Der 17. Juni 1953 in Mecklenburg Und Vorpommern

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Der 17. Juni 1953 in Mecklenburg Und Vorpommern Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern Klaus Schwabe Der 17. Juni 1953 in Mecklenburg und Vorpommern Reihe Beiträge zur Geschichte Mecklenburg-Vorpommern Nr. 4 Schwerin 2007 © Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern Arsenalstr. 8 19053 Schwerin Deutschland Druck Turo Print GmbH Zum Kirschenhof 16 19057 Schwerin 4. Auflage Dezember 2007 ISBN 978-3-89892-749-9 2 Inhaltsverzeichnis Zur 3. Auflage ........................................................................................................................ 4 Vorwort ................................................................................................................................... 5 Einleitung ................................................................................................................................ 6 1. Politische und wirtschaftliche Situation am Vorabend des Aufstandes ............ 9 1.1 Folgen der Vereinigung von KPD und SPD ..................................................... 11 1.2 Stalinisierung der SED ........................................................................................... 13 1.3 Herrschaftssystem der SED in der Krise ........................................................... 17 1.4 Folgen der Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft ............................... 19 1.5 Enteignung von Hotels und Pensionen .............................................................. 23 1.6 Konflikt zwischen Kirche und Staat .................................................................... 25 1.7 Widerstand an den Universitäten in Greifswald und Rostock ....................... 30 2. Der Aufstand in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg ................................................................................................ 36 2.1 Werftarbeiter setzen sich zur Wehr ..................................................................... 38 2.2 Streiks von Güstrow bis Ludwigslust .................................................................. 49 2.3 Proteste von Ueckermünde bis Teterow ............................................................ 53 3. Eine Niederlage und doch gewonnen ................................................................... 57 3.1 „Neuer Kurs“ oder Lernfähigkeit der SED? ..................................................... 58 3.2 Der Aufstand in der Wertung der SED-Führung ............................................. 62 Anhang ................................................................................................................................... 66 Zeittafel .............................................................................................................................. 67 Lebensweg von Robert Dahlem .................................................................................... 69 Literaturauswahl ................................................................................................................ 73 Dokumentenauswahl (Abschriften) .............................................................................. 74 Orts- und Personenregister ............................................................................................. 85 Der Autor ........................................................................................................................... 87 3 Zur 3. Auflage Am 17. Juni 2003 jährt sich zum 50. Mal der Aufstand der Arbeiter in der DDR gegen die Herrschaft der SED. Der Abstand von fünfzig Jahren unter dem Blick- winkel, dass seit über einem Jahrzehnt im vereinigten Deutschland viel von dem erreicht wurde, wofür die Bauarbeiter in Berlin und die Werftarbeiter in Rostock, Stralsund und Wismar gekämpft haben, ist Grund genug, die ursprüngliche Fas- sung der Broschüre von 1993 zu überarbeiten und zu ergänzen. Die Sicht auf die damaligen Ereignisse ist auch nach fünfzig Jahren bei Historikern und Parteien keineswegs einheitlich. Dabei sind es nicht nur regionale Unterschie- de, etwa in der Beurteilung der Intensität der Aktionen, sondern auch bezogen auf die Ziele und Ergebnisse gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Das ist heute in unserem Land Ausdruck von Normalität, wofür die Menschen in der DDR 1953 und 1989 auf die Straße gegangen sind. Die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte ist keineswegs abgeschlossen. Sie muss Anlass sein, darüber nachzudenken, was in der DDR an Positivem und Fortschrittlichem vorhanden war und welche negativen Erscheinungen zu den revolutionären Erhebungen von 1953 und 1989 führten. Erst eine solche Souveränität im Umgang mit der DDR- Geschichte ermöglicht es, Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Gegenwart zu ziehen. März 2003 Klaus Schwabe 4 Vorwort Der 17. Juni steht als Symbol für den Kampf gegen staatliche Willkür in der DDR. Viele Menschen haben den aufrechten Gang geprobt. Etliche sind in den Jahrzehn- ten der sozialistischen Diktatur in den Westen gezogen, oft gut ausgebildete Fach- kräfte, die auf der anderen Seite der Grenze den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit gestaltet haben. Andere haben an der Mauer ihr Leben gelassen, wiederum andere wurden wegen „Republikflucht“ inhaftiert. Im Westen war der 17. Juni ein Gedenktag, der „Tag der Deutschen Einheit“. Er war Anlass für Sitzungen des Deutschen Bundestages, in denen zur Wiedervereini- gung Deutschlands Reden gehalten wurden. Diese Reden hinterließen bei denen, die in der DDR lebten, den Eindruck, als sei man im Westen auf die Deutsche Einheit und den Aufbau eines wiedervereinigten Deutschlands vorbereitet. Heute wissen wir, dass sowohl der 9. November 1989 als auch der 3. Oktober 1990 für beide Seiten überraschend kam. Im damaligen Bonn gab es keine Schub- laden, in denen Pläne für die Gestaltung eines wiedervereinigten Deutschlands in Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit lagen. In Berlin ohnehin nicht. Viele Menschen gestalten seitdem in Ost und West den Aufbau des wiedervereinig- ten Deutschlands mit. Ostdeutsche zogen und ziehen in den Westen, Westdeut- sche kamen und kommen in den Osten. Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit bleiben die Grundwerte, die alle miteinander vereinen. Das besondere Aufbauwerk heute liegt im Umbau der Bundesrepublik Deutschland. Es muss unser gemeinsa- mes Ziel sein, die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen. Dieses geschieht mit den Er- fahrungen, die im Osten und im Westen gesammelt werden konnten. Die Beschäf- tigung mit dem 17. Juni 1953 und seiner Wirkungsgeschichte kann auch dazu einen Beitrag leisten. Schwerin, März 2003 Dr. Gottfried Timm Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern 5 Einleitung Lange Zeit hielten die Archive in der DDR ihre Informationen über den Aufstand am 17. Juni 1953 unter Verschluss. Er passte nicht ins Bild von der kontinuierlich erstarkenden Republik und dem angeblich engen Bündnis von Partei und Volk. Jahrzehntelang wurde deshalb versucht, dem Klassengegner die Schuld für diese Ereignisse zu geben, getreu dem Grundsatz, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Generationen von DDR-Bürgern wuchsen mit den Informationen der Schulbücher auf, die eine Geschichtsklitterung darstellten. Die SED erwies sich als unfähig, die wahren Ursachen des Aufstandes zu erken- nen und schon gar nicht wollte sie dessen Ziel akzeptieren. Nicht verirrte Klein- bürger und ideologisch zurückgebliebene Teile der Intelligenz, auch nicht Reste aus dem kapitalistischen Bürgertum hatten sich gegen das sozialistische System er- hoben, sondern die Arbeiterklasse, deren Führung sie beanspruchte, hatte zum Sturm geblasen. Ausgehend von der Stalinallee in Berlin verbreitete sich die Nach- richt über den Streik mit Windeseile vor allem über westliche Rundfunkstationen. Kuriere wurden ausgesandt, um die Solidarität der Arbeiter auch in anderen Teilen des Landes herbeizuführen. Nicht der Sturz der SED-Herrschaft stand am Vorabend des 17. Juni auf der Ta- gesordnung. Die Arbeiter wollten vor allem eine Rücknahme der Normerhöhung erreichen. Entsprechend der miserablen wirtschaftlichen Situation hatte das 13. Plenum des ZK der SED beschlossen, die Arbeitsnormen insgesamt um mindes- tens zehn Prozent zu erhöhen. Die schlechte Versorgung der Bevölkerung sowie die Erreichung der Ziele der 2. Parteikonferenz waren entscheidende Motive für diese Maßnahme. Die Schwere zwischen dem Verdienst, der bei Produktionsarbei- ter durchschnittlich 320 Mark betrug und den Preisen, abgesehen von den Le- bensmitteln, die überwiegend noch auf Karten ausgegeben wurden, vergrößerte sich zunehmend. Ein Vergleich mit der Bundesrepublik, der für viele DDR-Bürger durch eigene Reisen noch selbst gezogen werden konnte, erzeugte nicht gerade Begeisterung für eine sozialistische Entwicklung. Eine Verschärfung der sozialen Konflikte war vorprogrammiert, zumal die Partei- führung nicht bereit schien, die Ursachen hierfür nicht zuerst bei sich selbst zu su- chen. Diejenigen in der Spitze von SED und Regierung, die selbstkritisch analy- sierten und auch bereit waren, Fehler einzugestehen, wurden früher oder später als „Agenten des Imperialismus und Feinde des Sozialismus“ aus ihren Funktionen gedrängt. Mit den Ereignissen des 17. Juni stieß die SED offensichtlich an die Grenzen ihrer Macht und geriet einen sichtbaren Konflikt mit einem Teil der Be- völkerung. Das es vor allem die Arbeiterklasse war und dazu 6 noch oftmals Mitglieder der SED wirkte als regelrechter Schock bei den Funktio- nären. Acht Jahre nach dem Ende des Krieges musste die Besatzungsmacht mit den Mit- teln ihrer militärischen Macht einschreiten, um das nach sowjetischem Modell
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