Plenarprotokoll 11/75

Deutscher

Stenographischer Bericht

75. Sitzung

Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Inhalt:-

Erweiterung der Tagesordnung 5059 A Susset, Eigen, Michels, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU Wahl des Abg. von der Wiesche zum Schrift sowie der Abgeordneten Paintner, Brede- führer als Nachfolger des Abg. Schreiner . 5075 D horn, Heinrich, Frau Folz-Steinacker, Dr. Rumpf, Timm und der Fraktion der FDP Zusatztagesordnungspunkt 4: zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung zu dem Entschließungsantrag Aktuelle Stunde betr. Auswirkungen der der Fraktion der SPD: Vorhaben der Bundesregierung zur Agrarbericht 1987 (11/536, 11/85, 11/86, 11/521, 11/1347) Strukturreform im Gesundheitswesen Hoss GRÜNE 5059 B b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Agrarbericht 1988 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5060 C (Drucksachen 11/1760, 11/1761) 5061 B Dreßler SPD c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cronenberg (Arnsberg) FDP 5062 B Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Flächengebundene Be- Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5063 C standsobergrenzen in der Tierhaltung Heinemann, Minister des Landes Nordrhein zum Schutz der bäuerlichen Landwirt- Westfalen 5065 C schaft und der Umwelt (Drucksache 11/ 1986) Seehofer CDU/CSU 5066 D d) Erste Beratung des von den Fraktionen Kirschner SPD 5067 D der CDU/CSU und FDP eingebrachten Dr. Thomae FDP 5068 D Entwurfs einen Gesetzes über die Förde- rung der Sillegung landwirtschaftlicher Frau Unruh GRÜNE 5069 D Nutzflächen sowie der Extensivierung Günther CDU/CSU 5070 A und Umstellung der Erzeugung (Extensi- vierungsgesetz) (Drucksache 11/2158) Haack (Extertal) SPD 5071 A e) Beratung der Beschlußempfehlung und Frau Limbach CDU/CSU 5072 B des Berichts des Ausschusses für Ernäh- Egert SPD 5073 A rung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Flinner, Wüppesahl fraktionslos 5074 B Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜ- Kolb CDU/CSU 5074 D NEN: Einführung eines 50 %igen Beimi- schungszwangs von Getreide für die Tagesordnungspunkt 16: Mischfutterindustrie (Drucksachen 11/ 580, 11/1535 (neu) a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernäh- Kiechle, Bundesminister BML . . 5076C, 5105 B rung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Oostergetelo SPD 5080 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Susset CDU/CSU 5083 B Zusatztagesordnungspunkt: Frau Flinner GRÜNE 5086 A Einspruch des Abgeordneten Thomas Wüppesahl gegen den am 21. Ap ril 1988 Paintner FDP 5088 B erteilten Ordnungsruf 5106 D Jansen SPD 5090 B Nächste Sitzung 5106 D Eigen CDU/CSU 5093 A Kreuzeder GRÜNE 5095 A Anlage 1 Bredehorn FDP 5097 A Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5107* A Kißlinger SPD 5099 C

Niegel CDU/CSU 5101 C Anlage 2 Frau Adler SPD 5103 B Pfuhl SPD 5104 C Amtliche Mitteilungen 5107* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5059

75. Sitzung

Bonn, den 22. April 1988

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Frau Renger: Meine sehr verehrten darbeitrag der Pharmaindustrie." Der „Spiegel" mel- Damen und Herren, die heutige Tagesordnung wird dete in einem Gespräch mit Ihnen noch im Dezember gemäß § 39 unserer Geschäftsordnung um den Zu- vergangenen Jahres Skepsis an. In diesem Gespräch satzpunkt „Einspruch des Abgeordneten Thomas - mit dem „Spiegel" haben Sie das starke Wort benutzt: Wüppesahl gegen den am 21. April 1988 erteilten Vertrauen Sie auf die Kraft der Regierung. Ordnungsruf" erweitert. Über diesen Einspruch stim- (Lachen und Zurufe von den GRÜNEN und men wir heute mittag gegen 13.15 Uhr nach dem Ta- der SPD) gesordnungspunkt 16 ab. Sie haben gesagt, daß alle Besitzstände angegangen werden müssen: Ärzte und Pharmaindustrie, Kran- Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 4 auf: kenhäuser, Kassen, Beitragszahler und Kranke. Üb- Aktuelle Stunde riggeblieben aber ist, daß Sie die Beitragszahler und Auswirkungen der Vorhaben der Bundesre- die Kranken zur Kasse bitten, die Pharmaindustrie gierung zur Strukturreform im Gesundheits- aber außen vor geblieben ist. wesen (Sehr richtig! bei der SPD — Widerspruch bei Diese Aktuelle Stunde ist von der Fraktion DIE der CDU/CSU) GRÜNEN gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Ge- Wo und wie — das will ich beweisen — wird der schäftsordnung verlangt worden. kleine Mann zur Kasse gebeten? Meine Damen und Herren, ich eröffne die Ausspra- (Egert [SPD]: Und die kleine Frau!) che. Das Wort hat der Abgeordnete Hoss. Es beginnt damit, daß Sie sagen: Der Selbstbeteili- gungssatz für jedes Medikament, für jede Verschrei- Hoss (GRÜNE): Frau Präsidentin! Kolleginnen und bung wird von 2 DM auf 3 DM erhöht, außerhalb der Kollegen! Die Fraktion DIE GRÜNEN hat diese Aktu- Festpreise. elle Stunde beantragt, weil ein grundlegender Unter- schied zwischen dem, wie das Reformwerk „Struktur- Weiter kann man sagen, daß Festpreise, wenn Sie Glück haben, nur für etwa 30 % aller Medikamente in reform" angegangen worden ist, und dem, was dabei Betracht kommen und daß den Beitragszahlern hin- herausgekommen ist, besteht. sichtlich der 70 % der übrigbleibenden Medikamente Dieses Gesetz hat den Kurztitel GRG, eine prozentuale Selbstbeteiligung abverlangt wird, (Kolb [CDU/CSU]: Es gibt noch gar kein Ge- die zwischen 5 % und 15 % liegen wird. Das stellt eine setz!) erhebliche Belastung der Beitragszahler dar. Gesundheitsreformgesetz. Dieses Ziel ist völlig ver- Sie erhöhen ferner den Selbstbeteiligungsbeitrag fehlt. Man kann auch nicht sagen, daß es ein richtiges für Kosten zahnärztlicher Behandlungen auf 50 %. Kostendämpfungsgesetz ist. Wir GRÜNEN bezeich- (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Nicht nen es vielmehr als ein Kostenumverteilungsgesetz, für zahnärztliche Behandlung! Allenfalls für das die Oberen schont und den Unteren, den Bürgern, Zahnersatz!) das Geld wegnimmt. (Zuruf von der SPD: Genau!) Stellen Sie sich einmal vor, daß eine Kassenrechnung von 2 000 DM mit 1 000 DM Selbstbeteiligung bela- Herr Blüm, Sie haben den Mund reichlich voll ge- stet wird. Zu der Behandlung von Brillen, Hörgeräten nommen, und anderen Hilfsmitteln haben Sie sich im übrigen (Zuruf von der SPD: Wie immer!) noch nicht ganz klar geäußert. hier in diesem Hause und auch außerhalb. (Frau Steinhauer [SPD]: Es gibt nur noch Mo (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD) nokel! — Weitere Zurufe von der SPD) Herr Blüm, Sie haben — ich zitiere Sie einmal — ge- Es werden Weichen gestellt, daß die bisherigen Sach sagt: „Eine richtige Reform geht nicht ohne den Soli- leistungen, die von den Ärzten und Zahnärzten er- 5060 Deutscher Bundestag — 11. Wahlpe riode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Hoss bracht werden, umgewandelt werden, daß die Kosten Dr. Becker (Frankfurt) (CDU/CSU): Frau Präsiden- von den Patienten vorgestreckt werden müssen und tin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich das Geld dann erst von den Kassen zurückgezahlt müßten wir den GRÜNEN dankbar sein, daß sie uns wird. Sie haben zwar eine Regelung für Härtefälle Gelegenheit geben, diese Reform hier in ihren positi- eingebaut, aber dieser Härtefall hört da auf, wo man ven Teilen vorzustellen, als Alleinstehender mehr als 1 232 DM verdient. (Dreßler [SPD]: Aber nur „eigentlich"!) Es ist also keine Gesundheitsreform, sondern im wesentlichen eine Schröpfreform, und statt den medi- und davon hat sie eine ganze Menge. zinisch-industriellen profitorientierten Wachstums (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Dafür brauchen branchenkomplex Pharmaindustrie anzugehen, set- Sie keine fünf Minuten!) zen Sie sich nur mit den Beitragszahlern, mit den Bür- gern auseinander. Die erste Stufe der Reform im Gesundheitswesen ist auf dem Weg ins Kabinett und erreicht in Kürze das (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord- Parlament. Heute sind bis auf wenige Außenseiter alle neten der SPD) davon überzeugt, daß eine Reform notwendig ist, daß Herr Forster von der „Süddeutschen Zeitung" hat wir diese brauchen, und nur über den Weg ist man ganz recht, wenn er sagt: „Nach dem von der Koali- sich nicht einig. tion entworfenen Reformkonzept sind die 45 Millio- nen Versicherten noch stärker dazu verdonnert, die Die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung Gesundheitsbranche mit Einkommen zu versorgen." sind davongelaufen. Vier Kostendämpfungsgesetze — Das ist auch das eigentliche Problem. Sie werden konnten die Beiträge nicht stabil halten. Seit 1985 stei- dagegen eine breite Opposition vorfinden. Gestern gen sie wieder an. 1988, also in diesem Jahr, bezahlen - hat der DGB Ihnen, Herr Blüm, gesagt, daß er das Arbeitnehmer und Arbeitgeber allein auf Grund die- ablehnt und daß eine oppositionelle Bewegung dage- ser Beitragssatzsteigerungen der letzten drei Jahre gen stattfinden wird. Das ist auch unsere Meinung. über 13 Milliarden DM mehr an Beiträgen. Dies kann so nicht weitergehen. Daher müssen wir in der ersten (Beifall bei den GRÜNEN) Stufe dieser Reform mit dem Leistungsbereich begin- Wir brauchen statt einer einfachen Reform, wie Sie nen, denn alle volkswirtschaftlichen Zuwächse brau- sie vorschlagen, die die Kosten von oben nach unten chen wir in der Zukunft, um die Sicherung unseres urverteilt, eine wirkliche Gesundheitsreform, und Rentensystems zu gestalten. diese muß sich daran orientieren, daß die übermäßige In unserem Gesundheitssystem sind noch viele Medikamentierung abgebaut wird, Wirtschaftlichkeitsreserven. Daher kann hier gespart (Beifall bei den GRÜNEN) werden. Daß hier gespart werden muß, sagen alle, daß man anfängt, berufsübergreifende Gruppenpra- auch die Sozialdemokraten. xen, Teams auf regionaler, kommunaler Ebene zu or- (Dreßler [SPD]: Richtig!) ganisieren, wo Ärzte, Ernährungsberater, Psycholo- gen zusammenarbeiten, um wirkliche Gesundheits- Aber dann, wenn es ernst wird, feiert Sankt Flo rian politik zu machen. leidvolle Urständ. Fast alle Alternativvorschläge fan- gen bei dem Nachbarn an, um die eigene Kasse zu (Kolb [CDU/CSU]: Aber dann zum Nullta- schonen. rif!) Wir wollen 14 Milliarden DM in der gesetzlichen Das muß dahin zielen, daß man die Honorarabrech- Krankenversicherung einsparen. nung verändert und von der Einzelabrechnung für jede einzelne Handlung, die der Arzt verrichtet, zu (Heyenn [SPD]: Das möchten Sie!) einer pauschalen Ableistung für den Krankenschein übergeht, damit es dem Arzt um so besser geht, je Die Hälfte davon soll den Beitragszahlern zurückge- gesündere Patienten er hat, und damit er nicht mehr geben werden, Arbeitnehmern und Arbeitgebern. um so mehr Geld verdient, je mehr Leistungen er Das hilft der Wirtschaft und stärkt den Verbraucher- erbringt, was auch einen gewissen finanziellen Anreiz haushalt. Die andere Hälfte geht zurück an den Pa- darstellt. tienten, einmal für mehr Vorsorge bei Herz-, Kreis- (Glocke des Präsidenten) lauf-, Nieren- und Zuckerkrankheiten und bei der Zahngesundheit. Den größeren Teil sollen die Pflege- — Ich komme zum Schluß. bedürftigen und ihre Angehörigen für die häusliche Die Gesundheitsreform muß auch die Stärkung der Pflege erhalten. Es ist der besondere Vorteil dieses Selbstverwaltungsorgane und vor allen Dingen soli- Entwurfs, daß er nicht nur nimmt, sondern auch darische Beiträge umfassen, so daß nicht diejenigen, gibt. die krank sind, mehr als diejenigen zahlen müssen, Meine Damen und Herren, das Konzept hat viel Kri- die das Glück haben, gesund zu sein, und das Risiko tik erfahren, des Krankseins nicht individualisiert wird. (Egert [SPD]: Zu Recht!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord- neten der SPD) selten wohlmeinend und konstruktiv, sondern durch- weg überzogen und diffamierend, mit Halbwahrhei- ten, ja Unwahrheiten gespickt. Die Vorteile der Struk- turreform wurden verheimlicht. Was da an Horrorge- Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr mälden vom gläsernen Patienten, von der Monsterbü- Abgeordnete Dr. Becker. rokratie, von Ausschnüffelung vorwiegend von Lei- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5061

Dr. Becker (Frankfurt) stungserbringern vorgetragen wurde, haben wir Ich erinnere daran, daß Sie zu Beginn dieser Legis- schon lange nicht mehr erlebt. laturperiode unter der noch anspruchsvolleren Über- (Zuruf von der SPD: Zur Sache bitte!) schrift „Strukturreform im Gesundheitswesen" ge- startet sind. Diesen Titel haben Sie sehr schnell bei- Zuletzt wurden auch noch schamlos die Patienten mit seite gelegt, und das war auch gut so; denn das, was eingespannt. Bei ihnen wurden Ängste und Verunsi- Sie jetzt vorlegen, hat mit einer Strukturreform im cherung geschürt. Das war völlig überzogen. Gesundheitswesen nichts, aber auch gar nichts zu Die mündigen Bürger merken außerdem, wenn sie tun. vor den Karren anderer Leute gespannt werden und in erster Linie deren Eigeninteressen in die Scheuern (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. einfahren sollen. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das ist die erste Stufe!) Aber auch die Versichertenverbände haben hier überzogen. Sie merkten auch nicht — dies, Herr Hoss, Die Strukturen unseres Gesundheitswesens bleiben ist Ihnen auch entgangen — , daß die lautstark vorge- im wesentlichen unberührt. Alle Mängel bleiben, alle tragene Kritik der Leistungserbringer anzeigt, daß Fehler bleiben. Was Sie in Wirklichkeit vorhaben diese auch massiv mit zum Sparen herangezogen wer- — und das wird von Entwurfsstadium zu Entwurfssta- den; denn die Belastungen in dieser Strukturreform dium immer deutlicher — , ist eine Neuverteilung der werden ausbalanciert zwischen Patienten und Lei- finanziellen Lasten im Gesundheitswesen. Sie wollen stungsträgern. die Versicherten noch mehr belasten — und hier vor allen Dingen die Kranken unter den Versicherten —, (Dreßler [SPD]: Da lachen ja die Hühner!) Sie wollen die Arbeitgeber entlasten, und Sie wollen Aber auch die Politik hat sich in solcher Weise her- die Leistungserbringer im Gesundheitswesen im we- - vorgetan: polemisch, unsachlich, oft meilenweit von sentlichen schonen. Nichts beweist dies deutlicher als der Realität entfernt. Was z. B. der stimmgewaltige Ihr derzeitiger Entwurf. Boß der SPD-Sozialpolitiker so alles verlautbaren ließ, erinnert an teutonische Rundumschläge oder an jenen (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Schlicht tolpatschigen Gärtner, der in den Gemüsebeeten die unwahr!) zarten Pflänzchen einer aufkeimenden gemeinwohl- Dieser Bundesregierung kommt es auf nichts Wei- zentrierten Gesprächsbereitschaft zertrampelt. teres an als darauf, bei den einzelnen Versicherten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) — ich wiederhole: vor allen Dingen bei den Kran- ken — abzukassieren. Über 8 Milliarden DM wollen Aber das ist nicht neu. Das wird sich so wiederho- Sie in der Endphase Jahr für Jahr bei den Versicherten len. abkassieren. Der Inhalt der geplanten Gesetzesbe- Wenn er allerdings meint, diese Koalition sei bei der stimmungen beweist, daß die Überschrift dieses Ge- Strukturreform am Ende ihres Lateins, dann irrt er sich setzes — ich wiederhole sie: Gesundheitsreformge- gewaltig. Diese Koalition hat auch weiterhin die Kraft setz — nichts weiter als Täuschung und Schwindel und den Mut, den zweiten und den dritten Schritt der ist. Strukturreform mit der notwendigen Krankenkassen- neuorganisation, mit dem Krankenhausbereich und Als dieses Haus im Dezember des vergangenen den Überkapazitäten anzupacken. Sie wird eine Ge- Jahres über Ihre ersten Pläne im Gesundheitswesen samtreform zur Verbesserung des Gesundheitswe- diskutiert hat, was haben da Herr Blüm und seine sens vornehmen, zu der den Sozialdemokraten in den Abkassierungshelfer nicht alles versprochen! Sie ha- 13 Jahren ihrer Regierungsmacht die Fähigkeit und ben versprochen, daß dieses Gesetz den Deutschen auch der Mut und der Wille gefehlt haben. Bundestag nicht erreichen werde ohne einen Solidar- beitrag der pharmazeutischen Industrie. 1,7 Milliar- Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. den DM sollte er betragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Egert [SPD]: Wo ist er?) Wie sieht das heute aus? Schwindel! Von vorne bis Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Abge- hinten Schwindel! ordnete Dreßler. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Vom Solidarbeitrag, Herr Scharrenbroich, der phar- Dreßler (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und mazeutischen Industrie ist keine Rede mehr. Eine Herren! Die heutige Aktuelle Stunde bietet die Gele- Festbetragsregelung haben Sie versprochen, mit der genheit, über ein Thema zu diskutieren, das die Bür- sichergestellt werde, daß der einzelne Patient alles gerinnen und Bürger seit Wochen bewegt und erregt. Notwendige ohne Zuzahlung erhalten werde. Wir reden über das, was CDU/CSU und FDP, insbe- (Frau Limbach [CDU/CSU]: So ist es auch!) sondere aber Herr Blüm seit geraumer Zeit mit dem Etikettenschwindel „Gesundheitsreformgesetz" prä- Ja, Sie sind sogar noch weitergegangen und haben sentieren. gesagt, die bisherige Selbstbeteiligung könne damit (Andres [SPD]: Sprechblasen!) entfallen. „Genial" nannten Sie damals Ihre Idee, Geworden ist daraus nichts anderes als ein Abkassie- Herr Blüm. rungsmodell bei den Versicherten. (Frau Limbach [CDU/CSU]: Sie ist auch ge (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) nial!) 5062 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Dreßler Wie sieht das heute aus? Alles Schwindel! Grunde genommen kann man in Beiträgen von fünf (Beifall bei der SPD) Minuten nicht über strukturelle Veränderungen, die einen wesentlichen Teil unserer Gesellschaft betref- Sozialdemokraten haben bereits Ende des letzten fen, debattieren. Jahres gesagt, daß das, was am Ende herauskommt, in Wirklichkeit ein Festzuschußmodell oder der breite Es handelt sich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Einstieg in die Selbstbeteiligung der Versicherten immer um dieselbe Grundfrage, die wir gestern bei sein werde. Die Regelung bei den Arzneimittelfest- der Steuerreform und auch im Zusammenhang mit der preisen, die Sie planen, beweist das schlagend. Die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung diskutiert FDP hat den großsprecherischen amtierenden Ar- haben, beitsminister zum wiederholten Mal über den Tisch (Hoss [GRÜNE]: Da haben Sie recht!) gezogen. die Frage nämlich: Wie viele von den sauer verdienten (Andres [SPD]: Das passiert dieses Jahr noch Groschen der Bürger darf der Staat, darf die Sozial- öfters!) versicherung kassieren? Was sind die Aufgaben des Macht es Sie eigentlich nicht nachdenklich, Herr einzelnen? Was muß der Staat, was muß die Solidar- Blüm, wenn überregionale Tageszeitungen Ihr Ver- gemeinschaft der Versicherten übernehmen? Da gibt halten in dieser Koalitionsdebatte mit der FDP als das es prinzipielle Unterschiede zwischen uns, die nicht eines Tütenkaspers bezeichnen? zu leugnen sind. (Lachen bei der SPD) Wir wollen, daß die Bürger so wenig wie möglich an Macht Sie das nicht nachdenklich? Beiträgen zahlen. Wir wollen, daß den Bürgern das Geld möglichst in der Tasche bleibt, weil wir über- Ab 1. Januar 1991 soll nämlich gelten, daß überall- zeugt sind, daß es da besser aufgehoben ist als beim dort, wo es bis dahin noch keine Festpreise gibt, Finanzamt, bei der AOK oder bei anderen Institutio- (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das nen. heißt „Festbeträge" !) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — eine prozentuale Selbstbeteiligung mit einer Ober- Frau Steinhauer [SPD]: Oder bei der Phar grenze von 15 DM eingeführt wird. Ich sage Ihnen: Bis maindustrie!) zum 1. Januar 1991 werden Sie noch nicht einmal die Hälfte des Arzneimittelmarktes auf Festpreise umstel- Sie meinen, eine Steuerentlastung sei ein Geschenk len können. Ergebnis: Es wird erneut bei den Versi- des Staates an die Bürger. Wir meinen, der Staat, die cherten abkassiert. Sozialversicherung, eine Pflichtversicherung, müssen sich immer bewußt sein, daß sie das sauer verdiente (Andres [SPD]: Cronenberg lacht schon!) Geld der Bürger ausgeben. Das ist der große Unter- CDU-Generalsekretär Geißler, meine Damen und schied. Herren, hat gesagt, die SPD habe zum Blumschen Gesetzentwurf keine Alternative. Es gibt noch eine weitere Paralelle zur gestrigen Diskussion: Alternativen haben Sie nicht. Sie verspre- (Frau Limbach [CDU/CSU]: Da hat er chen, Sie wollten sie demnächst beschließen. Aber recht!) ernsthaft damit auseinandersetzen kann man sich Herr Geißler, meine Damen und Herren von der CDU/ nicht. CSU, Verehrter Kollege Dreßler, Herr AfA-Vorsitzen- (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist nicht von der der, CSU!) (Dreßler [SPD]: Hier!) hat recht. Zu diesem Gesetzentwurf wollen wir keine machen Sie sich einmal bewußt, daß von 54 000 DM Alternative. Bruttojahresverdienst schon 20 000 DM — ohne Be- (Lachen bei der CDU/CSU) rufsgenossenschaftsbeiträge — an die Sozialversiche- Wir wollen nämlich nicht sagen, wie man alternativ zu rung abgeführt werden. Von 1 DM sauer verdientem Herrn Blüm abkassieren kann. Sozialdemokraten, Bruttolohn, die 1,80 Kosten im Unternehmen auslöst, meine Damen und Herren, wollen eine wirkliche bekommt der Arbeitnehmer nur 60 oder 62 Pfennig, je Strukturreform. Mit der werden Sie sich hier dem- nach Steuerbelastung, ausgezahlt. Da beschweren Sie nächst auseinandersetzen müssen. sich, daß wir zuviel entlasten wollen. (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Wieso habt ihr nie einen Ansatz gemacht, Dreßler [SPD]: Sie wollen ihnen noch mehr solange ihr regiert habt?) abnehmen!) Wir sagen ja zu einer Pflichtversicherung, aber wir Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr definieren die Aufgaben neu. Wir möchten mehr Vor- Abgeordnete Cronenberg. sorge durch die gesetzliche Krankenversicherung fi- nanziert sehen, um Krankheiten zu vermeiden, (Dreßler [SPD]: Herr Kollege, das ist linke Cronenberg (Arnsberg) (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Verlaub, ein Tasche, rechte Tasche!) so komplexes Thema wie die Strukturreform im Ge- nicht reparieren, sondern heilen. Wenn Sie meinen, sundheitswesen in Form einer Aktuellen Stunde ab- die Vorlage wäre keine Strukturreform, dann fragen wickeln zu wollen halte ich für abenteuerlich. Im Sie einmal diejenigen die sich mit der Problematik Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5063

Cronenberg (Arnsberg) ernsthaft auseinandersetzen, z. B. dort wo Kostener- Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Bun- stattung eingeführt wird. Man mag die Kostenerstat- desminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr tung ja ablehnen, aber eine strukturelle Veränderung Dr. Blüm. ist dies bestimmt. Wir definieren neu, was die Aufgabe (Dreßler [SPD]: Der Verlierer! — Egert [SPD]: der Versicherung ist, was sie bezahlen muß. Wir sagen Verlierer! — Weiterer Zuruf von der SPD: mit den Festbeträgen nicht mehr und nicht weniger, Jetzt sind wir gespannt!) (Dreßler [SPD]: Es sind keine Festbeträge! Ein Zuschußmodell!) Dr. Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- als daß die gesetzliche Krankenversicherung in Ver- nung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! tretung der Interessen der Versicherten und der Bei- Oft angezweifelt, mehrfach in Frage gestellt, und jetzt tragszahler die Höhe dessen definiert, was die Kasse kommt sie: die Gesundheitsreform. zu erstatten hat. Mir hat kein Mensch bisher klarma- (Frau Steinhauer [SPD]: Ich lach mich ka chen können, daß die Solidargemeinschaft der Versi- putt!) cherten bei vergleichbaren Produkten das teurere Die Opposition staunt und schimpft, die Koalition han- Produkt bezahlen muß, wenn sie es billiger haben delt — das ist das Kontrastprogramm. kann. Das leuchtet mir bei Gott nicht ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) „Abkassieren bei den Versicherten"? Deswegen habe ich gesagt: Überall da, wo die Pro- (Dreßler [SPD]: Das machen Sie!) dukte vergleichbar sind, hat die Versicherung nicht Sagen Sie mir einmal, warum die Ärzte, Zahnärzte, mehr zu bezahlen als das, was preiswert angeboten- Apotheker, Taxifahrer und Pharmaindustrie protestie- wird. ren? „Die Oberen schonen" ? Sind die Pflegebedürfti- (Egert [SPD]: Sagen Sie einmal etwas zu den gen die Oberen? 6 Milliarden DM geben wir für die Hörgeräten! Sie machen doch das Volk Ärmsten, für die Pflegebedürftigen aus. dumm!) (Egert [SPD]: 800 Millionen!) — Ich mache nicht das Volk dumm, sondern Sie ver- Sind das die Oberen? Ist Ihre Optik schon so verdor- dummen das Volk, Herr Kollege Egert. Das ist die ben, daß Sie nicht merken, wem wir helfen? Situation und der Unterschied. (Hoss [GRÜNE]: Sind Taxifahrer die Obe ren?) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Keine Mark, die wir sparen, geht den Versicherten Egert [SPD]: Sagen Sie einmal einen Satz zu verloren. Entweder erhalten sie sie als Beitragszahler den Hörgeräten!) oder als Patienten zurück. Wir sparen und handeln für Meine Damen und Herren, ich weiß und leugne die Versicherten. nicht, daß manche der Maßnahmen unpopulär sind; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) das ist nicht zu bestreiten. Aber es kommt nicht darauf Entweder erhalten sie das eingesparte Geld als Bei- an, Populäres zu tun, sondern es kommt darauf an, tragssenkung, oder sie erhalten es als neue Leistung, Richtiges und Notwendiges zu tun. nämlich für die Pflegebedürftigen, für die Vorsorge. (Egert [SPD]: Sie machen Falsches!) Wir sparen nicht für uns, wir sparen nicht für den Staat; wir sparen für die Versicherten. Sie können sich darauf verlassen, daß wir uns bemü- Wir müssen sparen. Das Gesundheitssystem platzt hen werden, im Interesse der Versicherten, im Inter- aus allen Nähten. Dreimal so schnell wie die Löhne esse eines freiheitlichen Gesundheitssystems mit sind die Ausgaben der Krankenversicherung seit freier Arztwahl und Therapiefreiheit und auch im In- 1960 gestiegen. Wenn wir nicht haltmachen teresse derjenigen, die im Gesundheitswesen be- — 13 Jahre hatten Sie doch gar keinen Mut; Sie hät- schäftigt sind, ten doch haltmachen können —, (Dreßler [SPD]: Im Interesse der FDP!) (Widerspruch bei der SPD) eine Strukturreform vorzulegen, die die notwendigen würden die Beiträge die Löhne auffressen, die Ar- Leistungen ermöglicht, beitsplätze vernichten. Insofern ist das, was wir ma- chen, Lebensrettung für die Solidarität. (Bindig [SPD]: Im Interesse der Zahnärzte!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — aber auch mit materiellen Anreizen vernünftige Ver- Egert [SPD]: Sprüchemacher!) haltensweisen sowohl bei den Versicherten wie bei Es stimmt auch nicht — auch das sei gegenüber der denjenigen, die Leistungen in diesem System erbrin- Öffentlichkeit gesagt — : Je mehr Geld ausgegeben gen, bewirkt. wird, um so mehr Gesundheit. — Das ist, finde ich, eine banale Formel. 1960 haben wir 1 Milliarde DM Wir laden Sie ein, sich mit uns über diese Dinge für Arzneimittel ausgegeben, jetzt geben wir 19 Milli- sachlich auseinanderzusetzen. Aber ich habe auch die arden DM aus. Will jemand behaupten, die Gesund- Bitte: Verzichten Sie auf üble Polemiken, wie wir sie heit wäre um das Neunzehnfache gestiegen, weil wir in den letzten Tagen erleben mußten. 19mal mehr Geld für Arzneimittel ausgeben? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Egert [SPD]: Das ist ja nicht zu glauben!) 5064 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Bundesminister Dr. Blüm 1970 haben wir für Krankenfahrten 180 Millionen DM 30 DM kostet und ein anderes 90 DM und beide gleich ausgegeben, heute geben wir 1,6 Milliarden DM aus. gut sind, mit unseren Pflichtbeiträgen das teurere Me- Will jemand behaupten, damals hätte es weniger dikament bezahlen sollen. Wieso eigentlich? Wir be- Gehbehinderte oder mehr Autos als heute gegeben? zahlen unter gleich guten Medikamenten das preis- Nein, wir sparen, weil es in diesem System Ver- werte. schwendung und Überversorgung gibt. Wir bauen die Überversorgung ab, um Mangel zu beseitigen. (Hoss [GRÜNE]: Das kann man auch über Positivlisten regeln!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Festbetrag hat jetzt zwei Jahre Vorsprung vor Unsere Krankenversicherung leidet an der Gefahr, prozentualer Selbstbeteiligung. Wer keine prozen- daß sie zur großen Melkmaschine wird. Jeder bedient tuale Selbstbeteiligung will, der muß sehen, daß in sich, nicht nur die Versicherten, auch die Anbieter. diesen zwei Jahren der Festbetrag möglichst weit Jeder Preis kann gefordert werden, jeder wird be- kommt. Deshalb rufe ich die Selbstverwaltung auf: zahlt. Wir sind die Verwalter des Gemeinwohls. Das Wer mit mir prozentuale Selbstbeteiligung zurück- Geld, das ausgegeben wird, muß zweimal umgedreht drängen will, der muß dafür sorgen, daß der Festbe- werden, bevor es ausgegeben wird, damit wir das trag in diesen zwei Jahren viel Gelände gewinnt. Mit Geld für die wirklich Kranken haben. Denen muß gutem Willen kann die Selbstverwaltung in zwei Jah- geholfen werden. Ich versichere Ihnen: Wer krank ist, ren mehr erreichen als in vier Jahren mit schlechtem dem wird geholfen. Die Krankenversicherung ist für Willen und Bequemlichkeit. Wir brauchen im übrigen die Kranken da. Wir können der Ausuferung der Ge- eine energische Selbstverwaltung, denn wenn die sundheitswünsche nicht tatenlos zusehen, weil uns Selbstverwaltung nicht handelt, dann darf sich nie- sonst das Geld fehlen würde, um das Notwendige zu mand beschweren, wenn dann mehr Staat kommt. bezahlen. - (Zuruf von der SPD: Adam Riese, Herr Mini (Zuruf von der SPD: Seit wann ist die Selbst ster!) verwaltung für den Mist verantwortlich, den Sie machen?) Insofern bin ich ganz ruhig: Viele Mitbürger haben das längst eingesehen. Den Gedanken des Solidarbeitrags habe ich keines- falls aufgegeben. Jubeln Sie doch nicht so früh. Aber (Zuruf von der CDU/CSU: Dreßler noch der Solidarbeitrag ist ja keine Sache der Gesetzge- nicht!) bung. Wenn — was die Pharmaindustrie behauptet — Man braucht überhaupt nicht zu glauben, die Funk- unser Festbetrag bereits im ersten Schritt dreimal so- tionäre würden immer die Meinung des Volkes wie- viel spart, wie wir selber geschätzt haben, dann wäre dergeben. Das halte ich für einen großen Irrtum. In der Solidarbeitrag überflüssig. Im übrigen gibt es diesen Tagen erhalte ich Tausende von B riefen, in ganz originelle Vorschläge aus der Pharmaindustrie, denen es heißt: Standhalten! Laß dich nicht verrückt beispielsweise in Richtung auf Werbebeschränkun- machen von den Lobbyisten und von den Funktionä- gen, oder den Vorschlag, daß man auch über Pak- ren! — kungsgrößen verhandelt, was wir ja tun wollen. Zum erstenmal sind wir einen Schritt weitergekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen schreien Sie ja so. Die Bürger sind viel klü- Aber, meine Damen und Herren von der SPD, wenn ger als die Funktionäre und die Lobbyisten. Sie sich in Sachen Solidarbeitrag üben wollen, dann üben Sie einmal in der eigenen Fraktion. Ihr angese- (Hoss [GRÜNE]: Sind Sie Funktionär?) hener Kollege Hermann Rappe — — Und das Originellste, meine Damen und Her- (Zurufe von der SPD) ren — — — Mal langsam! Bevor Sie sich an mich wenden, (Zuruf von der SPD: Ist der Blüm!) schaffen Sie erst einmal Ordnung in Ihren eigenen — Ich bedanke mich für den Vorschuß. Wollen wir das Reihen. Ihr angesehener Kollege Hermann Rappe zu Protokoll nehmen? — Meine Damen und Herren, sagt, Preisstillhalteabkommen wären bereits ein Soli- das Originellste dieser Reform ist in der Tat der Fest- darbeitrag der Pharmaindustrie. Meine Damen und betrag. Das ist neu. Herren, mehr kann man das Gemeinwohl eigentlich (Zuruf von der SPD: Das ist das Originellste! nicht im Stich lassen. Das ist der pure Egoismus, und So hat noch keiner das gemacht!) Herr Rappe ist der Schutzpatron der Egoisten. Fangen Sie doch deshalb erst einmal bei sich an! Sie sagen, das wäre keine Gesundheitsreform. Wenn nicht auf den ausgetretenen Pfaden Ihrer alten Kla- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — motten etwas vorgelegt wird, glauben Sie, es wäre Zurufe von der SPD) keine Reform. Der Festbetrag ist o riginell, das ist neu, Preisstillhalteabkommen! Meine Damen und Herren, und es verbindet auf o riginelle Weise Solidarität und wir haben keine Inflation. Was ist denn da ein Preis- Wettbewerb, denn solidarisch wird das Notwendige stillhalteabkommen für eine besondere Leistung? Was abgesichert. Sie können ganz sicher sein, daß ein un- ist denn das eigentlich? Ich sage noch einmal: Wenn geheurer Wettbewerbsdruck durch die Festbeträge der Festbetrag dreimal so hoch ist — — ausgelöst wird. Ich verwette mein bescheidenes Ver- mögen, daß sich die Anbieter ganz schnell in der Nähe (Egert [SPD]: Herr Minister, wir werden Sie der Festbeträge niederlassen werden. Ich frage die nicht aus der Verantwortung lassen! — Wei Versicherten, weshalb wir, wenn ein Medikament tere Zurufe von der SPD) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5065

Bundesminister Dr. Blüm — Sprechen Sie eigentlich jetzt? Frau Präsidentin, wer Vizepräsident Frau Renger: Meine Damen und Her- hat gerade das Wort? Wenn ich das Wort habe, wäre ren, das Wort hat Minister Heinemann, Nordrhein- ich dankbar, wenn ich auch reden dürfte. Westfalen. (Zuruf von der CDU/CSU: Was will der denn hier? — Kolb [CDU/CSU]: Der stellt fest, daß Vizepräsident Frau Renger: Meine Damen und Her- die Beiträge falsch gelaufen sind!) ren, in der Tat, es ist etwas schwierig, wenn Zwischen- rufe zu stark kommen. Lieber Herr Egert, hier muß man sich in der Aktuellen Stunde etwas zurückhal- Minister Heinemann (Nordrhein-Westfalen): Frau ten. Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- (Beifall bei der CDU/CSU) ren! Ich frage mich immer, Herr Kollege Blüm, woher Sie den Mut nehmen, mit Falschdarstellungen den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Lande etwas Dr. Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- vorzumachen. nung: Ich bin Ihnen dankbar. (Zuruf von der SPD: Das macht er immer so!) Der Berg kreißte, und heraus kam bei Ihnen wieder Vizepräsident Frau Renger: Herr Minister, Ihnen ist eine Maus. Der deutschen Öffentlichkeit wurde ein jetzt eine Minute zugegeben. Jahrhundertreformwerk unseres Gesundheitssystems (Egert [SPD]: Ich dachte, er würde etwas sa- angekündigt, und heraus kam ein Kostendämpfungs- gen! Vielleicht kann der Minister dem Parla- gesetz, das die Strukturen unseres Gesundheitswe- ment auch mal Auskunft geben! — Weitere sens weitgehend unangetastet läßt. Zurufe von der SPD) Dabei ist gerade die durchgreifende Reform dieser Strukturen, zu denen vor allen auch die erkennbaren Überkapazitäten im Gesundheitswesen gehören, Dr. Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- überfällig. Allein hier liegt auch der Schlüssel, um nung: Das Eis des Lobbyismus bricht. Ich bin ganz auch für die Zukunft neuen Kostenexplosionen im sicher, daß das Gemeinwohl eine Chance hat. Ich will Gesundheitswesen vorzubeugen. Dabei ist es schon auch in dieser Debatte darauf hinweisen, daß wir das fast eine Verhöhnung der 45 Millionen Versicherten, Geld nehmen, um denen zu helfen, die in diesem Sozi- wenn jetzt mit dem Stichwort der angeblichen Gleich- alstaat in Gefahr sind, vergessen zu werden: den Pfle- gewichtigkeit der Lasten einerseits der Eindruck er- gebedürftigen. Schon mit Inkrafttreten des Gesetzes weckt wird, Versicherte und Gesundheitsanbieter vier Wochen Urlaub für die Pflegeperson! hätten sich im gleichen Umfang zum eigenen Vorteil (Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich!) im Selbstbedienungsladen Krankenversicherung be- dient, und andererseits so getan wird, als ob jetzt auf — Was heißt unglaublich? Vier Wochen Urlaub für die beiden Seiten gleichermaßen die Quittung für solches Pflegeperson! Da ist eine Frau, die ihre Mutter pflegt. Verhalten präsentiert würde. Da ist ein Mann, der sein Kind pflegt. Vier Wochen Urlaub machen! Dann ist das noch unglaublich? Das Natürlich gab und gibt es immer einige, die für ihre ist Sozialpolitik mit Herz. Seid ihr denn schon so bor- Krankenversicherungsbeiträge auch möglichst viele niert, daß ihr das nicht für einen Fortschritt haltet? Leistungen erhalten wollen. Aber die große Masse der Liebe GRÜNE, seht ihr nicht, daß das für die armen Versicherten geht doch nicht zum Arzt, damit mög- Leute ist lichst hohe Kosten entstehen und sich der Kranken- kassenbeitrag auch lohnt. Die gehen zum Arzt, wenn (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- sie krank sind. Die Kosten, die hier entstehen, kann neten der FDP) der einzelne dann nicht mehr steuern. Ich verstehe und daß wir zwei Jahre nach Inkrafttreten der Struk- nicht, warum Sie immer die Versicherten beschimp- turreform zum erstenmal in der Geschichte etwas für fen, sie schmissen tonnenweise Medikamente in den die Pflegebedürftigen tun? Sie reden. Sie haben im- Müll, und nicht den Ärzten sagen, sie sollten weniger mer nur darüber geredet. Große Programme, große verschreiben. Papiere! Wir handeln zum erstenmal für die Pflegebe- (Zuruf von der CDU/CSU: Wer verursacht dürftigen. Dafür haben wir gespart. Das sind die Ärm- denn die Kosten?) sten. Die haben keine Lobbyisten. Die schreien nicht auf Marktplätzen herum. Wir arbeiten für die, die Sie beschimpfen immer die Falschen, die Bürgerinnen nicht protestieren können. Wenn wir uns nach den und Bürger. Protestierenden richten würden, wäre der Sozialstaat (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) am Ende. Der Masse der Versicherten kann doch nicht zum Nun, meine Damen und Herren, wir werden noch Vorwurf gemacht werden, wenn Gesundheitsanbieter ausreichend Gelegenheit haben, die Sache zu disku- und Gesundheitsindustrie Jahr für Jahr ihren Umsatz tieren. Ich freue mich auf die Diskussion. Da wird die ausweiten. Das sind doch die eigentlichen Gründe, SPD einmal vorführen müssen, was ihre Vorschläge Herr Blüm, für die Kostenexplosion im Gesundheits- sind. Außer Kritik nichts gewesen! wesen. Im Entwurf der Koalition sucht man für diese (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Entwicklung vergeblich nach einem Korrektiv. Egert [SPD]: Kein Wort zum Wortbruch des (Günther [CDU/CSU]: Dann haben Sie ihn Ministers!) nicht gelesen!) 5066 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Minister Heinemann (Nordrhein-Westfalen) Was die Ausgewogenheit der jetzigen Kürzungen an- Hier, Herr Becker, könnte man sparen, ohne den Ver- geht: Zur Kasse werden einzig und allein die Versi- sicherten zu belasten, was Sie ja vorhin eingeklagt cherten gebeten, die Gesundheitsanbieter bleiben haben. ungeschoren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ Der Vorschlag der Bundesregierung, über Arzneimit- CSU) telfestbeträge zu Einsparungen zu kommen, ist dem- gegenüber zum Scheitern verurteilt. Die Selbstbeteiligung der Versicherten hat schon in Was Sie in Wahrheit wollen, ist ein massiver Ausbau der Vergangenheit fast 6 Milliarden DM im Jahr er- der Selbstbeteiligung bei Arzneimitteln. Ab 1991 reicht. Sie legen noch einmal mehr als 8 Milliarden werden die Versicherten für Medikamente, für die DM drauf. Was hat das mit einer ausgewogenen Lö- keine Festbeträge festgestellt werden können — und sung zu tun? das wird die Masse sein — , einen hohen Anteil zuzah- (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Herr Mini- len müssen. Dafür wird die Indust rie, die Ihnen bei ster, Sie haben den Entwurf nicht gelesen!) dieser Passage wohl die Hand geführt hat, schon aus Wettbewerbsgründen sorgen. Aber dann hat es wohl Wir haben in Nordrhein-Westfalen andere Wege schon Wahlen in Bonn und Düsseldorf gegeben. Sie gesucht, um Überkapazitäten im Gesundheitswesen hoffen, daß Sie dann über die Runden gekommen sein abzubauen. Das gilt z. B. für unsere bedarfsgerechten werden; denn Sie schieben hier das Wirksamwerden Umwidmungen und teilweise Reduzierung der Zahl Ihrer Reform wie in anderen Fällen auch auf die Zeit der Krankenhausbetten. Der Bundesarbeitsminister nach 1990 hinaus, weil Sie Angst vor der Reaktion der fordert von Nordrhein-Westfalen zwar immer gern Bevölkerung haben. markig, den Abbau von Krankenhausbetten voranzu- treiben. - Was uns heute als sogenannte Gesundheitsreform präsentiert wird, führt zu einer weiteren Entsolidari- (Kolb [CDU/CSU]: Das ist Aufgabe des Lan- sierung unserer Bevölkerung. Mancher wird aus fi- des!) nanziellen Gründen auf ein Stück Gesundheit und Wohlergehen verzichten müssen. Der Entwurf wird Aber wenn es dann beim Bettenabbau, Herr Kollege weder den Hunderttausenden von Menschen, die ver- Blüm, wie jetzt in Ostwestfalen zum Schwur kommt, antwortungsvoll und oft unter Opfern im Gesund- geben Sie dagegen eine Presseerklärung heraus, die heitswesen arbeiten, noch den Versicherten gerecht. mit dem wirklich lächerlichen Spruch beginnt: „Es Das nenne ich, Herr Kollege Blüm, eine Mogelpak- darf kein Bett abgebaut werden, in dem ein Kranker kung. Sie werden in die Geschichte als der Arbeitneh- liegt. " merbelastungsminister eingehen. Wenn noch die Ka- (Lachen bei der SPD) renztage eingeführt würden, wären wir um 30 Jahre Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Herr Blüm. Das zurückgeworfen. weiß auch ich. Zunächst einmal muß der Kranke aus (Beifall bei der SPD — Seiters [CDU/CSU]: dem Bett genommen werden, dann kann man das Bett Solche Rede können Sie im Landtag halten, abbauen. aber nicht hier! Deswegen ist Herr Heine Sie behindern sinnvolle Maßnahmen, um damit für mann hierhergekommen?! — Kolb [CDU/ sich parteipolitische Vorteile einzukalkulieren. CSU]: Die Kosten für die Bahnfahrt hierher hätte er sich sparen können! — Weitere Zu (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: In dem Punkt rufe von der CDU/CSU) seid ihr doch musterhaft!) Warum geht die Bundesregierung eigentlich nicht Das Wort hat der Abge- auf unseren Vorschlag ein, die Zulassung zur Kassen- Vizepräsident Frau Renger: ordnete Seehofer. praxis auf das 65. Lebensjahr zu begrenzen? Da müßte man etwas tun. Dann hätte Ihre Reform den Begriff Strukturreform verdient. Gerade in diesem Be- Seehofer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Da- reich, der öffentlich-rechtlich finanziert wird, wird men und Herren! Ich stelle noch einmal fest: Diese überhaupt keine Altersgrenze vorgegeben. Hier Bonner Koalition ist die einzige Kraft, die bis zum heu- müßten Sie etwas tun. Wir haben 12 000 arbeitslose tigen Tage ein geschlossenes Gesamtkonzept zur Ge- junge Ärzte. Sonntags reden Sie davon, den jungen sundheitsreform vorgelegt hat. Menschen eine Chance zu geben, und montags ma- chen Sie eine Politik, die es verhindert, daß diese (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Menschen in einen Beruf kommen. Ich habe mir, Herr Dreßler, noch einmal Ihre Leit- sätze durchgelesen, die jetzt im Entwurf vorliegen. (Beifall bei der SPD) (Dreßler [SPD]: Da waren Sie verblüfft?!) Ich erinnere aber auch an meinen Vorschlag, die Medikamentenkosten mit einer Positivliste zu sen- Darin ist keine Rede von Ausgabenbegrenzung, son- ken. Eine vollständige Positivliste könnte mit zirka dern von der Beschaffung zusätzlicher Einnahmen, 3 000 bis 5 000 unterschiedlichen Arzneimitteln aus- indem Sie die Versicherungspflichtgrenze erhöhen kommen. Das entspricht dem Standard der Schweiz. wollen. Das bedeutet im Klartext: Versicherungs- Dort sind die Menschen mit Sicherheit auch nicht pflicht für alle Arbeiter und Angestellten. Sie wollen kranker, als das bei uns der Fall ist. die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen, d. h. zusätz- liche Einnahmen für die Krankenkassen, aber keine (Kolb [CDU/CSU]: Viel gesünder!) Ausgabenbegrenzung. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5067

Seehofer Dann wollen Sie in perfekter staatlicher Planung krankenhäuser mit Pflegefällen zurückgeführt wer- diese zusätzlich erzielten Einnahmen über — wie es den kann. heißt — soziale Gemeindezentren und sozialmedizini- (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Da hat sche Regionalzentren wieder nach außen verteilen. er recht!) Das ist typische sozialistische Planbürokratie, Herr Dreßler. Das ist sozialpolitisch ein Rückschritt, und ein Ein dritter Punkt zum Krankenhaus: Wir haben uns Rückschritt ist keine Antwort auf die Herausforderun- in der Koalition darauf verständigt, daß nach Vorlage gen unserer Zeit. des Krankenhausberichts der Bundesregierung Ende 1988 die Frage der wirtschaftlichen Betriebsführung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) in den Krankenhäusern in einem eigenen Verfahren Meine Damen und Herren, der größte Block bei den neu aufgerufen wird. Wir wollen einmal sehen, was Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversi- mit den Instrumenten aus den Jahren 1985 und 1986 geworden ist. cherung ist mit 40 Milliarden DM das Krankenhaus. Deshalb drängt sich natürlich die Frage auf: In wel- Ich denke also, es kann keine Rede davon sein, daß chem Umfang ist die stationäre Behandlung in diese das Krankenhaus aus den Kostendämpfungsbemü- Strukturreform einbezogen? Dazu muß man drei Be- hungen dieser Koalition ausgenommen ist. merkungen machen. Diese Gesundheitsreform ist ein ganz wesentlicher Erstens. Herr Egert, der Gesetzgeber hat 1984 und Meilenstein, um auch künftig ein leistungsfähiges 1985 das gesamte Krankenhausfinanzierungsrecht und finanzierbares Krankenversicherungssystem zu novelliert. Seine wichtigsten Bestimmungen sind erst haben. Ich füge hinzu, es wäre blanke Illusion, 1986 in Kraft getreten. Es wäre wenig sinnvoll, wenn (Egert [SPD]: Ironie!) wir bei Maßnahmen, die tiefgreifende Umstellungen wenn man glauben würde, mit diesem Schritt wären der Krankenkassen und Krankenhäuser erfordern, wir bereits am Ziel. Wir brauchen weitere Schritte. bereits nach nicht einmal einem Jahr der Anwendung Dazu gehört auch das Krankenhaus. als Gesetzgeber wieder alles in Frage stellen würden. Wir haben hier 1985 bereits einen Vorgriff auf diese (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Strukturreform bezüglich des Krankenhauses durch- Ich möchte nur eines anfügen, was aus meiner Sicht geführt. das alles Entscheidende beim Krankenhaus in der zu- Zweitens. Wir sind bereit und haben dies auch vor, künftigen Diskussion sein wird. Wir haben in den letz- im Zuge dieser Strukturreform neue Maßnahmen ten zehn Jahren 50 000 Betten in Deutschland abge- durchzuführen, die die alten Instrumente zunächst baut. Die Verweildauer ist im Durchschnitt von 17 auf einmal nicht tangieren. Die wichtigste Maßnahme ist 13 Tage zurückgegangen. Dennoch sind die Kosten hier eine Preisvergleichsliste bei den Krankenhäu- überproportional gestiegen, weil die Zahl der Kran- sern, die sicherstellen soll, daß der Patient im Regelfall kenhausfälle in den letzten drei Jahren um 850 000 in das preiswerteste Krankenhaus geht. zugenommen hat. Das heißt, wir haben in der Bundesrepublik Hinzu kommt die Stärkung der vorstationären Dia- Deutschland in weniger Betten mit kürzerer Verweil- gnostik und der nachstationären Behandlung. Denn dauer immer mehr Patienten. Deshalb müssen wir hier ich glaube, es ist billiger und menschlicher, weniger das Bewußtsein und auch die Verordnungsweise der stationär und mehr ambulant zu machen. Ärzte umkehren, nämlich weniger stationär und mehr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ambulant zu behandeln. Sonst wird das Ganze nicht mehr finanzierbar. Das dritte ist ein Kündigungsrecht der Krankenkas- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sen bezüglich unwirtschaftlicher Krankenhäuser, wo- bei wir aber an der Planungshoheit der Länder fest- halten, weil wir glauben, daß ein Punkt, der für alle Infrastruktureinrichtungen selbstverständlich ist, für Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Abge- die Kindergärten und für die Schulen, erst recht für die ordnete Kirschner. Krankenhäuser gelten muß, nämlich daß die Politik, die Landespolitik, die letzte Entscheidung darüber hat, wo ein Krankenhaus mit welcher Versorgungs- Kirschner (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen stufe steht. Denn die Menschen kommen im Falle und Herren! Herr Dr. Blüm und Sie, meine Damen einer Stillegung eines Krankenhauses nicht zum Ge- und Herren von der Regierungskoalition, können sich schäftsführer der AOK, sondern zum Politiker. Des- noch so oft mit hörbaren Erleichterungsseufzern dahin halb sind wir der Auffassung, daß derjenige, der die gehend äußern, Sie hätten die Hürden zu einem Ent- politische Verantwortung trägt, auch die Entschei- wurf für ein, wie Sie es nennen, Gesundheitsreform- dungsbefugnis für den Standort der Krankenhäuser gesetz überwunden. haben muß. (Bundesminister Dr. Blüm: Sehr richtig! — (Egert [SPD]: Das haben Sie in charmanter Jahn [Marburg] [SPD]: Seit wann gibt es Weise unter die Koalitionspartner disku- Zwischenrufe von der Regierungsbank?) tiert!) Über was Sie sich in der Koalition geeinigt haben, Ich bin der festen Überzeugung, daß die Absiche- wird jedoch nicht im entferntesten dem Anspruch ei- rung der Familienpflege ein wesentlicher Beitrag nes Gesundheitsreformgesetzes gerecht. dazu ist, daß die sogenannte Fehlbelegung der Akut- (Beifall bei der SPD) 5068 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Kirschner Sie behaupten, Herr Bundesarbeitsminister, Sie Unwirtschaftlichkeit, deren Ursachen entscheidend in würden in der sozialen Krankenversicherung die Soli- den Überkapazitäten unseres Gesundheitswesens zu darität neu bestimmen. Das ist eine Irreführung der suchen sind, in den Griff zu bekommen? Eine Gesund- Öffentlichkeit, wie Sie selbst wissen. heitsreform, die nicht bei der Primärprävention, d. h. der Beseitigung der krankmachenden Faktoren, so- (Beifall bei der SPD — Andres [SPD]: Abkas- weit dies möglich ist, ansetzt, verdient diesen Namen sierer!) nicht. Sie bieten keine Lösungen an, um die schwer- Wenn Sie von Solidarität reden, dann heißt das für die wiegenden Verwerfungen der Krankenkassen im Versicherten im Klartext: die Abschaffung des Sterbe- Mitgliedsleistungs- und Beitragsrecht zu beseitigen. geldes. Sie klammern den Krankenhausbereich ebenso aus (Dreßler [SPD]: Leider wahr!) wie die Psychiatrie und die Geriatrie. Sie können sich anscheinend gar nicht in die Situation (Kolb [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört! der Arbeiterfamilie, der durchschnittlichen Angestell- — Seehofer [CDU/CSU] : Das haben wir eben ten- oder Beamtenhaushaltsfamilie hineindenken. klargestellt!) Sonst könnten Sie nicht, wenn ein Todesfall eintritt, — Sie haben selber begründet, warum sie nur diesen bei dem persönlichen Leid, bei den finanziellen Pro- Teil drin haben. Wir werden uns darüber unterhal- blemen, die nicht zuletzt durch die Beerdigungsko- ten. sten entstehen, eine der ältesten Geldleistungen der Krankenversicherung, das Sterbegeld, streichen. (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Klaus, du mußt das Ding einmal durchlesen!) (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) —Na hör mal. Ich kenne das, besser als mancher, der Das ist Ihre hochgepriesene Reform. hier losschreit. Damit es klar ist: Wir Sozialdemokraten lassen uns Herr Bundesarbeitsminister, meine Damen und nicht vor den Karren derer spannen, die aus durch- Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie zielen mit sichtigen, eigennützigen wirtschaftlichen Gründen Ihrem Entwurf lediglich auf die Folgen einer unge- ihre Proteste artikulieren, gegen eine von uns eindeu- steuerten Gesundheitswirtschaft. Das heißt nach Ih- tig als notwendig erachtete Strukturreform der gesetz- rem Entwurf letzten Endes: abkassieren in Milliarden- lichen Krankenversicherung. Es geht uns Sozialdemo- höhe bei den Versicherten. Um es noch einmal klar kraten ausschließlich um die Interessen der Versicher- und deutlich zu sagen: Sie betreiben mit Ihrem bis ten und Patienten, die über Jahrzehnte mit ihren Bei- jetzt vorgelegten Entwurf weder eine Gesundheitspo- trägen Rechtsansprüche erworben haben und denen litik Sie nun, Herr Bundesarbeitsminister, mit ihrem gera- (Zuruf von der FDP: Die Beiträge werden dezu verhöhnenden Solidaritätsbegriff Leistungen gesenkt! — Egert [SPD]: Das glauben Sie wegstreichen oder die Sie durch höhere Selbstbeteili- doch selber nicht!) gung zusätzlich zur Kasse bitten. noch eine sinnvolle Kostendämpfung, sondern nichts (Beifall bei Abgeordneten der SPD) anderes als eine massive Selbstbeteiligung der Versi- Ich darf, Herr Bundesarbeitsminister, meine Damen cherten, was nichts anderes bedeutet, als daß die Ver- und Herren von der Koalition, an dieser Stelle ein paar sicherten zusätzlich in Milliardenhöhe zur Kasse ge- treffende Zeitungsausschnitte der letzten Tage zu Ih- beten werden. rem Entwurf zitieren: Ein weiteres ist heute schon abzusehen. Durch den (Dreßler [SPD]: Vernichtend sind die!) Einstieg in die Pflege — damit das klar ist: das wird von uns Sozialdemokraten als gesamtgesellschaftli- Durch Selbstbeteiligung in eine andere Versiche- che Aufgabe gefordert — wird ein finanzieller rungswelt. Sprengsatz bei den Kassen gelegt, der allein auf (Seehofer [CDU/CSU]: Wir haben eine De- Grund der demographischen Entwicklung neue Aus- batte und nicht eine Vorlesung!) gabenbelastungen der gesetzlichen Krankenversi- cherung mit entsprechenden Beitragserhöhungen Die Strukturreform im Gesundheitswesen nach sich ziehen wird. Darüber müssen Sie sich im schwächt den Solidaritätsgedanken. klaren sein: Das, was Sie als Reform des Gesundheits- So heißt es in der „Süddeutschen Zeitung" ; die kommt systems bezeichnen, verdient diesen Namen nicht. aus Ihrer Heimat, Herr Seehofer. In der „Frankfurter Herzlichen Dank. Rundschau" heißt es: „Blüms Minireform" ; in der „Osnabrücker Zeitung" : „Mehr Nachteile". Heute (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten steht in der „Zeit": „Gewaltkur ohne Wirkung". Ich der GRÜNEN) glaube, dem ist nichts mehr hinzuzusetzen.

Ihrem in monatelangem internem Gerangel ausge- Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr handelten Koalitionskompromiß fehlt die Zielorientie- Abgeordnete Dr. Thomae. rung, deren unser Gesundheitswesen so dringend be- darf. Herr Bundesarbeitsminister, Sie sagen: Wir han- Dr. Thomae (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr deln. Ihre Politik zielt nicht auf die Ursachen und die geehrten Damen und Herren! In der Bundesrepublik Beseitigung der Mängel unseres Gesundheitswesens, Deutschland gibt es eine medizinische Versorgung, sondern auf deren Folgen und damit in Ihrer Sicht auf die im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz die Patienten. Ich frage Sie: Wo ist Ihr Konzept, um die einnimmt. Der medizinische Fortschritt kommt allen Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5069

Dr. Thomae zugute. Wir haben freie Arztwahl, wir haben Thera- nusregelungen für die Versicherten führen zu mehr piefreiheit. Eigenvorsorge und Eigeninitiative. Dies wollen wir. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — (Egert [SPD]: Das soll geändert werden! — Peter [Kassel] [SPD]: Jetzt läßt er die Katze Andres [SPD]: Und freies Abkassieren!) aus dem Sack!) Niemand wird aus Einkommensgründen von der not- Wir fordern keine Selbstbeteiligung in einer Größen- wendigen medizinischen Versorgung ausgeschlos- ordnung, die im Krankheitsfalle die Finanzkraft des sen. Dies muß so bleiben, und dies ist abgesichert. einzelnen übersteigt. Wir wollen nicht, daß er der All- gemeinheit zur Last fällt. Nein, dafür haben wir aus- Wir machen uns Sorgen, daß einerseits mit einem gewogene Härte- und Überforderungsklauseln einge- weiteren Anstieg der Pflichtbeiträge die Entschei- baut. dungsfreiheit der Versicherten über ihre Einkom- mensverwendung eingeschränkt wird und anderer- Ich meine, wer heute Spitzenreiter bei den Aus- seits die Lohnnebenkosten so ansteigen, daß sich die landsreisen ist, wer so viel Geld für das Auto ausgibt, Wettbewerbschancen der deutschen Unternehmen wer sogar jedes Restrisiko beim Auto durch bereitwil- verschlechtern. Wir wollen diese Reform, damit hier lige Zuzahlung von Vollkaskoprämien abdeckt, nicht englische oder schwedische Verhältnisse entste- (Frau Steinhauer [SPD]: Meinen Sie die hen, Pharmaindustrie?) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) der kann auch mehr Verantwortung für seine Gesund- heit übernehmen. damit kein staatliches Gesundheitssystem entsteht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,- Andres [SPD]: Lambsdorff läßt grüßen! Ver sind mit Ihren Positivlisten, mit Ihrer Budgetierung sicherungswirtschaft!) und mit den von Ihnen favorisierten weitgehenden Diese Strukturreform sichert darüber hinaus den staatlichen Eingriffen auf dem Wege dorthin. Wollen Vorrang der Selbstverwaltung, die Ausgewogenheit Sie wirklich ein System wie in England, wo Sie uner- beim Datenschutz, die Stärkung des ambulanten Sek- träglich lange warten müssen, bis eine Operation tors, und über die Wirtschaftlichkeitsprüfungen wer- durchgeführt werden kann? den auch andere Leistungsanbieter zur Kasse gebe- (Widerspruch bei der SPD) ten. Maßnahmen bezüglich der Kassenstruktur und des Krankenhauses werden folgen. Wir werden dann Wollen Sie wirklich ein System, wo ab einer bestimm- hier eine Reform für eine neue Gesamtstruktur vorle- ten Altersgrenze eine Operation nicht mehr möglich gen können. ist? Finden Sie dieses System human und nachah- (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!) menswert? Diese Strukturreform sichert allen Beteiligten mehr Wir wollen durch diese Strukturreform nicht nur die Freiheit, mehr Selbstverantwortung und mehr Mög- Wirtschaftlichkeit des Krankenversicherungssystems lichkeit zu Eigeninitiative. Das ist unser Ziel. verbessern und den Solidarausgleich erhalten, son- Vielen Dank. dern wir wollen diesen selbst in Richtung einer größe- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ren Bedarfsgerechtigkeit bei gleichzeitig zunehmen- der individueller Handlungs- und Wahlfreiheit er- weitern. Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat Frau Ab- geordnete Unruh. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist nicht gerechtfertigt — das wissen Sie selbst, ver- Frau Unruh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte ehrte Damen und Herren der Opposition — , hier ab- Volksvertreter und -vertreterinnen! Daß Pflegelei- fällig nur von Kostendämpfung zu sprechen. stungen seit vielen, vielen Jahren überfällig sind, steht in der Bundesrepublik Deutschland außer Frage. (von der Wiesche [SPD]: Abkassieren ist das, Minister Blüm macht einen Einstieg, nur leider den nicht Kostendämpfung!) falschen. Das kommt den Pflegebedürftigen nur indi- Wir haben marktwirtschaftliche Steuerungsele- rekt zugute, weil Sie den Angehörigen etwas Gutes mente sowohl auf der Seite der Anbieter als auch auf tun wollen. Dafür sind natürlich 7 Milliarden DM viel der Seite der Nachfrager eingebaut. Dies sind bei- zu hoch. Vor allen Dingen haben Sie Kranke gegen spielsweise Festbeträge. Festbeträge — das sagen Pflegebedürftige umverteilt. Dem können wir GRÜ- alle Experten — werden mindestens bis zu 60 % des NEN natürlich nicht zustimmen. Gucken Sie sich un- Volumens des Arzneimittelmarktes eingeführt. seren Pflegegesetzentwurf an, der kostet nur 10 Milli- arden DM. (Dreßler [SPD]: Herr Kollege, bleiben Sie (Lachen bei der CDU/CSU) bitte bei der Wahrheit!) — Natürlich, Sie wollen doch 7 Milliarden DM für Ich nenne ferner: Selbstbeteiligung, Kostenerstattun- einen ganz, ganz kleinen Bereich ausgeben. Nehmen gen, Beitragsrückgewähr und Bonusregelungen. Die Sie unseren Pflegegesetzentwurf mit 10 Milliarden Festbetragsregelung zwingt die Leistungserbringer DM, und Sie haben den Pflegebedürftigen, egal, ob zu mehr Wettbewerb. Die Selbstbeteiligung, die Ko- sie zu Hause sind oder in irgendein Heim müssen, stenerstattung, die Beitragsrückgewähr und die Bo- egal, von wem sie sich pflegen lassen, echt geholfen. 5070 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Frau Unruh Das ist Zukunft, nicht immer wieder das Übertupfen Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD von irgendwelchen Geldern. Geben Sie es den Nie- hat während ihrer Regierungszeit und auch nach ih- gebedürftigen auf die Hand, dann haben Sie ein Jahr- ren heutigen Konzeptionen, soweit sie überhaupt vor- hundertwerk erreicht. liegen, keinen vernünftigen und gangbaren Weg ge- Danke. funden, um ein Ziel zu erreichen, nämlich Kosten- dämpfung und Strukturreform im Gesundheitswesen (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord- gleichzeitig angehen zu können. Unser Weg ist das neten der SPD) Festbetragskonzept. Damit auch dies gleich ausgeräumt wird: Wenn so getan wird, als wäre nach zwei Jahren die Umstellung Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Abge- auf den Festbetrag erledigt, ist auch dies falsch. Dies ordnete Günther. ist lediglich eine Zielsetzung, um möglichst schnell viele Medikamente umzustellen. Auch danach wird die Festbetragsregelung laufend überprüft und einge- Günther (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr führt; sie findet 1991 keinen Abschluß. verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuellen Stunden sind offensichtlich (Beifall bei der FDP) neuerdings sehr geeignet, in kurzen Beiträgen Falsch- Wenn Sie also hier die Bürger ständig mit Falschdar- meldungen in die Welt zu setzen. stellungen verunsichern, muß ich dies deutlich zu- (Egert [SPD]: Ist das eine Vorankündi- rückweisen. gung?) Es ist auch kein Abkassierungsmodell, wie Herr Dies haben wir mit der Steuerreform erlebt. Die Dreßler es ständig behauptet. Alle Einsparungen im Debatte gestern über das wirklich eingebrachte Ge- Zusammenhang mit Festbeträgen oder mit Bagatellei- setz hat wesentliche Klarheit gebracht. Das wird sich stungen oder bei übermäßig ausgeweiteten Leistun- bei der Gesundheitsreform wiederholen, und das er- gen lassen die vollwertige Versorgung der Versicher- gibt sich schon daraus, daß von seiten der Opposition ten mit allen medizinisch notwendigen Leistungen von diesem Pult aus ständig Falsches erzählt wird. Ich völlig unberührt. will dies belegen. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Herr Dreßler, immerhin haben Sie als stellvertreten- Einsparungen im Bereich des nicht medizinisch Not- der Fraktionsvorsitzender eine bestimmte Verantwor- wendigen sind allenfalls ein vermeintlicher, aber kein tung. Sie erklären in Ihrem Pressedienst vom 16. April wirklicher Nachteil für Versicherte. Dies werden die 1988: „Die Patienten müssen bei allen diesen Leistun- sehr rasch und sehr bald erkennen. Die hier erörterten gen" — es geht um das Kostenerstattungsprinzip bei Einsparungen gehen vornehmlich zu Lasten der Lei- Zahnersatz — „finanziell in Vorlage treten und sich stungserbringer, da sie deren Umsätze vermindern. hinterher" — hören Sie gut zu — „mit ihren Kranken- Dies trifft insbesondere für den Festbetrag zu. Das kassen herumärgern, damit sie wenigstens einen Teil muß ich doch einmal sehr deutlich machen. zurückerhalten. " Was bei dem Versicherten eingespart wird, geben Erstens werden sich die Krankenkassen freuen, wie schlecht sie seitens der SPD angesehen werden. Ich wir ihm zurück. Jede Mark, die wir dort einsparen — das werden wir in der Debatte im Mai nachwei- habe von unseren Krankenkassen einen wesentlich sen —, wird dem Versicherten in Form von anderen, besseren Eindruck, und der ist sicherlich auch be- wichtigeren und nützlicheren Leistungen zurückge- gründet. geben. Meine Damen und Herren, an diesen Auswir- Zweitens, Herr Dreßler, haben Sie das, was Ihnen kungen zeigt sich auch, wie unzutreffend der platte zur Verfügung steht, offensichtlich gar nicht oder Vorwurf der reinen Kostendämpfung ist. falsch gelesen; denn der Versicherte braucht nicht in Vorlage zu treten. Er muß bei der Kostenerstattung Ein weiterer ganz wichtiger Struktureffekt ist der erst zahlen, wenn er sein Geld von der Krankenkasse folgende. Durch die Verbesserung der Transparenz bekommen hat. über Kosten und Leistungen, die Einführung und Ver- wirklichung von Richtgrößen für die verschiedenen Dies ist der typische Fall von Falschmeldung, wenn Leistungs- und Versorgungsbereiche, die Verbesse- man nicht informiert ist oder wenn man sich nicht an rung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen und die Ver- den Fakten orientieren will. besserungen des medizinischen Beratungsdienstes (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wird es in der ambulanten Versorgung sowie in der Versorgung mit Arzneimitteln und mit Heil- und Hilfs- Herr Heinemann, Sie tragen hier vor, die Gesund- mitteln zu und damit zu heitsanbieter blieben völlig ungeschoren. Fragen Sie Mengenrückgängen weite- ren Einsparungen kommen. mal den gesamten Pharmabereich von der Indust rie bis zu den Apotheken. Dort werden uns Zahlen zwi- Diese Struktureffekte treffen nicht die Versicherten schen 2,5 und 4 Milliarden DM an Einsparungen und — und die Versicherten sollten sich das auch nicht Umsatzrückgängen vorgerechnet. Sie sagen, die blie- ständig einreden lassen —, denen auch insoweit kei- ben völlig unberührt. Mit einer Gesundheits- und So- nerlei notwendige Leistungen vorenthalten werden, zialpolitik, wie Sie sie in NRW betreiben, hat das aller- sondern sie treffen die Leistungserbringer. Der Wider- dings auch nichts zu tun. Das will ich gerne dazusa- stand aller Gruppen von Leistungserbringern gegen gen. diese Maßnahmen ist daher äußerst heftig, wie jeder- (Beifall bei der CDU/CSU) mann beobachten kann. Für wie wirksam die Lei- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5071

Günther stungserbringer die Struktureffekte halten, ergibt In Ihrer Eröffnungsrede zur Sitzung der Konzertierten sich auch daraus, daß sie, wo immer es möglich ist, Aktion im Gesundheitswesen im Frühjahr vergange- entsprechende Maßnahmen per Gesetz oder per nen Jahres heißt es über die Leistungsanbieter: Die Rechtsverordnung zu verhindern suchen. Einführung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs Meine Damen und Herren, Sie sehen also: All diese — bei den Ärzten — ist bereits ein Beitrag zur Kosten- Einwände sind vordergründig, leicht durchschaubar dämpfung. und sachlich unzutreffend. Wir werden im Mai Gele- (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ja, richtig! — Cronen genheit nehmen, dies unseren Bürgern vertiefend berg [Arnsberg] [FDP]: Ist das falsch?) darzustellen. Denn wir sind von diesem Konzept zu- tiefst überzeugt und haben im Gegensatz zur Opposi- Der Preisappell der pharmazeutischen Indust rie ist tion auch den Mut, eine Reform auf den Weg zu brin- bereits ein Beitrag zur Kostendämpfung. gen, die am Ende den Versicherten hilft und unser (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wollen Sie das be leistungsfähiges System der Sozialversicherung in der streiten? — Weiterer Zuruf von der CDU/ gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer erhal- CSU: Das ist doch so!) ten kann. Der Rückgang der zahnärztlichen Behandlung ist be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) reits ein Beitrag zur Kostendämpfung. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ja, wollen Sie das Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr bestreiten?) Abgeordnete Haack. Damals lobten Sie Ihre Gegner von heute, die Sie dann im „Spiegel" beschimpft haben. - Haack (Extertal) (SPD): Frau Präsidentin! Meine (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie bitte? Sie waren Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, der doch gar nicht da!) Kern Ihrer Rede läßt sich auf folgenden Punkt bringen. Ich zitiere aus Ihrer damaligen Einbringungsrede: § 1 Ihres Gesetzentwurfes heißt: Solidarität neu be- Dieser Flankenschutz für die Vorbereitung der Struk- stimmen. turreform verdient Anerkennung. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) Ab 1. Januar 1989 beträgt die Selbstbeteiligung beim Zahnersatz nicht mehr 300 DM, sondern 3 000 DM. Ein Jahr später starten Sie, Herr Bundesminister, im Das ist die Botschaft „Solidarität neu bestimmen" ! „Spiegel" die Beschimpfung eben jener Verbände, vor denen Sie zuvor eine Verbeugung gemacht ha- (Zustimmung bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/ ben! CSU]: Haben Sie schon einmal etwas von der Härteklausel gehört?) Dann, Herr Cronenberg, der dritte Aufzug des Lob- Die Diskussion über die derzeitige Reform des Ge- byisten-Trauerspiels: Es erscheint eine FDP-Anzeige sundheitswesens hat zahlreiche Aspekte. Meine so- mit dem Titel „Unsere Gegner beschimpfen uns als zialdemokratischen Freunde haben zu Recht darauf Zahnärztepartei — Wir haben nichts dagegen" . hingewiesen, daß es sich bei dem sogenannten Re- (Zurufe von der FDP: Ja, tun sie das nicht? — formgesetz lediglich um ein Abkassierungsmodell Das tun sie doch!) handelt und daß Kostendämpfung nicht mit Struktur- reform gleichzusetzen ist. So haben Sie gesagt. Hier wirbt die SPD um das große Geld der Zahnärzte. Spendenkonto ist angegeben. Aber, Herr Minister, es gibt noch einen anderen Punkt, der der öffentlichen Erörterung bedarf. Es ist (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Wir würden die Frage der politischen Kultur, die Frage, wie hier uns auch als Apotheker-Partei beschimpfen über dieses Thema diskutiert wird. Als politischer lassen!) Saubermann und Aufklärer haben Sie im März dieses Damit umwirbt die FDP unverhohlen jene Lobbyisten, Jahres Ihren Maßstab in einem „Spiegel"-Artikel dar- die Sie, Herr Bundesminister, im „Spiegel" beschimp- gelegt. fen. Der Feind — wenn das Bild einer Schlacht über- (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) haupt erlaubt ist — steht demnach in den Reihen Ihrer Der Kernsatz der Botschaft an die Öffentlichkeit lau- Koalition. tet: Die Verbände übernehmen die Herrschaft; der (Beifall bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Staat wird zum Notar, der lediglich das Ergebnis der Haben wir den Festbetrag durchgesetzt oder Kungelei beglaubigt; das Gemeinwohl geht ins Exil. nicht?) Markige Worte des Herrn Bundesarbeitsministers! Aber zu jenem Zeitpunkt waren Sie bereits auf dem Die letzte Koalitionsverhandlung ist ein deutlicher Be- Pfad der Täuschung der Öffentlichkeit. weis dafür. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nun mal langsam! — (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Haben wir den Fest Egert [SPD]: Richtig!) betrag durchgesetzt oder nicht?) War die „Spiegel"-Story ein Heischen nach Kommen- Die Presseerklärung Ihres Kollegen Cronenberg vom taren in den Gazetten in staatsmännischer Attitüde, so 16. April, also nach der letzten Koalitionsrunde, be- hatten Sie bereits ein Jahr vorher die Waffen nieder- schreibt die Niederlage des „Spiegel"-Staatsmannes gelegt. Norbert Blüm und den Triumph der FDP. Die FDP hat (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie bitte?) erreicht: Die Leistungsanbieter werden geschont. Al- 5072 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Haack (Extertal) les andere ist Kosmetik für das Abkassierungsmodell endlich das Problem der Pflegebedürftigen und der der Patienten. Pflege zu Hause in einem Punkt in der Krankenver- (Seehofer [CDU/CSU]: Kennen Sie den Ent- sicherung angegangen werden kann. wurf?) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) — Ja. Sie kennen doch alle den Bericht, den die Bundesre- Die Verbände und deren Helfer im Parlament ha- gierung 1984 dazu vorgelegt hat. Sie wissen auch, was ben gesiegt. Die Verbände haben dabei den Bundes- die Bundesregierung dazu in der Regierungserklä- arbeitsminister an den politischen Bettelstab ge- rung gesagt hat. Wer persönlich auch nur eine Person bracht kennt — meistens sind es Frauen, und zwar haupt- (Beifall bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/CSU]: sächlich nicht junge, sondern ältere Frauen —, die ein O Gott, o Gott!) pflegebedürftiges Mitglied in der Familie zu Hause pflegt, den Vater, die Mutter, den Onkel, die Tante, Im „Spiegel" — hören Sie gut zu! — haben Sie noch der weiß, wie dringend nötig es ist, hier vor Überfor- getönt: derungen zu schützen. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ihr wart schon bes- ser!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Krankenversicherungsreform wird nicht meistbie- Wenn wir heute sagen, die Arbeitnehmer sind in der tend versteigert. Den Versuch gab es via Spenden- Lage, sich ein Pflaster und eine Augenklappe selber konto und Versprechungen. Frage: Geht nun doch zu kaufen, sagen wir gleichzeitig, sie sind aber nicht das Gemeinwohl ins Exil? — Die Patienten sind dieser auf Dauer in der Lage, pflegebedürftige Angehörige Auffassung. rund um die Uhr zu pflegen, sollen sie nicht selber zusammenbrechen und schließlich zum Pflegefall (Beifall bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/CSU]: werden. Alles falsch!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat Frau Ab- Hier wird von Abkassieren gesprochen. Es kann geordnete Limbach. höchstens sein, daß dort abkassiert wird, wo es unnö- tig ist, und dorthin gegeben wird, wo es nötig ist, näm- (Dreßler [SPD]: Noch eine Abkassierungs- lich für die Menschen, die die solidarische Hilfe und helferin!) das Einstehen des Staates für sie brauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Frau Limbach Ich kenne eine ganze Reihe von Frauen, die Angehö- Damen und Herren! Ich glaube, in der Aktuellen rige pflegen. Ich habe noch selten so viel Zuspruch zu Stunde sollte man weniger Schlagworte verbreiten, einem Regierungsvorhaben gehört wie zu diesem sondern vielleicht helfen, etwas aufzuklären, damit hier, zu dem gesagt wird: Ist das ein Segen, wenn man unnötig verängstigte Menschen erkennen, was tat- zwei, drei oder vier Wochen im Jahr Entlastung be- sächlich passieren wird. kommt! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Egert [SPD]) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Ich finde das, was hier zum Teil gemacht wird, unver- Es ist auch gerechtfertigt, diesen einen Beitrag, der antwortlich. Unser Konzept zur Gesundheitsreform 1991 durch Pflegeleistungen ergänzt wird — 25 DM — das haben Sie ja selber erkannt — beruht im we- im Monat — , aus der Krankenversicherung zu finan- sentlichen auf zwei Prinzipien. Das eine ist, daß man zieren, weil nämlich der Ausweg heute im allgemei- die Solidarität neu bestimmen muß. Das ist deshalb- nen der ist — Kollege Seehofer hat es schon angespro- nötig, weil sich die Zeiten ändern und die Arbeitneh- chen — , daß man zu dem schwer Pflegebedürftigen, mer von heute eben nicht mehr die Untertanen aus weil man Urlaub braucht — in Klammern gesagt: dem 19. Jahrhundert, sondern selbständige, eigen- manchmal auch Urlaub will —, den Hausarzt ruft und verantwortliche Menschen sind, sagt: Bitte, mein Onkel, meine Tante, meine Mutter, meine Schwiegermutter ist schwer krank; die muß (Kolb [CDU/CSU]: Die auch ihre Beerdigung selber bezahlen wollen!) doch sicher einmal 14 Tage ins Krankenhaus. Und fin- den Sie den Arzt, der bei einem Schwer- oder die sich übrigens auch mit gegenseitiger Unterstüt- Schwerstpflegebedürftigen nicht reinen Gewissens zung und der Unterstützung durch die Gewerkschaf- feststellen kann — sei es, daß der Zucker hat, daß der ten Bedingungen geschaffen haben, unter denen sie Verdauungsapparat nicht funktioniert, sei es ein an- eigenverantwortlich handeln können. Deswegen ist derer Grund — , daß eine Einweisung ins Kranken- Eigenverantwortung haus tatsächlich erforderlich ist. Da kostet es am Tag (Frau Steinhauer [SPD]: Die Sie wieder ab- 300 DM und ist eine Fehlbelegung von Akutbetten. schaffen!) Hier brauchen wir allerdings auch die Unterstützung das zweite Prinzip. der Länder, damit der Effekt dieser entfallenden Fehl- belegung nicht wieder durch andere Punkte zunichte (Beifall bei der CDU/CSU) gemacht wird. Es ist verlangt worden, in dieser Aktuellen Stunde (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) über die Auswirkungen der Vorhaben zur Struktur- reform zu sprechen. Eine Auswirkung wird sein, daß Ich bin sicher, daß wir dies schaffen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5073

Frau Limbach Ich will zum Schluß noch einen weiteren Punkt brin- dürfen Sie sich nicht, wenn Sie den Finanzierungs- gen: Sie sprechen hier auch von den möglichen spielraum für eine Pflegefallregelung zu Lasten der Selbstbeteiligungen bei den Arzneimitteln, die nicht Kranken und Schwachen schaffen. Dies ist zynisch, in den Bereich des Festbetrags fallen, bei Verbands- Herr Minister! mitteln und Fahrten zum Arzt. Hier gibt es nicht nur (Beifall bei der SPD und des Abg. Hoss die allseits bekannte Härteklausel, sondern es gibt [GRÜNE]: — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie auch eine Überforderungsklausel. bitte?) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) Dann zu dem Festbetrag. Und da muß man einmal die Zahlen nennen: (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sind Sie dafür oder (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig!) nicht?) Wer 54 000 DM, nämlich bis zur Beitragsbemessungs- Denn die Erfolge sollen ja gelobt werden, wenn sie grenze, verdient, der braucht eben nur 2 % seines Jah- denn welche sind. resgehaltes für Selbstbeteiligung aufzuwenden, und wer mehr verdient, 4 %. (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Blüm [CDU/ Sie können von mir dazu gern noch einige Zahlen CSU]) haben. Jedenfalls zeigt das Ganze, daß unser Konzept — Herr Kollege Seehofer, Sie haben mich in der En- nicht nur notwendig, nicht nur sozial ausgewogen, quete-Kommission — — sondern auch zukunftsorientiert ist. (Seehofer [CDU/CSU]: Ich habe jetzt gar (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nichts gesagt!) - —Irgendeiner dieser Zwischenrufer sollte wenigstens einmal zuhören. Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Abge- ordnete Egert. (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU) —Ach, das war der Herr Minister. Da fällt es mir jetzt immer schwer, zu glauben, es seien qualifizierte Zwi- Egert (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen! schenrufe, aber gut. Meine Herren! Ich habe dem Minister sehr aufmerk- sam zugehört. In der Enquete-Kommission haben wir über die Festbetragsregelung — der Kollege Seehofer und die (Zuruf von der CDU/CSU: Gar nicht wahr! — anderen Mitglieder der Enquete-Kommission werden Frau Limbach [CDU/CSU] : Sie haben stän- sich erinnern — eine sehr intensive Diskussion ge- dig dazwischengerufen!) habt. Ich habe dort gesagt — als Person, da sitzen wir Zum Schluß seiner Rede bin ich dann etwas lauter ja alle als Person — , daß dies das einzige Element in geworden. Warum bin ich lauter geworden? Lauter diesem Gesetz sei, das meine Phantasie unter struktu- geworden bin ich, weil ich gedacht habe, der Minister rellen Gesichtspunkten anrege. Nur, Herr Minister, würde uns wenigstens erklären, warum sich sein star- wenn ich Herrn Cronenberg und andere als Sieger kes Wort vor diesem Parlament, daß es ein Solidarop- feiere, dann deshalb, weil sie sich da durchgesetzt fer der Pharmaindustrie von 1,7 Milliarden DM ge- haben. Aber ich nehme jetzt einmal Ihr Festbetrags- ben und daß dieses Gesetz ohne dieses Solidaropfer modell. Das ist eine Alternative zu dem, was wir Sozi- nicht zustande kommen werde, nicht einlösen läßt. aldemokraten vorgeschlagen haben — wir haben die (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) vertragliche Regelung, die Vertragsbeziehung zwi- schen Pharmaindustrie und Krankenkassen vorge- Er hat sich an einer Antwort oder an einer Erklärung schlagen — , das ist ein anderer, möglicherweise auch vorbeigemogelt. geeigneter Weg. Nur, er wird dann ungeeignet, wenn (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nicht zugehört!) z. B. die Fristen in den Referentenentwürfen und das, Also, nicht nur die Mogelpackung wird uns ange- was dann wohl Kabinettsentscheidung wird, verwirk- dient, sondern der Minister mogelt sich auch an sei- licht werden und eine Vorziehung auf 1991 kommt. nen starken Worten von gestern vorbei. (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Lesen Sie, Sie (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nicht zugehört!) müssen lesen!) — Nein, ich habe zugehört, sehr sorgfältig habe ich Denn dann ist es nur die intelligente Variante, die Ihnen zugehört. Immer, Herr Minister, höre ich Ihnen kaschieren soll, daß wir über die prozentuale Selbst- zu. beteiligung in massivem Umfang in die Selbstbeteili- Deswegen ist mir auch aufgefallen, daß Sie eigent- gung einsteigen. lich eine zweite Ungeheuerlichkeit begangen haben: (Frau Limbach [CDU/CSU]: Das ist ein stän Sie rühmen sich, Herr Minister — und ich finde es in diger Prozeß! — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Dann Ordnung, daß man die Erfolge, die man erzielen kann, geht's doch weiter!) dem Parlament auch vorstellt — , daß es einen Einstieg Ich halte das nur für eine intelligente Kaschierung die- in die Pflegeregelung gibt. Wenn diese Pflegerege- ses Unternehmens. Nichts anderes ist das. lung aus der Solidargemeinschaft der Steuerzahler finanziert wäre, wenn sie, so sage ich sogar, finanziert (Beifall bei der SPD — Scharrenbroich [CDU/ wäre, ohne daß der Hintergrund all der anderen Maß- CSU] : Der Kollege Günther hat Ihnen doch nahmen aus anderen Solidargemeinschaften da wäre, gesagt, wie das wirklich ist! — Weitere Zu dann dürften Sie sich zu Recht rühmen. Aber rühmen rufe von der CDU/CSU) 5074 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Egert Und dann, Herr Minister, war hier noch nicht die die Bezeichnung einer Strukturreform im Gesund- Rede von vielen anderen Punkten, die mich und an- heitswesen. dere in dieser Diskussion betroffen machen. Da steht Insgesamt werden keine Problemlösungen, sondern irgendwo in einer harmlosen Formulierung: lediglich Problemverschiebungen angeboten, und da- (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Lesen!) für haben wir schon eine Reihe von Beispielen gehört. Wir wollen den durchschnittlichen Beitrag in der Das gravierendste, Herr Blüm, ist zweifelsfrei der Krankenversicherung künftig den Rentnerinnen und Krankenhausbereich. Über ein Drittel der Kosten fällt Rentnern abverlangen. Dies ist eine Rentenkürzung. dort an. Sie geben in Ihrer Propaganda vor, daß Sie Sie nehmen also nicht nur den Kranken, sondern auch dort 1,5 Milliarden DM einsparen wollen, und Sie sa- den Rentnern etwas weg, die ihren Lebensunterhalt gen gleichzeitig, daß 20 000 Stellen im stationären mit ihren Groschen finanzieren müssen. Auch diesen Pflegebereich entfallen sollen, wo wir jetzt schon wis- greifen Sie in die Tasche. Sie schaffen mit vielen ande- sen, daß gerade dieser Bereich die größte Kritik bei ren Regelungen Elemente, die das bewährte System den Patienten hervorruft und daß bei der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung zerstören der 39-Stunden-Woche, wenn man, linear rechnen können, die z. B. die Mitgliedschaftsrechte neu gestal- würde, exakt 20 000 Stellen zusätzlich erforderlich ten werden und den Zug aus der gesetzlichen Kran- wären. Da wollen Sie noch sparen! kenversicherung in andere Bereiche erlauben. Der gesamte Bereich der Patientenrechte fehlt in Dies alles kommt nicht durch. Sie denken, Sie könn- dieser Strukturreform, und das ist aus meiner Sicht ein ten das Volk besoffen reden. Wir werden unseren Bei- weiterer entscheidender Kritikpunkt. Denn wenn je- trag leisten, Herr Minister, daß Sie mit dieser Absicht mand überhaupt den Mut und die Courage aufbringt, nicht erfolgreich sind. sich gegen seinen Arzt oder seine Ärzte zur Wehr zu setzen, dann ist es auf Grund der herrschenden Recht- Hier ist soeben die doppelte Null-Lösung aufge- sprechung geradezu unmöglich, daß er in dem Be- leuchtet, und deswegen muß ich leider Schluß ma- reich, so wie der Kunstfehler nach herrschender Mei- chen, obwohl es mich reizen würde, mich weiter mit Ihnen über Ihr unsoziales Machwerk auseinanderzu- nung in der Jurisprudenz definiert wird und auch in der Rechtsprechung behandelt wird, zu seinem Recht setzen. gelangen kann. Es sind absolute Ausnahmefälle, daß Danke für Ihre Geduld. Patienten zu ihrem Recht kommen können. (Beifall bei der SPD) (Zurufe von der CDU/CSU) Das wäre ein Ansatz gewesen, wo Sie mit Ihrer Struk- Vizepräsident Frau Renger: Ich erteile dem Abge- turreform im Gesundheitswesen tatsächlich Fort- ordneten Wüppesahl das Wort. schritte erreichen könnten. Ich möchte dazu bemerken, daß wir uns noch dar- Auch das Element des ordentlichen, des alten Haus- über einig werden müssen, wie innerhalb einer einge- arztes stärken Sie in keiner Weise. Im Gegenteil, schränkten Redezeit hier auch einer Fraktion nicht durch Ihre sogenannte Strukturreform verstärken Sie angehörende Abgeordnete in Zukunft Redezeit be- noch die ohnehin viel zu stark vorhandene Überbe- kommen. Sie haben jetzt drei Minuten Redezeit, Herr wertung des Facharztes. Das Pingpongspiel, das zwi- Abgeordneter Wüppesahl, bitte. schen den Ärzten stattfindet, wird ebenfalls an keiner Stelle Ihres Papiers abgestellt. Wüppesahl (fraktionslos) : Danke schön, Frau Präsi- Ich denke, daß wir auf jeden Fall bei der Detaildis- dentin! Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! kussion noch sehr viel mehr Beispiele bringen wer- Daß eine Reform für mehr Gesundheit in diesem den, die belegen werden, wie aberwitzig Ihre Gedan- Lande erforderlich ist, dürfte unstrittig sein. Jedoch ken, die Sie zu Papier gebracht haben, im Interesse stellt sich bei dieser Reform, die wir jetzt vor uns lie- der Patienten sind. gen haben, die Frage, wohin die Reise geht. (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN) (Wolfgramm [Göttingen] [FDP]: Vom Reisen verstehen Sie ja etwas!) Die AOK propagiert die Gesundheitskasse, und in der Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr Tat sieht auch die Werbung der AOK und anderer Abgeordnete Kolb. Kassen so aus, daß nur noch junge, gesunde, modi- sche, schicke und reiche Menschen darin auftauchen, und das ist auch der Klientelkreis, den sie am liebsten Kolb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ausschließlich in ihrer Kasse haben möchten. Unter- ehrten Damen und Herren! Der Kollege Dreßler hat in stützt wird das mit einer Broschüre aus Ihrem Hause, seiner Presseerklärung vom Abkassierungsmodell ge- von Ihnen herausgegeben, Herr Minister Blüm. Der sprochen. Titel dieser Broschüre lautet: „Damit unsere Kranken- (Dreßler [SPD]: Richtig!) versicherung gesund bleibt". Die Krankenversiche- Herr Kollege Dreßler, es gibt ein Abkassierungsmo- rung soll gesund bleiben, und das ist auch das wesent- dell Nummer eins, d. h. Beitragszahler haben zu zah- liche Kennzeichen dieser sogenannten Strukturre- len, egal, was anfällt, und zwar Arbeitgeber und Ar- form im Gesundheitswesen, daß es weniger um die beitnehmer. Es gibt das Abkassierungsmodell Num- Stärkung der Patientenrechte als vielmehr um die Ge- mer zwei, d. h. alle am System Beteiligten versuchen, nesung der Kassen geht. Die Kräfteverschiebung zu- einen möglichst großen Nutzen herauszuholen. Ge- gunsten der Krankenversicherung ist das entschei- nau dort haben wir eigentlich angesetzt. Im Zusam- dende Strukturmerkmal. Alles andere verdient nicht menhang mit der Diskussion um die Wirtschaftlich- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5075

Kolb keitsprüfung wird argumentiert, sie sei das Schlimm- hier? Wir wollen den Gesetzentwurf, der kommt, bera- ste, das es überhaupt gibt. Meine sehr verehrten Da- ten. men und Herren, das erinnert mich fast an eine Ich glaube, daß wir aus unseren Erfahrungen, die Stammtischrunde, die sich darüber aufregt, daß sie in wir in der Praxis draußen gewonnen haben, sehr viel eine Radarfalle geraten ist. Sie sagen: Die Unver- dazu beitragen können, diese Dinge zu verbessern. schämtheit, eine Radarfalle aufzustellen, hat mir be- Lassen Sie mich ein letztes sagen: Es muß uns gelin- wiesen, daß ich mit 80 Stundenkilometern gefahren gen, die Mitnahmeeffekte in diesem Bereich — und bin, wo ich nur 50 Stundenkilometer hätte fahren sol- zwar von allen praktiziert; da nehme ich niemanden len. aus — zu beseitigen. Diese Effekte kamen dadurch Es sind nicht nur die Betroffenen, die sich gegen die zustande bzw. es wurde ihnen dadurch Vorschub ge- Wirtschaftlichkeitsprüfung wehren, es ist eigenarti- leistet, daß niemand gefragt hat, was es kostet. gerweise auch die Selbstverwaltung, die gar nicht so Das ist genauso, als ob Sie in das beste Hotel gehen, genau kontrolliert haben möchte, wie hoch die Mit- sich vom Küchenchef das Beste vorsetzen lassen, um nahmeeffekte der einzelnen sogenannten Versicher- schließlich in die Tasche zu greifen und zu sagen: ten sind. Mein lieber Freund, hier hast du einen Schein, rechne Erstaunlicherweise kommt auch noch folgendes mit einem Dritten ab, ich interessiere mich nicht dafür, hinzu. Die Versicherten haben in der Vergangenheit was es kostet. nie gefragt, was es kostet, weil es in diesem System Wir versuchen, dieses System aufzubrechen. Ich nicht notwendig war, danach zu fragen, welche Ko- hoffe, daß wir im Laufe der Diskussion des Gesetzent- sten man verursacht. Man hat ja den Beitrag bezahlt. wurfs noch zu besseren Lösungen kommen. Herr Dreßler, wenn Sie schon vom Abkassierungsmo- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. dell sprechen, dann muß ich Ihnen sagen: Es wider- spricht der Summe der Lebenserfahrung, daß jemand (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 315 DM Beitrag im Monat bezahlt — das ist derzeit bei 7 % und 4 500 DM Beitragsbemessungsgrenze der Vizepräsident Frau Renger: Meine Damen und Her- Satz — und dafür nicht etwas haben will. Es werden ren, die Aktuelle Stunde ist beendet. plötzlich Dinge mitgenommen, weil man ja angeblich dafür bezahlt hat. Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen. Der Herr Abgeordnete Schreiner legt sein Amt als Schriftfüh- Herr Minister Heinemann, ich finde es toll, daß Sie rer nieder. Ich danke ihm für die gute Zusammenar- die Schweiz erwähnt haben. Wenn ich ins Städtle beit. Die Fraktion der SPD schlägt als Nachfolger für fahre, kann ich bei gutem Wetter über den See hinweg das Amt des Schriftführers den Abgeordneten von der nach dort schauen. Die Schweiz hat beispielsweise bei Wiesche vor. der Lohnfortzahlung eine ganz andere Lösung als wir. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist. — Wenn Sie schon die Schweiz ansprechen, müssen wir Danke schön. Der Abgeordnete von der Wiesche ist einmal den größten Kostenfaktor im gesamten Ge- sundheitswesen betrachten, nämlich die Lohnfortzah- somit zum Schriftführer gewählt. lung mit insgesamt 240 Milliarden DM. Ich glaube, das hat der Kollege Cronenberg vorhin in der Aufzäh- Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: lung nur vergessen. a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Be- Interessanterweise gibt es heute schon Gruppen, richts des Ausschusses für Ernährung, Land- die im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung vom wirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) „gelben Urlaubsschein" sprechen. Das deutet darauf zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne- hin, daß auch in diesem Bereich die Dinge schon zu ten Susset, Eigen, Michels, Sauter (Epfendorf), weit gegangen sind. Herkenrath, Bayha, Kalb, Kroll-Schlüter, Nie- (Zuruf von der SPD: Appell an Vorurteile!) gel, Schartz (Trier), Freiherr von Schorlemer, Borchert, Fellner, Fuchtel, Freiherr Heereman Ich gebe Ihnen zu, daß durch den vorliegenden von Zuydtwyck, Dr. Kunz (Weiden), Link Gesetzentwurf nicht alles geändert werden kann. (Diepholz), Carstensen (Nordstrand), Aber Herr Kirschner wird demnächst mit seiner En- Dr. Meyer zu Bentrup, Dr. Rüttgers, Scheu, quete-Kommission noch weitere Dinge der bisherigen Schmitz (Baesweiler), Dr. Uelhoff, Frau Will- Fehlentwicklung aufzeigen können, so daß wir hier in Feld, Glos, Müller (Wesseling), Graf von Wald- diesem Hause die Möglichkeit haben, das zu diskutie- burg-Zeil, Pesch, Dr. Schwörer, Lowack, ren. Dr. Hoffacker, Spilker, Maaß, Zierer, Dr. Czaja, Herr Hoss, es hat mich sehr gefreut, daß Sie über Kossendey, Werner (Ulm), Hinsken, Tillmann, einen noch ausstehenden Gesetzentwurf, den wir ei- Wilz, Frau Geiger, Roth (Gießen), Dr. Rose, gentlich noch gar nicht kannten, schon so diskutiert Weiß (Kaiserslautern), Dr. Neuling, Biehle, haben, als sei er bereits Gesetz. Wenn wir bessere Nelle, Schulze (Berlin), Frau Dr. Wisniewski, Vorschläge bekommen, können wir das sicher im Schwarz, Pfeffermann, Sauer (Stuttgart), Lou- Ausschuß behandeln und können dort Veränderun- ven, Harries, Hedrich, Seesing, Clemens, Ger- gen vornehmen. Es ist ja niemand daran gehindert, stein, Dr. Schroeder (Freiburg), Dörflinger, bessere Vorschläge zu unterbreiten. Es würde unsere Ganz (St. Wendel), Dr. Stark (Nürtingen), Ma- Arbeit eigentlich sinnlos machen, wenn man einen gin, Dr. Hüsch, Seehofer, Dr. Möller, Frau Gesetzentwurf von vornherein als das Endgültige be- Rönsch (Wiesbaden), Dr. Jobst, Frau Limbach, zeichnen wollte. Weshalb sind wir denn eigentlich Daweke, Lenzer, Engelsberger, Dr. Götz, 5076 Deutscher Bundestag — 1 ]..Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Vizepräsident Frau Renger Strube, Oswald, Deres, Börnsen (Bönstrup), Einführung eines 50 %igen Beimischungs- Schemken, Krey, Höffkes, Bohlsen, Schmid- zwangs von Getreide für die Mischfutterin- bauer, Dr. Grünewald, Dr.-Ing. Kansy, Rossma- dustrie nith, Müller (Wadern), Austermann, Dr. Olde- — Drucksachen 11/580, 11/1535 (neu) — rog und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Bredehorn, Heinrich, Berichterstatter: Frau Folz-Steinacker, Dr. Rumpf, Timm und Abgeordneter Paintner der Fraktion der FDP Zum Agrarbericht 1988 liegen Entschließungsan- träge der Fraktion der SPD, der Fraktionen der CDU/ zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- CSU und der FDP sowie der Fraktion DIE GRÜNEN rung auf den Drucksachen 11/2138, 11/2159, 11/2164 und zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der 11/2189 vor. SPD Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Agrarbericht 1987 gemeinsame Beratung dieses Tagesordnungspunktes drei Stunden vorgesehen. — Kein Widerspruch. Es — Drucksachen 11/536, 11/85, 11/86, 11/521, können aber auch weniger sein, dagegen erhebt sich 11/1347 — sicherlich kein Widerspruch. Berichterstatter: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bun- Abgeordnete Oostergetelo desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Kroll-Schlüter Forsten, Herr Kiechle. b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- regierung Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirt- Agrarbericht 1988 schaft und Forsten: Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Der Gipfel der europäi- — Drucksachen 11/1760, 11/1761 — schen Staats- und Regierungschefs am 11. und 12. Fe- bruar dieses Jahres in Brüssel hat auf dem weiteren Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Weg nach Europa eine ganze Reihe von Barrieren bei- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) seite räumen können. So beschlossen die Staats- und Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Regierungschefs eine beträchtliche Erhöhung der Ei- Haushaltsausschuß genmittel der Gemeinschaft, um die Gefahr der Zah- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit lungsunfähigkeit abzuwenden, eine neue Lastenver- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau teilung zwischen den Mitgliedstaaten bei der Mittel- Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜ- aufbringung, eine Aufstockung der Mittel für die NEN Strukturfonds, um verstärkt den wirtschaftlich schwa- chen Ländern und Regionen der Gemeinschaft zu hel- Flächengebundene Bestandsobergrenzen in fen. der Tierhaltung zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt Speziell im Agrarbereich wurde die EG-Agrarpoli- tik insgesamt auf eine neue finanzielle Basis gestellt, — Drucksache 11/1986 — wurde bei pflanzlichen Erzeugnissen neben Produk- tionsschwellen die sogenannte Flächenstillegung als Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: obligatorisches Instrument der Mengenanpassung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) EG-weit eingeführt, kann älteren Landwirten ein An- Finanzausschuß gebot gemacht werden, die Bewirtschaftung ihrer Be- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit triebe einzustellen, bevor sie das normale Rentenalter erreichen. d) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs ei- Die EG-Agrarpolitik war in den letzten Jahren ganz nes Gesetzes über die Förderung der Stillegung eindeutig durch die schwierige Haushaltslage der Eu- landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie der Ex- ropäischen Gemeinschaft bestimmt. Mehr als einmal tensivierung und Umstellung der Erzeugung schien die EG dem finanziellen Zusammenbruch (Extensivierungsgesetz) nahe. Mit den zukunftsweisenden Gipfelbeschlüssen zum EG-Haushalt gibt es nun auch wieder mehr Klar- — Drucksache 11/2158 — heit für die EG-Agrarpolitik.

Überweisungsvorschlag: Darüber hinaus ist deutlich geworden: Der Wille, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den europäischen Binnenmarkt in den 90er Jahren zu (federführend) vollenden, ist nicht nur gewachsen, er hat auch Kom- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit promisse möglich gemacht, mit denen zuvor kaum Haushaltsausschuß gem. I 96 GO einer gerechnet hat. Das weitere wirtschaftliche und Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Rechtsausschuß politische Zusammenwachsen in der Europäischen Gemeinschaft ist somit eine Tatsache, auf die sich alle e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Be- Bereiche — natürlich auch die EG-Landwirtschafts-- richts des Ausschusses für Ernährung, Land- und -Agrarpolitik — einzustellen haben; denn die Be- wirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu seitigung von Handelshemmnissen und Grenzbarrie- dem Antrag der Abgeordneten Frau Flinner, ren, die Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedin- Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN gungen, zusätzliche Chancen für Wachstum und Be- Deutscher Bundestag — 11. Wahlpe riode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5077

Bundesminister Kiechle schäftigung, aber auch mehr Wettbewerb werden die Es zeigt sich jedoch jeden Tag aufs neue: Solange auf Folgen sein. wichtigen Agrarmärkten Überschüsse erzeugt wer- den, gibt es kaum Spielraum für positiv wirkende Die EG-Agrarpolitik hat in der Vergangenheit oft im preispolitische Maßnahmen. Im Gegenteil: Ohne Re- Brennpunkt öffentlichen Interesses gestanden. Meist formschritte zur Mengenbegrenzung wächst die Ge- hat sie negative Schlagzeilen gemacht. Die in Art. 39 fahr, daß das preispolitische Netz der landwirtschafli- des EWG-Vertrages aufgeführten Ziele, nämlich die chen Marktordnungen ständig schwächer, ja schließ- Produktivität der Landwirtschaft zu steigern, auf diese lich sogar völlig wirkungslos wird. Dies konnte die Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung bessere Bundesregierung bisher nie akzeptieren, und eine sol- Einkommen und eine angemessene Lebenshaltung zu che Entwicklung wird sie auch nicht hinnehmen. gewährleisten, die Märkte zu stabilisieren, die Versor- gung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen, für die Be- (Frau Flinner [GRÜNE]: Werden Sie Ihre lieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Bauern opfern?) Sorge zu tragen, hat die EG zum Teil erfüllt. Einige Ziele hat sie sogar übererfüllt. Eines muß man aber sehen: Bei der Erzeugung so- genannter nördlicher Produkte, wie Milch, Getreide Statt mit dem Mangel wie noch vor 30 Jahren kämp- und Fleisch — Produkte, mit denen wir mit unseren fen wir heute mit dem Überfluß in der Nahrungsmit- direkten Nachbarn in Konkurrenz stehen — , wirt- telerzeugung. schaften viele unserer Betriebe unter schwierigen Ein weiteres Beispiel für einen hohen Grad der strukturellen und regionalen Verhältnissen. Immerhin Zielverwirklichung der EG-Agrarpolitik: Wären die liegen bei uns 50 % der Flächen in benachteiligten Preise für Nahrungsmittel bei uns in den letzten acht Gebieten. In größeren Tierbeständen — das kann man Jahren in gleichem Umfang wie die übrige Lebenshal-- nicht bestreiten — und auf besseren Standorten kann tung gestiegen, hätten die Verbraucher 1986/87 je im Regelfall kostengünstiger produziert werden. Dort rund 13 Milliarden DM mehr dafür ausgeben müs- könnten die Bauern länger auch noch mit Erzeuger- sen. preisen auskommen, die in kleineren Betrieben und Beständen das schnelle Aus bedeuten würden. Neben dieser Erfolgsbilanz zeigt der Agrarbericht 1988 aber auch ganz deutlich die Schattenseiten oder Worauf es zukünftig ankommt, ist, Angebot und das auf, was nicht erreicht wurde. Die Einkommens- Nachfrage besser aufeinander abzustimmen, und dies situation in der Landwirtschaft ist alles andere als EG-weit. Wie bei Milch muß auch bei pflanzlichen befriedigend — zumindest bei uns. Während sich im Produkten ein Weg gesucht werden, der das Preisstüt- abgelaufenen Wirtschaftsjahr die Gewinne der Voll- zungssystem soweit wie möglich erhält und trotzdem erwerbsbetriebe im Durchschnitt des Bundesgebietes eine Begrenzung der Produktion möglich macht. leicht verbessern konnten — je Unternehmen um Nach langen und, ich glaube, auch zähen Verhand- 2,6 % auf 39 653 DM —, ist im laufenden Wirtschafts- lungen konnte in Brüssel schließlich eine Einigung jahr, das am 1. Juli zu Ende geht, wieder mit einem gefunden werden, die darauf hinausläuft, daß deutlichen Rückgang der Gewinne um 7 % zu rech- alle Mitgliedstaaten Flächenstillegungsmaßnahmen nen. durchführen müssen und finanzielle Anreize die EG Ein Auf und Ab bei den Einkommen ist für selbstän- weite Anwendung sicherstellen. dige Berufe nichts Ungewöhnliches und für den land- Ich kenne, meine Damen und Herren, die vielen wirtschaftlichen Betrieb nicht selten eine Folge auch Bedenken, die gegen dieses Konzept vorgebracht der Witterung, denn sie beeinflußt Erntemenge und werden. Ich weiß auch: Es wird nicht ganz einfach -qualität. Seit gut einem Jahrzehnt, genauer seit dem sein, die beim Gipfel beschlossene sogenannte Flä- Wirtschaftsjahr 1975/76, allerdings verharrt, mit chenstillegung und die bereits vor einem Jahr be- Schwankungen, der durchschnittliche Gewinn unse- schlossenen Extensivierungs- und Umstellungsmaß- rer Vollerwerbsbetriebe jedoch ziemlich auf der nahmen in die Praxis umzusetzen. Für eine Reihe sehr Stelle. Er lag 1975/76 bei 25 900 DM und liegt im Wirt- praktischer Probleme, wie z. B. eine einigermaßen schaftsjahr 1986/87 je Arbeitskraft bei 26 700 DM. Der gleichmäßige regionale Verteilung und relative Abstand zum gewerblichen Vergleichslohn ist in die- Pachtpreisneutralität, müssen wir, jedenfalls soweit ser Zeit zunehmend größer geworden. als möglich, Lösungen finden. Für die, die sich die Sache sehr einfach machen, Trotzdem: Realistische, die Einkommen der Bauern sind die Schuldigen dieser Einkommensmisere je- berücksichtigende Alternativen zur direkten Produk- weils immer schnell ausgemacht. So wird der EG- tionsbegrenzung sehe ich nicht. Und: Je zögerlicher Agrarpolitik vorgeworfen, den Bauern die notwendi- wir den Weg der direkten Mengenbegrenzung bei gen Preisanhebungen für ihre Produkte zu verwei- pflanzlichen Produkten gehen, desto drastischer gern; der Bundesregierung wird vorgehalten, zuwe- könnte der Preisdruck sein, der dann folgt. Würde die nig für die Bauern zu tun. Bundesregierung nur den Bedenkenträgern und (Frau Flinner [GRÜNE]: Richtig!) Schwarzmalern folgen, geschähe nichts, weder bei uns noch in der EG. Wo und was sind aber die Tatsachen? Zunächst einmal zu den geforderten Preisanhebun- (Frau Flinner [GRÜNE]: Bauern protestie gen. Preisanhebungen müssen nicht nur gewollt, son- ren!) dern am Markt auch durchsetzbar sein. Ich bin daher den Koalitionsfraktionen für den (Beifall bei der CDU/CSU) Initiativentwurf eines Extensivierungsgesetzes sehr 5078 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Bundesminister Kiechle dankbar, das wir heute in erster Lesung und in ver- Bundesregierung wie keine andere zuvor ihre direk- bundener Debatte mit dem Agrarbericht beraten. ten Hilfen für die Bauern ausgeweitet hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Frau Flinner [GRÜNE]: Gegen die Bauern, nicht für die Bauern!) Ich wünsche unseren Bauern, daß wir damit bei pflanzlichen Produkten zu einem ähnlichen Ergebnis So konnten die Gewinnunterschiede im Durchschnitt wie bei Milch kommen. der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe zwi- schen benachteiligten und nicht benachteiligten Ge- (Frau Flinner [GRÜNE]: Von Wünschen kön- bieten weitgehend ausgeliehen werden — etwas, was nen sie nicht leben!) bisher kaum bemerkt oder genannt wird. Dies ist in erster Linie auf die erhöhte Ausgleichszulage zurück- Trotz mancher Irritationen in den letzten Wochen über zuführen. In den benachteiligten Gebieten erhalten eine weitere vorübergehende Aussetzung von Milch- Vollerwerbsbetriebe mit Ausgleichszulage im Durch- quoten gegen finanziellen Ausgleich bleibt doch schnitt heute 3 729 DM. wahr: Bei Milch nähern wir uns mit großen Schritten dem Ziel, daß die Erzeugerpreise wieder vom Markt- (Frau Flinner [GRÜNE]: Denen haben Sie ja geschehen bestimmt werden, und zwar positiv für die vorher schon viel mehr gekürzt, als Sie ihnen Milcherzeuger. jetzt zusätzlich geben! Das sind die Tatsa chen!) (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist durch Standhaftigkeit erreicht worden!) Das sind immerhin fast 10 % ihres Gewinns. Von 1983 bis 1988 hat allein der Bund die Mittel für diese Zulage Der vor einem Jahr noch riesige Berg an Butter- und- von 65 Millionen auf 445 Millionen DM aufgestockt. Magermilchpulvervorräten in der Europäischen Ge- meinschaft ist von Mitte April 1987 mit 995 000 Ton- (Frau Flinner [GRÜNE]: Sagen Sie mal, was nen Butter und 767 000 Tonnen Magermilchpulver bis für den einzelnen Betrieb herauskommt!) jetzt, am selben Stichtag im Jahr 1988, also nur in einem Jahr, auf 530 000 Tonnen Butter und 200 000 Dazu kommen noch die Mittel der Länder. Tonnen Magermilchpulver abgeschmolzen. Er ist da- Im gleichen Zeitraum sind die Bundesmittel zur mit so weit abgeschmolzen, daß schon bald von einer agrarsozialen Sicherung um mehr als ein Drittel von normalen, für die Sicherung der Ernährung notwendi- 3,55 Milliarden DM auf 4,85 Milliarden DM — das ist gen Lagerhaltung gesprochen werden kann. Die posi- ein Plus von 1,3 Milliarden DM — gestiegen. tive Tendenz bei den Preisen ist deutlich zu spüren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Frau Flinner [GRÜNE]: Wieviel Bauern sind dafür geopfert worden?) Schließlich sollte auch der Einkommensausgleich über die Mehrwertsteuer in Höhe von 5 % — in dem Der Erzeugerpreis bei Milch hat sich mehr und jetzt laufenden Jahr werden das 2,8 Milliarden DM mehr gefestigt. Das bestätigt auch der Agrarbericht sein — berücksichtigt werden. 1988. Er belegt nämlich, daß die Futterbaubetriebe nicht nur gegenüber anderen Betriebsformen einkom- Viel zuwenig ist bekannt, in welchem Maß sich mensmäßig deutlich aufgeholt haben, sondern im lau- diese und andere direkte Hilfen des Staates auf die fenden Wirtschaftsjahr auch mit dem geringsten Ein- Einkommen in den Betrieben auswirken. Wir haben kommensrückgang rechnen müssen. darüber Berechnungen angestellt und haben feststel- len können: Die direkten Hilfen machen immerhin Unser Ziel bleibt es, bei Milch den nationalen Refe- rund ein Drittel des Gesamteinkommens in den Voll- renzmengenüberhang so schnell wie möglich abzu- erwerbsbetrieben aus — im Durchschnitt gesehen. bauen, um dann die Garantiemengenregelung flexi- Hierin zeigt sich die Solidarität der Gesamtbevölke- bler gestalten zu können. Das heißt, es sollen Saldie- rung mit der Landwirtschaft. rungsmöglichkeiten für die in den Betrieben unter- und überlieferten Mengen genutzt werden, und es soll Aber man muß auch folgendes sehen: Trotz des eine Lösung für die Handelbarkeit von Quoten gefun- beträchtlichen Umfangs staatlicher Hilfen für unsere den werden. Bauern gibt es weiterhin gut und schlecht struktu- rierte, hochleistungsfähige und kaum noch existenz- Bei den derzeitigen EG-Verhandlungen über die fähige, besser und nichts verdienende Betriebe ne- Agrarpreise sind wir bemüht, eine Verbesserung der beneinander, manchmal auch unter gleichen Umstän- Kommissionsvorschläge zu erreichen. Eine Anhebung den. Ich ziehe daraus den Schluß: Mehr Geld allein der administrierten Preise kann ich jedoch angesichts sichert offensichtlich nicht die Zukunft der bäuerli- der Ratsmehrheit leider nicht in Aussicht stellen. We- chen Betriebe. Ich kann daher nur wiederholen, was gen der Vorgaben des Europäischen Gipfels dürfen ich bereits vor einem Jahr von dieser Stelle aus gesagt wir schon von Erfolg sprechen, wenn wir die negati- habe: Es gibt auf Dauer keine Agrarpolitik, die Lei- ven Wirkungen einzelner Vorschläge der EG-Kom- stungsschwäche in Wohlstand umzumünzen ver- mission — ich nenne als Beispiel die Halbierung der mag. monatlichen Zuschläge für die Lagerkosten bei Ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) treide — in Grenzen halten können. Trotzdem treten immer wieder Verteilungskünstler Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz vie- auf den Plan, die da meinen, einem Teil der Betriebe ler Kritik kann niemand bestreiten, daß die jetzige Mittel, Marktanteile oder Einkommenschancen weg- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5079

Bundesminister Kiechle nehmen zu können, um sie anderen Betrieben zu ge- men. In den übrigen Betrieben — rund 40 % oder ben. 280 000 — wird mittlerweile der größere Teil des Ein- kommens außerhalb der Landwirtschaft verdient. (Frau Flinner [GRÜNE]: Genau das macht ihr!) (Frau Flinner [GRÜNE]: Traurig genug!) Dabei werden oftmals die strukturellen Verhältnisse Gezählt werden alle Betriebe ab 1 ha landwirtschaft- in unserer Landwirtschaft vergessen oder schlicht und licher Nutzfläche. einfach verdrängt. Wie immer man diese Tatsache beurteilen will, die Laut Agrarbericht wiesen z. B. nur 0,7 % unserer Einkommenskombination wird in Zukunft für viele Betriebe eine Fläche von 100 ha und mehr auf. Nur in die bessere Chance sein und bleiben, den Beruf des 3,2 % der Betriebe standen 50 und mehr Kühe. Nur in Landwirts auszuüben, ohne auf eine Teilnahme an der 2,9 % der Betriebe wurden mehr als 400 Mast- allgemeinen Einkommensentwicklung zu verzichten. schweine gehalten. Das sind wahrlich keine Größen- Entscheidend ist nicht, wo das Geld verdient wird, ordnungen, bei denen man schon von dem Überhand- sondern daß für die ganze Familie nachhaltig genug nehmen sogenannter Agrarfabriken sprechen verdient wird und bäuerliches Eigentum erhalten könnte, bleibt. (Eigen [CDU/CSU]: Sehr gut, Herr Mini Der Agrarbericht 1988 belegt, daß in diesem Sinne ster!) in der Tat vieles für den Nebenerwerb spricht. Aber bei denen etwa viel zur sogenannten Umverteilung zu ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Auf den lei- holen wäre. stungsfähigen Vollerwerbsbetrieb kann jedoch unter keinen Umständen verzichtet werden. Ich kann deshalb auch einem Konzept nichts abge-- winnen, die Preise am Markt sich einfach einpendeln (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zu lassen und sogenannten bedürftigen Betrieben Besonders schwer haben es derzeit die älteren — da sagt man dann immer „kleine und mittlere" — Landwirte, die keine Zusatzeinkommen außerhalb ih- zum Ausgleich direkte Einkommenshilfen zu gewäh- rer Betriebe mehr finden und die auch keinen Hof- ren. Allein auf die Frage, was denn bedürftige Be- nachfolger haben. triebe sind, fällt die Antwort schwer, gibt es im Grunde nur problematische Antworten. Neben sozia- (Frau Flinner [GRÜNE]: Warum haben sie len Aspekten muß nämlich bedacht werden, daß un- keinen?) sere Landwirtschaft künftig im Wettbewerb um Diesen Landwirten, die schon ein Leben lang hart 320 Millionen Verbraucher auf dem europäischen gearbeitet haben, sollten wir eine Alternative bieten, Binnenmarkt noch mehr mithalten soll. damit sie nicht unbedingt auf ihren oftmals zu kleinen Das ist im übrigen auch bei Bewirtschaftungsbe- Betrieben bis zum üblichen Rentenalter weiter wirt- schränkungen zu bedenken, die nur unseren Betrie- schaften müssen. In diesem Sinne ist die durch den ben auferlegt werden oder werden sollen, aber nicht EG-Gipfel möglich gewordene Produktionsaufgabe- oder nicht gleichermaßen in den übrigen Mitglied- rente auch eine wichtige menschliche Hilfe für unsere staaten gelten oder gelten würden. bäuerlichen Familien. Zunehmend werden von der Gesellschaft Leistun- Den Strukturwandel in der Landwirtschaft können gen der Landwirtschaft für die Erhaltung von Natur und wollen wir nicht unterbinden. und Landschaft nachgefragt. Es mehren sich jeden- falls die Sorgen, wie in einigen Jahren unsere Land- (Frau Flinner [GRÜNE]: Das ist es!) schaft ohne die pflegende Hand der Bauern aussehen Wir sind aber verpflichtet, ihn so weit wie möglich könnte. Meines Erachtens kommt die Bevölkerung sozial erträglich zu gestalten. Es löst aber keine Pro- nicht umhin, bestimmte Arbeiten, die der Landwirt im bleme, mit dem Totschlag-Schlagwort vom Bauern- Dienst der Natur und Umwelt ausführt, finanziell zu sterben über Land zu ziehen und gegen den Struktur- honorieren. wandel in der Landwirtschaft sowie gezielte Umstel- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) lungshilfen für unsere Bauern Stimmung zu ma- chen. Deshalb ist eine Agrarpolitik gefragt, die Augenmaß im wahrsten Sinne des Wortes besitzt und sich an den (Zuruf von den GRÜNEN: Umstellung auf Realitäten orientiert. Eine wichtige Realität ist: Wir was?) haben es heute in der Bundesrepublik Deutschland Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: mit einer Vielfalt von Betrieben zu tun, wie sie sonst in Maßgeblich für die Einkommensentwicklungen in der Europa kaum zu finden ist. Jeder zweite Bet rieb Landwirtschaft sind auch zukünftig die über den (Zuruf der Abg. Frau Flinner [GRÜNE]) Markt erzielten Einkommen. Deshalb müssen die Be- triebe ihre Bindungen zum Markt behalten und aus- — Sie könnten ja mal zuhören, Frau Flinner —, bauen können. (Zuruf von der CDU/CSU: Das nützt bei ihr Natürlich brauchen unsere Bauern weiterhin die nichts!) staatliche Unterstützung, um sich selbst helfen zu —oder 336 000 Betriebe — ist heute bei uns noch voll können. Wir werden auch dafür sorgen müssen, daß auf das Einkommen aus der Landwirtschaft angewie- die übrigen Leistungen der Landwirtschaft für die sen. Rund 10 % der Bet riebe — das sind 65 000 — ver- Gesellschaft außerhalb der Nahrungsmittelproduk- fügen über ergänzende, außerbetriebliche Einkom tion angemessen honoriert werden. Staatliche Hilfen 5080 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Bundesminister Kiechle können jedoch die über den Markt erzielten Einkom- trieben zu verbessern. Wir brauchen also im ländli- men letztlich nur ergänzen, nicht aber ersetzen. chen Raum ausreichend alternative Erwerbsmöglich- keiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse Sechstens. Den zusammen. Wir gehen mit großen Schritten auf die älteren Landwirten ohne Hofnach- folger ist aus sozialen, marktentlastenden und struk- Vollendung des europäischen Binnenmarkts zu. Den turverbessernden Gründen die Möglichkeit zu bieten, Konsequenzen daraus wird sich auch die Agrarpolitik sich vorzeitig aus der aktiven beruflichen Tätigkeit stellen müssen; denn es wird nicht möglich sein, auf zurückzuziehen. dem Weg zum europäischen Binnenmarkt in allen anderen Bereichen die Schranken weiter abzubauen, Siebtens. Der gezielte Einsatz von Bundesmitteln in aber gleichzeitig um unsere landwirtschaftlichen Be- der Agrarpolitik zur Sicherung und Entwicklung bäu- triebe neue oder höhere Schutzzäune zu ziehen. erlicher Betriebe ist konsequent fortzusetzen. Es gibt Daran muß man denken, wenn man die Agrarpolitik bereits eine Vielzahl von Maßnahmen, die diesem weiterentwickeln will. Anspruch gerecht werden. Das gilt besonders für die agrarsoziale Sicherung. Aber auch hier gibt es noch Die Elemente unseres Konzepts sind: Erstens. Die manches zu verbessern. Im Laufe dieser Legislaturpe- beste Preis- und Marktpolitik ist die Ordnung der riode soll das ja auch geschehen. Dabei ist die Bei- Märkte. Bei pflanzlichen Produkten sollen uns Flä- tragsgestaltung noch stärker als bisher auf die Ein- chenstillegungen, Extensivierung und Umstellung kommenssituationen in den Betrieben auszurichten. der Produktion gegen Ausgleichszahlungen in Ver- bindung mit Haushaltsstabilisatoren einen deutlichen Sie sehen: Nicht eine einzige Maßnahme, ein gan- Schritt nach vorne bringen. Das Problem der Getrei- zes Bündel von Maßnahmen ist notwendig, um unsere desubstitute müssen wir, soweit es geht, bei den lau- Landwirtschaft auf die zukünftigen Erfordernisse der fenden GATT-Verhandlungen zu entschärfen versu- Marktentlastung, der Wettbewerbsfähigkeit, des Um- chen. welt- und Naturschutzes und des sozialen Ausgleichs einzustellen. Wir brauchen diese Maßnahmen nicht Zweitens. Bei dem Werben um die Gunst der nacheinander, sondern nebeneinander. Das kostet 320 Millionen Verbraucher auf dem EG-Binnenmarkt natürlich Geld. Es ist gut eingesetzt, weil wir mit unse- müssen unsere Bet riebe konkurrenzfähig sein. ren Maßnahmen Orientierung geben für längerfri- Gleichzeitig soll die Produktion markt- und umwelt- stige betriebliche Entscheidungen und unseren Bau- gerecht sein. Angesichts sehr vielfältiger Forderun- ern und Bäuerinnen zugleich Mut machen, eine zwei- gen an unsere Betriebe müssen wir aufpassen, daß fellos schwierige Wegstrecke zu überwinden. ihnen nicht weitere unnötige Handschellen angelegt Ich, meine Damen und Herren, danke für Ihre Auf- werden, die ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit merksamkeit. Ich danke dem Parlament für vielfältige zusätzlich und über Gebühr einengen. Andererseits Einsicht in bisher notwendige und erforderliche kom- geht es zukünftig in der Nahrungsmittelproduktion mende Maßnahmen für unsere Landwirte. Ich wün- nicht mehr darum, möglichst viel von allem zu produ- sche unseren Bäuerinnen und Bauern ein gutes Ern- zieren. Vielmehr wird die Devise sein: Qualität und tejahr auf ihren Höfen. Vielfalt der Produkte. Ideenreichtum ist hier gefragt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Drittens. Neben der Nahrungsmittelproduktion ist eine zweite Produktionslinie — nachwachsende Roh- stoffe — zu entwickeln. Wir werden unserer Land- Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat Herr Ab- wirtschaft dabei helfen, Stück für Stück in Produkti- geordneter Oostergetelo. onsrichtungen einzusteigen, die der wachsenden Nachfrage der Verbraucher nach Naturprodukten Rechnung tragen. Auch unsere Industrie hat die Zei- Oostergetelo (SPD): Frau Präsident! Meine sehr chen der Zeit erkannt. Eine nachhaltige Entlastung verehrten Damen und Herren! Herr Minister, zu- der Nahrungsmittelmärkte ist davon vorläufig jedoch nächst ein paar Anmerkungen zu Ihrer Rede. In vie- noch nicht zu erwarten. Damit wäre allerdings in dem lem, was Sie in Ihrer Rede angesprochen haben, ha- Maße zu rechnen, wie sich die Erdölvorräte erschöp- ben wir jetzt Konsens. Dies stelle ich mit Freude fest, fen, die Preise für Erdöl steigen und Biomasse als weil viele Forderungen dabei sind, die alte Forderun- Energielieferant wettbewerbsfähig oder -fähiger gen von uns sind. würde. Mit Blick darauf werden wir unsere Vorsor- (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ gestrategie fortsetzen. CSU) Viertens. Allein über die Preise der Agrarprodukte Richtig ist, meine Damen und Herren, seine Äuße- sind landeskulturelle, landespflegerische und ökolo- rung, daß wir die Umweltleistungen besser honorie- gische Leistungen der Landwirtschaft zukünftig im- ren müssen. Falsch ist, diese Hilfen dann, wie bei der mer weniger zu haben. Die Ausgleichszulage für Be- Vorsteuerpauschale geschehen, nur an den Umsatz zu triebe in benachteiligten Gebieten ist ein hilfreiches binden. Instrument, um solche Leistungen der Landwirtschaft Richtig ist Ihre Feststellung, daß allein Preise für die gezielt zu honorieren. Daneben müssen andere treten, Agrarprodukte den Umweltleistungen nicht gerecht die an den ökologischen Erfordernissen vor Ort orien- werden. Warum haben Sie dann direkte Leistungen in tiert sind. den vergangenen Jahren abgelehnt? Fünftens. Das außerlandwirtschaftliche Einkom- Richtig ist, daß staatliche Hilfen die über den Markt men bleibt oftmals die einzige Möglichkeit, die Ein- zu erzielenden Einkommen ergänzen müssen. Warum kommenssituation in vielen landwirtschaftlichen Be- sagen Sie dann immer, daß andere die am Markt zu Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5081

Oostergetelo erzielenden Hilfen ersetzen wollen? Sozialdemokra- einsetzen. Dazu gehören auch die Förderung und Ver- ten haben das nie gesagt. besserung der Vermarktungsstrukturen und EG-wei- ter flächenbezogener Bestandsobergrenzen in der Richtig ist, daß ein Bündel von Maßnahmen nötig ist Tierhaltung, übrigens zur Stärkung der bäuerlichen und Maßnahmen nicht nacheinander, sondern neben- Familienbetriebe und zum Schutz der Umwelt, sowie einander durchgeführt werden müssen. Warum legen die strikte Einhaltung von Förderobergrenzen. Wie- Sie dann immer, wie jetzt geschehen, Einzelmaßnah- derholt haben wir die Abwendung von der gescheiter- men vor und nicht ein Bündel, z. B. bestehend aus ten Agrarpolitik und die Neuorientierung in Richtung direkter Einkommensübertragung und Extensivie- auf mehr Markt und zusätzliche Einkommenssiche- rungsmaßnahmen? rung durch produktionsneutrale direkte Einkom- Herr Minister, Sie sind nun ein halbes Jahrzehnt im menshilfen gefordert. Amt. Dies ist der sechste Agrarbericht, den Sie vorle- gen. Anzuerkennen ist die Offenheit Ihrer Rede, in der (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Für Sie zu einer ähnlichen Beurteilung kommen wie wir: wen? Roß und Reiter nennen, wer was kriegt Die Bilanz ist bedrückend. und wer nichts kriegt!) Als Sie Ihr Amt antraten, hatten die deutschen Doch die Bundesregierung beharrte auf der soge- Landwirte — jeder von Ihnen weiß das — ihr bisher nannten aktiven Preispolitik, ohne einkommenswirk- höchstes Einkommen erwirtschaftet. Trotzdem forder- same Hilfen und eine Bündelung begleitender Maß- ten Sie damals zweistellige Preiserhöhungen. Nach nahmen früh genug einzuleiten. einem Regierungsjahr hatten wir dann den Sturz bei den bäuerlichen Einkommen. Bis heute haben sich die (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir Einkommen von diesem Absturz nicht erholt, im Ge- wollen das mal wissen hier!) genteil: Für das laufende Wirtschaftsjahr rechnen selbst Sie mit zweistelligen Einbußen bei den meisten Sie tragen die Verantwortung für die Entwicklung, Produktbereichen. Heereman sagt, selbst 7 % seien wie wir sie heute vorfinden. viel zu optimistisch, und redet von 12 % im Schnitt. Nun haben Sie nicht Preiserhöhung, wie Sie immer Auf dem Lande verbreitet sich weiter Hoffnungslo- gefordert haben, sondern Preissenkung beschlossen, sigkeit. Die Zahl der aufgegebenen Betriebe hat sich und das auf Vorschlag des Kanzlers drei Jahre im vor- verdoppelt. 73 Bet riebe pro Tag — den ersten Weih- aus, z. B. im Getreidebereich, wie Sie selber wissen. nachtstag eingerechnet — schließen die Hoftore. Wenn das so weitergeht, wird die Funktionsfähigkeit (Müller [Schweinfurt] [SPD]: So ist das!) ganzer ländlicher Bereiche in Frage gestellt. Was das für die Menschen auf den Höfen, auf dem Lande und Das sind Tatsachen, Freunde. Es ist wahr: Keine besonders für die Bauern bedeutet, wissen Sie ge- Regierung hat mehr Geld ausgegeben als diese. Wahr nauso gut wie ich. ist auch, daß nie weniger auf den Höfen angekommen ist. Die Landwirtschaft ist so alt wie unsere Kultur. Sie (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Wenn ein Bauer seinen Betrieb aufgeben muß, verliert er nicht Das kann man doch nicht bestreiten. Vor allem nur seine Existenz wie ein Arbeitsloser — das ist bei- kleine und mittlere, meist umsatzarme Bet riebe sind des schlimm — , sondern er verliert seine Identität; in immer stärkere Bedrängnis gekommen. Die von Bauer sein ist eine Lebensform. Ihnen in Brüssel durchgedrückte Milchquote hat drei Vierteln der Bet Obwohl der Strukturwandel weitergeht, ist massi- riebe keine Perspektive gelassen. Man kann doch jetzt nicht von 16 Kühen leben, wenn ves staatliches Hinausdrängen unbarmherzig, unso- zial und gegen die Interessen des ländlichen Raumes man früher 20 brauchte. Und drei Viertel haben unter 20 Kühe. Mit der überschußtreibenden 5 %igen gerichtet. Vor- wurden umsatzstarke Bet (Beifall bei der SPD) steuerpauschale riebe be- lohnt und umsatzschwache bestraft. Die Kluft inner- Im gesamtgesellschaftlichen Interesse wollen wir die halb der Landwirtschaft vertieft sich zusätzlich. bäuerliche Struktur, weil sie leistungsfähig ist, weil sie Ökologie und Ökonomie durch ihre Vielfalt besser Zum 1. Juli 1988 fällt nun der Währungsausgleich zum Ausgleich bringen kann und die Voraussetzung endgültig weg. Das neue System benachteiligt uns als ist für die Erhaltung der herrlichen Dörfer und des währungsstarkes Land extrem. ländlichen Raumes, wo 50 % der Menschen woh- nen, Wir Sozialdemokraten haben uns seit langem für (Frau Saibold [GRÜNE]: Sehr richtig!) eine Flankierung des notwendigen Überschußabbaus durch direkte produktionsneutrale Einkommens- und weil Sie die Ernährung der Bevölkerung letztlich übertragungen eingesetzt. Unser Programm von nur durch eine bodengebundene Landwirtschaft und 1980, von 1985 und das Aktionsprogramm von 1988 eine dezentrale Versorgung auch in Krisenzeiten si- machen hier eindeutige Vorgaben. Jedem Einsichti- cherstellen können. gen muß doch klar sein, daß in Zeiten wachsender Überschüsse trotz enormer Aufwendungen die bäuer- (Beifall bei der SPD) lichen Einkommen allein über die Preise nicht gesi- Darum, Freunde, müssen wir uns alle für eine Bün- chert werden können. Das geben Sie jetzt selber zu, delung von Maßnahmen für eine möglichst große Zahl dankenswerterweise, Herr Minister. Aber Bundesre- bäuerlicher Bet riebe im Haupt- und Nebenerwerb gierung und leider auch Bauernverband haben uns 5082 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Oostergetelo wegen dieser Vorstellung lange Jahre kritisiert und Diese Vorgehensweise entspricht zwar eher einem nur eine aktive Preispolitik gefordert. Überfall

(Müller [Schweinfurt] [SPD]: Richtig! „So- (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!) zialistisches Machwerk" war das!) als einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Ver- fahren, Die Entwicklungen der letzten Jahre haben uns voll bestätigt. Wir sehen mit einer gewissen Befriedigung, (Widerspruch bei der CDU/CSU) daß sowohl in Brüssel als auch hier in Bonn eine wenn aber, Freunde, trotz unserer Bedenken haben wir uns auch leider viel zu späte Einsicht in neue Wege der diesem Verfahren nicht widersetzt; denn es geht uns Einkommensübertragung gewachsen ist. Wir müssen vor allem darum, daß den Landwirten rechtzeitig ge- diesen Weg energisch weiterbeschreiten. Allerdings holfen wird, und zwar noch vor der Aussaat im kom- muß der Finanzminister seine unsinnige Blockade- menden Herbst. politik aufgeben, die am falschen Ende spart. Wir müßten von dem Teufelskreis des Immer-mehr-pro- (Eigen [CDU/CSU]: Sonst nützt es auch duzieren-Müssens weg. Wir müssen dort herauskom- nichts!) men. Darum: weg von produktionstreibenden Hilfen Wer das will, der muß bis zum Juli wissen, wo er dran und hin zu produktionsneutralen existenzsichernden ist. Deshalb werden wir das nicht blockieren, sondern Hilfen! konstruktiv mitarbeiten. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Hier geht es nicht nur um mehr Geld, sondern darum, daß das Geld auf den Höfen ankommt, meine Noch eine kritische Anmerkung ist notwendig: Mit Freunde. dem Extensivierungsgesetz wird nur die Flächenstil- legung ab 1. Juli 1988 Anwendung finden. Die für uns Unserer alten Forderung nach einer gerechten Ein- wichtigere Extensivierung und die Umstellung der kommenspolitik hat die Bundesregierung nun nach- Erzeugung sollen dagegen erst zu Beginn des näch- zukommen. sten Jahres wirksam werden. Wieder ein Jahr vergan- gen. Das gilt auch für den Vorruhestand für ältere (Eigen [CDU/CSU]: Was ist gerechte Ein- Landwirte. Wir halten eine derartige zusätzliche Zer- kommenspolitik?) splitterung des Maßnahmenbündels nicht nur für un- sinnig, sondern vor allem für den Landwirt für unzu- Damals haben wir sie schon gefordert. Von 1989 an ist mutbar. Alle diese Maßnahmen stehen doch in ur- ein Teil der Mehrwertsteuerpauschale — Sie verlan- sächlichem Zusammenhang. Der Landwirt muß bei gen ja 2 % mehr, Herr Eigen — neu zu gestalten. seiner konkreten Entscheidung alle Einzelheiten wis- Dabei erwarten wir angemessen gestaffelte Aus- sen, weil er entscheiden will und weil er entscheiden gleichsbeträge, die an eine Einkommensschwelle ge- muß. bunden sind. Existenzrettende und notwendende Hilfe für die Bauern: ja, Einkommensübertragung an Dieser magere Gesetzentwurf ist doch Ausdruck Großverdiener, wer immer das sein mag: nein. des offenen Streits zwischen den zuständigen Bundes- ressorts, zwischen Bundesregierung und Bundeslän- Nun zur Extensivierungspolitik. dern sowie innerhalb der Regierungskoalition. Um diesen Streit zu überdecken, haben Sie diesen Weg (Eigen [CDU/CSU]: Jetzt haben wir es!) gewählt und hoffen nun darauf, daß es noch rechtzei- Wir begrüßen es, daß die Regierungschefs in ihrer tig gelingt. Offen ist, ob dieses Verfahren wirklich Grundsatzentscheidung über Extensivierung, Flä- Erfolg haben wird. Denn der Bundesrat kann das ge- chenstillegung und Vorruhestand im letzten Februar samte Verfahren noch zu Fall bringen. einen Schritt hin zu einer Neuorientierung der Agrar- Wir Sozialdemokraten werden uns im kommenden politik getan haben. Es ist aber bedauerlich, daß die Gesetzgebungsverfahren konstruktiv verhalten. Wir Regierungschefs keinerlei Anstöße für ein EG-weites wollen, daß die Ausgestaltung zum Besten der Land- direktes Einkommenssystem gegeben haben. Die EG- wirte und ohne Verzögerung geschieht und daß Ex- Kommission hat hier vor Jahresfrist Vorschläge vorge- tensivierung eindeutig Vorrang vor Flächenstillegung legt, die, wenn auch unzulänglich, zumindest einen hat. Großräumige dauerhafte Flächenstillegungen Einstieg in ein solches System bringen können. Ernst- kommen für uns nicht in Betracht. Eine solche Maß- haft darüber verhandelt wurde nicht. Dabei könnte nahme führt doch besonders in strukturschwachen dies ein Herzstück für die Verbesserung der Einkom- Regionen zu einer wachsenden Verödung ganzer menssituation sein. Die Bundesregierung sollte daher Landstriche, und es besteht die Gefahr, daß dann an- die Zeit ihres Vorsitzes im Ministerrat nutzen — und dere den Markt übernehmen. Rotationsbrache, exten- hierzu, Herr Minister, fordere ich Sie auf — , um hier zu sive Beweidung und alternativer Landbau sind her- entscheidenden Fortschritten zu kommen. Noch ist vorzuheben. Die Höhe der Beihilfe sollte entspre- ein bißchen Zeit. chende Anreize geben. (V o r s i t z: Vizepräsident Cronenberg) Soweit begrenzte Flächenstillegungen unter Be- rücksichtigung der Belange des Umwelt- und Natur- Die Koalitionsfraktionen haben nun im Eilverfahren schutzes vertretbar sind, sollten zusätzlich folgende einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Voraussetzun- Kriterien eingeführt werden: Die Maßnahmen sollten gen dafür zu schaffen, daß zumindest die Flächen- sich auf alle Ackerflächen beziehen. Die Stillegung stillegung zum 1. Juli 1988 Anwendung finden kann. sollte nur Teile eines Betriebes umfassen, es sollte Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5083

Oostergetelo keine intensivere Bewirtschaftung auf den verblei- im EG-Vergleich gewisse Sorgen. Während die benden Flächen geben. Benachteiligte Gebiete und Betriebseinkommen in Dänemark und in den Nie Berggebiete müßten von der Flächenstillegung aus- derlanden im Wirtschaftsjahr 1985/86 bei über genommen werden können. Der sensible Pachtmarkt 49 000 DM lagen, in Belgien bei 40 000 DM, lagen sie darf durch diese Maßnahmen nicht zusätzlich gestört bei uns nur bei etwa 23 000 DM. Sicherlich — das werden. müssen wir feststellen — ist hier die Struktur mitver- Ein Erfolg wird nur möglich sein, wenn alle Länder antwortlich. Der Herr Minister ist darauf vorhin einge- mitmachen, Aber wir wissen, daß einige Länder nur gangen. Verantwortlich hierfür ist aber natürlich auch wiederwillig zugestimmt haben. Deshalb fordern wir das Problem des Währungsausgleichs. Deshalb müs- die EG-Kommission als Kontrollinstanz auf, hier zu sen wir darauf drängen, daß das System des Wäh- prüfen — und wir fordern einen Bericht der Bundes- rungsausgleichs so lange erhalten bleibt, bis wir eine regierung — , daß nun alle mitmachen und nicht an- gemeinsame Währungspolitik und eine einheitliche dere den Markt übernehmen, während wir die Pro- Wirtschaftspolitik haben. Auch im Vergleich zu den duktion zurückfahren. Einkommen, die in anderen Wirtschaftsbereichen er- zielt werden, ist die Landwirtschaft im Nachteil. (Beifall bei der SPD) Wir beantragen deshalb Überweisung an den Er- Diese wenigen Ausschnitte, die auch in der Rede nährungsausschuß. des Ministers zum Ausdruck kamen, machen deutlich, Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir werden daß wir in der Agrarpolitik noch nicht über den Berg konstruktiv mitarbeiten. sind. (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: End- Der Agrarbericht zeigt aber auch eine positive Bi- lich mal!) - lanz, nämlich dort, wo die Bundesregierung die Mög- Alle Vorschläge, die der Minister angesprochen hat, lichkeit hatte, national Unterstützung zu geben. Wir sind Vorschläge, die unseren schon sehr verwandt waren 1983 mit dem Agraretat bei knapp 6 Milliarden sind, die er noch vor Jahren negiert hat. DM. 1988 sind es bereits über 8,5 Milliarden DM. (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Während der Bundeshaushalt von 1983 bis 1988 um Quatsch!) 11 % gewachsen ist, ist der Agraretat um 44 To aufge- stockt worden. Allein diese Gegenüberstellung, Herr Besonders gilt es dafür zu sorgen, daß nun endlich Kollege Oostergetelo, spricht eigentlich dem Hohn, auch im Bundeskabinett Klarheit herrscht und man was Sie hier als unsinnige Blockadepolitik des Finanz- nicht immer wieder bei einzelnen Maßnahmen den ministers dargestellt haben. Der Finanzminister hat Eindruck haben muß, daß sich Stoltenberg und das an finanziellen Zuwendungen gegeben, was si- Kiechle nicht einig sind. Er spart wirklich am falschen cherlich bei einem SPD-Finanzminister überhaupt nie Ende. Besonders die umsatzarmen Bauern haben in möglich gewesen wäre. den letzten Jahren zuviel gelitten, meine Freunde. Wir müssen ihnen ohne jedes Wenn und Aber helfen, jetzt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — und sofort. Zurufe von der SPD) Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Was wäre geschehen, wenn wir noch einen SPD- Finanzminister hätten? 1982 wurden Beschlüsse ge- faßt, etwa die Abschaffung der Bundeszuschüsse für Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Abge- die Berufsgenossenschaften, die Halbierung der Mit- ordnete Susset. tel für die Gemeinschaftsaufgabe. Herr Kollege Oo- stergetelo, wie hätten Sie ausgleichen können, was Sie vorhin zum Ausdruck brachten? Wie hätten Sie Susset (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr Voraussetzungen geschaffen, daß unsere Dörfer bes- verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich ser werden? Wie hätten Sie das bei einer Halbierung mich namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe geschafft? der Bundesregierung, beim BML und bei den Beam- Das war SPD-Politik, und der frühere Finanzminister, ten für die Vorlage des Berichts bedanken und vorab der Herr Apel, macht doch auch heute immer noch feststellen, daß diese Agrardebatte zum ersten Mal deutlich, daß für ihn dieses „Verstreuen von Milliar- Gelegenheit gibt, nicht nur die Einkommenssituation den an die deutsche Landwirtschaft" bei einer SPD der Landwirtschaft, sondern auch die Ergebnisse der geführten Bundesregierung nie möglich wäre. erfolgreichen Umorientierung der europäischen Agrarpolitik hier zu diskutieren. Selbstverständlich Ich denke an die Ausgleichszulage. wird diese Umorientierung nur dann erfolgreich sein, wenn sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Ge- (Kreuzeder [GRÜNE]: Ein Almosen!) meinschaft so daran beteiligen, wie es das Ergebnis des Rats in Brüssel war. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hat sich hier in den letzten Jahren getan? Wir haben heute (Kreuzeder [GRÜNE]: Glauben Sie das?) 50 To der landwirtschaftlichen Nutzfläche in dieser Der Minister ist auf die Einkommenssituation einge- Ausgleichszulage. Herr Kollege Kreuzeder, ich gangen. Die ist, auch angesichts der Lage auf dem glaube nicht, daß dies in Ihrem Wahlkreis als Almosen Arbeitsmarkt, sicherlich nicht so, wie wir sie heute in bezeichnet wird. der Landwirtschaft brauchten. Die Einkommenssitua- tion der deutschen Landwirtschaft macht aber auch (Zuruf der Abg. Frau Flinner [GRÜNE]) 5084 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Susset Ich nehme an, daß man in Ihrem Wahlkreis durchaus Preissenkungen im Getreidebereich beschließen erkennt, daß die Koalitionsfraktionen und die Bundes- läßt? regierung bereit sind, (Eigen [CDU/CSU]: Das ist gar nicht wahr! (Weitere Zurufe der Abg. Frau Flinner Das hat er nie! Völlig falsch!) [GRÜNE]) natürliche Nachteile, die vorhanden sind, auch tat- sächlich finanziell auszugleichen. Susset (CDU/CSU): Es sind keine Preissenkungen für drei Jahre im voraus beschlossen worden, sondern (Beifall bei der CDU/CSU — Anhaltende Zu- es sind Maßnahmen eingeleitet worden, die in der rufe der Abg. Frau Flinner [GRÜNE]) Zukunft Preissenkungen nicht mehr so notwendig Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe machen, wie sie bisher waren. eingangs gesagt, daß wir heute auch über den Ein- (Frau Flinner [GRÜNE]: Auf Umwegen!) stieg in die neue Agrarpolitik diskutieren können, und ich meine, da haben wir dem Bundeskanzler zu Meine Damen und Herren, die Garantiemengenre- danken, der in Brüssel Agrarpolitik zur Chefsache gelung bei Milch, gegen die Sie immer vorgegangen gemacht hat, und wir haben unserem Landwirt- sind, hat doch gezeigt, schaftsminister zu danken, der in den (Oostergetelo [SPD]: Daß drei Viertel keine Vorverhandlungen die Weichen dafür hat stellen kön- Chance mehr haben!) nen, daß das Ergebnis von Brüssel überhaupt möglich daß wir in der Bundesrepublik Deutschland und in wurde. Europa in einem Bereich durch Mengenbegrenzung Wir sind uns doch darüber im klaren, daß es ohne die Preise halten konnten. Die sinnvolle Mengenrück- Neuordnung der Finanzen in der Europäischen Ge- führung auf dem Milchmarkt, die unser Landwirt- meinschaft und besonders in der europäischen Agrar- schaftsminister durchgesetzt hat, sollte uns auch in politik überhaupt keine Chance mehr gegeben hätte, der Zukunft für andere Produkte den Weg weisen. die Einkommen in der Landwirtschaft auch nur eini- Zum 1. April 1988 wollten wir einen weiteren Schritt germaßen zu sichern. Was war denn seitens der Korn- tun: das Problem der zuviel ausgegebenen Referenz- mission und was war seitens der Mitgliedsländer vor- mengen in der Bundesrepublik Deutschland lösen geschlagen worden? Eine Preisdruckpolitik war die und gleichzeitig die in den Koalitionsvereinbarungen Vorgabe, die die Bundesrepublik damals in Kopenha- angekündigte Flexibilisierung der Milchgarantie- gen vorgefunden hat. Wir haben in Kopenhagen nicht mengenregelung durchführen. Dies ist leider nicht zugestimmt; denn das, was in Kopenhagen für die möglich gewesen. Wir wollen und müssen die näch- deutsche Landwirtschaft vorgesehen war, hätte zu sten Wochen dazu nutzen, der EG-Kommission klar- dem geführt, was wir nur als ein massives und unso- zumachen, daß es uns ernst ist, ab 1. Ap ril 1989 das ziales Hinausdrängen aus der Landwirtschaft hätten durchzuführen, was wir 1988 nicht durchsetzen konn- bezeichnen können. Aber Sie, meine Damen und Her- ten. Wir müssen alle von der Richtigkeit, der Notwen- ren von der SPD, haben keinen Grund, hier etwas digkeit und der Vorteilhaftigkeit dieser Regelungen dazu zu sagen. überzeugen. Hier müssen wir rasch handeln, damit (Jansen [SPD]: Wir waren auch nicht in Ko- man in Brüssel sieht, daß es uns damit Ernst ist. penhagen! — Weiterer Zuruf von der SPD: Auf die Ergebnisse von Brüssel wird nachher der Die Pirouetten, die Sie drehen, sind noch we- Kollege Eigen eingehen. niger geeignet!) Bei Getreide beispielsweise wäre es ohne den Ein- Wir wollen das, was auf dem Gipfel in Brüssel be- satz des Bundeskanzlers und des Bundeslandwirt- schlossen wurde, auch umsetzen. Hier ist praktisch schaftsministers unmöglich gewesen, auf die 160 Mil- die Milchgarantiemengenregelung ein Vorläufer, bei lionen t Getreide zu kommen, von denen an erst Preis- dem deutlich wird, daß es die Chance gibt, die Preise senkungen bzw. Mitverantwortungsabgaben eintre- in einem Produktionszweig zu halten. Hier wurden ten. wir beschimpft. Der Rat hat in Anbetracht der Lage auch bei der Einfuhr von Getreidesubstituten die Kommission nachdrücklich ersucht, zu untersuchen, durch welche Herr Abgeordneter Sus- Vizepräsident Cronenberg: Maßnahmen die Verwendung von Getreide in Futter- set, der Abgeordnete Oostergetelo möchte Ihnen eine mitteln gefördert werden kann. Bei den Ölfrüchten Frage stellen. konnte einiges Schlimmes noch verhindert werden. Blicken wir zurück: In Brüssel wurde durch die Flä- Susset (CDU/CSU): Aber bitte sehr kurz, chenstillegung und die Extensivierung — das wurde einfach beschlossen, Herr Kollege Oostergetelo, auch (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das fällt ihm wenn Sie es vorhin nicht wahrhaben wollten — der aber schwer!) Einstieg in die neue Agrarpolitik geschaffen. Die weil die Zeit ja eingeschränkt ist! Staats- und Regierungschefs der Europäischen Ge- meinschaft haben sich auf einen Gesamtkompromiß verständigen können. Damit ist der drohende finan- Oostergetelo (SPD): Herr Kollege, bezeichnen Sie zielle Kollaps der Gemeinschaft abgewendet. Für die es auch — wie Sie es jetzt wiederholt getan haben — Landwirtschaft ist wichtig, daß der anhaltende Zwang als internationales Verhandlungsgeschick des Bun- zur Mehrproduktion durchbrochen und eine Alterna- deskanzlers, daß er für drei Jahre im voraus praktisch tive, nämlich Honorierung der Nichtproduktion, auf- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5085

Susset genommen wurde. Der Landwirtschaft wurde eine gleichzeitig einem Druck auf die Agrarpreise und Perspektive gezeigt. Sie gefällt nicht jedem; ich weiß Agrareinkommen entgegengewirkt werden kann. es; das ist uns allen klar. Aber die drückende Verun- sicherung der deutschen Landwirtschaft konnte abge- Der Gesetzentwurf hat weitgehende, positive Aus- mildert werden, und die Landwirtschaft hat die Klar- wirkungen auf die Umwelt, insbesondere durch die heit, die sie braucht und die vor allem die jungen vorgesehenen Maßnahmen zur Herausnahme bereits Menschen brauchen, wenn der Nachfolger vor seiner intensiv bewirtschafteter Agrarflächen aus der Pro- Berufsentscheidung steht. Aber das alles — ich wie- duktion, derhole es — wird nur dann voll wirksam, wenn alle (Zuruf von den GRÜNEN: Wo?) Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft be- durch die Extensivierung der landwirtschaftlichen reit sind, den Weg konsequent zu gehen, den wir Produktion, durch die vorgesehenen Möglichkeiten heute hier einschlagen. der Aufforstung sowie der Nutzung für nichtlandwirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schaftliche Zwecke und für Zwecke des Naturschut- zes und der Landschaftspflege. Es geht nun darum, das, was wir in Brüssel erreicht haben, national umzusetzen. Wir beraten heute des- Wir bitten, meine sehr verehrten Damen und Her- wegen zusammen mit dem Agrarbericht der Bundes- ren, um Ihre Zustimmung für die Überweisung an die regierung den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktio- zuständigen Ausschüsse. Ich möchte die Oppositions- nen zur Flächenstillegung, Extensivierung und Um- fraktionen eindringlich bitten, daß sie nicht nur im stellung der Erzeugung. Landwirtschaftsausschuß, sondern in all den zuständi- gen Ausschüssen bereit sind, die Verhandlungen, die Wenn hier kritisiert wird, was im Vorfeld geschehen Beratungen nun so rasch wie möglich durchzuführen. sein mag, sage ich: Die Koalitionsfraktionen haben- Denn wenn es nicht gelänge, diesen Gesetzentwurf diesen Gesetzentwurf heute eingebracht. Zu den tatsächlich in Kraft zu setzen, dann hätten wir nicht Koalitionsfraktionen gehört der Finanzminister, ge- nur gegenüber der deutschen Landwirtschaft für die- hört der Landwirtschaftsminister, gehört der Sozialmi- ses Jahr wahrscheinlich eine schwierige Situation zu nister und gehören alle, die dieser Bundesregierung vertreten, sondern wir wären vor allen Dingen auch in angehören. Deshalb können Sie davon ausgehen, daß der schwierigen Situation, den Partnern in der Euro- das Einbringen im Bundestag auch dazu führen wird, päischen Gemeinschaft, die von dieser Politik zuvor daß wir am 1. Juli 1988 die gesetzlichen Vorausset- eigentlich nichts wissen wollten, die einseitig auf zungen geschaffen haben werden. Preissenkungspolitik gesetzt haben, diesen Weg der (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Auch die Finan- Rückführung der Produktion klarmachen zu müssen, zierung ? — Gegenruf des Abg. Carstensen damit Preisdruck auch in der Zukunft nicht notwendig [Nordstrand] [CDU/CSU]: Daß ausgerechnet wird. ihr nach Finanzierung fragt!) Nun, meine Damen und Herren, Sie können davon — Auch die Finanzierung, Herr Kollege Müller. Sie ausgehen — und das kommt in unserem Entschlie- können sich darauf verlassen, daß die Finanzierung ßungsantrag zum Agrarbericht zum Ausdruck — , daß gesichert ist. wir auch im kommenden Jahr hinsichtlich all der Pro- bleme, die agrarpolitisch auftreten — ob im Getreide- (Oostergetelo [SPD]: Und das Strukturge- bereich, ob im Bereich Wein und all dessen, was hier setz?) nun angesprochen wird, Was die Umsetzung der Extensivierung und der (Zuruf von der SPD: Aussitzen werden!) Umwidmung angeht, ist einfach Eile geboten. Wir müssen mit der nationalen Durchführungsverordnung was jedoch aus Zeitgründen von mir jetzt nicht vorge- jedoch abwarten, weil hier Brüssel mitentscheidend tragen werden kann — , die Weichen stellen, damit die ist. Landwirtschaft auch in der Zukunft wieder Vertrauen in die Entscheidungen in Brüssel haben kann. Auf Die Flächenstillegung ist keine einfache Sache. Wir uns, auf die Koalitionsfraktionen und auf die Bundes- haben aus guten Gründen der Preissenkungspolitik regierung kann sie sich verlassen. widersprochen. Wir müssen dafür jedoch auf uns neh- men, daß eine komplizierte Regelung getroffen wer- (Beifall des Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU] den muß. — Zuruf von der SPD: Das glaubt nur ei Wir haben den Gesetzentwurf bereits eingebracht, ner!) damit er sorgfältig beraten werden kann. Wenn das, Ich bin fest davon überzeugt, daß die SPD ihrerseits was der Kollege Oostergetelo hier heute angekündigt hier von dem Abschied nehmen wird, was sie seither hat, bei den Ausschußberatungen gilt, bin ich guten getan hat: dies alles nur kritisch zu begleiten, Forde- Mutes. rungen zu stellen, die Sie sich in der Regierung über- Der vorliegende Gesetzentwurf ist Bestandteil der haupt nie zu stellen getraut hätten. Die Landwirtschaft Umsetzung der zentralen agrarpolitischen Entschei- hat Solidarität aller politischen Parteien notwendig. dungen des Europäischen Rates im Februar dieses Deshalb meine Bitte: Helfen Sie mit — durch Ihre Jahres. Die Flächenstillegung ist auf Betreiben der Bereitschaft, mitzuarbeiten — , daß wir die Probleme Bundesrepublik Deutschland zustande gekommen, lösen! weil damit durch eine direkte Entlastung der Agrar- Ich danke schön. märkte die Wirkung der marktpolitischen Entschei- dungen des Europäischen Rates unterstützt wird und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 5086 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat die Abge- wicklung entgegenwirken. Hier wird ein Weg vorge- ordnete Frau Flinner. zeichnet, wie wir die Überschüsse abbauen und die Arbeitsplätze erhalten, wie wir die ökologischen Bela- stungen durch Gülle und Nitrat abbauen können. Frau Flinner (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Da- men und Herren! Zuerst möchte ich einmal ganz kurz Unser Antrag zur Einführung eines 50%igen Ge- etwas zu der Ausgleichszulage sagen, die Sie hier treidebeimischzwangs für die Mischfutterindustrie ständig so hochpreisen. Sicher ist es richtig, daß Sie geht in die gleiche Richtung: Überschußabbau, ökolo- den Bauern wieder etwas für das geben müssen, was gische Verbesserung und Vermeidung von Einkom- Sie ihnen zuvor wegnehmen. Und da möchte ich z. B. menseinbußen für die Getreideerzeuger. Wenn Sie nur einmal das Thema Milchquotierung anschneiden. wirklich die Ziele verfolgen, die Sie im Agrarbericht Wieviel haben Sie den Bauern denn da weggenom- nennen, dann müssen Sie unseren Anträgen zustim- men? Die müssen ja wieder über die Runden kom- men. men. (Beifall bei den GRÜNEN) (Zuruf von der SPD: Comme ci, comme ça!) Die Durchschnittsgrenze, ab der Bet riebe noch wachsen, hat sich in den letzten 10 Jahren von 25 auf Da brauchen Sie sich hier doch nicht immer wieder 35 Hektar landwirtschaftlicher Fläche erhöht. Das be- hinzustellen und die Ausgleichszulage so hochzuprei- deutet, daß kleinere Bet riebe immer schneller in Ge- sen. fahr geraten, aufgeben zu müssen. Das sehen wir an Ich möchte mich aber heute einmal ganz speziell auf den klein- und mittelbäuerlichen Höfen in Süd- den Agrarbericht beziehen. Denn der letzte Agrarbe- deutschland; denn ihnen fehlen schon heute die fi- richt zeigt, daß die Bundesregierung nicht für uns nanziellen Mittel, um dringend notwendige Investitio- Bauern und Bäuerinnen, sondern gegen uns Politik nen zu tätigen. Sagen Sie mir: Wie sollen dort die macht. Wie ist es sonst zu erklären, daß die Zahl der Bauern und Bäuerinnen auf ihren Höfen weiterexi- landwirtschaftlichen Arbeitsplätze durch den von Re- stieren können? Sie müssen aufgeben, und genau das gierungsmaßnahmen beschleunigten Sturkturwandel ist von Ihnen so gewollt. um 5,8 % gegenüber dem Vorjahr abnahm? Das sind 50 000 Bauern und Bäuerinnen, Mitarbeiter und Mit- Es ist auch kein Wunder, daß in vielen Betrieben die arbeiterinnen, die auch noch den Arbeitsmarkt bela- Hofnachfolge nicht gesichert ist. Wer ist denn bei dem sten. Oder wie ist es zu erklären, daß für die Voller- verschärften Existenzkampf noch gewillt und in der werbsbetriebe Gewinneinbußen von 5 bis 10 % hinzu- Lage, sich darauf einzulassen, bei sinkendem Ein- nehmen sind? kommen diese Arbeit zu machen, deren überdurch- schnittliche Belastung mir sehr wohl bekannt ist? Und Wenn Sie, Herr Kiechle, im Agrarbericht schreiben, so ist es der Regierung nur recht, daß im Rahmen des daß „die Sicherung einer leistungsfähigen bäuerli- Generationswechsels auf kaltem Wege immer mehr chen Landwirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähig- landwirtschaftliche Betriebe aufgeben. Sie fallen der keit" notwendig ist, aber gleichzeitig den Abbau bäu- Ausbreitung der sogenannten leistungs- und wettbe- erlicher Existenzen beschleunigen, ist mir klar, daß werbsfähigen Bet riebe zum Opfer. Unser Antrag zu Sie etwas ganz anderes meinen, als Sie hier aussa- Bestandsobergrenzen, der der übermäßigen Ausdeh- gen. nung von Intensivbetrieben Einhalt gebieten sollen, Sie, Herr Staatssekretär von Geldern, drückten es paßt natürlich nicht in Ihr Regierungskonzept, das kürzlich sehr treffend aus: „Den modernen Bauern vergeblich versucht, den Konzentrationsprozeß der von morgen, allen technischen und ökonomischen Holländer nachzumachen. Gegen diesen Versuch Neuerungen aufgeschlossen, wirtschaftlich leistungs- wehren wir uns deshalb, weil durch den sogenannten fähig und EG-weit wettbewerbsfähig, trennen Welten technischen Fortschritt und die Konzentration nicht von traditionellen Nahrungsproduzenten von ge- nur ökologische Belange, sondern auch die selbstbe- stern. " stimmten Arbeitsplätze der Bäuerinnen und Bauern (Gallus [FDP]: Richtig!) auf der Strecke bleiben. Man muß schon genau hinhören: Nach Ihrer Meinung (Beifall bei den GRÜNEN) ist die Zeit der bäuerlichen Landwirtschaft, die uns durchaus mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen Mit einem üblen Trick wird im Agrarbericht ver- und mit der Natur in Einklang produzieren kann, vor- sucht, die Einkommenseinbußen der Landwirte zu bei. Für Sie hat nur die Agrarindustrie Zukunft, die vertuschen. Indem die Einteilung in kleine, mittlere ohne Rücksicht auf unsere natürlichen Lebensgrund- und größere Betriebe nach oben verschoben wurde, lagen und Standorte zu Niedrigpreisen einheitlichen ergibt die statistische Aufstellung ein deutlich verbes- Industriefraß und andere Rohstoffe auf den EG-Markt sertes Einkommensbild. Wenn in Wirklichkeit 12 werfen kann. der Betriebe weniger als 10 000 DM Gewinn im Jahr (Beifall bei den GRÜNEN) erwirtschaften, die Hälfte davon sogar ein Minus, wenn bei der ohnehin sparsamen Lebenshaltung der Die Folgen solch einer Industrialisierung werden uns Landwirte die Ausgaben nicht mehr gedeckt sind, teuer zu stehen kommen wenn die Gewinnkurven der landwirtschaftlichen (Frau Unruh [GRÜNE]: Sehr richtig!) Vollerwerbsbetriebe gegenüber gewerblichen Ver- und noch schwer zu schaffen machen. gleichslöhnen seit Jahren immer weiter absinken, dann ist das das Ergebnis Ihrer Agrarpolitik gegen die Unser Antrag zum Schutz der bäuerlichen Land- Bauern und Bäuerinnen. wirtschaft mit flächengebundenen Bestandsober- grenzen in der Tierhaltung will dieser negativen Ent- (Beifall bei den GRÜNEN) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5087

Frau Flinner Ihr Trick besteht nun darin, daß jetzt alle Betriebe dieser Entwicklungshilfepolitik für die Holländer viel- unter 40 000 DM Standardbetriebseinkommen als leicht auch noch gratulieren? „kleine Betriebe" eingestuft werden. Das sind aber 53 % aller Betriebe überhaupt. Demgegenüber wer- (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nein!) den nur noch etwa 26 % als mittlere und etwa 20 % als Betrachten wir nun einzelne Wirtschaftszweige bei größere Betriebe eingestuft. So wird ein viel zu hohes uns, zuerst den Weinbau. Gegenüber dem Vorjahr Durchschnittseinkommen für kleinere Betriebe ange- gibt es zwar einen durchschnittlichen Gewinnzu- geben, nämlich über 29 000 DM im Jahr. Wäre das wachs von 3,4 % , aber das Einkommen der Jahre 1980 Einkommen in Kleinbetrieben wirklich so hoch, dann bis 1983 wird immer noch um 5 % unterschritten. Hat- hätten doch nicht 26 000 Betriebe aufgegeben, dop- ten die Baden-Württemberger diesmal sogar Gewinn- pelt so viele wie ein Jahr zuvor. Die realitätsferne steigerungen von 100 %, so ist nur zu ahnen, wie Untergliederung der Betriebe entspricht einem schlecht es ihnen in den drei vorhergehenden Jahren ebenso realitätsfernen Wunschdenken, daß wir mit gegangen sein muß. neuer Technologie und Industriepflanzenanbau die In der Forstwirtschaft sind die Reinerträge im Pri- Landwirtschaft verbessern könnten. vatwald laut Agrarbericht um 63 % zurückgegangen. Eine ähnliche Entdeckung machen wir bei der sta- Der Wald befindet sich nach wie vor in einem labilen tistischen Erfassung der Nebenerwerbsbetriebe: Es Zustand. Die Schäden an Laubbäumen nehmen im- werden überhaupt nur die mit mehr als 5 000 DM mer noch zu. Eine Regierung, die schon so lange im Standardbetriebseinkommen erfaßt. Das sind aber Amt ist wie diese, hätte die Zeit nutzen müssen, gra- deutlich weniger als die Hälfte aller Nebenerwerbs- vierendere Maßnahmen einzuleiten, um das Wald- betriebe. 168 000 von 280 000 bleiben unberücksich- sterben zu stoppen. tigt. So erspart man uns das beschämende Ergebnis, daß viele Nebenerwerbslandwirte in Wirklichkeit zu- (Beifall bei den GRÜNEN) zahlen müssen. Als Ausweg aus der hausgemachten Agrarkrise und Herr Gallus, ich frage Sie: Was hat diese Statistik als alternativer Weg wird uns Landwirten jetzt der noch mit Wahrheit zu tun? Herr Gallus, ich fühle mich Anbau von Industriepflanzen vorgeschlagen. Da aber an Ihr Wort im Ausschuß erinnert, daß die halbe Wahr- das Wort „Wettbewerbsfähigkeit" in diesem Zusam- heit eine ganze Lüge ist. menhang so oft vorkommt, kann ich den harten Kon- (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf des Abg. kurrenzkampf nur erahnen, der uns um billige Erzeu- Gallus [FDP]) gung zu Lasten von Boden, Grundwasser und Ökolo- gie bevorsteht. Im formulierten Ziel einer „Produk- Wie es um das Einkommen der deutschen Bauern tion, die Naturgüter schont, mit Energie sparsam um- wirklich steht, zeigt die Aufstellung der Nettowert- geht und zwischen ökologischen und ökonomischen schöpfung der Arbeitseinheiten. Bei uns ist die Ab- Notwendigkeiten einen Ausgleich findet" ist der Ziel- nahme die schwerste innerhalb der ganzen EG. In konflikt schon eingebaut: Die sogenannten ökonomi- Holland hat man mit am meisten noch zugelegt. Diese schen Notwendigkeiten werden sich durchsetzen. Regierung betreibt den Ausverkauf der deutschen Bauern zugunsten der EG. (Frau Saibold [GRÜNE]: Wie immer!) Man muß schon genau hinsehen. Im Hinblick auf

Vizepräsident Cronenberg: Frau Abgeordnete, der die Qualität der Nahrungsmittel wird — ich zitiere — Herr Abgeordnete Gallus möchte gern eine Zwi- „eine ernährungsphysiologisch einwandfreie Be- schenfrage stellen. schaffenheit der Nahrungsmittel wie auch eine weit- (Frau Flinner [GRÜNE]: Nein!) gehende Erhaltung ihrer natürlichen Eigenschaften" gefordert. Wieso nur „weitgehend"? Damit wir dem- — Ich rechne Ihnen die Zeit nicht an. nächst auch mit gentechnisch veränderten oder gen- technisch erzeugten Nahrungsmitteln versorgt wer- Frau Flinner (GRÜNE): Im Ausschuß streiten wir den können? Damit wir schon bald Milch- und wieder, Herr Gallus. Fleischimitate auf den Tisch bekommen dürfen? Sol- len denn auch bei uns bald diese Imitate die Milch- Während hier mit Flächen - und Betriebsstillegun- gen die Kapazitäten freiwerden, produzieren die übri- überschüsse und Butterberge in die Höhe treiben? Hat gen EG-Länder immer mehr. So sagte der Direktor die Bonner Regierung hier keinen Einfluß auf die EG, im niederländischen Landwirtschaftsministerium in die derzeit jährlich immer noch 78 000 t Butter zu- Dr. Curfs kürzlich in Venlo, man lehne in Holland die sätzlich aus Neuseeland über Großbritannien einge- Flächenstillegung ab, die holländischen Bauern profi- führt werden? tieren gut von den verbrauchsstarken Märkten, vor- Was steht uns wohl bevor, wenn sich der Verbrau- nehmlich im Bundesgebiet. Kein Wunder, wenn jetzt cherausschuß beim BML den Themen „EG-Binnen- schon die Einfuhren land - und ernährungswirtschaft- markt für Lebensmittel" und „Bio-/Gentechnologie licher Güter aus Holland laut Agrarbericht dreimal so im Hinblick auf Lebensmittel" zuwendet? Sicher das hoch sind wie die Ausfuhren nach Holland. eine, daß der derzeitige Anteil der Verkaufserlöse der (Bohl [CDU/CSU]: Was essen Sie denn?) Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben von Mit dem, was unsere Regierung in der EG durchge- 37 % noch schneller sinken wird. setzt hat, subventioniert sie zu Lasten unserer bäuer- Enttäuscht bin ich diesmal wieder davon, wie wenig lichen Landwirtschaft die holländische Agrarindu- Berücksichtigung wir Bäuerinnen in der Agrarpoli- strie, deren gigantischer Gülleüberschuß eine ökolo- tik finden. Obwohl ihr Anteil an der Arbeit in den gische Katastrophe ist. Soll ich Ihnen, Herr Kiechle, zu Betrieben erneut gestiegen ist, . . . 5088 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Vizepräsident Cronenberg: Frau Abgeordnete, es Wohnstätte für Zugereiste geworden. Auf Bayerisch tut mir schrecklich leid, aber die Kollegen, auch die, darf man sagen: Zuagroasde. die noch sprechen wollen, wollen mit Zug und Flug- (Heiterkeit) zeug wegfahren. Zudem steht der ländliche Raum im Mittelpunkt der (GRÜNE): ... obwohl gerade sie be- Sorge von Natur- und Umweltschützern. Ihn gilt es zu Frau Flinner erhalten. sonders in Nebenerwerbsbetrieben für die Existenzsi- cherung mitverantwortlich sind, obwohl sie besonders Der ländliche Raum darf wirtschaftlich nicht ver- häufig durch Mehrfachbelastungen psychisch und kümmern; denn er bietet gerade dem mittelständi- physisch überfordert sind, ist ihre soziale Absicherung schen Gewerbe und dem Handwerk große Entfal- völlig unzureichend. Sie haben Anspruch auf einen tungsmöglichkeiten. Das Bemühen der Liberalen ist ausreichenden Mutterschutz sowie auf eine eigen- es, durch eine ausgewogene Wirtschafts- und Agrar- ständige soziale Absicherung, die ihnen immer noch politik dazu beizutragen, daß die Arbeitslosigkeit in verwehrt ist. ländlich strukturierten Gegenden eingedämmt wird. (Beifall bei den GRÜNEN) Niemand wird bestreiten, daß die Landwirtschaft ei- nen wirtschaftspolitisch wichtigen Teil der ländlichen Wenn jeder sechste Arbeitsplatz mit der Landwirt- Räume darstellt. Wir müssen aber gleichzeitig feststel- schaft in Verbindung steht, frage ich Sie, weshalb Sie len und gleichermaßen anerkennen, daß die Funk- weiter gegen uns Landwirte Politik machen. tionsfähigkeit der ländlichen Räume allein durch die (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das Landwirtschaft heute nicht mehr gewährleistet wer- ist ja unerhört! — Eigen [CDU/CSU]: Das den kann. Wer es also mit der Erhaltung der ländli- stellt die Wahrheit auf den Kopf!) - chen Räume ernst meint, der darf sich nicht in Lippen- Nutzen Sie Ihren Einfluß in der EG, um europaweit die bekenntnissen ergehen, der muß gewerbliche Ar- Abkehr von der Überschuß- und Industrielandwirt- beitsplätze in den ländlichen Regionen schaffen. Die- schaft zu erreichen! Merken Sie denn nicht, daß die sen Appell richte ich ganz besonders an die Bundes- von Ihnen eingebrachten Flächenstillegungspläne länder. von der übrigen EG nur belächelt werden, daß mit Die Einkommenssituation ist sicherlich schlecht, diesem Programm unsere schöne Kulturlandschaft aber nicht für alle gleich schlecht. Hier gilt es, in der völlig zerstört wird? Zukunft sehr viel zu tun, um dies zu verbessern. Als Wenn Sie wirklich an der Erhaltung der natürlichen praktischer Landwirt möchte ich aber diejenigen war- Lebensgrundlagen interessiert sind, wie es ja im nen, die meinen, daß heute ein Vollerwerbsbetrieb Agrarbericht steht, dann folgen Sie unserem Antrag mit dem Durchschnittseinkommen überleben und nach ökologischer Intensivierung der Landwirt- dann vielleicht noch zwei Familien, Vater und Sohn, schaft. weiterhin ernähren kann. Ich glaube, hier brauchen Danke schön. wir einen verstärkten Strukturwandel, um mehr lei- (Beifall bei den GRÜNEN) stungsfähige Betriebe zu bekommen. Parallel hierzu werden wir eine wachsende Zahl von Nebenerwerbs- landwirten bekommen, bei denen die Hauptsäule des Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Herr Einkommens im außerlandwirtschaftlichen Bereich zu Abgeordneter Paintner. finden ist. (Frau Saibold [GRÜNE]: Wo denn bitte? Wo Paintner (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und haben Sie denn in Niederbayern Ausweich Herren! Wenn Sie so wollen: Mit dem jetzt zur Bera- plätze?) tung anstehenden Agrarbericht liegen die Tatsachen wiederum auf dem Tisch. Die Diagnose ist gestellt, — Da muß ich Ihnen schon sagen: Wissen Sie nicht, und wiederum sind die Ärzte gefordert, hier zu han- daß wir in Niederbayern die BMW haben? Das sind deln. Ich meine, daß es besonders wichtig ist, daß wir ganz viele Arbeitsplätze; das haben Sie anscheinend dem Ärtzeteam, das ja an dieser Agrarreformpolitik noch gar nicht mitbekommen. maßgeblich beteiligt war, zunächst einmal danken, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) und zwar sicherlich dem Bundeskanzler, dem jetzigen Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher, dem jetzigen Trotz dieser grundlegenden Tatsachen dürfen wir Minister Kiechle und meinem Freund Wolfgang die Augen vor der Überschußproduktion nicht ver- Mischnik. schließen. Sie ist zusammen mit der schlechten Agrar- struktur, die wir in der Bundesrepublik Deutschland (Eigen [CDU/CSU]: Und Stoltenberg!) haben, eigentlich das Grundübel für all das, was wir — Und Stoltenberg, von mir aus auch; allen miteinan- heute so beklagen. Die Landwirte der EG, besonders der. Ich bin ja nicht so. diejenigen in der Bundesrepublik Deutschland, befin- (Heiterkeit) den sich ganz sicher nach wie vor in einer äußerst schwierigen Situation. Nachdem wir im Kampf gegen Ich bin der Überzeugung, daß hier so schnell wie die Überschüsse erst am Anfang stehen und kaum möglich gehandelt werden muß. Die Landwirtschaft mehr als Teilerfolge aufzuweisen haben, gilt es die hat trotz ihres Schrumpfungsprozesses immer noch Frage zu beantworten, ob unsere Weichenstellung für eine Schlüsselfunktion für den ländlichen Raum zu die Zukunft richtig ist. erfüllen. Gerade in einem Industriestaat sind die länd- lichen Gegenden über den angestammten Lebens- Die FDP ist davon überzeugt, daß ihr Thesenpapier raum für die Einheimischen hinaus auch begehrte „Perspektiven zur Agrarpolitik", das sogenannte Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5089

Paintner Gallus-Papier, das sie 1985 als Antwort auf das Grün- Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam genutzt buch der EG entwickelt hat, die richtigen Grundsätze werden; sie ist eine Herausforderung ersten Ranges. enthält. Es muß unter grundsätzlicher Aufrechterhal- An uns Agrarpolitikern liegt es auch, wieder an tung der Marktordnungen der EG soviel Markt wie Glaubwürdigkeit zu gewinnen, die wir bei den Land- möglich und soviel staatliche Hilfe wie nötig geben. wirten in einer Zeit sinkender Einkommen und Sollen die Preise nicht ins Bodenlose sinken, muß die schlechter Absatzperspektiven verloren haben. Des- Produktion durch Herausnahme von Flächen und Be- halb hat die Bundesregierung den Agraretat mehr als trieben ins Gleichgewicht gebracht werden. Wir andere Einzelhaushalte erhöht. Deshalb hat sie ge- freuen uns, daß dazu die richtigen Entscheidungen rade kleinere und mittlere Vollerwerbsbetriebe von beim Gipfel in Brüssel getroffen wurden. ihren Sozialausgaben entlastet. Sie hat durch die Aus- Jetzt kommt es darauf an, durch das heute einzu- weitung der Ausgleichszulage die Gewinnunter- bringende Gesetz zur Flächenstillegung und Extensi- schiede zwischen Vollerwerbsbetrieben in benachtei- vierung und das nachfolgende Gesetz über eine Pro- ligten Gebieten und den übrigen Gebieten abge- duktionsaufgaberente den Weg für einen ausgegli- schwächt. Die Bundesregierung wird sicherlich auch chenen Markt und eine wettbewerbsfähige deutsche in Zukunft — davon bin ich überzeugt — die Land- Landwirtschaft zu ebnen. Dabei legt die FDP Wert auf wirtschaft nicht im Regen stehen lassen. die Tatsache, daß die Produktionsaufgaberente den (Frau Flinner [GRÜNE]: Das hat sie bereits Kern unserer politischen Leistungsansätze darstellt. gemacht!) Wer hier sparen will, spart am falschen Platz und ver- längert die schwierige Zeit, die wir durchzumachen Wir müssen sicherlich noch vieles tun. Ich habe jetzt haben. Wer hier spart, spart zudem nur sehr vorder- nicht mehr die Zeit, alles auszuführen, aber eines sage gründig, denn Resultat einer nur halbherzig durchge-- ich Ihnen: Völlig unerklärlich ist es mir, daß in der führten Produktionsaufgaberente würde sein, daß die Landwirtschaft quer durch diese Republik unter- Anstrengungen unserer Landwirtschaft, Anschluß an schiedliche Sätze für die Hofübergabe verrechnet die Leistungsfähigkeit anderer EG-Länder zu halten, werden, im Süden ein Mehrfaches gegenüber dem unnötig erschwert werden. Dies hätte zur Folge, daß Norden. Das, meine ich, kann nicht so bleiben. sich die Agrarpolitik langfristig nicht verbilligt, son- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! Das dern zwangsläufig verteuern würde. muß geändert werden!) Daß für uns — da stehen wir natürlich im Gegen- Es muß die Ungerechtigkeit der Viehzuschläge, die zu satz, Frau Flinner — die nachwachsenden Rohstoffe überhöhter Tierhaltung führt, durch eine Halbierung nach wie vor von großer Bedeutung sind, möchte ich der Viehzuschläge beseitigt werden. hier und heute noch einmal unterstreichen. Ohne (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Euphorie, aber mit Nachdruck wollen wir alles unter- stützen, was für die Zukunft erfolgversprechend ist. Für die bayerischen Landwirte — ich meine, das Ich wünsche mir z. B. Verpackungsmaterial, welches sollte einmal der Ministerpräsident, unser sehr ver- aus Kunststoff besteht, der mit Stärke und Zucker als ehrter Herr Ministerpräsident Franz Josef Strauß hö- Rohstoff hergestellt wurde. ren —

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Heiterkeit — Frau Saibold [GRÜNE]: Über schlagen Sie sich doch nicht!) Vielleicht ist das etwas teurer, aber es wäre, meine fordere ich nochmals von dieser Stelle aus, daß die ich, dann rückstandsfrei. Im übrigen bietet auch der Schlachtviehmonopolversicherung in Bayern, die Flachs hervorragende Einsatzmöglichkeiten, wenn eine eindeutige Wettbewerbsbenachteiligung der die erfolgversprechenden Ansätze weiterverfolgt Bauern ist, so schnell wie möglich beseitigt wird. werden, insbesondere den kurzfaserigen Flachs im Verpackungsbereich einzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier wäre noch vieles anzuführen, aber ich sage Ich bitte diesbezüglich den Umweltminister, uns in auch von dieser Stelle aus: Auch die Landwirte müs- diesen Bereichen zu helfen; gleichzeitig fordere ich sen zusammen mit uns alles tun, um den Weg in die die Vertreter der Landwirtschaft in den Chemiekon- Zukunft richtig zu meistern. Ich meine, daß sie aufge- zernen auf, sich dafür einzusetzen, daß dort mehr fordert sind, bei allen wichtigen Betriebsentscheidun- Agrarrohstoffe verwendet werden. Meine Hoffnung gen von kleinen Anschaffungen bis zu langjährigen geht auch dahin, daß wir eines Tages mit Rapsöl und Investitionsentscheidungen mehr denn je mit dem Biosprit fahren werden, auch wenn es noch lange spitzen Bleistift zu rechnen. Die Möglichkeiten, Pro- dauert. duktionskosten zu senken, sind noch bei weitem nicht (Beifall bei der CDU/CSU) ausgeschöpft. Der Schleppbesatz ist bei uns in der Ab diesem Zeitpunkt hätten wir sicher keine Sorgen Bundesrepublik extrem hoch. Die Maschinenringidee mehr mit der Flächenstillegung. hat sich leider noch nicht überall durchgesetzt. Dort, wo es vom betrieblichen Standort her möglich Bei unserem rein agrarpolitischen Denken wollen ist, muß sich der Landwirt neue Marktnischen er- wir nicht vergessen, daß zum erstenmal in der euro- schließen. Hier wird auch der Freizeitbereich ein be- päischen Geschichte Land wieder an die Natur zu- sonderes Gewicht bekommen. rückgegeben oder zur Bewirtschaftung im naturna- hen Zustand einschließlich Aufforstung zur Verfü- (Frau Saibold [GRÜNE]: Ja, Golfplätze, gung gestellt werden kann. Diese Chance muß von selbstverständlich!) 5090 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Paintner — Ja, sicherlich auch. Der Strukturwandel hat sich gegenüber dem Vor- Der Landwirt tut gut daran, seine Hofnachfolge klar jahr um mehr als das Doppelte auf 3,8 % beschleunigt. zu übersehen. Dies gilt sowohl für die Ausbildung der Fast 27 000 Höfe mußten aufgeben, davon mehr als jungen Generation 12 000 Haupterwerbsbetriebe. Stärker noch war der Rückgang bei der Zahl der Lohnarbeitskräfte, welche (Frau Saibold [GRÜNE]: Als Parkplatzwäch- um fast 13 % niedriger lag. ter!) Das Investitionsvolumen hat den niedrigsten Stand als auch für die Prüfung der ihm jetzt vom Staat offe- seit Jahren erreicht. Nur 42 % der Vollerwerbsbe- rierten Programme zu Vorruhestend und Flächen- triebe sind solide finanziert, und davon mußte ein stillegung. Drittel auch noch Eigenkapitalverluste hinnehmen. Außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze gewinnen Im EG-Vergleich befindet sich die deutsche Land- immer mehr an Bedeutung. Landwirte müssen mehr wirtschaft unverändert im unteren Teil der Einkom- denn je aufgeschlossen sein, durch mehrere Einkom- menskala. men gleichzeitig ein möglichst hohes Gesamteinkom- men zu erzielen. (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir können das doch selbst lesen! Das steht doch (Frau Saibold [GRÜNE]: Fließbandarbeit, alles im Entschließungsantrag!) gell?) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Regie- Die Bundesregierung fordere ich auf, neben den rungsparteien können sich glücklich schätzen, daß bekannten Hilfen, die nicht zuletzt auch auf die Unter- das deutsche Konkursrecht nicht für Regierungen gilt. stützung der FDP-Fraktion zurückzuführen sind, in Jeder Privatunternehmer mit einer solchen Bilanz den nächsten Jahren ihre Bemühungen auf den länd- - hätte schon längst das Konkursverfahren im Haus. lichen Raum zu konzentrieren. Den Entschließungs- antrag begrüße ich für meine Fraktion als Grundlage, (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Wege in die richtige Richtung aufzuzeigen. Den Land- Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Gilt wirten draußen will ich Mut machen. Nicht Resigna- das auch für Nordrhein-Westfalen?) tion ist die richtige Entscheidung für die Zukunft, son- Aber Sie, Herr Minister Kiechle, kommen heute in den dern nur mit den richtigen Entscheidungen ist die Bundestag und eröffnen eine neue Partie im Euro Zukunft zu meistern. Schach. Wer genau hinsieht, erkennt, daß erneut die (Frau Saibold [GRÜNE]: Bei Ihrer Politik muß Bauern, und zwar die deutschen Bauern zuerst, ge- man resignieren!) fährdet und geopfert werden. Ich möchte auch nicht versäumen, gerade in der jet- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) zigen Zeit, wo die Agrarpolitik besonders viel Verwal- Ich warne Sie vor dieser Strategie; denn Sie werden tungsaufwand erfordert, auch der Verwaltung recht kein Schachspiel gewinnen, in dem Sie die Funktion herzlich zu danken. Abschließend möchte ich auch des Turmes übernehmen, der König dem Minister nochmals für seine Arbeit danken. Ich heißt und die Herren von Heereman und Eigen sich möchte sagen, daß wir diese Arbeit schätzen, weil wir als Querspringer betätigen. diese Regierung wollen und brauchen. Das wissen hoffentlich auch die deutschen Bauern. (Heiterkeit) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wer in der Politik oder im Schach die Bauern verheizt, wird das Spiel verlieren, beim Schach und in der Poli- tik. Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Abge- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — ordnete Jansen. Bohl [CDU/CSU]: Sie sind der Läufer!) (Zurufe von der CDU/CSU: Der Agrarpoliti- Apropos Karl Eigen. Sie haben am Montag in ker Jansen! — Haben die denn keine Exper- Schleswig-Holstein auf einem Kreisbauerntag die ten?) Bundesregierung kritisiert. Immerhin! Sie haben ihr vorgeworfen, daß es völlig falsch ist, die Mehrwert- steuer insbesondere wegen des Agrarfinanzierungs- Jansen (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten bedarfs nicht schon jetzt zu erhöhen. Ich meine, Herr Damen und Herren! „Mein Gott, gib uns endlich eine Eigen, es hätte Ihnen bedeutend besser angestanden agrarpolitisch handlungsfähige Regierung! Mit Wind zu sagen: Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, die und Wetter werden wir schon selbst fertig. " Dieser Spitzensteuersätze für Konzerne und Millionäre zu Ausspruch eines Landwirts bringt in wenigen Worten senken, solange die deutsche Landwirtschaft in dieser die Situation der Landwirtschaft auf den Punkt. Notlage ist. Das hätte Ihre Sprache sein müssen. Wer sich den Agrarbericht durchsieht und die (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Struktur beurteilt, der weiß, woran wir sind. Nach Die Lage wird sich weiter verschlechtern. Betroffen leichten Verbesserungen im Berichtsjahr 1986/87, sind bei uns in Schleswig-Holstein vor allem die Ge- Herr Minister, die ausschließlich auf Senkung der Be- treide- und Ülsaatenerzeuger. triebsmittelkosten beruhen, werden im laufenden Wirtschaftsjahr 1987/88 die Einkommen gravierend (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Ihr zurückgehen. Dabei müssen alle Bet riebe mit Aus- wollt doch die Preise senken!) nahme der Milcherzeuger mit zweistelligen Minus- Bei Getreide wird ab 1. Juli 1988 die gegenwärtige raten rechnen. Mitverantwortungsabgabe von 3 % auf 6 % verdop- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5091 Jansen pelt. Wird erwartungsgemäß die Garantieschwelle schränkt zu begrüßen; denn die nationalen Preiserhö- von 160 Millionen t überschritten, erfolgt im darauf- hungen könnten bei der Agrarreform die vereinbarten folgenden Wirtschaftsjahr automatisch eine Preissen- Restriktionen, z. B. die Mitverantwortungsabgabe bei kung um 3 %. Getreide, mehr als kompensieren. Für uns sind solche (Zuruf von der SPD: Das ist beschlossen!) nationalen Preiserhöhungen unter diesem Währungs- ausgleichssystem unannehmbar. Noch schlimmer sieht es bei Ölsaaten aus. Hier muß mit einer Überschreitung der Garantieschwelle von Aber genau diese Forderungen sind Ihnen, Herr 30 % gerechnet werden. Minister, am Dienstag dieser Woche auf den Verhand- (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Aber lungstisch gelegt worden. Sie, der Bundeskanzler und Ihr wollt sie doch senken! — Bohl [CDU/ der Bundesfinanzminister haben bei den EG-Finan- CSU]: Ihr wollt doch noch mehr!) zierungsberatungen erneut, wie 1984, einen großen Das bedeutet automatische Preissenkungen bis zu Fehler gemacht. Sie hätten die neue EG-Finanzierung 15%. einschließlich der Mittel für die Strukturfondserhö- Die EG-Kommission hat inzwischen ihre Preisvor- hung nicht beschließen dürfen, bevor die sogenann- schläge vorgelegt. Sie schlägt zwar eine Nullrunde ten Schwachwährungsländer nicht auf nationale für die Agrarpreise vor. Doch sind wiederum vor al- Agrarpreiserhöhungen verzichtet hätten. Das hätten lem die Getreide- und Ölsaatenerzeuger durch tech- Sie raushandeln müssen. nische Maßnahmen bei den Erlöseinbußen betrof- fen. (Beifall bei der SPD), In Ihrer Regierungszeit gibt es eine Vielzahl gebro- Vizepräsident Cronenberg: Gestatten Sie eine Zwi- chener Versprechungen: Jahrelang hat die Bundesre- schenfrage? — Bitte schön, Herr Abgeordneter. - gierung durch unrealistische Zusagen, für höhere Preise zu sorgen, die Landwirte immer wieder in be- Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Herr Kollege triebswirtschaftliche Entscheidungen get rieben, die Jansen, ich freue mich darüber, daß Sie die Sorgen der sich im nachhinein als verhängnisvoll erwiesen ha- Getreidebauern und der Ackerbauern so aufnehmen. ben. Herr Kiechle hat die Erhaltung des Währungs- Können Sie mir bitte sagen, was in diesem Zusam- ausgleichs versprochen. Ergebnis: Seit 1984 ist der menhang der Satz in Ihrem Entschließungsantrag be- deutsche Währungsausgleich von damals 10 % stän- deuten soll, den ich Ihnen bitte vorlesen darf: dig verringert worden; ab 1. Juli gibt es überhaupt Nur durch eine stärker marktorientierte Ausrich- keinen positiven Währungsausgleich mehr. tung der Agrarpolitik kann die Stabilisierung der Agrarmärkte und des EG-Haushalts gelingen. Die Bundesregierung hat sich zu einer durchgrei- Dazu gehört eine Rückführung des Instrumenta- fenden Reform der agrarsozialen Sicherung ver- hums der Inte rvention auf seine ursprüngliche pflichtet. Ergebnis: Nicht einmal Ansätze einer Sozi- Funktion eines Ausgleichsmechanismus für sai- alreform, die insbesondere die Beitragslasten gerech- sonbedingte Angebotsschwankungen. ter verteilen muß, sind erkennbar. Eine verbesserte Können Sie mir bitte sagen, welche Auswirkungen soziale Absicherung der Bäuerinnen fehlt immer das auf die Getreidebauern haben wird? noch. „Wir haben in der Landwirtschaft eine klare Orien- Jansen (SPD): Lieber Herr Kollege aus Schleswig- tierung und damit auch eine verläßliche Zukunftsper- Holstein, ich erbitte nur Ihr Zugeständnis, in meiner spektive gegeben", sagte der Bundeskanzler nach Rede genau auf diese Frage gleich zurückkommen zu dem europäischen Gipfel. Die Bonner Wirklichkeit dürfen. heute sieht anders aus.

Vizepräsident Cronenberg: Außerdem möchte ich (Eigen [CDU/CSU]: Besser als jemals vor Sie darauf aufmerksam machen, Herr Abgeordneter, her!) daß in unserer Geschäftsordnung steht, die Fragen sollten kurz sein. Verschärft wird diese Situation durch die von Herrn (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU] : Ich Kiechle für das nächste Jahr angekündigte erneute habe deswegen sehr schnell gesprochen, Kürzung der Milchquote um 3 %. Ob dieser erneute Herr Präsident!) Quotenkahlschlag verhindert werden kann, ist mehr — Das hat nichts an dem Zeitbedarf geändert. als zweifelhaft. Daß Sie bis dahin die Milchproblema- tik, die Sie lösen müssen, über Stillegungen in den (Heiterkeit) Griff kriegen, daran glauben Sie sicherlich selbst nicht. Jansen (SPD): Meine lieben Kolleginnen und Kolle- gen, die Bundesregierung als gegenwärtige Präsi- (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie dentschaft im Ministerrat ist aufgefordert, die Preis- kennen die ganze Problematik doch gar verhandlungen so schnell wie möglich durch kon- nicht!) krete Beschlüsse abzuschließen, damit die Bauern planen können. Die EG-Kommission will die grünen Für den Vorruhestand liegt überhaupt noch keine Paritäten der Schwachwährungsländer nicht verän- Regelung vor. Die wichtige Extensivierung und die dern und damit Preiserhöhungen in nationaler Wäh- Betriebsumstellungen sollen auf das nächste Jahr ver- rung nicht zulassen. Dieser Vorschlag ist uneinge- schoben werden. 5092 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Jansen Für die Flächenstillegungen nennt die Regierungs- Erstens: Vorrang für ein wirkungsvolles und prakti- koalition im Gesetzentwurf den 1. Juli 1988. kables Extensivierungsprogramm mit klaren Um- weltschutzauflagen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch gut!) Zweitens. Umstellungsbeihilfen sollten nicht nur Sie mußten wohl endlich in die Entscheidungsphase für den Anbau von Nichtüberschußerzeugnissen, son- kommen. Aber ich habe das Gefühl, daß der wichtig- dern auch für die Umstellung auf biologischen Land- ste Grund für dieses schnelle und nicht geschlossene, bau gezahlt werden. konzeptionslose Handeln nur die bevorstehende Drittens: eine Vorruhestandsregelung, verbunden Landtagswahl in Schleswig-Holstein ist. mit einem Naturentwicklungsfonds von Bund und (Eigen [CDU/CSU]: Welchen Grund hat es Ländern, wobei nur ein Teil der frei werdenden Flä- denn, daß Sie reden?) chen für die Verbesserung der Betriebsstruktur, ein anderer Teil für einen großzügigen Biotop- und Wald- — Lieber Herr Eigen, vielleicht kann man die Frage, verbund vorgesehen werden. warum ich rede, so beantworten: Sicherlich nicht nur, weil wir beide aus einem Agrarland kommen. Aber Bei dieser Gelegenheit lassen Sie mich deutlich sa- wenn sich der zukünftige sozialdemokratische Mini- gen: Nur für solche konkreten Naturschutzprojekte ster für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Energie um können Sie die Mitfinanzierung der Länder abfordern. Probleme der Landwirte kümmert, ist das, glaube ich, § 10 Ihres Gesetzes, in dem Sie 40 % der Kosten für für die schleswig-holsteinischen Landwirte nur gut. Flächenstillegung, Extensivierung und Betriebsum- stellungen den deutschen Ländern aufdrücken wol- (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ len, ist geradezu eine Provokation. Seien Sie doch CSU: Ganz schön arrogant! Sie sollten die bitte in dieser Frage ehrlich, und geben Sie zu, daß es Entscheidung des Wählers nicht vorwegneh- sich hier um Marktordnungsmaßnahmen handelt und men! — Freiherr von Schorlemer [CDU/ nicht um Naturschutz. CSU]: Beantworten Sie mal die Frage von Herrn Carstensen!) An vierter Stelle müssen Sie erst einmal klären, wel- chen Stellenwert in Zukunft bestehende Programme Das Entscheidende, was wir von Ihnen verlangen, und Koalitionsvereinbarungen haben sollen. ist, daß die Zusammenarbeit, die wir anbieten, auch ihren Niederschlag in einem Gesamtkonzept findet. Erstens. Was ist mit dem Programm für benachtei- ligte Gebiete? Betriebserhaltungen oder jetzt Stille- Erstens: Die Agrarüberschüsse in der EG müssen gungen obendraufsatteln? gezielt und wirksam abgebaut werden, und zwar in festgesetzten Stufen unter Beteiligung aller EG-Län- Zweitens. Was ist eigentlich mit Ihrem geplanten der bis etwa zu dem Punkt, wo sich Angebot und Strukturgesetz nach der Koalitionsvereinbarung? Nachfrage entsprechen. Wollten Sie landwirtschaftliche Familienbetriebe ge- genüber der Agrarindustrie schützen, oder was war Zweitens. Dafür müssen für jedes EG-Land — wir damit gemeint? Nichts hört man. brauchen nicht über nationale Quoten zu reden — die stufenweisen Produktionsverminderungen anteilig Drittens. Wie soll die zweiprozentige Vorsteuerpau- festgelegt werden; sonst sind wir wieder die Muster- schale, die nicht mehr produktionsorientiert gezahlt schüler, und in anderen Ländern wird die jetzt nur werden darf, ab 1989 gezahlt werden? Mit strukturel- anzubietende Regelung nicht angenommen mit der len Schwerpunkten? Je nach Betriebsgröße oder nur Folge, daß in Frankreich z. B. im Pariser Becken und in nach Hektarflächen? Es liegt kein Gesamtkonzept auf England noch Luft ist für Getreidepreissenkungen, dem Tisch. Erst wenn wir dies ausdiskutiert haben, zumal bei negativem Währungsausgleich. Unsere können wir über Flächenstillegungen und ihre Ziel- deutschen Bauern aber erhalten dann für verringerte richtungen reden. Mengen immer weiter sinkende Preise. Ich frage Sie: Wo bleiben der Gesamtansatz und ein Drittens. Nur wenn die Agrarproduktion EG-weit Gesamtkonzept, das die Überproduktion nicht nur aus ausgeglichen der Nachfrage angepaßt wird, besteht Kostengründen senkt, sondern den Landwirten auch eine Chance, bei Beibehaltung preisstützender Maß- am EG-Markt vernünftige Preise bringt, das endlich nahmen zu besseren EG-Marktpreisen zu kommen. der Natur die Chance gibt und vom Grundwasser bis zum Boden unseren Kindern ein gesünderes Leben Herr Carstensen, genau das ist es. Wir brauchen überhaupt erst ermöglichen soll? eine EG-Politik, die ausreichende Preise ermöglicht und gleichzeitig dem Spiel von Angebot und Nach- Sie haben keine Konzeption; Sie wechseln nur das frage — Ihre These im marktwirtschaftlichen Sy- Spiel. Statt auf Schach setzen Sie in Ihrer Zielsetzung stem — soweit es geht, eine Möglichkeit gibt. Dazu auf Monopoly, und dabei riskieren Sie Haus und Hof brauchen wir einen angemessenen, funktionierenden unserer deutschen Bauern. Das wird das Ergebnis Ih- Außenschutz. Nur so können Sie für die Landwirte rer Politik sein. preispolitisch etwas erreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt dabei: Was müssen Sie in der jetzt verfahrenen Situation Die SPD ist zur Zusammenarbeit für eine wirkliche machen? Wenn wir Sozialdemokraten Ihnen einen Agrarreform bereit. Ratschlag geben sollten, ginge er nicht dahin, heute Ich schließe meine Ausführungen mit den gleichen nur einen Gesetzentwurf für Flächenstillegungen, zu- Worten wie zum Agrarbericht 1987: künftige Extensivierung und Betriebsumstellungen vorzulegen, sondern das Gesamtkonzept müßte hei- Wir Sozialdemokraten verstehen Agrarpolitik als ßen: nationale Verpflichtung, auch als Regionalpoli- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5093

Jansen tik, auch als Chance für Landarbeiter, Hand- tung tragen und daß wir uns gemeinsam bemühen werks- und Zulieferbetriebe. Meine Partei ist in müssen, daraus das allerbeste, was nur möglich ist, zu ihrer Geschichte immer angetreten, Menschen, machen. Nur muß man dann aber auch glaubwürdig die in Not sind, zu helfen. Das gilt auch für die sein. Lieber Herr Kollege Jansen, erst einmal werden Landwirtschaft. unsere Bürger und Bürgerinnen in Schleswig-Hol- Dabei darf es uns eben nicht in erster Linie um Wahl- stein entscheiden, wer nach dem 8. Mai die Regierung kampfprozente gehen, sondern um Solidarität und stellt. Ich würde heute noch nicht so selbstbewußt hier Menschlichkeit, so wie wir es in 125 Jahren gelernt auftreten: Ich werde Minister. Warten Sie einmal ab. und vertreten haben. Das kann auch noch anders kommen, besonders dann, wenn zwischen Ihren Aussagen und denen Ih- Ich hoffe, wir kommen schnell zu Entscheidungen; res Spitzenkandidaten außerordentliche Differenzen denn jeder Tag wird sich so entwickeln, daß bis zu 100 bestehen, wie Sie wissen, z. B. im Energiebereich. weitere Betriebe kaputtgehen, und dies kann nie- mand wollen. Man kann nicht, egal in welcher Partei (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: In je man ist, in die Politik gegangen sein und zusehen, wie dem Bereich!) Menschen, ihre Familien und unsere Landschaft ka- puttgehen. Wir müssen so schnell und so wirksam Glaubwürdigkeit vor allen Dingen auch in der handeln und so selbständig für die Landwirte eintre- Agrarpolitik wollen unsere Bauern haben. Wenn hier ten, daß es endlich zu einem Gesamtkonzept dieses vom Kollegen Oostergetelo die Finanzpolitik Dr. Stol- Parlaments kommt. tenbergs in bezug auf seine zögerliche Hergabe von Landwirtschaftspolitik ist keine Streitpolitik zwi- Millionenbeträgen bemängelt wird, dann will ich schen Parteien mehr. Vielmehr ist geschlossenes Han- dazu einmal eine Aussage des „Agrarspitzenpoliti- deln die einzige Forderung, die heute noch auf den- kers" der SPD, unseres Kollegen Apel, in der „Süd- Tisch gehört. deutschen Zeitung" vom März vortragen: (Beifall bei der SPD) Milliardenrausch zugunsten der Landwirte

Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Abge- Wir wären in der Steuerpolitik sicherlich vorsich- ordnete Eigen. tiger gewesen, und insbesondere hätte es den Milliardenrausch zugunsten der Landwirtschaft Eigen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr ge- nicht gegeben. ehrten Damen und Herren! Die Landwirtschaft steckt in einer schweren Krise — weltweit, europaweit und (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) besonders auch in der Bundesrepublik Deutschland; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Da wundere Das ist die ganze SPD, und die muß dabei auch ein- ich mich schon etwas über die Verhaltensweise unse- kalkuliert werden. res Ältestenrates, daß eine Aktuelle Stunde, die nichts (Zuruf von der CDU/CSU: Und dann die an Aktualität hat, in der Zeitabfolge dem Agrarbericht Rede von Jansen!) vorgezogen wird (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der Ich erinnere daran, meine Damen und Herren, wie SPD) wir im vorigen Jahr um den Erhalt der Leistungsfähig- und daß erst am Freitagnachmittag im Deutschen keit der BALM rangen. Weil die EG-Kommission nicht Bundestag die Agrarpolitik abgehandelt wird. mehr in der Lage war, die Intervention zu finanzieren, hat sich uns die SPD verweigert, aus fadenscheinigen Gründen nach dem Haushaltsrecht. Vizepräsident Cronenberg: Es ist zwar nicht die Aufgabe des Präsidenten, einzugreifen, Herr Abge- (Pfuhl [SPD]: Gar nicht wahr!) ordneter Eigen. Aber das ist eine Vereinbarung der Fraktionen und nicht des Ältestenrates. Das muß der In der Entschließung der SPD-Fraktion, die in Teil- guten Ordnung halber festgestellt werden. bereichen gar nicht so schlecht ist, steht, daß man die Landwirtschaft bei Belastungen wegen öffentlicher Eigen (CDU/CSU): Dann ist eben die Vereinbarung Maßnahmen entschädigen solle. Bei der Abstimmung der Fraktionen falsch. hier im Deutschen Bundestag zum Wasserhaushalts- gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, als (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP — es darum ging, die Landwirte für Belastungen durch Beifall bei der SPD) Auflagen im Bereich Grundwasser zu entschädigen, — Ja, selbstverständlich. haben Sie uns Ihre Zustimmung verweigert. Das, Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Ent- hier von den Kollegen Oostergetelo und Jansen ge- scheidende: daß so abgestimmt wird, daß den Land- sagt worden ist, ist ja alles gar nicht so falsch. Die wirten geholfen ist. letzten Sätze vom Kollegen Jansen kann man nur un- terstreichen. (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das ist falsch!) (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Aber nur Die Frage von Entschädigungen für die Landwirt- die letzten!) schaft wird in der weiteren Gesetzgebung eine ent- Natürlich ist es so, daß wir alle gemeinsam für die scheidende Rolle spielen, so daß das Verhalten da- Landwirtschaft in dieser schweren Krise Verantwor mals beim Wasserhaushaltsgesetz ein Präjudiz war: 5094 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Eigen bei uns zugunsten der Landwirtschaft war, bei Ihnen Ich stelle also hier in aller Deutlichkeit fest: Bundes- zum Schaden der Landwirtschaft. kanzler Dr. Kohl, Bundesaußenminister Genscher, I wie ich gerne hinzufügen will, unser Finanzminister (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Weyel Dr. Stoltenberg, besonders aber Ernährungsminister [SPD]: Wer hat denn die Mehrheit in diesem Kiechle und sein Staatssekretär Kittel, denen die Vor- Bundestag?) bereitung oblag, haben zwischen dem schlechten So ist die Wirklichkeit. Gipfel in Kopenhagen und dem besseren Gipfel in Also bitte, meine herzliche Aufforderung: Handeln Brüssel — ich sage nicht „guten", weil auch er noch Sie auch so, wie Sie sprechen. Dann sind wir sehr wohl Verluste für die Landwirtschaft mit sich gebracht zur Kooperation bereit. hat — Wesentliches, eine Wende in der Politik, er- reicht. Sie haben erreicht, daß endlich der Weg der Im Wirtschaftsjahr 1986/87, das dem Agrarbericht Vernunft beschritten wird, mit dem wir in der Lage 1988 zugrunde liegt, hat die Landwirtschaft noch ein sind, die Milchprobleme zu lösen und die Butterberge relativ gutes Jahr gehabt, wenn es auch real gegen- abzubauen. Einen Magermilchpulverberg gibt es über 1975/76 schon zu einem Einbruch von rund 30 überhaupt nicht mehr. Der Butterberg ist an der gekommen ist und wenn auch etwa 35 % der Land- Grenze dessen, was wir noch für die Versorgung der wirte trotz dieses relativ guten Ergebnisses schon Ver- Bevölkerung brauchen. Wir haben hier also Lösungen mögensverluste gehabt haben. Zu der Statistik der durchgesetzt. Jetzt sind wir auch bei Getreide und bei Europäischen Gemeinschaft für 1987 — da spielt die Raps auf dem Wege der Vernunft, dem Weg zu bes- Ernte 1987 nämlich schon die entscheidende Rolle — seren Regelungen beim Ackerbau, beim Pflanzen- heißt es ganz nüchtern: Die Einkommen in der deut- bau. schen Landwirtschaft werden um 16,3 % zurückge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hen. Andere Landwirte, z. B. in Irland, verzeichnen- einen Zuwachs von 13,4 %. Hier gibt es ein Problem, Meine Damen und Herren, natürlich müssen diese das immer wieder zu Lasten der deutschen Landwirt- Maßnahmen EG-weit durchgeführt werden. Meine schaft geht: daß wir noch keine Währungsunion ha- Bitte an die Bundesregierung ist, in den Agrarver- ben. Wir dürfen die EG nicht schelten, daß wir auf den handlungen sicherzustellen, daß alle Länder nicht nur Binnenmarkt zugehen, sondern wir müssen im Ge- Angebote, sondern differenzierte Angebote entspre- genteil alles dazu tun, daß wir schneller zu einer wei- chend der Ertragskraft der Böden machen müssen, Ten Integration kommen, damit es eben keine Auf- damit die Bauern in den anderen Ländern diese Maß- vertung mehr gibt. Ich sage hier in diesem Hohen nahmen auch annehmen. Hause ganz deutlich: Weitere Aufwertungen der D- Ich bin selbst dann für die Flächenstillegung — ich Mark innerhalb des Europäischen Währungssystems sage das hier etwas ungeschützt — , wenn es dazu kann die deutsche Landwirtschaft nicht mehr verkraf- kommen sollte, daß wir wegen der besseren Admini- ten. Es muß also politisch alles getan werden — und stration in Deutschland eher zu durchgreifenden das ist meine Bitte an die Bundesregierung — , Auf- Maßnahmen kämen und die anderen sozusagen erst wertungen zu vermeiden oder sicherzustellen, daß bei durch uns in Zugzwang gerieten. Ich bin deshalb da- Aufwertungen die Probleme der Landwirtschaft sofort für, weil es zu diesen neuen Maßnahmen keine Alter- und erschöpfend berücksichtigt werden. native gibt. (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Dann müssen Sie eine andere Wirtschaftspolitik betrei- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ben!) Dabei darf nicht vergessen werden, meine Damen Es gibt überhaupt keinen Zweifel, meine Damen und Herren, daß auf dem Gipfel noch mehr beschlos- und Herren — Kollege Paintner hat das in der ihm sen worden ist. Es ist nämlich auch beschlossen wor- eigenen freundlichen Art hier dargelegt — : Die Bun- den, daß sich die Kommission in den GATT-Beratun- desregierung hat am 13. Februar um 1 Uhr nachts im gen um die Getreidesubstitute kümmern soll. Es ist Rahmen ihrer Präsidentschaft einen Beschluß in der beschlossen worden, daß mehr Getreide verfüttert Europäischen Gemeinschaft durchgesetzt, der eine werden soll. Es ist beschlossen worden, daß der Weg Wende in der Agrarpolitik bedeutet. Wir sollten jetzt in Richtung auf nachwachsende Rohstoffe als zweiter nicht daran herumklittern, ob das so oder so gemacht Absatzweg geöffnet werden muß. Da befinden wir uns werden sollte. Helfen Sie uns mit Ihrem Sachverstand in entscheidendem Gegensatz zu der Fraktion der — alle Parteien — , damit wir die Regelungen für Flä- GRÜNEN, die diesen zweiten Absatzweg — nach- chenstillegungen, Produktionsaufgaberente usw. so wachsende Rohstoffe — nicht will. Ich sage in aller fassen, daß sie für die Bauern vernünftig sind, daß sie Deutlichkeit: Die einzige Zukunftsperspektive für un- aber vor allen Dingen gewährleisten, daß die Produk- sere Landwirtschaft ist dieser zweite Absatzweg. Wir tion in Zukunft 160 Millionen t Getreide und 4,5 Mil- als Politiker haben die verdammte Pflicht und Schul- lionen t Raps nicht überschreitet, weil das weitere digkeit, alles zu tun, um das, was in zehn, zwanzig Preissenkungen brächte. Gleichzeitig sollten die Jahren sowieso kommen wird, zu beschleunigen, da- Maßnahmen ökologisch wertvoll sein. Das kann man mit wir die Landwirtschaft schneller aus der K rise, in nämlich wohl miteinander kombinieren, wenn man es der sie steckt, herausführen können. in der richtigen Weise durchführt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir Bauern sind doch die Umweltschützer Nummer eins, und wir wollen Flächenstillegungen, Umwid- Zu dieser Politik gibt es keine Alternative. Ich bin mungen natürlich in ökologisch vernünftiger Weise dankbar, daß wir schon im Mai im Ernährungsaus vornehmen. schuß eine Anhörung haben werden, wie man Ver- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5095

Eigen packungsmaterial aus Erdöl durch Verpackungsma- Es heißt: Zur Erhaltung der bäuerlichen Landwirt- terial aus Stärke ersetzen kann. schaft wollen wir die Flächen stillegen. — Da lachen ja Ich muß zum Schluß kommen. Ich möchte nur noch, die Hühner. weil natürlich die Beschlüsse von Brüssel und die klas- (Eigen [CDU/CSU]: Aber ein Extensivie sische Landwirtschaft im Zentrum der Auseinander- rungsprogramm würde doch genau Ihrer Po setzung stehen, sagen, daß Gartenbau, Fischerei und litik entsprechen!) Forstwirtschaft natürlich in unsere Arbeit, unsere — Herr Eigen, verstehen Sie nicht die Dimension? Sie Überlegungen, unsere Fürsorge eingeschlossen sind. können doch nicht Lebensgrundlagen stillegen. Jede Ich möchte zum Schluß eines noch einmal feststellen, vierte Mark in dieser Republik wird für Lebensver- daß wir bei dieser Debatte nicht vergessen dürfen: nichtung, für Rüstung, ausgegeben, und Sie vernich- Unsere bäuerlichen Familien, unsere Landwirte, wol- ten Arbeitsplätze mit einem Programm, um Lebens- len mit ihrer fleißigen Arbeit ihr Einkommen verdie- grundlagen stillzulegen. Lassen wir also den nen, das mit dem Einkommen der Bürger anderer Krampf. Berufszweige vergleichbar sein soll. Sie wollen keine Dauersubvention. Deswegen müssen diese neuen Selbst der Titel des sogenannten Extensivierungs- Maßnahmen in Brüssel dazu führen, daß die Märkte in programms ist ein Etikettenschwindel. Es gibt kein Ordnung gebracht werden und damit wieder gewisse Extensivierungsprogramm. Es gibt auch kein Exi- Preisverbesserungen möglich sind, damit bei einem stenzerhaltungsprogramm. Was Sie wollen, ist ein besseren Preis-Kosten-Verhältnis wieder eine kon- Herauskaufprogramm für über zwei Milliarden DM, struktive, den bäuerlichen Menschen und den Men- um den durchschnittlichen 17-Hektar-Betrieb der schen im ländlichen Raum dienende Agrarpolitik und bäuerlichen Landwirtschaft zu ruinieren. Nichts ande- Agrarwirtschaft möglich sind. res wollen Sie. Die sogenannte EG-Verordnung, die - zu dem Extensivierungsgesetz führen sollte, die Ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ordnung 1760/87, hatte ursprünglich vor, die Bauern- familien europaweit für flächendeckend weniger Pro- duktion besser zu bezahlen, die Natur zu schützen, die Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Abge- Zahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und die ordnete Kreuzeder. Intensität zurückzuführen. Und was machen Sie dar- aus? Warum machen Sie es nicht so wie Dänemark? Dänemark gibt in den nächsten Jahren über 20 Millio- Kreuzeder (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer! In zwei Dingen gebe ich nen Kronen pro Jahr für Umstellung auf biologischen Herrn Eigen recht: Es ist eine Schande für die Repu- Landbau aus. blik, wenn über Lebensgrundlagen, sprich: Landwirt- (Beifall bei den GRÜNEN) schaft, Nahrung, Boden, im Parlament erst am auslau- Und was machen Sie? Sie wollen 20 % der Überkapa- fenden Ende der Woche geredet wird. zität durch Flächenstillegungen reduzieren. (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Ihr Neulich waren wir im Landwirtschaftsministerium. habt doch die Aktuelle Stunde beantragt!) Da sagte der Referent: Amerika hat 18 Millionen ha — Über Landwirtschaft müßten wir zur Zeit tagelang stillgelegt, 6 Millionen ha mehr, als unser Land Agrar- reden, nicht bloß drei Stunden. fläche hat. Den Erfolg dieses Programms kennen wir (Niegel [CDU/CSU]: Ihr habe doch die Ak- inzwischen: Amerika hat noch nie soviel Überschuß tuelle Stunde beantragt! — Weitere Zurufe produziert wie zur Zeit, und wöchentlich werden von der CDU/CSU) 2 000 Farmen versteigert. — Ruhe auf den billigen Plätzen, jetzt rede ich. (Glos [CDU/CSU]: So ein Schmarrn! — Dann wären schon alle versteigert!) (Heiterkeit) Der zweite Punkt, in dem ich Herrn Eigen recht Das schlimmste an dem Programm ist: Die bäuerli- gebe: Es ist nach wie vor so, daß die SPD keine Ah- chen Vertreter — es ist ha wunderbar, daß der Herr nung von der Landwirtschaft hat. Die SPD hat einen Heereman wieder als bäuerlicher Vertreter dasitzt — historischen Fehler gemacht. Sie setzt sich nach wie treten natürlich außerdem dafür ein, daß die freiwer- vor dafür ein, daß die Arbeitszeit der Menschen in der denden Flächen von aufstockungswilligen Bet rieben Rüstungsproduktion bezahlt wird, in der Landwirt- übernommen werden können. schaft dagegen will man staatliche Almosen. Da gebe (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Wer ich Ihnen recht. soll sie denn sonst übernehmen?) Zum dritten Punkt, zur CDU/CSU. Jetzt seid ihr Wie wollen Sie Überschüsse reduzieren, wenn diese dran. Angeblich hat die CDU/CSU etwas vor, um die Flächen in die Produktion übernommen werden, wie bäuerliche Landwirtschaft zu retten, wie sie es bei denn? jeder Wahlversammlung kundtut. Ich denke da an Herr Heereman, es gibt ein wunderbares Wortspiel, Kohl und Kiechle: Die Erhaltung der bäuerlichen und da passen Sie wunderbar hinein: Cathmann, Landwirtschaft ist oberstes Gebot. — Gemessen Pohlmann, Heereman, immer „Mann". daran, klingt das, was jetzt kommen soll, das soge- nannte Extensivierungsprogramm, das Stillegungs- (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN) programm, wie ein Faschingsscherz. Man kann frei- Das sogenante Extensivierungsgesetz ist erstens weg sagen: Kiechle alaaf! nicht geeignet, die Überschüsse zu reduzieren, und (Beifall bei den GRÜNEN) zweitens schon gar nicht geeignet, die bäuerliche 5096 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Kreuzeder Landwirtschaft zu retten. Sie wollen jährlich mit Noch etwas ist wichtig, und diese Dimension wird in 790 Millionen DM neue Arbeitsplätze für 50 000 Ar- der Agrarpolitik überhaupt nicht diskutiert. Herr beitslose schaffen. Die Bauern und Bäuerinnen sind Eigen, passen Sie auf: aber — da sollten die Zuhörer besonders gut aufpas- (Eigen [CDU/CSU]: Ich passe immer auf!) sen — in Zukunft die neuen Arbeitslosen in dieser Gesellschaft. Was passiert, wenn das so weitergeht? 26 000 Bet riebe voriges Jahr, heuer werden es 50 000 sein. Den Men- (Beifall bei den GRÜNEN) schen, die jetzt aus der Landwirtschaft ausscheiden, Für den Jäger '90 habt ihr 20 Milliarden Mark übrig, werden eines Tages der Krupp und der Flick, werden für die Verkabelung der Gesellschaft wird das Geld Unilever und Nestlé einen Wecker stellen, wenn sie in hinausgeschmissen, aber für die Erhaltung der Le- der Früh' aufstehen. Noch sind sie in der Lage, selb- bensgrundlage ist nichts da. ständige Arbeit zu leisten, noch sind sie in der Lage, ihre eigene Produktionsgrundlage zu besitzen, und (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der das ist eines der Fundamente von Demokratie, CDU/CSU: Quatsch!) (Beifall bei den GRÜNEN) Es gibt einen Ausspruch von Georg Eisenberger, seines Zeichens Reichstagsabgeordneter von 1920 bis daß ich bestimmen kann, wann, was und wo ich ar- 1932, Bauer in Ruhpolding, in meiner Nachbarge- beite. Genau dies geht mit dieser Agrarpolitik flöten, meinde. Er hat damals schon gesagt: Die hohen Her- und das sollten wir endlich begreifen. ren haben Milliarden übrig und schmeißen diese Mil- Was gibt es zu dem sogenannten Extensivierungs- liarden in den Rachen des Militarismus. — Nach wie programm noch zu sagen? vor ist es in dieser Republik so. - (Eigen [CDU/CSU]: Eigentlich nichts!) (Beifall bei den GRÜNEN — Kroll-Schlüter Vordergründig wird den Leuten weisgemacht, es [CDU/CSU]: Das ist doch dummes Zeug!) wäre ein Schutz der Natur, wenn wir dieses Pro- —Ich sage Ihnen, was das dumme Zeug ist. Es gibt in gramm einführten. diesem Lande einen Begriff, der heißt „natürlicher (Eigen [CDU/CSU]: Den kann man doch ein Strukturwandel" . Natürlicher Strukturwandel, so bauen!) nennt man das Abmurksen der Bauernfamilien. Es gibt einen Hubert Weinzierl, es gibt einen Hubert (Zuruf des Abg. Bohl [CDU/CSU]) Weiger, das sind Spezialisten auf ökologischem Ge- —Herr Seiters, seien Sie still, Sie haben sowieso keine biet. Ahnung von der Landwirtschaft! (Eigen [CDU/CSU]: Meinen Sie! — Fellner [CDU/CSU]: Der eine beim Sandgrubenaus (Zustimmung der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE] — Zuruf von der CDU/CSU: Sei- beuten!) ters ist doch gar nicht da! Sie kennen noch Wenn die den Begriff „Flächenstillegung" hören, sa- nicht einmal den Namen! — Weitere Zurufe gen sie: Es ist ein trojanisches Pferd für den Natur- von der CDU/CSU) schutz, Flächen stillzulegen, nichts anderes. —Heißt er anders? Es ist auch nicht so wichtig, wie die (Zustimmung bei den GRÜNEN — Eigen Abgeordneten heißen. Wichtig ist, daß sie aufpassen, [CDU/CSU]: Da sieht man, daß sie überhaupt wenn sie endlich einmal etwas hören, was richtig keinen Sachverstand haben!) ist. Nichts anderes! Es gibt also den Begriff „natürlicher bäuerlicher (Beifall bei den GRÜNEN) Strukturwandel". Das ist ungefähr so wie bei den Menschen, die in den letzten beiden Kriegen nach Und um Sie zu erinnern, damit Sie mich nicht als einem Bauchschuß fünf Stunden haben schreien müs- Chaoten einstufen, sondern als einen Menschen, der sen, bis sie sterben konnten. Da sagt man nicht, wie auf dem Boden des Gesetzes steht: ich es tue, daß sie furchtbare Schmerzen gehabt ha- (Fellner [CDU/CSU]: Nicht so direkt!) ben, bis sie haben sterben können, sondern sagt, sie seien „gefallen" . Zu dem, was Sie mit den Bauernfa- In Art. 153 der Verfassung des Freistaates Bayern milien machen, zum Abmurksen von sicheren selb- heißt es: ständigen Existenzen, sagt man „natürlicher Struktur- Der Aufstieg tüchtiger Kräfte aus nichtselbständi- wandel". ger Arbeit zu selbständigen Existenzen ist zu för- (Zurufe von der CDU/CSU: Was Sie sagen, dern. ist saudumm! — Unverschämt!) In demselben Artikel steht: Das ist die Sprache dieser Regierung, die Sprache der Die selbständigen Kleinbetriebe und Mittel- Verharmlosung. Gehen Sie einmal hinaus auf die standsbetriebe in Landwirtschaft ... sind in der Dörfer, da werden Ihnen die Bauern etwas anderes Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und erzählen. gegen Überlastung und Aufsaugung zu schüt- zen. (Fellner [CDU/CSU]: Also, wir können uns da noch schauen lassen — im Gegensatz zu Und Sie wollen diese kleinen und mittleren Bet riebe dir!) stillegen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5097

Kreuzeder Wenn das passiert und wenn die Bauern und Bäu- setz zur ersten Beratung vor. Durch ein Flächenstille- erinnen nicht merken, was für ein Wahnsinn die bun- gungsprogramm, das in der gesamten EG angeboten desdeutsche Agrarpolitik ist, wird, wollen wir erreichen, daß die Produktions- (Eigen [CDU/CSU]: Stillegung?) schwelle von 160 Millionen t bei Getreide möglichst nicht überschritten wird. Die Stillegung der Flächen dann Bfiadigod, armes Deutschland! gegen Entschädigung kann als Dauer- oder Rotations- brache erfolgen. Es ist aber auch möglich, die Flächen Vizepräsident Cronenberg: Herr Abgeordneter, Sie aufzuforsten oder dem Naturschutz zur Verfügung zu kommen zum Schluß. stellen. Wir erreichen also neben der Marktentlastung durch die Flächenstillegung auch einen ökologisch Kreuzeder (GRÜNE): Ich bin fertig. positiven Effekt. (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer Vizepräsident Cronenberg: Dann ist es ja gut. [GRÜNE]) (Beifall bei den GRÜNEN — Heiterkeit bei Entscheidend für den Erfolg des Flächenstille- allen Fraktionen — Oostergetelo [SPD]: Das gungsprogramms in der EG wird allerdings auch sein, Ende war das Beste!) ob unsere Partnerländer mit dem gleichen politischen Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn. Willen an die Umsetzung dieses Gesetzes gehen, da- mit vom 1. Juli 1988 an alle Landwirte in der EG die (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Jetzt reden Sie Möglichkeit haben, an der Flächenstillegung teilzu- Platt!) nehmen. Andernfalls gibt es nur neue Wettbewerbs- verzerrungen. Bredehorn (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Kollegen der GRÜNEN hier Zum Stichwort Wettbewerbsverzerrungen hat Karl doch sagen, nachdem ich das so gehört habe: Sie Eigen darauf hingewiesen, daß die Währungsumbe- haben hier auch eine zutiefst unredliche Rede gehal- wertungen natürlich immer zu Wettbewerbsverzer- ten. rungen zu Lasten der deutschen Landwirtschaft füh- ren. (Kreuzeder [GRÜNE]: In Ihren Augen viel- leicht!) (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]) Wenn Sie draußen den Eindruck erwecken, daß Sie eine Politik machen, die allen Bauern die Zukunft Wir brauchen letzten Endes also die gemeinsame garantiert, Währung in der EG, damit diese Wettbewerbsverzer- (Kreuzeder [GRÜNE]: Wir wollen alle Bau- rungen zukünftig nicht mehr stattfinden. ern erhalten!) (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten dann verführen Sie diese Bauern zu falschen Investi- der CDU/CSU) tionsentscheidungen und die jungen Leute zu fal- Wenn es der Bundesregierung gelungen ist, das schen Berufsentscheidungen, und diese Leute verlie- Flächenstillegungsprogramm in der EG durchzuset- ren dabei letztlich ihr gesamtes Eigentum. zen, so sind wir in einer besonderen Verantwortung, (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Weil ihr die fal- ein Flächenstillegungsprogramm mit genügend Fi- sche Politik macht!) nanzmitteln auszustatten. Das ist eine unredliche Politik. Enttäuscht bin ich allerdings über die mangelnde (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten Bereitschaft der Bundesländer, hier konstruktiv mit- der CDU/CSU — Kreuzeder [GRÜNE]: Weil zuarbeiten, was ja auch heißt, mitzufinanzieren. Wenn ihr Volksvermögen für die Rüstung ver- ein Ministerpräsident vor nicht allzu langer Zeit einen schleudert!) Jahrhundertvertrag für unsere Landwirtschaft for- In der künftigen Agrarpolitik sind Wahrheit, Klar- derte, berührt es doch schon eigenartig, heit und Offenheit notwendig. Unsere Bauern brau- (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Woher kommt chen klare Rahmenbedingungen für die Zukunft. Die denn der Ministerpräsident?) Entscheidungen beim Europäischen Rat am 11. und daß derselbe Ministerpräsident, Herr Strauß, jetzt jede 12. Februar zeigen trotz einiger schmerzlicher Ein- finanzielle Solidarität verweigert. griffe wieder eine Perspektive für unsere Bauern auf. (Frau Flinner [GRÜNE]: Sie sollten halt auch Die von der FDP in ihren Perspektiven der Agrar- einmal geschlossen nach Brüssel gehen, so politik 1985 vorgeschlagenen Lösungswege, nämlich wie der Späth es macht!) Produktionsmengenanpassung an den Markt durch Zum 1. Januar 1989 wollen wir auch eine Extensi- Flächenstillegung, Produktionsaufgabe und Extensi- vierungsverordnung auf den Weg bringen. Vorausset- vierung, wurden von der Bundesregierung aufgenom- zung für die Gewährung der Extensivierungsbeihilfe men und konnten allen Widerständen zum Trotz auf ist die Verringerung der Produktion um mindestens der Brüsseler Konferenz durchgesetzt werden. Jetzt 20 % für die Dauer von fünf Jahren. Auch hier erzielen kommt alles darauf an, daß unsere Landwirte ihre Pro- wir neben der Marktentlastung einen nicht zu unter- duktion dem Markt anpassen, um fortwährende Preis- schätzenden ökologischen Effekt. Aus den vorliegen- senkungen zu vermeiden. den Zahlen des Agrarberichts entnehme ich, daß die Die Koalitionsfraktionen sehen hier ihre Verantwor- nach den strengen Richtlinien des Demeter-Bundes tung und legen Ihnen heute ein Extensivierungsge- wirtschaftenden Landwirte um bis zu 25 % geringere 5098 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Bredehorn Erträge erzielen. Hier gibt eine Extensivierungs- und 42 Kühe und im Vereinigten Königreich auf 60 Kühe Umstellungsbeihilfe sicherlich Anreize für viele Land- pro Betrieb. wirte, die sich in diesem Bereich stärker engagieren (Eigen [CDU/CSU]: Statistik, Statistik!) wollen. In der Bundesrepublik halten 2,9 % der Bet riebe mehr Mit der Einführung einer Produktionsaufgaberente als 400 Mastschweine. In den Niederlanden dagegen zum 1. Januar 1989 wird nun eine alte FDP-Forderung sind es 30 % der Betriebe, die mehr als 400 Mast- Wirklichkeit. Wir wissen, daß ca. 25 % der über 50jäh- schweine halten. rigen Landwirte zur Zeit keinen Betriebsnachfolger haben. Daher werden sicher viele Landwirte ein sol- Angesichts dieser Tatsachen mutet es doch etwas ches Angebot annehmen, ja, sie warten schon dar- eigenartig an, daß von interessierter Seite immer wie- auf. der versucht wird, uns weiszumachen, wir befänden uns auf dem Weg zu Großbetrieben und zur Agrarin- Besonders erfreut bin ich natürlich darüber, daß sich dustrie. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat die FDP hier mit ihrer Forderung durchgesetzt hat, die auf der Grünen Woche in Berlin auf diesen Tatbestand Flächen nicht nur stillzulegen, sondern — alterna- deutlich hingewiesen. Er sagte, daß weite Teile der tiv — auch strukturverbessernd abzugeben. Struktur- deutschen Landwirtschaft wegen ihrer Struktur und wandel ist zur Verbesserung der Wettbewerbsfähig- Betriebsgröße gegenüber Preis- und Einkommens- keit der deutschen Landwirtschaft notwendig. senkungen wesentlich sensibler seien als andere EG- Entscheidend wird die finanzielle Ausgestaltung Länder. Er hat dafür plädiert, daß die Wirtschafts- der Produktionsaufgaberente sein. Wir können die strukturen im ländlichen Raum verbessert und die Produktionsaufgaberente nicht — wie beim Flächen- dynamischen Kräfte der ländlichen Regionen mobili- stillegungsprogramm — nach dem Windhundverfah- siert werden. Er hat damit ein sehr wirklichkeitsnahes ren gestalten. Die Produktionsaufgaberente ist ein So- Bild der deutschen Landwirtschaft gezeichnet. zialgesetz. Jeder, der antragsberechtigt ist, muß also (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Er ist für eure auch bedient werden. Nach Meinung der FDP darf Politik überall der Ausputzer!) das Produktionsaufgabegesetz finanziell nicht plafon- diert werden. Für die FDP steht außer Frage, daß sowohl der Landwirt in Bayern mit 15 Kühen als auch sein Kol- Meine Damen und Herren, für die FDP ist die Land- lege in Schleswig-Holstein mit 150 Hektar und 2 000 wirtschaft der Zukunft eine unternehmerische Land- Mastschweinen unter den Beg riff „bäuerlicher Fami- wirtschaft. lienbetrieb" fällt. (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau, genau, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) das ist es, was Sie wollen!) Gerade die gewachsene Vielfalt unserer landwirt- Dabei hat das unternehmerische Engagement eines schaftlichen Betriebe ist doch die Stärke unserer Landwirtes nichts mit der Betriebsgröße zu tun. bäuerlichen Agrarstruktur. Soziale Gerechtigkeit be- steht für mich nicht in einer sozialistischen Gleichma- (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer cherei. [GRÜNE]) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — — Sie haben doch keine Ahnung. — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Wer will die? — (Eigen [CDU/CSU]: Das war der beste Halb- Oostergetelo [SPD]: Wie war das mit der satz!) Quote? — Weitere Zurufe von der SPD) Unternehmerisch sein bedeutet für uns Liberale, daß — Ich komme gleich noch darauf. — Die FDP-Agrar- ein Landwirt — sei es im Voll- oder im Nebener- politik will den leistungsfähigen bäuerlichen Fami- werb — aus seinem bet rieblichen Standort und seinen lienbetrieb und keine Agrarindustrie. Wir werden uns Erwerbsmöglichkeiten vor Ort das Beste macht. Wir auch weiterhin für eine klare Unterscheidung zwi- Politiker sollten ihm die Entscheidungsfreiheit, wel- schen unerwünschten Agrarfabriken und bäuerlichen chen Weg er dabei beschreiten will, selbst überlas- Familienbetrieben einsetzen. sen. (Zuruf von der SPD: Wo setzt die Agrarfabrik (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ein?) Um den leistungsfähigen bäuerlichen Familienbe- Unsere bestehenden Steuergesetze, Bau- und Um- trieb, der sich am Markt auch noch morgen durchset- weltgesetze müssen entsprechend angewandt wer- zen kann, zu erhalten, ist es notwendig, daß die land- den, um hier Auswüchse zu verhindern. Das jetzt vom wirtschaftlichen Strukturen der Bundesrepublik wett- Land Bayern in den Bundesrat eingebrachte Agrar- bewerbsfähig sind. strukturgesetz und der vorliegende Entwurf eines nie- (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sehr dersächsischen Agrarstrukturgesetzes werden die richtig!) Ausweitung der Agrarindustrie nicht behindern. Beide Gesetze führen allerdings dazu, daß leistungs- Wir haben hier im europäischen Vergleich noch und wettbewerbsfähige bäuerliche Bet riebe in Exi- Nachholbedarf: In der Bundesrepublik beträgt die stenzschwierigkeiten geraten. Dort, wo für unsere Durchschnittsbetriebsgröße 16 Hektar, in Frankreich EG-Konkurrenten die Zukunft beginnt, soll in der 27 Hektar und im Vereinigten Königreich 65 Hektar. Bundesrepublik der bäuerliche Familienbetrieb en- Der Durchschnittskuhbestand in der Bundesrepublik den. Das bayerische Agrarstrukturgesetz hat — das beläuft sich auf 15 Kühe, in den Niederlanden auf muß man sich einmal vor Augen führen — dieselbe Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5099

Bredehorn Tendenz wie der hier vorgelegte Antrag der GRÜNEN Ich danke Ihnen. zu Bestandsobergrenzen. In beidem steckt derselbe (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Geist, nämlich: Die Leute sind auf dem T rip, Folklore- Oostergetelo [SPD]: Wird der sonst nicht auf Landwirtschaft und Bauernmuseum als Zukunft der gestellt? So kenne ich ihn gar nicht!) deutschen Landwirtschaft zu sehen. Diese Politik, sol- che Gesetze führen direkt zur Planwirtschaft und sind mit liberaler Agrarpolitik nicht vereinbar. Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Herr (Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD) Abgeordnete Kißlinger. Ich begrüße es sehr, daß Herr Minster Kiechle schon mehrmals in Bauernversammlungen darauf hinge- Kißlinger (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und wiesen hat, daß wir in der Bundesrepublik wettbe- Herren! Herr Minister, Ihr Agrarbericht ist eine gute werbsfähige Strukturen in der Landwirtschaft benöti- Routinearbeit, die aber weder die Bauern noch die gen, um in den nächsten Jahren nicht unterzuge- Steuerzahler noch die Naturschützer besonders er- hen. freuen kann, und Sie alle werden sie brauchen, wenn Sie eine echte Agrarreform machen wollen. Herr Minister Kiechle, gestatten Sie mir ein persön- liches Wort. Gerade von dieser Stelle aus habe ich Ihre Ministerpräsident Lothar Späth hat im Wahlkampf Agrarpoliitk immer sehr kritisch verfolgt. Ich möchte gesagt: Bei der derzeitigen Landwirtschaftspolitik ist Ihnen heute Respekt zollen und Ihnen Dank sagen, die bäuerliche Landwirtschaft auf die Dauer nicht zu daß Sie den Mut haben, vor Landwirten so klar und retten. Dem ist von der Opposition her nichts hinzuzu- wahr zu reden. Ich sage das ohne jede Ironie. Gerade fügen. Er hat recht, weil der Einsatz weiterer Steuer- angesichts der Vorstellungen, die in Bayern und bei milliarden den Bauern keine Perspektive gegeben den GRÜNEN über die zukünftigen Landwirtschafts- hat, weil es ihnen nicht besser geht. strukturen herumgeistern, müssen wir hier gemein- (Eigen [CDU/CSU]: Das liegt an den schlech sam an einem Strang ziehen. ten Beschlüssen in Brüssel!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Es wurde auch schon gesagt, daß in der Zeit zigtau- Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber Herr Hee- send Arbeitsplätze verloren wurden, das Bauernster- remann klatscht gar nicht!) ben ging weiter, das Veröden der Dörfer beschleunigt Es geht nicht an, daß wir eine Agrarpolitik nach dem sich, und das nennt man dann — der Herr Kollege Motto „small is beautiful" betreiben. Eigen würde es vielleicht so machen — wohl einen erfolgreichen Strukturwandel. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eine Bemer- (Eigen [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidi kung zum Milchmarkt einflechten, die mir auch gung!) menschlich sehr am Herzen liegt. Manchmal müssen in der Politik auch unpopuläre Maßnahmen ergriffen Die Böden und das Wasser wurden weiter ruiniert, werden, gegen die sich Basisverantwortliche und- und der schleichende Tod der Wälder setzt sich nach Lobby aus Kurzsichtigkeit und ohne überzeugende wie vor in Trab. Gegenargumente sträuben. Gerade in solchen Mo- Sie haben sich früher kritiklos und ohne Nachprü- menten muß man zueinander stehen. Im übrigen be- fung immer weiter in eine Massenproduktion hinein- grüße ich es, daß wir heute einen Entschließungsan- jagen lassen, die heute gerade für die von der Struktur trag vorlegen, in dem klar formuliert steht, daß bis her kleinbäuerlich orientierten Gebiete katastrophale zum 1. April 1989 die Milchgarantiemengenverord- Folgen haben. Die Erzeugungsschlacht war erfolg- nung so anzupassen ist, daß eine Verrechnung von reich — es sind schon etwa 1,3 Millionen Bauern aus- Über- und Unterlieferung auf Käuferebene möglich geschieden — : „Weiter so, Deutschland!" wird. Ich weigere mich als bayerischer Abgeordneter, (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten den von Ihnen praktizierten Strukturwandel mitzutra- der CDU/CSU) gen. In unserem Raum muß politisch angestrebt wer- den, daß übergeordnete Umwelt-, Arbeitsmarkt-, Re- Zusammenfassend — lassen Sie mich das bitte noch gional- und soziokulturelle Gesichtspunkte so zum sagen, obwohl hier schon wieder alles leuchtet — Tragen kommen, daß sie eine gezielte Existenzerhal- stelle ich fest, daß die Liberalen die Agrarpolitik auch tung möglichst vieler landwirtschaftlicher Bet riebe er- in Zukunft konstruktiv mitgestalten wollen, wir aber reichen, und nicht so, wie das hier geschieht, daß lau- gerne mit einem in sich einigen Koalitionspartner zu- fend mehr ausscheiden müssen. Sie müssen den Fort- sammenarbeiten. Im übrigen lehnen wir alle soziali- schritt in der Landwirtschaft zu einer umweltverträg- stischen Neidkomplexe, die die Agrarpolitik der SPD lichen Landnutzung verwenden. und insbesondere der GRÜNEN infiltrieren, ab. In den ländlichen Bereichen brechen die Struktu- (Oostergetelo [SPD]: Jawohl, die Hälfte raus, ren. Bestürzung, Trauer und Zorn können einen da und die anderen übernehmen das! — Frau packen. Gewachsenes, das getragen hat, für das es Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber die Enteig- noch keinen Ersatz gibt, bricht weg. Die Verbunden- nungskonzepte kommen von Ihnen!) heit mit dem Dorf, die Wurzeln im Boden, die Heimat- Uns geht es darum, daß wir agrarpolitische Rahmen- liebe, der Gemeinschaftssinn, die Solidarität — unge- bedingungen setzen, die es dem unternehmerischen heure Werte — werden im großem Stil vernichtet. Ist Landwirt ermöglichen, sich frei zu entscheiden, wie er das etwa das, was der Herr Kohl bei der Wende als in Zukunft seinen Erwerb und sein Einkommen si- kulturelle und geistige Erneuerung angekündigt chern will. hat? 5100 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Kißlinger In dem Bayerischen Wald, aus dem ich komme — si- Ihnen ernsthaft niemand mehr, daß Sie eine echte cherlich ist es in vergleichbaren anderen Gebieten der Agrarreform durchführen wollen. Republik genauso — , sieht man das ganz deutlich. (Beifall bei der SPD) Handwerker, Händler, Geschäfte, die von, in und mit den Landwirten lebten, gehen weg. Die Strukturen Sie reformieren nicht, Sie betonieren die Agrarre- brechen. Sie können sich nicht mehr ernähren. form. (Bohl [CDU/CSU]: Wo haben Sie die Gelder Wie soll sich dort ein Strukturwandel ohne kata- denn hingeschaukelt?) strophale Folgen für die Betroffenen vollziehen? Wo- hin sollen denn unsere Bauern in einen Nebenerwerb Sie haben kein Fundament, auf dem Sie eine neue gehen, auch wenn man es noch so sozialverträglich Agrarpolitik aufbauen können. gestaltet? Hat die Regierung dafür schon Bet riebe be- sorgt? Vizepräsident Cronenberg: Sie gestatten eine Zwi- Sie machen eines: Sie vergrößern das Heer der Ar- schenfrage des Abgeordneten Eigen? beitslosen, die draußen auf dem Lande keine Zukunft sehen. Bald werden Sie auf diese Art und Weise mit Kißlinger (SPD): Ich würde mich zwar sehr viel lie- den Bauern eine zuverlässige Wahltruppe verlieren. ber und länger im Ausschuß darüber unterhalten, Wenn wir im Bayerischen Wald und in den anderen aber wenn es schnell geht — denn es drängt — , Herr Fremdenverkehrsgebieten unsere Bauern nämlich Kollege Eigen, bitte. nicht mehr als Landschaftspfleger haben, wenn wir sie da auch noch verlieren, dann werden Sie den Bauern Eigen (CDU/CSU): Müssen Sie nicht zugeben, Herr und auch unseren Regionen nichts Gutes getan ha- Kollege Kißlinger, daß gerade die neue Politik, die ben. unter der Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gipfel in Brüssel beschlossen Ich bin sehr skeptisch, ob Ihre Flächenstillegungs- wurde, ein Weg in die Richtung ist, daß man die Mittel pläne den Bauern helfen und den Fremdenverkehrs- anders als bisher verwendet und damit die ganze gebieten Naturlandschaften erhalten. Wir stimmen Agrarpolitik in einer neuen Richtung, wie Sie sie eben Ihnen gern zu — das haben wir schon vor Ihnen ge- gerade gewollt haben, verbessert? macht und verlangt —, daß die Landwirte direkte Ein- kommensübertragungen für ihre Landschaftspflege im ökologischen Sinne bekommen. Kißlinger (SPD): Herr Kollege Eigen, Herr Müller hat eben gesagt: Es muß vorher schlecht gewesen (Eigen [CDU/CSU]: Sie bekommen doch sein. Da hat er auch recht. Ich hörte diese Worte wohl, Ausgleichszahlungen!) allein mir fehlt der Glaube. — Sehr verehrter Herr Kollege Eigen, es war einer (Bohl [CDU/CSU]: Seien Sie glaubens Ihrer Leute; ich glaube, Herr Engels von der „Wirt- stark!) schaftswoche" ist ja CDU-Mitglied und wie ich meine, - Wenn Sie auf dem Weg zu einer Agrarpolitik wären, ganz unverdächtig, ein Sozialist zu sein. Er hat bei- die von den Bauern auch vertreten wird, könnten Sie spielsweise folgendes errechnet: Wenn Sie das täten, unserer vollen Unterstützung sicher sein. was die Naturschützer und alle wollen, nämlich daß Sie produktionsunabhängige Flächensubventionen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — zahlen, dann können Sie locker — ich zitiere Herrn Abg. Eigen [CDU/CSU] meldet sich zu einer Engels — 1 500 DM pro Hektar geben. Dabei bleibt weiteren Zwischenfrage) der Allgemeinheit noch ein Teil von 10 bis 15 Milliar- den DM. Das bedeutet, daß pro Haushalt in der Bun- Vizepräsident Cronenberg: Herr Kollege Eigen, ich desrepublik 600 DM übrigbleiben. Das wäre doch bitte um Verständnis. Es sind hier Kollegen, die ihre auch schon etwas. Flugzeuge und Züge nicht bekommen. Ich bin sonst Sie können glauben, daß allen Bürgern dieser Repu- sehr großzügig, aber heute geht es wirklich nicht. blik die Landschaftspflege, die Schonung von Boden und Wasser und die Rettung der Wälder das wert ist. Kißlinger (SPD): Sie retten die Bauern mit Subven- Sie wissen alle, daß es ohne die Natur für den Men- tionen nicht; Herr Minister, Sie haben es selber ge- schen keine Zukunft gibt. Für die Bauern gäbe es sagt. Weisen Sie doch nach, daß Sie es anders machen ohne die Natur erst recht keine Zukunft. wollen. Mit 31 verschiedenen Subventionen, mit 15 Sie alle wissen aber auch, daß man mit der Natur Steuererleichterungen, mit einer ganzen Reihe Hilfen keine Kompromisse machen kann. von den Ländern ist es Ihnen nicht gelungen, eine Agrarpolitik zu betreiben, mit der zumindest unsere (Zustimmung des Abg. Kreuzeder bayerischen Bauern auch nur annähernd zufrieden [GRÜNE]) sind. Ich glaube nicht, daß man mancher interessierten Wenn dieser ungeheure Mitteleinsatz nichts bringt, Lobby nachgeben und vergessen sollte, daß der Erhalt dann muß etwas geändert werden. — Hier leuchtet es der Natur eine Menge wert ist. Die leben gut. Sollen schon wieder; ich muß schneller machen. — Es geht wir sie alle aufzählen? Denken Sie doch an die Brüs- auch nicht damit, daß man sagt: Einhunderttausend seler Milliarden, Herr Kollege Eigen: Von den fast müssen wieder hinaus in den Nebenerwerb. Dazu 70 Milliarden DM kommen bei den Bauern vielleicht müssen sie vorbereitet sein. Das sind sie nicht. Sie 23 Milliarden DM an. Wo sind denn die anderen Gel- haben sie zu einer Ablieferungsmentalität gebracht. der? Schichten Sie sie doch bitte um. Sonst glaubt Innovationen fehlten vollkommen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5101

Kißlinger Herr Minister, nicht jeder Bauer konnte wie Sie das Niegel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen Ausweichen z. B. in den ministe riellen Nebenerwerb und Herren! Ganz kurz: Herr Kollege Kreuzeder, Ihre existenzsichernd vollziehen. Die anderen sitzen da bei Rezepte, die Sie dargelegt haben, geben der Land- uns. Da geht nichts weiter. Geben Sie uns Arbeits- wirtschaft keine Zukunft. Nach Wurzelseppart eine plätze, dann können sie ja gehen. Landwirtschaft zu betreiben ist, glaube ich, nicht der Abschließend noch ein Wort zu unseren Wäldern. richtige Weg. Unsere Wälder sterben weiter. Ich will aber die wirt- (Beifall bei der CDU/CSU — Kreuzeder schaftliche Seite sehen. Ich habe mit Forstleuten ge- [GRÜNE]: Ich verstehe von Wurzeln etwas sprochen. Sie sagten mir hier in Bonn: Wenn man mehr als vom Beamtenstatus!) auch nur einen Teil der Gelder, die dazu genommen Biolandwirtschaft ist gut und recht, aber das ist nur für werden, um irgendwo andere Flächen mit hohen Be- einige Idealisten etwas. Eigenvertrieb ist ebenfalls nur lastungen zu stützen, verwenden würde, um Wald neu für wenige. Es ist keine Lösung der Probleme der zu schaffen und vielleicht die Flächenstillegungen Landwirtschaft. bleiben zu lassen oder nicht in dem geplanten Umfang durchzuführen, dann käme man ein ganzes Stück Herr Kollege Bredehorn, ich glaube, wir setzen uns weiter. lieber im Ausschuß auseinander. Auch ich glaube das. Wenn Sie auf diesem Weg (Sielaff [SPD]: Da sind Sie doch nie!) sind, werden wir das unterstützen. Machen Sie Aber ich muß doch eines sagen, weil Sie in der Öffent- schnell! Sie können etwas tun. Ich glaube, man kann lichkeit davon gesprochen haben, wir in Bayern seien es so ausgestalten, daß die Bauern dann auch tatsäch- für eine Begrenzung der Veredelungswirtschaft: lich wirtschaftlich davon etwas haben, daß sie mögli- Manche Probleme hätten wir heute in der Landwirt- cherweise davon leben können, wenn man es richtig schaft nicht, wenn wir bundesweit und vielleicht auch macht. EG-weit eine Begrenzung der Veredelungswirtschaft Sie tun dann noch etwas: Sie fördern die Natur. Sie nach oben durchgesetzt hätten, meine Damen und schaffen ein Produkt, das noch ein Mangelprodukt ist. Herren. Ich spreche mich eindeutig gegen Agrarfabri- Sie tun dem Wald zusätzlich auch noch einen Gefal- ken in der Landwirtschaft aus. len. (Beifall bei der CDU/CSU — Bredehorn Im übrigen wäre es gut, wenn Sie dann noch mit [FDP]: Da sind wir in vorderster Front!) Ihrem Herrn Kollegen Töpfer reden würden, damit zum Wald zukunftsweisende und umweltpolitische Wenn man die Struktur, die Betriebsgröße der Beschlüsse — auch unter dem sauren Regen — dieser Landwirtschaft immer weiter nach oben treiben will, ewig gestrigen Regierung wachsen; dann hätten Sie immer höher, eine Menge getan. (Bohl [CDU/CSU]: So wie es die SPD ge (Beifall des Abg. Kreuzeder [GRÜNE]) macht hat!) nach dem alten Stil des Mansholt-Plans — siehe Ame- Außerdem sollten Sie daran denken — jetzt, glaube - ich, wird Herr Heereman wieder klatschen —, daß wir rika, die haben die größten Agrarbetriebe der Welt ein Umwelthaftungsrecht brauchen, damit die Bauern und das schlechteste Einkommen pro Arbeitskraft —, entschädigt werden, deren Sparbüchsen durch den wird das Einkommen auch nicht besser. Wir müssen sauren Regen leerer werden. Sie tun nichts dagegen! einen anderen Weg der Landwirtschaft beschreiten. Machen Sie sich stark für ein Umwelthaftungsrecht! Ich glaube, daß der bayerische Weg kein schlechter Da stehen wir dahinter. ist. Zum Schluß möchte ich zu den bäuerlichen Fami- Machen Sie sich, bitte schön, keine Gedanken dar- lien, so wie ich sie aus bayerischer Sicht sehe, sagen: über, inwieweit Bayern seiner Verpflichtung hinsicht- Wir Sozialdemokraten wissen um ihre Probleme. Wir lich der Finanzierung der Bundesagrarpolitik und der wissen auch um die Sorgen der Menschen in benach- beschlossenen Maßnahmen nachkommen wird. Es teiligten Gebieten. Wir werden der Verpflichtung den sind jetzt einfach noch Verhandlungen notwendig, die Menschen gegenüber nachkommen. Die Existenzsi- auch in entsprechender Weise abgeschlossen wer- cherung, Herr Minister, muß aber vor Wachstum ge- den. hen. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten vor dem Forum des deutschen Volkes, des Deutschen Vizepräsident Cronenberg: Herr Abgeordneter, Sie Bundestages, auch ein paar Überlegungen anstellen, müssen Ihr Versprechen, zum Schluß zu kommen, wie es vielleicht in der Agrarpolitik weitergehen auch wahrmachen. Sie überziehen sehr deutlich. könnte. Ich meine, daß wir in der Agrarpolitik, die seit Tausenden von Jahren auf die Erzeugung von Nah- rungsmitteln für den menschlichen Bedarf ausgerich- Kißlinger (SPD): Ich wollte nur noch sagen: Die Exi- tet ist, einen zweiten Weg beschreiten müssen, den stenzsicherung muß vor Wachstum gehen, damit die Weg der Lieferung von Rohstoffen für die Indust rie Bauern nicht im Schwanken zwischen Hoffen und und der Lieferung von Energie, ob für den eigenen Bangen zermürbt werden. Ihr Agrarbericht war kein Betrieb oder auch für die Industrie und für den Ver- Signal; er ist auch kein Aufbruch zu neuen Ufern. kehr. (Beifall bei der SPD) Hier, glaube ich, sollten wir alternativ dazu neue Wege beschreiten. Die Möglichkeiten gibt es, und Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Abge- zwar sollten wir das herstellen, was von der chemi- ordnete Niegel. schen Industrie meines Erachtens ohne große chemi- 5102 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Niegel sche Prozesse umgewandelt werden und in den Ver- Landkreis, dann hätten wir eine Möglichkeit zur Brei- arbeitungsprozeß eingehen kann. Ich kann ein paar tenwirkung. Beispiele aufzählen. Es besteht bei der Indust rie, so ist mir gesagt worden, ad hoc ein Bedarf von 400 000 Ich sage Ihnen eine Zahl: Wir verbrauchen 1,7 Mil- Tonnen Ölsäure, den wir bisher gar nicht decken kön- lionen Tonnen Dieselöl in der Landwirtschaft pro Jahr. nen, weil wir die notwendige Pflanze noch nicht in der Man kann pro Hektar 1 000 Liter erzeugen. Nach Menge haben. Das können wir über Rapsöl und Son- Adam Riese ergibt das — es stammt aus einer Stadt in nenblumenöl noch nicht oder nicht erzeugen. Hier meinem Wahlkreis — Staffelstein — dann genau bietet sich z. B. die Züchtung der Pflanze Euphorbia 1,7 Millionen Hektar. Stellen Sie sich dies einmal vor! Lathyris (Wolfsmilch) an. Die ersten Versuche sind Das geschähe zusätzlich zur Flächenstillegung. hervorragend, nur müssen wir sie auch von der Ver- 1,7 Millionen Hektar sind das Vierfache der 400 000 waltung und der Politik her stärker unterstützen. Hektar, die jetzt über die Flächenstillegung herausge- 400 000 Tonnen Öl würden 400 000 Hektar bedeuten, nommen werden sollen. Damit könnten wir auch die die aus der Food-Produktion heraus zur Non-food- Ökologie in der Landwirtschaft, die Soziostruktur und Produktion kämen. die Ökonomiestruktur des Dorfes als solchen erhal- ten. Das zweite — die Kollegen Eigen und Paintner ha- ben dies angesprochen — ist die Frage der chemi- Sicherlich muß man dazu Subventionen geben, schen Stärke für die chemische Indust rie. Die bishe- aber — das möchte ich sagen — sie sind geringer als rige Stärke in Mais, Weizen und Kartoffeln (Amylo- bei der Lagerhaltung und bei der Prämie für die Flä- pektin) entspricht nicht allen chemischen Erfordernis- chenstillegung. Wenn ich nur zwei Drittel der Flä- sen der Industrie. Eine andere Form, die Amylose, ist, chenstillegung nehme, kann ich dieses gesamte Pro- um es chemisch zu sagen, ein nichtverzweigtes, lang- gramm finanzieren. kettiges Stärkemolekül, das von der chemischen In- Neben dem Pflanzenöl kann man noch den Rapsku- dustrie sofort aufgenommen und umgewandelt wer- chen als Sojaersatz in der Verfütterung verwenden. den kann. Man findet sie in einer bestimmten Erbse — Auch hierfür habe ich ein Beispiel hier. Ihn kann oder in HA-Mais, d. h. High-Amylose-Mais. Diese man genauso ans Vieh als Eiweißfutter verfüttern. Möglichkeit gilt es zu nutzen. Daraus könnte man Würde man dies in die Rechnungen mit einsetzen, dann Kunststoffträger und Farbstoffträger herstellen käme man bei Raps schon jetzt fast zur Kostendek- oder sie in der Acrylchemie verwenden, aber auch kung. Das ist doch eine Möglichkeit! verrottungsfähige Verpackungsstoffe, z. B. Plastik- beutel, herstellen. Auch hierfür könnte man einige Es gibt technisch noch andere Möglichkeiten: hunderttausend Hektar unterbringen. Umesterung des Rapsdiesel. Damit könnte man sogar Kraftstoff für den Personennahverkehr gewinnen. In Es besteht weiter ein Bedarf an Zellulose. Es gibt Landshut werden Versuche anlaufen. Auch das ist nicht nur die Leinfaser als Rohstoff für die Modeschik- eine Möglichkeit, um einen Weg aus den Problemen keria, für Blusen, Jacken, Tischdecken und Betten, - der Landwirtschaft zu finden. sondern auch als industrielle Textilfaser, als Faser für den industriellen Bedarf, z. B. als Ersatz für Asbest Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt hier und als Isolier- und Filterstoffe. Wir haben 1953 die nicht die Frage des Agraralkohols und des Bioätha- letzte Flachsröste stillgelegt. Hier sind gute Ansätze nols ansprechen. Das ist etwas, was schwieriger ist, vorhanden, die jedoch stärker unterstützt werden was Überwindungen kostet. Aber gehen wir einmal müßten. den Weg mit Rapsdiesel, gehen wir einmal den Weg Ich sehe aber, meine Damen und Herren, einen mit Rapsöl im landwirtschaftlichen Trecker. Wir kön- ganz großen Weg, den die Landwirtschaft selbst be- nen, so glaube ich, eine Lösung anbieten, die vor schreiten könnte, den sie selbst beschreiten muß, al- allem auch unseren jungen Bauern wieder eine Zu- lerdings mit Unterstützung der Politik, der Verwal- kunft gibt. Dann müssen sie nicht auf die Flächen- stillegung ausweichen, sondern können produzieren, tung und der Indust rie. Wir haben als Rohstoff, als Energiequelle bisher das Dieselöl. Es ist technisch das Dorf bliebe erhalten, und sie hätten langfristig möglich, zumindest in Deutschland, im Dieselmotor eine Zukunft. Rapsöl zu verfahren. Man braucht es nur auszuquet- (Kreuzeder [GRÜNE]: Sind Sie gegen Flä schen. — Ich habe hier eine Flasche Rapsöl zur Hand, chenstillegung?) meine Damen und Herren. Das geht in den normalen Dieselölmotor hinein. Natürlich muß man das — das gebe ich offen zu — langfristig anpacken; das wird noch nicht im nächsten (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Das stimmt Jahr sein. Aber irgendwie muß der Weg überwunden doch nicht!) werden. Nach dem früheren alten Verwaltungsgrund- Ich werde Ihnen das Verfahren jederzeit erklären satz kann man hier nicht mehr vorgehen, der heißt: können. Nötig ist eine Vorkammeränderung, und Das haben wir noch nie gemacht; das machen wir schon läuft der Motor. nicht; da könnte ein jeder kommen. — Diese Hürde muß überwunden werden. Hier müssen neue Wege Am Rande meines Wahlkreises läuft ein Motor mit gegangen werden. Hier ist ein Appell an Politik, Ver- Rapsöl, der bereits 7 000 Betriebsstunden ohne Repa- waltung, Industrie und Forschung zu richten. raturen gearbeitet hat. Ich bin der Meinung, Herr Mi- nister, wir müßten alle elf DUELA-Schulen damit aus- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP statten, wir müßten in jedem Regierungsbezirk einen — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Flächenstille solchen Versuch betreiben, und dann auch in jedem gung!) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5103

Niegel Ich darf insbesondere noch die Indust rie anspre- Unser Vorschlag, nicht den Weg der Intensivierung chen. Bei diesen Wegen, die ich vorhin aufgezeigt zu gehen, kommt in Ihrem Gesetzentwurf zum Glück habe — mit der Amylose, mit der Ölsäure, mit dem auch vor. Weideland und Körnernutzung werden als Flachs, mit der Leinfaser, mit dem Rapsöl — muß die Möglichkeiten genannt. Dabei wird den Linsen, den Industrie mitmachen. Die deutsche Industrie profitiert Wicken und vor allem den Kichererbsen der Vorzug von der Europäischen Gemeinschaft. 60 % ihrer Ex- gegeben. porte gehen in die EG. Die Gegenleistung zur Land- wirtschaft seitens der Indust rie ist gleich null. Hier (Zuruf von der SPD: Kichererbsen, das ist könnte sie einen Ausgleich bilden und sagen: Das gut!) gehört zur Vervollständigung des Jahrhundertver- Es wäre zum Kichern, wenn das Ganze nicht so ernst trags oder zum Solidarbeitrag mit hinein, daß die In- wäre. Extensivierung zu nutzen, um eine ökologisch dustrie, die von der EG profitiert, hier ihren Beitrag verträgliche Landwirtschaft zu fördern — auf den Ge- leistet, diese Produkte, die Non-Food-Produkte, für danken kommen Sie nicht. Die Verflechtung mit den sich abnimmt und auch für die Treibstoffe usw. eine Wirtschaftsinteressen der vorgehenden und nachfol- Möglichkeit findet. Das ist ein Weg, meine Damen genden Industrien ist zu klar erkennbar. und Herren, den man vorschlagen und den man ge- hen kann, gehen muß, (Frau Flinner [GRÜNE]: Richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU) So werden dann die nachwachsenden Rohstoffe der aber natürlich weiter erörtert werden muß. zum Rettungsanker Ihrer Politik. Jeder hier im Haus aber weiß, daß damit die Strukturprobleme nicht ge- Ich habe in den letzten anderthalb Jahren einen hal- löst werden. Die nachwachsenden Rohstoffe als All- ben Zentner Literatur gewälzt. Ich kann Ihnen sagen, heilmittel scheiden aus. Dennoch bestünden Möglich- auf dem Hof von Baron Rotenhahn in Ebelsbach bei keiten einer naturbelassenen Rohstoffsicherung für Bamberg läuft dieser Schlepper, in Niederbayern wird die Industrie. Diesen Weg gilt es konsequent zu ge- das Umesterungsprogramm programmiert, und auch hen, um Rohstoffe z. B. auf Erdölbasis abzulösen, da- die Züchtung und Vermehrung der Euphorbia Lathy- mit auch Abhängigkeiten von Ausfuhren — für Sie ris muß unterstützt werden. Dann könnten wir unse- sonst ein wichtiger Punkt — vermindert werden. ren Bauern wieder eine Chance geben. Dann bräuch- ten wir nicht nur agrarpolitische Krisen zu verwal- Der Hauptgrund aber sind die Verarbeitungs - , Ver- ten. brauchs - und Beseitigungsmöglichkeiten, die weni- ger Gefahren für uns Menschen mit sich bringen. Die Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. Tragtasche aus Bioplastik und nicht mehr aus Erdöl- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) produkten, Schmieröle und Fette für landwirtschaftli- che Geräte wären ebenfalls denkbar, ein Markt, der auf Hobbygärtner ausgedehnt werden könnte. Eine Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat die Abge- Anfrage von uns an die Bundesregierung will hier ordnete Frau Adler. Aufklärung und auch Denkanstöße geben. Dabei spielt der Begriff der Biotechnik eine Rolle. Mit Hilfe der Wortwahl will man die Gentechnologie Frau Adler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen in der Pflanzen- und Tierzucht dahinter verschwinden und Herren! Die Debatte zum Agrarbericht gibt Gele- lassen. Es ist richtig, daß der weitgefaßte Begriff Bio- genheit, über die Situation der Landwirte in der Bun- technik erst einmal verschiedene Verfahren umfaßt, desrepublik zu sprechen. Die ökonomische Seite wird aber der Schritt hin zur Genmanipulation ist dann sehr dabei sehr betont. Strukturen werden erkennbar, klein. wenn man zwischen dem Gesagten genau hinhört, um (Sehr richtig! bei der SPD) die Zukunft der Bauernfamilien darin zu erkennen. Der Minister lobt natürlich seinen Bericht, während Die Einsetzung von Arbeitsgruppen, die den Sicher- Kollegen der CDU/CSU wohl Probleme haben, zwi- heitsaspekt untersuchen sollen, ist begrüßenswert. schen Lob und Tadel gut abzuwägen; denn die letzten Aber die entscheidende Frage, ob wir das alles tun Verhandlungen in Brüssel haben gezeigt, daß Preis- sollen, was die Gentechnik an Manipulationsmöglich- senkungen ins Haus stehen, ohne daß flankierende keiten eröffnet, wird damit aufgeworfen, aber leider Maßnahmen vorgeschlagen werden, die dem Kon- nicht beantwortet. zentrationsprozeß, der eben auch in der Landwirt- Der Wunsch nach Freilandversuchen mit genverän- schaft vorhanden ist, entgegenwirken. derten Mikroorganismen zeigt die Tragweite dieser Ihr Flächenstillegungsprogramm wird ein Flop Problematik. Einstimmig haben alle Fraktionen in der werden, da verbindliche Rahmenbedingungen bei Enquetekommission ein Moratorium für solche Versu- den EG-Partnern nicht durchzusetzen waren. 160 Mil- che vorgeschlagen. Haben die Mitglieder der CDU/ lionen Tonnen Getreide — mit links füllen die ande- CSU-Fraktion solch ein kurzes Gedächtnis? Ich ren die Lager voll, wenn deutsche Bauern aufgrund denke, daß wir hier noch einen unwahrscheinlichen des Programms weniger liefern. Bedarf haben, miteinander zu sprechen, wie denn (Frau Flinner [GRÜNE]: Richtig! So ist es!) Gentechnik im Pflanzen- und Tierbereich aussehen kann, ob sie sich wirklich in der Weise vollziehen darf, Weniger — das neue Modewort — Produkte zu Markt- herbizidresistente Pflanzen, Hyb ride und Chimären. ordnungspreisen abliefern ist der Wunsch, das Wie Hier sollten wir sehr nachdenklich sein und unsere wird hintangestellt. Positionen darlegen. Denn immer noch nicht bekannt (Zuruf von der SPD: So ist das!) sind die Auswirkungen auf die Ernährung und Ge- 5104 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Frau Adler sundheit von Menschen, die wirtschaftlichen Auswir- der Produkthaftung, bei der Schadstoff- und Höchst- kungen auf Drittländer, die Folgen, die sich erst bei mengenverordnung. Es ist also genug zu tun. Anwendung in der Natur ergeben. Noch haben wir die Chance zu handeln, meine Da- Der Null-Null-Raps, eine konventionelle Züchtung men und Herren. Setzen wir auf die Fähigkeit der auf Wunsch oder besser auf Druck der Indust rie, ist Menschen, dies positiv zu regeln! Die Landwirte und das Paradebeispiel dafür. Die ökologische Vernet- die Verbraucher, also wir alle, werden es danken. zung ist übersehen worden. Risikoforschung vorher (Beifall bei der SPD) hätte Aufschluß geben können. Nun sollen bestellte Gutachten die Unachtsamkeiten ausbügeln, wie ich meine, zu spät. Vizepräsident Cronenberg: Meine Damen und Her- ren, nun hat der Abgeordnete Pfuhl als letzter das 2 Millionen ha in der EG beträgt die Anbaufläche Wort, vor dem Minister selbstverständlich. für nachwachsende Rohstoffe. Biogene Rohstoffe hät- ten noch Zukunft auf den frei werdenden Ackerflä- chen. Nur, wie wird der Boden bestellt? So intensiv Pfuhl (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und wie bisher? Oder läge in einer ökologisch ausgerich- Herren! Die dicken Enden kommen zuletzt. Aber teten Anbauweise nicht eine Chance? nichtsdestotrotz, glaube ich, muß ich auf einige Dinge eingehen, die vorgetragen werden, Herr Kollege Ei- Wie sieht es denn mit der Erhaltung der genetischen gen. Vielfalt, um ein weiteres Stichwort des Berichtes auf- Erstens. Wir haben dem Wasserhaushaltsgesetz zugreifen, aus? Der Bericht sagt: deswegen nicht zugestimmt — wie ich in der Debatte Die Erhaltung der genetischen Vielfalt insbeson- ausgeführt habe — , weil Sie diese Zerfledderung in dere bei Pflanzen ist im Hinblick auf die dauer- der Entschädigungsfrage wollten, weil von Ihnen eine hafte Sicherung von Nahrungsmittelerzeugung bundeseinheitliche Lösung nicht getragen wurde, die und die Erschließung von Produktionsalternati- wir zusammen mit dem Bauernverband gefordert ha- ven für die Landwirtschaft eine vordringliche ben. Das war der Grund. langfristige Aufgabe, z. B. die Sammlung von bio- (Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: logischem Material und Langzeitkonservierung. Aber Sie haben dagegen gestimmt!) Durch Schaden endlich klug zu werden ist hart. Müs- — Ja, wir haben dagegen gestimmt, weil wir gesagt sen wir in Zukunft Biotope schaffen, um der Natur haben, das ist falsch. Heute sehen Sie das ein. Auf der noch Spielraum und gleichzeitig Schutz zu bieten? einen Seite bekämpft die FDP in Baden-Württemberg Welch ein Widersinn! Ökonomische Interessen, Exi- den Wasserpfennig, in anderen Ländern weiß man stenzsicherung stehen dagegen. nicht, wie man es finanzieren soll. Dem Grunde nach wäre eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich Wie wird der Konflikt gelöst? Auf intensiv bearbei- gewesen, um diese Frage zugunsten der Landwirt- - teten gewerblichen Ackerflächen durch Marktord- schaft zu lösen. nungsprodukte? Der Rest wird unter Naturschutz ge- stellt und gepflegt oder — besser — konserviert? (Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Das ist doch Länderhoheit! Das wissen Sie Die Wissenschaftsgläubigkeit und die ökonomi- doch ganz genau!) schen Interessen, die Vorgaben der Indust rie müssen — Entschuldigung, natürlich können wir das als Rah- aufgebrochen werden. Wir als Parlamentarier müssen mengesetzgebung tun. Das weiß ich nun besser als den Mut haben, Weichen für eine ökologisch orien- Sie. tierte Landwirtschaft zu stellen, die dem bäuerlichen Familienbetrieb eine gesicherte Existenz verschafft. Zweitens. Sie haben gefragt, warum wir nicht der Der Teufelskreis von immer mehr Produktion mit Hilfe Lösung zugestimmt haben, daß die BALM stellvertre- von Stickstoff und Agrarchemikalien muß durchbro- tend für den Bund im Rahmen von Kreditaufnahmen chen werden. Genügend Anträge und Vorschläge lie- Vorfinanzierung durchführt. Wir haben Ihnen ange- gen diesem Parlament vor. Aber die Grundlinie ist boten, das für ein Jahr zu tun, um dann eine ordentli- immer noch nicht richtig angelegt. Wursteln heißt die che gesetzliche Regelung zu finden, um diese Dinge Devise. Sich von einer schlechten Maßnahme zur an- auch verfassungsrechtlich wasserdicht zu machen. Sie deren hangeln ist in dieser Koalition angesagt. haben das abgelehnt. Aus diesem Grunde haben wir dem Gesetz nicht zugestimmt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD — Eigen [CDU/CSU]: Ich Ein weiteres Zitat aus dem Bericht: habe ja gesagt: aus fadenscheinigen Grün den!) Land- und Forstwirtschaft sind neben ihren übri- Drittens. Der niedersächsische Entwurf für ein gen Aufgaben auch der Sicherung der natürli- Agrarstrukturgesetz ist anscheinend gestorben. chen Lebensgrundlage verpflichtet. Nachdem die FDP hier erklärt hat — sie sitzt ja in Nie- Schön. Wie ernst nehmen Sie nur Ihre eigenen Worte? dersachsen mit in der Regierung — , daß sie es nicht Oder wie steht es mit der intensiven Auseinanderset- mitträgt, brauchen wir uns darüber wohl nicht zu un- zung mit dem Sondergutachten „Umwelt in der Land- terhalten. In Bayern hat man einen bayerischen Weg wirtschaft"? Die Umsetzung fehlt bis heute. Dabei gibt gefunden, wie der Kollege Niegel das genannt hat. Er es dringenden Regelungsbedarf beim Bundesnatur- ist leider schon weg. Er mußte nach Kulmbach, sein schutzgesetz, beim Pflanzenschutzgesetz, beim Was- Bier hinbringen. serhaushaltsgesetz, beim Flurbereinigungsgesetz, bei (Heiterkeit) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5105

Pfuhl Dieser bayerische Weg wurde im Rahmen eines Ge- nämlich: Werden wir auch nach dem Jahr 2000 in setzentwurfes vorgelegt, von dem jeder in Bayern allen deutschen Regionen noch Bauern haben? Dafür weiß — auch der Bauernverband — , daß er so gar herzlichen Dank. Ich denke, wir haben in den Aus- nicht zum Tragen kommt. schüssen und auch bei den Haushaltsberatungen Was macht denn eigentlich der Entwurf zu einem viele Gelegenheiten, hier ein wenig aufeinander zu- Bundesstrukturgesetz, den Sie im vorigen Jahr noch zugehen. propagiert haben? Sie haben davon doch auch ge- Ich bedanke mich bei allen Rednern der Koalitions- schrieben, Herr Kollege Susset. Wo bleibt denn hier die Butter bei die Fische? fraktionen, die — selbst bei kritischer Einzelwürdi- gung in dem einen oder anderen Fall — doch viel Last (Susset [CDU/CSU]: Eins nach dem ande- mittragen bei der Umstrukturierung — wenn man so ren!) will — und bei der Umgestaltung einer Agrarpolitik, — Eins nach dem anderen? Sie haben doch gesagt, Sie die drauf und dran war, meine Damen und Herren, wollten global einen einheitlichen Entwurf einer alle Überschußfragen Europas über den Markt, den neuen Agrarpolitik vorlegen. Wir sind ja bereit, mit Preis und den Preisdruck zu regeln und damit eine Ihnen daran zu arbeiten. Politik einzuleiten, in den schwächeren Regionen die (Susset [CDU/CSU]: Der Entwurf kommt kleineren und schwächeren und unter schwierigen noch!) Umständen wirtschaftenden Bauern zu vertreiben, vielleicht nicht immer willentlich, aber im Ergebnis. Noch ein Weiteres: Die neue Politik des Herrn Mini- ster Kiechle, seine Glasnost und Perestroika sehen so Wir haben mit der Ausweisung eines großen Teils aus, daß er z. B. in der Frage der Milchquoten verkün- weiterer Gebiete als benachteiligt und auf vielen an- det, wir müßten sie um 3 % senken, und daß er endlich deren Gebieten bis hin zur Sozialpolitik, die wir be- das tut, was ich ihm schon vor drei Jahren gesagt treiben und noch weiter verbessern wollen, die Wege habe: Er möge bitte davon abgehen, die Quote natio- geebnet, um hier einen Ausgleich zu schaffen. nal zu regeln, und endlich zu einer regionalen oder einer Molkereiregelung kommen. Leider muß ich hinzufügen — und das ist vielleicht auch der Eindruck bei dem einen oder anderen von (Sielaff [SPD]: Das haben sie im Ausschuß Ihnen — : Nicht jede Rede war in diesem Geist gehal- abgelehnt!) ten. Ich würde gerne auf die eine oder andere einge- Jetzt hat er diesen guten Vorschlag übernommen. hen, aber das ist aus Zeitgründen nicht möglich. Und was geschieht? Sein Parteivorsitzender in Bayern pfeift ihn zurück, nachdem er unter den Druck des Schade, Herr Jansen, daß Sie gemeint haben, aus- bayerischen Bauernverbandes geraten ist. gerechnet hier eine Wahlrede halten zu müssen. Sie Herr Minister, ich habe nicht die Absicht, Sie zum haben in zwei Minuten fünfmal hintereinander das Rücktritt zu zwingen. Nur, wenn die Journalisten Wort „kaputtgemacht" gewählt, was die Bauern an- schon so weit sind und das schreiben, sollten Sie sich betrifft. Mein lieber Herr Kollege, 1970 bis 1976 sind einmal überlegen, ob sich ein Minister das von seinem jedes Jahr 40 000 landwirtschaftliche Bet riebe ver- Parteivorsitzenden bieten lassen kann. schwunden; wir haben nicht gesagt: kaputtgemacht worden, sondern wir haben gesagt: dem Strukturwan- Meine Damen und Herren, ich habe wenig Zeit. Ich del zum Opfer gefallen. Diesmal sind es 28 000. Im möchte es mit meinem Großvater halten, einem alten, letzten Jahr waren es 16 000. Ja, wo bleibt die Wahr- gestandenen Bauern und Bürgermeister auf dem Dorf, heit? Die Bauern merken es und sind verstimmt. der in der Nazi-Zeit einmal in die Kirche kam. Er war Schade, daß Sie das taten, nur um der Hoffnung wil- dort mit dem Pfarrer und dem Küster zu dritt. Da sagte len, in Schleswig-Holstein ein paar Stimmen zu be- der Pfarrer: Herr Bürgermeister, lassen Sie uns beten kommen. und nach Hause gehen. Lassen Sie uns für die deut- sche Landwirtschaft beten und dann nach Hause ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hen. (Beifall bei der SPD) Es ist deswegen schade, weil andere SPD-Kollegen es ein bißchen anders gemacht haben. Vizepräsident Cronenberg: Das Wort hat der Bun- Herr Oostergetelo, wir kennen uns ja seit vielen desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Jahren. Es ist nicht wahr, was Sie behauptet haben, Forsten. daß auf Vorschlag des Bundeskanzlers Preissenkun- gen auf drei Jahre im voraus beschlossen wurden. Der Bundeskanzler hat verhindert, daß jährlich Preissen- Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirt- kungen von 7,5 % ohne jährliche Beschränkung, die schaft und Forsten: Herr Präsident! Meine sehr ver- im Vorschlag waren, sozusagen Richtlinie und Be- ehrten Damen und Herren! Ich denke an Ihre Züge schlußlage des Gipfels wurden. Wir konnten das viel- und an Ihre Flugzeuge und möchte nur ganz wenige mehr unter dem Zugeständnis einer neuen Politik, die Schlußbemerkungen machen. auch zuläßt, mit öffentlichen Mitteln und mit den In- Als erstes bedanke ich mich bei all den Kollegen, strumenten, die wir heute diskutiert haben, die Pro- die mit Engagement an der Debatte teilgenommen, duktion zurückzufahren, auf die 3 % begrenzen. Wir aber auch ihre Bereitschaft erklärt haben — soweit es sollten uns unter seriösen Politikern wenigstens hier die Opposition betrifft — , in schwierigen Fragen mit- im Deutschen Bundestag auf die Wahrheit verständi- zuarbeiten, da, wo es ja nicht mehr um Parteipolitik gen können; in einer Wirtshausversammlung nehme geht, sondern um ein ganz grundsätzliches Problem, ich es ja nicht so genau. 5106 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988

Bundesminister Kiechle Frau Flinner, ich weiß, daß Sie viel guten Willen Forsten auf Drucksache 11/1347. Wer stimmt für haben; Sie drücken es gelegentlich vielleicht ein biß- die Nr. 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache chen verquer aus, aber ich nehme Ihnen das nicht 11/1347, den Entschließungsantrag der Fraktionen übel. Ich möchte Ihnen lediglich sagen: Den Milch- der CDU/CSU und FDP mit den vom Ausschuß emp- bauern haben wir damit, daß wir die Produktion an fohlenen Änderungen anzunehmen? — Wer stimmt Milch begrenzt haben, die Preise gerettet. dagegen? — Enthaltungen? — Bei wenigen Gegen- stimmen angenommen. (Kreuzeder [GRÜNE]: 40 000 haben aufge- hört!) Der Ausschuß empfiehlt weiter unter Nr. 2 der Be- — Zu Ihnen komme ich gleich. schlußempfehlung, den Entschließungsantrag der Daß die Milchpreise in den letzten sechs Monaten Fraktion der SPD auf der Drucksache 11/521 im übri- im Bundesdurchschnitt um 2 Pf gestiegen sind, ver- gen für erledigt zu erklären. Ich bitte um das Hand- danken wir dieser Regelung. zeichen, wer dafür ist. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Fraktion DIE Was Sie anbetrifft, Herr Kreuzeder: Sie sind ein GRÜNEN und Gegenstimmen der SPD ist diese Be- bayerischer Bauer. Deswegen tut es mir leid, daß Sie schlußempfehlung angenommen. sich hier zum Hanswurst in der Agrarpolitik machen. Sie werden halt nicht mehr ernst genommen; das ist Wir kommen nun zur Abstimmung zu Punkt 16 e alles. der Tagesordnung, über die Beschlußempfehlung auf Schönen Dank. Drucksache 11/1535 (neu). Wer stimmt für die Nr. 1 dieser Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der GRÜ- NEN ist diese Beschlußempfehlung angenommen.

Der Ausschuß empfiehlt weiter unter Nr. 2 der Be- Meine Damen und Her- Vizepräsident Cronenberg: schlußempfehlung, den Antrag der Fraktion DIE ren, damit sind wir am Ende der Rednerliste. Wir kön- GRÜNEN auf Drucksache 11/580 abzulehnen. Wer nen jetzt zu den Abstimmungen kommen. stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt Zunächst einmal werden wir über die Überweisun- dagegen? — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen gen abstimmen. der GRÜNEN ist diese Beschlußempfehlung ange- Zu den Tagesordnungspunkten 16b bis 16 d nommen. schlägt der Ältestenrat Überweisung der Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr vor. Darüber hinaus wird interfraktionell vorgeschla- zur Abstimmung über den Einspruch des Abgeordne- gen, den Agrarbericht 1988 zusätzlich an den Aus- ten Thomas Wüppesahl — der mir hat mitteilen las- schuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sen, daß er mandatsbedingt an dieser Abstimmung zu überweisen. Außerdem soll der Entwurf des Exten- nicht teilnimmt — gegen den am 21. Ap ril 1988 erteil- sivierungsgesetzes zusätzlich zur Mitberatung an den ten Ordnungsruf. Der Einspruch liegt Ihnen schriftlich Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städte- vor. Über diesen Einspruch entscheidet der Bundestag bau, an den Rechtsausschuß sowie, außer gemäß § 96 gemäß § 39 unserer Geschäftsordnung ohne Ausspra- unserer Geschäftsordnung, auch zur Mitberatung an che. Ich kann daher sofort zur Abstimmung kommen. den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Wer dem Einspruch des Abgeordneten Thomas Wüp- pesahl stattgeben möchte, den bitte ich um das Hand- Weiter wird gewünscht, daß die Entschließungsan- zeichen. — Wer stimmt dagegen? — Damit ist dieser träge der Fraktion der SPD, der Entschließungsantrag Einspruch zurückgewiesen. der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie der Ent- schließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN, und So, meine Damen und Herren, wir sind nun am zwar auf den Drucksachen 11/2138, 11/2159, 11/2164 Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe und 11/2189, an dieselben Ausschüsse überwiesen die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf werden wie der Agrarbericht 1988. Mittwoch, den 4. Mai 1988, 13 Uhr ein und wünsche Gibt es außer diesen vielen Vorschlägen noch wei- Ihnen ein angenehmes und erholsames Wochen- tere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ende. ich das als beschlossen feststellen. Wir kommen nunmehr zu Punkt 16 a der Tagesord- Die Sitzung ist geschlossen. nung. Es handelt sich um die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und (Schluß der Sitzung: 13.18 Uhr) Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5107*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 4. Liste der entschuldigten Abgeordneten Dr. Schmude 22. 4. Dr. Schneider (Nürnberg) 22. 4. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schröer (Mülheim) 22. 4. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 22. 4. Dr. Abelein 22. 4. Frau Simonis 22. 4. Dr. Ahrens * 22. 4. Spilker 22. 4. Frau Beck-Oberdorf 22. 4. Stratmann 22. 4. Dr. Biedenkopf 22. 4. Frau Trenz 22. 4. Borchert 22. 4. Voigt (Frankfurt) 22. 4. Brandt 22. 4. Wartenberg (Berlin) 22. 4. Breuer 22. 4. Frau Wieczorek-Zeul 22. 4. Frau Bulmahn 22. 4. Wilz 22. 4. Carstens (Emstek) 22. 4. Wischnewski 22. 4. Daubertshäuser 22. 4. Dr. Zimmermann 22. 4. Dr. Dollinger 22. 4. Doss 22. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Ebermann 22. 4. Frau Fischer 22. 4. Gattermann 22. 4. Dr. Glotz 22. 4. Anlage 2 Dr. Götz 22. 4. Gröbl 22. 4. Amtliche Mitteilungen Dr. Haack 22. 4. Frau Dr. Hamm-Brücher 22. 4. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Aus- schuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Be- Dr. Hauff 22. 4. richterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Haungs 22. 4. Drucksache 11/883 Nr. 26, 28 Heinrich 22. 4. Irmer 22. 4. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie Jaunich 22. 4. die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von Kastning 22. 4. einer Beratung abgesehen haben: Dr. Klejdzinski 22. 4. Finanzausschuß Louven 22. 4. Drucksache 11/1895 Nr. 2.1 Neumann (Bremen) 22. 4. Ausschuß für Wirtschaft Regenspurger 22. 4. Drucksache 11/1998 Nr. 2.1 bis 2.4 Reuschenbach 22. 4. Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Schilling 22. 4. Drucksache 11/1895 Nr. 2.36