverkehrs, setzte sich für Das Ende der NS-Diktatur – eine neue D-Zugverbindung Essen-Heidelberg ein und die Kammern werden aufgelöst arbeitete aktiv an der Fahrplangestaltung wie an der Mit der Gauwirtschaftskammerverordnung vom 20. Verbesserung des Gütertarifs sowie an der Vermarktung April 1942 wurden die Industrie- und Handelskammern anlässlich der Ausstellung „Schaffendes Volk“ 1937 in geschlossen. Dies bedeutete den endgültigen Verlust Düsseldorf mit. Ferner wollten – ebenfalls ab 1937 – in der Selbstverwaltung, von der ohnehin kaum noch die zunehmendem Maße Anträge auf „Erteilung der Er- Rede sein konnte. Die Kammern wurden zum „Hilfs- laubnis zur Errichtung, Erweiterung oder Verlegung mittel des Staates zur Organisation der Kriegswirt- von Versandgeschäften“ geprüft werden. schaft“. In enger Zusammenarbeit mit dem Reichsnährstand erstellte sie Gutachten für Eierhandel, Fleisch- und Fischwirtschaft und richtete 1936 das Einigungsamt für Wettbewerbsstreitigkeiten ein. Im Rahmen der Rohstoff- und Devisenbewirtschaf- tung stellte sie „Notwendigkeitsbescheinigungen“ über die Zuteilung von Zahlungsmitteln bei Auslandsreisen aus und begutachtete Devisenanträge, für die bei Be- willigung „Dringlichkeitsbescheinigungen“ ausgestellt wurden. Im Außenhandel kam der 1924/25 eingerichteten Außenhandelsstelle eine völlig andere Bedeutung zu: Über den „Aufbau der Bestand ihr Kerngeschäft ursprünglich in der Informa- Gauwirtschaftskammer“ tionsbeschaffung für deutsche Unternehmen, so wur- hielt der Leiter der Reichs- de sie nun in Maßnahmen „zur Bekämpfung der Greu- wirtschaftskammer 1942 einen Vortrag in Düssel- elhetze und Boykottbewegung im Auslande“ einge- dorf. bunden.

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Gemeinsam mit Wirtschafts- und Handwerkskam- Während des Krieges wurde die Kammer mehr und Die Bildkollage oben zeigt mern sowie sonstigen Wirtschaftsorganisationen mehr zum verlängerten Arm des Reichswirtschaftsmi- von links: Lageplan zur Ausstellung „Schaffendes wurden die IHKs in die Gauwirtschaftskammer nisteriums. So beschäftigten sie Fragen der Preisbin- Volk“ im Jahre 1937, den (= deckungsgleicher Bezirk mit NS-Gauen) überführt, dung, vornehmlich der Festlegung von Einheitspreisen Stand der Firma Henkel, unter deren Dach sie de facto bis Kriegsende weiter exi- für Rüstungsaufträge, aber auch Themen der „Nach- den Pavillon der Mannes- stierten. Da sich der Konflikt um die Besetzung des Prä- wuchslenkung“. Wie bereits im Ersten Weltkrieg stand mann Röhrenwerke AG sowie Infotische zur sidentenamtes in der Gauwirtschaftskammer Düssel- die Versorgung der „kriegswichtigen gewerblichen industriellen Berufsausbil- dorf zwischen Gauleitung einerseits und den Reichsmi- Wirtschaft mit Arbeitskräften, Kohle und Energie“ da- dung. nisterien Wirtschaft und Rüstung andererseits hinzog, bei an erster Stelle. fand die konstituierende Sitzung erst am 7. März 1944 Neben der Einbindung in die Kriegswirtschaft prüf- statt, so dass die Gauwirtschaftskammer praktisch kei- te die IHK 1942 1.333 kaufmännische und 1.677 ge- ne Aktivitäten mehr entfalten konnte. Präsident wur- werbliche Lehrlinge. In die Lehrlingsrolle eingetragen de nicht Karl Zucker, sondern der Direktor der waren zum damaligen Zeitpunkt 2.913 „Stifte“. Commerzbank-Niederlassung, Fritz Höfermann. Für Düsseldorf endete die NS-Diktatur am 17. April 1945 mit der Besetzung durch US-ameri- kanische Truppen, die die Stadt kampflos übernahmen. Düsseldorf war ein Trümmer- feld, Deutschland lag am Boden – und wappnete sich für den Wiederaufbau.

Einmarsch der amerikani- schen Truppen in Düssel- dorf am 17. April 1945.

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Wiederaufbau: Das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg

auch durch die Rückkehr der deutschen Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft. Mit dem kontinuierlichen Wiederaufbau der Industrie wurden ferner Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostdeutschland und Osteuropa angezogen, auch gab es einen Zustrom von Arbeitskräften, die aus der Landwirtschaft abwanderten. Begünstigt wurde – wie in der ge- samten, von den Alliierten besetzen Westzone Deutschlands – der Wiederauf- bau in erster Linie durch die grundsätzli- che Übereinkunft, wie sich die wirt- schaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland gestalten sollten. Zur Diskussion standen von September 1944 bis 1947 der Plan des amerikanischen Finanzministers Henry Morgenthau, der die vollständige Ver- nichtung des industriellen Produktions- kapitals bedeutet hätte, ferner der Plan, große Teile der Wirtschaft zu verstaat- lichen und drittens die von Walter Eu- cken, Wilhelm Röpke, Franz Böhm und Alfred Müller-Armack entwickelte Idee der „Sozialen Marktwirtschaft“. Erst mit der Tolerierung dieser Idee durch die US- amerikanische Besatzung seit der zwei- ten Jahreshälfte 1948 wurde es möglich, Die Königsallee war im Trostlos präsentierte sich Düsseldorf in der Stunde dass „Deutschlands Weg zum Frieden“ eben nicht – wie Jahr 1946 wieder von Null: Nach Kriegsende war die Stadt zu 50 Prozent zer- seinerzeit Trümmern befreit. stört, 80 Prozent der Handelsgeschäfte existierten nicht von Morgenthau gewünscht – „über den Bauernhof mehr und zwei Fünftel der Industrieanlagen waren führt(e)“. ebenfalls nicht mehr vorhanden. Sämtliche Rheinbrük- Verwirklicht wurde die „Soziale Marktwirtschaft“ ken waren gesprengt worden, zehn Millionen Kubik- nach der Währungsreform (20. Juni 1948) von Ludwig meter Schutt und Trümmer bedeckten Straßen und Erhard, seit März 1948 Direktor der bizonalen Wirt- Plätze. Von 535.800 Einwohnern im Mai 1939 lebten im schaftsverwaltung. Neben der „Sozialen Marktwirt- April 1945 noch 185.000 in Düsseldorf. schaft“ und der Währungsreform wurde das nun fol- Dass es trotz dieser Zerstörungen in relativ kurzer gende „Wirtschaftswunder“ angeschoben durch die Zeit gelang, Düsseldorf wieder aufzubauen, ist mehre- Devisenhilfe des Marshall-Plans (1,3 Milliarden US-Dol- ren Faktoren zu verdanken. So erhöhte sich die Ein- lar von 1948 bis 1952), dem erklärten Willen und der wohnerzahl bis 1951 erneut auf 541.517 durch die Rük- großen Bereitschaft der Bevölkerung zum Wiederauf- kkehr sowohl der vormals evakuierten Bevölkerung wie bau, einem Reservoir gut ausgebildeter Arbeitskräfte,

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dem Vorhandensein eines ausgeprägten unternehme- rischen Know-hows wie auch der zunehmenden Öff- Niels von Bülow nung der westeuropäischen Industriemärkte. Neben Präsident von 1945 bis 1946 der Demontage, die in Düsseldorf bis Oktober 1947 24 Werke mit 18.000 Arbeitsplätzen betraf (darunter Niels von Bülow, Vorstandsvor- die Firmen Rheinmetall, Hasenclever, Schenk, Liebe- sitzender der Aktiengesell- Harkort, Schiess-Defries, Stahlwerke Klöckner, Haniel & schaft der Gerresheimer Glas- Lueg, Deutsche Röhrenwerke und Mannesmann-Röh- hüttenwerke vorm. Ferd. Heye, renwerke) gab es zahlreiche Neugründungen von und politisch unbelastet, wurde Unternehmen, auch durch Flüchtlinge oder Vertriebe- im April 1945 von der US-ame- ne. So wurde 1950 von der in Ingolstadt neu gegrün- rikanischen Militärregierung deten Auto Union auf einem Gelände der Rheinmetall zum IHK-Präsidenten ernannt. Borsig AG in Düsseldorf die Pkw-Produktion aufge- Neben dem Ausbau des Unternehmens zum größ- nommen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die De- ten deutschen Glashersteller ließ von Bülow Ar- montage auch eine Chance enthielt: Der Wiederaufbau beiterwohnungen bauen, schuf Weiterbildungs- beziehungsweise die Neuaufnahme unternehmerischer möglichkeiten für seine Werksangehörigen und Tätigkeit setzte Modernisierungskräfte frei, die halfen, gründete im Wintersemester 1951/52 zur Fortbil- den während der Kriegsjahre vernachlässigten techno- dung von Angestellten und Arbeitern eine Volks- logischen Vorsprung der anderen Industriestaaten wie- hochschule in Gerresheim. Als IHK-Präsident der aufzuholen. setzte er sich vornehmlich für die Erteilung von Produktionsgenehmigungen ein. Im März 1946 Die Auferstehung enthob ihn die Militärregierung seines Amtes, der wirtschaftlichen Selbstverwaltung angeblich, weil er eine Besatzungsverordnung Mit Kriegsende waren die Gauwirtschaftskammern nicht beachtet hatte. 1948 wurde er erneut in die aufgelöst worden. Sowohl die Industrie- und Handels- Vollversammlung der IHK Düsseldorf gewählt. kammern als auch die Handwerkskammern konnten – 1966 ernannte ihn das „Parlament der Wirtschaft“ von den Einwirkungsmöglichkeiten der Alliierten ein- zum Ehrenmitglied, zwei Jahre zuvor hatte ihn das mal abgesehen – ihre Tätigkeit wie vor 1933 wieder oberste Kammergremium bereits mit der Goldenen aufnehmen. Die IHK Düsseldorf tat dies bereits vor dem Ehrenplakette ausgezeichnet. 8. Mai 1945: Am 25. April 1945 wurde der frühere Hauptgeschäftsführer, Dr. Josef Wilden, mit der Reor- ganisation der Kammer beauftragt. Zuständig war die den, Kettwig und Ratingen sowie den Gemeinden IHK damit für den Wiederaufbau in ihren Bezirksgren- Angermund, Breitscheid, Eckamp, Eggerscheid, Erkrath, zen von 1929, also für die Stadt Düsseldorf und den Hasselbeck, Hösel, Homberg-Bracht-Bellscheid, Hub- Landkreis Düsseldorf-Mettmann mit den Städten Hil- belrath, Lintorf, Meierberg, Metzkausen und Wittlaer. Quartier nahm die IHK zunächst Die der Demontage unterliegenden Betriebe in der Verteilung auf die im Gebäude der Commerzbank an Einzelzweige der Industrie im Kammerbezirk Düsseldorf der Benrather Straße, musste die- se Räume aber bereits im August Ausfälle durch Demontage auf der Grundlage der Zahlen vom Jahre 1936 an 1946 wieder verlassen, um darauf Zahl der in die Räume der Firma C. & A. Industrie- zu demon- Brutto- direktem Brenninkmeyer in die Schadow- zweig tierenden Produktions- Arbeits- Export Betriebe werten straße zu ziehen. Seit 1948 be- plätzen (in 1.000 RM.) (in 1.000 RM.) mühte sich die Kammer um den Wiederaufbau ihres 1943 zerstör- Großeisenindustrie 7 8.080 104.613 30.300 ten Gebäudes in der Graf-Adolf- Maschinenbau 22 17.330 123.832 20.300 Straße, in das sie aber erst – nach Sonstige Zweige 1) 4 1.590 56.155 400 einem weiteren Zwischenstopp in insgesamt 33 27.000 284.600 51.000 der Bahnstraße – 1951 zurückkeh- 1) Zahlen z. T. geschätzt ren konnte. Quelle: Düsseldorf vor neuen Aufgaben, Schriftenreihe der IHK Düsseldorf, 1948.

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Dr. Hermann Bohley bestellt. Nachdem die vorläufige Professor Dr. Josef Wilden IHK-Satzung am 17. Juli 1945 gebilligt worden war und Präsident von 1946 bis 1949 die Militärregierung die IHK in ihrer „Verordnung zur Organisation der Wirtschaft“ vom 25. November 1945 Professor Dr. Josef Wilden ist ausdrücklich anerkannt hatte, wurde die Wahlordnung der einzige Hauptgeschäfts- der IHK vom NRW-Wirtschaftsminister im März 1947 führer einer Industrie- und bestätigt. Im Herbst 1947 folgten die ersten freien Handelskammer, der später Kammerwahlen nach dem Krieg, die konstituierende zum Präsidenten ernannt wur- Sitzung der Vollversammlung am 17. Oktober 1947 be- de. Von 1922 bis zu seinem er- stätigte Dr. Josef Wilden in seinem Amt als IHK-Präsi- zwungenen Rücktritt 1938 und dent. Ferner beschloss die Vollversammlung 1947 die erneut in den Jahren 1945/46 Einsetzung von elf Ausschüssen. Hinzu kamen 1951 der war Wilden Hauptgeschäfts- Handelsvertreter- und 1955 der Fremdenverkehrsaus- führer der IHK Düsseldorf. Als schuss. Prokurist des August Bagel Ver- Im Fortgang dieser Restitutierung spielte die Frage lages wurde er nach der Abberufung von Bülows nach der weiteren Organisationsform der IHK eine we- durch die US-amerikanische Militärregierung 1946 sentliche Rolle, ob nämlich die Mitgliedschaft künftig in das Präsidentenamt der IHK Düsseldorf gewählt. auf freiwillige oder verpflichtende Basis zu stellen sei. 1949 wurde Wilden Vizepräsident, 1952 Ehren- IHK-Präsident Wilden votierte in diesem Zusammen- präsident der IHK Düsseldorf. Bekannt geworden hang 1948 für die Beibehaltung der Pflichtmitglied- ist Josef Wilden auch über seine zahlreichen Auf- schaft, denn nur als „Vertretung des Handels und der sätze, Bücher und Schriften, in denen er sich mit Industrie als Ganzheit“ könne die Kammer das „Inte- Kunst und Wissenschaft, Politik und Volkswirt- resse aller Handels- und Gewerbetreibenden ... wahren“. schaft, aber auch mit der Stadtgeschichte Düssel- Am 23. April 1948 beschloss die Vollversammlung da- dorfs und der Kammerhistorie befasste. Wilden raufhin ausdrücklich, am IHK-Status „Körperschaft engagierte sich darüber hinaus in vielen Ehrenäm- öffentlichen Rechts“ festhalten zu wollen. tern, etwa als Vorsitzender des Kunstvereins für die Kontrovers diskutiert wurde in den ersten Nach- Rheinlande und Westfalen oder als Vorsitzender kriegsjahren auch die Frage nach der paritätischen Be- der Gesellschaft von Freunden und Förderern der setzung der IHKs mit Arbeitnehmern. Als Interessen- Kunstakademie Düsseldorf. vertretung der Wirtschaft vor Ort lehnte die IHK dieses Ansinnen ab, plädierte jedoch für die Beibehaltung des Wirtschaftsausschusses, dem neben Vertretern der In- Neben ihren wechselnden Hauptsitzen unterhielt dustrie- und Handels- sowie Handwerkskammern auch die IHK darüber hinaus nach dem Kriege für kurze Zeit Gewerkschaftsvertreter angehörten. Dieser Ausschuss eine Außenstelle in Oberkassel und bis Anfang 1954 beschäftigte sich vorwiegend mit Fragen der Demon- eine in Benrath sowie Sprechstunden mit „Vertrauens- tage, Energieversorgung oder Preisgestaltung, aber männern“ aus der IHK-Geschäftsführung in den Land- auch mit den Folgen der Währungsreform. Für das The- kreisgemeinden vor Ort. Ferner gab es seit Anfang der ma „Soziale Marktwirtschaft“ konnte die IHK 1948 1950er Jahre regelmäßige Treffen mit Wirtschafts- und einen sehr prominenten Redner gewinnen: Ludwig Städtevertretern in Mettmann. Lokale Arbeitskreise, Erhard referierte über dieses neue Wirtschaftsmodell. etwa für Hilden, Kettwig und Ratingen, kamen erst Anfang der 1960er Jahre hinzu. IHK-Aufgaben in der Phase des Wiederaufbaus Neuer IHK-Präsident wurde nach dem Kriege Niels Mit drei Abteilungen (Industrie, Handel und Allgemei- von Bülow, Vorstand der Gerresheimer Glashütte. Die- nes) kam die IHK Düsseldorf der Bitte von Düsseldorfs sen enthob die britische Militärregierung bereits am Oberbürgermeister Wilhelm Füllenbach nach, sich um 25. März 1946 wieder seines Amtes, angeblich wegen die „an die Stadtverwaltung gelangenden Angelegen- Nichtbeachtung einer Besatzungsverordnung. Zum heiten der Industrie, des Handwerks, des Großhandels, nächsten IHK-Präsidenten ernannt wurde daraufhin des Einzelhandels, des Handelsvertreter-Gewerbes und am 12. April 1946 Dr. Josef Wilden, inzwischen Vize- des ambulanten Gewerbes“ zu kümmern. Dabei galt präsident und Prokurist des August-Bagel-Verlages. Zu es zunächst, die Versorgungsprobleme der Bevölke- seinem Nachfolger als Hauptgeschäftsführer wurde rung mit Wohnraum, Nahrungsmitteln und Kleidung

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allgemeiner wirtschaftspolitischer Bedeutung, an 1951 konnte die IHK deren Diskussion sie aktiv teilnahm. Das traf in ers- anlässlich der Einweihung des wieder aufgebauten ter Linie auf die Zeit der Präsidentschaft von Pro- Kammergebäudes an der fessor Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider von 1949 bis Graf-Adolf-Straße als 1968 zu, insbesondere für die Jahre 1963 bis prominenten Gastredner 1969, als Schneider auch Präsident des Deut- Bundeswirtschaftminister Ludwig Erhard begrüßen. schen Industrie- und Handelstages war. So protestierte die IHK-Vollversammlung etwa 1954 gegen den in ihren Augen völlig unzurei- zu lösen sowie die chenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fi- Unternehmen mit Brennmaterial, Fachar- nanz- und Steuerreform – den sie, wie auch der dama- beitskräften und Produktionsräumen zu versorgen. lige NRW-Finanzminister Flecken, schlichtweg ablehn- Aber auch der Spagat zwischen Ingangsetzung der Pro- te. Das oberste Gremium der Kammer forderte statt- duktion einerseits und den Demontage-Absichten der dessen die Entlastung mittlerer Einkommen, Gewinn- Alliierten andererseits wollte gemeistert werden. Mehr- ermittlung nach betriebswirtschaftlichen Grundsät- fach gelang es hier, gemeinsam mit der Wirtschafts- zen und Steuersenkungen – eine Ergänzungsabgabe verwaltung und den Gewerkschaften für betroffene wurde hingegen abgelehnt. Im März 1956 gelang es Unternehmen einen Demontagestopp oder einen Auf- Präsident Schneider in einer mehrstündigen Unterre- schub zu erwirken. Bereits in ihrer ersten Sitzung ap- dung endlich, Bundesfinanzminister Fritz Schäffer von pellierten die IHK-Vollversammlungsmitglieder an die einer „wenn auch temporären“ Steuersenkung zu über- Alliierten, die Demontageliste zu überprüfen, denn „der zeugen. Wert der Demontage (lässt) sich ebenso wenig durch einfache Addition von Kapazitätszahlen ausdrücken Gebäudeschäden in Düsseldorf (…), wie man das menschliche Herz im Verhältnis zum übrigen Körper in seinem Wert gewichtsmäßig beur- Art Bestand im schwer be- Total- Schwer- und Total- der Gebäude Jahre 1939 schädigt schaden schaden insgesamt teilen kann.“ Alle Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern Zahl mussten darüber hinaus seit Mai 1945 einen Antrag auf Wohngebäude 37.000 5.680 12.580 18.260 Produktionserlaubnis stellen. 1.800 solcher Anträge be- Geschäfts- und gutachtete die IHK 1946. Für kleinere Unternehmen Lagerhäuser 6.586 1.560 3.676 5.236 stellte die IHK so genannte Wiederanlaufgenehmigun- Industriebetriebe 956 175 220 395 270 gen aus. Betriebe, denen beides versagt wurde, mussten Öffentl. Gebäude 490 125 145 geschlossen werden. Die IHK riet in diesen Fällen häu- in Prozent fig zur Umstellung der Betriebstätigkeit oder zur „Neu- Wohngebäude 100 15 35 50 aufnahme von für die Gesamtheit wichtiger und vor- Geschäfts- und dringlicher Fertigungen“. Darüber hinaus beschäftigten Lagerhäuser 100 24 55 79 die IHK Fragen der wirtschaftlichen Verwendung von Industriebetriebe 100 18 23 41 Brennmaterial, die Zuteilung von Acetylen und Treib- Öffentl. Gebäude 100 26 29 55 riemen, die Zulassung von Groß- und Einzelhandelsbe- Quelle: Düsseldorf vor neuen Aufgaben, Schriftenreihe der IHK Düsseldorf, 1948. trieben sowie die Zulassung für Handelsvertreter, aber auch die Zulassung von Kraftfahrzeugen, womit man- cher Ärger verbunden war. Da Kommunikationsmittel Anlässlich einer weiteren Diskussion über die Wirt- wie Telefon und Post noch nicht wieder instand gesetzt schaftspolitik Deutschlands verabschiedete die IHK- worden waren, erforderten all diese Aktivitäten das Vollversammlung am 21. November 1955 eine Stel- persönliche Gespräch – ein zeitraubendes und oft müh- lungnahme, in der sie – wie auch der Bundesfinanzmi- sames Geschäft für beide Seiten. nister und die Bank deutscher Länder – an das „Maß- halten bei Preisen und Löhnen“ appellierte. Allgemeine wirtschaftspolitische Fragen, Ebenso engagiert vertrat die IHK die Interessen der Recht und Steuern Wirtschaft in der Landesgesetzgebung. Seit 1947 be- Wie schon in der Zeit vor 1933, so beschäftigten die IHK schäftigte sich ein Ausschuss unter Leitung von Präsi- Düsseldorf in der Nachkriegszeit auch stets Fragen von dent Dr. Josef Wilden mit der Ausgestaltung der Lan-

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Professor Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider Präsident von 1949 bis 1968

Eine der bedeutendsten Un- gen-Stiftung e. V. zur Förderung von Führungskräf- ternehmerpersönlichkeiten der ten in der Wirtschaft. Schneider genoss als Berater in deutschen Nachkriegszeit war der Politik hohes Ansehen. von 1949 bis 1968 Präsident der Neben seinen zahlreichen Ehrenämtern widmete IHK Düsseldorf und von 1963 bis sich Ernst Schneider als Gegengewicht zu seiner wirt- 1969 auch Präsident des Deut- schaftlichen Tätigkeit der Kunst und Literatur. So schen Industrie- und Handelsta- sammelte er neben moderner Kunst altes Meissner- ges: Professor Dr. Dr. h. c. Ernst Porzellan, Silber und Möbel aus dem 18. Jahrhundert. Schneider. Schneider promovierte Große Teile seiner Sammlung sind heute in Schloss 1922 zum Dr. rer. pol., wurde Mitarbeiter einer Lustheim bei München, ein kleinerer Teil in Schloss Schweizer Finanzgruppe und später Juniorpartner Jägerhof in Düsseldorf zu besichtigen. Schneider war des Berliner Industriellen Dr. Siegfried Arndt (unter Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und anderem Odol-Werke). Nach dem Kriege verlegte Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepu- Schneider den Firmensitz nach Düsseldorf, wurde blik Deutschland, Träger des Großen Ehrenrings der Vorstandsvorsitzender der Konzernmutter Kohlen- Stadt Düsseldorf und Ehrendoktor der Medizinischen säure-Industrie AG sowie deren Töchter, der Lingner- Fakultät der Universität Düsseldorf. Das Land Nord- und Odol-Werke. Ferner betätigte er sich als Unter- rhein-Westfalen ernannte ihn in Anerkennung seiner nehmer im Stahl- und Schiffsbau sowie in der Che- Verdienste zum Professor ehrenhalber. Die Vollver- mischen und Kosmetischen Industrie. Schneider war sammlung der IHK Düsseldorf berief Ernst Schneider Verfechter der freien Marktwirtschaft und der Wett- 1972 zu ihrem Ehrenpräsidenten. Heute erinnern an bewerbsfreiheit, Mahner einer vernünftigen Preispo- sein Wirken der 1970 noch von ihm ins Leben geru- litik, Vorreiter der Globalisierung und Förderer des fene „IHK-Ernst-Schneider-Medienpreis“, mit dem unternehmerischen Nachwuchses. Sein Interesse als die Kammern jährlich vorbildliche Wirtschaftssen- Kammerpräsident galt der Gesellschafts- und Bil- dungen in Fernsehen und Hörfunk sowie inzwischen dungspolitik sowie der Intensivierung der Öffent- auch in der Zeitungsberichterstattung auszeichnen, lichkeitsarbeit von Unternehmen und Kammer hin zu die Hausanschrift der IHK Düsseldorf „Ernst-Schnei- einer möglichst großen Transparenz wirtschaftlicher der-Platz 1“ sowie der 1983 von DIHK und IHKs Tatbestände für alle Marktteilnehmer. So gehörte er gestiftete Ernst-Schneider-Brunnen in seinem zu den Gründervätern der Kammergemeinschaft Geburtsort Heldenbergen, der heute zur Gemeinde Öffentlichkeitsarbeit wie auch der C. Rudolf Poens- Nidderau gehört.

desverfassung, in der wirtschaftliche Belange stärker IHKs erneut die Aufgabe, Sachverständige zu berufen berücksichtigt werden sollten. 1953 fand erstmals – ge- (was die Kammern bereits seit dem preußischen Kam- meinsam von den IHKs Düsseldorf, Neuss und Solingen mergesetz von 1870 getan hatten). Wieder eingerich- ausgerichtet – ein „Bierabend“ mit Richtern, Staatsan- tet wurde bei der IHK 1957 auch die Einigungsstelle wälten und Handelsrichtern zum Thema „unlauterer für Wettbewerbsstreitigkeiten, wie es sie bereits seit Wettbewerb“ statt. 1932 gegeben hatte, deren gesetzliche Grundlage aber Im Rechtsgeschäft galt es auch, sich gegen „Sach- 1945 von den Alliierten außer Kraft gesetzt worden bezeichnungen oder gar Phantasienamen anstelle des war. Inhabernamens“ auszusprechen (1954), oder zu klären, ob „Napoleon“ eine übliche Bezeichnung für Wermut Lokale und regionale Standortpolitik sei (1955) oder aber festzustellen, dass eine Beimi- 1948 formulierte die IHK als Akteur lokaler und regio- schung von 35 Prozent Erdnüssen im Studentenfutter naler Standortpolitik ihre Vorstellungen von der zu- eine Täuschung des Verbrauchers darstelle (1955). Da- künftigen Gestaltung des IHK-Bezirks. Um die „Innen- rüber hinaus übertrug der Landesgesetzgeber 1957 den stadt als City“ stärker zu betonen, sollte dort die An-

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siedlung von Großgewerbe unterbunden, dafür 1955 lud die Kö erneut aber die Ansiedlung von „Verwaltungsbetrieben zum Bummeln und Verwei- len ein. aller Art, Großhandel, qualifiziertem Einzelhan- del, besonderen Erscheinungen der freien Berufe etc.“ sammenhang plädierte die IHK in den Folgejahren da- gefördert werden. Der „City-Charakter“ sollte durch für, Geschäftsstraßen für Passantenströme nicht zu den Städtebau unterstützt werden, Alt- und Karlstadt zerschneiden, die Handelszone Altstadt mit den ande- sollten erhalten bleiben. Industriegebiete sollten nach ren Geschäftsstraßen zu verbinden, die Verkehrsströme IHK-Vorstellungen vornehmlich im Nordosten Düssel- besser zu lenken, den schienenungebundenen ÖPNV dorfs (Rath, Unterrath), in Ratingen und im Süden der auszubauen, die Planungen für eine Untergrundbahn Stadt (Reisholz) ausgebaut werden, auch müsse voranzutreiben sowie – angesichts des kontinuierlich der Hafen Reisholz erweitert werden. Bemängelt wur- steigenden Kraftfahrzeugbestandes – in ausreichen- de von der Kammer fehlender (bewachter) Parkraum in dem Maße Flächen für die Parkraumbewirtschaftung der Innenstadt. Entwicklungspotenziale für Düsseldorf vorzuhalten. sah die IHK seinerzeit vor allem im Flughafen, als Mo- Als Träger öffentlicher Belange hat sich die IHK destandort sowie als Banken-, Börsen- und Messeplatz. auch immer wieder mit den kommunalen Haushalten Um Letzteren zu befördern, hatte das IHK-Präsi- auseinandergesetzt. Trotz des regelmäßigen Gedanken- dium bereits im Oktober 1946 für die Einrichtung einer austausches zwischen Düsseldorfer Stadt- und IHK- Messegesellschaft gestimmt, die 1947 als Nordwest- Spitze (das erste Gespräch fand bereits 1949 statt) zu deutsche Ausstellungs-Gesellschaft mbH (NOWEA) ge- Themen wie Ausbildung, Verkehrsführung oder Regio- gründet wurde. nalplanung klafften die Vorstellungen über das, was 1949 bildete die IHK einen „Bau- und Wohnungs- machbar, sinnvoll und finanzierbar sei, häufig ausei- wirtschaftlichen Ausschuss“, der sich mit den städti- nander. schen Bebauungsplänen auseinandersetzte. Auch in Bereits 1955 attestierte IHK-Präsident Schneider den Gemeinden des Landkreises Mettmann engagierte der Stadt Düsseldorf, dass sie über ihre Verhältnisse sich die IHK bei der Entwicklung von Leit- und Flä- lebe, Kosten steigen würden und das Vermögen schwin- chennutzungsplänen – wobei in den ersten Nach- de. Denn „die gegenwärtige Steuerkraft unserer Wirt- kriegsjahren das Thema „Wohnungsbau“ ganz oben auf schaft (könne) nicht als etwas Selbstverständliches“ der Agenda stand. hingenommen werden. Um dieser Ausgabefreudigkeit Mit der städtebaulichen Fokussierung auf die vorzubeugen, rief Schneider daraufhin den „Ausschuss Innenstadt verfolgte die IHK bereits 1950 den Gedan- für Kommunalwirtschaft“ ins Leben, der sich mit Ge- ken, Düsseldorf als „Leitregion“ oder „Marke“ für den meindefinanzen, Raumordnung, Stadtplanung, Ener- gesamten IHK-Bezirk zu positionieren. Ein Pfund, mit gie- und Wasserwirtschaftsfragen sowie mit Verkehrs- dem die Stadt schon in Vorkriegszeiten habe wuchern themen auseinandersetzte. 1956 gelang es, einige können, sei die Eleganz und Formschönheit des Einzel- Unternehmer zur Kandidatur für die Kommunalwahl zu handels, den es auszubauen gelte. In diesem Zu- bewegen, um wirtschaftliches Know-how in den

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verkehrsministerium – abschlägig be- schieden wurde. 1953 forderte das Güterkraftver- kehrsgesetz den Nachweis über fachli- che Eignung und Sachkunde von An- tragstellern, die sich im Güterkraftver- kehr selbständig machen wollten. Für den Nahverkehr sollten die Kammern je- weils die Prüfung abnehmen, für den Güter- und Möbelfernverkehr jeweils die IHK am Sitz des Regierungspräsiden- ten. Für die IHK Düsseldorf bedeutete dies, bis 1960 sämtliche Fernverkehrs- prüfungen für den Regierungsbezirk Düsseldorf abnehmen zu müssen. Im Aufwind: Der Düssel- Stadtrat einfließen zu lassen. Auch hielt die IHK „mög- Neben dem Wiederaufbau und Ausbau des Stra- dorfer Flughafen in den lichst enge Fühlung“ zu den Fraktionsvorsitzenden im ßennetzes beschäftigte sich die IHK auch mit Fragen 1950er Jahren. Rat, um diese für die Belange der Wirtschaft zu sensi- des Schienenverkehrs. Im Vordergrund stand hier die bilisieren. Ferner reagierte die Stadt 1956 auf die IHK- IHK-Forderung nach einer besseren Anbindung des Vorschläge und senkte – wenn auch nur kurzzeitig – die Düsseldorfer Raumes an den Hafen Antwerpen – also Hebesätze für die Gemeindesteuern. Doch bereits 1957 die Wiederinbetriebnahme der alten Güterstrecke über wurde der „Burgfriede“ erneut gestört: Die Stadt er- Mönchengladbach, Roermond und Herentals, besser höhte die Gewerbesteuer, um die neuen Ausstellungs- bekannt unter dem Namen „Eiserner Rhein“. Im Sinne hallen zu finanzieren. Die IHK zeigte sich „tief ent- einer zukunftsgerichteten Hafenpolitik beschloss die täuscht“ darüber, dass ihr Angebot, mit freiwilligen Vollversammlung 1948, einen eigenen Hafenausschuss Maßnahmen einen kurzzeitigen finanziellen Engpass einzurichten. Thema im Jahr 1949 war die verkehrliche zu überbrücken, ausgeschlagen worden sei. Anbindung des Hafens an das Straßen- und Schienen- Früh plädierte die IHK auch für ein anderes Mittel, netz, aber auch die räumliche Einbindung in das Stadt- um kommunale Haushalte zu konsolidieren, nämlich bild. 1952 wurde darüber hinaus ein Verein zur Förde- die Trennung von städtischem Eigentum. Votierte sie – rung der wirtschaftlichen Interessen des Düsseldorfer zunächst vorsichtig – nur für die Verwaltung der städ- Hafens unter Vorsitz von IHK-Vizepräsident Hermann tischen Wohnungen durch private Anbieter, so forder- Adloff gegründet. te sie 1953 schon deren Privatisierung wie auch die Ferner setzte sich die IHK bereits kurz nach Kriegs- Aufgabe der städtischen „Regiebetriebe“. ende für den Ausbau des Düsseldorfer Flughafens ein. Im Verbund mit der Stadtverwaltung war es 1949 ge- Verkehr, Hafen und Flughafen lungen, europäische Luftverkehrslinien für Düsseldorf In der frühen Phase des Wiederaufbaus setzte sich die zu interessieren. Seit 1953 betrieb die Luftverkehrsbe- IHK in erster Linie für den Auf- und Ausbau der inner- darfs AG (LUFTAG) von hier aus einen Teil ihrer Linien, städtischen Verkehrswege und Landstraßen sowie für die 1955 in die Lufthansa AG aufging. So alt wie die den Wiederaufbau der im Krieg vollständig zerstörten Idee des Flughafenausbaus ist auch die Auseinander- Rheinbrücken ein. Thematisiert wurden die Verbreite- setzung mit dem Problem Fluglärm und den Ausbau- rung der Fahrbahnen ebenso wie eine ausreichende gegnern. Beschilderung und die Schaffung von Parkplätzen. Mit der Rheinischen Bahngesellschaft beriet die IHK über die Versorgung der Außenbezirke, die Einrichtung neu- er Linien wie auch über eine Tarifreform. Konfrontiert sah sich die Kammer 1951 auch schon mit dem moder- nen Gedanken einer „Mitfahrzentrale“, als ein Unter- nehmer die „Errichtung einer Reisevermittlung für Die Börse handelte 1957 Pkw-Fahrten“ eintragen lassen wollte, was seinerzeit im Wilhelm-Marx-Haus. auf allerhöchster Ebene – nämlich durch das Bundes-

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International schern und Übersetzern – ein Fremdsprachen- Dreisprachiges Handbuch Trotz der Autarkiebe- prüfungsamt, das für ganz Nordrhein-Westfalen der IHK aus dem Jahre 1948. strebungen des NS- in den Sprachen Englisch, Russisch, Niederlän- Staates war Düssel- disch und Französisch prüfte. 1947 wurden diese dorf vor dem Krieg Fremdsprachenprüfungen staatlich anerkannt. Im einer der wichtigs- gleichen Jahr nahm auch die Einzelhandelsberufs- ten Außenhandelsplätze des schule ihren Betrieb wieder auf, es wurden erneut Deutschen Reiches geblieben. Hier konn- Geschäftsstenografenprüfungen abgenommen, und ten sich ausländische Interessenten über Investitions- auch der Berufsausbildungsausschuss begann mit sei- güter und Produktionstechniken informieren, auch ner Tätigkeit. 1948 stieg die Zahl der registrierten Aus- eignete sich der Handelsplatz für Niederlassungen aus- bildungsverhältnisse auf 5.900, 1952 waren es bereits ländischer Unternehmen und konsularischer Vertre- 12.000. Von 1949 bis 1955 wurden neue Berufsbilder tungen. Diese Bedeutung erreichte die Landeshaupt- aus der Taufe gehoben, wie der Schaufenstergestalter, stadt zwischen 1945 und 1950 rasch wieder. Zusätzli- der Groß- und Außenhandels- sowie der Einzelhan- che Impulse erhielt Düsseldorf als geografisch günstig delskaufmann, der Drogist, der Fotolaborant, und auch gelegenes Standbein für außereuropäische Unterneh- der „Kaufmannsgehilfe im Hotel- und Gaststättenge- mensniederlassungen in der sich bildenden Europäi- schen Gemeinschaft. Bereits 1951 erwirtschaftete der IHK-Bezirk mit einer Milliarde Mark sieben Prozent der bundesdeutschen und 15 Prozent der nordrheinwest- fälischen Exportumsätze. Kam der Export zunächst un- ter dem Diktat der Militärregierung nur schleppend voran, so förderte die IHK das internationale Geschäft ihrer angeschlossenen Unternehmen 1948 mit einem dreisprachigen Handbuch über „Außenhandelsverbin- dungen der Unternehmen im IHK-Bezirk Düsseldorf“ und 1949 mit der Einrichtung einer speziellen Außen- wirtschaftsabteilung – für deren Nutzung zunächst ein eigener Mitgliedsbeitrag erhoben wurde. Seit 1947 erhielten die Unternehmen bereits ein „Außenwirt- schaftsrundschreiben“, das 1948 von allen IHKs in der amerikanischen und britischen Zone übernommen wurde. Früh bemühte sich die IHK auch um die Kon- taktanbahnung mit dem Ausland, indem sie Mitglied werbe“. 1953 gab es bei der IHK Düsseldorf 95 Prü- „Stifte“ in einer Lehrwerk- von Auslandshandelskammern wurde und jährlich zu fungsausschüsse mit 536 ehrenamtlichen Prüfern. statt 1950. Empfängen mit dem Diplomatischen Korps nach Ebenfalls in den 1950er Jahren investierte die IHK Schloss Benrath einlud. in Weiterbildung. So rief sie Mitte 1950 einen „Junio- renclub“ für Söhne und Töchter von Unternehmern ins Aus- und Weiterbildung Leben, die ihr Wirtschaftswissen erweitern wollten, um War in den ersten Monaten nach Kriegsende an eine so besser gerüstet in die Fußstapfen ihrer Väter treten geregelte Aufnahme der Berufsausbildung nicht zu zu können. Gemeinsam mit einem Wirtschaftspsycho- denken, so galt die Sorge der IHK zunächst der Unter- logen wurde ferner eine Arbeitsgemeinschaft „Die bringung von Jugendlichen in Lehrlingsheimen wie der Sekretärin“ gegründet, die sich in Kursen mit dem Be- Integration von Flüchtlingen oder Jugendlichen aus rufsbild der Sekretärin auseinandersetzte. Druckmei- sozial schwierigen Verhältnissen in den Ausbildungs- ster wurden bereits seit 1948 geprüft, weitere Meister- prozess, die „durch die Verhältnisse aus dem normalen Lehrgänge sollten in den späten 1950er und 1960er Ausbildungsweg herausgerissen“ worden waren. Jahren folgen. 1949 wurde die Außenhandelsschule – Doch bereits Anfang 1946 konnte die Prüfungstä- zunächst in der Außenwirtschaftsabteilung, später in tigkeit wieder aufgenommen werden, neu eingerichtet der Abteilung Aus- und Weiterbildung angesiedelt – wurden Lehrmeisterkurse für das grafische Gewerbe eröffnet, die auf kaufmännische Tätigkeiten im Außen- wie auch – aufgrund des hohen Bedarfs an Dolmet- handel vorbereitete.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 40 Der IHK-Bezirk Düsseldorf: Eine Region im Wandel

Der IHK-Bezirk Düsseldorf: Eine Region im Wandel

Der IHK-Bezirk Düsseldorf, der seit dem Jahre 1977 die Landeshauptstadt Düsseldorf und den Kreis Mettmann umfasst, zählt heute zu den wirtschaftlich stärksten Regionen in Deutschland. Rund 680.000 Erwerbstätige erwirtschaften hier ein Bruttoinlandsprodukt von rund 50 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Gut acht Pro- zent der Erwerbstätigen erbringen über zehn Prozent der Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens. Der An- teil am deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt 2,3 Prozent. Rund 1,08 Millionen Menschen wohnen hier. Mit durchschnittlich 20.625 Euro verfügen die Ein- wohner des Kreises Mettmann dabei über das höchste verfügbare Pro-Kopf-Einkommen von allen Kreisen in Nordrhein-Westfalen. Anfang des dritten Jahrtausends bestimmt eine Vielfalt von privaten und öffentlichen Dienstleistungen die Wirtschaftsstruktur im IHK-Bezirk. Vier von fünf Erwerbstätigen arbeiten mittlerweile bei einem Dienst- leister, mit seit Jahren steigender Tendenz. Der Wert- schöpfungsanteil der Dienstleistungen übertrifft ins- gesamt die 80-Prozent-Marke. Er reicht in der Landes- hauptstadt Düsseldorf sogar nahe an die 90 Prozent. Aber auch im Kreis Mettmann haben die Dienstleistun- gen inzwischen einen Anteil von fast 70 Prozent er- reicht. Noch vor wenigen Jahrzehnten sah die hiesige Wirtschaftsstruktur völlig anders aus. Bis in die 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts dominierte die Industrie, sowohl in der Landeshauptstadt als auch besonders im Kreis Mettmann. Seither ist also der Industrieanteil in Düsseldorf auf gut ein Viertel des Ursprungwertes zu- rückgegangen, im Kreis Mettmann hat er sich mehr als halbiert. Gleichwohl kann auch heute keineswegs von Vom Ende der 1940er Jahre einer „entindustrialisierten Zone“ gesprochen werden, bis in die 1960er Jahre wenn vom Wirtschaftsraum Düsseldorf die Rede ist. dominierte in Düsseldorf und im Kreis Mettmann Weiterhin gibt es in der Landeshauptstadt bedeu- die Industrie. tende Produktionsstätten, beispielsweise in der Chemi-

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Produktion bei Daimler- Chrysler Düsseldorf.

schen, der Automobil- oder der Röhrenindustrie. Hin- zu kommen namhafte Unternehmen etwa aus der Stahlindustrie, des Anlagenbaus, der Spezialchemie oder der Energiewirtschaft, die – wenn auch nicht ihre Produktion – so doch ihren Sitz und ihre Verwaltungen in der Landeshauptstadt haben. Im Kreis Mettmann reicht das Spektrum auch heu- te noch von der Automobilzulieferindustrie, der Kalk- steinindustrie, den Schloss- und Beschlagproduzenten und Gießereien vor allem in Niederberg, über die Bau- stoffindustrie, den Werkzeug- und Anlagenbau, den Maschinenbau bis zur Chemischen und Pharmazeuti- schen Industrie und der Biotechnologie. Heute ist die industrielle Ausrichtung breit gestreut, während die Industrie vor sechzig Jahren stärker auf den Bereich Metallerzeugung und -verarbeitung als richtig die Landeshauptstadt beziehungsweise der Eindruck vom Parkett- Zulieferer der Bergbau- und Stahlindustrie des Ruhr- Wirtschaftsraum Düsseldorf regelmäßig vordere Posi- handel der Düsseldorfer Börse vor ihrem Umbau. gebietes ausgerichtet gewesen ist. tionen, oft sogar die Spitzenplätze. In den letzten Jahrzehnten massiv und kontinuier- Gleich, ob Folge oder Ursache, diese Branchenviel- lich an Bedeutung gewonnen haben die Dienstleistun- falt hat zu einer weiteren Unternehmensdichte in und gen, deren Vielfalt nicht im Geringsten hinter der des um die Landeshauptstadt geführt. Gegenwärtig haben Industriesektors zurückbleibt. Vom Groß- und Einzel- in der Landeshauptstadt vier der DAX-Unternehmen handel, der Gastronomie, dem Verkehr zu Lande, zu ihren Sitz. Weitere sechs sind hier oder im Kreis Mett- Wasser und in der Luft, über Banken und Versicherun- mann mit Niederlassungen vertreten. Schließlich sind gen, der leitungsgebundenen und der drahtlosen Tele- vier MDAX-Unternehmen im IHK-Bezirk angesiedelt. kommunikation, der EDV- und Softwarebranche, der Zudem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten Unternehmensberatung, der Werbe- und Marketing- der Raum Düsseldorf zu einem führenden internatio- branche, über das Verlagswesen, die Rechtsberatung, nalen Unternehmensstandort entwickelt. Rund 5.000 Wissenschaft, Bildung und Verwaltung bis hin zur ausländische Unternehmen werden hier gezählt. Sicherheitsbranche und der Gebäudereinigung sowie Heute ist die Branchenvielfalt in Düsseldorf und im nicht zuletzt den persönlichen Dienstleistungen reicht Kreis Mettmann groß. Die Wirtschaftsstruktur ist die bunte Palette. Ihre Vielfalt und ihre große Zahl ver- heterogen, und es sind hier sowohl Großunternehmen helfen dem Standort zu seiner führenden Position in als auch bekannte und unbekannte Mittelständler an- Deutschland. Beim bundesweiten Vergleich der Wirt- gesiedelt. Diese Vielfalt hat den Wirtschaftsraum in der schaftsstruktur und Unternehmen, von Arbeitsplätzen letzten Zeit vergleichsweise unanfällig gegenüber kon- und Einkommen, der Infrastruktur und Finanzen sowie junkturellen Schwankungen gemacht, und sie begüns- von Kulturangebot und Lebensqualität belegt folge- tigt den weiteren wirtschaftlichen Strukturwandel. Bis

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Dr. h. c. Viktor Langen Präsident von 1968 bis 1974

Viktor Langen, Spross der be- Vorsitzenden Hanns Martin Schleyer an, dass die rühmten Kölner Zuckerfabrikan- Wirtschaft eine eigene kostenlose Zeitung herausge- tenfamilie Langen, war persönlich ben solle. haftender Gesellschafter des In seiner Amtsperiode wurde ein Abkommen mit Automobilzulieferers A. Ehren- der Chambre de Commerce et d’Industrie de Paris reich Cie., Düsseldorf, leitete die geschlossen, das zu einer gemeinsamen Prüfung der Firma Langen & Co. (Ölhydraulik) Kammern Paris und Düsseldorf für Handelsfranzö- und das Kölner Traditionsunter- sisch sowie der Errichtung einer Niederlassung der nehmen Johann Maria Farina „Ecole des affaires de Paris“ (Europäische Wirt- gegenüber dem Jülichs-Platz zur schaftshochschule) in Düsseldorf führte. 1974 be- Herstellung von Eau de Cologne. endete Langen seine Präsidentschaft nach sechs Darüber hinaus war er Kommanditist des Düsseldor- Jahren. 1975 ernannte ihn die Vollversammlung zum fer Bankhauses Trinkaus. 1965 wurde er Mitglied der Ehrenmitglied und zeichnete ihn 1976 mit der Gol- IHK-Vollversammlung, 1966 Vizepräsident und 1968 denen Ehrenplakette aus. Präsident der Kammer. Als IHK-Präsident vertrat Viktor Langen war ein Freund und Mäzen der bil- Langen eine klare ordnungspolitische Linie und war denden Kunst; seine besondere Neigung galt der ein Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft. Aus Philosophie. Die Japan-Sammlung Viktor Langens, Unzufriedenheit mit der Darstellung von Unterneh- heute in der Langen-Foundation in Hombroich zu be- merzielen und Belangen der Wirtschaft in der sichtigen, gilt in Umfang und Qualität als einzigartig Öffentlichkeit regte er 1968 gegenüber dem BDA- in Europa.

es aber soweit war, ist auch hier die Entwicklung kei- 1960er Jahre wuchs die Industrie in Düsseldorf weiter. neswegs gradlinig verlaufen. Der industrielle Beschäftigungshöhepunkt wurde mit Auch der Wirtschaftsraum Düsseldorf hat in den rund 128.500 Beschäftigten im Jahre 1961 erreicht. Seit Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg die Höhen ei- 1949 hatte sich damit die Beschäftigtenanzahl gut ver- nes beinahe grenzenlosen Wachstums, vorübergehen- doppelt. de konjunkturelle Rückschläge und schmerzliche An- Stärker noch als der sekundäre Sektor expandierte passungsprozesse im wirtschaftlichen Strukturwandel bereits in der Wiederaufbauphase der Dienstleistungs- durchlebt. sektor. Sein Erwerbstätigenanteil nahm zwischen 1950 und 1961 von rund 50 Prozent auf 53 Prozent zu, um 1948 bis 1961: Ende der 1970er Jahre bereits fast 70 Prozent zu errei- Wirtschaftswunder in den Nachkriegsjahren chen. Dabei spielte zum einen die Ausdehnung des öf- Mit der Währungsreform 1948 kam der Wiederaufbau fentlichen Sektors mit vermehrtem Dienstleistungsan- in Schwung. Die Wachstumsraten waren enorm und gebot für die Bevölkerung bei Schulen oder Gesundheit erreichten im Industriebereich zeitweilig zweistellige oder für die Unternehmen bei Verwaltung und Ver- Raten. bänden eine Rolle. Zum anderen waren vor allem das Um das Jahr 1952 war der Vorkriegsstand in der In- Kreditwesen und die Versicherungen in Düsseldorf be- dustrie-Produktion wieder erreicht. Bis Anfang der sonders wachstumsstark. Zur Expansion der Banken trugen Blick auf das Gebäude der Wegfall Berlins als zentraler Ban- der Landeszentralbank im Herzen Düsseldorfs. kenplatz für die deutsche Exportindu- strie ebenso bei wie auch die Ansied- lung der Landeszentralbank in der Lan- deshauptstadt, die Dichte von Industrie und Handel in Düsseldorf, die Zerschla- gung der Großbanken in Regionalban- Der IHK-Bezirk Düsseldorf: Eine Region im Wandel 43

ken auf Länderebene sowie die hier bereits vorhandene Bankenlandschaft mit einer ganzen Reihe kleinerer und mittlerer Privat- banken. Auch nach der Rekonstituierung der Großbanken in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre blieben noch Jahrzehnte lang die Düsseldorfer Niederlassungen mit füh- renden Personen des Managements besetzt. Im Versicherungswesen wurde Düsseldorf zwar nur in wenigen Fällen Hauptsitz einer Gesellschaft, jedoch für viele der nicht in Nordrhein-Westfalen beheimateten Asseku- ranzen zentrale Niederlassung für dieses Bundesland. Wie andere Städte versuchte in der Nachkriegszeit Der Landkreis Düsseldorf-Mettmann war in den Die Fachmesse Druck und auch Düsseldorf, sich als Messestadt zu entwickeln. Sie Nachkriegsjahren ein ausgesprochener Industriekreis, Papier (DRUPA) in den 1950er Jahren. knüpfte dabei an die Ausstellungstradition der jedoch ohne ein zusammenhängendes Industrierevier Zwischenkriegszeit an. zu bilden. Strukturell knüpfte die Wirtschaft an die Mit der 1947 gegründeten Messegesellschaft NO- Vorkriegszeit an, zumal mit Ausnahme Ratingens keine WEA etablierte sich Düsseldorf schnell als bedeutende nennenswerten Kriegsschäden im Kreis selbst entstan- Messestadt, die ihre Schwerpunkte auf Fachmessen für den waren. Struktur bestimmend waren die Metaller- die Investitionsgüterindustrie und die Modebranche zeugung und -verarbeitung, die Textilindustrie, Kalk- legte. steinindustrie, Papiererzeugung- und -verarbeitung, Chemie, Elektrotechnik und Keramik. In Ratingen herrschten Betriebe der Metallindustrie und Reste der IHK und Messe früher bedeutsamen Textilindustrie vor. Ähnlich war die Struktur in Mettmann und Wülfrath. In Hilden war Bereits im Oktober 1946 hatte sich das IHK-Präsi- gleichzeitig die Textilindustrie noch stark. Velbert und dium für die Gründung einer Messe-Gesellschaft Heiligenhaus waren durch die Schloss- und Beschlag- ausgesprochen. Dies geschah mit dem Aufbau der industrie geprägt, wobei in Neviges und Langenberg so- Nordwestdeutschen Ausstellungs-Gesellschaft gar die Textilindustrie dominierte. mbH (NOWEA), die ab 1947 Messen veranstaltete, In Haan waren Textil- und Kleinmetallwarenindu- so 1951 die erste Fachmesse für Druck und Papier strie in etwa gleichgewichtig. Hinzu kamen die Papier- DRUPA. An der Gründung der NOWEA waren die verarbeitung in Langenberg und Erkrath, die Elektro- IHK und die Handwerkskammer Düsseldorf zu- industrie in Ratingen und Heiligenhaus, die chemische nächst mit je 15 Prozent beteiligt.1954 sprach sich Industrie in Hilden und Haan sowie Keramik in Ratin- die IHK-Vollversammlung für den Bau weiterer gen. Ausstellungshallen und einer Kongresshalle aus. Auch im Kreis Mettmann setzte nach der Wäh- Ende der 1960er Jahre konkretisierten sich bei rungsreform ein erheblicher Aufschwung ein. Zwischen der Stadt Düsseldorf Überlegungen, entweder das 1946 und 1962 stieg die Anzahl der Industriebeschäf- bisherige Messegelände auszubauen oder ein neu- tigten um 87 Prozent von knapp 50.000 auf knapp es Gelände zu suchen. Die IHK trat nach Diskussio- 84.000 Personen. nen in der Vollversammlung und im Präsidium am 13. August 1968 für eine große Lösung ein. Dies 1961 bis 1974: bedeutete den ebenerdigen Ausbau bis zu 120.000 Strukturwandel gewinnt an Fahrt Quadratmetern Ausstellungsfläche mit Erweite- In den 1960er Jahren beschleunigte sich im IHK-Bezirk rungsmöglichkeit. Auf einen bestimmten Standort Düsseldorf der wirtschaftliche Strukturwandel. Dabei legte sich die IHK in ihrem Votum nicht fest und nahmen die industrielle Wertschöpfung in Düsseldorf regte gleichzeitig eine enge Kooperation mit der und im damaligen Landkreis Düsseldorf-Mettmann um Kölner Messe an. fast das Eineinhalbfache zu, und in noch viel stärkerem Maße die Wertschöpfung in den Dienstleistungsberei-

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chen, nämlich um das Zweieinhalbfache. Folglich kam lich, während die privaten und öffentlichen Dienstlei- es zu einer weiteren Strukturverschiebung: Vor dem stungen um jährlich sechs Prozent zulegen konnten. Hintergrund eines kräftigen gesamtwirtschaftlichen Trotz eigenen Wachstums, dessen Zunahmen über der Wachstums von jahresdurchschnittlich nominal 8,5 Inflationsrate lagen, fiel deshalb der Wertschöpfungs- Prozent ging der Wertschöpfungsanteil des produzie- anteil des produzierenden Gewerbes bis zum Jahr der renden Gewerbes seit Anfang der 1960er Jahre insge- Deutschen Einheit 1990 um knapp zehn Prozentpunk- samt um knapp neun Prozentpunkte auf gut 41 Pro- te auf weniger als ein Drittel. Entsprechend erwirt- zent im Jahre 1974 zurück. Innerhalb des Dienstlei- schafteten im Vereinigungsjahr die Dienstleister zwi- stungssektors, der insgesamt entsprechende Anteile schen Rhein und Niederberg zwei Drittel der gesamten hinzugewann, kam es zu Verschiebungen zwischen den Wirtschaftsleistung in Düsseldorf und dem Kreis Mett- klassischen Dienstleistern im Bereich Handel und Ver- mann. In Düsseldorf trug die Industrie im Jahre 1990 kehr, deren Anteil von 24 Prozent auf 19 Prozent nur noch gut ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei, im schrumpfte, und den übrigen, häufig auch unterneh- Kreis Mettmann immerhin noch fast zur Hälfte. Hier mensorientierten Dienst- waren es 15 Jahre zuvor allerdings noch mehr als 60 leistungen, deren Wert- Prozent gewesen. schöpfungsanteil um fast Bis Mitte der 1980er Jahre sorgten Rezession und 15 Punkte auf 39 Prozent Strukturwandel auch im Kreis Mettmann für einen im Jahre 1974 anstieg. scharfen Arbeitsplatzabbau im Industriesektor von zu- Auch im Landkreis Düs- nächst gut 70.000 Beschäftigten auf unter 59.500 im seldorf-Mettmann entwik- Jahre 1983. Daran schloss sich jedoch ein länger an- kelten sich in diesen Jahren haltender Aufschwung an, der sogar wieder zu einem die Dienstleistungen stär- Aufbau von mehr als 10.000 industriellen Arbeitsplät- ker als die Industrie, aller- zen führte. Der Industrieumsatz stieg mit Ausnahme dings immer noch von ei- von 1987 von Jahr zu Jahr. Die Zahl der Industriebe- nem vergleichbar niedri- triebe ist über den gesamten Zeitraum betrachtet in et- gen Niveau aus. 1974 er- wa konstant geblieben. reichte ihr Wertschöp- fungsanteil trotz hoher Zu- 1990 bis heute: Zeiten der Globalisierung wachsraten erst knapp 39 Die 1990er Jahre und der Anfang des neuen Jahrtau- Prozent. Bei stärkeren kon- sends sind auch im Raum Düsseldorf geprägt durch ei- junkturellen Schwankun- ne verstärkte Standortkonkurrenz aus dem Ausland. Schlange stehen in der IHK: gen ging die Industriebeschäftigung in diesem Zei- Zwar hatten auf der einen Seite der Europäische Interessenten warten auf traum um gut 10.000 Personen beziehungsweise zwölf Binnenmarkt und dann, infolge des Zusammenbruchs Erteilung einer Fahrerlaub- nis an den autofreien Prozent zurück. Die Anzahl der Industriebetriebe blieb des Ostblocks, die Öffnung des ostdeutschen und der Sonntagen während der mit 600 nahezu konstant. osteuropäischen Märkte neues Absatzpotenzial er- ersten Ölkrise in den schlossen. 1970er Jahren. 1974 bis 1990: Beschleunigter Strukturwandel Schnell stellte sich aber heraus, dass die Markt- nach dem Ölpreisschock öffnung keine Einbahnstraße war, sondern dass auch Die erste Ölpreiskrise, die kurzfristig zu einer schweren der hiesige Wirtschaftsstandort mit ausländischen Pro- Rezession und langfristig zu höheren Energiepreisen duktionsstandorten konkurrierte. führte, beschleunigte den Strukturwandel massiv. Diese konnten mit zunehmender Qualität ver- Betroffen davon war direkt die Industrie in Düssel- gleichbare Vor- und selbst Endprodukte anbieten, aller- dorf und im Kreis Mettmann, sofern sie zur Metaller- dings deutlich kostengünstiger. Zur osteuropäischen zeugung zählte, sowie indirekt, sofern sie immer noch Konkurrenz kamen die fernöstlichen so genannten stark auf Zulieferungen an die Montanindustrie des Tigerstaaten und zuletzt mit Sieben-Meilen-Stiefeln Ruhrgebietes ausgerichtet war. auch der Gigant China hinzu. Diese Globalisierung der Die Wachstumsraten gingen nachhaltig zurück, und Produktion und – durch die technische Revolution in zwar von jahresdurchschnittlich 8,5 Prozent im Zeit- der elektronischen Nachrichtentechnik – zunehmend raum von 1961 bis 1974 auf jetzt nur noch fünf Pro- auch der Dienstleistungen, beschleunigte den wirt- zent. Das verarbeitende Gewerbe steigerte seine Brut- schaftlichen Strukturwandel zwischen Rhein und towertschöpfung nominal noch um 3,5 Prozent jähr- Niederberg nochmals.

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Der Flughafen Düsseldorf International gehört heute zu den Unternehmen im Kammerbezirk, die wichti- ge Dienstleistungen für die ansässige Wirtschaft er- bringen.

Dass der Raum Düsseldorf den Herausforderungen der Globalisierung insgesamt gut begegnen konnte, ist der Flexibilität der hiesigen Unternehmen, dem stark aufkommenden Dienstleistungssektor sowie dem be- reits zuvor breiten Branchenmix zu verdanken. Rück- gänge einzelner Branchen konnten so oft relativ ge- räuschlos durch die Expansion anderer Wirtschafts- zweige kompensiert oder gar übertroffen werden.

Standort führend bei unternehmensorientierten Dienstleistern Heute ist der Raum Düsseldorf mit der Landeshaupt- stadt an der Spitze einer der führenden deutschen - führendes Modezentrum mit weltbekannten Mes- Eine der Top-Einkaufsstra- Standorte der unternehmensorientierten Dienstleister, sen und bedeutenden Modefirmen sowie ein Top- ßen in Deutschland: Die Königsallee. nicht nur in der Informations- und Kommunikations- Einkaufsstandort vom Prachtboulevard Königsallee branche. Von der Werbewirtschaft, der Unternehmens- über die innerstädtischen Kaufhäuser und Ein- beratungs- und Consultingbranche, den Finanzdienst- kaufscenter bis zur jungen Mode in der Düsseldor- leistern, der Immobilienbranche, dem Modestandort fer Altstadt; sowie der Messe Düsseldorf und dem Flughafen Düs- - zweitbedeutendster Beraterstandort in Deutsch- seldorf International werden nicht nur wichtige Dienst- land mit über 500 Unternehmen der Unterneh- leistungen für die ansässige Wirtschaft erbracht, son- mens-, IT-Beratung, Wirtschaftsprüfung sowie dern meist auch für Firmen und Privatkunden in Nord- Rechts- und Steuerberatung; rhein-Westfalen oder ganz Deutschland. Dieses eng- - zweiter deutscher Bankenplatz mit rund 170 Ban- maschige Netz bringt erhebliche Fühlungsvorteile der ken, darunter fünf Hauptsitzen sowie vielen Nieder- Branchen untereinander, aber auch beispielsweise für lassungen und Deutschlandzentralen ausländischer Verwaltungen großer in- und ausländischer Unterneh- Kreditinstitute, einer Hauptverwaltung der Deut- men mit sich. Auch deshalb ist der Standort Düsseldorf schen Bundesbank sowie der Börse Düsseldorf; mit seinen unmittelbaren Nachbarstädten für weitere - darüber hinaus Standort von 130 Niederlassungen Ansiedlungen unvermindert attraktiv. von Versicherungen aus dem In- und Ausland mit vier Hauptsitzen großer Versicherungskonzerne; In Ziffern ausgedrückt ist der Raum Düsseldorf - Standort des drittgrößten deutschen Flughafens - führende Werbemetropole in Deutschland mit rund mit gut 15 Millionen jährlichen Fluggästen und 1.000 Agenturen, darunter mit dem Sitz von vier - vierter deutscher Messe- und Kongressstandort mit der Top 10-Agenturen in Deutschland und bedeu- rund 40 internationalen Fachmessen, darunter über tenden ausländischen Agenturen; 20 Leitmessen.

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Standortpolitik: Die Region stärken

Standortpolitik heißt für die IHK, die Attraktivität des bewertet kritisch die kommunale Haushaltswirtschaft Kammerbezirks für die Unternehmen zu verbessern. und privatwirtschaftliche Aktivitäten der Kommunen. Dazu erarbeitet sie – gemeinsam mit den übrigen Ak- Der Standortpolitik als Kammeraufgabe fällt gera- teuren – Konzepte zu Stadt- und Regionalentwicklung, de in einem so hoch verdichteten Raum wie Düsseldorf unterstützt Unternehmen bei der Sicherung ihrer und dem Kreis Mettmann eine ganz besondere Rolle zu. Standorte und setzt sich gegenüber Politik und Ver- Zum einen gibt es konkurrierende Flächenansprüche, waltung für eine leistungsfähige Infrastruktur ein. Sie etwa zwischen Wohnen und Gewerbe, Siedlungsflä- chen und Freiraum, wirtschaftlicher Grundstücksverwertung sowie Na- tur- und Landschaftsschutz. Regio- nal-, Flächennutzungs- und Bauleit- pläne sind hier die Ansatzpunkte des Ausgleichs zwischen diesen konkur- rierenden Ansprüchen. Zum anderen hat ein Oberzentrum wie Düsseldorf besondere Ansprüche an eine exzel- lente Infrastruktur zu erfüllen. Nur so bleibt der Standort für nationale und internationale Investoren attraktiv. Kaum ein anderer Standortfaktor fällt dabei so sehr ins Gewicht wie der Düsseldorfer Flughafen. Er ist ein Job-Motor erster Güte und der ent- scheidende Pluspunkt bei Ansiedlun- gen ausländischer Unternehmen in Düsseldorf, im Kreis Mettmann und den angrenzenden linksrheinischen Kommunen. Stets hat der Flughafen in der standortpolitischen Arbeit der IHK eine herausragende Rolle ge- spielt. Aber auch die Anbindung an das Fernstraßennetz – die Autobahn A 44 ist hier über längere Zeitstrecken mit Abstand das wichtigste Projekt im IHK-Bezirk – bestimmt maßgeblich über die Standortqualität. Hinzu kommt, dass die ausgeprägten Pend- ler- und Kundenströme eine hervor- ragende Nahverkehrsbedienung in der Stadt Düsseldorf und ihre lei- stungsfähige Verknüpfung mit Standorten in der Region erfordern. Für gute Standortbedingungen zu sorgen ist aber nur eine Seite der Medaille. Sie zu kommunizieren ist

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deren andere Seite. Neue Formen der Zusammenarbeit der Kammer geprägt, das vor allem auf die Bundespo- zwischen der IHK, den Kommunen und den Kaufleuten litik und auf die internationalen Wirtschafts- und Wäh- vor Ort zeichneten sich vor allem in den 1990er Jahren rungsbeziehungen zielte. ab. Im Kreis Mettmann wie auch in Düsseldorf wurde Hintergrund ist zum einen, dass es in der Phase des mit dem Stadtmarketing, später auch mit dem Stadt- Wiederaufbaus primär noch um die rechtliche Ausge- teilmarketing, ein völlig neuer Ansatz der Kommunika- staltung des Ordnungsrahmens der Sozialen Markt- tion von Standortstärken erprobt. Die IHK übernahm wirtschaft ging und um die Integration der deutschen hier vielfach die Rolle des Initiators. Volkswirtschaft in die weltwirtschaftliche Arbeitstei- Die Attraktivität der Innenstädte und der Stadtteil- lung. zentren ist nicht etwa nur das Produkt eines erfolgrei- Zum anderen standen regionale Struktur- und Ar- chen Marketings, sondern hängt auch entscheidend beitsmarktprobleme wegen des praktisch „selbst lau- von Visionen der Stadtentwicklung und der Stadtpla- fenden“ Aufwärtstrends eher im Hintergrund der Di- nung ab. Dieses Thema hat auch im IHK-Bezirk seit Be- skussion. Allenfalls das Thema der knapper werdenden ginn der 1990er Jahre an Bedeutung gewonnen. Der Arbeitskräfte bedrückte die Wirtschaft, aber auch die Rückzug der Industrie schuf einerseits neue Flächen- Lösung dieses Problems war ebenfalls primär eine der spielräume außerhalb der Innenstädte, andererseits fiel gesamtwirtschaftlichen Rahmensetzung, nämlich für die Expansion der Handelsflächen genau in eine Phase die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. ausgeprägter Konsumschwäche. Sie löste gravierende Ein entscheidender Grund für dieses besondere Verdrängungseffekte, insbesondere im mittelständi- Gewicht der wirtschafts- und finanzpolitischen Aus- schen Einzelhandel, aus. richtung war, dass Professor Ernst Schneider als Präsi- Fragen des Strukturwandels spielen immer dann in dent der IHK über exzellente Kontakte zur Bundesre- der standortpolitischen Diskussion eine Rolle, wenn sich ein Sektor massiv zurückbildet, ohne dass es zu einem Ausgleich an anderer Stelle kommt. Wie andere Regionen auch haben die Stadt Düsseldorf und der Kreis Mettmann über Jahrzehnte den massiven Rück- zug der Industrie zu spüren bekommen. Im Kreis Mett- mann traten völlig neue Strukturen in der Beziehung zwischen den dort ansässigen Automobilzulieferern und ihren Abnehmern hinzu. Analyse und Therapievor- schläge zum Strukturwandel sind somit spätestens seit Beginn der 1980er Jahre, als es zur massiven Deindu- strialisierung kam, ein neuer Schwerpunkt des Dialoges der IHK mit Politik und Verwaltung geworden. Die Solidität der kommunalen Haushalte trägt zum guten Ruf eines Standortes ebenso entscheidend bei wie die Infrastrukturausstattung und kluge Konzepte zur Stadtentwicklung. Viele Kommunen – so auch die Stadt Düsseldorf und die Städte im Kreis Mettmann – haben in den letzten Jahrzehnten manche Wechselbä- der zwischen überzogenen Ausgabeansprüchen und Konsolidierungsnotwendigkeiten in ihren Haushalten hinter sich. Diesen Prozess hat die IHK stets kritisch be- gleitet, vor allem, um die Gewerbesteuerbelastung für ihre Mitgliedsunternehmen erträglich zu halten. gierung, zu den Ministerien und Abgeordneten ver- Bundesfinanzminister Wirtschafts- und Finanzpolitik fügte. In seiner Zeit als DIHT-Präsident von 1963 bis Franz Etzel (links) im ange- regten Gespräch mit IHK- Verfolgt man das standortpolitische Engagement der 1968 haben sich diese noch weiter vertiefen lassen. Präsident Dr. Ernst Schnei- IHK in der Nachkriegszeit, so fällt eines unmittelbar auf: Prominente Bundespolitiker waren daher in der IHK der 1960 … Die 1950er und 1960er Jahre waren durch ein außer- stets willkommene Gäste in der Vollversammlung und ordentlich starkes wirtschaftspolitisches Engagement den Fachausschüssen. So sprach zum Beispiel am

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10. März 1960 der Bundesfinanz- Regionale Zusammenarbeit minister Franz Etzel, am 28. No- Regionale Zusammenarbeit ist in den letzten drei Jahr- vember desselben Jahres Bundes- zehnten zu einem lebhaft diskutierten Thema im Raum wirtschaftsminister Ludwig Erhard Düsseldorf geworden. Bereits die seit 1970 diskutierte zu den Vollversammlungsmitglie- und 1975 in Kraft getretene kommunale Neugliede- dern. rung warf die Frage des geeigneten Zuschnitts der Standen zuvor steuerpolitische Städte und Kreise immer wieder auf. Am zähen und Themen im Vordergrund, so kon- letztlich erfolgreichen Kampf der Stadt Monheim um zentrierten sich Ende der 1950er ihre kommunale Selbständigkeit wurde deutlich, wie Jahre die Stellungnahmen der IHK schmerzhaft neue regionale Zuordnungen sein können. immer stärker auch auf außen- Ausgangspunkt aller regionalpolitischen Diskussio- wirtschaftliche und damit wäh- nen sind die Verflechtungen zwischen den Gebietskör- rungspolitische Fragen. Es ging um perschaften innerhalb eines Wirtschaftsraumes. Be- … und sein Nachfolger, die Frage der D-Mark-Aufwertung, die Lösung der sonders ausgeprägte Interdependenzen ergaben sich Bundesfinanzminister Dr. deutschen Zahlungsbilanzüberschüsse, um das neue schon ab den 1970er Jahren, als junge Familien aus Heinz Starke (rechts), auf dem Weg in die IHK 1962. Außenwirtschaftsgesetz, um die entstehende Europä- Düsseldorf ins „Umland“ zogen, um dort preisgünstigen ische Wirtschaftsgemeinschaft und schließlich immer und familiengerechten Wohnraum zu finden. Sie kehr- wieder auch um entwicklungspolitische Fragen. ten der Stadt Düsseldorf zwar als Einwohner den Rük- In den wirtschaftspolitischen Positionen der IHK ken, blieben ihr aber als Einpendler und Arbeitnehmer während der fortschreitenden 1960er Jahre wurde der erhalten. Ruf nach einer in sich geschlossenen wirtschaftspoliti- Mit dem Nachzug von Industrie, Handel und Dienst- schen Gesamtkonzeption der Regierung immer lauter. leistungen in die Peripherie bekam die Arbeitsteilung in Ausführliche Stellungnahmen der IHK zum neuen Sta- der Region Düsseldorf ein neues Muster: Flächen- bilitäts- und Wachstumsgesetz im Jahre 1966 kenn- knappheit in Düsseldorf, aber ein ausreichendes und zeichnen das anhaltende Engagement in dieser Zeit. preisgünstiges Flächenangebot in den Nachbarkreisen Bescheiden mutet ein eigenes Resümee aus dem Neuss und Mettmann mit guter Anbindung an die Jahre 1964 an, in dem es zum wirtschaftspolitischen Autobahnen und niedrigeren Gewerbesteuersätzen lie- Engagement der Kammer heißt: „Die Kammer ist sich ferten die Motivation für zahlreiche Firmenwanderun- durchaus der Grenzen bewusst, die ihr rechtlich und gen vom Ballungskern Düsseldorf in die Randgemein- sachlich im wirtschaftspolitischen Bereich gezogen den. sind. Umso mehr bemüht sie sich, auf den Erfahrungen Erstmals machte die IHK 1968 die „Interkommuna- und der Sachkunde aufbauend, die ihr im räumlichen le Zusammenarbeit“ zum Thema einer Vollversamm- Bezirk zur Verfügung gestellt werden, zur Klärung der lung in Hilden. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage ei- Sachverhalte und zur leidenschaftslosen Abschätzung ner engeren Kooperation Düsseldorfs mit den Nach- zu erwartender Entwicklungen beizutragen, um da- bargemeinden, um gemeinsam den Flächenbedarf der durch den Politikern die verantwortungsvolle Entschei- Unternehmen, aber auch die Pendlerproblematik zu lö- dung zu erleichtern.“ sen. Schon in dieser Debatte fallen die Schlagworte Ende der 1960er Jahre und danach immer stärker „Zweckverband“ oder „Arbeitsgemeinschaft“ als mög- zeichnete sich in den standortpolitischen Fragen eine liche Klammern einer engeren regionalen Kooperation. spürbare Gewichtsverlagerung in der IHK-Arbeit ab. Themen gemeinsamen regionalen Interesses wur- Die regionalen Entwicklungsfragen rückten in den den in den 1960er Jahren auch schon in der so ge- Vordergrund, denn der erste Ölpreisschub 1972 zog nannten Niederrhein-Kommission erörtert. Hier ging auch strukturelle Anpassungsprozesse in der Region es allerdings nur um Fragen der Binnenschifffahrt nach sich. Der Arbeitsmarkt wurde seit dieser Zeit von am Niederrhein, die gemeinsam mit den Häfen und Rezession zu Rezession mehr und mehr zum Sorgen- Kommunen diskutiert wurden. Es blieb dort stets bei kind. Dies spiegelt sich auch in der IHK-Zeitschrift diesem sehr engen Teilausschnitt regionaler Zu- „Unsere Wirtschaft“ wider. Im Jahresbericht 1971 heißt sammenarbeit. es: „Die Redaktion der Kammerzeitschrift war im Be- Regionalpolitische Mitwirkung stand der IHK bis richtsjahr bestrebt, die inhaltliche Ausrichtung der Auf- zum Jahre 1975 mit Sitz und Stimme in den so ge- sätze und Berichte mehr als bisher regionalen Themen nannten Landesplanungsgemeinschaften zu. Im nach- zu widmen.“ folgenden Bezirksplanungsrat trat ab 1976 an diese

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Um die ökologische Ver- träglichkeit der A 44 – Rheinquerung tobte ein jahrelanger Streit. Karika- tur aus dem IHK-Jahres- bericht 1989.

Stelle lediglich ein beratendes Mandat, das zunächst und der Wirtschaft entstehen. Die Transparenz über von der IHK Wuppertal, in den Jahren 1989 bis 1999 Ziele und Mittel der regionalen und städtischen Ent- und ab 2004 wieder von der IHK Düsseldorf wahrge- wicklung verbesserte sich stark. Handfeste Ergebnisse nommen wurde. Abgesehen von dieser beratenden dieser Zusammenarbeit waren umfassende planerische Funktion im Bezirksplanungsrat blieben der IHK weite- Vorarbeiten, die in die Neuaufstellung des Gebietsent- re Formen der Mitwirkung in der Regionalpolitik bis wicklungsplanes in den Jahren 1994 bis 1998 einflos- zum Jahre 1989 versagt. In diesem Jahr entstanden sen. Auch die Europäische Gartenschau 2000+ sowie erstmals flächendeckend in NRW unter der von der die Regiobahn Kaarst-Mettmann sind greifbare Ergeb- Landesregierung ausgerufenen „Zukunftsinitiative nisse der regionalen Kooperation dieser Jahre. Nordrhein-Westfalen (ZIN)“ so genannte Regionalkon- Neue Kooperationsmuster entlang des Rheins ver- ferenzen. sprachen in der Zeit seit 1999 wiederholte Annähe- Eine Besonderheit für die ZIN-Region Düsseldorf rungsversuche der Rhein-Metropolen Köln und Düssel- war ihr Zuschnitt. Die neue Region Düsseldorf/Mittle- dorf. Die dabei immer wieder diskutierte engere Zu- Die Regiobahn zwischen rer Niederrhein umfasste die IHK-Bezirke Düsseldorf sammenarbeit der Flughäfen und der Messegesell- Kaarst und Mettmann steht für eine erfolgreiche und Mittlerer Niederrhein mit den kreisfreien Städten schaften war, im Nachhinein betrachtet, eher hem- regionale Kooperation in Düsseldorf, Krefeld und Mönchengladbach sowie den mend als fördernd für die Entwicklung einer engeren den 1990er Jahren. Kreisen Mettmann, Neuss und Viersen. Die Zusammen- Rheinland-Kooperation. arbeit ließ sich zunächst gut an, da erhebliche Mittel Diese neuere Kontroverse hat manche Vorläu- aus dem Bundeshaushalt zur Strukturhilfe lockten. fer. So wurde die Frage einer engeren Messe- Innerhalb kurzer Zeit gelang es den Kammern und kooperation bereits 1968 intensiv zwi- Kommunen, umfangreiche Listen förderwürdiger Pro- schen den Städten und den Kammern jekte – darunter die A 44-Rheinquerung – zusammen- Köln und Düsseldorf diskutiert, als zutragen. Das Geld als regionales Bindemittel hatte nur es um die Verlagerung der Düs- kurzfristig Wirkung. Die Strukturhilfemittel flossen seldorfer Messe in das neue nach der Wiedervereinigung bekanntlich in die neuen Gelände in Stockum ging. Bundesländer. Zumindest blieb am En- Dennoch ist die Bilanz dieser regionalen Zu- de dieser Diskussion sammenarbeit nach 1989 nicht negativ. Die IHK arbei- das Resultat, dass tete in zahlreichen Arbeitskreisen und in dem zentra- beide Kammern len Gremium, dem Regionalen Lenkungsausschuss, die führenden kontinuierlich mit. Die Zusammenarbeit ließ neue For- Hotelbetriebe men des Dialogs zwischen den Gebietskörperschaften beider Städ-

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te dafür gewinnen konnten, sich wechselseitig bei der Fördermitteln – in die Hand nehmen. Ihre regionale Unterbringung von Messegästen zu unterstützen. Zuständigkeit folgt genau der Abgrenzung der 16 IHK- Die IHK Düsseldorf hat – um den Gedanken der Bezirke, sie umfasst also hier die Stadt Düsseldorf und Rheinland-Kooperation auch in der Gegenwart leben- den Kreis Mettmann. dig zu halten – zusammen mit ihren rheinischen Die IHK hat sich im Jahre 2004 entschlossen, dafür Schwesterkammern immer wieder gemeinsame Projek- gemeinsam die Trägerschaft mit der Landeshauptstadt te für die Wirtschaft initiiert. Inzwischen gibt es er- Düsseldorf, der Handwerkskammer Düsseldorf und dem folgreiche Branchenplattformen für die Biotechnolo- Kreis Mettmann zu übernehmen. Seit Frühjahr 2005 gie-Unternehmen, die Automobilindustrie und die führt die IHK den Vorsitz in der Regionalagentur. Be- Umwelttechnik. dauerlich ist, dass die seit 1989 bestehende Rhein über- Offen ist, welchen Rahmen die künftige Verwal- schreitende Zusammenarbeit in der ZIN-Region einst- tungsstrukturreform den Kommunen und Kreisen und weilen als beendet gilt. letztlich auch den IHKs für die regionale Kooperation im Rheinland bieten wird. Stadtentwicklung, Raumordnung, Flächennutzung In einer gemeinsamen Entschließung haben die Schon 1955 spielte die Auseinandersetzung mit Fragen rheinischen IHKs im Jahre 2004 für das Rheinland die der Raumordnung und Stadtplanung in der IHK-Arbeit gleichen politischen Gestaltungsspielräume gefordert, eine wichtige Rolle. Damals ging es um die Erarbeitung wie sie dem Ruhrgebiet mit dem neuen Gesetz zum Re- der so genannten „Leitpläne“ – eine Art Vorläufer der gionalverband Ruhr (RVR) zugestanden wurden. Flächennutzungspläne – durch die Städte im IHK-Be- Gleichzeitig vereinbarten die IHKs Aachen, Bonn, Mitt- zirk. Überraschend ist das bereits damals formulierte lerer Niederrhein, Köln und Düsseldorf die Gründung Resümee zum Düsseldorfer Leitplan: „Die intensive Be- einer „Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Han- tätigung der Kammer auf dem Gebiete der Raumpla- delskammern im Rheinland“. nung aufgrund des Leitplans hat die Erkenntnis der Deindustrialisierung: Ehe- Eine völlig neue Struktur für die regionale Zu- Notwendigkeit gefordert, eine überörtliche Abstim- malige Industriegebiete, sammenarbeit hat die Landesregierung mit den neuen mung sowie eine Lösung durch Zweckverbände, die die wie hier das Gelände der Regionalagenturen noch im Jahre 2004 geschaffen. Sie wirtschaftsbehindernden kommunalen Grenzen über- Firma Jagenberg, wurden in den 1980er Jahren zu sollten die regionale Arbeitsmarkt- und Wirtschafts- springen, herbeizuführen.“ Hintergrund war bereits Brachflächen. förderungspolitik – im Wesentlichen die Verteilung von hier die Sorge um sich abzeichnende Flächenengpässe. Der Wunsch nach ausreichenden Ge- werbeflächen wurde 1965 in den Stel- lungnahmen zum Entwurf des Gebiets- entwicklungsplans für den Landkreis Düsseldorf – Mettmann wiederholt. Zu Beginn der 1960er Jahre zeichne- te sich ein neues Thema in der Stadtent- wicklung ab, nämlich die Integration von Nahversorgungsunternehmen des Han- dels- und Dienstleistungssektors in den großen Neubaugebieten, insbesondere in Düsseldorf-Garath. Die IHK sah ihre Auf- gabe darin, Firmen für die Ansiedlung zu gewinnen und ihnen eine Standort- und Investitionsberatung anzubieten. Nach dem massiven Strukturwandel zu Beginn der 1980er Jahre gewannen Fragen der Stadtentwicklung, der Raum- ordnung und der Flächennutzung neues Gewicht. Der Grund lag auf der Hand: Mit dem Rückzug der Industrie in der Stadt Düsseldorf wuchs das Reservoir an Brachflächen kontinuierlich. Für diese

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Flächen standen neue Nutzungen in der Dis- kussion. Im Kreis Mettmann hingegen gab es in den Städten stark unterschiedliche Aus- gangslagen: Einerseits die traditionellen In- dustriestandorte wie Velbert und Heiligen- haus mit ihren Gemengelagen, dem dichten Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe, andererseits die aufstrebenden Städte in der Rheinschiene wie Monheim, Ratingen und Langenfeld, die mit erheblichen Flächenre- serven Gewerbe ansiedeln konnten. Anfang der 1980er Jahre, als der neue Gebietsentwicklungsplan für den Regie- rungsbezirk Düsseldorf sowie der Flächen- nutzungsplan für die Stadt Düsseldorf erar- beitet wurden und intensive Gespräche zwi- schen Unternehmen und IHK stattfanden, war es an der Zeit, in diesen Verfahren die gewerblichen Wunsch um, nicht nur auf industriellen Brachflächen, Bereits 1968 wurde das Interessen zu sichern. Damals schon wurde sehr deut- sondern auch auf der „grünen Wiese“. Thema „Wohnen im Hafen“ zum Zankapfel. lich, dass Kernkonflikte in der Planung immer wieder Kein Wunder, dass sich in den 1970er Jahren schon aus der engen Nachbarschaft von Wohnen und Ge- ein deutlicher Aufholprozess des Kreises Mettmann bei werbe resultieren. In diesem Konflikt die gewerblichen den Geschäftsflächen, der Zahl der Betriebsstätten und Interessen zu vertreten, sie in den politischen Abwä- der Beschäftigten im Einzelhandel abzeichnete – übri- gungsprozess einzuspeisen – darin lag der IHK-Auftrag gens ein Phänomen, das sich als Aufholprozess der damals wie heute. Mittel- gegenüber den Oberzentren auch andernorts Beispiele für diesen Konflikt aus der jüngsten Ver- zeigte. Die Stadt Düsseldorf verfuhr bis zur Gegenwart gangenheit bieten die politischen Kontroversen zur mit wenigen, aber durchaus spektakulären Ausnahmen Entwicklung des Reisholzer Hafen- und Gewerbegebie- restriktiv mit der Ansiedlung von Einzelhandel an der tes und des Düsseldorfer Haupthafens. Im Falle des Peripherie, weil sie früh die Risiken für die City und die Reisholzer Hafens führte am Ende ein Architekten- gewachsenen Stadtteilzentren sah. Wettbewerb zu dem auch von der IHK angestrebten In allen Bauleitplanverfahren zum großflächigen Ergebnis, dem Gewerbe neue Wohngebäude als Nach- Einzelhandel seit den 1980er Jahren hat die IHK als Trä- barn zu ersparen. Für den Haupthafen wird diese Dis- ger öffentlicher Belange ihre Stellungnahmen aus dem kussion immer noch geführt. Blickwinkel eines räumlichen Leitbildes formuliert, das Gerade nach den einschneidenden Verlusten an in- der Zentrenhierarchie und der Zuordnung von Einzel- dustrieller Basis war es der IHK seit den frühen 1980er handelsstandorten zu Siedlungsschwerpunkten ver- Jahren besonders wichtig, auch dem produzierenden pflichtet ist. Die Planungen großer Projekte in Düssel- Gewerbe in den Städten des IHK-Bezirks eine Chance dorf, auf dem so genannten Oronto-Gelände zwischen zu geben. Dies zieht sich wie ein roter Faden bis hin zu Flingern und Oberbilk, auf dem Schiess-Gelände in den Stellungnahmen zum letzten Gebietsentwick- Heerdt, an der Paulsmühle, am Bilker Bahnhof, aber lungsplan, der 1998 im Bezirksplanungsrat verabschie- auch im Kreis Mettmann sind von der IHK so auf den det wurde. Dabei ist auch der Natur- und Landschafts- Prüfstand gestellt worden. In vielen Fällen hat sich die schutz in enge Konkurrenz zu den gewerblichen Stand- Politik auch dem IHK-Votum angeschlossen und die ortansprüchen getreten. Planungen zumindest modifiziert. Vielfach stand die Eine Konsequenz aus dem wachsenden Brachflä- Bezirksregierung Düsseldorf in diesen Verfahren an der chenangebot – nicht nur im IHK-Bezirk, sondern prak- Seite der IHK. tisch in allen Städten an Rhein und Ruhr – war der Von besonderem Gewicht für die Zukunft des Ein- Wunsch, die frei gewordenen Flächen mit großflächi- zelhandels war – wegen der außergewöhnlichen Grö- gem Einzelhandel zu besiedeln. Manche Städte, auch ßenordnung und der Wahl des Standortes – das Cen- im Kreis Mettmann, gingen recht großzügig mit diesem trO-Projekt in Oberhausen. Im Bezirksplanungsrat löste

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Das INTEK hatte Modellcharakter; es war das erste interkommunale Konzept dieser Art. Auf „höherer Ebe- ne“ ist schließlich 2004 das „Regionale Einzelhandels- konzept Westliches Ruhrgebiet/Düsseldorf“ in der Mo- deration der Bezirksregierung unter Mitwirkung der IHK und der Städte entstanden. Es definiert Standorte für den Handel und sieht ein interkommunales Mode- rationsverfahren vor, wenn konkrete Einzelhandelspro- jekte eine festgelegte Größenordnung überschreiten.

Zu Wasser ….. Der Düsseldorfer Hafen verknüpft die Region über das Binnenschiff vor allem mit den Nordseehäfen Rotter- dam und Antwerpen und dem gesamten europäischen Wasserstraßennetz. Als Logistik-Drehscheibe spiegelt der Hafen im Volumen und in der Struktur seines Wa- renumschlages sehr deutlich den Wandel der regiona- len Wirtschaft wider. Aber der Hafen ist nicht nur Lo- gistik-Drehscheibe, sondern auch Standort produzie- render Unternehmen, insbesondere der Mühlenindu- strie und auch des Kraftwerkes der Stadtwerke. Heute ist der Hafen primär Empfangshafen. Er be- dient nicht nur die Landeshauptstadt und den Kreis Mettmann. Das Hinterland des Hafens reicht traditio- Um sich ein Bild von der dieses Projekt ab 1993 lebhafte Kontroversen aus, die nell weit in den bergischen Raum hinein. Er ist Schnitt- Situation im Düsseldorfer bis heute nachwirken. stelle der Binnenschifffahrt mit den Verkehrsträgern Haupthafen zu machen, „stachen“ 1984 IHK-Hafen- Gemeinsam mit den anderen Kammern im Regie- Straße und Schiene und spielt vor allem für den in den ausschuss und Geschäfts- rungsbezirk, einigen Städten und anderen Institutionen letzten anderthalb Jahrzehnten rasant gewachsenen führung gemeinsam hat die IHK Düsseldorf am Ende erreicht, dass die Ein- Containerverkehr eine wichtige Rolle. „in See“. zelhandelsverkaufsfläche im CentrO auf 70.000 Qua- Nachdem sich die IHK seit den frühen 1980er Jah- dratmeter festgeschrieben wurde. Die Hoffnung, dass ren für ein Container-Terminal in Düsseldorf-Eller ein- damit eine weitere Expansion der Flächen definitiv ver- gesetzt hatte, dieses aber am Ende nicht nur auf Ab- hindert werden konnte, musste nach einem Urteil des lehnung im Rat der Stadt stieß, sondern 1994 auch Oberverwaltungsgerichts Münster Mitte 2005 aller- nicht einmal mehr das Plazet der Deutschen Bahn AG dings vorerst begraben werden. fand, erhielt der Hafen als letzter verbliebener Contai- Seit Beginn der 1990er Jahre hat die Einzelhan- ner-Umschlagplatz im Stadtgebiet eine Schlüsselrolle. delsentwicklung eine ganz besondere Brisanz, weil die Kaum eine andere Infrastruktureinrichtung stand in Wünsche nach Flächenexpansion auf eine stagnieren- der gesamten Nachkriegszeit so lange in einer „Zu- de Nachfrage der Konsumenten treffen. Einzelhandels- kunftsdiskussion“ wie der Düsseldorfer Haupthafen. projekte lösen gerade dann in eng besiedelten Räumen Auf den Kern reduziert, lautete die Frage stets: Wie viel erhebliche Kaufkraftumleitungen aus, die die Nachbar- Hafen braucht die Stadt, die Region überhaupt? Wel- gemeinden spürbar berühren. che Hafenflächen sind obsolet und können anderen als Aus dieser Erkenntnis, dass ein ungehemmter An- logistischen Nutzungen überlassen werden? Welche siedlungswettlauf der Städte am Ende nur Verlierer Nutzungen können und sollen dies sein, um den jeweils hinterlässt, ist im Jahre 2000 auf Initiative der IHK und verbleibenden Restbestand des Hafens nicht zu ge- des Kreises Mettmann das Interkommunale Einzelhan- fährden? delskonzept (INTEK) für die Städte im Kreis Mettmann Rückschauend betrachtet hat sich die IHK in dieser entstanden. Es sollte die Kommunen in ihrer Bauleit- lang anhaltenden Kontroverse grundsätzlich für den planung – soweit sie den Einzelhandel betrifft – bin- Erhalt der Logistik-Funktionen des Hafens stark ge- den, um eine „Kannibalisierung“ des Handels zu ver- macht und ist zunächst auch den tertiären Folgenut- meiden. zungen des Hafens mit Skepsis entgegengetreten.

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In diesen Debatten wurden vornehmlich Gutachten Container-Terminal in Düs- bewertet, die letztlich auch Daten für die Bauleitpla- seldorf-Bilk in den 1980er Jahren. nung setzten. Der IHK ging es dabei vor allem darum, in jeder Phase der städtebaulichen Umwandlung wei- terer Hafenteile den Betrieben einen reibungslosen Umschlag ohne existenzgefährdende Produktionsbe- schränkungen zu sichern. Schon 1975 hieß die Zielset- zung: „Im Düsseldorfer Hafen muss wieder langfristig geplant werden können.“ Wie ein roter Faden zieht sich durch diese Kontroversen der Wunsch der Hafen- Geblieben ist bis heute die Zielsetzung, dass ein wirtschaft nach frühzeitiger und offener Information Wirtschaftsraum wie der IHK-Bezirk auf die Logistik- über die Zukunft des Hafens. Leistungen des Hafens nicht verzichten sollte und der Die entscheidende Phase der Umwandlung weiter Hafen wegen seiner zahlreichen unvermeidbaren, aber Teile des Hafens in den heutigen Medienhafen lag in rechtlich zulässigen Immissionen grundsätzlich nicht den 1980er Jahren. Dies geschah auf der Grundlage ei- zum Wohnen taugt. nes Ratsbeschlusses aus dem Jahre 1976. Bürogebäude Hinter diesem Resümee stehen zahlreiche Einzel- rückten den traditionellen Umschlagbetrieben näher. debatten, wechselnde Meinungen im Rat der Stadt, Schon Mitte der 1990er Jahre standen die Zeichen auf Gutachten und Bestandsaufnahmen sowie unter- weiterer Expansion der Büros in dem noch verbliebe- schiedliche Visionen für die mittel- und langfristige nen Teil des Hafens. Grundlage der weiteren Diskussion Zukunft des Hafens. wurde dabei das im Jahre 1993 von der Stadtverwal- Schon im Jahre 1948 richtete die IHK-Vollver- tung und den Stadtwerken vorgelegte Papier „Perspek- sammlung als Plattform für die unternehmerische Mei- tiven für den Düsseldorfer Hafen“. In enger Abstim- nungsbildung in allen Hafenfragen einen Hafenaus- mung mit den Hafenbetrieben hat die IHK dazu schuss ein. Auf seiner ersten Sitzung im Jahre 1949 ihre grundsätzliche Zustimmung formuliert, „da ihre standen die Verkehrserschließung des Hafens und des- wesentlichen Forderungen Berücksichtigung fanden. sen künftige Einbindung in die Stadtentwicklung auf Dies sind Erhaltung der Güterverkehrs- und Umschlag- der Agenda. funktion, Bestandsschutz und Zukunftsperspektiven Lebhaft geführt wurde die Diskussion ab dem Jahr für die ansässigen Betriebe, kein Heranrücken von 1960. In diesem Jahr wandte sich die IHK gegen den sensiblen Nutzungen (Wohnen, Büros) an die emittie- Fortfall des unteren Rheinwerfts, das einer Verbreite- renden Betriebe (Mühlen, Lagerhäuser, Kraftwerk) und rung der Rheinuferstraße weichen sollte. Die IHK reich- die Verbesserung der Verkehrserschließung durch eine te der Stadt damals ein umfangreiches Gutachten ein, direkte Verbindung zum Südring“ – so der IHK-Jahres- Lastkähne am Düssel- das sich für die Beibehaltung des Umschlagplatzes aus- bericht aus dem Jahre 1993. dorfer Rheinwerft. sprach. Um die Jahrtausendwende waren dennoch bereits In den 1970er Jahren setzten sich diese gegensätz- weitere Teile des Hafens in tertiäre Nutzungen (Büros, lichen Betrachtungen fort, immer wieder auch unter Hotel) umgewandelt worden. Die Politik hatte bis da- dem Blickwinkel, die beabsichtigten städtebaulichen hin dem Wohnen im Hafen allerdings noch kein „grü- Veränderungen im Hafen in Einklang mit den gewerb- nes Licht“" gegeben, so wie es auch der IHK-Linie stets lichen und logistischen Funktionen zu bringen. entsprach.

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Modell des geplanten Werstener Kreuzes aus dem Jahre 1978.

Erst in jüngster Zeit ist diese Frage wieder akut dert, denn die planerischen Vorstellungen der beiden geworden. In einem Lenkungskreis, in dem die IHK im Städte blieben davon unberührt. Jahr 2002 ihre Anregungen und Hinweise zu einem Die Frage der ausreichenden Verkehrserschließung entstehenden neuen Hafen-Gutachten vortragen des Hafens ist im Übrigen nach wie vor so aktuell, wie konnte, wurden erneut die Argumente zugunsten eines sie bereits unmittelbar nach dem Kriege war. Logistik-Standortes Hafen oder eines neuen Büro- und Wohnquartiers im Hafen ausgetauscht. Zu Lande ….. Die IHK hat in umfangreichen Stellungnahmen für Fragen des innerstädtischen Verkehrs berühren Händ- ein im Jahr 2005 angelaufenes Bauleitplanverfahren ler und Dienstleister, wenn es um die Kundenströme ihre schon früheren Bedenken gegen die enger wer- geht, die Spediteure und den Einzelhandel, wenn es um dende Nachbarschaft zwischen Wohnungen und den die Lieferströme geht und schließlich alle Unterneh- Unternehmen dargelegt. Bislang hat die Vision vom men, wenn die Pendlerströme betroffen sind. „Wohnen im Hafen“ noch keine konkrete Umsetzung Die Mobilität dieser Gruppen steht im Spannungs- erfahren. Die dort ansässigen Unternehmen sehen sich verhältnis unterschiedlicher wirtschafts- und kommu- allerdings durch die immer wiederkehrende Diskussion nalpolitischer Zielsetzungen. Grob gesprochen: Ein- trotz ihrer langfristigen Pachtverträge stark verunsi- griffe in die Mobilität spielen vor allem dann eine Rol- chert. An dieser Diskussion hat auch die Fusion der Hä- le, wenn umweltpolitische Anliegen an Gewicht ge- fen Düsseldorf und Neuss im Jahre 2003 nichts geän- winnen.

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nehmen zu einer zeitlichen Entzerrung ihrer Arbeits- Parkplatznot herrschte zeiten in der Lage waren, um den Belastungsspitzen des bereits in der ersten Hälfte der 1960er Jahre in der Verkehrs entgegenzuwirken. Düsseldorfer Innenstadt. In ihrer Stellungnahme zum so genannten General- verkehrsplan und zur Errichtung von Fußgängerzonen wurde deutlich, dass die IHK der Erreichbarkeit der City durch den Individualverkehr hohe Priorität ein- räumte, gleichzeitig aber dafür plädierte, den Lkw- Durchgangsverkehr aus der City herauszuhalten. Im Die ersten verkehrspolitischen Positionen der IHK in Grundsatz gelten diese Positionen bis heute fort. der Wiederaufbauphase wurden in einem Forderungs- katalog aus dem Jahre 1955 deutlich. Im Rahmen einer Stellungnahme zum Entwurf eines Leitplanes für die Landeshauptstadt Düsseldorf schienen folgende Grundpositionen durch: • Die IHK plädierte für die großzügige Bemessung der neuen angedachten Verkehrsachsen, die in Nord- Süd-Richtung durch das Stadtgebiet führen sollten. Die Sorge, dass für die innerstädtischen Verkehrs- ströme keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfü- gung stehen könnten, ist nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass auch die überregionalen Verkehre über die B1 durch das Stadtgebiet flossen. Im Sinne eines besseren Verkehrsflusses machte sich die IHK für eine „Verkehrsführung in zwei Ebenen“ stark. • Schon mit Blick auf den Einzelhandel sprach sich die IHK für eine großzügige Bemessung von Park- plätzen und Parkhäusern aus. Das Parkhausproblem griff sie 1959 erneut auf: Sie rief die gewerbliche Wirtschaft, insbesondere den Einzelhandel auf, sich Der U-Bahn-Bau bedeutete für die Düsseldorfer Während der U-Bahn-Bau an der Finanzierung und am Bau neuer Parkhäuser Stadtentwicklung eine herbe Zäsur. Die IHK identifi- den Verkehr auf der Kölner Straße teilweise zum Still- zu beteiligen. zierte sich von Anfang an stark mit diesem Projekt, stand brachte (Foto oben), • Schließlich regte sie an, in den Leitplan der Stadt sorgte sich aber um das Wohl der Kaufleute während erfreut sich die U-Bahn auch Vorschläge zum Bau „einer Unterpflasterbahn der Bauphase. Im Jahre 1971 gründete sie den so ge- heute bei den Düsseldorfern zur Entlastung des oberirdischen Straßenverkehrs“ nannten U-Bahn-Koordinierungsausschuss, gemein- und ihren Gästen großer Beliebtheit (Foto unten). aufzunehmen. sam mit anderen Organisationen der lokalen Wirt- schaft. Ein erstes Ergebnis war eine gemeinsame Stel- Über ihre beratende Funktion im Ordnungs- und lungnahme zum vorgesehenen U-Bahn-Netz, gestützt Verkehrsausschuss der Stadt Düsseldorf nahm die IHK auf die Befragung von Unternehmen, um ab Anfang der 1960er Jahre Einfluss auf die Parkraum- Anhaltspunkte für die Kunden- und Be- bewirtschaftung. Im Sinne eines engen Dialogs zwi- sucherströme zu gewinnen. Ab 1978 schen städtischer Verkehrsplanung und den Unterneh- stand die Frage der Kompensation der U- men initiierte sie so genannte Anliegerausschüsse. Ziel Bahn-Anlieger für Geschäftseinbußen war es, Anregungen und Wünsche der vom lebhaften während der Bauphase im Mittelpunkt, Straßenbau betroffenen Firmen mit der Stadt auszu- für die im Streitfalle ein Gutachtergre- tauschen. mium installiert werden sollte. Die mit den wachsenden Einpendlerströmen ein- Die Auswirkungen des U-Bahn-Baus hergehenden Verkehrsspitzen kamen 1968 auf die auf den Einzelhandel zeigten sich über Agenda eines städtischen Arbeitskreises. Die IHK eru- mehrere Jahre hinweg an der Kölner ierte für die Beratungen, in welchem Maße die Unter- Straße sehr deutlich. Hier hat die IHK in

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Fahrbahnverengungen zu- gunsten des Radverkehrs waren lange Zeit Bestand- teil der Düsseldorfer Ver- kehrspolitik.

engem Kontakt mit den Kaufleuten und der Stadt im ten zur gleichen Zeit dem Lkw-Lieferverkehr besonde- Rahmen des Stadtteilmarketings an der Revitalisierung re Aufmerksamkeit in Politik und Verwaltung. Gemein- des Standortes intensiv mitgewirkt. sam mit Speditionsunternehmen aus Düsseldorf und Aktuell steht die so genannte Wehrhahnlinie vor ih- dem Kreis Mettmann, der Stadt Düsseldorf und mit För- rem Bau. Auch hier geht es für die IHK wieder um die derung durch die Landesregierung entwickelte die IHK Frage, wie die Belastungen für die Unternehmen durch daher ein Konzept für eine Düsseldorfer City-Logistik. die U-Bahn-Planung und den U-Bahn-Bau in Grenzen Ziel war es, die Warenzustellung in der Innenstadt zu gehalten werden können. bündeln. Im Jahre 1998 startete die praktische Erpro- Innerstädtische Verkehrsthemen rückten erneut bung. 1993 in den Mittelpunkt. Zur Debatte standen Eingrif- Trotz des guten Willens aller an diesem Versuch Be- fe in den Individual- und Lieferverkehr, um die Bela- teiligten führten am Ende die mangelnde betriebswirt- stung mit Schadstoffemissionen einzudämmen. Die schaftliche Rentabilität und fehlende verkehrstechni- IHK-Vollversammlung schaltete sich mit einem um- sche Vorteile zugunsten der City-Logistik schließlich zu fangreichen Forderungskatalog zum innerstädtischen einem Abbruch dieses Experimentes. Die gleiche Erfah- Verkehr in die Auseinandersetzung ein. Der eindeutige rung mussten übrigens die meisten aller anderen Städ- Tenor war, mit möglichst milden Eingriffen in den Ver- te machen, die sich für die City-Logistik engagiert hat- kehr die Erreichbarkeit der Innenstadt – trotz Konzes- ten. sionen an den Umweltschutz – zu sichern. Es mag sein, dass es künftig zu einer Wiederbele- Ab 1995 – dem Beginn der rot-grünen Mehrheit im bung der City-Logistik-Ideen kommt, denn umweltpo- Düsseldorfer Stadtrat – trat eine spürbare Trendwende litische Restriktionen haben den Lkw-Verkehr inzwi- in der Verkehrspolitik ein. Fahrbahnverengungen zu- schen erneut eingeholt. Seit 2005 spielt die Feinstaub- gunsten des Radverkehrs, Verkehrsberuhigung in der Belastung durch Dieselfahrzeuge eine Rolle. Die IHK hat Altstadt und Restriktionen für den Lieferverkehr ge- sich hier von Anfang an in die Maßnahmen-Diskussio- hörten zum Katalog der neuen Verkehrspolitik. Die IHK nen eingeschaltet, um vor allem die berechtigten An- hat mit ihrer Kritik an diesen Maßahmen die breite liegen des Lieferverkehrs und der ansässigen Unter- Unterstützung ihrer betroffenen Mitgliedsunterneh- nehmen zu vertreten. men erfahren. Diese Phase hat eine neue Erfahrung ge- Für die Unternehmen ist die Straße mit Abstand der bracht, nämlich dass auch Kaufleute – ähnlich wie die wichtigste Verkehrsträger. Leistungsfähige Verkehrs- Bürgerinitiativen – zu unkonventionellen Protesten achsen werden daher zu Recht als „Lebensadern der greifen, wenn sie nicht gehört werden. Wirtschaft“ bezeichnet. Quälend lang sind gerade bei Restriktive Lieferzeiten, Zunahme von Kurierdien- Autobahnen die Planungsverfahren, nicht zuletzt, weil sten und Auslieferungsservice des Handels verschaff- immer stärker Umweltbelange in die Planung einfließen.

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Kaum eine Verkehrsachse ist für den IHK-Bezirk von die Auto-Zulieferindustrie kann ihre Standorte und solch herausragender Bedeutung wie die A 44. Sie soll Arbeitsplätze nur in der Region halten, wenn eine stö- den linksrheinischen Raum mit dem niederbergischen rungsfreie, pünktliche Belieferung der Produktions- und darüber hinaus mit dem Ruhrgebiet verbinden. Sie stätten der Fahrzeugindustrie gewährleistet ist. ist Teil einer der wichtigen europäischen Verkehrsach- Bereits im Jahre 1987 gab es für das östliche Teil- sen und reicht von Frankreich über Belgien bis in den stück der A 44 südlich Heiligenhaus einen Planfeststel- osteuropäischen Raum hinein. Sie bildet darüber hi- naus den nördlichen Teil des Tangentialnetzes um die Landeshauptstadt Düsseldorf. Für alle Teilstrecken der A 44 hat die IHK über lan- ge Zeiträume in der Nachkriegszeit in Politik und Ver- waltung geworben und in allen Planungsverfahren Position bezogen: Die Teilstrecke Heiligenhaus-Velbert mit dem Birther Tunnel, den Flughafenknoten mit An- schluss an A 52 und A 3, die Rheinquerung bei Illverich, die so genannte Flughafenbrücke, und den Lücken- schluss zwischen der A 3 und Velbert. Zwischen der Rheinquerung der A 44 und der A 3 liegt das älteste Teilstück der A 44 auf Düsseldorfer Stadtgebiet. Es wurde 1992 eröffnet. Damit waren Messe und Flughafen erstmals direkt an das Auto- bahnnetz angeschlossen. Gerade noch rechtzeitig zur Kunststoffmesse wurde dieser Abschnitt mit einem Volksfest eröffnet. Mit dabei waren zahlreiche Demon- stranten – in diesem Falle einmal für die A 44-Rhein- querung. Die Rheinquerung bei Illverich war besonders umstritten. Über Jahre ging es um die Alternativen „Brücken- oder Tun- nellösung“. Schließlich fiel die Entschei- dung für die heutige Flughafenbrücke mit Staatssekretär Dr. Wilhelm zwei Vorlandtunneln auf der Meer- Knittel (mit Schere) gab im Herbst 1992 die 16 Kilo- buscher Seite. meter lange A 44-Trasse Neben den üblichen Instrumenten – zum Flughafen für den Stellungnahmen gegenüber Politik und Verkehr frei. Verwaltung, Pressestatements – hatte die Auf der Messe „aktiv leben IHK als Befürworter dieser Lösung auf der `90“ hatte die IHK mehr Messe „aktiv leben“ 1990 einen Infostand als 3.000 Unterschriften errichtet, an dem Messebesucher über die für die Vollendung der A 44 gesammelt. Planung anhand eines Großmodells unterrichtet wurden. Mit ihrer Unter- schrift sprachen sich dort über 3.000 Personen für die- lungsbeschluss. Dieser wurde allerdings im Jahre 1990 ses Projekt aus. vom OVG Münster aufgehoben. Jahrelange Bemühun- Die Rheinbrücke wurde schließlich am 31. Mai 2002 gen mit Resolutionen, politischen Gesprächen und mit einem Brückenfest eröffnet, auch hier war die Kam- Stellungnahmen sowie die Arbeit einer von der Kam- mer mit einem Infostand vertreten, mit der heute noch mer mitgetragenen ersten Initiative „A 44 jetzt!“ (eine aktuellen Botschaft: Das Teilstück zwischen der Auto- zweite Aktion unter diesem Namen erfolgte im Vorfeld bahn A 3 und Velbert besitzt für den niederbergischen der Rheinquerung) erschienen vergeblich. Auch ge- Wirtschaftsraum eine herausragende Bedeutung, mit meinsame Vorstöße mit den DGB-Vorsitzenden des ihrer Verbindung zur Rheinschiene, in die Benelux-Län- Kreises Mettmann beim Landesverkehrsminister brach- der, zur Messe und zum Flughafen Düsseldorf. Speziell ten keinen Fortschritt.

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Das Vorfeld des Düsseldorfer Flughafens 1965.

So wurde die A 44 in den Folgejahren von der Bun- führenden Messeplätze mit über 20 internationalen des- und Landespolitik kaum noch weiterverfolgt. Erst Leitmessen entwickeln konnte. Die Aussteller und nach dem „Ruhrkompromiss“ – einer umfassenden Besucher, die über den Flughafen die Stadt Düsseldorf neuen Fernstraßenplanung für das Revier – im Jahre erreichen, geben der lokalen und regionalen Wirtschaft 1997 wurde das Projekt wieder ernsthaft bearbeitet. wiederum als Kunden des Einzelhandels und der Kritisch wurde es noch einmal bei der Fortschrei- Gastronomie erhebliche Impulse. bung des Bundesverkehrswegeplanes im Jahre 2003. So wundert es nicht, dass der Flughafen in Düssel- Ein „besonderer naturschutzfachlicher Planungsauf- dorf wie alle Flughäfen der Welt als Job-Motor gilt. Der trag“ drohte, die Realisierung erneut zu gefährden. In Düsseldorfer Flughafen beschäftigt direkt rund 13.000 einer geradezu vorbildlichen Gemeinschaftsarbeit ge- Mitarbeiter, alle regionalen Beschäftigungseffekte zu- lang es der Kammer, dem Land NRW, dem Kreis Mett- sammengenommen summieren sich auf rund 50.000. mann und den Anlieger-Kommunen, die Bundesregie- Dies alles erklärt, warum die Unternehmen im Kam- rung zu überzeugen, diesen Vorbehalt aufzuheben. merbezirk – und damit auch die IHK – stets ein vitales Die IHK-Ausschüsse für Heiligenhaus, Velbert, Mett- Interesse an einem leistungsfähigen Flughafen hatten. mann, Wülfrath und Ratingen hatten zusätzlich noch Man mag hinzufügen: So wie die Kaufleute im Grün- einmal eindringlich auf die wirtschaftlichen Folgen dungsjahr der Kammer 1831 ihr vitales Interesse an einer weiteren Hinauszögerung der A 44 hingewiesen. einem funktionsfähigen Hafen hatten. Die A 44 kam danach in den „Vordringlichen Bedarf“ Von einigen wenigen Ausnahmejahren abgesehen, des Bundesverkehrswegeplanes. Nach Abschluss des wächst der Luftverkehrsmarkt schon über lange Zeit- weit vorangeschrittenen Planfeststellungsverfahrens räume mit einer deutlich über dem gesamtwirtschaft- kann jetzt endlich mit einem Baubeginn in den näch- lichen Durchschnitt liegenden Rate. Das immer wieder- sten Jahren gerechnet werden. Die Anbindung an das kehrende Problem des Düsseldorfer Flughafens besteht Autobahnnetz des Ruhrgebietes über Velbert hinaus darin, an diesem Wachstum nur unzulänglich teilneh- wäre somit gesichert. men zu dürfen.

..... und in der Luft Der Düsseldorfer Flughafen ist für die wirt- schaftliche Entwicklung der Stadt Düssel- dorf und des Kreises Mettmann seit der Nachkriegszeit einer der ganz entscheiden- den Standortfaktoren. Seine ökonomische Ausstrahlungskraft reicht weit in die links- rheinische Nachbarregion und das Ruhrge- biet hinein. Der Flughafen ist einer der maßgeb- lichen Gründe dafür, dass sich internatio- nale Wirtschaftsaktivität in der Region be- sonders gut entfalten konnte: Export- und Importströme, Investitionen ausländischer Unternehmen, aber auch globale Aktivitä- ten der hier ansässigen Anbieter von Gü- tern und Dienstleistungen. Dass viele der „global players“ in Düs- seldorf und der Region ihren Sitz haben, ist auch dem Flughafen zu verdanken. Der Flughafen trug ferner dazu bei, dass sich Düsseldorf nach dem Kriege zu einem der

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Standortpolitik: Die Region stärken 59

Schon im Jahre 1956 stand die Frage an, ob der Unterstützung gab die IHK dem Flughafen schließ- Flughafen Düsseldorf mit seinem damaligen Ausbau- lich 1977 in ihrer Stellungnahme zum beantragten Bau zustand für den neuen Trend zu düsengetriebenem der Parallelbahn. Fluggerät gewappnet sei. Die IHK hat sich in dieser Fra- Heute liegen die Wachstumshemmnisse des Flug- ge letztlich zu einem Ausbau bekannt, gleichwohl da- hafens in einer Genehmigungssituation, die die Anzahl bei deutlich gemacht, dass sie auf technische Fort- der Flugbewegungen auf einem Niveau festschreibt, schritte bei der Lärmdämpfung der Triebwerke setze. das weit unterhalb der Nachfrage der Fluggesellschaf- Sie stützte sich dabei auf Gutachten zur Triebwerks- ten liegt. Technisch gesprochen, geht es um die Anzahl technik. Diese Argumentation spielte auch in der 1958 der Zeitnischen – der so genannten Slots –, die in den aufkommenden landespolitischen Frage eine Rolle, ob sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres für Starts der Ausbau des Flughafens Köln/Bonn gegenüber und Landungen zur Verfügung stehen. Sie wurde be- Düsseldorf präferiert werden sollte. grenzt, um dem Lärmschutz der Bevölkerung Rechnung Die IHK stützte ihre Position auf die faktische zu tragen. Marktlage, die einen klaren Vorsprung der Luftver- Am zähen Ringen des Flughafens um mehr Wachs- kehrsnachfrage zugunsten des Düsseldorfer Flughafens tumsspielräume wird deutlich, welch lange Zeit Ge- belegte. nehmigungsverfahren beanspruchen. Dies gilt insbe- Vorschläge zur Anpassung der Flugpläne der Luft- sondere dann, wenn sie durch Verwaltungsgerichtsver- hansa und anderer Airlines gehörten in den 1960er fahren immer wieder hinausgezögert werden. Jahren zu den immer wiederkehrenden Kammerakti- Die IHK hat über viele Jahre das Ringen des Flug- vitäten zum Luftverkehr. Dabei koordinierte die IHK als hafens um mehr Wachstumsspielräume unterstützt. „federführende Kammer in Nordrhein-Westfalen“ auch Dabei kamen unterschiedliche Instrumente zum Zuge. die Wünsche aus den übrigen Regionen des Landes. Sie zeigen, dass politische Kontroversen auch neue An- Hierbei spielte auch die heute noch aktuelle Forderung sätze in den IHK-Aktivitäten erfordern. Die klassische der Wirtschaft nach mehr Tagesrandflügen schon eine Unterstützung lag immer wieder in zahlreichen Ent- Rolle. schließungen der Gremien der IHK, also der Vollver-

Die Abfertigungshalle des Flughafens Düsseldorf International heute.

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Aufruf zur Weiterentwicklung sammlung und ihrer Ausschüsse, zum Bei- Düsseldorf International spiel des Verkehrsausschusses. Durch inten- sive Pressearbeit wurden diese Resolutionen ür die Unternehmen an Rhein und Ruhr gehört der Flughafen Düsseldorf in die Öffentlichkeit transportiert, selbstver- FInternational zu den wichtigsten Standortfaktoren. Er war stets Motor für ständlich auch über die eigenen Medien der Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sowie für die Ansiedlung zahlreicher IHK. Unternehmen aus dem In- und Ausland. In den verschiedenen Genehmigungs- verfahren bot sich der IHK „als Träger öf- Mit großer Besorgnis sehen wir, dass der Flughafen künftig diese Rolle verlieren fentlicher Belange“ Gelegenheit, aus wirt- könnte. Nach dem Abschluss der umfassenden Modernisierung seiner Terminals schaftlicher Sicht die Argumente zu bün- hätte der Flughafen Düsseldorf International zwar sehr gute Voraussetzungen, deln, die für eine Expansion des Flughafens um am Wachstum des Luftverkehrs teilzuhaben, die aktuelle Genehmigungslage sprachen. Dass sie dabei stets eine enge Rük- steht einer solchen Erwartung jedoch entgegen. kkopplung zu den betroffenen Unterneh- men suchte, die besonders stark den Flug- Aus unserer Sicht fehlen klare und vor allem übereinstimmende Signale aus der hafen nutzen, versteht sich von selbst. „Te- Landespolitik und der Kommunalpolitik in der Region Düsseldorf, welche Ent- stimonials“ aus den Unternehmen, die wicklungsspielräume man dem Flughafen künftig einräumen will. Aus Sorge um gegenüber der Presse erklärten, warum sie die künftige Standortqualität für die Unternehmen fordern wir alle politisch den Flughafen benötigen, stützten die Ar- Verantwortlichen im Land und in den Kommunen auf: gumente zusätzlich.

• Burkard Ungricht, Geschäftsführer A. + E. Ungricht GmbH + Co KG, Mönchengladbach • Max Wilhelm Schenck, Geschäftsführender Gesellschafter A. MANNES- MANN MASCHINENFABRIK GmbH & Co. KG, Remscheid • Andreas Skaletz, Geschäftsführer A. S. Ingenieure GmbH, Ratingen • Christian Sutter Geschäftsführender Gesellschafter A. Sutter GmbH, Essen • Hendrik Weiler, Vorsitzender der Geschäftsführung ABB Calor Emag Mittelspannungs GmbH, Ratingen • Reiner Brandts, In- haber Adolf Koch Stempelfabrik, Mönchengladbach • Dr. Lutz Aengevelt, Geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien KG, Düsseldorf • Frank-Werner Dreisörner, Vorsitzender der Geschäftsführung Alberdingk Boley GmbH, Krefeld • Thomas Geupel, Kaufmännischer Geschäftsführer Aluminium Norf GmbH, Neuss • Kurt Seyboldt, Vorstandsmitglied ara Shoes AG, Langenfeld • Dr. Paul-Otto Fassbender, Vorstandsvorsitzender ARAG Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Düsseldorf • Dr. Arno Ralf Wilfert Baron, Geschäftsführer Market Manager Arthur D. Little GmbH, Düsseldorf • Reinhard Willmes, Vorstand August Heine Bauge- sellschaft Aktiengesellschaft, Oberhausen • Rolf Königs, Geschäftsführer AUNDE Achter & Ebels GmbH, Mönchengladbach • E.A. Wasmuth, Geschäftsführer AVIT- Hochdruckrohrtechnik GmbH, Essen • Josef Beutelmann, Vorsitzender der Vorstände Barmenia Versicherungen, Wuppertal • Walter Schulz, Leiter Werk Dormagen Bayer AG Leitung Werksdienst, Dormagen • Dr. Jürgen Hinz, Geschäftsführer Bayer Industries Bayer AG Werk Uerdingen, Krefeld • Dr. Bernd von der Linden, Werks- leiter BAYER Aktiengesellschaft, Wuppertal • Maximilian Knappertsbusch, Leiter der Niederlassung Firmenkunden Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, Düsseldorf • Gerhard Holtrop, Vorstand BEA Holding AG, Düsseldorf • Ute Becker-Wittig, Inhaberin Becker-Wittig Immobilien RDM, Krefeld • Bernd Böving, Bernd Böving Be- rufskleidung + Industriebedarf Zweigstelle Goch, Goch • Nobert Bienen, Gesellschafter / Geschäftsführer BIENEN & PARTNER Immobilien GmbH, Mönchengladbach • Horst Gombert, Leiter technischer Außendienst Bilfinger + Berger Bau AG, Düsseldorf • Klaus Lothar Krenge, Geschäftsführender Gesellschafter Bönders Gesell- schaft mit beschränkter Haftung, Krefeld • René Perillieux, Geschäftsführer Booz Allen Hamilton, Düsseldorf • Dirk Elberskirch, Mitglied des Vorstandes Börse Düs- seldorf AG, Düsseldorf • Prof. Dr.-Ing. Klaus Brankamp, Geschäftsführer BRANKAMP AUTOMATION GmbH, Erkrath • Wolfgang R. Bays, Gesellschafter / Geschäfts- führer Brune Consulting GmbH, Düsseldorf • Jürgen Drissner, Geschäftsführer Brüninghaus & Drissner G.m.b.H., Hilden • Dr. Roland Peter, Vorsitzender der Ge- schäftsführung BYK-Chemie GmbH, Wesel • Andreas Böhm, Geschäftsführer BZ Bildungszentrum GmbH, Tönisvorst • Wilhelm F. Thywissen, Geschäftsführer C. Thy- wissen GmbH, Neuss • Carl Hugo Erbslöh, Geschäftsleitung C.H. Erbslöh KG, Krefeld • Dirk Vormann, Geschäftsführender Gesellschafter Casino Zollverein GmbH, Es- sen • Joachim Malich, Leiter Region West Cegelec Anlagen- und Automatisierungstechnik GmbH & Co. KG, Essen • Dipl.-Wirtschafts-Ing. Andreas Haberland, Ab- teilungsleiter Chemion Logistik GmbH Lager-Leitung, Krefeld • Frank Ulinger, Niederlassungsleiter CONDOR Schutz- und Sicherheitsdienst GmbH, Düsseldorf • Theo Convent, Geschäftsführender Gesellschafter CONVENT SPEDITION GmbH, Emmerich • Ralf Bartsch, Geschäftsführer DeCeTe Duisburger Container Terminalgesell- schaft mbH, Duisburg • RA Rainer Spenke, Geschäftsführer DEHOGA Nordrhein e.V., Düsseldorf • Manfred Diedrich, Vorsitzender der Geschäftsführung DELPHI DEUTSCHLAND GmbH, Wuppertal • Frank Schneider, Geschäftsführender Gesellschafter „Der Baustoff-Mann“ Schneider oHG, Oberhausen • Bernd Fink, Geschäfts- führender Gesellschafter deuka Deutsche Tiernahrung GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Dr. Marcus Dahmen, Mitglied der Geschäftsleitung Deutsche Bank AG, Düssel- dorf • Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Goehrmann, Präsident Deutscher Marketing-Verband e. V., Düsseldorf • Alexander Felsenberg, Geschäftsführer, Mitglied des Gesamt- vorstandes Deutscher Multimedia Verband (dmmv) e.V., Düsseldorf • Dr. Wulf Bernotat, Vorsitzender des Vorstandes E.ON AG, Düsseldorf • Dieter Fitscher, Ge- schäftsführer ED. Fitscher GmbH & Co. KG Metallwerk, Oberhausen • Harald Wüsthof, Geschäftsführender Gesellschafter Ed. Wüsthof Dreizack Werk, Solingen • Sven Eggert, Geschäftsführer Eggert Group, Düsseldorf • Rolf Wackermann, Geschäftsführer EKOTEC Gusstechnik GmbH, Ratingen • Markus Lacum, Geschäftsfüh- rer Elevator Gesellschaft für Kommunikation mbH, Oberhausen • Uwe Bergheim, Vorsitzender der Geschäftsführung E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Dr. Joachim Hank, Geschäftsführer ERFTCARBON GmbH & Co. KG, Grevenbroich • Dr. Ernst Johannes G.S. Trapp Hegemann, Aufsichtsrat Vorstand F. C. Trapp AG, Wesel • Friedrich Georg Conzen, Geschäftsführer F. G. Conzen GmbH, Düsseldorf • Dr. Matthias Mitscherlich, Vorsitzender des Vorstandes Ferrostaal AG, Essen • Mi- chael Esser, Geschäftsführer / Inhaber First Reisebüro Esser GmbH & Co. KG, Krefeld • Hans-Joachim Peters, Berater Flughafengesellschaft Mönchengladbach mbH, Mönchengladbach • Frank Schnitzler, Geschäftsführer Frank Schnitzler Parfümerie GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Reiner Brandts, Inhaber Franz Brandts Stempelfa- brik, Mönchengladbach • Günther Hülse, Vorstandsvorsitzender Franz Haniel & Cie. GmbH, Duisburg • Dr. Thomas Kreifels, Office Managing Partner Freshfields Bruck- haus Deringer, Düsseldorf • Karl Bermes, Geschäftsführender Gesellschafter FTB Ferntransporte Bermes & Co. GmbH, Willich • Uwe Spiegel, Geschäftsleitung Gale- ria Kaufhof, Berliner Allee, Düsseldorf • M. Becker, Geschäftsführer Gebr. Becker GmbH & Co., Wuppertal • Heinz Trox, Hauptgesellschafter Gebrüder Trox GmbH, Neukirchen-Vluyn • Detlev Moritz, Geschäftsführender Gesellschafter Gemo G. Moritz GmbH & Co. KG, Krefeld • Rudolf Conrads, Vorsitzender des Vorstandes Ge- no-Volks-Bank Essen eG, Essen • Dr. Axel Herberg, Vorstandsvorsitzender Gerresheimer Glas AG, Düsseldorf • Heinrich Gerstmann, Geschäftsführender Gesellschaf- ter Gerstmann Holding GmbH & Co. KG, Oberhausen • Frank Wohlfahrt, Geschäftsführender Gesellschafter Gert Wohlfahrt GmbH, Duisburg • Prof. Dr. Hans-Joa- chim Kollmeier, Vorsitzender des Vorstandes Goldschmidt AG, Essen • Bernd M. Michael, Chairman & CEO Grey Global Group Europe, Middle East, Africa, Düsseldorf • Dipl.-Betriebswirt Heinz Ravens, Inhaber H. Ravens Industrievertretungen, Meerbusch • Andreas Huber, Geschäftsführer Hager & Werken GmbH & Co. KG, Duis- burg • Dr. Wolfgang Eischeid, Geschäftsführender Gesellschafter Hans & Willi Eischeid GmbH & Co., Heiligenhaus • Ulrich Turck, Geschäftsführer Hans Turck GmbH & Co. KG, Mülheim an der Ruhr • Matthias J. Hoffmann, Kaufmännischer Geschäftsführer HAZET – WERK, Remscheid • Dirk Grünewald, Geschäftsführender Ge- sellschafter (zugleich Präsident der IHK zu Essen) Heinrich Grünewald GmbH & Co. KG, Oberhausen • Heinz Schmidt, Geschäftsleitung Heinrich Schmidt GmbH & Co. KG, Mönchengladbach • Ulf Zimmermann, Gesellschafter GL HELBAKO GmbH, Heiligenhaus • Prof. Dr. Gerd Krieger, Managing Partner Hengeler Mueller Rechts- anwälte, Düsseldorf • Edwart Hengstenberg, Geschäftsführer Hengstenberg Beteiligungs GmbH, Essen • Prof. Dr. Ulrich Lehner, Vorsitzender der Geschäftsführung Henkel KGaA, Düsseldorf • Dr. Wolrad Rube, Geschäftsführer herbert dahm datensysteme GmbH, Düsseldorf • Hermann Franzen, Persönlich haftender Gesellschaf- ter Hermann Franzen KG, Düsseldorf • Dr. Thomas Haas, Geschäftsführer Hettlage GmbH, Düsseldorf • Michael Specking, Generaldirektor Hilton Düsseldorf, Düssel- dorf • Stefan Silber, Direktor Holiday Inn Düsseldorf Airport, Ratingen • Karl-Heinz Altenkamp, Eigentümer Hotel Altenkamp, Ratingen • Michael Lübbert, Inhaber Hotel Schloß Hugenpoet GmbH, Essen • Thomas Lenz, Kaufmännische Leitung Hoyer GmbH Logistikzentrum Rhein-Ruhr, Dormagen • Dr. Sieghardt Rometsch, Per- sönlich haftender Gesellschafter HSBC Trinkaus & Burkhardt, Düsseldorf • Leo Imhoff, Bevollmächtigter Hubert Imhoff GmbH, Essen • Thomas Hüttemann, Ge- schäftsführender Gesellschafter HUETTEMANN GmbH, Duisburg • Ulrich Hülsbeck, Vorsitzender der Geschäftsführung Huf Hülsbeck & Fürst, Velbert • Dr. Wolf Lan- zer, Geschäftsführer Technik Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH, Duisburg • Manfred Kronen, Geschäftsführer Igedo Internationale Modemesse Kronen GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Heinz Bartels, Geschäftsführer Imperial Logistics International GmbH & Co. KG, Duisburg • Helmut Botermann, Geschäftsführer Imperial Ree- derei GmbH, Duisburg •,Dr. Gustav Adolf von Halem, Vorstandsvorsitzender Industrie Club Düsseldorf e. V., Düsseldorf • Joachim Schuhfuss, Geschäftsführer Indu- strie-Spedition Mönchengladbach, Mönchengladbach • Dr. Reiner Götzen, Geschäftsführer / Inhaber Interboden Innovative Lebenswelten GmbH & Co. KG, Ratin- gen • William Mc Neil, Director International School of Düsseldorf, Düsseldorf • Bernd Mann, Vorstand iSAM AG, Mülheim an der Ruhr • Horst Schäfers, Ge- schäftsführer ISIS MULTIMEDIA NET GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Dr. Claus Stauder, Geschäftsführender Gesellschafter Jacob Stauder GmbH & Co. KG, Essen • Ste- fan Schmersal, Geschäftsführender Gesellschafter K.A. Schmersal Holding, Wuppertal • Rolf Kalthöfer, Geschäftsführer Kalthöfer Telekommunikation GmbH, Mön- chengladbach • Dr. Rolf, Haag Geschäftsführer KANEX Krohne Anlagen Export GmbH, Duisburg • Dr.-Ing. Klaus Heuck, Generalbevollmächtigter Karl Heuck GmbH & Co. KG, Krefeld • Thomas Conrad, Geschäftsführer Karl Schumacher GmbH & Co. KG, Essen • Peter Fütterer, Personalleiter / Prokurist Kennametal Widia GmbH &

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Standortpolitik: Die Region stärken 61 des Flughafens

In den diversen Genehmigungsverfahren zeichnete sich aber immer stärker ab, dass • für eine spürbare Verbesserung der aktuellen Genehmigungslage von Düssel- Fluglärmgegner sich mit „massenhaften dorf International einzutreten mit dem Ziel, kurzfristig die Nutzung der vol- Einwänden“ im Verfahren artikulierten. Eine len Einbahnkapazität auf dem Parallelbahnsystem zuzulassen; dies setzt die der PR-Aktionen der IHK darauf war die Abkehr von den heute festgeschriebenen Stundeneckwerten für Starts und Aufklebe-Aktion „We fly DUS“ aus dem Jah- Landungen voraus, re 1992. Sie war als öffentliche Sympathie- bekundung für den Flughafen gedacht. Ein • einen Dialog mit den Angerland-Gemeinden zu beginnen, um tragfähige Lö- anderer Ansatz der IHK lag seit dem Antrag sungen zum Lärmschutz und zur Anpassung des Angerland-Vergleiches zu des Flughafens auf Einführung eines Lärm- vereinbaren, die auch den Weg für eine Start- und Landebahnverlängerung kontingentes im Jahre 1992 darin, auch die freimachen, Unternehmen zu motivieren, ihr vitales • die Grundlagen eines Rahmenplanes zu erarbeiten, der die mittel- und langfris- Interesse an einem wachsenden Luftverkehr tigen Spielräume für die Entwicklung von Düsseldorf International definiert. zu formulieren und dieses auch selbst in das Genehmigungsverfahren einzuspeisen. Der Flughafen Düsseldorf International ist unser Tor zur Welt. Er muss auch Die Reaktion in Düsseldorf und im Kreis künftig dazu beitragen können, unseren Wohlstand im internationalen Mettmann auf diesen Aufruf der IHK war hervorragend. Unterstützt wurde sie durch Wettbewerb zu sichern. Im August 2003 die benachbarten IHKs an Rhein, Ruhr und Wupper.

Co. KG, Essen • Dr. Werner Sterzenbach, Vorsitzender des Aufsichtsrates Kiekert AG, Heiligenhaus • Henner Kipphardt, Geschäftsführer KIPPHARDT GmbH Bau- und Zur weiteren Unterstützung des Flugha- Industriemaschinen, Duisburg • Dr.-Ing. Jochen F. Kirchhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung KIRCHHOFF GRUPPE, Iserlohn • Kurt Peltzer, NL-Leiter Klüh - Secu- rity GmbH, Düsseldorf • Roger Klüh, ZGF Klüh Service Management GmbH, Düsseldorf • Dieter Hötker, Erster Beigeordneter Kommunalverband Ruhrgebiet, Essen • fens initiierte die IHK schließlich im Vorfeld Werner Jordan, Betriebsleiter Kötter GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Holger Ruhfus, Geschäftsführer KRANKIKOM Alexander Kranki Kommunikation GmbH, Duisburg • Helmut Kaspers, Regionalleiter Kühne und Nagel International, Duisburg • Kay A. Espey, Geschäftsführender Gesellschafter L.W. Cretschmar GmbH & Co. KG, Düs- des jüngsten Genehmigungsverfahrens „zur seldorf • Ralf Schwartz, Geschäftsführer Lackwerke Peters GmbH & Co. KG, Kempen • Viktor Lemken, Inhaber LEMKEN GmbH & Co. KG, Alpen • Dirk Lindner, Ge- schäftsführender Gesellschafter Lindner Unternehmensgruppe GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Günter Haberland, Geschäftsführer M. Zietzschmann GmbH & Co. KG, vollen Nutzung der Einbahn-Kapazität“ – Düsseldorf • Wilhelm Giese, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe Düsseldorf GmbH, Düsseldorf • Dr. Joachim Henneke, Vorsitzender der Geschäftsführung Mes- se Essen GmbH, Essen • Dipl.-Kfm. Werner Wolters, Inhaber Messedienst, Mönchengladbach • Dr. Hans-Joachim Körber, Vorsitzender des Vorstandes Metro AG, Düs- gemeinsam mit den benachbarten IHKs – seldorf • Dipl. Kfm. Norman Willich, Geschäftsführer Michelin Kronprinz Werke GmbH, Solingen • Christian Köhler, Geschäftsführender Gesellschafter MOERSER EI- einen an die Politik gerichteten Aufruf der SENHANDLUNG GmbH & Co. KG, Moers • Dr. Henner Puppel, Sprecher des Vorstandes National-Bank AG, Essen • Heinz Lison, Geschäftsführender Gesellschafter Neumann Elektronik GmbH, Mülheim an der Ruhr • Eberhard Hücker, Geschäftsführer Neusser Druckerei und Verlag GmbH, Neuss • Eberhard Hücker, Geschäfts- über 230 führenden Unternehmen im führer Neusser Zeitungsverlag GmbH, Neuss • Dr. Jürgen Schuhmacher, CEO New Lab BioQuality AG, Erkrath • Hans-Jürgen Lakenmacher, Betriebsleiter Nieder- rheinische Bewachungs GmbH, Düsseldorf • Horst Nebken, Geschäftsführer NOVELL GmbH, Düsseldorf • Ursula Pätzold, Direktorin Novotel Düsseldorf Airport, Ra- Rheinland und im Ruhrgebiet mit insgesamt tingen • Dipl.-Ing. Dieter Harre, Hauptabteilungsleiter NVV AG Niederrheinische Versorgung und Verkehr AG, Mönchengladbach • Walter Weidenfeld, Geschäfts- führer Papiersackfabrik Tenax GmbH & Co. KG, Ratingen • Udo Pollok, Geschäftsführer Pollok-Sicherheitsdienste, Düsseldorf • Stephan Lange, Geschäftsführer PRO- mehr als 200.000 Beschäftigten in der Re- BAT-WERKE von Gimborn Maschinenfabrik GmbH, Emmerich • Ulrich Jansen, Stellv. Vorsitzender des Vorstandes Provinzial Rheinland Die Versicherung der Spar- kassen, Düsseldorf • Rolf Kuchenbecker, Geschäftsführer PUKY GmbH & Co. KG, Wülfrath • Johann-Konrad Püll, Geschäftsführer Püll Touristik Novesia-Tours-GmbH, gion. Tenor auch hier: Dem Flughafen künf- Neuss • Dr. Michael Heinemann, Partner / Mitglied der Geschäftsleitung PwC Deutsche Revision Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Essen • Horst Engelkes, Mitglied des Vorstandes Readymix AG, Ratingen • Jens Baestlein, Hoteldirektor Relexa Hotel Airport Düsseldorf / Ratingen, Ratingen • Dr. Karl Hans Ar- tig mehr Bewegungsspielräume zu geben nold, Geschäftsführender Gesellschafter Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft mbH, Düsseldorf • Klaus Eberhardt, Vorsitzender des Vorstandes Rheinmetall AG, Düsseldorf • Klaus Kartmann, Direktor Rheinpark Plaza Neuss GmbH Swisshotel Düsseldorf / Neuss, Neuss • Merian Dudek, Geschäftsführer Rhenus Lub GmbH und auch dem Interkontinentalverkehr mit & Co. KG, Mönchengladbach • Jochen Roeser, Geschäftsführer Roeser Medical GmbH & Co. KG, Mülheim an der Ruhr • Gerd Volkmar, Geschäftsführer ROLLON GmbH, Ratingen • Peter Röskes, Geschäftsführer Röskes Spedition GmbH, Heiligenhaus • Dr. e. h. Achim Middelschulte, Mitglied des Vorstandes Ruhrgas AG, Essen • Har- einer verlängerten Start- und Landebahn ry Roels, Vorstandsvorsitzender RWE Aktiengesellschaft, Essen • Dr. Eberhard Uhlig, Leiter der Kraftwerke Frimmersdorf-Neurath RWE Rheinbraun AG Kraftwerke Frimmersdorf-Neurath, Grevenbroich • Dr. Wolf-Dieter Griebler, Vorsitzender der Geschäftsführung Sachtleben Chemie GmbH, Duisburg • Marc Georg Schauen- eine neue Chance zu bieten. Die Landesre- burg, Geschäftsführender Gesellschafter Schauenburg GmbH, Mülheim an der Ruhr • Matthias Koch, Geschäftsführer SCHMIDT-RUDERSDORF Handel- und Dienst- leistungen GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Patrick Schwarz-Schütte, Vorsitzender des Vorstandes SCHWARZ PHARMA AG, Monheim • Ewald Schwing, Geschäftsfüh- gierung hat im November 2005 dem Flug- rer Schwing Fluid Technik GmbH, Neukirchen-Vluyn • Walter Maciejewski, Geschäftsführer SECURITAS Sicherheitsdienste GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Robert Pra- hafen ca. 15 Prozent mehr Starts und Lan- ger, Gesellschafter, Geschäftsführer SETTER GmbH & Co. / Q-Plast GmbH & Co., Emmerich • Peter B. Kuntze, General Manager Sheraton Essen Hotel, Essen • Hel- muth Fricke, Geschäftsführer Siebeck-Bitter GmbH, Ratingen • Udo Hinsche, Sprecher der Zweigniederlassung Düsseldorf Siemens AG, Düsseldorf dungen zugestanden. • Michael Schenkel, Geschäftsführer SITTARDSBERG HOTEL- UND REISEBETRIEBS GmbH, Duisburg • Axel Blasberg, Geschäftsführer Soeffing Kälte Klima GmbH, Düs- seldorf • Dr. Heinz-Josef Welter, Werksleiter Solvay Rheinberg Solvay Deutschland GmbH, Rheinberg • Ernst von Bismarck, Geschäftsführer Sonepar Deutschland Die IHK-Aktivitäten pro Flughafen stie- GmbH, Düsseldorf • Helmut Wanner, Geschäftsführender Gesellschafter SPIEKERMANN GmbH Beratende Ingenieure, Duisburg • Hans Schwarz, Vorsitzender des Vorstandes Stadtsparkasse Düsseldorf, Düsseldorf • Dipl.-Kfm. Karl-Heinz Lause, Vorsitzender des Vorstandes Stadtwerke Düsseldorf AG, Düsseldorf • Heinz Runde, ßen dabei nicht überall auf Gegenliebe. Vor Vorsitzender der Geschäftsführung Stadtwerke Neuss GmbH, Neuss • Rainer Köllen, Geschäftsführer STAHLWILLE Eduard Wille GmbH & Co. KG, Wuppertal • Dieter Dünnhaupt, Geschäftsführer Standard Kessel Lentjes GmbH, Duisburg • Roland Ross, Hoteldirektor Steigenberger Parkhotel Düsseldorf, Düsseldorf • Horst Janssen, allem die vor Ort ansässigen Bürgerinitiati- Geschäftsführender Mitinhaber STERN - VERLAG & Co., Düsseldorf • Karl-Heinz Stockheim, Gastronom Stockheim GmbH & Co. KG, Düsseldorf • Eberhard Potempa, Geschäftsführer Stora Enso Beteiligungen, Düsseldorf • Friedhelm Sträter, Sträter Industrie Holding KG, Solingen • Wolfgang Stromps, Geschäftsführer Stromps + ven kritisierten, dass die IHK die Bürgerin- Co. Int. Spediteure Transport-Kontor, Krefeld • Braham E. Sutton, Geschäftsführender Gesellschafter Sutton-Gastronomie GmbH Zentralverwaltung, Düsseldorf • Hans-Jürgen Lessenich, Geschäftsführer Taxi-Zentrale eG, Mönchengladbach • Wolfgang Suhr, Geschäftsführer Taxizentrale Neuss, Neuss • Erivan K. Haub, Vorsit- teressen nicht hinreichend gewürdigt habe. zender des Beirats Tengelmann Warenhandelsgesellschaft, Mülheim an der Ruhr • Werner Näser, Geschäftsführer Theod. Müncker Kom.-Ges. GmbH & Co., Krefeld • Dr. Götz Sadtler, Mitglied des Vorstandes ThyssenKrupp Technologie AG, Essen • Dipl.-Oec. Andreas Schmieg, Vorstandsvorsitzender TORKRET AG, Essen • Renate Köl- Dieser Vorwurf mag aus Sicht der Flugha- bel, Geschäftsführende Gesellschafterin Trombello Kölbel Immobilienconsulting GmbH, Düsseldorf • Dr. Michael Schürenkrämer, Geschäftsführender Gesellschafter Trützschler GmbH & Co. KG, Mönchengladbach • Andreas Schmitz, Geschäftsleitung Tuchfabrik Willy Schmitz GmbH & Co. KG, Mönchengladbach • Josef Gerhard fengegner nachvollziehbar sein, er verkennt Tünkers, Geschäftsführer TÜNKERS MASCHINENBAU GmbH, Ratingen • Udo-Jürgen Hennig, Vorsitzender der Geschäftsführung Uniquema GmbH & Co. KG, Emme- rich • Wolfgang Nast, Vizepräsident United Parcel Service Deutschland Inc. & Co. OHG, Neuss • Michael Grütering, Hauptgeschäftsführer Unternehmerschaft Düs- aber den gesetzlichen IHK-Auftrag, die seldorf und Umgebung e.V., Düsseldorf • Heinz Lison, Präsident UnternehmerverbandsGruppe Ruhr-Niederrhein, Duisburg • Ulrich von der Linde, Geschäftsführer v. d. Linde-Arzneimittel GmbH, Düsseldorf • Friedhelm Wagener, Geschäftsführer VAI Fuchs GmbH, Willstätt-Legelshurst • Hermann Lück, Generalbevollmächtigter Interessen der gewerblichen Wirtschaft zu Van Eupen Logistik GmbH & Co. KG, Essen • Rolf Getschmann, Geschäftsführer van Laack GmbH, Mönchengladbach • Dr. Helmut Rödl, Hauptgeschäftsführer Ver- vertreten. band der Vereine Creditreform e.V., Neuss • VICTORIA Lebensversicherung Aktiengesellschaft, Düsseldorf • Bernhard Vogel, Geschäftsführer/ Inhaber VOGEL GER- MANY GmbH & Co. KG, Kevelaer • Claus Lerpscher, Sprecher des Vorstandes Volksbank Düsseldorf Neuss eG, Düsseldorf • Dr. Jörg Mittelsten Scheid, Persönlich haf- tender Gesellschafter Vorwerk & Co., Wuppertal • Dr. Jean-Pierre Lacoste, Geschäftsführer Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG, Wuppertal • Thomas Busch, Ge- schäftsführender Gesellschafter WALBUSCH Walter Busch GmbH & Co. KG, Solingen • Dipl.-Ing. Martin Schlegel, Leiter der Direktion Walter Bau AG NL Düsseldorf, Düsseldorf • Martin-Christian Schmidt, Geschäftsführender Gesellschafter Walther Flender GmbH, Düsseldorf • Dr. h. c. Erich Schumann, Geschäftsführender Ge- sellschafter Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlags GmbH & Co. KG, Essen • Werner Böhnke, Vorsitzender des Vorstandes WGZ-Bank Westdeutsche Genossen- schafts Zentralbank eG, Düsseldorf • Dr. Norbert Wiemers, Sprecher des Vorstandes Wilh. Werhahn KG, Neuss • Dipl. Ing. Jost Winter, Geschäftsführer Wilhelm Win- 230 Unternehmen aus dem ter GmbH & Co. KG, Ratingen • Frank Wittig, Geschäftsführer WITTIG GmbH Schiffsausrüstung – Industriebedarf, Duisburg • Theo Sausen, Geschäftsführender Ge- Rheinland machten sich 2003 sellschafter WOMA Apparatebau GmbH, Duisburg • Jürgen Schroeder, Geschäftsführer WUMAG GmbH, Krefeld • Thomas Schmid, Geschäftsführer Xaver Schmid GmbH, Willich • Johannes Beelen, Geschäftsführer Zwilling J. A. Henckels Aktiengesellschaft, Solingen • Dr. Ing. Hans Walter, Honorarkonsul der Republik Kamerun für den Ausbau des Düssel- in NRW, Essen • RA Wolfgang Feinendegen, Mönchengladbach dorfer Flughafens stark.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 62 Standortpolitik: Die Region stärken

Dr. h. c. Friedrich Conzen Präsident von 1974 bis 1983

Dr. h. c. Friedrich Conzen ist gagierter Verfechter der Marktwirtschaft. So, wie Inhaber der weit über die Gren- er sich für den Erhalt von Wettbewerb und die Ge- zen Düsseldorfs hinaus bekann- sundung der Staatsfinanzen einsetzte, so energisch ten Rahmen- und Leistenfabrik, wandte er sich gegen staatliche Eingriffe, öffentli- Bauglaserei und Kunsthandlung che Misswirtschaft und das Subventionsunwesen. F. G. Conzen, die seit ihrer Grün- Tatkräftig und streitbar scheute er sich nicht, die dung im Familienbesitz ist und Dinge, die die Wirtschaft störten und behinderten, 2004 stolze 150 Jahre alt wurde. deutlich beim Namen zu nennen. Friedrich Conzen machte eine Über sein ehrenamtliches Engagement bei der kaufmännisch-technische Aus- IHK Düsseldorf hinaus leitete Friedrich Conzen von bildung, studierte Betriebswirt- 1969 bis 1984 als Präsident den Hauptverband des schaftslehre und Kunstgeschichte, um 1933 als Lehr- Deutschen Einzelhandels, dessen Ehrenpräsident er ling in den elterlichen Betrieb einzutreten, dessen heute ist. Ferner war er Präsident der Deutsch-Fran- Leitung er nach dem Tod des Vaters im Jahre 1941 zösischen Handelskammer in Paris, war Vorstands- übernahm. Als leidenschaftlichem Kunstsammler mitglied des Deutschen Industrie- und Handelsta- war es ihm so vergönnt, Beruf und Hobby auf das ges, des Ausstellungs- und Messeausschusses der Angenehmste miteinander verbinden zu können. Deutschen Wirtschaft sowie Aufsichtsratsmitglied Bereits 1955 wurde Conzen in die Vollversamm- der Düsseldorfer Messegesellschaft. Seine Verdiens- lung, ein Jahr später in das IHK-Präsidium gewählt. te um die Handelsforschung und die Förderung der Seit 1972 war er ständiger Vertreter des Präsiden- Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis ten, bis ihm die Vollversammlung von 1974 bis 1983 ehrte die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche die Präsidentschaft übertrug. Zu ihrem Ehrenpräsi- Fakultät der Universität Köln 1979 mit der Verlei- denten berief das „Parlament der Wirtschaft“ ihn hung der Ehrendoktorwürde. 1983 zeichnete der 1984. Friedrich Conzen, langjähriger Weggefährte Bundespräsident Friedrich Conzen mit dem Großen von Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider, war und ist ein en- Bundesverdienstkreuz mit Stern aus.

Den Kommunen auf die Finger schauen Die IHK-Haushaltsstellungnahmen folgten dabei Trotz des außerordentlich starken Engagements der IHK der Grundposition: Konsolidierung und Privatisierung in bundes- und währungspolitischen Fragen in den kommunalen Vermögens müssen Vorrang vor Steuer- 1950er Jahren spielten die Analyse und die politische erhöhungen und Verschuldung haben, investive Aus- Bewertung der kommunalen Haushalte schon damals gaben, die die Infrastruktur verbessern, sind konsumti- eine herausragende Rolle. Kommunalwirtschaftliche ven vorzuziehen, und der Schuldenstand darf künftige Fragestellungen reichen inzwischen über Fragen der Handlungsspielräume nicht einengen. Auch die Folge- Haushaltswirtschaft hinaus, sie schließen auch die kosten von Investitionen und die angemessene Rückla- kommunale Betätigung in privatwirtschaftlich besetz- genbildung waren ein durchgängiges Thema in den ten Märkten und die Privatisierung kommunalen Ver- Stellungnahmen. In den zahlreichen Diskussionen mit mögens ein. Politik und Verwaltung kamen diese Aspekte immer Im Haushalts-Dialog mit den Kommunen ging es wieder zur Sprache. seit den 1950er Jahren im Kern darum, die Belastung Ein Dissens mit den Kommunen über die zutreffen- der Unternehmen mit Gewerbesteuern und sonstigen de Einschätzung des künftigen Gewerbesteueraufkom- öffentlichen Abgaben in Grenzen zu halten. mens war dabei nicht selten. Schon 1956 gab es hier- Die Stellungnahmen der IHK haben sich dabei stets zu einen handfesten Meinungsaustausch mit der Stadt auf eine Analyse der Entwicklung in den großen Aus- Düsseldorf. gabe- und Einnahmeblöcken, des Investitions- und des Die IHK hat bereits in den 1960er Jahren immer den Verschuldungsverhaltens gestützt. engen Kontakt zu ihren Mitgliedsunternehmen ge-

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sucht, um mit ihnen zu treffsicheren Einschätzungen Stellungnahme in zahlreichen Einzelfällen genutzt und zu gelangen. Unkonventionell war sicherlich auch der auf die negativen Folgen für die mittelständische Wirt- 1964 umgesetzte Vorschlag der IHK, einen externen schaft aufmerksam gemacht. Sachverständigen zur Bewertung der Düsseldorfer Haushaltslage hinzuzuziehen. Standortmarketing: Mit den Pfunden wuchern Immer wieder spielten im Dialog mit den Kommu- Die Standortattraktivität für Kunden und Besucher zu nen grundsätzliche Fragen der Finanzausstattung der verbessern ist das Ziel des Stadtmarketings und Stadt- Gemeinden eine wichtige Rolle. Dieses Thema war seit teilmarketings. Anfang der 1960er Jahre ein Dauerbrenner. Die IHK hat Ansätze zu diesem Thema gab es bereits früh, so et- sich dabei soweit wie möglich mit den Kommunen so- wa mit der Gründung eines Arbeitskreises „City Proble- lidarisiert, wenn es um deren adäquate Finanzausstat- me“, der sich 1966 in Düsseldorf etablierte. Hier waren tung ging. Die Schmerzgrenze lag hier allerdings stets die innerstädtischen Verkehrsprobleme der Auslöser. dort, wo die Kommunen ertragsunabhängige Kompo- Primär von Vertretern der Händler, der Fremdenver- nenten in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteu- kehrswirtschaft und der IHK getragen, ging es dem er einbeziehen wollten. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre hat die IHK ihre Stellungnahmen mit interkommunalen Haushaltsverglei- chen auf der Basis eines Kennziffern-Sy- stems angereichert. Inzwischen sind sol- che Vergleiche problematisch geworden, da die Städte in unterschiedlichem Ma- ße Funktionen in Tochtergesellschaften ausgelagert haben. Die anhaltende Wachstumsschwä- che seit dem Jahr 2000 hat die Finanz- lage der Kommunen spürbar verschärft. Haushaltssicherungskonzepte, auch sol- che, die nicht genehmigungsfähig sind, gehören inzwischen schon zum Normal- bild. Erfreulich ist, dass in den meisten Kommunen die Haushaltsdisziplin so stark gewachsen ist, dass Gewerbesteu- er-Anhebungen möglichst vermieden werden. Dass erfolgreiche Entschuldung mit Privatisierung betrieben werden kann, hat die Stadt Düsseldorf mit einem An- teilsverkauf der Stadtwerke im Jahre 2000 bewiesen. Die IHK hat in der dazu geführten heftigen Kontroverse die Po- sition der Stadt unterstützt. Auch die Stadt Langenfeld Arbeitskreis um die „Lebendigerhaltung der Düsseldor- Die Hildener Fußgänger- bietet ein gutes Beispiel, wie durch eine erfolgreiche fer Innenstadt“. Wie im heutigen Stadtmarketing war zone 1994: Ein Beispiel für gelungenes Stadtmarke- Ansiedlungspolitik und sparsame Haushaltsführung der schon damals die enge Zusammenarbeit zwischen der ting. Weg in die Komplettentschuldung möglich wird. Stadtplanung und der City-Wirtschaft ausdrücklich Kritisch sieht die IHK bis in die Gegenwart das Hin- erwünscht. eindrängen kommunaler Tochtergesellschaften in Ab- In Ratingen formierte sich 1968 „aus tiefer Sorge satzmärkte, die von privaten Unternehmen bereits be- um die City-Zukunft und der für bedrohlich gehalte- setzt sind. nen Konkurrenz moderner Vertriebsformen“ im neuen Die IHK hat daher das ihr mit der Reform der Ge- Stadtteil Eckamp der „Werbering Innenstadt Ratin- meindeordnung im Jahre 1997 zugestandene Recht zur gen e. V.“.

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gann allerdings erst im Jahre 1989. Die IHK hat im Kreis Mettmann vor allem in den Jahren 1989 bis 1996 Stadt- marketing-Konzepte mitinitiiert und in zahlreichen Arbeitskreisen aktiv mitgewirkt. In den Städten des Kreises Mettmann erkannten Kaufleute, Politik und Verwaltung zu dieser Zeit, dass die wachsende Mobi- lität der Kunden den Städten größere Anstrengungen abverlangte, ihre Attraktivität zu verbessern. Das Ziel lautete: Die Bindung der Bürger – vor allem deren Kauf- kraft – und der auswärtigen Besucher an die Städte zu festigen. Von Anfang an wurde das Stadtmarketing als Ge- meinschaftsprojekt verstanden. Es musste alle wichti- gen Akteure umfassen: Die Stadt, die Wirtschaft, aber auch die kulturellen Einrichtungen. Methodisch war das Vorgehen in allen Städten sehr Treffen des Stadtteilmarke- Dieser Werbering wiederum schloss sich gemein- ähnlich. Stärken-Schwächen-Analysen bildeten den tings Oberkassel 1995 mit sam mit der IHK, der Kreishandwerkerschaft und den Auftakt, die Formulierung von Zielen und Maßnahmen Vertretern der IHK. Kirchen 1969 zur „Aktionsgemeinschaft Innenstadtsa- zur Attraktivitätssteigerung war Aufgabe spezieller nierung Ratingen“ zusammen. Diese wurde seinerzeit Arbeitskreise und Projektgruppen, die konkrete Lö- von der IHK moderiert. sungsvorschläge erarbeiteten. Meist berichteten sie Der breite Einstieg der IHK in das Thema Stadtmar- dann vor dem koordinierenden Gremium, dem so ge- keting und damit auch der Städte im IHK-Bezirk be- nannten Lenkungskreis.

Marketing für Düsseldorf

Destination Düsseldorf (DD) Kultur, Städtebau, Stadtentwicklung und Verkehr Die Initiative zur Gründung von DD im Jahre 1989 hervorgegangen, so etwa das Projekt „Düsseldorf ging insbesondere von Hoteliers und der Messe Düs- soll strahlen“, die „Mittsommernacht“, „Ab in die Mit- seldorf aus. Vorausgehende Diskussionen gab es da- te“, „Die saubere Stadt (Dreck-weg-Tag)“. zu im IHK-Fremdenverkehrsausschuss. In den 1990er Jahren hat sich die DD auf die Vermarktung Düssel- Düsseldorf Marketing und Tourismus GmbH dorfs nach außen konzentriert. Markenzeichen ist (DMT) vor allem die Jazz Rallye, die seit über 13 Jahren Die DMT nahm ihre Geschäftstätigkeit im Jahre 2001 bundesweit vermarktet wird. Die IHK ist Mitglied als privat-öffentliche Gesellschaft auf. Gesellschaf- von DD. ter sind neben der Landeshauptstadt Düsseldorf die Messe Düsseldorf, die Düsseldorf Congress Veranstal- Forum Stadtmarketing Düsseldorf tungsgesellschaft, der Einzelhandelsverband, das Fo- Das Forum Stadtmarketing wurde 1998 von der IHK, rum Stadtmarketing, die Kreishandwerkerschaft dem Einzelhandelsverband, den Warenhauskonzer- Düsseldorf, die Destination Düsseldorf und die IHK. nen sowie den fünf Innenstadt-Werbegemeinschaf- Die Aufgabenbereiche der DMT liegen im Tou- ten gegründet. Die IHK finanziert über ihre Mitglied- rismus-Marketing, Stadtmarketing, Tagungs- und schaft hinaus Einzelprojekte des Forums Stadtmar- Kongressmarketing, touristischen Incoming-Ge- keting mit. Ziel des Forums Stadtmarketing ist es, schäft, in Stadtrundfahrten und Stadtrundgängen, durch abgestimmte Konzepte Bürgern und Besu- im Veranstaltungsmanagement, Hotel-Vermitt- chern eine verbesserte Aufenthaltsqualität in Düs- lungsservice und Messe- und Tagungsservice. Sie ist seldorf zu bieten. Durch eine enge Partnerschaft mit Betreiberin der Tourist-Information am Bahnhof, im Politik, Verwaltung und Polizei sind verschiedene Stadtzentrum und in der Altstadt und auch für das Projekte aus den Bereichen Stadtmarketing, Kunst, Sportmarketing der Landeshauptstadt zuständig.

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1998 war die Gestaltung der Kölner Straße einer der Schwerpunkte des Stadtteilmarketings in Wersten.

In der ersten Stunde des Stadtmarke- tings im Jahre 1989 waren die Städte Vel- bert und Hilden dabei. Ein Jahr später folg- te Langenfeld, danach – in den Jahren 1991 und 1992 – stießen Erkrath, Heili- genhaus, Mettmann, Monheim und Wülf- rath hinzu. Zeitweise gab es bis zu 30 Arbeitskrei- se. In vielen dieser Arbeitskreise hat die IHK Konzepte für das Stadtmarketing mitent- wickelt. Im Vordergrund standen dabei immer - die verbesserte Erreichbarkeit der Stadt für den Kunden und Besucher, Partnerschaft sitzen einerseits die Mitglieder der IHK, Publikumswirksame Ver- - die Koordination von Veranstaltungen, nämlich Händler und Dienstleister, andererseits aber marktung: Das Schadow- Straßenfest im Sommer - die Gründung von Interessengemeinschaften mit auch Polizei, Mitglieder der Bezirksvertretung und der 1993. dem Ziel, die Stadtwerbung zu fördern, Bezirksverwaltungsstelle gemeinsam an einem Tisch. - Image bildende Gemeinschaftsaktionen, - Verbraucherbefragungen, - Verbesserung der Parkplatzsituation und der ÖPNV-Anbindung, Beispiel Oberbilk-Marketing - die Förderung der Außengastronomie, - Schaufenster-Wettbewerbe, Der im Jahre 1993 gegründete und damit am - die Erarbeitung von Leitbildern zur künftigen längsten bestehende Stadtteilmarketing-Arbeits- Stadtentwicklung. kreis hat mittlerweile 60 Mitglieder. Getagt wird zumeist auf Einladung von Unternehmen, die der Nach dieser Anschubphase im Kreis Mettmann IHK und den Mitgliedern Gelegenheit geben, sie schichtete die IHK ihre Aktivitäten seit 1993 kontinu- näher kennen zu lernen. Zahlreiche projektbezo- ierlich zur Entwicklung des Stadtteilmarketings in Düs- gene Diskussionen wurden in der Vergangenheit seldorf um. Den Auftakt bildete 1993 Oberbilk, ausge- geführt, etwa zur Wiederbelebung der Kölner Stra- hend von einer IHK-Studie über den Wandel dieses ße, mit dem Ziel, Oberbilk wieder zu einem funk- citynahen Stadtteils. tionierenden innerstädtischen Lebenszentrum Die Stadtteilmarketing-Aktivitäten setzten sich werden zu lassen. 1998 in Düsseldorf-Wersten, 2000 in Benrath und El- Viele Einzelprojekte zur Verbesserung der Ver- ler, 2004 in Garath und schließlich 2005 in Gerresheim kehrssituation und des Branchenmixes wurden fort. während dieser Zeit initiiert. Die Arbeit in Oberbilk In allen diesen Fällen hat die IHK die Stadtteilmar- kennzeichnete eine enge und gute Zusammenar- keting-Arbeitskreise gegründet und moderierte pro- beit mit den Fachämtern der Landeshauptstadt jektbezogene Diskussionen, die zu greifbaren Ergebnis- Düsseldorf und der Bezirksvertretung. sen geführt haben. Im Sinne einer öffentlich-privaten

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IHK-Präsident Friedrich Conzen (rechts) und seine Stellvertreter Rolf Schwarz- Schütte (Mitte) und Albrecht Woeste erläuterten in der IHK-Vollversammlung 1983 die Folgen des strukturellen Wandels.

Grundlage des Stadtteilmarketings ist stets die sy- turwandel, es gehen mehr Arbeitsplätze verloren als stematische Marktforschung, die der praktischen Ar- neue entstehen. beit vorauszugehen hat. Dazu gehören Geschäftserhe- Dennoch gab es bereits strukturelle Bestandsauf- bungen und -befragungen, um die aktuelle Angebots- nahmen der IHK, als die ungebremste Wachstumsdy- situation zu erfassen, aber auch Branchenmixanalysen, namik an sektorale oder regionale Strukturprobleme Verkaufsflächenerhebungen und andere standortbezo- noch nicht denken ließ. gene Fragen, etwa nach der Höhe der Geschäftsmieten So legte die IHK schon 1957 eine Studie vor, die die und dem Parkplatzangebot. Ergänzt werden diese Da- Nachkriegsentwicklung in Düsseldorf in der Zeit seit ten durch Kundenbefragungen, um auch die Nachfra- 1949 nachzeichnete. Der Titel „Düsseldorf 1949 bis geseite hinreichend zu beleuchten. Daraus abgeleitet 1957 – acht Jahre wirtschaftlicher Aufstieg“ signali- werden Ziele, Projekte und Maßnahmen, gegebenen- sierte bereits, dass ein außerordentlich positiver Grund- falls auch für einen längeren Zeitraum. Nicht zu kurz tenor die Studie bestimmte. So vermeldete der Bericht kommen dabei auch alle Themen der Sicherheit und in den Zwischenüberschriften: „Düsseldorf wächst“, Sauberkeit im öffentlichen Straßenraum. „Neue Arbeitsstätten“, „Expansion der Industrie“, „Han- Im Juni 2005 hat die IHK schließlich ein Netzwerk del auf hohem Niveau“. Aber er wies auch bereits auf Stadtteilmarketing ins Leben gerufen. Hier soll über ein prägendes Merkmal hin, das bis heute – im Gegen- Konzepte und Ideen aus den jeweiligen Stadtteilmar- satz zu anderen – erhalten blieb: „Zunehmende keting-Aktivitäten wechselseitig informiert werden. internationale Verflechtung.“ Ziel ist es, Aktionen abzustimmen, um Überschneidun- Von Problemen war also noch nicht die Rede. Im Re- gen zu vermeiden oder um gemeinschaftlich etwas auf sümee hieß es damals: „Fasst man das Resultat aller Be- die Beine zu stellen. trachtungen zusammen, so lässt sich feststellen, dass Erfreulich ist, dass immer wieder Großunternehmen wir in den letzten Jahren gut vorangekommen sind. Der mit Sitz in den jeweiligen Stadtteilen die Stadtteilmar- Aufschwung war heftiger, als es zum Beginn der markt- keting-Aktivitäten der IHK unterstützt haben. Eine wirtschaftlichen Entwicklung die größten Optimisten Nebenwirkung war im Übrigen, dass durch die konti- zu hoffen wagten.“ nuierliche Beobachtung von Leerständen manch einem Ende der 1950er Jahre konzentrierten sich die Interessenten ein Tipp bei seiner Suche nach einem ge- Strukturanalysen der IHK auf die Rationalisierungs- eigneten Ladenlokal gegeben werden konnte. spielräume der Industrie, was vor dem Hintergrund zu- nehmender Arbeitskräfteknappheit eine durchaus na- Strukturanalysen: Vom Sezieren und Kombinieren he liegende Fragestellung war. Strukturfragen gewinnen immer dann an Bedeutung, In einer 1970 vorgelegten Strukturanalyse für Düs- wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Konjunkturflau- seldorf klangen erstmals deutliche Warnungen an, te und Wachstumsschwäche beschleunigen den Struk- künftig zu sehr auf den Tertiär- und Quartärsektor zu

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setzen. Jede einseitige Förderung des Dienstleistungs- daraus Vorschläge zur Therapie an Politik und Verwal- sektors sei eine Notlösung. tung zu richten, war ein neuer Ansatz der standortpo- Für die Stadt Düsseldorf und den gesamten Kreis litischen Aktivität der IHK. Gleichzeitig sollten damit Mettmann – also den neuen IHK-Bezirk – legte das die Lücken des RWI-Gutachtens geschlossen werden, Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsfor- das noch zu wenig auf die individuellen Besonderhei- schung (RWI), Essen, 1977 im Auftrag der IHK eine um- ten der einzelnen Städte einging. So untersuchte die fassende Strukturanalyse vor. Diese Studie wies nicht IHK seit 1984 en détail die Deindustrialisierung in Düs- nur auf die begrenzten zukünftigen Wachstumsspiel- seldorf und im Kreis Mettmann, aber in den Folgejah- räume der Industrie hin, wobei sie vor allem den Kreis ren auch in den einzelnen Städten des Kreises Mett- Mettmann meinte; sie zeigte auch die starken Ver- mann wie in Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath. Sie flechtungen zwischen den beiden Teilräumen auf, die analysierte die Ursachen und gab Hinweise zu mög- zu engerer interkommunaler Zusammenarbeit führen lichen Lösungen. Dabei spielte vor allem für die Di- müssten. skussion in Düsseldorf die Verfügbarkeit von Gewerbe- Ein gravierender Strukturbruch im IHK-Bezirk lässt flächen und deren Mobilisierung eine besondere Rolle. sich rückblickend in der ersten Hälfte der 1980er Jah- Die Analysen wurden in Politik und Verwaltung so- re konstatieren. Es war die Zeit der Diskussion über die wie von den Unternehmen in den IHK-Gremien inten- 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, die ver- siv diskutiert. Die Stadt Wülfrath ließ die IHK-Struk- meintlich den akuten Verlust an industriellen Arbeits- turanalyse zu einem integralen Baustein der Begrün- plätzen ausgleichen könnte. dung ihres neuen Flächennutzungsplanes werden. Anfang 1983 hieß es in der Konjunkturanalyse der Rückblickend betrachtet, lag das Neue in dem em- IHK: „Die ausbleibende Belebung der Binnenkonjunk- pirischen Ansatz, mit handfesten Daten, mit eigenen tur und das nachlassende Auslandsgeschäft zwangen Umfragen und auch mit Prognosen der kommunalen die Unternehmen im Kammerbezirk zu weiterer Ko- Wirtschaftsförderung und den Stadträten Orientierung steneinsparung und Rationalisierung, so dass der Ar- zu geben. Heute ist dies ein „Muss“, will die IHK in der beitsmarkt erneuten Belastungen ausgesetzt war.“ standortpolitischen Diskussion Gehör finden. Diesen gewaltigen Strukturbruch, den Prozess der Deindustrialisierung, sichtbar werden zu lassen und

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 68 Recht und Unternehmensförderung: Von der Wiege bis zur Bahre

Seit 1978 bietet die IHK ein umfangreiches Bera- tungspaket für Existenz- gründer an.

Recht und Unternehmensförderung: Von der Wiege bis zur Bahre

Die IHK unterstützt die Unternehmen in ihrem Lebens- Unternehmen zu profitieren oder deren Service- und zyklus – bei der Gründung, Nachfolge, Übernahme, Fe- Beratungsbedarf als Dienstleister abzudecken. Der Kreis stigung, Expansion und Beendigung der unternehme- Mettmann brilliert durch eine mittelständische Unter- rischen Tätigkeit. nehmensstruktur, vielfach in der Leitung der Eigen- Die IHK informiert über Wirtschaftsrecht, Steuern tümerfamilien. Nicht nur hier gilt es, die Nachfolge zu und Unternehmensfinanzierung, aber auch über öf- regeln. fentliche Förderprogramme. Sie setzt sich gegenüber Für Gründer, ansiedlungsbereite Unternehmen und Politik und Verwaltung für Entbürokratisierung und Unternehmensnachfolger spielen funktionierende Privatisierung sowie eine unternehmensfreundliche Netzwerke der Know-how-Träger für ein solches Vor- Gesetzgebung ein. haben eine besondere Rolle. Die IHK versteht sich als Sie vermittelt der Wirtschaft und den Gerichten Teil eines solchen Netzwerkes. Sachverständige und hilft den Unternehmen bei Kon- flikten mit ihren Geschäftspartnern. Im gesamten Lebenszyklus von Unternehmen gibt es Kontakt zur IHK, sei es bei Fragen der Firmierung, der Beurteilung des Gründungsvorhabens, der Finanzie- rung oder der Suche nach einem geeigneten Nachfol- ger. Düsseldorf und der Kreis Mettmann verfügen über ein gutes Gründungsklima, das dafür sorgt, dass der Be- stand an Unternehmen stetig wächst. Das gute Klima wird bestimmt durch die exzellente Qualifikation der Arbeitnehmer, aus deren Reihen auch das Gros neuer Existenzgründungen stammt. Aber es kommt manches andere hinzu: Das hohe Pro-Kopf-Einkommen, die er- Nomen est omen - das gilt auch bei der Wahl des hebliche Kaufkraft, die Chance, viele Kunden auf en- richtigen Firmennamens. gem Raum zu erreichen, vom Outsourcing großer

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Nicht zuletzt gehören auch Konflikte und Konfliktbereinigung zur Wirtschaft. Düsseldorf ist ein bedeutsamer Gerichtsstandort, aber auch ein Standort mit großem Bedarf an außergericht- licher Konfliktbeilegung. Beides sind Themen, die die IHK berühren. Gerichte benötigen zur fach- kundigen Einschätzung technischer und kauf- männischer Sachverhalte qualifizierte, von der IHK öffentlich bestellte und vereidigte Sachver- ständige; die Unternehmen benötigen zur zügi- gen Konfliktbereinigung Schiedsgerichte.

Auf die Sprünge helfen Ende der 1970er Jahre gewann die Existenzgrün- dungsberatung in der IHK spürbar an Bedeutung. Anfragen von Interessenten, die eine selbständi- ge berufliche Existenz aufbauen wollten, nahmen zu dieser Zeit erheblich zu. Darin spiegelte sich auch die angespanntere Arbeitsmarktlage wider, die die Selbständigkeit als Alternative zur Ar- beitslosigkeit attraktiv machte. Die IHK half den Existenzgründern bei der Pla- nung und gründlichen Vorbereitung ihrer Vorha- ben. Seit 1978 bot sie ein umfangreiches Bera- tungspaket für Existenzgründer an. So erschien noch die IHK auch ein besonderes Interesse der Gründer an Die bundesweite Existenz- im selben Jahr eine Broschüre der IHK mit ersten Grund- einer (aktiven) Beteiligung an bereits bestehenden gründungs- und Nachfol- gebörse Change online im informationen. Die Kammer sah ihre Aufgabe darin, in Unternehmen fest. Viele Gründer sahen erhebliche Vor- Internet. Einzelberatungen künftige Unternehmer nicht nur teile darin, in ein bereits am Markt etabliertes Unter- über potenzielle Marktchancen zu informieren, son- nehmen einsteigen zu können. So entstand die IHK-Be- dern sie auch deutlich auf die Risiken und persönli- teiligungsbörse in Düsseldorf, die im Jahre 1987 auch chen sowie finanziellen Belastungen hinzuweisen. von anderen Kammern übernommen wurde. Durch die 1980 wurde die Förderung von Jungunternehmern überregionale Suche verbreiterten sich die Erfolgs- und Existenzgründern weiter ausgebaut. Die monatli- chancen bei der Suche nach geeigneten Unternehmen che Sprechstunde des Arbeitskreises Existenzgründung deutlich. Heute gibt es eine bundesweite Existenz- der Düsseldorfer Wirtschaftsjunioren ergänzte zu die- gründungs- und Nachfolgebörse unter www.change- sem Zeitpunkt die IHK-Beratungen. online.de, die Angebot und Nachfrage zueinander 1985 führte die Kammer eine Untersuchung der in führt. den vergangenen fünf Jahren staatlich geförderten Ende der 1980er Jahre rückte die Unternehmens- Existenzgründungen durch, um die Effizienz öffent- nachfolge in mittelständischen Familienunternehmen licher Förderprogramme und mögliche Verbesserungs- immer stärker in den Vordergrund. Der sich schon da- ansätze für die eigene Gründungsberatung zu ermit- mals abzeichnende Wunsch, ein bestehendes Unter- teln. Ein überraschendes Ergebnis war, dass die geför- nehmen im Generationswechsel zu übernehmen, ist derten Existenzgründer im Durchschnitt sechs Arbeits- auch heute noch weit verbreitet. Zahlreiche Veranstal- plätze schufen und auch ein über dem Branchen- tungen zur Unternehmensnachfolge mit Kooperations- durchschnitt liegendes Umsatzwachstum verzeichnen partnern aus der Kreditwirtschaft und den städtischen konnten. Mit einer guten Vorbereitung gelang also der Wirtschaftsförderern bestimmten das Angebot der IHK. Start in die Selbständigkeit. Übrigens kamen die Gründer – und nicht nur sie – Viele Gründungen werden berufsbegleitend vorbe- mit der IHK in einen frühen Kontakt, wenn es um die reitet. Daher fanden auch die ab Mitte der 1980er Jah- zutreffende Wahl ihres Firmennamens ging. Das deut- re erstmals an Samstagen angebotenen Existenzgrün- sche Firmenrecht war bis Ende der 1970er Jahre „eher dungsseminare der IHK großen Anklang. Dabei stellte kleinlich“, denn die Wahl des Firmennamens wurde sehr

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restriktiv gehand- habt, etwa um kein falsches Bild von der wirklichen Bedeu- tung des Unterneh- mens zu vermitteln. Wer sich mit dem Attribut „Westdeut- sche“ oder „Deut- sche“ im Firmenna- Alle Hände voll zu tun hat- men schmücken wollte, musste auch tatsächlich eine ten die Existenzgrün- führende Position in seiner Branche einnehmen. Nach dungsberater der IHK 1990: Viele Gründer woll- ersten Liberalisierungsschritten, für die die IHK Düssel- ten die Marktchancen in dorf stets eingetreten ist, hat letztlich die Handels- Ostdeutschland nutzen. rechtsreform von 1998 die Wahl des Firmennamens hin zu mehr Praktikabilität vereinfacht. Der Existenzgründungsservice der IHK wurde nach der Wiedervereinigung im Jahre 1990 besonders inten- siv von Gründern genutzt, die auf die neuen Markt- chancen in Ostdeutschland setzten. In den ersten Wo- chen des Jahres 1990 informierten sich aber auch Inte- ressenten aus Sachsen und Thüringen als Teilnehmer in den Existenzgründungsveranstaltungen der IHK Düs- seldorf, weil sie an ihren Wohnorten noch kein ent- sprechendes Angebot vorfanden. Gerade in einer sol- chen Aufbruchphase mit „Goldgräber-Stimmung“ zeigte sich immer wieder, dass nur fundierte Fach- und Branchenkenntnisse sowie ein durchdachtes Unterneh- Existenzgründer, die sich menskonzept zu einer erfolgreichen Gründung führen mit einer „Ich-AG“ selb- konnten. ständig machen, kommen verstärkt auf die IHK zu. Anfang der 1990er Jahre begann die IHK mit einer gezielten Beratung zur Existenzsicherung. Das Ziel war, die Jungunternehmer nach dem Schritt in die Selb- ständigkeit durch ein zusätzliches Coaching zu unter- Die „GO“-Initiative verstärkte den Netzwerk-Ge- stützen. Dieses begleitende Angebot ist im Jahre 2004 danken. So löste die Gründungsoffensive eine engere zusätzlich noch um eine Krisenberatung erweitert wor- regionale Kooperation der IHK und der Handwerks- den. Erstmals im Jahre 1993 bot die IHK auch eine Exi- kammer mit den städtischen Wirtschaftsförderern so- stenzgründungsberatung für türkische Mitbürger an, wie den Banken und Sparkassen aus. gemeinsam mit dem Türkischen Generalkonsulat und Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entstanden dem Zentrum für Türkeistudien. Gerade im Handel und auch Spezialveranstaltungen für Gründer aus ausge- in der Gastronomie zeigte sich aus dieser Gruppe ein wählten Wirtschaftszweigen, insbesondere aus der lebhaftes Interesse an unternehmerischer Tätigkeit. stark wachsenden Informations- und Kommunika- Im Herbst 1995 startete die Landesregierung ge- tionsbranche und für den Life Science-Sektor. Darüber meinsam mit der Wirtschaft die Gründungsoffensive hinaus entwickelte die IHK im Kreis Mettmann – zu- „GO“. Das neue an dieser Offensive war, dass einerseits meist in enger Kooperation mit den Städten – ein flä- mit einer breiten PR-Kampagne das Thema Selbstän- chendeckendes, regelmäßiges Informationsangebot digkeit und Existenzgründung über Plakate und Anzei- für Existenzgründer. gen in die Öffentlichkeit getragen wurde. Nicht zuletzt Neue Zielgruppen kamen verstärkt seit Ende der stand dahinter auch die Hoffnung, arbeitslosen Men- 1990er Jahre auf die IHK zu: Arbeitslose, die unter Ein- schen mit dem Sprung in die Selbstständigkeit eine satz von öffentlichen Fördermitteln der Arbeitsverwal- neue Perspektive zu geben. tung den Schritt in die Selbständigkeit wagten, nicht

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zuletzt auch die so genannten „Ich-AG“-Gründer im finanziert werden, waren sie ordnungspolitisch stets Rahmen der Hartz-Reformen am Arbeitsmarkt. suspekt. Gleichwohl: Wenn die öffentliche Hand sie Im Jahre 2002 startete die Kammer gemeinsam mit schon einmal anbot, sah sich die IHK auch verpflichtet, dem Wirtschaftsministerium NRW und der IHK Mittle- ihren Mitgliedsunternehmen den Zugriff zu erleich- rer Niederrhein das Projekt „Go Senior Coaching NRW“. tern. Ziel war es, das reichhaltige Erfahrungswissen von Se- nioren beziehungsweise erfahrenen Praktikern für Know-how für Streitfälle Gründer und Jungunternehmer zu nutzen. Die IHKs Die Industrie- und Handelskammern bestellen und ver- versprechen sich bis heute von dieser weiteren Abrun- eidigen Sachverständige aus vielfältigen Fachgebieten. dung ihres Services Rat und Hilfe für junge Unterneh- Ihre Aufgabe ist es vor allem, in Gerichtsverfahren in men in kritischen Phasen kurz nach der Gründung. kaufmännischen oder technischen Fachfragen den Richter mit Sachkunde zu unterstützen. Gerade der lan- Fördertöpfe anzapfen Gerade im Zusammenhang mit der Existenzgrün- dungsberatung informierte die IHK die künftigen Unternehmer über öffentliche Finanzierungshilfen. Für die Gründer – denen es gleichzeitig an Eigenkapital mangelte und wegen fehlender Sicherheiten auch an Kreditwürdigkeit – war dies ein wichtiges Vehikel auf dem Weg in die Selbständigkeit. Neben der Information und Einzelberatung lag die Rolle der IHK stets auch darin, zu konkreten Förderan- trägen gutachterlich Stellung zu nehmen. Aus ihrer langjährigen Erfahrung mit öffentlichen Förderpro- grammen plädierte sie auch stets für eine Lichtung des Förderdschungels. Heute stehen den Unternehmen mehr als 1.000 ver- schiedene Förderprogramme der EU, des Bundes und ge Weg der Vorbereitung bis hin zum Nachweis seiner Kraftfahrzeugsachverstän- der Länder zur Verfügung. Die Haltung der IHK zu die- besonderen überdurchschnittlichen Fachkenntnisse dige aus der ganzen Bundesrepublik trafen sich sen staatlichen Töpfen war immer ambivalent: Als Sub- macht die Qualifikation der IHK-Sachverständigen aus. 1985 zu einem Erfah- ventionen, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen Dabei überprüft ein Fachgremium die erforderliche rungsaustausch in der IHK. Sachkunde. Erst nach bestandener Prüfung erfolgt die öffentliche Bestellung und Vereidigung durch die IHK. Ab Mitte der 1950er Jahre nahm die Bedeutung des Sachverständigenwesens zu, die rasante technische und wirtschaftliche Entwicklung dieser Jahre erklärte den wachsenden Bedarf an Sachverständigen in immer neuen Fachgebieten. Die Bestellung und Vereidigung der Sachverständigen erfolgte stets nach eigenem Sat- zungsrecht der IHK. So trat im Jahre 1962 eine neue Sachverständigen- ordnung in Kraft, die seither immer wieder neuen Er- fordernissen angepasst wurde. Die IHK Düsseldorf beteiligte sich Anfang der 1970er Jahre an der Neuregelung des Sachverständi- genbeweises im Gerichtsverfahren und setzte sich gleichzeitig für eine angemessene Entschädigung der Sachverständigen im Gerichtsverfahren ein. Öffentliche Förderpro- Ein neuer Markt für die Sachverständigen entstand gramme waren im April 1990 Titelgeschichte der Ende der 1980er Jahre, als diese auch die Prüfung über- IHK-Zeitschrift „Unsere wachungsbedürftiger Anlagen vornehmen durften und Wirtschaft“.

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damit die Unternehmen unter einer Viel- 1968 fasste der Bundestag die Rechtsgrundlage für zahl fachkundiger Partner auswählen die Einigungsstelle – § 27 des Gesetzes gegen den un- konnten. lauteren Wettbewerb (UWG) – neu, was durchaus im Mit der steigenden Nachfrage nach Interesse der IHK lag. Den Einigungsstellen wurde da- Sachverständigen wuchs schließlich auch mit – wie bereits in der Vorkriegszeit – zugestanden, der Wunsch nach mehr überregionaler sich gutachterlich zu Wettbewerbsverstößen auch oh- Transparenz. Nicht in jeder Region stehen ne Zustimmung der betroffenen Parteien zu äußern. Sachverständige aus allen Fachgebieten Seit den 1950er Jahren hat sich die IHK in allen Stel- zur Verfügung. Derzeit benennt die IHK lungnahmen zur Gesetzgebung dafür engagiert, das jährlich rund 6.200 Sachverständige auf Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht nur Anfrage von Gerichten, von Unterneh- den Verbraucherinteressen, sondern auch den Interes- men und Privatleuten. Gleichzeitig nahm sen der Unternehmen anzupassen. Das aktuelle UWG in den letzten anderthalb Jahrzehnten zeigt in dieser Hinsicht gegenüber den 1960er Jahren auch die Nachfrage nach Sachverständi- manche Fortschritte, lässt allerdings noch immer eini- gen zu, die in Streitfällen als Schiedsgut- ge Wünsche offen. achter tätig werden sollten. Um der Bereits zu Beginn der 1950er Jahre wirkte die IHK wachsenden, fachlich immer stärker spe- auch bei der Bildung von Schiedsgerichten mit. Vor al- zialisierten Nachfrage gerecht zu werden, lem die Vereinheitlichung der Schiedsgerichtsbarkeit entstand in den 1990er Jahren eine bundesweite Sach- war ihr ein wichtiges Ziel. Im Jahre 1976 verabschiede- verständigendatei. te sie eine eigene Schiedsgerichtsordnung. Zu vielen Schiedsgerichtsverfahren schlug die Kammer Vorsit- zende und sachkundige Beisitzer vor. Einen Auf- Bei der IHK Düsseldorf sind zurzeit über 130 schwung erlebte die Schiedsgerichtsbarkeit im Zuge Sachverständige für über 70 verschiedene Sachge- der deutschen Einheit und der Wirtschaftsreformen in biete vereidigt. Der Tenor der Vereidigung, der das Osteuropa als Alternative zu den ordentlichen Gerichten. besondere Fachgebiet umschreibt, nennt die ver- Zu einem neuen Instrument der Konfliktbereini- schiedensten Bereiche wie „Bodenmechanik, Erd- gung wurde schließlich nach dem Jahre 2000 das so ge- und Grundbau“, „Lasern zur Erzeugung von Licht- nannte Mediationsverfahren, das im angelsächsischen effekten“, „Brand- und Explosionsursachen“ oder Raum schon weit verbreitet war. In Mediationsverfah- auch gängige Begriffe wie „Schäden an Gebäu- ren finden die Konfliktparteien selbst durch eigene Ver- den“, „Sicherheitsschlösser“, „Bewertung von handlungen unter der Leitung eines „Mediators“ eine Hausrat“. von beiden Seiten akzeptierte Lösung. Dieses Verfahren 2004 wurden die ersten Sachverständigen „für setzt – im Unterschied zu allen gerichtlichen Verfahren die Verifizierung im Treibhausgas-Emissionshan- – auf das Prinzip des freiwilligen Ausgleichs. Die IHK del“ von der IHK Düsseldorf bestellt und vereidigt. kommuniziert dieses Verfahren seit einigen Jahren, denn sie ist davon überzeugt, dass die Mediation allei- ne aus Kostengründen einer gerichtlichen Ausei- Wettbewerb und Kooperation unter Kaufleuten nandersetzung vorgeschaltet werden sollte. verlaufen nicht immer ohne Konflikte. Der Ausgleich Im Jahre 2003 verabschiedete die Vollversammlung divergierender Interessen außerhalb der Gerichte in ei- der IHK Düsseldorf eine eigene Mediationsordnung für nem schnellen Verfahren ist den Unternehmen ein die Mitgliedsunternehmen. Auch verfügt die Kammer wichtiges Anliegen. selbst inzwischen über geeignete Mediatoren. 1958 richtete die IHK daher eine Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten ein. Bis heute konnte in den Wider den meisten Streitfällen ein gütlicher Ausgleich gefunden unlauteren Wettbewerb werden. Im Jahre 1953 stellte die IHK nach einer Umfrage fest, Das Besondere an dieser Lösung war, dass damit ein dass die Unternehmen für die Beibehaltung des Ra- wenig formgebundener Weg der Konfliktbereinigung battgesetzes, der Zugabenverordnung und der Rege- gefunden wurde. Anfangs standen vor allem Mei- lungen für Sonderverkäufe plädierten. Der IHK wurden nungsdifferenzen der Kaufleute über Rabattaktionen zahlreiche Regelverstöße mitgeteilt, um die unlauteren im Vordergrund. Wettbewerber zur Unterlassung aufzufordern.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Recht und Unternehmensförderung: Von der Wiege bis zur Bahre 73

1967 hatte sich die Kammer unter an- derem mit folgenden Verstößen gegen das Zugabewesen zu befassen:

Verpackungen, die nicht handelsübliches Zubehör darstellen: - Delfter Schälchen als Verpackung für Senf, - Bier – oder Whiskygläser als Senfbe- hälter, - holländischer Honigkuchen in Kühl- schrankbehältern aus Kunststoff, - Suppenwürze in Eierbechern.

Nicht handelsübliche Nebenleistungen: - Kostenlose Verlegung eines Kunst- stoffbodenbelages, - freie Fahrt zu einem außerhalb Düs- seldorfs gelegenen Möbellager, - kostenlose Änderung von Fertigklei- dung, - kostenlose Gravur von Trauringen, - Aufhängen von Gardinen ohne Be- rechnung, - kostenloser Unterricht beim Kauf ei- ner Schreibmaschine.

Weitere Beispiele verbotener Zugaben: - Zugabe eines Autoradios bei Kraftfahrzeugkauf, nen Themen sind auch heute noch für die mittelstän- Neueröffnung des Ernst- - bei 20 Rasierklingen Zugabe eines Stücks Rasier- dische Wirtschaft von großer Aktualität: Die Steuerpo- Schneider-Saals 1965. Im selben Jahr stimmte die seife, litik, die Kredit- und Kapitalversorgung, die Behaup- Vollversammlung hier der - bei Neueröffnung Abgabe eines Präsentkorbes an tung im Wettbewerb, das Nachfolgeproblem sowie die Gründung der Kreditga- jeden 100. Käufer, Hilfe zur Selbsthilfe, also die Kooperation mittelständi- rantiegemeinschaft Nord- - kostenlose Zugabe einer Nerzstola beim Kauf ei- scher Unternehmen. Der Schlusssatz dieser Schrift rhein-Westfalen zu. nes Pelzmantels am Eröffnungstage. passt durchaus zur Gegenwart: „Die Gesellschaft und der Staat, welche die Bedeutung des selbständigen ge- Im Jahre 2001 hat der Gesetzgeber das Rabattge- werblichen Mittelstandes immer wieder betonen, müs- setz und die Zugabenverordnung aufgehoben, drei Jah- sen die Aufrichtigkeit ihrer Worte dadurch beweisen, re später reformierte er das UWG und hob damit unter dass sie ihre Politik darauf ausrichten, die Existenz- anderem die Regeln für die Saisonschlussverkäufe und grundlagen und Lebensbedingungen für einen solchen Sonderverkäufe auf. Mittelstand zu schaffen und zu sichern, das heißt, ihm die Möglichkeit zur Eigentumsbildung und die Freiheit Anwalt des Mittelstandes zu unternehmerischer Betätigung geben.“ Die mittelständische Wirtschaft mit ihren besonderen Zur Verbesserung der mittelständischen Unterneh- Problemen war in der IHK schon Mitte der 1950er Jah- men unterstützte die IHK in der Mitte der 1960er Jah- re zu einem viel diskutierten Thema geworden. Ein- re die Gründung von Kreditgarantiegemeinschaften für drucksvoll belegt dies eine Schrift der Kammer aus dem die gewerbliche Wirtschaft. So stimmte die Vollver- Jahre 1957. Unter dem Titel „Der Mittelstand zwischen sammlung 1965 der Gründung der Kreditgarantiege- Bedrängnis und Bewährung in der Sozialen Marktwirt- meinschaft Nordrhein-Westfalen zu. Die IHK beteiligte schaft“ skizzierte die IHK die Grundzüge einer markt- sich schließlich 1966 gemeinsam mit den übrigen Kam- gerechten Mittelstandspolitik. Die darin angesproche- mern im Lande, den Wirtschaftsverbänden und Kredit-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 74 Recht und Unternehmensförderung: Von der Wiege bis zur Bahre

Netzwerk Mittelstand Anfang 2000 haben die Industrie- und Handelskammern bundesweit ein „Netz- werk Mittelstand“ aufgebaut. Maßgeblich war daran auch der seit 1999 bestehende Mittelstandsausschuss der IHK Düsseldorf beteiligt. Gemeinsam ist allen darin ver- tretenen Unternehmen, dass sie vom In- haber selbst geführt werden. Das „Netzwerk Mittelstand“ will der Politik konkrete Vorschläge zur Verbesse- rung der Lage mittelständischer Unter- nehmen unterbreiten. Seit 2002 sind dazu auch vom IHK- Mittelstandsausschuss zahlreiche Vor- schläge zum Bürokratieabbau und zur Be- Die IHK als Mittler zwi- instituten an der Kreditgarantiegemeinschaft für Indu- reinigung von Gesetzen und Verordnungen formuliert schen Staat und Wirt- strie, Verkehrs- und sonstiges Gewerbe in Nordrhein- worden. schaft: Gespräch über die Auswirkung der Steuerre- Westfalen GmbH. Ihr vorrangiges Ziel war es, mittleren form mit den Kämmerern und kleinen Unternehmen Bürgschaften für mittel- Mittler zwischen Staat und Wirtschaft und Stadtdirektoren 1988. und langfristige Kredite zu gewähren. Wenn die Industrie- und Handelskammern gelegentlich Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft charakteri- blieb auch in der Folgezeit immer wieder im Blickpunkt, siert werden, so trifft dies auf alle Rechtsfragen, die die so etwa 1971, als sich die IHK für die Errichtung einer Wirtschaft berühren, ganz besonders zu. Zum einen Beteiligungs-Garantiegemeinschaft einsetzte. Sie geht es der IHK darum, in der Phase der Entstehung wandte sich auch immer wieder neuen Finanzierungs- eines Gesetzes die Wirkungen auf die Wirtschaft abzu- themen wie dem Leasing oder – in den letzten Jahren schätzen und aus der engen Rückkopplung mit den – der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung und dem Rating- Unternehmen Ansatzpunkte für die Modifikation eines Thema (Basel II) zu. Gesetzentwurfes zu gewinnen. Zum anderen liegt eine Auch viele der steuerpolitischen Diskussionen hat- wichtige Kammeraufgabe darin, die Unternehmen über ten durchaus einen „Mittelstands-Touch“. Vertraut klin- neue Gesetze und Verordnungen zu informieren und gen noch heute Überlegungen aus den frühen 1950er für neue Rechtslagen zu sensibilisieren. Besonderen Jahren, dass eine „Überspannung von Steuertarifen“ Stellenwert hatte für die Kammer dabei stets, den letztlich zu einer Einbuße beim Steueraufkommen Unternehmern eine erste praxisbezogene Information führt, weil sie die Firmen demotiviert und Ausweichre- und Hilfestellung zu den rechtlichen Neuerungen zu aktionen bei ihnen hervorruft. geben. Deutlich wird der Mittelstandsaspekt an der Um- Die GmbH-Reformen mit der Ausdehnung des satzsteuerdiskussion. Bereits 1958 bezog die IHK dazu Stammkapitals von zunächst 5.000 über 20.000, dann Position, also zehn Jahre vor der umfassenden Reform auf 50.000 D-Mark, heute 25.000 Euro, gehörten eben- dieser Steuer. Die Kritik richtete sich vor allem gegen so dazu wie die verschärften Publizitätspflichten, die die Bruttoallphasen-Umsatzsteuer, die keinen Vorsteu- Mitte der 1980er Jahre erstmals den Einfluss Brüssels erabzug zuließ und damit vertikal integrierte Groß- auf das deutsche Gesellschaftsrecht nur zu deutlich unternehmen gegenüber dem Mittelstand im Preis- werden ließen. Ein Bestseller, der die Unternehmen für wettbewerb bevorzugte. ihre neuen Publizitätspflichten sensibilisierte, ihnen Die Umsatzsteuerreform zog sich bis 1968 in die aber auch klar machte, wer nun künftig Einblick in bis- Länge, weil ab 1963 die Frage der Angleichung der lang interne Unternehmensdaten nehmen konnte, war Umsatzsteuersysteme in der EWG mit hineinspielte. „Die GmbH vor dem Röntgenschirm“. Diese IHK-Infor- Seit Anfang der 1980er Jahre bot die IHK regelmäßige mationsschrift fand in etlichen Nachdrucken im Jahre Informationsveranstaltungen nicht nur zur Umsatz- 1986 geradezu reißenden Absatz. steuer, sondern auch zur Einkommensteuer und zum Auch die Aktienrechtsreformen der Jahre 1966 und Reisekostenrecht an. 1994 brachten die IHK besonders stark in die Mittler-

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GmbH oder „Limited“? Diese Frage wurde in meh- reren IHK-Veranstaltungen diskutiert. rolle zwischen Unternehmen und Staat. Die 1994er Re- Das Thema hat an Aktualität nicht verloren. Im form basierte auf einem Vorschlag, den die IHK-Orga- Gegenteil: Heute ist die Markenpiraterie ein großes nisation der Politik unterbreitet hatte; sie brachte ne- Problem. Nach Schätzungen des Deutschen Industrie- ben der Ein-Personen-AG zahlreiche Erleichterungen. und Handelskammertages beläuft sich der jährliche Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen mit Schaden durch Produktfälschungen auf mehr als 200 verschiedenen Entscheidungen den Wettbewerb der Milliarden Euro weltweit und allein in Deutschland auf Rechtsformen in Europa beschleunigt. So hat eine nach 20 Milliarden Euro. dem Recht eines Mitgliedsstaates der EU errichtete Ge- In den Jahren 2004 und 2005 hat die IHK in Semi- sellschaft das Recht, in jedem anderen Mitgliedsstaat naren über die Markenpiraterie informiert. Im Frühjahr tätig zu werden. Diese Entscheidung führte zur ver- 2005 fand dazu eine kleine Ausstellung im Foyer der mehrten Gründung der englischen Limited, die gerade IHK statt, die an konkreten Beispielen „Original und Fäl- Exponate der Ausstellung für kleine und mittlere Unternehmen wegen des gerin- schung“ zeigte. „Original und Fälschung“. gen Kapitaleinsatzes attraktiv erschien. Um pro und contra sichtbar zu machen, war allein in den Jahren 2004 und 2005 die „Limited“ sieben Mal Thema von IHK-Informationsveranstaltungen. Aber auch über das Gesellschaftsrecht hinaus stan- den Gesetzesänderungen immer wieder im Fokus der IHK-Arbeit: So veränderte sich nach mehr als 100 Jah- ren im Jahre 2002 das Kaufrecht durch die Schuld- rechtsreform erheblich. Die Änderungen im Gewährlei- stungsrecht, bei allgemeinen Geschäftsbedingungen und beim Unternehmenskauf waren daher Thema zahl- reicher IHK-Veranstaltungen für die Mitgliedsunter- nehmen.

Von gewerblichen Schutzrechten zur Markenpiraterie Gewerbliche Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmu- ster und Warenzeichen erforderten bereits 1954 ein IHK-Beratungsangebot für die Unternehmen.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 76 International: Der Duft der großen weiten Welt

International: Der Duft der großen weiten Welt

Pflege ausländischer Kon- In allen Fragen des internationalen Geschäftes versteht hilft allen Firmen bei der Erschließung großer Wachs- takte nach dem Krieg: sich die IHK als erster Ansprechpartner ihrer Mitglieds- tumsmärkte wie China, Indien und Russland. Sie stellt IHK-Empfang des konsu- larischen Korps 1950. unternehmen. Darüber hinaus steht sie allen Unter- Außenwirtschaftsdokumente unbürokratisch zur Ver- nehmen in Nordrhein-Westfalen offen, soweit es um fügung und berät bei der zolltechnischen und rechtlich Fragen der von ihr landesweit betreuten Schwerpunkt- korrekten Abwicklung des Handels. länder geht. In Deutschland gehören Stadt und Region Düssel- Die IHK ist Partner für alle ausländischen Unter- dorf zu den führenden Außenhandelsplätzen. Rund 15 nehmen und Institutionen, die Kontakte in Düsseldorf Prozent des deutschen Außenhandels werden an Düs- und im Kreis Mettmann suchen. seldorfer Schreibtischen abgewickelt. Die IHK unterstützt Unternehmen, die noch nicht Internationalität eines Standortes bedeutet inzwi- im Ausland tätig sind, bei ihren ersten Schritten. Sie schen aber deutlich mehr als nur den Austausch von

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf International: Der Duft der großen weiten Welt 77

Gütern: Kapitalströme, vor allem Direktinvestitionen in kommt, dass gerade am Standort Düsseldorf zahlreiche beiden Richtungen, Distribution und Logistik für die Geschäftsbanken die Wirtschaft in allen Fragen der Fi- europäischen Absatzmärkte, Outsourcing durch Verla- nanzierung des Auslandsgeschäftes fachkundig beglei- gerung industrieller und zunehmend auch tertiärer ten. Vorleistungen in Niedriglohnländer, Unternehmens- Die unter dem Landesdurchschnitt liegende Ex- Kooperationen über die Grenzen hinweg, Ansiedlung portquote der Wirtschaft im Kreis Mettmann könnte ausländischer Unternehmen, Verfügbarkeit internatio- die Schlussfolgerung nahe legen, dass sie weniger von naler Führungskräfte und international orientierter der Internationalisierung Mitarbeiter und nicht zuletzt eine Informations-Infra- erfasst ist als die in der Stadt struktur, mit der sich internationale Geschäftsbezie- Düsseldorf. Die Exportquote hungen leicht anbahnen lassen. Vieles davon bietet die ist aber kein wirklich aussa- Region Düsseldorf auf überschaubarem Raum. gekräftiger Indikator für die Die zentrale geografische Lage innerhalb des euro- Auslandsabhängigkeit der päischen Binnenmarktes war eine der entscheidenden Unternehmen. Vielmehr ka- Erfolgsvoraussetzungen für ausländisches Engagement schiert sie, dass zahlreiche in der Nachkriegszeit und führte zu erheblichen Inve- der mittelständischen Un- stitionen, insbesondere der amerikanischen, britischen, ternehmen im Kreis indirekt niederländischen und japanischen Wirtschaft. Letzte- in sehr hohem Maße auch rer fiel eine spürbare Signalwirkung auch für andere von den Exporterfolgen ih- Länder des asiatischen Raumes zu. Die Motivation, in rer Abnehmerbranchen ab- die Düsseldorfer Region zu kommen, hing eng zusam- hängig sind. Dies gilt insbe- men mit der außerordentlich hohen Dichte an Unter- sondere für die Zulieferer nehmen und damit zu potenziellen Partnern bei Absatz der Automobilindustrie. und Beschaffung. Die Nähe zu den Märkten in den Ein Merkmal der Internationalisierung der Wirt- Internationale Kontakte Niederlanden, in Belgien und in Frankreich tat ein schaft im Kreis Mettmann ist es, dass zahlreiche Zulie- knüpfen: Hier beim Em- pfang mit dem ägyptischen Übriges im Zuge der europäischen Integration. ferer ihren Abnehmerbranchen, wie der Automobilin- Staatspräsidenten Hosni Kontinuierlich wuchs nach dem Krieg nicht nur die dustrie, in die neuen Wachstumsmärkte folgen. Hinzu Mubarak (links) und DIHT- Anzahl ausländischer Unternehmen und Repräsentan- kommt, dass gerade die Zuliefererindustrie unter Ko- Präsident Hans Peter Stihl zen auf inzwischen rund 5.000 in der Region; es ent- stengesichtspunkten einfachere Komponenten mehr 1989. standen mehr und mehr Konsulate sowie sonstige aus- und mehr aus Niedriglohnländern bezieht, um ihre ländische Wirtschaftsförderungseinrichtungen. Diese Endprodukte wettbewerbsfähig zu halten. sind exzellente Know-how-Träger zur Intensivierung des Handels und der Kapitalströme und zur Steigerung Sie fragen – wir antworten des Bekanntheitsgrades der Region im Ausland. Hinzu Die Außenwirtschafts-Dienstleistungen der IHK spielen sich traditionell in einer beachtlichen Spannweite ab – zwischen den täglichen Anfragen zu Zöllen und zur Ab- Ausländische Direktinvestitionen wicklung des Außenhandels bis hin zum Empfang hochkarätiger ausländischer Delegationen. Wiederholt hat die IHK bereits in den 1960er Jah- Information und Beratung im Tagesgeschäft kon- ren die Unternehmen mit ausländischer Kapitalbe- zentrierten sich schon seit den frühen 1950er Jahren teiligung untersucht. auf Zoll-, aber auch auf Rechtsfragen des Warenver- 1964 ließen sich 113 Unternehmen mit auslän- kehrs; in der Wiederaufbauphase mit den sich rasch an- dischem Kapital in die Handelsregister des IHK-Be- bahnenden Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft zirkes eintragen. Davon stammten 25 Prozent aus brauchten vor allem die mittelständischen Unterneh- Großbritannien, 19 Prozent aus den USA. Japan men diese Unterstützung. Bereits seit 1947 deckte die (acht Prozent) lag mit Kanada gleichauf hinter der IHK den rasant wachsenden Informationsbedarf über ei- Schweiz (13 Prozent) an vierter Position. nen regelmäßigen Rundschreibendienst zur Außenwirt- Insgesamt 942 Unternehmen mit ausländischer schaft ab. Kapitalbeteiligung ermittelte die IHK bereits im In der ersten Phase der europäischen Integration zu Jahre 1966. Beginn der 1960er Jahre stand die Frage im Mittel- punkt, wie sich in- und ausländische Unternehmen auf

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 78 International: Der Duft der großen weiten Welt

fasste die IHK in dieser Datenbank auch die Länderinteressen der Unternehmen, um eine zielgruppengerechte Ansprache bei Informationsveranstaltungen zu ga- rantieren. In diese konjunkturelle Schwäche- phase fiel auch der Ausbau der interna- tionalen IHK-Kooperationsvermittlung, die gegen Ende des Jahrzehnts vor allem den Aufbau von Geschäftsbeziehungen zu osteuropäischen Betrieben erleichtern sollte. Internationale Konflikte spiegelten sich auch immer wieder deutlich im Be- ratungsbedarf der Unternehmen wider. So stand Anfang 1991 – vor dem Hinter- grund des zweiten Golfkrieges – der Ex- port von so genannten Dual-Use-Gütern, die neben der zivilen auch für die militä- rische Verwendung tauglich waren, im Mittelpunkt. Die lettische Staatspräsi- die neuen Marktbedingungen in Europa vorbereiten Bis zur Gegenwart steckt die Abwicklung des inter- dentin Vaira Vike-Freiberga sollten. nationalen Warenverkehrs voller Einzelprobleme, wie 2005 beim Eintrag in das Goldene Buch der Kammer. Die ausgehenden 1960er Jahre standen unter dem Mitte 2005 die Wiedereinführung von Einfuhrquoten Begrüßt wurde sie von Einfluss zunehmender Produktionsengpässe, das Inte- für Textilerzeugnisse gezeigt hat. Und auch die Be- IHK-Vizepräsident Michael resse der Unternehmen an Zulieferungen aus dem Aus- kämpfung des internationalen Terrorismus seit dem 11. Rosenberg. land stieg deutlich an. Die IHK baute ihre Beratung über September 2001 fordert ihren Tribut, etwa bei der Ab- ausländische Bezugsquellen zügig aus. wicklung des Containerverkehrs mit Nordamerika. Kaum ein Jahrzehnt später bot sich das umgekehr- So lässt sich im Rückblick feststellen, dass der inter- te Bild: Die zu Beginn der 1980er Jahre einsetzende nationale Handel seit dem Kriege enorme Liberalisie- Konjunkturflaute regte immer mehr das Interesse klei- rungsfortschritte erfahren hat, aber die Tücken seiner ner und mittelständischer Unternehmen am Exportge- Abwicklung immer noch im Detail stecken. Nicht mehr schäft an, um einen Ausgleich für die schwache Fragen nach der Höhe eines Zollsatzes, sondern nicht- Binnennachfrage zu finden. Ein Ansatzpunkt, um die tarifäre Handelshemmnisse und neue Formalitäten als Unternehmen bei Auslandsanfragen ins Geschäft zu Folge von Überwachungsmaßnahmen zur Terrorbe- bringen, war der Aufbau einer Datenbank der Im- und kämpfung und –vorbeugung stehen nunmehr im Exportprodukte der Mitgliedsfirmen. Gleichzeitig er- Mittelpunkt der Tagesarbeit.

Immer wieder war Japan Thema in der IHK. Hier ein Empfang japanischer Unternehmerinnen 1969.

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Auch die Ansatzpunkte, wie man Unternehmen der Region mit ausländischen Geschäftspartnern in Ver- bindung bringt, haben sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Zu den reinen Informationsveranstaltungen, den Länder- und Investitionsseminaren sind handfeste Kontaktbörsen, Intensivberatungen in Form von Ein- zelgesprächen und die Begleitung auf den neuen Märk- ten getreten. Die Gründung von Firmenpools als Ge- meinschaftsbüros mittelständischer Unternehmen im Ausland, die Organisation von Firmenkontakttreffen und Delegationsreisen in beide Richtungen gehören zu dem erweiterten Instrumentenkasten. Ein besonderer Glücksfall ist es bis heute, dass ge- rade Düsseldorf neben Hamburg, Frankfurt und Mün- chen bevorzugtes Ziel ausländischer Delegationen ge- worden ist. Erheblich verändert haben sich im Laufe der Zeit auch die Ansprüche der Kammermitglieder an die Kam- mer. Gefragt sind qualitativ hochwertige Informatio- nen, vor allem über rechtliche Rahmenbedingungen folges dieser Reise – weitere nach Südamerika, Süd- Eine Delegation der IHK auf Auslandsmärkten. afrika, China, Kanada und Australien. reiste 1963 nach London, um die Britische Woche im Zudem wird von der Kammer erwartet, dass sie als In jüngster Zeit waren es vor allem die „Düsseldor- darauf folgenden Jahr vor- Lotse durch das immer umfangreichere Informations- fer Wirtschaftstage in Moskau“, die 2005 bereits zum zubereiten. angebot führt. Im Zuge des allgemeinen Globalisie- 5. Mal stattfanden und in der Wirtschaft auf große Re- rungsprozesses ist der an außenwirtschaftlichen Fra- sonanz stießen. gen interessierte Kundenkreis weit über den klassischen Die Präsentation auf Auslandsmessen – auch auf Bereich der Industrie und des Außenhandels hinausge- Firmengemeinschaftsständen – blickt ebenfalls auf ei- wachsen und erstreckt sich inzwischen auch auf das ne langjährige Tradition in der IHK zurück. Diesen Pro- Dienstleistungsgewerbe. zess zu organisieren, war bis in die zweite Hälfte der Nicht jede Kammer kann die gesamte Bandbreite 1990er Jahre Aufgabe der Außenhandelsstelle für die länderspezifischen Wissens vorhalten. Selektion und mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, arbeitsteilige Spezialisierung in Abstimmung mit den einer von den Handwerks- und Industrie- und Han- übrigen IHKs sind daher ein „Muss“. delskammern getragenen Organisation. Dass die IHK Düsseldorf sich stets intensiv mit dem Schwerpunktland Japan befasste, lag bei der besonde- Auf Auslandsmärkten Fuß fassen ren Konzentration japanischer Unternehmen in der Immer gab es besondere Länderschwerpunkte, die sich Stadt Düsseldorf nahe. Ähnliches gilt für die Schwer- kontinuierlich über die Jahrzehnte hinweg als „Anker“ punktländer Korea und Indien. Neue Impulse für die erwiesen. Spezialisierung lieferten auch die Städtepartnerschaf- Zu den „Ankerländern“ zählen schon traditionell ten, zum Beispiel der Stadt Düsseldorf mit Moskau. Japan und Indien, die bereits seit Ende der 1980er Jah- Betrachtet man die Methoden des Außenwirt- re zu den Schwerpunktländern der IHK Düsseldorf ge- schafts-Services der IHK, so haben Ländersprechtage hören, so wie es die nordrhein-westfälischen Industrie- und Delegationsreisen in beiden Richtungen eine lan- und Handelskammern im Wege der wechselseitigen, ar- ge Tradition, die bis in die 1950er Jahre zurückreicht. beitsteiligen Unterstützung vereinbart hatten. Eine der frühen Düsseldorfer Delegationen reiste 1963 Aus Indien kam bereits im Jahre 1955 eine erste De- nach London zur Vorbereitung der Britischen Woche in legation in die IHK, immer wieder stand das asiatische der IHK, die im Mai 1964 stattfand. Land bei Ländersprechtagen auf der IHK-Tagesordnung. Ab Mitte der 1970er Jahre gab es regelmäßige De- Ein Höhepunkt war zweifellos eine Delegationsrei- legationsreisen ins Ausland, so zum Beispiel 1976 eine se im November 1987 mit 25 führenden Wirtschafts- Fachinformationsreise nach Japan mit rund 100 Teil- vertretern unter Leitung von Ministerpräsident Johan- nehmern. Es folgten – wegen des durchschlagenden Er- nes Rau, Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen und

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Russland Kompetenzzentrum Düsseldorf

Russland Kompetenzzentrum Düsseldorf

Am 1. Februar 2001 nahm das Russland Kompe- tenzzentrum (RKD) in der IHK Düsseldorf seine Tä- tigkeit auf. Mit diesem Projekt, das von der IHK Düsseldorf gemeinsam mit der Landeshauptstadt Düsseldorf, der Messe Düsseldorf sowie dem Ver- band der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation ins Leben gerufen wurde, wollen die be- teiligten Partner ihre wirtschaftsbezogenen Russ- landaktivitäten bündeln und allen interessierten Unternehmen als Anlaufstelle für den Aufbau von Wirtschaftskontakten nach Russland dienen.

Das Konzept des RKD hat sich bewährt und wurde zum Vorbild für analoge Projekte. Die Vorteile ei- ner solchen Anlaufstelle für Unternehmen liegen in: • der Bündelung des Know-hows der beteilig- Bei den Düsseldorfer Wirt- IHK-Präsident Rolf Schwarz-Schütte. Sie führte nach ten Partner, schaftstagen in Moskau Delhi, Kalkutta, Madras und Bombay. Im Mittelpunkt • dem Zugang zum Netzwerk kompetenter unter Leitung von Düssel- dorfs Oberbürgermeister stand die Modernisierung des indischen Bergbaus, der Russlandexperten, Joachim Erwin (links) Stahlindustrie und der Energiewirtschaft. Schon im • der Förderung des Erfahrungsaustauschs stand auch ein Messebe- Jahr danach gab es in der IHK ein Follow-up zu dieser zwischen den Unternehmen und such auf dem Programm. Reise mit dem Besuch des indischen Industrieministers • der Begleitung beim Markteinstieg durch ein und einer indischen Unternehmerdelegation. gezieltes Informations- und Beratungsange- Bis in die Gegenwart hinein bietet die IHK regel- bot. mäßig Informationsveranstaltungen zu Indien an und schafft Begegnungen zwischen deutschen und indi- Die Leistungen des RKD werden inzwischen schen Unternehmen. auch verstärkt von russischen Unternehmen und Ähnliche Kontinuität zeigen auch die Japan-Akti- Institutionen in Anspruch genommen. vitäten. Auch hier kam es schon Mitte der 1950er Jah- Das RKD bietet eine Vielzahl von Informations- re zu ersten Kontakten mit japanischen Unternehmen. veranstaltungen an. Sowohl interkulturelle Semi- Die besonders starke Konzentration japanischer Unter- nare als auch das mit Experten des Verbandes der nehmen in Düsseldorf – auch als Stützpunkt für ihre Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation Europa-Distribution – legte es nahe, die Wirtschafts- konzipierte Managementtraining „Geschäftsauf- beziehungen zu diesem Land besonders zu fördern. bau in Russland“ gehören regelmäßig dazu. Nahezu in jedem Jahr gab es zu den verschiedens- Ein Highlight der RKD-Tätigkeit sind die „Düs- ten Themen intensive Kontakte mit Repräsentanten seldorfer Wirtschaftstage in Moskau“, die seit 2001 der japanischen Wirtschaft. 1981 fanden in Düsseldorf in jedem Jahr in der russischen Hauptstadt statt- bereits die 7. Deutsch-Japanischen Wirtschaftsgesprä- finden. Eine Unternehmensdelegation unter Lei- che statt, an deren Organisation die IHK mitwirkte. Da- tung von Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim bei wurden vor allem Fragen der Markterschließung in Erwin reist nach Moskau, um sich vor Ort einen per- Japan diskutiert. In den 1990er Jahren zeichneten sich sönlichen Eindruck von der aktuellen Marktsitua- in der Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen tion zu verschaffen und konkrete Geschäftsmög- einige neue spezielle Branchenschwerpunkte ab, in de- lichkeiten auszuloten. nen Japan angesichts ähnlicher wirtschaftspolitischer Im Herbst 2005 fanden zum ersten Mal die Herausforderungen vom deutschen Know-how profi- „Moskauer Wirtschaftstage in Düsseldorf“ statt. tieren möchte. Hierzu gehören vor allem die Umwelt- technik und der Gesundheits- und Pflegemarkt. Nach

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf International: Der Duft der großen weiten Welt 81

China Kompetenzzentrum Düsseldorf

Am 24. Januar 2005 wurde das China Kompetenz- zentrum, ein Gemeinschaftsprojekt der Landes- hauptstadt Düsseldorf, Messe Düsseldorf und der IHK, offiziell eröffnet. Es soll nach dem Vorbild des bereits erfolgreich arbeitenden Russland Kompe- tenzzentrums agieren.

Die Hauptaufgaben des China Kompetenzzen- trums sind:

• Standortwerbung in China, • Betreuung ansässiger und ansiedlungswilli- ger chinesischer Unternehmen, • Förderung von Messebeteiligungen deut- scher Unternehmen in China und chinesi- scher Unternehmen in Düsseldorf sowie staaten“. Die Region Düsseldorf erlangte in den 1960er Zu einem der traditionellen • Unterstützung deutscher Unternehmen bei Jahren eine Schlüsselstellung im deutschen Osthandel. „Ankerländer“ bei den Außenwirtschaftsaktivitä- Geschäften in den Düsseldorfer Partner- Verschiedene Ostblockstaaten baten die IHK in dieser ten der IHK Düsseldorf regionen in China. Zeit um Unterstützung bei der Vorbereitung und gehört Indien. Hier eine Durchführung repräsentativer Ausstellungen und Wirt- Delegation zu Besuch in Das China Kompetenzzentrum hat seit seiner schaftstage in Düsseldorf. der Kammer 1963. Gründung bereits eine Vielzahl von Aktivitäten und In den Jahren 1970 und 1971 gab es insgesamt drei Veranstaltungen durchgeführt. Es organisiert Wirtschaftstage mit dem Schwerpunkt Osteuropa: Für Unternehmerreisen und Wirtschaftskonferenzen Polen, Ungarn und Rumänien. Im Jahre 1982 fand mit chinesischen Partnerregionen und unterstützt schließlich der Deutsch-Sowjetische Wirtschaftstag in den Aufbau von China-Zentren und eines China- der IHK statt. Dies geschah vor dem Hintergrund ver- Netzwerks in Düsseldorf. Zudem bietet es indivi- schärfter Sanktionen der USA gegen Lieferungen im duelle Beratungen und die Veranstaltungsreihe Rahmen des deutsch-sowjetischen Erdgas-Röhren- „China goes DUS“ für chinesische Unternehmen an. Geschäftes. Die Veranstaltungsreihe „Geschäftspraxis China“ Besonderer Schwung kam in das Thema Osteuropa steht unter Federführung der IHK Düsseldorf und mit Beginn des Reformprozesses, der Transformation richtet sich an deutsche Unternehmen. der ehemaligen Staatshandelsländer in marktwirt- Das Leistungsangebot des China Kompetenz- schaftliche Systeme. So gab es 1989 bereits erste Kon- zentrums beschränkt sich auf den Bezirk der IHK takttreffen mit Mitarbeitern der sowjetischen Handels- Düsseldorf. Bei landesweiten Aktivitäten findet ei- und Industriekammer. Ein Forum über neue polnische ne Abstimmung mit der IHK Köln statt, die Schwer- Investitionsgesetze führte den damaligen Gewerk- punktkammer für China ist. schaftsführer und späteren Staatspräsidenten Lech Walesa in die IHK, die Kooperation mit polnischen Unternehmen wurde Thema der IHK-Arbeit. diesem Muster, Länder- und Brancheninteressen zu Anfang der 1990er Jahre nahm das Interesse an bündeln, erschließt die IHK inzwischen für eine breite Osteuropa weiter zu, mehrere Investitionsseminare ins- Palette von Ländern und Märkten den Unternehmen besondere zu Polen, Ungarn, Tschechien und der Slo- profilgenaue Geschäftskontakte. wakei folgten. Dass die IHK-Arbeit vielfach die Veränderungen in 1992 lud die Kammer zu einer großen Wirtschafts- der Weltwirtschaft, auch in der Weltpolitik, reflektier- konferenz Osteuropa nach Hilden ein, bei der die Unter- te, wird an folgenden Beispielen deutlich: nehmen mit dem deutschen Wirtschaftsminister und Schon seit Anfang der 1950er Jahre berichtete die Spitzenpolitikern aus Ungarn, Polen und der Tsche- IHK über den Handel mit den damaligen „Ostblock- choslowakei diskutieren konnten.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 82 International: Der Duft der großen weiten Welt

Die Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Moskau brachte Ende der 1990er Jahre neuen Schwung in die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Die IHK Düsseldorf hatte inzwischen auch Russland als Schwer- punktland hinzugewonnen. Gemeinsam mit der Landeshauptstadt Düsseldorf, der Messe Düsseldorf und dem Verband der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation entstand 2001 das Russland Kompetenzzentrum. Nach ähnlichem Mu- ster nahm im Jahre 2005 das gemeinsam von Stadt, Messe und IHK getragene China Kompetenzzentrum Lech Walesa 1989 zu seine Arbeit auf. Besuch in der IHK, im Bild Nach dem ersten Golfkrieg fand bei den Unterneh- mit IHK-Präsident Rolf Schwarz-Schütte. men die Frage großes Interesse, wie sich die Geschäfts- beziehungen nach dem Waffenstillstand wieder bele- Seit 1991 hat die IHK die Ukraine als neues Schwer- ben ließen. Die IHK veranstaltete dazu 1988 zwei punktland im Programm. Auch hier waren es vor allem Sprechtage mit der Deutsch-Iranischen Industrie- und zahlreiche Wirtschaftskonferenzen und Delegations- Handelskammer und dem iranischen Industrieminister. reisen, die die Kontakte mit Leben füllten. Neu war hin- Auch nach dem Ende des Afghanistan-Krieges wuchs gegen im Jahre 1992 die Idee, einen IHK-Firmenpool das Interesse der regionalen Wirtschaft, sich an Wieder- Ukraine zu schaffen, der bis heute existiert. Das Modell aufbauprojekten zu beteiligen. ist leicht zu erklären: Mittelständische Unternehmen, Seit 2002 hat die IHK regelmäßig über Investitions- die in den ukrainischen Markt eintreten wollen, teilen chancen in Afghanistan informiert, unter anderem un- sich die Kosten eines gemeinsamen Büros, das erste ter mehrfacher Mitwirkung des Afghanistan-Beauf- Schritte in dem neuen Umfeld anbahnt. Nach diesem tragten der Bundesregierung. So Anfang Dezember Prototyp der IHK Düsseldorf haben die deutschen In- 2002 in einer Wirtschaftskonferenz mit dem afghani- dustrie- und Handelskammern in der Folgezeit zahlrei- schen Präsidenten Hamid Karzai und seinem Kabinett che Firmenpools im Ausland aufgebaut. im Anschluss an die „zweite Petersberg-Konferenz“.

Treffen des Deutsch-Japa- nischen Wirtschaftskreises.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf International: Der Duft der großen weiten Welt 83

Alles dies sind IHK-Angebote, die sich einreihen in eine enorme Bandbreite zahlreicher Länderveranstal- tungen. Auf mehr als 50 Veranstaltungen über den Handelsaustausch, Direktinvestitionen, Kooperationen mit den europäischen Handelspartnern und mit den besonders wachstumsstarken Volkswirtschaften des asiatischen Raumes summiert sich inzwischen das An- gebot Jahr für Jahr. Dabei setzen neben Indien, Japan, Russland und der Ukraine auch die übrigen Schwerpunktländer der IHK – nämlich Israel, Korea und die USA – stets besondere Akzente. Die IHK kann sich in ihren außenwirtschaftlichen Aktivitäten auf viele zuverlässige Partner stützen. Die ausländischen Handelsförderer, also Konsulate, Kam- mern und ausländische Wirtschaftsförderungsgesell- schaften, aber auch die deutschen Auslandshandels- kammern und Delegiertenbüros sowie das Auswärtige Amt unterstützen sie dabei nach Kräften, und dies be- reits über Jahrzehnte hinweg.

Der Weg in die Europäische Integration Düsseldorf und der Kreis Mettmann genießen die Nach diesem Auftakt folgten im Jahre 1989 bereits IHK-Präsident Hermann Standortgunst einer zentralen Lage im europäischen 22 Informationsveranstaltungen mit über 1.000 Teil- Franzen empfing 2002 den afghanischen Staatspräsi- Markt. Der europäische Integrationsprozess spielt da- nehmern. Auch das war nur die Spitze des Eisberges, denten Hamid Karzai zu her an einem solchen Standort eine ganz besondere denn die Nachfrage nach Einzelberatungen legte im Ta- einer Wirtschaftskonfe- Rolle. gesgeschäft spürbar zu. renz. Nachdem in Rom 1957 der Vertrag über die Grün- Markt- und Rechtsinformationen, die Vermittlung dung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von von Kooperationspartnern in den Nachbarländern, den sechs Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde, wa- technische Informationen und letztlich auch Texte öf- ren es vor allem drei Meilensteine, die den Integra- fentlicher EU-Ausschreibungen lieferten den notwen- tionsprozess geprägt haben: Die Vollendung des euro- digen Hintergrund für Einzelberatungen. päischen Binnenmarktes in den Jahren 1988 bis 1992, Der Binnenmarkt wurde schließlich zum Quer- die Einführung des Euro, zunächst als Giralgeld zu Jah- schnittsthema aller Abteilungen der IHK. Denn die resbeginn 1999 und sodann als Bargeld ab 2002, und Bandbreite der Fragen wuchs rasch über solche des die Erweiterung um zehn weitere, vor allem osteuro- Handels, der Kooperationen und Investitionen hinaus. päische Mitgliedsstaaten im Mai 2004. Die Harmonisierung oder wechselseitige Anerkennung Die Vollendung des Binnenmarktes löste eine Flut bei technischen Verfahren wie auch die Anerkennung von IHK-Informationsangeboten aus, alle standen un- von Berufsabschlüssen machte den Unternehmen sehr ter dem Label „Europa ’92“. Bemerkenswert war, dass ei- schnell deutlich, wie umfassend die Europäische Ge- ne Seminarreihe über Frankreich, die Niederlande, meinschaft den Wirtschaftsablauf verändern würde. Großbritannien und Spanien erhebliche Resonanz bei Der „Europäische Binnenmarkt ’92“ liefert im Übrigen den Mitgliedsunternehmen fand. Es galt, dort neue ein gutes Beispiel dafür, dass sich die IHK zum Nutzen der Kooperationspartner zu finden, Vertriebslinien zu ent- Mitgliedsunternehmen seit 1988 sehr intensiv mit dem wickeln, Investitionen alleine oder als Joint Venture Thema „Online-Datenbanken“ beschäftigt hatte. Fünf vorzubereiten. Allein 1988, im ersten Jahr des Binnen- Mitarbeiter verfügten über das besondere Know-how, marktprogramms, standen 16 Informationsveranstal- mit den nicht immer einfachen Retrieval-Sprachen den tungen auf dem Programm der Kammer. Das Netzwerk internationalen Datenbanken Wissen zu entlocken. mit den Auslandshandelskammern hat sich gerade in Bedeutete der EG-Binnenmarkt vor allem eine dieser Phase außerordentlich bewährt, aber auch das Marktöffnung durch Harmonisierung oder gegenseiti- Brüsseler Büro des DIHT lieferte gehörigen Input. ge Anerkennung bestehender Regelungen, so standen

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 84 International: Der Duft der großen weiten Welt

Informationen zu den zehn neuen EU-Ländern in Ost- europa standen 2004 hoch im Kurs.

die verschiedenen Erweiterungsrunden der EG/EU stets kehrs, handelte es sich doch ansonsten lediglich um die für eine Vergrößerung des Marktvolumens. Den bishe- Übertragung der bereits seit dem 1. Januar 1993 gel- rigen Höhepunkt bildete die bislang letzte Erweite- tenden und seither weiterentwickelten Regeln des rungsrunde am 1. Mai 2004 mit zehn neuen Ländern. Binnenmarktes auf zehn weitere Länder. Politisch bedeutete dieses Datum einen „Big Bang“, rein wirtschaftlich aber waren viele Wirkungen schon durch Der Euro rollt die in den voraufgegangenen Jahren erzielten Liberali- Eine weitere Herausforderung für die Wirtschaft be- sierungsfortschritte eingetreten. deutete die Einführung des Euro im Jahre 1999 – zu- Doch die Tatsache, dass sich nunmehr zehn weite- nächst als Giralgeld. Ähnlich wie bei der Vollendung des re Länder dem Rechtsrahmen der EU anschlossen, er- Binnenmarktes wurde auch der Euro schnell zu einem mutigte auch viele kleinere Unternehmen, die bis da- Querschnittsthema unter Koordination eines „IHK-Eu- hin kaum oder gar nicht international tätig waren, sich rogeld-Beauftragten“. mit diesen benachbarten Märkten auseinander zu set- Nur so konnte es gelingen, allen Facetten des The- zen. mas gerecht zu werden. Um die Dinge beim Namen zu Die Kammer förderte und begleitete dies mit einem nennen: Der Händler fragte zu Recht, wie er denn wohl Schub an Informationsveranstaltungen und individuel- nach der Euro-Umstellung runden sollte, welche Preis- len Beratungen durch die deutschen Auslandshandels- politik die richtige sei; der Leiter des Rechnungswesens, kammern. Der Beratungsbedarf konzentrierte sich auf ob die IHK zu bilanziellen Problemen der Euro-Umstel- die neuen Regeln für die Abwicklung des Warenver- lung Seminare anbiete; der Zulieferer, welche Verträge dann wohl angepasst werden müssten, und nicht zu- Die IHK beriet die Unter- nehmen bei der Umstellung letzt fragte auch die interne IHK-Verwaltung nach den auf den Euro. Konsequenzen für den IHK-Haushalt. Die bevorstehende Bargeld-Einführung drei Jahre später, zu Jahresbeginn 2002, brachte einen neuen Schub von Anfragen. Im Mittelpunkt stand dabei die Falschgeldprävention. Kein Partner hätte in dieser Pha- se der IHK besser zur Seite stehen können als die in gu- ter Nachbarschaft ansässige Landeszentralbank. Europäischer Binnenmarkt und Euro-Einführung waren typische Querschnittsthemen, die nicht nur dem Hauptamt, sondern praktisch auch allen Ausschüssen der IHK und der Vollversammlung Stoff für lebhafte Di- skussionen boten.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Wiedervereinigung: Aus 2 mach 1 85

Gastrednerin beim Jahres- empfang 1990: Professor Christa Luft, stellvertre- tende Vorsitzende des Mi- nisterrates für Wirtschaft der DDR. Wiedervereinigung: Aus 2 mach1

Das wohl wichtigste historische Ereignis der Nach- del“ waren sie folgerichtig ein Thema der Abteilung kriegszeit war die Wiedervereinigung am 3. Oktober Handel und Dienstleistungen. Mauerfall, Wirtschafts- 1990. Der deutschen Einheit vorausgegangen waren und Währungsunion sowie die deutsche Einheit ließen der Fall der Mauer am 9. November 1989 und die die Beziehungen zwischen den alten und neuen Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990, bei- Bundesländern aber sehr schnell zu einem Quer- des Daten, die der Wirtschaft in Ost und West völlig schnittsthema in der IHK werden. neue Perspektiven – allerdings nicht nur Chancen – Zum Jahresempfang am 16. Januar 1990 standen eröffneten. allerdings die Zeichen noch nicht auf Wiedervereini- Wirtschaftsbeziehungen zur DDR waren in der IHK gung. IHK-Hauptgeschäftsführer Joachim Kreplin war aus nachvollziehbaren Gründen nicht der Außenwirt- es durch Kontakte zur DDR-Handelsvertretung und ei- schaftsabteilung zugeordnet. Als „innerdeutscher Han- ne spontane Reise nach Ost-Berlin gelungen, Professor

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 86 Wiedervereinigung: Aus 2 mach 1

Dr. h. c. Rolf Schwarz-Schütte Präsident von 1983 bis 1991

Dr. h. c. Rolf Schwarz-Schütte, zeugte Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft langjähriger Aufsichtsratsvorsit- sieht sich als Unternehmer in der Verpflichtung, zender der Schwarz Pharma AG, auch in der Öffentlichkeit für die demokratischen gründete 1946 mit seinem Vater, Grundrechte einzutreten. Für diese beispielhafte Dr. Anton Schwarz, nach der Rük- Einstellung und für sein Lebenswerk wurde Rolf kkehr aus der Kriegsgefangen- Schwarz-Schütte 1990 mit dem Großen Verdienst- schaft in Reichelsheim/Odenwald kreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik als KG das Unternehmen. 1950 Deutschland ausgezeichnet. Im Oktober 2000 erhielt verlegte der geborene Düsseldorfer das Unterneh- er den Ehrenring der Stadt Monheim, die sich nach men nach Monheim. Heute gehört Schwarz-Pharma Worten von Professor Dr. Gert Kaiser, ehemaliger zu den führenden Herz-Kreislauf-Spezialisten in Rektor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland und ist weltweit aktiv mit Geschäftstä- „glücklich schätzen kann, solch einen Bürger von tigkeiten in den Bereichen Gefäßerkrankungen, zen- Format in ihrer Mitte haben zu dürfen”. Gleiches gilt trales Nervensystem, Gastroenterologie und Urolo- auch für die IHK Düsseldorf, denn der Name Rolf gie. Schwarz-Schütte steht für einen Unternehmer, der Ungeachtet der engagierten Arbeit für sein sich insbesondere während seiner langjährigen eh- Unternehmen, nahm und nimmt Rolf Schwarz- renamtlichen Tätigkeit für die Kammer mit der gan- Schütte eine Reihe von verantwortungsvollen Eh- zen Kraft seiner Persönlichkeit um die Wirtschaft der renämtern ein. Dazu gehörte an erster Stelle die För- Region verdient gemacht hat. Seit 1977 ist Schwarz- derung von Wissenschaft und Lehre als Präsident der Schütte Mitglied der IHK-Vollversammlung, die ihn „Gesellschaft von Freunden und Förderern der Hein- im gleichen Jahr zum Vizepräsidenten und 1983 zum rich-Heine Universität Düsseldorf e.V.“ in den Jahren Präsidenten wählte. Sein Bestreben war es stets, 1988 bis 2000. Heute ist er Senator e.h. Als Präsi- Kammerarbeit unter klaren, langfristigen, strategi- dent der IHK Düsseldorf von 1983 bis 1991 prägte er schen Gesichtspunkten zu betreiben. Die Kammer die Arbeit dieser Institution ebenso wie als Präsident hat sich in seiner Amtszeit als moderner Dienstlei- des Düsseldorfer Industrie-Clubs, der ihn 1995 zum stungsbetrieb profiliert, der von der regionalen Ehrenpräsidenten ernannte. 1998 verlieh ihm die Wirtschaft als kompetente Interessenvertretung an- Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Heinrich- gesehen wird. Heine-Universität Düsseldorf die Ehrendoktorwürde Rolf Schwarz-Schütte ist der IHK als Ehrenpräsi- für sein umfassendes Engagement bei Gründung dent und Mitglied des Finanzausschusses auch heu- und weiterer Entwicklung der Fakultät. Der über- te noch eng verbunden.

Christa Luft, stellvertretende Vorsitzende des Minister- ten und Investitionen in den neuen Bundesländern rates für Wirtschaft der DDR, als Gastrednerin zu ge- konfrontiert zu werden und im Sinne ihrer Unterneh- winnen. Alles, was in Politik und Wirtschaft Rang und men praxisnahe Lösungen zu finden. Namen hatte, drängte an diesem Abend in die Düssel- Im Vorwort zum Jahresbericht 1990 schrieben Prä- dorfer Messe. sident Rolf Schwarz-Schütte und Hauptgeschäftsfüh- Trotz aller Bekenntnisse der Gastrednerin zu Re- rer Joachim Kreplin: „Die singulären geschichtlichen formschritten in Richtung Sozialer Marktwirtschaft Vorgänge des Jahres 1990 drückten auch der Arbeit der hätte wohl niemand der 1.100 Gäste an diesem Abend IHK Düsseldorf ihren Stempel auf. Praktisch aus dem das immense Tempo, mit dem das Land sich in den fol- Stand heraus musste sie dem enormen Beratungsbe- genden Monaten auf die Einheit zubewegte, richtig darf gerecht werden, der sich aus der schnellen Eini- eingeschätzt. gung Deutschlands ergab.“ Der Instrumentenkasten der Für die Wirtschaft und auch die IHK bedeutete dies, IHK in dieser zeitgeschichtlich bedeutsamen Phase nahezu täglich mit neuen Fragen zu Geschäftskontak- spiegelt dies deutlich wider.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Wiedervereinigung: Aus 2 mach 1 87

Bereits im Januar 1990 rief die Kammer einen DDR-Arbeitskreis ins Leben. Ziel war es, die Unternehmen vor Ort in einer Veranstaltungsreihe kontinuierlich zu informieren (be- sonders im Juni 1990 im Vorfeld der geplanten Wirtschafts- und Wäh- rungsunion) und Kontakte zu den Betrieben in Ostdeutschland zu knüpfen. Die Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Chemnitz (ehemals Karl-Marx-Stadt) half da- bei: Bereits Anfang Februar 1990 besuchten 40 Betriebsleiter und Kombinatsdirektoren Düsseldorf, um sich hier über betriebswirt- schaftliche Themen zu informieren. Für viele der Teilnehmer war es die erste Reise nach Westdeutschland. Bereits sechs Wochen später reiste die erste Düsseldorfer Delegation nach Chemnitz. Damit begannen er- ste erfolgreiche Kooperationen. Wünsche nach Geschäftskon- takten standen zu Beginn im Vorder- grund. Gleich zu Jahresanfang such- ten 600 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk über die Ko- schaftstage in Düsseldorf im Oktober und November. Hilfe für Chemnitzer Aus- operationsdatenbank des damals noch Deutschen In- Ziel war es, Chemnitzer Unternehmen Aufträge aus der bilder: Auf Vermittlung der IHK konnten sie sich dustrie- und Handelstages (DIHT) den „Draht“ zu ost- Region Düsseldorf zu vermitteln. bei Mannesmann im deutschen Betrieben. Parallel zur Städtepartnerschaft entwickelte sich Ausbildungszentrum 1991 Fast 400 Einzelgespräche und Geschäftskontakte – ein freundschaftliches Verhältnis zur wieder entstan- weiterbilden. so lautete das Ergebnis der ersten Chemnitzer Wirt- denen Industrie- und Handelskammer Chemnitz. Prak- tische Hilfe vor Ort, vor allem der Auf- bau einer funktionstüchtigen Ausbil- Karikatur aus dem IHK- Jahresbericht 1990. dungsabteilung, aber auch die Schu- lung von Chemnitzer IHK-Mitarbei- tern in Düsseldorf, waren gefragt. Das Thema „Neue Bundesländer“ blieb auch in der Zeit nach diesem Aufbruch auf der IHK-Agenda. Wie stark sich die Unternehmen aus Düs- seldorf und dem Kreis Mettmann in sehr kurzer Zeit in den neuen Ländern engagierten, wurde im Juni 1991 nach einer IHK-Umfrage deutlich. Mehr als vier Milliarden Mark wollten die Mitglieds-Unternehmen in den neuen Ländern investieren. Auch zahlreiche mittelständische Unter- nehmen wollten dort ihre Chancen nutzen.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 88 Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

Innovative Unternehmen – wie die Bayer CropScience AG in Monheim – haben ihren Sitz im IHK-Bezirk Düsseldorf. Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

Aufgabe der IHK ist es, die industriellen Standortbe- Auf den ersten Blick sind die Stadt Düsseldorf und dingungen zu verbessern und die Innovationskraft der der Kreis Mettmann keine „Innovationsregion“ wie man Unternehmen in der Region zu stärken. Sie informiert etwa Aachen mit seiner Technischen Hochschule ein- frühzeitig über neue Technologien und unterstützt den schätzen würde. Dringt man tiefer in die strukturellen Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirt- Besonderheiten ein, zeichnet sich ein anderes Bild ab. schaft. Sie schafft Kooperations- und Kommunika- Aber auch Know-how im Umweltschutz spielt eine be- tionsplattformen für die Wachstumsbranchen der Re- sondere Rolle, obwohl gerade die Stadt Düsseldorf sich gion. Sie unterstützt Unternehmen beim Einsatz und durch hohe Dienstleistungsorientierung auszeichnet. der Vermarktung von Umwelttechnologie und vertritt Zu Unrecht wird Umweltschutz vielfach als ein Spezi- ihre Interessen in Abfall- und Abwasserfragen sowie der fikum großer industrieller Unternehmen gesehen. kostengünstigen Energieversorgung. Sie informiert Innovativ sind die Unternehmen im IHK-Bezirk über die Umwelt-Gesetzgebung und über Förderpro- schon deshalb, weil sie sich im Wettbewerb behaupten gramme zum Einsatz neuer Techniken. müssen. Die Patentstatistik belegt im Übrigen, dass die

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 89

Albrecht Woeste Präsident von 1991 bis 1999

Diplom-Ingenieur Albrecht Woeste, gebürtiger Düs- bildungszentrum der IHK Düssel- seldorfer, zählt aufgrund seines außergewöhnlichen, dorf eröffnet werden konnte. über drei Jahrzehnte währenden Engagements für Albrecht Woestes Engage- die regionale Wirtschaft und die Kammerorganisa- ment ging weit über die Grenzen tion zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des des Kammerbezirks hinaus, so als Düsseldorfer Wirtschaftslebens. Vorstandsmitglied der Vereini- Albrecht Woeste studierte an der Technischen gung der Industrie- und Handels- Hochschule Berlin Wirtschaftsingenieurwesen und kammern in Nordrhein-Westfa- schloss das Studium 1961 als Diplom-Ingenieur ab. len e.V. und des Deutschen Indu- 1963 trat er in das väterliche Unternehmen – die in strie- und Handelkammertages Düsseldorf 1893 gegründete Fittingsfabrik R. Woe- (DIHK), wo er sich vor allem für die Interessen der ste & Co. – ein. nordrhein-westfälischen Wirtschaft einsetzte. Da- Albrecht Woeste wurde bereits 1968 in die Voll- rüber hinaus war er Mitglied des Aufsichtsrates der versammlung der IHK Düsseldorf gewählt und ist seit Messe Düsseldorf und über viele Jahre Vorsitzender diesem Zeitpunkt ehrenamtlich für die Selbstver- des Arbeitgeberverbandes der Eisen- und Metallin- waltung der Wirtschaft tätig. Aufgrund seines be- dustrie für Düsseldorf und Umgebung als auch der sonderen Engagements für die IHK bestellte ihn die Düsseldorfer Unternehmerschaft. Er war Mitglied Vollversammlung bereits 1978 zum Vizepräsidenten. des Vorstandes der Landesvereinigung der Arbeitge- Von 1983 bis 1991 war er ständiger Vertreter des berverbände NRW sowie Präsidiumsmitglied des Präsidenten der IHK Düsseldorf, Dr. Rolf Schwarz- Deutschen Gießereiverbandes. Nachdem 1999 seine Schütte. Am 10. Dezember 1991 wählte das „Parla- Amtszeit als Präsident nach insgesamt acht Jahren ment der Wirtschaft“ Albrecht Woeste zum Präsi- satzungsgemäß endete, ist Albrecht Woeste der IHK denten der IHK Düsseldorf. In dieser Funktion för- Düsseldorf als Ehrenpräsident und Mitglied des IHK- derte er als Sprecher der Wirtschaft des Düsseldor- Finanzausschusses weiterhin eng verbunden. fer Kammerbezirks in vielfältiger Weise die Region Albrecht Woeste ist Vorsitzender des Aufsichts- und die IHK-Mitgliedsunternehmen. Dabei setzte rates und des Gesellschafterausschusses der Henkel Woeste vor allem auf einen kontinuierlichen und KGaA sowie Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen konstruktiven Dialog zwischen Wirtschaft, Politik Bank AG und der Allianz Lebensversicherungs AG. und Verwaltung. Für seine vielfältigen Verdienste in Organisationen Ein besonderes Anliegen war ihm die Intensivie- der Wirtschaft erhielt Albrecht Woeste 1992 das rung der regionalen Zusammenarbeit, auch mit der Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens Nachbar-Metropole Köln. Sein Engagement galt aber der Bundesrepublik Deutschland und 2001 das Gro- auch der beruflichen Weiterbildung der Mitarbeiter ße Verdienstkreuz. Sein Engagement um die Förde- in den Unternehmen und der beruflichen Erstausbil- rung Düsseldorfs als Sportstadt würdigte die Lan- dung. Seinem besonderen Einsatz ist es zu verdan- deshauptstadt 2003 mit der Verleihung des Großen ken, dass 1994 das IHK-Forum als modernes Weiter- Ehrenrings der Stadt Düsseldorf.

Region sich nicht verstecken muss. Innovation bedeu- Die Branchenvielfalt im IHK-Bezirk garantiert, dass tet nicht nur die Einführung eigener neuer Produkte. Innovationen hier breite Anwendung finden können. Die Entscheidung darüber fällt nicht selten in den Un- Ein treffendes Beispiel bietet die Entwicklung der Mul- ternehmenszentralen der Stadt Düsseldorf und im Kreis timedia- und E-Commerce-Produkte, die sowohl auf Mettmann, in enger Kommunikation mit Banken, Wer- der Anbieter- als auch auf der Anwenderseite schnelle beagenturen und technischen Projektberatern. Innova- Verbreitung im Wirtschaftsraum Düsseldorf gefunden tion bedeutet vielmehr auch die Einführung neuer Pro- haben. zesse, die von Geschäftspartnern und von Forschungs- Das Know-how von Unternehmen und Forschungs- einrichtungen entwickelt werden. einrichtungen den Mitgliedsunternehmen verfügbar

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 90 Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

aktuelle Gesetzesänderungen zu informieren, über Firmenbefragungen und Gespräche mit Abgeordneten den „worst case“ zu verhindern und den Unternehmen beratend zur Seite zu stehen. Themen der Industrie haben in der IHK eine sehr lange Tradition. Innovation und Umweltschutz hinge- gen gehören zu den jüngeren Geschäftsfeldern. Es ist kein Zufall, dass sich diese beiden Themen in der Indu- strieabteilung der IHK entwickelt haben: - Innovation war lange Zeit ein Synonym für „in- dustrielle Innovation“. Vor dem massenhaften Ein- zug der Computer in den Dienstleistungssektor rechnete man Innovation und Produktivitätsfort- schritte praktisch nur dem Fertigungssektor zu. - Umweltschutz kam in massiver Form über die Ge- Die Wasserversorgung rük- zu machen, ist eine schon fast traditionelle IHK-Auf- setzgebung zunächst auf die Industriebetriebe zu. kte in den 1950er Jahren gabe. Die Heinrich-Heine-Universität und die Fach- in den Fokus des Interes- ses. Im Bild das Wasser- hochschule Düsseldorf sind in der Wirtschaft fest ver- Nachkriegszeit: Ressourcen-Sicherung werk Flehe. ankert. Spin-offs, insbesondere im Life-Science-Sektor, Die industriepolitischen Aktivitäten der IHK in der er- haben die Gründerszene nachhaltig belebt. sten Phase nach dem Wiederaufbau hatten zum Ziel, Über diese Hochschulen hinaus bestehen vielfälti- die Versorgung mit Energie, Rohstoffen und Arbeits- ge weitere Kontakte zwischen Unternehmen und For- kräften zu sichern. Hinzu trat bereits die Sorge um schungseinrichtungen, die sich nicht zuletzt bei der eine ausreichende Flächenbereitstellung durch die Rekrutierung des naturwissenschaftlichen und techni- Städte. schen Nachwuchses auszahlen. Mit ihrem besonderen Im Jahre 1953 rückten für die IHK die „ungelösten Schwerpunkt bei den privaten und öffentlichen Dienst- Fragen der zukünftigen ausreichenden Belieferung der leistungen vollzieht sich Innovation in der Region auch Industrie“ mit Wasser in den Vordergrund. Gemeinsam in der Datenverarbeitung. Auch hier gilt, dass das brei- mit den industriellen Großverbrauchern aus dem Indu- te Anwenderspektrum sein Pendant auf der Anbieter- striegebiet Benrath-Reisholz und den Stadtwerken seite findet. Düsseldorf begannen Gespräche über die Sicherstel- Den Dienstleistungssektor wird man beim Stichwort lung der künftigen Wasserversorgung. In engem Zu- „Umweltschutz“ nicht gleich im Blick haben. Dennoch sammenhang damit beteiligten sich die Industrie- bietet auch er dafür zahlreiche interessante Anknüp- unternehmen finanziell an einer Bestandsaufnahme fungspunkte, wie sich beim Umweltmanagement ge- der lokalen Grundwasserverhältnisse, die 1955 abge- zeigt hat. schlossen war. Umweltschutzfragen stellen sich auch im Kammer- Ähnliche Bedeutung wie die Wasserversorgung ge- bezirk den Unternehmen immer wieder dann, wenn es wann die Versorgung mit preisgünstiger Energie. Als Konflikte gibt, die aus der engen Nachbarschaft von schwerwiegende Belastung empfanden 1953 die Indu- Wohnen und Arbeiten resultieren. Der Kreis Mettmann striebetriebe einen Anstieg ihrer Strompreise, der über ist durch seine besondere Siedlungsstruktur vor allem die Erhöhung der Kohlepreise ausgelöst wurde. im niederbergischen Teil mit seinen historisch gewach- Im Jahre 1955 führte die IHK mit den Stadtwerken senen Gemengelagen von dieser Konfliktsituation be- Düsseldorf erfolgreiche Verhandlungen über eine troffen. Aber auch in Düsseldorf kommt es im Zuge der Strompreissenkung. Die IHK setzte sich zur gleichen Flächennutzungs- und Bauleitplanung immer wieder Zeit für den Bau eines neuen Kraftwerkes der Stadt- zu Unverträglichkeiten. werke Düsseldorf „Auf der Lausward“ ein. Politische Verschiedene Branchen im IHK-Bezirk wie Gieße- Gespräche mit dem Landeswirtschaftsminister zielten reien, große Chemie-Unternehmen, aber auch Auto- flankierend auf eine Lockerung des Gebietsschutzes mobilzulieferer und Papier verarbeitende Industrie, in der Energieversorgung und eine Preisliberalisierung. sind zunehmend von EU-Umweltschutzrichtlinien und Mitte der 1950er Jahre rückte das Thema der Auf- deren verschärfter Umsetzung, vor allem in Landes- tragsvermittlung für die Industriebetriebe in den recht, betroffen. Hier gilt es für die IHK, frühzeitig über Vordergrund. Einerseits vermittelte die IHK Aufträge an

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 91

auswärtige Unternehmen, um Auslastungsspitzen der industriewirtschaftliche Arbeit der lokalen Unternehmen abzufangen; andererseits küm- IHK bis in die 1970er und 1980er merte sie sich um die Vermittlung öffentlicher Auf- Jahre hinein. träge. Besonders ausführlich ging die In der Vermittlung kommunaler und staatlicher IHK im Jahre 1972 auf die indu- Aufträge sahen die Industrie- und Handelskammern in striellen Standortbedingungen ein. Nordrhein-Westfalen schließlich eine Gemeinschafts- Erste industrielle Arbeitsplatzver- aufgabe. Folgerichtig nahm im Februar 1955 eine lan- luste – längst noch nicht mit der desweite Beratungsstelle für das öffentliche Auftrags- Massivität der 1980er Jahre – wur- wesen in Düsseldorf ihre Tätigkeit auf. den primär auf den „Mangel an Ab Mitte der 1950er Jahre zeichnete sich in zahl- Grund und Boden“ zurückgeführt. reichen Industriebetrieben Personalknappheit ab. Da- Die Sicherung industrieller Flä- mit wuchs der IHK in der Beratung ihrer Mitglieds- chen bestimmte damit auch die unternehmen ein völlig neues Thema zu: Rationalisie- Stellungnahmen der IHK zur kom- rung. munalen Bauleitplanung. Umfas- So entstand eine enge Zusammenarbeit mit dem send untersuchte die IHK im Jahre Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirt- 1976 den industriellen Grundstük- schaft (RKW), dessen Spezialisten für die Beratung der ksbedarf, um damit der Stadtver- Industriebetriebe gewonnen wurden. waltung Düsseldorf Material für die Die anhaltenden Verknappungstendenzen am Ar- Bauleitplanung zu liefern. Derartige Umfragen führte Die IHK setzte sich für den beitsmarkt und der daraus resultierende Lohnkosten- die IHK vor dem Hintergrund zunehmender Firmenab- Bau des Kraftwerks Laus- ward ein. druck gaben dem Rationalisierungsthema bis Anfang wanderungen wiederholt in den 1980er Jahren in Düs- der 1960er Jahre breiten Raum in der IHK-Arbeit. seldorf und in den Städten des Kreises Mettmann durch. Die ausreichende Grundstücksversorgung der Indu- Daraus wurden konkrete Ansatzpunkte für die Interes- striebetriebe klang bereits in den 1950er Jahren als Pro- senvertretung abgeleitet. blem an; so spielte das Thema der Betriebsverlagerun- In den frühen 1980er Jahren setzte in Düsseldorf gen aus dem Düsseldorfer Stadtgebiet bereits 1958 in ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie ersten Firmenwanderungs-Analysen der IHK eine Rol- ein. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch le. „Als vorherrschende Motive für diese Fortzüge mus- Rationalisierung war ein Motiv der Unternehmenslei- sten das Fehlen von billigen und geeigneten Grund- tungen für diesen Prozess. stücken und der stärker werdende Mangel an Fach- Neben den Veränderungen auf den Absatzmärkten, kräften festgestellt werden“, hieß es in diesem Jahr. der räumlichen Konzentration von Betriebsstätten Die Sorgen um industrielle Flächen begleiteten die außerhalb des IHK-Bezirkes und der Übernahme mittel- ständischer Unternehmen des Maschi- nen- und Anlagenbaus durch Großunter- nehmen, sorgten auch Insolvenzen für Arbeitsplatzabbau und das Verschwinden bekannter Namen der Düsseldorfer Indu- striegeschichte. Wie auch in anderen Me- tropolen wandelte sich das Gesicht Düs- seldorfs vom Industrie- und Produktions- standort zum Dienstleistungszentrum. In Hilden kam es zu ähnlich massiven Dein- dustrialisierungstendenzen. Gemessen an Output und Wertschöp- fung hat die Industrie allerdings kaum an Bedeutung verloren. Es entstand allmäh- Ein Laserdistanzmessgerät lich durch Outsourcing ein „Netzwerk In- war in der IHK Düsseldorf dustrie“, von dem viele wichtige Impulse anlässlich der Veranstal- tung „Angewandte Mikro- auch auf andere Branchen ausgingen. Ei- elektronik in NRW“ 1988 ner dieser Impulse war – neben Innova- ausgestellt.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 92 Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

Produktentwicklung und computerunterstützte Quali- tätssicherung wurden ebenso behandelt wie Qualitäts- management-Fragen ausgewählter Wirtschaftszweige. Als praktische Hilfe zur Einführung von QM-Systemen entwickelte und publizierte die IHK Musterhandbücher für den technischen Großhandel und für Software- Unternehmen in engster Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedsunternehmen. Die ISO-Norm war also nicht nur auf das produzie- rende Gewerbe beschränkt, sondern wurde auch im Handel, bei Softwareunternehmen und anderen Dienstleistern angewendet. Aktiv unterstützte die IHK auch die Gründung des ZQM, des Zentrums für Qua- litätsmanagement der Niederbergischen Industrie e.V., Velbert, im Jahre 1992, das die Unternehmen in allen Fragen rund um das Qualitätsmanagement unterstüt- zen sollte. Mit der Revision der ISO-Norm im Jahr 2000 und einer stärkeren Betrachtung von betrieblichen Prozes- sen setzte sich das Qualitätsmanagement auch bei den Dienstleistungsunternehmen mehr und mehr durch.

Automobilzulieferindustrie Im Bereich der Computer- tion und Umweltschutz – insbesondere das Konzept des Anfang der 1990er Jahre widmete die IHK der Auto- Chips kooperiert die RWTH modernen Qualitätsmanagements. mobilzulieferindustrie im niederbergischen Raum ihre Aachen erfolgreich mit der Wirtschaft. besondere Aufmerksamkeit. Die Branche steckte in Von Qualität und Kooperation Schwierigkeiten, die man als „Lopez-Krise“ bezeichne- Bis in die 1960er Jahre hinein hieß Qualitätskontrolle te; der Namensgeber, für die Beschaffung bei einem in der industriellen Produktion noch: Kontrolle am En- namhaften Autohersteller tätig, leitete eine neue Ein- de des Fertigungsprozesses. kaufspolitik ein. Hinzu trat ein massiver Wettbewerb Angelehnt an japanische „Null-Fehler-Philoso- der japanischen Automobilhersteller. phien“ setzte sich in den 1970er Jahren die "Qualitäts- „Lean Management“, 1992 veröffentlicht durch das sicherung" innerhalb des Produktionsprozesses immer renommierte Massachusetts Institute of Technology mehr durch. Dahinter stand die schlichte Erkenntnis, (MIT), sollte in dieser Drucksituation helfen, Qualität dass Qualität nur in den einzelnen Stufen der Fertigung und Produktivität zu steigern und Lieferzeiten und Ko- entstehen kann – oder auch nicht. sten zu senken. In Veranstaltungen und Kongressen in- Nach Vorarbeiten in Großbritannien übernahm formierte die IHK ihre Unternehmen über das „schlan- 1987 die International Standardization Organization ke Unternehmen“ und zeigte, dass diese Methode nicht (ISO) in Genf die britische Norm, die schließlich 1994 nur Ansatzpunkte für Kosteneinsparungen liefern soll- unter DIN EN ISO 9000 ff. zum weltweiten Standard für te, sondern auch als alternatives Führungsmodell ge- das Qualitätsmanagement aufstieg. Damit wurden im- dacht war. mer weitere Kreise innerhalb der industriellen, aber Die Automobilkrise stellte insbesondere die Zulie- auch tertiären Zulieferketten in das Qualitätsmanage- ferindustrie Niederbergs vor große Herausforderungen. ment eingebunden. Dies geschah auch im IHK-Bezirk Ausgelöst durch den Konkurs eines großen Gießerei- Düsseldorf. unternehmens, das bundesweit als „erstes Lopez-Opfer“ In Vortragsreihen legte die IHK die Inhalte der Qua- Schlagzeilen machte, stellte die Kammer ein Aktions- litätsmanagementnorm DIN EN ISO 9000 ff. dar, mit der programm mit konkreten Projekten auf: So gründete Qualität erstmals im gesamten Unternehmen gesichert sich unter ihrer Projektleitung im Oktober 1994 in Vel- beziehungsweise gesteigert werden konnte. Themen bert die MeteQ Mess- und Qualitätstechnik GmbH. Sie wie FMEA (Fehler-, Möglichkeits- und Einflussanalyse), hilft seitdem den Zuliefererunternehmen bei der Prüf- TQM (Total Quality Management), kundenorientierte mittelüberwachung und -kalibrierung sowie bei allen

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 93

Unternehmensvertreter zu Gast bei der MeteQ in Velbert.

Fragen rund um das Qualitätsmanagement. Gesell- untereinander aus und vergleichen sie mit den Daten schafter sind das ZQM (Zentrum für Qualitätsmanage- der besten Unternehmen. ment), die Städte Heiligenhaus und Velbert sowie bis 2003 die IHK Düsseldorf. 1994 startete die IHK zudem Industrie-Initiative Düsseldorf/Köln das Zulieferprojekt „Benchmarkíng“. Unternehmen tau- Im Jahr 2000 startete die IHK Düsseldorf mit ihrer schen hier anonymisiert ihre betrieblichen Kennzahlen Nachbarkammer Köln die Initiative „Mit der Industrie in die Zukunft“. Gemeinsames Ziel war es, die Bedeutung der Indu- strie in der Dienstleistungsgesellschaft deutlich zu ma- chen, den Industriebegriff neu zu definieren und die Öffentlichkeit, vor allem junge Leute und Politik, für das Thema „Arbeits- und Ausbildungsplatz Industrie“ zu gewinnen. Neben einem Gutachten des renommierten Deut- schen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, über den Status quo der regionalen Industrie, ihrer strukturellen Bedeutung und ihrem Entwicklungspo- tenzial setzte die Broschüre „Perspektiven – Mit der In- dustrie in die Zukunft“ die Kernthesen des Gutachtens plakativ um und porträtierte die 100 innovativsten Unternehmen aus beiden Kammerbezirken. Aus diesen Marketing-Aktivitäten für die Industrie entwickelten die Kammern in Nordrhein-Westfalen un- ter Koordination der IHK Düsseldorf schließlich den NRW-Maschinenbautag. Seit 2002 öffnen sich landes- weit jährlich bis zu 100 Maschinenbauunternehmen Die IHK-Broschüre „Perspek- interessierten Schülern und Studenten. Gemeinsam mit tiven“ portraitierte 2002 die 100 innovativsten Unterneh- dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau- men aus den IHK-Bezirken er (VDMA), den Metallarbeitgebern und der IG Metall Köln und Düsseldorf.

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Unter dem Motto „Technik, die fasziniert“ gewährt der Maschinenbautag NRW Jugendlichen Einblicke in den Unternehmensalltag.

wurden unter dem Motto „Erlebnis Ma- treibern technischer Datenbanken auf. schinenbau - Technik, die fasziniert“ neue 1979 richtete die IHK erstmals einen „Informa- Produkte, Dienstleistungen, Ausbil- tionsdienst Technik“ ein mit dem Ziel, nicht nur über dungsberufe und Praktikumsstellen an- öffentliche Forschungs- und Entwicklungsförderung schaulich präsentiert. zu beraten, sondern auch um den Betrieben Speziali- sten für eine vertiefte Technologieberatung zu vermit- Innovation beginnt in den Köpfen teln. Technologietransfer mit dem heutigen breiten Innovation hängt entscheidend vom fachlichen Spektrum ist ein IHK-Produkt, das erst in den Wissens- oder Technologietransfer 1980er Jahren entstand. ab. Öffentliche Förderprogramme Die Transferveranstaltungen für die Unternehmen mögen die Neigung zur Innovation sind seither an Themenvielfalt kaum zu überbieten: verstärken. Sie standen in den Infor- Sensortechnik, CAD/CAM, Biotechnologie, Produk- mations-Dienstleistungen der IHK eher in der zweiten tionslogistik waren es in den 1980er Jahren, Multime- Linie, in der ersten stand stets der Technologietransfer. dia, Internet, Telekommunikation, Keramik als neuer Technologietransfer heißt: Hochschulen, sonstige Werkstoff zur Mitte der 1990er Jahre und IT-Sicherheit, Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu- Life-Science und E-Procurement in der Gegenwart. sammenzubringen, um – bei geglückter Kooperation – Nicht jede Art von Technologie hat breite Anwen- zu neuen wettbewerbsfähigen Produkten und Verfah- dungsfelder. Je schmaler die Zielgruppe, umso mehr ren zu gelangen. macht ein überregionaler Ansatz beim Technologie- Erste Ansätze, die Unternehmen über staatliche transfer Sinn. Eine solche Kooperation beim Technolo- Forschungs- und Entwicklungsförderung zu informie- gietransfer und Umweltschutz macht Spezialthemen ren, gehen auf das Jahr 1977 zurück. Die IHK nahm da- erst richtig tragfähig. Sie hat einen weiteren Vorteil: zu vielfältige Kontakte zu den Ministerien, aber auch Sie führt Unternehmen aus einem großen und lei- zu externen Technologieberatern und bereits zu Be- stungsfähigen Wirtschaftsraum zueinander und diese

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gemeinsam zu Forschung und Wissenschaft. Unter die- Aus diesen Anfängen haben sich im Rheinland in Das Gebiet von BioRiver sem Blickwinkel hat sich inzwischen eine enge Koope- den Jahren nach 1994 verschiedene Branchenplattfor- Life Science im Rheinland markieren Kölns Oberbür- ration der IHKs im Rheinland bewährt. Sie begann mit men gebildet, die zu einem ständigen Forum für Wis- germeister Fritz Schramma der Innovationsbroschüre „High-Tech Rheinland“, die senstransfer, Trendinformationen und Unternehmens- (links) und der Kölner Re- die Industrie- und Handelskammern Aachen, Bonn, kooperation geworden sind. Diese Plattformen sind gierungspräsident Jürgen Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln, Mittlerer Niederrhein inzwischen zu einem Bindeglied der Unternehmen im Roters (rechts) anlässlich des ersten BioRiver-Kon- und Wuppertal 1994 aus Anlass des Umzugs der Rheinland geworden: gresses der NRW-IHKs in Bundesregierung von Bonn nach Berlin herausgaben. • „Automotive Rheinland“ ist die Branchenplatt- Köln 2003. Im Hintergrund Damit sollten Investoren aus dem In- und Ausland an- form der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. Dr. Herbert Ferger, Haupt- gesprochen und zur Ansiedlung im Rheinland moti- Mit den beiden bedeutenden Herstellern Daim- geschäftsführer der IHK Köln, und Dr. Udo Siep- viert werden. lerChrysler in Düsseldorf und Ford in Köln sowie mann, Hauptgeschäfts- Außerdem wurden aus dieser Region zehn High- zahlreichen mittelständischen Zulieferern – vor führer der IHK Düsseldorf. tech-Wachstumsfelder wie Mikroelektronik, Biotech- allem im bergischen Raum, aber auch am Nieder- nologie, Informations- und Kommunikationstechnik, rhein – ist dies einer der wichtigsten Industrie- Umwelttechnik und Energietechnik einer breiten Öf- zweige im Rheinland. fentlichkeit bekannt gemacht. • „BioRiver“ ist seit 2003 die Branchenplattform von Biotechnologie- und Life Sciences-Unter- nehmen, IHKs, Städten und Kreisen im Rheinland. Die Geschäftsstelle sitzt in Düsseldorf. • „Umwelttechnik Rheinland“ heißt die im Jahre 2004 von den IHKs Köln, Bonn und Düsseldorf in- Automotive itiierte jüngste Branchenplattform.

Rheinland Der Kooperationsgedanke schlägt sich auch in dem Firmenbesuchsprogramm „Profile“ nieder. Hier öffnen

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 96 Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

Unternehmen für Unternehmer aus der Rhein-Region ihre Türen und lassen sich über die Schulter schauen.

In aller Munde: IuK Kaum eine technische Entwicklung hat die Wirtschaft im 20. Jahrhundert so umfassend revolutioniert wie die Digitalisierung, das Zusammenwachsen von Informa- tions- und Kommunikationstechnologie (IuK). Nicht nur die zunehmende Integration von Anwendungen, sondern auch die Verbilligung der Ausrüstungen und IT- und Telekommunikationsbranche im IHK-Bezirk Anwendungen ließen eine rasche Verbreitung in prak- etabliert hat. tisch allen Sektoren der Volkswirtschaft zu. Über 120 Unternehmen aus dem gesamten IT- und Die Informations- und Kommunikationstechnolo- Telekommunikationsbereich tauschen sich über The- gie ist daher seit Mitte der 1980er Jahre ein fester Be- men wie Qualitätsmanagement, Netzwerke, Projekt- standteil der IHK-Arbeit. Bestimmten anfangs Themen management, Sicherheitskonzepte, gemeinsame Mar- wie computerunterstützte Konstruktion und Fertigung ketingaktivitäten, Nachwuchsförderung und Verbund- (CAD/CAM) und Einsatz von EDV in Büro und Unter- ausbildung intensiv und regelmäßig aus. nehmensverwaltung das Themenangebot und Einzel- Die rasante Entwicklung des Internets vom reinen beratungen, so dominierten in den 1990er Jahren Mul- Informations- und Datennetz zum „weltweiten Kauf- timedia, Internet und Telekommunikation. haus“ ließ auch die IHK Düsseldorf nicht unberührt. Seit Durch die Nähe zu den Marktführern gelang es der 1996 ist die Kammer unter www.duesseldorf.ihk.de im IHK Düsseldorf rechtzeitig, neue Themen und Entwik- World Wide Web vertreten. Kooperations- und Tech- klungen wie Telekooperation, Telearbeit, Kostenma- nologiebörse, Lehrstellenangebote, Broschüren und nagement in der Telekommunikation, Electronic Busi- Merkblätter zum „Download“ werden seitdem immer ness, Electronic Commerce und mobile Datenkommu- stärker genutzt. nikation in ihre Informations- und Beratungsaktivitä- In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre begann die ten aufzunehmen. IHK Düsseldorf eine Informationskampagne, um die Ende 1998 gründete sich auf Initiative mehrerer Unternehmen mit den nötigen Fakten der neuen Tech- Software- und IT-Unternehmen der IHK-Arbeitskreis nologie zu versorgen. Ob Electronic Commerce, Erstel- Software, der sich längst als eine Plattform für Erfah- lung einer eigenen Firmenhomepage, virtuelle Markt- rungsaustausch und Kooperation der Unternehmen der plätze oder IT-Sicherheit, die IHK informierte zu diesen Themen. Neben den zahlreichen Den richtigen Klick mit der Informationsveranstaltungen IHK. Das Angebot der Kammer seit den 1990er sorgte auch die Checkliste „E- Jahren reicht von E-Com- Commerce für den Mittelstand“ merce über den Aufbau der für die praxisnahe Information eigenen Homepage bis zur IT-Sicherheit. der Unternehmen. Selbstverständlich waren auch öffentliche Förderprogram- me stets dann ein Thema für die IHK, wenn damit breite Zielgrup- pen angesprochen werden soll- ten. Dies war der Fall, als die Eu- ropäische Kommission die Tech- nologie-Förderprogramme „Esprit“ und „Brite/Euram“ auf- legte. Erste Aktivitäten der Kam- mer zu diesen Forschungspro- grammen datieren auf das Jahr 1990. Ein Jahr später wurde un- ter Federführung der IHK Düssel-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 97

Eine neue Trommelaufhän- gung, die für besseren Klang sorgt, war eine der Ideen, die auf der KICK – Kontaktbörse für Ideen und Chancenkapital – der IHKs Düsseldorf und Mitt- lerer Niederrhein vorge- stellt wurde.

dorf der ESPRIT-Club Nordrhein-Westfalen gegründet. 50 Millionen Mark Fördergeld dotier- Ziel war es, den Erfahrungsaustausch von Unterneh- ten Bio-Regio-Wettbewerb des men, die am EU-Programm „ESPRIT“ teilnahmen, zu Bundesforschungsministeriums. fördern. Vorstellung einzelner Fachthemen wie Fuzzy- Seit 2003 bieten die IHKs Düs- Logic, neuronale Netze, Mechatronik und Parallelrech- seldorf und Mittlerer Niederrhein die Kontakt- nereinsatz gehörten zum Programm wie auch die Her- börse für Ideen und Chancenkapital, kurz KICK, an und ausgabe eines Leitfadens für die erfolgreiche Antrag- geben damit dem Technologietransfer ein weiteres wir- stellung von Projekten. kungsvolles Instrument der Zusammenarbeit von Wis- Die europäischen Forschungsrahmenprogramme senschaft und Wirtschaft. Über 75 Aussteller präsen- sind inzwischen – ergänzend zu den nationalen För- tierten bisher hier ihre Ideen und Erfindungen. Gerade derprogrammen – ein wichtiger Motor für wirtschaft- für Existenzgründer und junge Unternehmen ist KICK liche und technische Innovationen in Europa gewor- eine gute Plattform, um mit Kooperationspartnern und den. Kapitalgebern in Kontakt zu kommen. Jeweils über 400 Besucher in den letzten beiden Jahren zeigten, dass die Innovative Unternehmen in Düsseldorf beiden IHKs mit KICK die richtige Plattform für Erfin- Wie innovativ sind Unternehmen im Bezirk der IHK der und Ideengeber gefunden haben. Düsseldorf? Diese Frage stellte die Kammer im Frühjahr 1997 und bekam überraschende Antworten bei der Ökologie und Ökonomie – ein Gegensatz? Analyse von Patenten und Gebrauchsmustern im Zeit- Im Mittelpunkt des Erfahrungsaustausches zum Um- raum 1973 bis 1995. Die Erfinder der Region zählten weltschutz in der IHK standen in den 1950er Jahren zu- mit 30.000 Anmeldungen zu den fleißigsten in nächst Abwasserfragen. Hintergrund waren vorberei- Deutschland. Innovativste Branchen waren hier unter tende Arbeiten zur Bildung von Wasserverbänden. anderem die Chemie, die Schloss- und Beschlagindu- Auslöser der Diskussion waren – wie so oft – drohende strie und die Metallverarbeitung. Aber auch die so ge- Kostenbelastungen der Unternehmen durch öffentli- nannten Zukunftstechnologien, hier speziell die Bio- che Gebühren für die Abwasserentsorgung. Die IHK und Gentechnologie, waren bundesweit führend. Nicht setzte sich für möglichst große Einzugsgebiete der umsonst gewann die Region Rheinland mit den Städ- neuen Wasserverbände ein, um deren Wirtschaftlich- ten Düsseldorf, Köln, Wuppertal und Aachen den mit keit zu verbessern. Umgekehrt sorgten sich vor allem

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 98 Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft

über der breiten Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung eine Rolle. Mit einer Erhebung über die Luftreinhalte- Investitionen der Industrie ging die IHK 1969 an den Markt. Erstmals tauchte übrigens der Begriff „Umwelt- schutz“ im IHK-Jahresbericht 1970 auf; er ersetzte den bis dahin üblichen Terminus „Immissionsschutz“. Als einen eigenen Beitrag zur Entlastung der Um- welt setzte die IHK 1974 die heute noch funktionie- rende Recyclingbörse – damals noch Abfallbörse – in Gang, über die den Unternehmen Reststoffe zur weite- ren Verwertung vermittelt wurden. Diese Börse erlang- te rasch einen hohen Bekanntheitsgrad – die Anfrage- quote stieg rapide an, bis zum Jahr 1986 um 35 Pro- zent. Dies ist ein klarer Hinweis auf ein verstärktes Um- welt- und Kostenbewusstsein der Unternehmen. Die Recyclingbörse wurde 1992 bundesweit verfügbar Wasserwirtschaft war die Industriebetriebe um eine ausreichende Wasserver- gemacht, seit 1997 ist sie auch über das Internet er- 1958 Thema einer IHK- sorgung. So unterstützte die IHK wasserwirtschaftliche reichbar. Fachtagung. Untersuchungen in Düsseldorf, um die Grundwasser- verhältnisse zu beleuchten. 1958 fand bereits eine was- serwirtschaftliche Tagung in der IHK statt, die das an- haltende Interesse an diesem Thema deutlich doku- mentierte. Die ersten Aktivitäten zur Luftreinhaltung reichen zurück in das Jahr 1960, als die Vollversammlung der IHK bereits „grünes Licht“ für einen Erfahrungsaus- Umweltschutz mit breiterem Aufgabenspektrum tausch der Unternehmen gab. Das Waldsterben, für das vor allem industrielle Luft- In enger Zusammenarbeit mit dem TÜV ging es verunreinigungen verantwortlich gemacht wurden, hat um den Vergleich von Messdaten, aber auch um die der Forderung nach mehr Umweltschutz politisch ei- Ansprache der Mitgliedsunternehmen, ihre Anlagen – nen solchen Nachdruck verliehen, dass sich das Tempo im wohlverstandenen Eigeninteresse – untersuchen zu zusätzlicher Maßnahmen in Gesetzgebung und Ver- lassen. waltung in der ersten Hälfte der 1980er Jahre spürbar Die Kammer nahm zum Umweltschutz schon zu beschleunigte. dieser Zeit eine konstruktive, nicht etwa pauschal ab- Neue Aspekte gewann die Umweltpolitik mit der wehrende Haltung ein. Gleichwohl sah sie – unter Be- Suche nach marktwirtschaftlichen Lösungsansätzen. jahung des Verursacherprinzips – die kritische Größe in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung diskutierten, den der Industrie eingeräumten, eher zu knappen An- ob es sich empfehle, das System des deutschen Um- passungszeiträumen, um sich mit emissionsmindernder weltschutzes mit seinen Verboten, Genehmigungen Technologie auszurüsten. und Auflagen durch handelbare Emissionsrechte zu er- Die konstruktive Position im Umweltschutz wird gänzen. Dies alles sollte übrigens erst im Jahr 2005 auch an der engen Kooperation mit der Stadt Düssel- Wirklichkeit werden; der CO2-Emissionsrechtehandel, dorf deutlich, als es ab 1959 darum ging, ihr durch ei- initiiert durch das Kyoto-Abkommen von 1997, starte- ne Erfassung der betrieblichen Abfallmengen Pla- te mit circa 180 Staaten weltweit. nungsunterlagen zur Müllentsorgung zu beschaffen. Kaum ein Jahr brachte der Umweltgesetzgebung Auch zum Thema Lärmbekämpfung gab es ab 1961 solch eine Fülle von neuen Themen wie 1984. Gewäs- einen breiten Erfahrungsaustausch unter den Betrie- serreinhaltung, Altlasten und Abfalltourismus waren ben, 1963 beriet die IHK in wachsendem Umfang Schlagworte von besonderer politischer Brisanz. Bereits Unternehmen, nicht zuletzt um ihnen bei ihren Kon- ein Jahr später standen die Themen Sanierung von Alt- takten mit den Behörden unter die Arme zu greifen. anlagen, neue Vorschriften zur Luftreinhaltung, Auf- Natürlich spielte auch die Kommunikation der Um- gaben des Immissionsschutzbeauftragten und das neue weltschutzanstrengungen der Unternehmen gegen- Abfallrecht, speziell im Altölbereich, an.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 99

Der gesetzliche Rahmen für den Umweltschutz be- deutete für die Unternehmen und damit auch für die IHK eine breite Ausdifferenzierung dieses Themas. Ab- fall- und Abwasserbeseitigung sowie Immissionsschutz und später umfangreiche Systeme des Umweltma- nagements bestimmten über lange Zeiträume die Zu- sammenarbeit der IHK mit den Unternehmen, mit Po- litik und Verwaltung. So verschärften sich seit Beginn der 1980er Jahre die Probleme in der Abfallbeseitigung zunehmend. Po- litische Widerstände gegen die Planung neuer Depo- niestandorte wurden laut. Nach und nach wurde ein Szenario mangelnder Entsorgungsmöglichkeiten – nicht nur in der Region, sondern auch bundesweit – deutlich. Über den Weg der Rücknahme- und Pfandpflichten sowie der Abfallkennzeichnung sollten angesichts die- ser Ausgangslage die Abfallmengen der Unternehmen reduziert werden. Die Kammer unterstützte das Vorha- ben des Regierungspräsidenten Düsseldorfs, einen Ab- fallbeseitigungsplan aufzustellen und beriet ihn bei Die Müllverbrennungsan- lage in Düsseldorf arbeitet Prognosen zu künftigen Abfallmengen und -qualitä- mit einer dreistufigen ten. Rauchgasreinigungsanlage. Neue Vorschriften zur Überwachung, Genehmi- gung und Kennzeichnung wurden auf viele verschie- dene Abfallarten ausgedehnt, der Druck auf Wirtschaft, Auch die IHK-Publikation Kommunen und Verbraucher, Abfall zu vermeiden oder „Unsere Wirtschaft“ be- zu verwerten, verstärkte sich. Mit der „Technischen An- schäftigte sich 1990 mit dem immer wichtiger wer- leitung Abfall“ wurden auch für Sonderabfälle Entsor- denden Thema Abfallwirt- gungswege vorgegeben. schaft. Die Abfallentsorgung entwickelte sich somit in die- sen Jahren zu einem neuen Arbeitsschwerpunkt der he. Die Kammer beriet vor diesem Hintergrund inten- IHK. Konkret bedeutete dies die Mitarbeit an den Ab- siv über Abfallvermeidung, den ressourcensparenden fallwirtschaftskonzepten der Stadt Düsseldorf und des Mehrfacheinsatz von Produkten und die stoffliche Ver- Kreises Mettmann und die Schärfung des Problembe- wertung. wusstseins der Wirtschaft durch Einzelberatungen. Nicht nur steigende Abfallgebühren, sondern auch Das Thema Abfall wurde auch 1985 lebhaft in den neue Vorgaben im Landesabfallgesetz, welche die Be- Stadträten diskutiert. Der Kreis Mettmann sorgte sich triebe zur Erstellung von Abfallkonzepten und -bilan- um den knapper werdenden Deponieraum und die Ent- zen verpflichteten, motivierten die IHK, in Zusammen- sorgung von Galvanik-Schlämmen sowie Gießereisan- arbeit mit der Stadtverwaltung Düsseldorf und dem den. Man beschloss, für die Gießereien eine Gießerei- Kreis Mettmann im Jahre 1992 einen Leitfaden he- sandaufbereitung auf der Deponie Plöger Steinbruch rauszubringen: „Betriebliche Abfallwirtschaftskonzep- zu errichten. Für die Stadt Düsseldorf hingegen war die te- und Abfallbilanzen“, der bis 1994 mehr als 6.000mal Wiederverwertung von Baumischabfällen ein vorrangi- an die Unternehmen weitergereicht wurde. ges Problem. Die neue Verpackungsverordnung trat 1991 in Kraft 1991 äußerte die Kammer in verschiedenen Appel- und erhöhte für den Handel den Druck, auf überflüssi- len an Politiker ihre Sorge vor gefährlichen Defiziten in ge Verpackungen zu verzichten. Der Bundesumweltmi- der Entsorgungs-Infrastruktur des Wirtschaftsraumes nister plante, bis 1995 72 Prozent der Verpackungsab- Düsseldorf. Die Deponien waren voll, die Müllverbren- fälle bei Glas, Weißblech und Aluminium zu reduzieren nungsanlagen ausgelastet. Die extrem hohen Umwelt- und 64 Prozent bei Pappe, Kunststoff und Verbundver- schutzauflagen trieben die Gebühren stark in die Hö- packungen einzusparen. Das Landesumweltministe-

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rium bezeichnete die Beratung von Produzenten und Händlern als wichtige Kammeraufgabe und bat die IHK Düsseldorf, in ihren Bemühungen um Aufklärung der Unternehmen über Vermeidungs- und Verwertungs- möglichkeiten fortzufahren. Die Kammer kam dem geforderten Beratungsbedarf kaum noch nach, denn die Betriebe erwarteten vielfach eine Durchleuchtung ihrer gesamten Betriebsabläufe unter dem Verpackungsabfall-Aspekt. Seit 1996, dem Jahr der Verabschiedung des Kreis- die Rechtsgrundlagen zu nehmen, die später zu hand- laufwirtschafts-/Abfallgesetzes, standen umfangreiche festen Zusatzkosten bei den Unternehmen führten. Informationen zur Kreislaufwirtschaft und eine Ver- So waren die neuen verschärften Satzungen der In- stärkung der IHK-Umweltberatung im Vordergrund. Die direkt-Einleiter-Verordnung des Landes NRW für die Abfallentsorgung ist bis zur Gegenwart ein aktuelles kleinen und mittleren Betriebe vielfach zu unverständ- Thema geblieben. lich und lösten Anfang der 1990er Jahre einen beson- So trat 2003 die Gewerbeabfallverordnung in Kraft, deren Beratungsbedarf durch die Kammer aus. mit Getrennthaltungspflicht, Andienungspflicht an Auch 1993 führte die schrittweise Nachrüstung der den kommunalen Entsorger und Restmülltonne. Wie Düsseldorfer Klärwerke zu einer weiteren Erhöhung der schon zuvor geht es auch hier in der IHK-Beratung pri- Kanalnutzungsgebühren. Die Kammer bemühte sich mär um die Kostenminimierung in den Betrieben und um eine maßvollere Preisanpassung und forderte, die um die Abfallvermeidung. Gebühreneinnahmen ausnahmslos der Abwasserreini- Ähnlich wie das Thema gung zugute kommen und nicht im allgemeinen städ- Abfall gewannen auch Ab- tischen Haushalt versickern zu lassen. Da Letzteres aber wasserfragen seit Beginn der gängige Praxis war, forderte die Kammer die Wasser- 1980er Jahre an Intensität. verbände auf, auf jegliche Gebührenerhöhung zu ver- So löste das Inkrafttreten der zichten. Abwasserabgabe im Juli 1981 Besondere Beachtung fand auch die Problematik schon während des Jahres der Altlasten in der Kammerarbeit ab 1986. Die Kam- 1980 gründliche Überlegun- mer trat in Gespräche mit dem Ministerium für Um- gen und Berechnungen bei welt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes den Betrieben sowie bei den NRW ein, um griffige und betriebsnahe Konzepte zu er- Abwasserbeseitigern aus. Der arbeiten. Luftverunreinigung durch Bergisch-Rheinische-Wasserverband, zuständig für die Auch bei der Luftreinhaltung wird die besondere Verkehr, Industrie und Abwasserbeseitigung im größten Teil des Kreises Mett- „Dynamik“ der Umweltpolitik deutlich. Anfang der Haushalt sind bis heute ein Thema. mann, legte die zusätzlichen Kosten auf seine Mitglie- 1980er Jahre war die Novelle zum Bundesimmissions- der um. schutzgesetz mit den gleichzeitig vorgesehenen Ände- Weitere Verschärfungen erfuhr die Abwasserbesei- rungen der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der tigung im Jahre 1985, in dem Gewerbebetriebe erst- Luft (TA Luft)“ ein wichtiges Thema. malig verpflichtet wurden, die betriebseigenen Abwäs- Regional von großer Bedeutung war der Beschluss ser vorzubehandeln, bevor sie in das öffentliche Kanal- der Landesregierung, Düsseldorf und Teile der Nach- netz eingeleitet werden durften. barregion zum Luftbelastungsgebiet zu erklären. Die Durch verschiedene weitere Verordnungen, wie die Verpflichtung der Betriebe zur Erstellung von Emis- Indirekt-Einleiter-Verordnung und die geänderte Ab- sionserklärungen und die daraus resultierende Zu- wassersatzung der Stadt Düsseldorf, die die Betriebe sammenfassung zu einem öffentlichen Emissions-Ka- zur Einhaltung strengerer Abwassergrenzwerte zwan- taster erfüllte die Kammer zunehmend mit Sorge. gen, wurden die Belastungen, die auf die Betriebe zu- So standen in den Jahren 1981 und 1982 intensive kamen, nochmals größer. Beratungen der IHK zu den seit 1981 geltenden Ver- In all diesen Phasen sah die IHK ihre primäre Auf- schärfungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes und gabe darin, in Einzelgesprächen die Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen durch die Neufassung der TA beraten, sich aber rechtzeitig in den politischen Mei- Luft wie der Entwurf für eine Großfeuerungsanlagen- nungsbildungsprozess einzuschalten, um Einfluss auf Verordnung mit den Umweltschutz-Experten aus den

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Innovation und Umwelt: Mit der Industrie in die Zukunft 101

1993 wurde erstmals die Frage nach einem umfas- Dem Smog wurde mit der senden Umweltmanagement bei den Firmen laut. Öko- „TA Luft“ Anfang der 1980er Jahre zu Leibe Audits hätten nach Ansicht der Kammer ein wirksames gerückt. Selbstregulierungsinstrument einer umweltbewussten Wirtschaft werden können, wenn die Europäische Ge- meinschaft daraus nicht ein „freiwillig verpflichtendes“ Korsett geschneidert hätte. 1996 wurde erstmals über die anspruchsvolle Einführung eines Umweltmanage- mentsystems berichtet. Gemeinsam mit vier Unterneh- Betrieben im Vordergrund. Die Ergebnisse flossen in die men erarbeitete die IHK ein Umweltschutz-Handbuch, politischen Stellungnahmen der IHK-Organisation ein. das Mitte 1997 erschien. Der Luftreinhalteplan für die Rheinschiene wurde Inzwischen hatten sich zehn Unternehmen im IHK Mitte 1982 veröffentlicht. Er umfasste das Gebiet der Bezirk Düsseldorf erfolgreich den Prüfungen des EU- Städte Düsseldorf und Neuss. Er enthielt ein Kataster Umwelt-Audits unterzogen. Da die Einführung mit er- der Emissionen und Immissionen, der Wirkung und Ur- heblichem Aufwand verbunden war, bot die IHK be- sachen von Luftverunreinigungen, die von Industrie, sondere Hilfen an: Der „EU-Umwelt-Audit-Wegweiser“ Verkehr und Hausbrand in diesem Gebiet gemessen wurde veröffentlicht. Der Leitfaden "Umweltmanage- wurden. In dem Maße, in dem sich die Umweltpolitik – menthandbuch für den Mittelstand" erschien im Jahr wieder – in den Vordergrund der industriewirtschaft- 1998. Auch Dienstleistern stand nun die Möglichkeit lichen Rahmenbedingungen schob, nahm auch die Mit- des Umwelt-Audits offen. wirkung der IHK Düsseldorf vor allem als Vermittler 2001 hatten sich viele Unternehmen zertifizieren zwischen Betrieben und Behörden zu. lassen, in der Hoffnung, in Aussicht gestellte Vergün- Weitere Verschärfungen der Verordnungen setzen stigungen der Bundesregierung zu erhalten. Als diese neue markante Daten. Luftbelastungs- und Emissions- nicht gewährt wurden, befürchtete die Kammer – zu grenzwerte für krebserzeugende Stoffe wurden festge- Recht – einen drastischen Rückgang der Zertifizierun- setzt, weitere Auflagen für Altanlagen folgten. 1986 gen und sprach darüber mit politischen Entschei- war die TA Luft immer noch ein Kammerthema. Infor- dungsträgern. Bis heute steht eine Privilegierung durch mationsseminare über die Nachrüstung luftverunreini- gemilderte Kontroll- und Berichtspflichten der zertifi- gender Anlagen wurden angeboten, ebenso fand das zierten Betriebe im IHK-Bezirk aus. Thema Einzug in die Beratungen der IHK-Regionalaus- schüsse. Zur Luftreinhaltung gehörte schließlich auch das Thema „Smog“. Noch während der Smog-Periode im Jahr 1985 forderte die Stadt Düsseldorf die Landesre- gierung auf, ihr Gebiet in die Smog-Verordnung einzu- beziehen. Damit trat die Smogproblematik erstmalig in Düsseldorf, Langenfeld und Monheim auf. Die Kammer bemühte sich vergeblich um eine gelassenere Beurtei- lung der Situation und wies in Stellungnahmen an die Landesregierung auf die nachteiligen Konsequenzen dieses Schrittes für die Unternehmen hin. Es blieb bei den überzogenen Smog-Kriterien der alten Verord- nung. Die ansässigen Firmen mussten sich auf Ver- kehrssperrungen und Betriebseinschränkungen ein- stellen, die im Ernstfall verordnet werden konnten. Al- leine im Kraftverkehr galt, dass Besitzer von Fahrzeu- gen mit geregeltem Dreiwegekatalysator bei Smog auch in Verkehrssperrbezirken fahren durften. Die Er- teilung von Ausnahmegenehmigungen vom Fahrver- bot forderte die IHK-Mitarbeiter binnen kurzer Frist in ganz besonderem Maße.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 102 Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen

Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen

Das „IHK-Zeugnis“ hat auch heute noch einen guten Klang in der Wirtschaft.

In kaum einem anderen Geschäftsfeld der IHK spiegelt Damit griff der Gesetzgeber 1956 als Aufgabe nur sich der Wandel so deutlich wider wie in der Aus- und auf, was die IHKs seit den 30er Jahren des 20. Jahr- Weiterbildung: Strukturelle und konjunkturelle Verän- hunderts bereits erfolgreich entwickelt hatten, nämlich derungen, technischer Fortschritt, demografische Ent- ein umfassendes System von anerkannten Lehrberufen, wicklung und die Bildungspolitik sind ihre entschei- Ordnungsmitteln, Ausbildungsrichtlinien und Prü- denden Determinanten. Aufgabe der Kammern ist es fungsordnungen mit Abschlussprüfungen. Zuständig nach Paragraph 1, Absatz 2 IHKG: für die Erarbeitung der Ordnungsmittel war nach Ende „…Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung des Zweiten Weltkrieges bis zum Inkrafttreten des Be- der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewer- rufsbildungsgesetzes 1969 die von BDA, BDI und DIHT bezweige dienen, (zu) begründen, unterhalten und getragene "Zentralstelle für betriebliche Berufsausbil- (zu) unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung dung (ABB)" in Bonn. Die von der ABB unter Mitwir- und Durchführung der kaufmännischen und ge- kung der Gewerkschaften konzipierten Berufsbilder werblichen Berufsbildung unter Beachtung der gel- dienten dem Bundesministerium für Wirtschaft als Ent- tenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Be- scheidungshilfe für die Anerkennung beziehungsweise rufsbildungsgesetzes, (zu) treffen.“ Löschung eines Ausbildungsberufes wie auch für not-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen 103

wendige Änderungen veralteter Berufsbilder. Mit dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) einschließlich Ausbilder- Eignungsverordnung und Anrechnungsverordnung für das schulische Berufsgrundbildungsjahr und dem Be- rufsfachschulbesuch wurden 1969 neue Rechtsgrund- lagen geschaffen. Seit dieser Zeit legt der Gesetzgeber die Rahmen- bedingungen für die berufliche Aus- und Fortbildung wie auch für die Umschulung fest, er erlässt die Aus- bildungsordnungen auf Grundlagen der Vorarbeiten des Bundesinstitutes für Berufsbildung. Das Gesetz legt ferner fest, dass die Kammern weiter „zuständige Stel- le“ für die Berufsausbildung sind. Sie tragen Ausbil- dungsverträge ein, stellen die persönliche und fachli- che Eignung von Auszubildenden, Ausbildern und der Das IHK-FORUM, das Ausbildungsstätte fest, überprüfen den Ausbildungs- Weiterbildungszentrum vertrag und erlassen – aufgrund der Beschlüsse des je- der IHK Düsseldorf, hat seit 1994 seinen Sitz in weiligen Berufsbildungsausschusses – Prüfungsord- der Karlstraße 88. nungen für Zwischen- und Abschlussprüfungen, er- richten Prüfungsausschüsse und nehmen die Prüfun- den jetzt – Niederrhein“ (gefördert vom Bundesmini- gen ab. Darüber hinaus obliegt es den Kammern, über sterium für Bildung und Forschung und dem Europäi- ihr Satzungsrecht für die Aufstiegsfortbildung und schen Sozialfond), aber auch in der individuellen Ver- Umschulung ebenfalls Prüfungsordnungen zu erlassen, mittlung, etwa im Projekt „Verbesserung der Ausbil- Ausschüsse zu berufen und zu prüfen. Ferner können dungssituation von Betrieben in NRW“ (gefördert aus sie Bildungszentren und Gemeinschaftslehrwerkstät- Mitteln des Ausbildungskonsenses NRW). Über ihre ten gründen wie auch Seminare und Lehrgänge zur Lehrstellenbörse betreibt die IHK inzwischen auch die Vorbereitung auf eine Aufstiegsprüfung oder zur lau- Lehrstellenvermittlung. Sie ist darüber hinaus ein wich- fenden Unterrichtung der Mitarbeiter der kammerzu- tiger Partner der Schulen für die Berufsorientierung gehörigen Unternehmen (Anpassungsfortbildung) an- junger Menschen. bieten. Die Zuständigkeit der Kammern für die Berufsaus- Daran hat auch die jüngste Reform des Berufsbil- bildung ist in den letzten 50 Jahren mehrfach auf den dungsgesetzes aus dem Jahr 2005 wenig geändert. Die- Prüfstand gestellt worden. Beispielsweise dann, wenn se setzt – ganz im Sinne der Wirtschaft – auf eine grö- Bund (Hochschulpolitik, Berufsausbildung) und Länder ßere Flexibilisierung der Ausbildungsordnungen und (Schulpolitik) um eine neue Aufgabenverteilung ran- verlangt eine stärkere Einbeziehung der Lernorte Schu- gen. Diskutiert wurde ferner immer wieder über die Zu- IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Udo Siepmann konnte le und Betrieb in das Prüfungsverfahren, erhält aber kunft des „Dualen Systems der Berufsausbildung“, also erstmals 2004 die TANJA- gleichzeitig die Autonomie der IHK-Berufsausbil- der praxisnahen Ausbildung im Betrieb mit theoreti- Zertifikate überreichen. dungsausschüsse. schem Unterricht in der Erweitert hat sich durch die zunehmende Lehrstel- Berufsschule: Bis heute lenknappheit der Aufgabenbereich der Kammern: Ne- haben die Kammern al- ben der Beratung, Betreuung und Schlichtung in Fra- le Versuche einer stär- gen der Berufsausbildung (§ 45.1 BBiG) wurden diese keren „Verschulung“ inzwischen auch in das Akquisitions- und Vermitt- oder „Verstaatlichung“ lungsgeschäft stärker eingebunden, etwa über den der beruflichen Bildung Ausbildungskonsens NRW (seit 1996), die Programme erfolgreich abwehren „Jugend in Arbeit“, „TANJA“ (Teilqualifikation als Ange- können. Und immer bot für jugendliche Arbeitslose zum Einstieg in Ausbil- dann, wenn die Zahl po- dung und Beschäftigung) und die Bereitstellung der im tenzieller Ausbildungs- Ausbildungspakt 2004 geforderten Plätze für Ein- platzbewerber größer stiegsqualifikationen. Darüber hinaus engagieren sich als die zur Verfügung die IHKs in Verbundausbildungsprojekten wie „Ausbil- stehenden freien Lehr-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 104 Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen

Vertreter der Wirtschaft, unter ihnen DIHK-Präsi- dent Ludwig Georg Braun, bei der Unterzeichnung des Ausbildungspaktes am 16. Juni 2004.

stellen schien, wurde der Ruf nach einer Ausbildungs- männischen Bereich. Darüber hinaus wollten die spe- platzabgabe laut – ob kurz nach Inkrafttreten des Be- ziellen Bedürfnisse des Außenhandelsplatzes bedient rufsbildungsgesetzes Anfang der 1970er Jahre oder sein: Schon in der Besatzungszeit war hier der Bedarf jüngst im Jahre 2004, als die IHK-Organisation diese an Dolmetschern und Übersetzern besonders hoch, die über den Abschluss des Ausbildungspaktes abwenden Nachfrage nach Mitarbeitern mit Fremdsprachen- konnte. Und solange sich die IHKs der Aufgabe der Be- kenntnissen hielt angesichts der fortschreitenden rufsausbildung stellen, solange währt auch die Klage Internationalisierung bis heute unvermittelt an. Nach- der Unternehmen über mangelnde schulische Vorbil- gefragt wurde aber auch ein besonderes Know-how für dung der Bewerber. In erster Linie davon betroffen wa- den Außenhandel – dem die IHK mit ihrer Außenhan- ren und sind die Fächer Deutsch und Mathematik. delsschule Rechnung trug.

Anfänge der Berufsausbildung in Düsseldorf 1950 bis 1959: Weil die Berufsausbildung die wirtschaftliche Entwick- Rasanter Zuwachs bei den Ausbildungsplätzen lung widerspiegelt, so kann es kaum verwundern, dass „Erfreulich“, so die IHK 1953 in ihrem Jahresbericht, die IHK Düsseldorf 1925 als eine der ersten Kammern „war die Bereitschaft der Wirtschaft zur Aufnahme jun- in Deutschland eine gewerblich-technische Facharbei- ger Menschen in Lehr- und Anlernstellen. Sie ist dabei terprüfung abnahm, denn die Metall verarbeitende In- so weit gegangen, dass bisher im Kammerbezirk von ei- dustrie war in dieser Zeit immer noch der tonangeben- ner Arbeitslosigkeit der schulentlassenen Jugend nicht de Wirtschaftszweig. Die ersten Kaufmannsgehilfen gesprochen werden kann.“ Der Zuwachs in der Lehr- prüfte die IHK hingegen erst im Jahre 1935. lingsrolle betrug bei 13.702 eingetragenen Ausbil- Hatte die Ausbildung durch den Zweiten Weltkrieg dungsverhältnissen zehn sehr gelitten, so nahm die IHK bereits im Frühjahr 1946 Prozent gegenüber dem ihre Prüfungstätigkeit wieder auf. Neu eingerichtet Vorjahr, die abgenommenen wurden Lehrmeisterkurse für das grafische Gewerbe so- Prüfungen stiegen von wie ein Fremdsprachenprüfungsamt (1947 staatlich 2.296 (1952) auf 4.001 anerkannt), im darauf folgenden Jahr nahm die Einzel- (1953) – das entsprach ei- handelsschule ihren Betrieb wieder auf, auch wurden nem Plus von 75 Prozent! erneut Geschäftsstenografen geprüft. 1950 konnte die Eine deutliche Zunahme IHK zufrieden feststellen, dass die Prüfungsanforde- konnte die Kammer seiner- Wie in dieser Lehrwerk- statt fanden in den 1950er rungen nun durchweg wieder denen der Vorkriegszeit zeit vor allem bei den kauf- Jahren fast alle Schulab- entsprachen, wobei die Kandidaten erhebliche Bil- männischen Berufen – und gänger einen Ausbildungs- dungslücken aufwiesen. hier in erster Linie im Ein- platz. Für den Standort Düsseldorf war – auch schon zu zelhandel – verzeichnen. Bis Vorkriegszeiten – entscheidend, über ein großes Poten- Ende der 1950er Jahre stieg die Zahl der eingetragenen zial gut ausgebildeter Fachkräfte verfügen zu können. Ausbildungsverhältnisse unvermindert an: Der Höchst- Anders als etwa im Ruhrgebiet benötigten die stand wurde mit 18.400 registrierten Lehrverträgen Unternehmen in Düsseldorf in weit geringerem Maße 1956 erreicht. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung Anlernkräfte als Mitarbeiter, die über berufsspezifische musste die IHK bereits 1953 erhebliche "Lücken in den Kenntnisse und Fertigkeiten verfügten. Das galt sowohl elementaren Bildungsfächern Deutsch und Rechnen" für den industriell-technischen wie auch für den kauf- feststellen, was sie dazu veranlasste, sowohl als ständi-

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ge Vertreterin im Schulausschuss der Vereinigung der Kammern des Landes NRW als auch im Arbeitskreis berufsbildender Schulen Düssel- dorfs mitzuwirken. Hier kümmerte sie sich vor allem um die Beseitigung von Raumnot und Lehrermangel, aber auch um die Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln, nicht zuletzt setzte sie sich für „ausreichenden Berufsschulunterricht“ ein. Im glei- chen Jahr wurden erstmalig Lehr- meisterkurse für Schriftsetzer und Buchdrucker angeboten, 1954 folg- ten Kurse für „Technisches Eng- lisch“. 1956, anlässlich des 125-jähri- gen Bestehens der IHK, errichtete die IHK zur Förderung von Füh- rungskräften in der Wirtschaft die C. Rudolph Poensgen-Stifung e. V., ausgestattet mit einem Grundkapi- tal von 400.000 Mark, das Unter- nehmen zur Verfügung gestellt hatten. Ziel der Stiftung „Die Wirtschaft ist überwiegend der Auffassung, Gründungsurkunde der war es – nach Vorbild der Pariser Handelskammer – dass die jugendlichen Entwicklungsjahre der mög- C. Rudolf Poensgen-Stiftung zur Förderung von Füh- Führungskräftenachwuchs zu schulen und heranzubil- lichst intensiven und umfassenden Vermittlung ei- rungskräften in der Wirt- den. Wie die C. R. Poensgen-Stiftung entstanden aus ner soliden Allgemeinbildung vorbehalten sein schaft aus dem Jahr 1956. Mitteln der Unternehmen in den folgenden Jahren sollten, weil damit dem Interesse der Jugendlichen auch die mit 50.000 Mark dotierte Stiftung des Bank- selbst als auch künftigen beruflichen Anforderun- hauses C. G. Trinkaus zur Auszeichnung von sehr guten gen am besten gedient sein würde.“ Lehrlingen in den Berufen „Industriekaufmann“ und „Kaufmann im Groß- und Außenhandel“ (1960), die Erneut sprach sich die IHK gegen das in Planung be- Stiftung der Lindemann Maschinenfabrik GmbH, eben- findliche Berufsbildungsgesetz aus, lehnte die Pläne falls mit 50.000 Mark ausgestattet, für die besten ge- des Kultusministers ab, für „Gewerbelehrer“ künftig die werblichen Lehrlinge der Eisen- und Metall-Berufe „vollakademische Ausbildung“ vorzuschreiben und (1961), die mit 20.000 Mark dotierte „Eduard und Chri- setzte sich für den Bau einer Ingenieurschule mit den sta Grathes-Stiftung für kaufmännische Lehrlinge“ Schwerpunkten Maschinenbau, Elektrotechnik, Fern- (1963), die mit 300.000 Mark dotierte Stiftung zur „För- meldewesen und Regeltechnik in Düsseldorf ein. derung überbetrieblicher Aus- und Weiterbildung“ Nach Erlass des IHK-Gesetzes (1956) musste die (1963), mit der beispielsweise der zweite Bildungsweg Kammer ihren seit 1947 bestehenden Berufsausbil- am Wilhelm-Heinrich-Riehl-Institut wie auch die dungsausschuss neu berufen: Dieser trat – nach der Be- Stützkurse für Auszubildende in Deutsch und Rechnen rufung der vorgeschriebenen Arbeitnehmervertretung gefördert wurden, die es aber auch ab 1965 allen Ein- durch das Land NRW – 1958 zu seiner ersten Sitzung ser-Kandidaten der Abschlussprüfungen ermöglichte, zusammen. für fünf Tage nach Berlin zu fahren. Die IHK-Vollversammlung beschloss im gleichen 1957 beschäftigte die IHK vor allem der Plan der Jahr die „Lehrlingsrollenordnung“ mit dem klaren Auf- Landesregierung, neue Schultypen zu entwickeln. In trag an die IHK-Geschäftsführung, „alle Ausbildungs- der Diskussion um die Einführung einer „Wirtschafts- betriebe bei Erfüllung ihrer Ausbildungspflichten zu oberschule“ warnte sie vor der „Gefahr einer bereits im beraten, die Voraussetzungen für die Eintragung von jugendlichen Entwicklungsstadium beginnenden Spe- Ausbildungsverträgen zu überprüfen und Beschwerden zialisierung“ und gab zu bedenken: nachzugehen“.

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1960 bis 1969: Berufsausbildung zwischen Vollbeschäftigung und Stagnation Der Beginn der 1960er Jahre war gekennzeichnet durch Vollbeschäftigung einerseits und einem Fachkräfte- und Lehrlingsmangel (wegen rückläufiger Schulab- gangszahlen) andererseits. Angesichts eines Rückgangs bei den eingetragenen Ausbildungsverhältnissen von 18.400 (1956) auf 15.000 (1960) und einer erst wieder für 1963 prognostizierten Zunahme ermahnte die IHK 1960 die Firmen, „keine Werbeaktion bei Schulen um Lehrlinge“ zu veranstalten. Auch rügte sie die Unsitte, Lehrverträge weit vor dem eigentlichen Schulabschluss abzuschließen und zu Vorstellungsgesprächen während

Ausbilder mit Lehrlingen der Schulstunden einzuladen. 1960. 1961 führte der Mangel an Arbeitskräften vermehrt zur Einstellung von nicht ausreichend qualifizierten Ju- Dieser Vollversammlungsbeschluss ebnete den Weg gendlichen, so dass die IHK ihre Zusammenarbeit mit für die seit 1954 erhobene Forderung der IHK, Lehr- Schulen und Arbeitsverwaltung verstärkte und die Aus- warte, heute würde man sagen: Ausbildungsberater, bildung mit zusätzlichem Werkunterricht intensiviert einzustellen. Erstmals nahmen ein kaufmännischer und werden musste. So wurde beispielsweise ein „Merkblatt zwei gewerblich-technische Lehrwarte ihre Tätigkeit für Berufsausbildung“ an den Volksschulen verteilt, der 1960 auf. Anlässe für Betriebsbesuche der Lehrwarte Arbeitsverwaltung wurden Auskünfte über Lehrbetrie- waren die erstmalige Vereinbarung von Ausbildungs- be gegeben und sowohl verhältnissen, Anträge auf Eintragung in die Lehrlings- Lehrbetriebe als auch Eltern rolle, Klagen über unzulängliche Ausbildung, Überprü- erhielten nach der Eintra- fung der Eignung der Lehrstellenbewerber, Einführung gung des Ausbildungsver- neuer Ausbildungsberufe oder die Änderung bestehen- hältnisses ein Merkblatt der Berufsbilder. Darüber hinaus befürwortete die IHK über das jeweilige Berufs- die Einführung des neunten Schuljahres und engagier- bild wie auch Hinweise zum te sich erfolgreich dafür, dass das Thema Wirtschaft Führen des Berichtsheftes. auch im Unterricht der allgemein bildenden Schulen 1963 führte die Kammer Berücksichtigung fand. auf Anregung des Berufsbil- Und auch die IHK-Weiterbildung entwickelte sich: dungsausschusses Nachhil- 1958 wurden die Industriemeisterlehrgänge für Gieße- fekurse in Deutsch und rei und Zement, der erste Lehrgang für Tankstellenin- Rechnen für Lehrlinge ein. haber, der Lehrgang „Technik für Kaufleute“ sowie Fort- Angeboten wurden ferner bildungskurse für Sekretärinnen ins Leben gerufen. Seminare für Ausbilder in Schon damals eine Frage Ende der 1950er Jahre rückte die Berufsbildung im- Industrie, Groß- und Au- des guten Geschmacks: IHK-Küchenmeisterprü- mer stärker in den Mittelpunkt der politischen Kam- ßenhandel. Die Neuord- fung 1963. merarbeit: So votierte die IHK entschieden dafür, dass nung der Berufsschulen im „die Betriebslehre das Kernstück der Berufsausbildung“ Landkreis Düsseldorf-Mettmann beschäftigte die IHK bleiben müsse. Ebenso erforderlich sei jedoch ein „lei- ebenso wie die „Staatliche Ingenieurschule Düsseldorf“, stungsfähiges, allgemein bildendes Schulwesen“, damit die 1963 ihre Tätigkeit aufnahm. Ferner forderte die der Lehrherr nicht „Lücken in den Elementarfächern“ Kammer eine „höhere Wirtschaftsfachschule“ für die schließen müsse. Landeshauptstadt.

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Hermann Franzen Präsident der IHK Düsseldorf seit 1999

Hermann Franzen, Mitinhaber und persönlich haf- Interkommunale Einzelhandels- tender Gesellschafter der Hermann Franzen KG, Düs- konzept (INTEK), das für Nord- seldorf, trat nach Auslandsaufenthalten in der rhein-Westfalen Modellcharakter Schweiz und in den USA in den elterlichen Betrieb hatte. Auf sein besonderes Enga- ein und lenkt seit 1966 gemeinsam mit seinem Bru- gement geht auch das so genann- der Claus in dritter Generation die Geschicke des te Düsseldorfer Modell, ein Pilot- Familienunternehmens Franzen, das 2005 auf sein projekt zur Zusammenarbeit von 105-jähriges Bestehen zurückblicken konnte. Die Polizei und privaten Sicherheits- Marke „Franzen“, die weit über die Grenzen Düssel- diensten, das inzwischen in eine dorfs und Deutschlands hinaus bekannt ist, entwi- Ordnungspartnerschaft mit der ckelte sich gemäß der hauseigenen Philosophie „das Stadt Düsseldorf umgewandelt Gute und Bewährte erhalten und sich gleichzeitig worden ist, zurück. Last but not least ist es auch den Zeittrends und Markterfordernissen anpassen“ seinem Einsatz zu verdanken, dass sich die Band- zielstrebig vom klassischen Porzellanhaus zu einem breite der IHK-Außenwirtschaftsaktivitäten – insbe- modernen Lifestyle-Anbieter „für die schönen Dinge sondere in Richtung Russland und China – deutlich des Lebens“. erweitert hat. Seit 1980 gehört Hermann Franzen der Vollver- Diese – und andere – Ziele hat sich Hermann Fran- sammlung der IHK Düsseldorf an. Von 1983 bis 1999 zen auch bundesweit auf die Fahne geschrieben: stand er als Vizepräsident, seit 1995 als ständiger Nach den Stationen Mitglied des Vorstandes des Ein- Vertreter des Präsidenten mit an der Spitze des zelhandelsverbandes Nordrhein (1977 bis 1990) und Unternehmer-Parlamentes, das ihn erstmals 1999 Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Düssel- und erneut 2003 zum Präsidenten der IHK Düsseldorf dorf (1983 bis 1990) steht Hermann Franzen als Prä- wählte. sident seit 1990 ununterbrochen an der Spitze des Franzen setzt sich vor allem für den Erhalt vita- Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), ler Innenstädte ein, der für ihn stets eng mit einer Berlin. Von 1982 bis 1994 war Franzen als ehren- guten verkehrlichen Erreichbarkeit verknüpft ist. amtlicher Handelsrichter am Landgericht Düsseldorf Darüber hinaus engagiert er sich mit Nachdruck bei tätig. den Unternehmen in der Region für die qualifizierte Für sein ehrenamtliches Engagement in Verbän- Berufsausbildung junger Menschen. Auch sein eige- den und Organisationen der Wirtschaft, vor allem nes Unternehmen gilt als vorbildlicher Ausbildungs- jedoch für die Förderung des beruflichen Nach- betrieb, dessen Nachwuchs fast immer zu den Spit- wuchses, wurde Hermann Franzen 1990 mit dem zenlehrlingen eines Jahrgangs zählt. Bundesverdienstkreuz am Bande und im Jahre 2004 In Franzens Amtszeit als IHK-Präsident fällt auch mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeich- das gemeinsam mit dem Kreis Mettmann erstellte net.

Mit 12.000 Fremdsprachenprüfungen (seit 1946) te Wachstum in der Gruppe Eisen-Metall erzielt, dem stand die IHK Düsseldorf 1963 an der Spitze aller Kam- damals immer noch "wichtigsten Wirtschaftszweig". 90 mern in der Bundesrepublik. Im gleichen Jahr wurde Prozent aller gewerblichen Lehrlinge wurden in "Lehr- eine neue Prüfungsordnung für die zunehmend an werkstätten" und "Lehrecken" ausgebildet, auch erziel- Bedeutung gewinnenden Industriemeisterprüfungen ten die Prüflinge durchweg bessere Ergebnisse als ihre erarbeitet, die erste Küchenmeisterprüfung abgenom- kaufmännischen Kollegen. Die IHK Düsseldorf erklärte men und für die Bewerber an öffentlichen Ingenieur- in ihrem Jahresbericht 1964: "Die betriebliche Lehre, er- schulen eine eigene Praktikantenrolle eingeführt. gänzt durch den berufsbegleitenden Schulunterricht, Zur Mitte der 1960er Jahre stieg erstmals seit 1958 wird als beste Form der Berufsausbildung anerkannt die Zahl der Prüflinge wieder an. Dabei wurde das größ- und bejaht."

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Ferner würden die großen technischen, wirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Ände- rungen auch nach gezielter Weiterbildung verlangen. So bot die IHK 1964 Erfahrungsaus- tauschgruppen für das rechtzeiti- ge Erkennen der konjunkturellen Situation und der damit verbunde- nen Preisbewegungen an, offeriert wurden Kurse zu technisch-kauf-

Belohnung für die Ausbil- männischen Rationalisierungs- dungsbesten 1965: möglichkeiten und speziell für Eine Fahrt nach Berlin. Klein- und Mittelbetriebe Kurse in mechanischer und automatischer Datenverarbeitung sowie die Lehrgänge „Technik für 2. ein neues System in der Bundesrepublik Deutsch- Kaufleute“ und „Kaufmännisches Wissen für Techniker“. land gegenwärtig nicht für erforderlich gehalten Insgesamt machten 2.774 Teilnehmer von diesen werde und IHK-Angeboten 1964 Gebrauch, das entsprach einem 3. das Berufsausbildungssystem auch in Zukunft Plus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. flexibel bleiben müsse, um der Vielfalt der An- Der „wachsenden Bedeutung der bildungspoliti- forderungen gerecht zu werden. schen Aufgaben“ wurde die IHK Düsseldorf auch mit ei- nem Sonderheft ihrer Monatszeitschrift „Unsere Wirt- Der IHK-Jahresbericht 1965 fasste dazu zusammen: schaft“ gerecht: Der Titel „Chancen für den Aufstieg in „In Anbetracht der Entwicklung zu einer Gesell- der Wirtschaft“ fand weit über den IHK-Bezirk Beach- schaft der wirtschaftlich Unselbständigen ist die tung bei Wirtschaft, Pädagogen und Behörden, so dass soziale Problematik der Berufsausbildung und der ein Nachdruck erforderlich wurde. beruflichen Weiterbildung stärker in den Vorder- Die Mitte der 1960er Jahre stand auch im Zeichen grund getreten als früher. Damit verbunden fällt eines bildungspolitischen Diskurses: DIHT- und IHK- den Betrieben ein wachsender Aufgabenkreis mit Präsident Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider hatte zur Klärung hoher Verantwortung für Jugendliche und Erwach- 1966 zeigte sich: Längst der Frage, auf welchen Gebieten das Bildungs- und sene zu.“ nicht alle Volksschulab- gänger beherrschen die Ausbildungswesen einer Änderung bedürfe, 1965 über Rechtschreibung. 100 Erziehungswissenschaftler und Vertreter der Wirt- Neben diesen bildungspolitischen Aspekten unter- schaft zu einem Gespräch eingeladen. stützte die IHK 1965 die Bestrebungen von NRW-Kul- Und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Karl tusminister Paul Mikat, eine fakultätsgebundene Hoch- Albrecht nahm unter der Frage „Berufs- schulreife einzuführen, auch arbeitete die Kammer ausbildung in schlechten Händen?“ in beim Entwurf des neuen Gesetzes für die Berufsschul- der Zeitung „Die Welt“ vom 2. Oktober pflicht eng mit dem Ministerium zusammen. 1965 Stellung zu den Themen „Duales Eingeführt wurden in jenem Jahr auch die „Richtli- System der Berufsausbildung“ und „Eh- nien zu Eintragungsvoraussetzungen der Lehrlingsrol- renamtliches Engagement“. lenordnung“, ferner setzte sich die Kammer für die Um das Verständnis für beide Seiten zweijährige Ausbildung zum/r Verkäufer/in ein. Darü- zu vertiefen, richtete die IHK Düsseldorf ber hinaus startete der Versuch „programmierter den Gesprächskreis Wissenschaft-Wirt- Unterricht“, um die Ausbildung gering begabter oder schaft ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, schulmäßig zurückgebliebener Jugendlicher zu unter- dass stützen. 1. die weitere Entwicklung der Be- 1966 erhob die IHK eine Stichprobe bei 150 Ju- rufsausbildung in der Wirtschaft gendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren, die Deutsch- im Gesamtzusammenhang der Bil- kurse in der Grund- und Förderstufe besuchten, wie sie dungsreform gesehen werden sich auch an der Repräsentativbefragung des DIHT zum müsse, Leistungsstand der Volksschulabgänger in Deutsch und

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Rechnen beteiligte. Danach mangelte es jedem fünften gen für „Verkäufer“ und „Maschinenglasmacher“ ab Lehrling an Rechtschreib- und jedem vierten Lehrling und bot eine Sonderprüfung für italienische und grie- an Rechenkenntnissen. Ferner wurde in jenem Jahr der chische Gastarbeiter an, denen eine Bescheinigung Berufsschulbesuch auch für Lehrlinge nach Vollendung über die Beherrschung der Grundfertigkeiten in der des 18. Lebensjahres verbindlich, wofür sich die IHK Metallbearbeitung ausgestellt wurde. eingesetzt hatte. Verabschiedet wurden darüber hinaus Ferner erhielten niederländische Einzelhandels- von der Vollversammlung die „Richtlinien zur Lehrzeit- schüler durch Vermittlung der IHK Praktikantenplätze, verkürzung aufgrund vorangegangenen Schulbe- auch wuchs das Auslandsinteresse am dualen System suchs“. der Berufsausbildung. Das Jahr 1967 war gekennzeichnet durch den „Übergang von einem kräftigen Wirtschaftswachstum 1970 bis 1979: zur Stagnation in vielen Bereichen und der Rezession Schülerberg und Lehrstellenknappheit in besonders bedrohten Bezirken und Branchen“ – stell- Die erste Hälfte der 1970er Jahre verzeichnete zunächst te der IHK-Jahresbericht nüchtern fest. Die Einführung noch leicht steigende Zahlen bei den Ausbildungs- des 9. Schuljahres verursachte Einstellungsprobleme, Abschlussprüfungen, allerdings sank die Zahl der ein- auch verschob sich der Ausbildungsbeginn vom 1. April getragenen Ausbildungsverhältnisse deutlich. Verant- auf den 1. August beziehungsweise 1. September, da wortlich dafür waren rückläufige Abgangszahlen bei der Schuljahresbeginn von Ostern auf Herbst umge- den Hauptschulen, ein hohes Bewerberinteresse am Be- stellt wurde. such weiterführender Schulen und die Einführung des Als erste Kammer in Nordrhein-Westfalen bot die Berufsgrundschuljahres. IHK Düsseldorf 1967 fünf mehrtägige Seminare über volkswirtschaftliches Grundwissen für jeweils 60 Volks- schullehrer an, auch ermöglichte sie in diesem Jahr erstmals Betriebsbesichtigungen für Schüler. Ende der 1960er Jahre wurden die Arbeitskreise Schule-Wirtschaft eingerichtet, die Lehrerseminare auf den Landkreis ausgedehnt. Ein Erlass des NRW-Kultus- ministeriums gab den Hauptschulen mit auf den Weg, für die „rechtzeitige Hinführung der Schüler zur Ar- beits- und Wirtschaftswelt“ Sorge zu tragen. Darüber hinaus wurden die Berufe im Einzelhandel neu geord- net, fortan gab es die Möglichkeit, sich in zwei Jahren zum „Verkäufer“ beziehungsweise in drei Jahren zum "Einzelhandelskaufmann" ausbilden zu lassen. Im In Umsetzung des Berufsbildungsgesetzes mussten Ausbilder bei einem Metallbereich wurde die Stufenausbildung erprobt. In alle vorhandenen IHK-Prüfungsausschüsse bis zum 31. arbeits- und berufspäda- gogischen Lehrgang 1973. der IHK-Weiterbildung begannen mit finanzieller För- Juli aufgelöst werden, ab Winter 1970/1971 wurden derung der Arbeitsverwaltung erstmals zwei Kurse für diese – nun drittelparitätisch mit Arbeitgebern, Arbeit- Erwachsene, die sich auf die Facharbeiterprüfung vor- nehmern und Lehrern besetzt – neu berufen. Die kon- bereiten wollten. stituierende Sitzung des ebenfalls drittelparitätisch be- Das Jahr 1969 bedeutete eine einschneidende Än- setzten Berufsbildungsausschusses fand am 6. Oktober derung, denn das Berufsbildungsgesetz (BBiG) trat in 1970 statt. Ferner wurden bis 1973 für alle Ausbil- Kraft. Dieses schrieb unter anderem Zwischenprüfun- dungsberufe Zwischenprüfungen verbindlich einge- gen und die drittelparitätische Besetzung der Berufs- führt, die erste für die Industriekaufleute fand im Früh- bildungs- und Prüfungsausschüsse mit Arbeitgeber-, jahr 1970 statt. Arbeitnehmer- und Berufsschullehrervertretern vor. Neben diesen gesetzlich vorgegebenen Maßnah- Die IHK Düsseldorf verabschiedete daher am 4. Juli men unterstützte die IHK betriebliche Initiativen einer 1969 ihren 1958 errichteten Berufsausbildungsaus- planmäßigen Sonderausbildung für Abiturienten, um schuss auf seiner 23. und letzten Sitzung. diese auf spätere Führungspositionen vorzubereiten, Die IHK engagierte sich für den dringend erforder- etwa indem sie mehrere Firmen dafür gewinnen konn- lichen Neubau der kaufmännischen Berufsschulen I te, ehemalige Gymnasialschüler zum „mathematisch- und II an der Suitbertusstraße, nahm erstmals Prüfun- technischen Assistenten“ auszubilden.

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te. Gemäß einer Richtlinie des Kul- tusministers richtete die IHK einen Praktikantenausschuss ein, dessen Aufgabe in der Beratung und Über- wachung des Praktikums von Fach- oberschülern der Klasse 11 bestand. Im April 1972 trat gemäß Para- graph 21 Berufsbildungsgesetz die „Verordnung über die berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung in der gewerb- lichen Wirtschaft“ (= Ausbildereig- nungsverordnung) in Kraft; die er- sten Ausbilderprüfungen nahm die IHK Düsseldorf bereits im Frühjahr ab. Seit 1963 hatten sich bereits 1.559 Ausbilder in 52 Ausbildersemi- Sylvia Sommerlath, spätere Die IHK Düsseldorf hatte darüber hinaus seit 1966 naren schulen und prüfen lassen. Königin von Schweden, die finanziellen Zuwendungen für die Berufsschulen in Ferner erlangte im September 1972 die „Verfah- hatte 1965 ihre Korrespon- dentenprüfung in Spanisch Düsseldorf in Höhe von jährlich 20.000 Mark ange- rensordnung für den Ausschuss zur Beilegung von vor der IHK Düsseldorf sammelt. Damit stattete die IHK 1970 die vier kauf- Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubil- abgelegt. Das Bild zeigt sie männischen Berufsschulen mit je einem Lerncomputer denden“ (= Schlichtungsausschuss) Gesetzeskraft. Erst- mit ihrem Ehemann, König aus, um die Schüler in die Datenverarbeitung einfüh- malig gab es 1972 spezielle „IHK-Informationen“ zur Carl XVI. Gustav von Schwe- den, und dem Ehepaar ren zu können. Berufsbildung, die die Kammer in Schaukästen an der Schwarz-Schütte 1984 bei Im selben Jahr begrüßte die IHK die Entscheidung, Marienstraße und an der Fassade ihres Haupthauses einem Besuch in der IHK eine Fachhochschule in Düsseldorf – und nicht, wie aushing. Düsseldorf. ursprünglich vom Land geplant, in Duisburg – zu er- Darüber hinaus war die IHK im Oktober 1972 mit richten. Ebenfalls sah die Kammer ihre langjährige For- einem „Info-Center“ auf der Messe „büro 72“ vertreten, derung nach Errichtung einer Wirtschaftsfachschule um über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im erfüllt: Auf Anordnung des Ministers für Wissenschaft kaufmännischen Bereich und über die Vielfalt der kauf- und Forschung nahm die staatliche höhere Wirt- männischen Tätigkeiten in Industrie, Handel und schaftsfachschule Mönchengladbach mit 90 Studie- Dienstleistungsgewerbe zu informieren. renden ihren Betrieb mit einer Außenstelle zum Win- In der Weiterbildung wurden erstmals Versiche- tersemester 1970/71 auch in Düsseldorf auf. rungsfachwirte geprüft, auch verzeichneten die Zu Beginn des neuen Jahrzehnts standen die rund Fremdsprachen mit 1.121 Prüfungsteilnehmern ein Re- 1.500 Ausbildungsberatungen in den Unternehmen kordjahr. Das Weiterbildungsprogramm reüssierte mit ganz im Zeichen der Einrichtung betriebsindividueller Lehrgängen für Industriemeister und Kaufleute, denen Ausbildungsplätze. Darüber hinaus engagierte sich die es an technischen Kenntnissen mangelte, mit Veran- IHK in der „Information der Landjugend über Ausbil- staltungen über Marketing, Personalpolitik und Ar- dungsmöglichkeiten“ und richtete Schwerpunktklas- beitszeit sowie mit Sonderveranstaltungen zu Steuer- sen für Deutsch und Mathematik ein, die den bisheri- und Rentenrecht. gen Unterricht in Grund- und Förderstufe ablösten. Darüber hinaus meldeten sich die nordrhein-west- Die Mitarbeit der IHK war darüber hinaus im Pla- fälischen IHKs auf eine große Anfrage der Landtags- nungsausschuss der Stadt Düsseldorf gefragt, als es um fraktionen von SPD und FDP hinsichtlich der von der die Errichtung der ersten Gesamtschule am Kikweg Landesregierung geäußerten Absicht zu Wort, die be- ging. Ferner äußerten sich die NRW-Kammern unter triebliche Berufsausbildung unter staatliche Fachauf- maßgeblicher Beteiligung der IHK Düsseldorf kritisch sicht stellen zu wollen. Das – so die einhellige Kam- zu den von NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau merposition – würde dem Selbstverwaltungsgedanken aufgestellten Thesen zur Planung und Errichtung von der Wirtschaft widersprechen und die Entscheidungs- Gesamthochschulen. Die Kammern warnten hier vor ei- befugnis der Berufsbildungsausschüsse erheblich ner „übereilten Zusammenlegung“ der Studienangebo- schmälern.

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Inzwischen bot die IHK bereits Meisterprüfungen in Im April 1975 wurden ferner die fremdsprachlichen sechs Fachrichtungen an, in der kaufmännischen Er- Prüfungen neu geordnet: Statt der seit 1965 möglichen wachsenenbildung konnten sich Bilanzbuchhalter, Ver- wirtschaftsbezogenen fremdsprachlichen Prüfung und sicherungsfachwirte sowie Dolmetscher und Überset- der Korrespondentenprüfung gab es nun die Alternati- zer ihre Qualifikationen mit dem begehrten Siegel ven „fremdsprachlicher Korrespondent“ und „Fremd- "IHK-geprüft" bestätigen lassen. sprachenkaufmann“. 1974 nahm die IHK Düsseldorf erstmals Prüfungen Darüber hinaus verabschiedete der IHK-Berufsbil- in den im Vorjahr neu geordneten kaufmännischen Be- dungsausschuss die Rechtsvorschriften für die Weiter- rufen Bankkaufmann, Industriekaufmann, Kaufmann bildungsprüfungen zum Handels- und Industriefach- im Groß- und Außenhandel sowie Versicherungskauf- wirt sowie zum Personalfachkaufmann. Erstmals infor- mann ab. Dennoch war die Zahl der eingetragenen mierte die IHK auch in einer eigenen Broschüre über kaufmännischen Ausbildungsverhältnisse rückläufig. das Seminar- und Lehrgangsangebot aller freien Träger Thema in diesem Jahr waren darüber hinaus die Um- in der beruflichen Bildung für Düsseldorf und schulung in Büroberufe wie auch ein Modell- Umgebung. versuch mit Sonderschulpädagogen, Im Jahr 1977 startete die IHK als Reak- Eltern sowie Vertretern von Unter- tion auf das im Herbst 1976 verabschiedete nehmen, Arbeitsverwaltung und Ausbildungsplatzförderungsgesetz (das ei- IHK, um die Ausbildung Behinderter ne Berufsausbildungsabgabe als ertrags- zu erproben. unabhängige Besteuerung bei Nicht-Er- Im gleichen Jahr fand ferner die er- füllung durch die Wirtschaft vorsah) ihr ste gemeinsame Prüfung der Kammern Aktionsprogramm zur Förderung der be- Paris und Düsseldorf für Übersetzer für trieblichen Ausbildung: Gegenüber Handelsfranzösisch statt, auch wartete 1976 konnte die IHK ein Lehrstellenplus die IHK-Weiterbildung mit neuen Ange- von 14,4 Prozent verzeichnen. Während boten auf: Neu waren beispielsweise Lehr- mehr Ausbildungsplätze eingeworben werden konnten, gänge für „Sicherheitsmeister“ (als Einstieg in die ge- sank die Zahl der Bewerber: Im IHK-Bezirk Düsseldorf setzliche Vorgabe für Betriebsärzte und Sicherheits- wurden Ende 1977 nur 118 Jugendliche ohne Ausbil- fachkräfte gedacht), zur „Bilanzanalyse“ und zum dungsvertrag registriert, das entsprach knapp einem „kaufmännischen Wissen für Techniker und Ingenieu- Prozent der Arbeitslosen in der Region. Schon zu die- re“. In Tagesveranstaltungen informierte die IHK über sem Zeitpunkt kamen 42,3 Prozent aller Auszubilden- das neue Lohnsteuerrecht, die Verdingungsverordnung den in Düsseldorf nicht aus der Landeshauptstadt, son- für Bauleistungen sowie über psychologisch begründe- dern von auswärts. te Personaleinstellungsverfahren. Von 1978 bis 1981 stieg die Zahl der Schulabgän- Von 1956 bis 1974 war die Zahl der eingetragenen ger erneut, die IHK konnte 1978 dank ihres Aktions- Ausbildungsverhältnisse von 18.400 auf 9.731 gesun- programms 8,6 Prozent mehr Lehrstellen akquirieren. ken, erst ab 1975 konnte die IHK mit 10,5 Prozent Plus Während das Land NRW die zusätzliche Bereitstellung wieder einen leichten Anstieg verzeichnen. Grund für von Ausbildungsplätzen in industriell-technischen Be- das verstärkte Interesse der Schulabgänger an einer be- rufen förderte und speziell die Mädchen für diese be- trieblichen Ausbildung war in erster Linie die Einfüh- geistern wollte, wandte sich die IHK – wenn auch ver- rung des Numerus clausus in den Hochschulstudien- geblich – gegen die Einführung des 10. Pflichtschul- Beratung während der gängen. Demzufolge verdoppelte sich die Zahl der Aus- jahres, das ab 1979 verbindlich wurde. IHK-Lehrstellenbörse 1983. zubildenden mit Fachhochschul- oder Hochschulreife von 1973 mit 9,3 Prozent auf 18 Prozent (1975). Um dieser neuen Bewerbergruppe gerecht zu werden, ent- wickelte die IHK ein neues Ausbildungsmodell für die Absolventen der gymnasialen Oberstufe: Ab Herbst 1976 konnten diese sich nach einer auf anderthalb bis zwei Jahre verkürzten kaufmännischen Ausbildung in weiteren zwei Jahren an der Verwaltungs- und Wirt- schaftsakademie in Düsseldorf (VWA) zum Betriebswirt weiterqualifizieren.

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Computerübungsraum 1985 im Weiterbildungs- zentrum der IHK am Mar- tin-Luther-Platz.

lichkeiten am Martin-Luther- Platz. Sie erweiterte ihr Weiter- bildungsangebot um den Be- reich „Neue Technologien/In- Um das Berufswahlver- formatik“, in Kooperation mit der Fachschule für Be- halten und die Zufriedenheit triebswirtschaft und Datenverarbeitung (FBD-Schulen) mit dem erlernten Beruf zu bot sie erstmals in Düsseldorf CNC-, CAD-, BTX- und ermitteln, befragte die IHK Textverarbeitungslehrgänge an, ein weiterer CNC- 1978 Auszubildende des er- Lehrgang startete in der Gemeinschaftslehrwerkstatt in sten Lehrjahres: Die Mehrheit Velbert. Darüber hinaus übernahm die IHK-Weiterbil- bestätigte auch im Nachhi- dung am 1. September 1984 das Bildungszentrum des nein ihre Berufsentscheidung Einzelhandels und offerierte spezielle Angebote für ju- Auch Weiterbildung braucht als richtig. 1979 stieg das Lehrstellenangebot abermals gendliche Arbeitslose. mal eine Pause: Caféteria um 3,4 Prozent, die IHK bot erstmals zur Berufsorien- Geprüft wurden in der Weiterbildung erstmals im Weiterbildungszentrum am Martin-Luther-Platz. tierung „Lehrstellentage“ in Düsseldorf und Velbert an. „Fremdsprachensekretärinnen“, „Fachwirte der Grund- Die Weiterbildung wurde mit großem Erfolg um Exi- stücks- und Wohnungswirtschaft“ sowie „Kraftver- stenzgründerseminare erweitert, neu waren auch Spe- kehrsmeister“. Neu im Programm war der Lehrgang zum ziallehrgänge im Verkehrswesen. „Wirtschaftsinformatiker IHK“. Ab 1985 beschäftigte die IHK vor allem die für 1987 1980 bis 1989: Mehr Lehrstellen als Bewerber geplante Neuordnung der industriellen Metall- und Trotz der Prognose, dass 1982 der Gipfel des Schüler- Elektroberufe. Diese machte aus 42 Metallberufen bergs erreicht sein würde, setzte die IHK ihr Aktions- sechs Berufsbilder mit dreieinhalbjähriger Ausbil- programm bis 1985 fort. So wurde in den Jahren 1980 dungszeit und insgesamt 16 Abschlussqualifikationen. (plus 4,1 Prozent), 1983 (plus 11,3 Prozent), 1984 (plus Bei den Elektroberufen hob sie die Stufenausbildung zehn Prozent) und 1985 (plus 2,9 Prozent) ein Über- zugunsten von acht Abschlussqualifikationen auf. hang an freien Ausbildungsplätzen erzielt, lediglich 1985 verzeichnete die IHK-Weiterbildung 3.000 1981 war das Angebot mit minus drei Prozent rückläu- Teilnehmer. Kontinuierlich baute die Kammer den Be- fig. Zu diesem reichlichen Angebot hatten auch er- reich „Neue Technologien/Informatik“ aus, erstmals an- folgreiche IHK-Werbeaktionen bei den Betrieben, etwa geboten wurden ein CNC-Lehrgang für arbeitslose die „Aktion Lehrstellenmarkt“ (1982), der erste von Facharbeiter, Marketing-Seminare für arbeitslose Wirt- zahlreichen Lehrstellenatlanten (1983), das Faltblatt schaftswissenschaftler sowie die Lehrgänge „Betriebs- „Machen Sie mit! – Werden Sie ein IHK-Ausbildungs- wirtschaft für Juristen“, „Speditionskaufmann“ und betrieb!“ und der Aufkleber „Wir machen mit! – Wir „Industriemeister Aluminium“. sind ein IHK-Ausbildungsbetrieb!“ (beide 1984), die von Seit 1987 wurde eine Entspannung auf dem Lehr- 19 IHKs in der Bundesrepublik übernommen wurden, stellenmarkt spürbar: Die IHK registrierte mit 7.620 ein- wie auch die monatliche Grafik „Lehrstellenpegel“ getragenen Ausbildungsverhältnissen ein Minus von (1984) beigetragen. 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 40,1 Prozent aller 1980 hatte sich die IHK darüber hinaus erfolgreich Lehrstelleninhaber waren Abiturienten. Ferner griff in dafür eingesetzt, dass neben dem 10. Pflichtschuljahr 1987 unterstützte die IHK auch ein „kooperatives Berufsgrundbildungsjahr“, etwa Düsseldorf erstmals den in einer Lehrwerkstatt, anerkannt wurde: Die Daimler- Regionalwettbewerb "Ju- gend forscht". Benz AG in Düsseldorf gehörte zu den ersten Unter- nehmen, die dieses Modell gemeinsam mit der Lehr- werkstatt in Velbert erprobten. Im gleichen Jahr teste- ten die IHKs Düsseldorf, Aachen, Arnsberg, Bonn und Hagen bei 5.700 Auszubildenden (davon 1.500 aus dem IHK-Bezirk Düsseldorf) Deutsch- und Mathematik- kenntnisse. In der IHK-Weiterbildung wurden ab 1984 neue Ak- zente gesetzt. Die IHK gab die alten Schulungsräume in der Immermannstraße 54 auf und bezog neue Räum-

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diesem Jahr die Neuordnung der Metall- und Elektro- berufe – 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse im industriell-technischen Bereich im IHK-Bezirk Düssel- dorf waren davon betroffen. „3.302 Betriebe im IHK- Bezirk bilden 18.256 Lehrlinge in 157 Berufen aus“, konnte die Kammer 1987 verkünden. Vom 16. bis 27. März hieß es in der Berufserkundung „Projekt Berufs- wahl“. In diesem Jahr befragten die nordrhein-westfä- lischen IHKs rund 1.000 Führungskräfte der Wirtschaft zur Bedeutung der Schulpolitik. Das Ergebnis fiel er- nüchternd aus. Die Wirtschaftskapitäne sahen NRW auf dem vorletzten Platz. Darüber hinaus setzte sich die IHK 1987 kritisch mit dem Schulentwicklungsplan des Krei- ses Mettmann auseinander, der die Aufgabe des Be- zirksklassenprinzips und die Auflösung des Schulzwek- kverbandes Velbert-Heiligenhaus vorsah. Erstmalig be- teiligte sich die IHK als Mitveranstalter an der Ausrich- tung des Regionalwettbewerbes „Jugend forscht“. Am Ende des Jahrzehnts verzeichnete die IHK ein weiteres starkes Absinken der Lehrlingszahlen infolge des Geburtenrückgangs. So blieb 1989 jede zehnte freie Lehrstelle unbesetzt, betroffen waren davon in erster Linie die industriell-technischen Berufe, der Einzelhan- del, die Bauberufe sowie das Hotel- und Gaststätten- gewerbe. Weitere Erschwernisse in der beruflichen Bil- dung ergaben sich aus der einseitigen Berufsorientie- rung, vor allem bei den Mädchen, der hohen Zahl von Abiturienten und Studienabbrechern bei den Bewer- bern und den Integrationsproblemen ausländischer Jungendlicher. Die Weiterbildung konnte rund 7.000 Teilnehmer für rund 400 Veranstaltungen gewinnen, hoch im Kurs standen vor allem firmenspezifische Seminare. Nach IHK-Berechnungen betrug der Gesamtaufwand der Wirtschaft im Jahr 1988 im IHK-Bezirk Düsseldorf 500 Millionen D-Mark für Aus- und 750 Millionen D-Mark für Weiterbildungsmaßnahmen. gen“. Der IHK-Jahresbericht 1990 hielt fest, dass „im IHK-Präsident Albrecht Nach 20 Jahren Berufsbildungsgesetz 1989 stellte Wettbewerb um den knappen Berufsnachwuchs nur Woeste mit NRW-Wirt- schaftsminister Günther die IHK Düsseldorf fest, dass 72 Prozent der Schulab- noch die Unternehmen Erfolg haben werden, die glaub- Einert bei der Eröffnung gänger eine betriebliche Ausbildung aufnahmen, 52 haft für Qualifizierungsniveau, Aufstiegschancen und des 2. Symposiums der Prozent davon in den IHK-Berufen. Fast jeder zweite Sozialprestige stehen“. Wirtschaft zur beruflichen Lehrling war im Besitz der Hochschulreife. Der Bil- Auf dem „3. Düsseldorfer Ausbilderforum“ erläu- Bildung 1992 (Foto oben). dungskongress der NRW-Kammern in Düsseldorf stand terte Bundesbildungsminister Jürgen W. Möllemann Die geplante Abschaffung 1989 unter dem Motto „Für Morgen qualifizieren“. den Maßnahmenkatalog der Bundesregierung, mit dem der Berufsausbildung zur Verkäuferin – trotz zuneh- die Berufsbildung in der ehemaligen DDR neu geord- mender Ausbildungszah- 1990 bis 1999: Vom „roten Teppich“ net und westdeutschen Standards angeglichen werden len – war eines der The- für Lehrlinge zur Ausbildungsplatzlücke sollte. IHK-Präsident Rolf Schwarz-Schütte gab seiner men beim Bildungsgipfel Schlüsselprobleme der ersten Hälfte der 1990er Jahre Sorge Ausdruck, „ob die Schule auch noch künftig mit 1993 (Foto unten). waren der drohende Fachkräftemangel wie auch die der dynamischen technischen Entwicklung in der be- Nachwuchswerbung. Letzterer begegnete die IHK mit trieblichen Praxis Schritt halten kann?“ ihrem Konzept „Berufe von heute mit Chancen für mor- 1991 gab es in der Bundesrepublik erstmals mehr

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nach westdeutschem Muster aufzubauen. Im August 1991 wurden die Büroberufe nach 50 Jahren neu geordnet: Aus der „Bürogehilfin“ wurde der „Kaufmann für Bürokommunikation“, der „Bürokauf- mann“ behielt seinen Namen bei völlig neuen Ausbil- dungsinhalten. Als 1990 die Schadow-Arkaden in Planung gingen, bedeutete dies für die IHK-Weiterbildung die Aufgabe der Räume am Martin-Luther-Platz. Für die Über- gangszeit mit Schulungsräumen im Haupthaus und an An der Karlstraße in Düs- Studenten als Auszubildende – verantwortlich dafür vier weiteren Standorten war das Ende bald in Sicht: seldorf wurde das neue waren einerseits eine deutlich gesunkene Zahl an Am 21. November 1991 gab die IHK-Vollversammlung IHK-Weiterbildungszen- trum „FORUM“ gebaut. Schulabgängern, andererseits eine rapide steigende grünes Licht für den Bau des neuen IHK-Weiterbil- Studienneigung. Seit 1985 war die Zahl der eingetra- dungszentrums „FORUM“ an der Karlstraße. Eine genen Ausbildungsverhältnisse von 7.650 auf 5.992 im Weiterbildungsbefragung bei 1.300 Teilnehmern hatte Jahre 1991 gesunken. Die IHK konterte diese Entwick- ergeben, dass eine deutliche Mehrheit dem IHK-eige- lung mit dem Werbekonzept „Karriere mit Lehre“, das nen Weiterbildungsangebot gute bis sehr gute Noten von allen NRW-Kammern übernommen wurde. Den- gab. noch standen am 30. September 1991 in der Arbeits- 1992 widmete die IHK Düsseldorf die August-Aus- amts-Statistik 1.681 freien Ausbildungsplätzen (+ 78 gabe der Kammerzeitschrift „Unsere Wirtschaft“ dem Prozent gegenüber dem Vorjahr) nur 121 unversorgte Thema „Lehrlingsmangel – Studentenschwemme“. Auf Bewerber gegenüber (- 26 Prozent gegenüber dem Vor- dem „2. Symposium der Wirtschaft zur beruflichen Bil- jahr). Eine Zunahme hingegen konnte die IHK bei den dung“ mit dem Thema „Berufsbildung im vereinten Eu- Ausbildungsverträgen mit ausländischen Jugendlichen ropa“ im Düsseldorf Messe-Congress-Center gab Gast- verzeichnen: Diese stiegen von 598 Verträgen 1985 redner NRW-Wirtschaftsminister Günter Einert zu Pro- (= 3,4 Prozent) auf 1.476 Verträge (= 9,5 Prozent) im tokoll: „Die Schlosserlehre hat mir nicht geschadet, Jahre 1991. Erfolgreich lief in diesem Jahr auch ein eher geholfen, einen pragmatischen Ansatz zu den Pro- Modellprojekt mit spanischen Jugendlichen, die in blemen zu finden.“ Darauf konterte IHK-Präsident Al- Deutschland aufgewachsen waren, an. brecht Woeste: „Na, dann sollten vielleicht alle Politi- Nach der Wiedervereinigung betreute die IHK Düs- ker erst einmal eine Lehre absolvieren.“ seldorf 1991 auch eine Vielzahl von Ausbildern aus Düs- Im gleichen Jahr attestierte ein Kienbaum-Gutach- seldorfs Partnerstadt Jugendliche auf der ersten IHK-Ausbildungsmesse Chemnitz und half der „Berufe live“. Kammer, vor Ort eine Be- rufsausbildungsabteilung

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ten den NRW-Schulen erhebliche organisatorische Mängel und Defi- zite. In der Arbeitsamtsstatistik standen 1.586 freien Lehrstellen 123 unversorgte Bewerber am 30. September gegenüber. Die IHK Düsseldorf warb daher erstmals vom 17. bis 19. September auf der „Berufe live“ in der alten Düsseldorfer Stadthalle für eine be- rufliche Ausbildung. Für die Ange- bote der ausstellenden 67 Unter- nehmen interessierten sich 6.000 Schüler, Lehrer und Eltern. Ferner konnte die IHK Düsseldorf nach 20 Jahren Ausbildereignungsverord- nung in ihrem Jahresbericht ein po- sitives Fazit ziehen: Diese wurde einhellig als Chance gesehen, mit modernen, betriebspädagogischen Methoden eine attraktive und qua- litativ hochwertige Berufsausbil- dung und Weiterbildung zu ge- währleisten. 1992 konnte die IHK-Weiterbildung trotz der pro- Bundestagsabgeordneten ihres Bezirkes gegen die Ver- Multimediaschulungen im visorischen Raumlösung 9.031 Teilnehmer für 451 Ver- schiebung der Gesetzgebungskompetenz. IHK-FORUM stehen hoch im Kurs. anstaltungen gewinnen, auch übernahm sie die Trä- Im gleichen Jahr prangerte ein gemeinsames Papier gerschaft für die Industriemeister-Lehrgänge Metall der nordrhein-westfälischen IHKs und Handwerkskam- und Chemie, weil der „Verein zur Förderung der Indu- mern die verfehlte Schulpolitik des Landes an: Die Do- striemeister-Ausbildung Düsseldorf“ nach knapp drei minanz der Gymnasien sei erdrückend, die Hauptschu- Jahrzehnten diese Arbeit eingestellt hatte. le würde als „Restschule“ verkümmern, die Realschule Im Jahr 1993 sah die IHK-Organisation die berufli- sei gefährdet und die Gesamtschule drohe zum Pro- che Aus- und Weiterbildung am Scheideweg. Der Bil- blemfall zu werden. dungsgipfel beim Bundeskanzler beschäftigte sich mit Um das Bildungssystem nicht weiter vom Beschäf- folgenden Phänomenen: tigungssystem abzukoppeln, empfahl das Kammerpa- • Hohe Anerkennung der betrieblichen Bildungsgänge pier, den Empfehlungen der Grundschullehrer für im Ausland, doch rückläufige Zahlen in der Bundes- weiterführende Schulen wieder größeres Gewicht bei- republik, zumessen, ein klares Anspruchsprofil für Gymnasien • steigende Zahlen bei Studienabbrechern und arbeits- und Realschulen zu definieren, den Schulunterricht an losen Hochschulabsolventen, dennoch bestimmen objektiven Leistungskriterien und nicht mehr am Klas- akademische Bildungsgänge das Berufswahlverhal- sendurchschnitt auszurichten sowie die Reifeprüfung ten der Abiturienten, durch die Einführung des Zentralabiturs zu stärken. • trotz Neuordnung und Niveauanhebung der betrieb- Die IHK-Versuche, gemeinsam mit der Fachhoch- lichen Ausbildung sinkendes Angebot und Nachfrage schulrektorenkonferenz ein abgestimmtes Verbund- am Arbeitsmarkt, konzept zwischen betrieblicher Ausbildung und Hoch- • Steigerungsrate bei „Verkäufer-Ausbildung“, doch schulqualifikation auch in Düsseldorf umzusetzen, der Beruf soll abgeschafft werden, waren nur für das Modellprojekt „Technischer Zeich- • Europäisierung der Berufsabschlüsse, doch der Bund ner“ umsetzbar. Erfolgreicher hingegen verliefen fir- will in einer Verfassungsreform die Zuständigkeit für menspezifische Ausbildungsmodelle mit den Unter- die berufliche Bildung an die Länder abgeben. nehmen Mannesmann, Duewag, dem Velberter Textil- unternehmen Artfleur, SMS und der Stadtsparkasse Die IHK Düsseldorf intervenierte daraufhin bei den

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waltung, Berufsschulen, Handwerkskammern und IHKs den „Ausbildungskonsens NRW“, mit dem erklärten Ziel, einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zu erreichen. Mit 4.000 neuen Lehr- verträgen konnte die IHK 1996 bereits einen leichten Anstieg verzeichnen. Im gleichen Jahr registrierte sie den 500.000. Prüfungsteilnehmer seit 1925. Trotz der weiterhin steigenden Zahlen der Schulab- gänger konnte die IHK Düsseldorf seit 1997 jährlich verkünden, dass die „Lehrstellenkatastrophe“ wieder ausgeblieben sei. Zuwachsraten bei den neu eingetra- genen Ausbildungsverhältnissen von drei bis elf Pro- zent bis zum Jahr 2002 sorgten dafür, dass jeder "aus- bildungswillige und -fähige Jugendliche" auch tat- sächlich eine der begehrten Lehrstellen erhielt. Unter- stützt wurden diese Vermittlungserfolge durch zusätz- liche Ausbildungswerber, Aktionen wie der jährlichen Ausbildungsmesse „Berufe live“, einer Ausbildungshot- line, der IHK-Lehrstellenbörse im Internet, dem Lehr- stellenmarkt der Wirtschaftsjunioren Düsseldorf, aber NRW-Wirtschaftsminister Düsseldorf, die die duale Berufsausbildung mit an- auch durch gezielte Nachvermittlung und eine Ermä- Wolfgang Clement bei der schließendem Studium oder dem Erwerb von Zusatz- ßigung für Ausbildungsbetriebe bei den IHK-Prüfungs- Eröffnung der IHK-Jugend- messe Berufe live 1996. qualifikationen während der Ausbildung koppelten. gebühren. Auch in der Weiterbildung hinterließ die konjunk- Von 1996 bis zum Jahr 2000 förderten darüber hi- turelle Talfahrt 1993 ihre Spuren: Für 418 Veranstal- naus 108 runderneuerte und 34 neue Berufe die Aus- tungen konnte sie „nur“ 7.267 Teilnehmer gewinnen. bildungsbereitschaft der Betriebe, darunter vor allem Neben der immer häufiger gestellten Frage: „Was seit 1997 die IT- und Medienberufe. bringt mir/uns die Weiterbildungsmaßnahme?“ nahm Die IHK-Weiterbildung punktete seit Mitte der die gezielte Nachfrage nach Zertifikatslehrgängen zu. 1990er Jahre mit neuen Angeboten wie dem Zertifi- 1994 endlich konnte das neue IHK-Weiterbildungszen- katslehrgang „Call Center Agent“, dem „Netzwerkma- trum „FORUM“ an der Karlstraße 88 eröffnet werden: nager für heterogene Netzwerktechnik und Kommuni- Bereits 1995 goutierten die besseren Bedingungen kation“ (beide 1997) und dem „Sportfachwirt“ (1998). 8.040 Teilnehmer, die 531 Lehrgänge und Seminare be- Als erste NRW-Kammer ließ die IHK Düsseldorf 1997 ihr suchten. Neu in der Weiterbildung: War die erste Hälfte der Der Gebärdensprachen- 1990er Jahre durch ein Überange- dolmetscher. bot an freien Lehrstellen gekenn- zeichnet gewesen, so wendete sich das Blatt ab 1996: Der Verlust an betrieblichen Ausbildungsplätzen während der Rezession wie auch der Andrang geburtenstarker Jahrgänge auf dem Ausbildungs- markt verkehrten schnell das Ver- hältnis von Angebot und Nachfra- ge. So stand die fünfte Jugend- messe „Berufe live“ 1996 unter dem Motto „jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz“. Im glei- chen Jahr schlossen Landesregie- rung, Tarifparteien, Arbeitsver-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen 117

IHK-FORUM nach DIN ISO 9001 zer- tifizieren. Ferner wurden die IHK- Fremdsprachenqualifikationen in Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien 1999 anerkannt sowie das „Higher National Diploma for Busi- ness and Finance“ und die Zusatz- qualifikation „Fremdsprache im Be- ruf“ in den fremdsprachlichen Ange- botskanon der IHK Düsseldorf aufge- nommen.

2000 bis 2005: Trotz Lehrstellenmangels fehlt es an qualifizierten Bewerbern Der Berufseinsteigertest der nordr- hein-westfälischen IHKs bei 3.482 Auszubildenden des Service und Kommunikation“, „Zusatzqualifikation Bei Anruf Lehrstelle: ersten Lehrjahres brachte es im Jahr 2000 an den Tag: Molekularbiologie“, „Gebärdensprachendolmetscher“ Die IHK-Ausbildungshotline vermittelt seit 2003 erfolg- 40 Prozent der Kandidaten standen bereits mit den und „Zusatzqualifikation Bilanzbuchhaltung interna- reich freie Lehrstellen. Grundrechenarten auf Kriegsfuß, auch haperte es er- tional“. Ferner qualifizierte das IHK-FORUM im Rahmen heblich am schriftlichen Ausdrucksvermögen in der Landesinitiative „Fit – Fachkräfte für die Informa- Deutsch. Die IHK-Vollversammlung beschloss 2001, die tionstechnik“ von Mai 2000 bis Juni 2001 in 70 Veran- Berufsschulen im IHK-Bezirk mit 100.000 Mark zu staltungen 1.100 Teilnehmer. Ziel war es, die seinerzei- unterstützen, damit diese ihre technische Ausstattung tige Bedarfslücke beim IT-Know-how in kleineren und nachrüsten konnten. mittleren Unternehmen kurzfristig zu schließen. In die In der Weiterbildung gab es erstmals eine Koopera- gleiche Richtung wies auch die N@t-Scout-Initiative tionsvereinbarung mit dem European College of Busi- des IHK-FORUMs für Auszubildende. ness and Management, der Berufsakademie der Im Jahr 2002 betitelte der IHK-Jahresbericht das Deutsch-Britischen Handelskammer, über die Weiter- Aus- und Weiterbildungskapitel „Qualifizierte Bewer- bildung zum „Master of Business Administration“. Da- ber verzweifelt gesucht“. Nach sieben Jahren stetigen rüber hinaus verabschiedete der Berufsbildungsaus- Wachstums gingen die Zahlen der eingetragenen Aus- schuss die Rechtsvorschriften für die Weiterbildungs- bildungsverhältnisse um neun Prozent zurück, am 30. prüfungen „IT-Prozessmanager“, „Fachwirt für Tele- September 2002 standen dennoch 135 unversorgten Jugendlichen immer noch 341 freie Lehrstellen gegen- über. Die PISA-Studie dieses Jahres wie auch ihre Nach- Lernpartnerschaften folger bestätigten nur das, was IHK und Wirtschaft seit zwischen Schulen und Unternehmen bringen den Jahren anmahnten: 60 Prozent der Auszubildenden Jugendlichen den Berufs- hatten Schwierigkeiten mit den Grundrechenarten, alltag näher. auch mangelte es ihnen an Lesefähigkeit. Die IHK Düs- seldorf forcierte daher ab 2002 die Lern-Partnerschaf- ten zwischen einzelnen Unternehmen und Schulen, auch richtete sie zum besseren Verständnis beider Sei- ten füreinander den runden Tisch Hochschule/Wirt- schaft ein und bot Workshops für Studienreferendare an. Ferner machte sie 137 Lehrer der berufsbildenden Schulen kostenlos in fünf Veranstaltungen mit dem neuen Schuldrecht vertraut. Das Jahr 2003 stand im Zeichen der Diskussion um die Ausbildungsplatzabgabe, denn der Ausbildungs- markt zeigte sich nicht überall so ausgeglichen wie in Düsseldorf. Als Reaktion darauf ließ Bundesbildungs-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen 118

Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf

Danke an die Wirtschaft in der Region Düsseldorf für den besten Ausbildungsmarkt in Nordrhein-Westfalen!

DankeAuch 2004 konnte somit jedem ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt werden.

Ausbildungsplätze und -beratungsbedarfDüsseldorf für das Jahr 2005 Ende 2004 konnte die IHK Düsseldorf zufrieden fest- bitte melden unter: www.duesseldorf.ihk.de. stellen: Pakt gepackt – Damit Düsseldorf Spitze bleibt! dank des Engagements vieler Ausbildungsunter- nehmen.

ministerin Edelgard Bulmahn die Ausbildereignungs- den. Mit der Unterzeichnung des „Nationalen Paktes für verordnung für zunächst fünf Jahre aussetzen. Die IHK Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ am 16. Juni begegnete dem Vorhaben einer Ausbildungsplatzabga- 2004 verpflichtete sich die Wirtschaft, in den Jahren be mit der Kampagne „Ziehen Sie mit – werden Sie ein 2004 bis 2007 jährlich 30.000 neue Ausbildungs- und Ausbildungsbetrieb!“, der Einstellung von zwei zusätz- 25.000 neue Praktikantenstellen zur Verfügung zu stel- lichen Ausbildungsplatzwerberinnen, dem gemeinsa- len. Bereits Ende 2004 konnte IHK-Präsident Hermann men Appell von IHK-Präsident Franzen und Landes- Franzen zufrieden feststellen: „Düsseldorf hat den Pakt wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau für gepackt!“, denn der „beste Ausbildungsmarkt in NRW“ mehr Lehrstellen, der Telefon-Hotline „Bei Anruf Lehr- generierte ein Plus von 10,6 Prozent mehr IHK-Ausbil- stelle!“ wie auch der 12. Ausbildungsmesse „Berufe dungsverträgen und rund 350 Plätzen für Einstiegs- live“. Ferner war die IHK erstmals mit dem TANJA-Mo- qualifizierungen für noch nicht ausbildungsfähige Ju- NRW-Ministerpräsident dell erfolgreich, also der „Teilqualifikation als Angebot gendliche. Peer Steinbrück beim Tag für jugendliche Arbeitslose zum Einstieg in Ausbildung Neben den bewährten Werbemitteln für mehr Lehr- der Erstausbildung 2004 und Beschäftigung“. stellen setzte die IHK Düsseldorf 2004 erstmals auf den mit IHK-Präsident Her- 2004 konnte die drohende Ausbildungsplatzabga- „Tag der Erstausbildung“ für die neuen Ausbildungsbe- mann Franzen (rechts) und IHK-Hauptgeschäftsführer be vor allem durch das beherzte Engagement von triebe, auch präsentierte sich die Ausbildungsmesse in Dr. Udo Siepmann (links). DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun abgewendet wer- Kooperation mit der IHK Köln 2004 als „Berufe live Rheinland“ in völlig neuem Gewand. Die seit 2001 be- stehende Kooperation Schule-Wirtschaft im Kreis Mettmann konnte 2004 die 40. Patenschaft begrüßen. Die IHK-Vollversammlung entschied 2004, das durch den Wegfall der EU-Fördermittel in 2005 bedrohte Pro- jekt auch weiterhin im Kreis Mettmann zu unterstüt- zen. Im Jahr 2004 bereitete die IHK Düsseldorf darüber hinaus ihre Ausbildungsbetriebe konsequent auf die Neuordnung der Metall- und Elektro- sowie der Ein- zelhandelsberufe wie auch auf die des Speditions- und Logistikgewerbes vor. Nach wie vor belegt die IHK Düsseldorf auch im Jah- re 2005 den ersten Platz im Fremdsprachenprüfungs- ranking des DIHK: 45 Prüfungen in elf Sprachen nahm die IHK Düsseldorf 2004 ab. Und auch die Bilanz des IHK-FORUMs nach zehn Jahren im eigenen Weiterbil- dungszentrum kann sich sehen lassen: Von 1994 bis 2004 besuchten gut 78.000 Teilnehmer mehr als 5.000 Veranstaltungen.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Aus- und Weiterbildung: Für das Leben lernen 119

Zehn Jahre IHK-FORUM

Das IHK-FORUM wurde als Weiterbildungszentrum der IHK Düsseldorf nach anderthalbjäh- riger Bauzeit am 1. April 1994 an der Karlstraße 88 eröffnet. Seit- dem haben mehr als 78.000 Teil- nehmer rund 5000 Seminare und Lehrgänge besucht. Die IHK ar- beitet im IHK-FORUM mit knapp 250 Dozenten zusammen, die über langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung verfü- gen und aus der Praxis für die Praxis unterrichten. Das IHK-FO- RUM verfügt über folgende Räu- me und technische Ausstattung: Die Mitarbeiter des IHK- Raumangebot: Ehrenamtliches Engagement FORUMS unter Leitung von IHK-Geschäftsführerin Mechthild Teupen (rechts) • 1 Raum für 52 Personen Ohne die tatkräftige, ehrenamtliche Unterstüt- machen sich seit zehn • 2 Räume für 40 Personen zung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertre- Jahren für die berufliche • 6 Räume für 29 Personen tern sowie von Berufschullehrern in den Prüfungs- Weiterbildung stark. • 2 Räume für 27 Personen ausschüssen der IHK-Aus- und Weiterbildung wä- • 1 Raum für 25 Personen re die Abnahme von Prüfungen in der beruflichen • 3 Räume für 18 Personen Bildung nicht möglich. Ferner wäre das effiziente, • 2 Räume für 15 Personen praxisnahe und kostengünstige „Duale System der • 1 Raum für 10 Personen Berufsausbildung“ nicht umsetzbar, wenn die IHK • 1 Videostudio für 15 Personen in der Vorbereitung neuer Berufsbilder oder • 1 modernes PC-Studio mit 14 Plätzen Weiterbildungsmaßnahmen, bei der Aufgabener- • 1 Konferenzraum für 14 Personen stellung oder bei der Formulierung der entspre- • 1 Gruppenraum für 8 Personen chenden Rechtsvorschriften für Prüfungen nicht • Caféteria auf das Know-how ihrer Ehrenamtler setzen könn- te. Im Jahre 2005 standen der IHK Düsseldorf Technische Ausstattung: 1.852 Prüferinnen und Prüfer in Alle 21 Seminarräume entsprechen mit ihrer an- 439 Prüfungsausschüssen für spruchsvollen Ausstattung den Anforderungen an 154 Ausbildungsberufe und für ein erwachsenengerechtes Lehren, Lernen und Prä- 70 Weiterbildungsabschlüsse sentieren. Sie sind ausgerüstet mit - Tageslichtprojektor mit Rat und Tat zur Seite. Die IHK Düsseldorf wür- - Flipchart digt dieses Engagement seit 1977 mit der Verlei- - Whiteboard/ Tafel hung der Silbernen Ehrennadel für zehnjährige - Projektionsflächen Prüfertätigkeit beziehungsweise mit der Goldenen - Metaplanwänden Ehrennadel für 15-jährige ehrenamtliche Tätigkeit. - Haustelefon - Beamer - Monitore

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 120 Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und rede darüber

Öffentlichkeits- arbeit: Tue Gutes und rede darüber Im WDR Fernsehen 1967: Wirtschaftsgespräch zur freien Marktwirtschaft mit Professor Dr. Ernst Schneider (Mitte).

„… Wirtschaft betreibt man nicht im luftleeren Raum, reihen, die Kammer-Zeitschrift und weitere Publikatio- sondern immer in einer staatlichen und gesellschaft- nen, die Kontaktpflege zu Presse, Funk und Fernsehen, lichen Ordnung“, so lautete die Feststellung von IHK- Pressemeldungen und -gespräche, Aufkleber, Plakate Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Schneider 1954. Früh und Flyer, Messen und Ausstellungen, Telefon, Btx, hatte Schneider darüber hinaus erkannt, wie wichtig es Faxabruf und Internet. Die IHK Düsseldorf hat sie alle für die Wirtschaft ist, das Räderwerk Staat zu kennen in den 175 Jahren ihres Bestehens genutzt, wie der fol- und seine Prozesse zu begreifen. Noch wichtiger aber gende Rückblick zeigen mag. erschien es dem Unternehmer Schneider, die Spielre- Bereits das Gründungsstatut der „Königlichen Han- geln der öffentlichen Meinungsbildung zu beherr- delskammer für Düsseldorf“ vom 23. Mai 1831 legte die schen, um sich einzubringen, um mitzugestalten und Informationspflicht der IHK in Paragraph 7 fest: um Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Unter- „Die Handels-Kammer erstattet alljährlich, im Mo- nehmern das Leben leichter machen. nat Januar, einen Hauptbericht über die Lage und Dabei verfügt die IHK im den Gang des Handels, der Fabriken und der Schiff- vielstimmigen Chor der an fahrt an das Ministerium des Innern für Handels- der „Meinungsmache“ be- und Gewerbe-Angelegenheiten und faßt darin ih- teiligten gesellschaftlichen re Wünsche und Anträge in dieser Beziehung zu- Gruppen nur über eine Stim- sammen.“ me. Um so wichtiger ist es, dieser an einem pulsieren- Und auch das IHKG von 1956 verpflichtet die Kam- den Wirtschaftsstandort wie mern in Paragraph 1 „… für die Förderung der gewerb- Düsseldorf mit seiner viel- lichen Wirtschaft zu wirken“. Zu diesem Auftrag gehört fältigen Medienlandschaft auch die Mitglieder-Information, und zwar nicht nur in Gehör zu verschaffen, indem Form des IHK-Tätigkeits- oder Jahresberichtes. Viel- der „Instrumentenkasten“ mehr gilt es in erster Linie, die kammerzugehörigen Ge- richtig eingesetzt wird. Zu werbetreibenden über alle wirtschaftlich relevanten den Werkzeugen der IHK- Fragen, also über Wirtschaftslage, Gesetzgebung, Öffentlichkeitsarbeit gehör- Rechtsprechung, regionale Entwicklungen, internatio- ten und gehören: Vorträge nale Einflüsse etc. kontinuierlich zu informieren. und Veranstaltungen, Denk- Wie wichtig der jährliche Bericht zu Beginn der schriften, Stellungnahmen Handelskammertätigkeit war, zeigte sich bereits 1836, und Gutachten, Lage- und als die Regierung seine Herausgabe – angeblich aus Ko- Jahresberichte, Merkblätter, stengründen – untersagte. Darauf ließ in den nächsten Broschüren und Schriften- beiden Jahren das Interesse an den Handelskammer-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und rede darüber 121

wahlen merklich nach – was Präsident Baum eindeutig auf die fehlenden Tätigkeitsberichte zurückführte. Ab 1839 wurde die Herausgabe des jährlichen Tätigkeits- berichtes der Handelskammer denn auch wieder er- laubt. Während des 19. Jahrhunderts fand die Öffentlich- keitsarbeit der Handelskammer ihren Niederschlag in Veranstaltungen, viel beachteten Vorträgen, die in ge- druckter Form weit über den Kammerbezirk hinaus Ver- breitung fanden, in Denkschriften – aber auch in An- zeigen und kleineren Zeitungsbeiträgen in den Tages- zeitungen im In- und Ausland, um beispielsweise für die großen Ausstellungen in Düsseldorf zu werben. Erst im 20. Jahrhundert „verstetigte“ sich die Infor- mation der kammerzugehörigen Unternehmen durch die Herausgabe der halbmonatlich erscheinenden Kam- merzeitschrift „Wirtschaft und Verkehr“ seit 1923. Vorläufer von „Wirtschaft und Verkehr“ waren die Publikationen der IHK „Monatsschrift“ (1905 bis 1917), die „Wochenschrift“ Düsseldorf 1905 bis 1923. (1918 bis Juni 1920) und seit Juli 1920 die „Wirt- schaftszeitung“ beziehungsweise ab 1922 die „Rheini- sche Wirtschaftszeitung“. Seit 1947 wuchs der Pressedienst der IHK kontinu- Die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der IHK ierlich. So ist im Jahresbericht nachzulesen, dass „die Düsseldorf zählte zum „Wirkungsfeld“ der Kammer un- Kammer laufend Mitteilung über wichtige wirtschaft- ter der Rubrik „Allgemeiner Wirtschaftsdienst“ unter liche Ereignisse des Düsseldorfer Raumes an Presse und anderem die „Monatsberichte über die Wirtschaftsla- Rundfunk“ gab, „die (so der Wortlaut im Jahresbericht ge“, die „Jahresberichte“, die „Halbmonatsschrift Wirt- 1949) sich aus der Kammerarbeit jeweils ergeben und schaft und Verkehr“, die „Bücherei und das Lesezim- deren Kenntnis beziehungsweise deren Erörterung für mer“, den „Pressedienst“ sowie „Merkblätter für wich- die öffentliche Meinungsbildung zweckmäßig er- tige Vorgänge des Wirtschaftslebens“. scheint.“ Während der NS-Zeit erschien „Wirtschaft und Ver- Mit Jahresbeginn 1950 knüpfte die IHK an ihre Vor- kehr“ letztmalig am 15. März 1937, bis zum Ende des kriegs-Zeitschrift „Wirtschaft und Verkehr“ wieder an Dritten Reiches ging die Kammerpublikation in der und bemerkte dazu: „Ruhr und Rhein Wirtschaftszeitung“ auf. „Darüber hinaus ist die Kammer dazu übergegan- Doch schon 1946 – Papier war knapp – meldete sich gen, dem Mitteilungsblatt neuerdings ein betontes die IHK mit monatlichen „Mitteilungen“ und einem Lokalkolorit zu geben. Den Lesern des Blattes soll Jahresbericht zurück, der festhielt: damit die Wirtschaft des Kammerbezirks mit ihren „Von besonderer Bedeutung waren die Aufgaben aus dem Gesamtrahmen des Düsseldorfer Wirt- der Kammer auf dem Gebiet der Berichterstattung schaftslebens hervorragenden Betrieben und Per- an maßgebliche Dienststellen und der Unterrich- sönlichkeiten näher bekannt gemacht werden.“ tung der Wirtschaft sowie der Öffentlichkeit über Rundfunk und Presse.“ Den Kontakt zu den Medienvertretern pflegte die IHK in (Presse-)Gesprächen, der Vermittlung von Inter- Der Jahresbericht bezog sich ferner auf mehrere La- view-Partnern, über Einladungen zu den Vollversamm- geberichte, Denkschriften, Gutachten und Schriften- lungssitzungen, zu den Empfängen des konsularischen reihen und erklärte dazu: Korps und zu anderen Veranstaltungen sowie über klei- "Zwecks Information der Öffentlichkeit über die nere Journalistentouren, etwa zur Besichtigung mo- wichtigsten Vorgänge in der Düsseldorfer Wirt- derner Arbeitersiedlungen (1951), des Düsseldorfer schaft unterhält die Kammer ständig Verbindung Obst- und Großmarktes (1952) oder zu Düsseldorfer mit dem Westdeutschen Rundfunk sowie der maß- Galerien (1953). Ferner ermöglichte sie es den Journa- geblichen Presse in der britischen Zone." listen, mit den hochrangigen internationalen Gästen

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 122 Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und rede darüber

der Kammer ins Gespräch zu dium 1963 die Bildung eines „Sonderreferates Öffent- kommen, etwa mit einem US- lichkeitsarbeit“, das sich fortan um die Redaktion von amerikanischen Vertreter zur In- „Unsere Wirtschaft“ und „Schnelldienst“ sowie um die tensivierung der deutsch-ameri- Kontaktpflege zu Presse, Funk und Fernsehen zu küm- kanischen Wirtschaftsbeziehun- mern hatte. Dem vorausgegangen war ein Sonderheft Die Ausgaben des IHK- gen oder dem persönlichen Berater des belgischen Mi- von UW anlässlich der britischen Woche in Düsseldorf Magazins „Unsere Wirt- nisterpräsidenten über die Auswirkungen der Montan- im Mai 1963, das sich eingehend mit den deutsch-bri- schaft“ von 1967, 1981 und 1993 passierten vor union. Dankbar nahm die IHK die steigende Zahl der tischen Handelsbeziehungen, der EWG-EFTA-Situation, der Drucklegung Pressetreffer zur Kenntnis, größte Aufmerksamkeit er- der Managementausbildung und -forschung in Eng- den Beleuchtungstisch. zielte beispielsweise mit elf Abdrucken der vierteljähr- land und der Arbeit des britischen Rates für industriel- liche Lagebericht (1953) oder die Ausführungen von le Formgebung befasst hatte. Die – wie der IHK-Jah- Präsident Schneider zur Steuerreform in der Vollver- resbericht 1963 festhielt – „recht kritischen Gedanken sammlung 1954, über die allein 42 Zeitungen berich- zur Pflege des deutschen Marktes“ wurden eingehend teten. von führenden deutschen und britischen Tageszeitun- Im gleichen Jahr stellte die IHK die Erscheinungs- gen wie der FAZ, der Times und dem Guardian aufge- weise ihres Magazins „Wirtschaft und Verkehr“ von 20- griffen, und auch der britische Handelsminister Heath täglich auf monatlich um, dafür gab es erstmals einen machte sie zum Gegenstand seiner Pressekonferenz in zweiseitigen „Schnelldienst“, der zunächst nach Bedarf, Bonn. später dann wöchentlich erschien, und die Unterneh- Seit 1967 hatte UW ein zweifarbiges – allerdings men mit aktuellen, geldwerten Informationen belie- immer gleiches – Titelbild, auch änderte sich die Typo- ferte. graphie. Zwei Jahre später reüssierte die Zeitschrift Um die „Verbindung der Kammern zu Rundfunk und kontinuierlich mit Heften zu Länderschwerpunkten in- Fernsehen zu verstärken“ beteiligte sich die IHK Düs- klusive der begehrten Firmenlisten mit ausländischer seldorf engagiert an der Gründung der „Kammerge- Kapitalbeteiligung – diese wurden zu einem Marken- meinschaft Öffentlichkeitsarbeit der nordrhein-west- zeichen von „Unsere Wirtschaft“. 1970 setzte die IHK fälischen Industrie- und Handelskammern“ im Jahre endgültig auf monatlich wechselnde, vierfarbige Titel- 1959. bilder, der „Schnelldienst“ erschien fortan vierseitig. Kein Aprilscherz war die Umstellung der IHK-Zeit- Im darauf folgenden Jahr entschied die Redaktion, schrift „Wirtschaft und Verkehr“ auf den neuen Titel künftig stärker regionale Ereignisse und Strukturunter- „Unsere Wirtschaft“ (UW) zum 1. April 1960, der seit suchungen in der Zeitschrift zu veröffentlichen. 1972 dieser Zeit auch die Quartalsberichte zur Lage der Wirt- erschienen erstmalig als „Zwillingsbruder“ des Schnell- schaft enthielt. Der Jahresbericht 1960 vermerkte ein dienstes die „Informationen“, die monatlich seinerzeit zunehmendes Interesse ausländischer Journalisten: So rund 8.000 nicht im Handelsregister eingetragene Fir- besuchten in jenem Jahr Pressedelegationen aus Finn- men über Steuern, Recht, Transport und Verkehr, Post- land, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Fernmeldewesen, Aus- und Weiterbildung, Preis- und den USA die IHK. und Lebenshaltungskostenindex sowie über Insolven- Um der gestiegenen Bedeutung der Öffentlich- zen informierten. Im gleichen Jahr wurden die 12.000 keitsarbeit Rechnung zu tragen, beschloss das Präsi- Bezieher von UW zu ihrer Zufriedenheit mit diesem Me-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Öffentlichkeitsarbeit: Tue Gutes und rede darüber 123

dium befragt: 78 Prozent waren mit der IHK-Zeitschrift Vierfarbigkeit, auch Format und Typo- sehr zufrieden oder zufrieden, 77 Prozent lasen jedes graphie wurden ständig angepasst. Heft und 50 Prozent archivierten es sogar. Seit 2002 enthielt die IZ vier Mal im 1974 wurden die UW-Hefte mit Schwerpunktthe- Jahr als Mittelbeihefter die achtseiti- men parallel über Pressekonferenzen vermarktet, 1979 gen „Informationen für Kleingewer- der IHK-Arbeitskreis „Information und Kommunika- betreibende“, die 15.000 Mal ge- tion“ gegründet, um Vertretern der Werbewirtschaft, sondert fortgedruckt wurden, und aus Verlagen und Pressestellen der Unternehmen eine seit 2004, ebenfalls vier Mal im Plattform für den Erfahrungsaustausch zu bieten. Jahr, die achtseitige Publikation Von Juni 1980 bis Dezember 1982 beteiligte sich die „berufsbildung aktuell“ (ebenfalls IHK Düsseldorf an einem Feldversuch mit Bildschirm- mit Fortdruck), die seit 1983 text im Raum Düsseldorf/Neuss bei 2.000 privaten selbstständig und unregelmäßig Haushalten und 1.000 gewerblichen Nutzern. Unter der erschienen war. Leitseite 549 präsentierte die IHK auf 350 Seiten ihr Das aber ist auch schon fast breites Serviceangebot, das in der Versuchszeit 8.550 wieder Geschichte: Ab Januar Mal abgerufen wurde. Trotz der viel versprechenden Er- 2006 wird die IHK Düsseldorf gebnisse wurde das Btx-Angebot nicht weiter verfolgt, zu einer professionell gestalteten Monatszeit- weil die technische Entwicklung mit Telefax und später schrift, dem „IHK-Magazin“, zurückkehren. Die schnel- den Online-Angeboten es schlichtweg überflüssig le und aktuelle Information der Mitglieder – ein Haupt- machten. argument für die Einrichtung des „Schnelldienstes“ Nach mehreren inhaltlichen und optischen Überar- 1972 – wurde bereits seit 1996 durch das Internet und beitungen verschmolzen die IHK-Publikationen „Unse- zwischenzeitlich durch den Fax-Abruf (1997 bis 2004) re Wirtschaft“ und „Schnelldienst“ 1998 zur 14-täglich abgelöst. Der IHK-Internetauftritt, 2002 zum ersten erscheinenden „IHK-Zeitung“ (IZ). Die „Informationen“ Mal „relaunched“, wird sich ab Mitte 2006 abermals wurden bereits Ende 1993 eingestellt, da ab 1994 der rundum erneuert präsentieren: Noch nutzerfreund- „Schnelldienst“ in erhöhter Auflage versandt wurde. licher, bequemer und vielfältiger als bisher. Und auch die „IHK-Zeitung“ wurde kontinuierlich über- Neben all diesen Änderungen bleibt für die IHK – arbeitet: Von anfänglich nur einer Schmuckfarbe auf und insbesondere für ihre Öffentlichkeitsarbeit – die ständige Erreichbarkeit für ih- re Kunden das oberste Gebot Auch online erreichbar: – sei es über Telefon, Telefax Seit 1996 ist die IHK Düs- seldorf im Internet vertre- und E-Mail oder im persön- ten. lichen Gespräch. Als erste An- laufstelle fungiert seit De- zember 1997 das „Infoyer“ oder jetzt das Service-Center der IHK im Erdgeschoss. Und weil Klappern eben nicht nur zum Handwerk, son- dern auch zur Öffentlichkeits- arbeit einer Industrie- und Handelskammer gehört, regi- striert die IHK Düsseldorf seit Jahren ein kontinuierlich stei- gendes Presse-Echo – mit ei- ner durchweg fairen Bericht- erstattung in den Medien.

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 124 Selbstverständnis und Gremien: Wie die IHK funktioniert

Sie stehen heute an der Spitze des „Parlaments der Wirtschaft“: Das IHK-Präsidium beim Jahresempfang 2005 mit Gastredner Dr. Wolfgang Huber (4. von rechts). Selbstverständnis und Gremien: Wie die IHK funktioniert

Selbstverständnis Das „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der scheidende Voraussetzungen für die Wahrnehmung Industrie- und Handelskammern“ aus dem Jahre 1956 eines solches Mandates sind Unabhängigkeit von Ein- definiert den Aufgaben- und Tätigkeitsbereich der In- zelinteressen, Freiheit von staatlichen Einflüssen sowie dustrie- und Handelskammern in der Bundesrepublik Rechts- statt Fachaufsicht. Deutschland – auch für die IHK Düsseldorf. Das Gesetz Der Gesetzgeber gewährt aber mehr: „Statt Staat“ greift das entscheidende Motiv der Kaufleute auf, die heißt das Prinzip, nach dem die IHKs öffentlich-recht- sich 1831 und schon in den Jahren zuvor für die Grün- liche Aufgaben wahrnehmen, so zum Beispiel in der dung der Düsseldorfer Kammer stark gemacht hatten: dualen Berufsausbildung. Vor allem in der praxisnahen Sie wollten ihre eigenen Geschicke in die Hand neh- Ausrichtung der Berufsbildung in den Betrieben, dem men! Dies ist im Kern die Idee der wirtschaftlichen breiten, ehrenamtlichen Engagement in den Prüfungs- Selbstverwaltung. ausschüssen und der kostengünstigen Erledigung die- Die Industrie- und Handelskammern haben – so will ser Aufgabe liegt der Vorteil dieser Lösung. es der Gesetzgeber – das Gesamtinteresse aller Gewer- Die IHK Düsseldorf versteht sich darüber hinaus als betreibenden ihres Bezirkes zu vertreten. Dies schließt Dienstleister für ihre Unternehmen, ganz im Sinne des die Wahrnehmung von Einzelinteressen einer Branche, gesetzlichen Auftrages „für die Förderung der gewerb- wie sie etwa für die Fachverbände typisch ist, von vorn- lichen Wirtschaft zu wirken“. herein aus. Das heißt nichts anderes, als dass die IHK- Die heutige IHK erledigt ihre Aufgaben mit rund Politikberatung auf einem breiten Mandat fußt. Ent- 125 Mitarbeitern, davon sind acht in der Zweigstelle

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Velbert und sieben im IHK-FORUM, dem Weiterbildungszentrum der IHK an der Karlstraße, tätig, alle übrigen in der Hauptstelle in der Düsseldorfer City am Ernst-Schnei- der-Platz 1. Seite 1977 umfasst der IHK-Be- zirk die Landeshauptstadt Düssel- dorf und den gesamten Kreis Mett- mann. Auf einer Fläche von 62.409 Seit jeher pflegt die IHK den Dialog mit Politik und Verwal- Hektar leben in diesem Wirt- tung: So etwa Präsident schaftsraum 1.078.510 Menschen. Dr. Ernst Schneider 1960 im Die rund 70.000 Mitglieder des Gespräch mit Bundeswirt- IHK-Bezirkes erwirtschaften einen schaftsminister Ludwig Erhard … (Bild links) … oder Gewerbeertrag, mit dem die IHK 2004 Präsident Hermann unter den 81 IHKs in der Bundesre- Franzen mit Ministerpräsi- publik an fünfter Stelle rangiert. dent Peer Steinbrück. Über die künftige Rolle der In- dustrie- und Handelskammern hat es in den vergange- bekräftigte sie, dass sie für „rheinüberschreitende“ In- nen Jahren immer wieder neue politische Kontroversen dustrie- und Handelskammern eintrete. Hintergrund gegeben. Die Bundesregierung hat in einem umfang- dieser Resolution war der Wunsch, die IHK Neuss zu in- reichen Antwortkatalog zu einer Anfrage der CDU/ tegrieren, da deren Wirtschaftsgebiet besonders eng CSU-Fraktion vom 28. Mai 2004 ausführlich begrün- mit Düsseldorf verflochten war. Die Regierung be- det, warum der Gesetzgeber auch künftig an den In- schloss jedoch eine einheitliche linksrheinische IHK dustrie- und Handelskammern festhalten sollte. (Mittlerer Niederrhein). Die Landesregierung strebte schließlich die De- Der neue IHK-Bezirk seit 1977 ckungsgleichheit mit den neuen Kreisgrenzen an, die Der Bezirk der IHK umfasste nach 1945 neben der Stadt im Grundsatz auch die Unternehmer der Düsseldorfer Düsseldorf den Landkreis Düsseldorf-Mettmann mit Vollversammlung teilten. Damit umfasste der IHK-Be- den Städten Hilden, Kettwig und Ratingen sowie den zirk seit April 1977 das Stadtgebiet Düsseldorf und den Gemeinden Angermund, Breitscheid, Eckamp, Egger- kompletten Kreis Mettmann. scheidt, Erkrath, Hasselbeck, Hösel, Homberg-Bracht- Bellscheid, Hubbelrath, Lintorf, Meiersberg, Metzkau- sen und Wittlaer. Die lange und intensiv diskutierte kommunale Neu- ordnung in Nordrhein-Westfalen trat am 1. Januar 1975 in Kraft. Sie brachte nicht nur tief greifende Ver- änderungen in den kommunalen Verwaltungsstruktu- ren, sondern sie hatte – mit zweijähriger Verzögerung – auch Auswirkungen auf den Zuschnitt des IHK-Be- zirkes. Die Eingemeindung Kettwigs nach Essen war der bedeutendste Gebietsverlust für den Landkreis Düssel- dorf-Mettmann. Die IHK hatte sich für die Eigenstän- digkeit der Stadt eingesetzt. Von dem ehemaligen Rhein-Wupper-Kreis kam aber die nicht minder be- deutende Stadt Langenfeld zum neuen Kreis Mettmann wie auch Monheim schließlich doch als selbstständige Gemeinde zum Kreis gelangte. Die Vollversammlung begrüßte Ende 1975 die Plä- ne des Landeswirtschaftsministers, die IHK-Bezirke zum 1. Januar 1977 neu zu ordnen. In einer Stellungnahme

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 126 Selbstverständnis und Gremien: Wie die IHK funktioniert

der IHK Wuppertal war. Die Zweigstelle wurde 1989 umfassend renoviert. Neu entstanden ist 1994 schließlich das Weiterbil- dungszentrum der IHK, das „IHK-FORUM“ an der Karl- straße 88 mit insgesamt 22 Seminarräumen. Das nach dem Krieg wieder aufgebaute Gebäude der IHK an der Graf-Adolf- Gremien Straße. Industrie- und Handelskammern sind Organisationen Heute steht das Haupt- der Wirtschaft für die Wirtschaft. Die Unternehmer gebäude der Kammer am treffen hier Entscheidungen für Unternehmer. Und da- Ernst-Schneider-Platz (Bild Mitte). Gebäude der IHK mit auch ausgeführt wird, was entschieden wurde, zie- Die IHK-Zweigstelle in Nach dem Kriege bezog die IHK zunächst im Gebäude hen ehrenamtlich engagierte Unternehmer mit den Velbert (Bild rechts). der Commerzbank an der Benrather Straße 19 ihr ers- hauptamtlichen Mitarbeitern in der IHK an einem tes Quartier, im August 1946 zog sie in die Räume der Strang. C. & A. Brenninkmeyer an der Schadowstraße 79/85. Die eigenen Geschicke in die Hand zu nehmen – die 1949 fand sie Büros in der Bahnstraße 47 und für eini- prägnante Zielsetzung der Kaufleute aus der Gründer- ge Abteilungen in der Graf-Adolf-Straße 22. Im Jahre zeit der Kammern – spiegelt sich in der Vollversamm- 1951 war es dann soweit: Das 1943 zerstörte bisherige lung wider. Dieses „Parlament der Wirtschaft“, das die eigene Gebäude an der Graf-Adolf-Straße war wieder regionalen und sektoralen Gewichte des IHK-Bezirkes errichtet worden. abbildet, hat auch heute noch alle wichtigen Entschei- Im Jahre 1954 nahm die IHK mit der Rheinisch- dungen in der Hand. Das Budgetrecht, das Satzungs- Westfälischen Börse, die im Wilhelm-Marx-Haus unter- recht, aber auch alle grundsätzlichen Themen der IHK- gebracht war, Planungen für einen gemeinsamen Neu- Arbeit liegen bei der Vollversammlung. Sie wählt den bau in Angriff. Nach einem Architektenwettbewerb Präsidenten, die acht Vizepräsidenten und den Haupt- wurde das neue Gebäude nach Plänen der Hamburger geschäftsführer. Architekten Gutschow und Nissen auf dem Gelände des Ehrenamtliches Engagement ist in den Ausschüssen ehemaligen Hindenburg-Gymnasiums an der Ecke Ber- der IHK gefragt. Sie sind der Ort fachlichen Austausches liner Allee/Immermannstraße errichtet. Die IHK bezog für alle Branchen. Handel, Industrie, Verkehrsgewerbe das zwölfstöckige neue Hochhaus, die Börse bezog den und andere Wirtschaftszweige beraten die Geschäfts- flachen, lang gestreckten Teil des Gebäudekomplexes. führung, informieren sich wechselseitig über Trends im Die erste Vollversammlung fand am 21. November 1957 Geschäft, stellen politische Forderungen und suchen im neuen Gebäude statt. den direkten Dialog mit Politik und Verwaltung. Zunächst hatte im Erdgeschoss des Hochhauses Der Finanzausschuss der IHK kümmert sich um den Mercedes-Benz Ausstellungsräume belegt. Ab 1964 Haushalt, die Beitragssätze und Gebühren. Für Düssel- plante die IHK deren Umbau in den heutigen Ernst- dorf und die Gemeinden im Kreis Mettmann gibt es Schneider-Saal, der 1965 eingeweiht wurde. Ab dem „Querschnittsgremien“, Regionalausschüsse, die sich Jahre 2000 wurde das Börsengebäude zu einem Büro- zum Beispiel mit Fragen der Stadtentwicklung, der gebäude, aber auch der Eingangsbereich umfassend Kommunalwirtschaft und der Verkehrspolitik ausein- umgebaut, nachdem der Parketthandel dem elektroni- ander setzen. schen Handel weichen musste. Der Berufsbildungsausschuss – er ist drittelparitä- Ein sichtbarer Teil der kulturellen Unterstützung des tisch mit Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Lehrerver- Stadtbildes durch IHK und Börse ist die Röhrenplastik tretern besetzt – kümmert sich um Fragen der Berufs- von Erich Hauser vor dem Gebäude. Das Kunstwerk bildung, so wie es das Berufsbildungsgesetz vorsieht. wurde als Schenkung beider Institutionen an die Stadt Anzahl, fachliche Ausrichtung und inhaltliche am 30. Juni 1971 übergeben. Schwerpunkte der Ausschüsse haben sich nach dem Mit der Neugliederung des IHK-Bezirkes im Jahre Kriege häufig verändert. Hinzu gekommen sind Ar- 1977 kam als weiteres Gebäude die Zweigstelle in Vel- beitskreise, so zum Beispiel für den Automotive-Sektor, bert an der Nedderstraße 6 hinzu, die zuvor Eigentum die Immobilienwirtschaft, die Softwarebranche, die

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Umwelttechnik und für Experten des Zoll- und Außen- Überregionales Engagement wirtschaftsrechts. Daneben gibt es – je nach aktueller in den wichtigen wirtschaftspoli- Fragestellung – immer wieder Ad-hoc-Arbeitsgruppen, tischen Fragen ist das Metier der deren fachlicher Rat, etwa zur aktuellen Bauleit- und Dachverbände der IHK-Organisa- Verkehrsplanung, in die IHK-Arbeit einfließt. tion. Die landespolitischen Inte- Ehrenamtliches Engagement spielt sich aber in ganz ressen vertritt die Vereinigung der Industrie- und Han- Anerkennung für langjähri- besonderem Maße auch in den Prüfungsausschüssen delskammern in Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düs- ges ehrenamtliches Engagement: Prüferehrung für die berufliche Erstausbildung und Weiterbildung ab. seldorf. Die bundes- und europapolitische Interessen- in der IHK. In den über 500 Prüfungsausschüssen der IHK Düssel- vertretung liegt beim Deutschen Industrie- und Han- dorf wirken rund 1.850 Praktiker aus den Betrieben und delskammertag in Berlin und Brüssel. Zahlreiche Unter- Berufskollegs des IHK-Bezirkes mit. nehmer aus dem IHK-Bezirk engagieren sich ebenfalls Gemeinsam vertreten Präsident und Hauptge- ehrenamtlich in den Gremien dieser Verbände. schäftsführer die IHK nach außen – auch in Rechtsge- schäften. Wirtschaftsjunioren Mitte 1950 rief die IHK zur Gründung eines „Junioren- Clubs“ auf. Die Idee fiel bei den „Söhnen und Töchtern von Kaufleuten des Kammerbezirks, die auch den Kauf- V O L L V E R S A M M L U N G mannsberuf ergreifen wollen“, auf fruchtbaren Boden: P R Ä S I D I U M Am Ende des Jahres hatte der junge Verein bereits 63 Mitglieder. Präsident Die Wirtschaftsjunioren, die nach einer Satzungs- änderung rasch auch Mitglieder aus dem Kreise „der Vizepräsidenten Unternehmer-, der Führungs- und der Führungsnach- wuchskräfte“ aufnahmen, bauten Arbeitskreise auf. In Hauptgeschäftsführer den 1970er Jahren standen neben den Themen „Schu- le und Wirtschaft“ und „Existenzgründungsberatung“ Fachausschüsse auch soziale Fragestellungen im Vordergrund. Finanzausschuss der Vollversammlung, 1990 entstanden im Kreis Mettmann die Wirt- Außenwirtschaftsausschuss, schaftsjunioren Niederberg. Eines ihrer erfolgreichsten Einzelhandelsausschuss, Großhandelsaus- Projekte ist die Juniorwelt e. V., ein Betriebskindergar- schuss, Ausschuss für Tourismus, ten für die Mitarbeiter Velberter Unternehmen, dessen Kongress- und Ausstellungswesen, Gründung 1996 auf die Initiative der Junioren zurück- Ausschuss für das Handelsvertreter- und ging. Er ist bis heute als eigenständiger Verein aktiv. Handelsmaklergewerbe, Industrieausschuss, Auch heute noch zeichnen sich die Juniorenkreise Ausschuss für Umweltschutz, durch vielfältige Aktivitäten aus. Über die inzwischen Rechtsausschuss, Ausschuss für die Bestellung traditionellen Themen „Schule und Wirtschaft“ und von Sachverständigen, „Existenzgründungsberatung“ hinaus engagieren sie Ausschuss für Verkehr und Logistik, sich in Fragen der Stadt- und Regionalentwicklung und Mittelstandsausschuss, pflegen intensive internationale Kontakte. Berufsbildungsausschuss Dabei sind die Wirtschaftsjunioren eigenständige Vereine geblieben. Die Idee von 1950, dass die IHK als IHK-Ausschüsse „Mentor“ der Junio- Düsseldorf – Erkrath – Haan-Hilden – Heili- Traditionell einer ren fungiert, gilt der Schwerpunkte genhaus – Langenfeld-Monheim – noch immer: Heute der Arbeit der Mettmann-Wülfrath – Ratingen – Velbert unterstützt die Kam- Wirtschaftsjunio- mer die Juniorenar- ren: Existenzgrün- Arbeitskreise dungsberatung beit durch die Erledi- 1985. Automotive Rheinland, Immobilienwirtschaft, gung administrativer Life Sciences, Software, Umwelt-Rheinland, Aufgaben. Zoll- und Außenwirtschaft

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 128 Und die Zukunft?

Globalisierung wird auch den Dienstleistungssektor erfassen. Und die Zukunft?

an die Veränderungen in der internationalen Wirt- schaft, in Technik und Gesellschaft flexibel anpasst“, so IHK-Präsident Hermann Franzen. „Die Arbeit der Kammer muss den Mitgliedern transparent sein, sie müssen verstehen, wofür das Bud- get eingesetzt wird. Die breite Rückkopplung mit den Mitgliedsunternehmen, die über eine Mitwirkung in den Gremien gesichert wird, muss Maßstab aller IHK- Aktivitäten bleiben.“ Für die einzelnen Geschäftsfelder zeichnen sich für die Zukunft schon jetzt wesentliche Trends ab, die die IHK in ihre Arbeit aufnehmen wird: In der Standortpolitik wird der Bedarf an inter- kommunaler Kooperation wachsen. Gerade die Ansied- lung großflächiger Einzelhandelsbetriebe, aber auch die Frage, welche Konzepte für brachliegende Indu- strie-Grundstücke zu regional verträglichen Lösungen führen, wird an Aktualität gewinnen. Hier ist die IHK als Auch künftig wird die IHK „Sind die IHKs ein Auslaufmodell, oder haben sie eine Organisation der Wirtschaft gefragt, neue Koopera- den Dialog mit Vertretern Zukunft?“ So lässt sich manche der politischen Kontro- tionsformen der Gebietskörperschaften zu initiieren. der Politik aus Region, Land und Bund pflegen. versen über die Industrie- und Handelskammern in der Eine große Herausforderung wird die bevorstehende Das Foto zeigt Landrat Nachkriegszeit zuspitzen. umfangreiche Verwaltungsstrukturreform sein, die ei- Thomas Hendele (rechts) „Zukunft kann eine Organisation nur dann haben, ne engere Kooperation innerhalb des Rheinlandes er- mit IHK-Präsident Her- wenn sie nicht statisch an Strukturen und Aufgaben fordert. mann Franzen beim Hissen der Kreisfahne vor dem festhält, die durch den Wandel der Wirtschaft überfäl- Im Zuge der Verwaltungsvereinfachung und Entbü- IHK-Gebäude 2005. lig geworden sind. Die Kammer kann ihre Zukunftsfä- rokratisierung können für die Kammern besondere higkeit nur sichern, wenn sie sich wie ein Unternehmen Chancen in der Übernahme solcher öffentlich-recht-

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Und die Zukunft? 129

licher Aufgaben liegen, die eine besondere Nähe zum Unterneh- menssektor aufweisen. Die internationalen Aktivitä- ten der IHK werden auch künftig im Zeichen der Globalisierung stehen. Diese nicht zu einer Ein- bahnstraße, sondern sie auch zu neuen Wertschöpfungschancen in der Region werden zu lassen, bleibt eine wichtige IHK-Aufga- be. Die neuen Wachstumsmärkte in Osteuropa und Asien werden auch für Unternehmen und Bran- chen, die bislang „außen vor“ wa- ren, an Bedeutung gewinnen. Diese in schwierige Märkte „zu begleiten“, wird eine Aufgabe der IHK sein. Die berufliche Aus- und Weiterbildung wird sich nach der aktuellen Durststrek- soweit sich die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht Kooperation mit den ke im Ausbildungsmarkt schon sehr bald mit dem de- wesentlich verändern. Aber auch die Frage, welche Ver- Nachbarkammern wird bei der IHK Düsseldorf groß mografischen Wandel auseinander zu setzen haben. Die änderungen neue Gesetze dem Unternehmer besche- geschrieben: Etwa bei der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft wird ren, wird akut bleiben. Nicht zuletzt wird den EU-Ver- Berufe live Rheinland, die auch künftig von der ausreichenden Versorgung mit ordnungen und -Richtlinien mehr Aufmerksamkeit als zusammen mit den Kölner gut ausgebildeten Fachkräften abhängen. Duale Erst- bisher zuteil werden müssen. Kollegen initiiert wird, oder beim Internetportal Regio- ausbildung mit beruflicher Weiterbildung muss gegen- Wie ein Unternehmen wird die IHK auch künftig al- Guide, das einen Überblick über den übrigen Bildungswegen an Attraktivität ge- le Chancen der Kooperation mit ihren Nachbarkam- über Standorte in den IHK- winnen, die Schulen müssen jene Ausgangsqualifika- mern und anderen Institutionen nutzen. Die arbeitstei- Bezirken Düsseldorf und tionen sichern, die auch komplexeren Berufen genü- lige Spezialisierung und enge Kooperation mit unter- Mittlerer Niederrhein gibt. gen. Die IHK wird daher auch in der Phase sinkender schiedlichen Partnern wird auch künftig vorteilhaft Schülerzahlen nicht nur den Prozess der betrieblichen sein. Sie wird bereits seit Jahren erfolgreich Ausbildung und Prüfungen organisieren, sondern auch bei den Aus- und Weiterbildungsprüfungen die Firmen in der Versorgung mit Nachwuchskräften praktiziert, beim Technologietransfer inner- aktiv unterstützen. halb des Rheinlandes, in der Außenwirt- Innovation bleibt ein zentrales wirtschaftspoliti- schaft mit dem Schwerpunktländerprinzip sches Thema der kommenden Jahre; denn nur techni- in Nordrhein-Westfalen, in der Datenverar- sche Vorsprünge in den Produkten und Verfahren kön- beitung mit den IHKs in der Rheinschiene, nen die Kostennachteile mildern, die zu Arbeitsplatz- im Russland und China Kompetenzzen- verlusten in der Region führen. trum mit der Landeshauptstadt Düssel- Die Hochschulen werden ihre neuen Freiheiten nut- dorf und der Messe Düsseldorf, in der Re- zen und die Kooperation mit der Wirtschaft suchen, ein gionalagentur mit der Handwerkskam- traditioneller, aber gleichzeitig zukunftsfähiger An- mer Düsseldorf und dem Kreis Mett- satzpunkt der IHK-Arbeit. mann sowie der Landeshauptstadt Düs- Unternehmensgründung und -förderung bleiben seldorf und in der Kooperation Schule- auf der Agenda. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit Wirtschaft mit dem Kreis Mettmann. wird den Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit wei- Dies lässt auf weitere fruchtbare Ko- ter verstärken, die Beratung – auch die Warnung vor operationen im Interesse der Mit- Fehltritten – wird dabei eine große Rolle spielen. Das gliedsunternehmen hoffen. mittelständische Finanzierungsproblem, nicht nur bei der Unternehmensgründung, wird ein Thema bleiben,

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 130 IHK Düsseldorf: Handeln für Unternehmen

Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf

Franz Schimmelbusch, 1831-1833 Gerhard Baum, 1834-1868 Gustav Bloem, 1869-1878 Rudolf Lupp, 1879-1885 Wilhelm Pfeiffer, 1886-1895 Ernst Schieß, 1895-1897 Adolf Möhlau, 1898-1907 Carl Rudolf Poensgen, 1908-1933 Karl Zucker, 1933-1943 Niels von Bülow, 1945-1946 Dr. Josef Wilden, 1946-1949 Dr. Ernst Schneider, 1949-1968 Dr. Victor Langen, 1968-1974 Friedrich Conzen 1974-1983 Rolf Schwarz-Schütte, 1983-1991 Albrecht Woeste, 1991-1999 Hermann Franzen, seit 1999

Sekretäre, Syndici und Hauptgeschäftsführer

Johann Ferdinand Wilhelmi, 1831-1844 Carl Friedrich Samuel Schleiermacher, 1845-1849 Justus Karl Haßkarl, 1849-1852 Wilhelm Hürter, 1852-1883 Peter Schmitz, 1884-1892 Dr. Max Frhr. Schoultz von Ascheraden, 1892-1898 Dr. Otto Brandt, 1899-1921 Dr. Josef Wilden, 1922-1938 Emeran Amon, 1938-1943 Dr. Josef Wilden, 1945-1946 Dr. Hermann Bohley, 1946-1953 Dr. Karl Albrecht, 1953-1967 Franz Tillmann, 1968-1973 Dr. Klaus Boisserée, 1974-1983 Joachim Kreplin, 1984-1998 Dr. Udo Siepmann, seit 1999

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf IHK Düsseldorf: Handeln für Unternehmen 131

Quellen Bildnachweis – Seite/n

Bundesarchiv Berlin Bayer CropScience AG – 88 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen BilderBox Bildagentur GmbH – 96, 100 Stadtarchiv Düsseldorf Börse Düsseldorf AG – 41 Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln DaimlerChrysler AG – 41 ddp Deutscher Depeschendienst GmbH – 98 Literatur (in Auswahl) DIHK – 104 Flughafen Düsseldorf GmbH – 45, 59 Karl Albrecht und Wilhelm Treue: 125 Jahre Industrie- und Imago stock&people GmbH – 70, 72, 84 Handelskammer zu Düsseldorf, 1831-1956. Beiträge zur Ge- Kooperationsnetz Schule / Wirtschaft im Kreis Mettmann – 117 schichte der Industrie- und Handelskammer und der Düssel- Mannesmann-Archiv – 25, 39, 40, 102, 104, 106 dorfer Wirtschaft, Düsseldorf 1956 Regionale Bahngesellschaft Kaarst-Neuss-Düsseldorf-Erkrath- Mettmann-Wuppertal mbH – 49 Otto Brandt: Studien zur Wirtschafts- und Verwaltungsge- Rheinische Post-Archiv – 44 schichte der Stadt Düsseldorf im 19. Jahrhundert, Düsseldorf Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen – 92 1902 Stadtarchiv Düsseldorf – 6, 10, 11, 12, 13, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 26, 31, 32, 37 Düsseldorf. Geschichte von den Ursprüngen bis ins 20. Jahr- Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv hundert. Hrsg. von Hugo Weidenhaupt, Bd. 1-3, Düsseldorf zu Köln – 22, 29 1988-1989 Alle übrigen Bilder: Archiv der IHK Düsseldorf

Barbara Gerstein/Ulrich S. Soénius: Rheinische und westfäli- sche Handelskammersekretäre und -syndici vom 18. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, Münster 1994 (Rheinisch-West- fälische Wirtschaftsbiographien, Bd. 15)

Friedrich-Wilhelm Henning: Düsseldorf und seine Wirtschaft. Zur Geschichte einer Region, Bd. 1-2, Düsseldorf 1981

Otto Most: Geschichte der Stadt Düsseldorf, Düsseldorf 1921

Josef Wilden: 100 Jahre Düsseldorfer Wirtschaftsleben. Fest- schrift zum 100-jährigen Bestehen der Industrie- und Han- delskammer Düsseldorf. 1831 bis 1931, Düsseldorf 1931

Josef Wilden: Lebenslinien der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 1798-1948, Düsseldorf 1948

175 Jahre Industrie- und Handelskammer Düsseldorf 132 IHK Düsseldorf: Handeln für Unternehmen

Impressum

ISBN 3-933025-41-9 © Selbstverlag Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln

Texte: Antje Mahn und Dr. Udo Siepmann unter wissenschaftlicher Begleitung von Dr. Ulrich S. Soénius

Herausgeber der Schriftenreihe: Dr. Ulrich S. Soénius

Layout: Hans Georg Sohr, Mörsenbroicher Weg 23, 40470 Düsseldorf

Druck: Service-Druck Kleinherne, Bussardweg 5, 41468 Neuss www.service-druck.de

Printed in Alle Rechte vorbehalten Redaktionsschluss: 30. November 2005

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