Ernst Utrata - Ein Bayer Als Schiedsrichter in Afghanistan
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Offizielles Organ für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 2/2011 März/April Titelthema Ernst Utrata - ein Bayer als Schiedsrichter in Afghanistan Lehrwesen Wie man seine Persönlichkeit weiter entwickelt Vergleich Schiedsrichter in anderen Sportarten: Zum Beispiel Wasserball Werbung Schiri-Mobil - eine gute Idee aus Westfalen Einsatz in Kabul: Ernst Utrata mit seinen afghanischen Schiedsrichter-Assistenten. Editorial Inhalt Liebe Leserinnen und Leser! Urteile in eine Entscheidungskette einbringen, die nachvollziehbar ist und als eine unparteiische und Niemand lässt sich gerne ständig kritisieren, wir ausbalancierte Schiedsrichter-Leistung anerkannt Schiedsrichter aber kennen den Umgang mit Kri- wird. Mit seinen Entscheidungen sollte er die volle tik, weil sie ein ständiger Begleiter unserer Arbeit Akzeptanz aller Beteiligten auf dem Feld, aller ist, besonders natürlich in den Lizenzligen. Zuschauer am Fernsehgerät – und möglichst aller Medienvertreter erlangen. Was aus den oben Manchmal ist die Kritik berechtigt, weil mit oder genannten Gründen besonders schwierig ist. ohne Fernsehbilder deutlich zu erkennen ist, dass der Spielleiter mit seiner Entscheidung falsch Sich kritisieren zu lassen, ist nun beileibe kein liegt. Manchmal ist sie unberechtigt, weil selbst Alleinstellungsmerkmal der Schiedsrichter. Jeder, nach der Analyse mehrerer Aufnahmen eine klare der in unserer Gesellschaft eine Führungsfunktion Festlegung nicht getroffen werden kann, die Ent- ausübt und das auch deutlich macht, muss sich scheidung des Schiedsrichters aber dennoch als häufig heftiger Kritik erwehren. Sie ist zu einem falsch bewertet wird. Der Ansicht des Vorgangs Zeichen unserer Zeit geworden und sie auszuhal- aus der Perspektive des Unparteiischen zu ver- ten, ist inzwischen eine der wichtigsten Anforde- Titelthema Mit der Kritik Einsatz in Kabul 4 Analyse richtig umgehen Team-Arbeit: Einer muss es sehen 8 Herbert Fandel, trauen, ist dabei wohl zu unspektakulär. Dabei hat Vorsitzender er doch zwei Vorteile, die leider fast immer unter- der DFB- Panorama 13 schlagen werden: Zum einen bringt er für die Schiedsrichter- Begegnungen in den obersten Klassen die Ent- Kommission. Lehrwesen scheidungs-Erfahrung aus Hunderten von vorher Der Weg zur geleiteten Spielen mit, und zum anderen sieht er rungen an einen Top-Schiedsrichter im modernen das Geschehen auf dem Platz im Gegensatz zum Profifußball. Womit schon deutlich wird, dass dies starken Persönlichkeit 16 herkömmlichen Fernsehen auch ohne eine Spezial- kein Job für jedermann ist. Erfahrungen helfen brille immer in 3D. dabei, Kritik sinnvoll zu verarbeiten, sie anzuneh- Regeltest men. Eine kritische Analyse der eigenen Spiellei- Allerdings – und das will ich gern zugeben – ist es tung ist die wichtigste Vorbereitung auf einen Einwurf ins eigene Tor 18 für viele Fußballfans auf Dauer wohl langweilig, neuen Einsatz. immer dem Schiedsrichter zu vertrauen. Das Vergleich wissen natürlich auch die Medien, die mit Diskus- Professionalität wird aber nicht nur auf dem Platz Zum Beispiel Wasserball 20 sionen um die Schiedsrichter-Leistung Quoten, erwartet, sie ist auch im persönlichen Umfeld Verkaufs- und Klickzahlen steigern. Und je höher eines Unparteiischen unerlässlich. Eine absolute diese sind, desto teurer lassen sich Werbespots Unabhängigkeit ist dabei die Voraussetzung, Report und Anzeigen verkaufen – eine nachvollziehbare Berufs- und Privatleben müssen sorgsam organi- Futsal bewegt sich 24 Rechnung. siert sein und passen. Denn schwierige, möglicher- weise existenzielle Entscheidungen in Sekunden- Berechtigte und unberechtigte Kritik zu verarbei- schnelle zu fällen und mit den Reaktionen im Halbzeit-Tagung ten, ist das Los eines Unparteiischen. Dass dabei Nachgang umzugehen – das kann nur von starken, Eine große Herausforderung natürlich gerade im Profifußball für einen völlig unabhängigen und kritikfähigen Persönlich- für Deniz Aytekin 26 Schiedsrichter dieser Klasse Druck entsteht, ist keiten geleistet werden. Dorthin zu kommen, ist klar. Wer diesen Druck nicht aushält, wer nicht ein langer Reifeprozess. Wichtige Stationen auf akzeptieren will, dass die eigene Leistung häufig diesem Weg macht der Beitrag von Günther Thiel- Report auch unberechtigt hart kritisiert wird, sollte sich king auf den Seiten 18 und 19 deutlich. Die Winter-Aufsteiger 30 ein anderes Tätigkeitsfeld suchen. Ich wünsche Ihnen viel Freude und manchen Die komplette Verantwortung während der 90 Erkenntnisgewinn bei der Lektüre dieser Ausgabe Schiedsrichter-Werbung Minuten auf dem Feld zusammen mit seinen Assis- unserer Schiedsrichter-Zeitung. Westfalen macht mobil 31 tenten zu tragen, ist dabei eine ganz besondere Führungsaufgabe. Ein Schiedsrichter kann eine Ihr Entscheidung nicht aussitzen, er kann diese auch Aus den Verbänden 32 nicht vertagen. Er kann keinen Telefonjoker zie- hen und auch keine Volksbefragung durchführen. Vorschau 3/2011 34 Er muss im Sekundentakt entscheiden, seine Herbert Fandel Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 2/2011 3 Titelthema Einsatz in Kabul Die Regeln unseres Sports sind zum Glück weltweit einheitlich. Eine Tat- sache, die es einem Schiedsrichter möglich macht, auch fernab der Hei- mat über den Fußball Kontakte aufzubauen - sogar in Krisengebieten. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke porträtiert den bayrischen Polizisten Ernst Utrata, der in Afghanistan Spiele leitet. u gefährlich, er könnte Opfer ebenso wie die ständige latente Afghanistan erleben müssen. 2003 Monate, dann zweimal (2006/2007 Zeines Kidnapping werden. So Bedrohung durch die Taliban. Kon- arbeitete der gelernte Kfz-Mecha- und 2010/2011) für ein ganzes Jahr. lautet die Begründung, warum kret wurde diese zum Glück noch niker zum ersten Mal im Werkstatt- „Es kam noch nie vor, dass ich Ernst Utrata das Gelände der nie, nicht einen Zwischenfall hat er bereich der European Union Police mich bedroht oder unsicher EUPOL-Mission in Kabul aktuell in den insgesamt drei Jahren in (EUPOL)-Mission, zunächst für acht gefühlt hätte“, sagt Utrata. nicht mehr verlassen darf. Keine Ausnahmen, auch nicht für den Fußball. Utrata findet, dass diese Sicherheitsmaßnahmen ein biss- chen zu streng sind. Er hat Ver- trauen in seine afghanischen Freunde und deswegen keine Furcht. Nicht vor Anschlägen, nicht vor einer Entführung, nicht vor den Taliban. Keine Angst also, ist wahr- scheinlich auch besser so. Schließlich ist Angst ein schlechter Ratgeber – und einen schlechten Ratgeber kann Utrata in Afghanis- tan am allerwenigsten gebrau- chen. Weder in seinem Beruf als Bundespolizist noch bei seiner ganz privaten Mission: als Schieds- richter am Hindukusch. Bis heute hat Utrata 53 Spiele in Afghanistan geleitet. Sogar Erstligaspiele und die großen Derbys in Kabul, obwohl er in seinem Landesverband Bay- ern lediglich in der Kreisliga pfeift. Achte Liga in Deutschland, erste Liga in Afghanistan, ein Niveau. Fast jedenfalls. Vier Ligen gibt es in Afghanistan; die beste davon habe ungefähr deutsches Landes- liga-Niveau, sagt Utrata. Und auch, dass ihm das Pfeifen dort wie hier dasselbe Vergnügen bereitet. „Fuß- ball ist in Afghanistan nicht anders als in Deutschland“, sagt er. Von ein paar äußeren Einflüssen abgesehen. Er hat sich mit den Widrigkeiten arrangiert, hat Hagel- körner in Größe von Tischtennis- Bällen niederschlagen sehen und erträgt Sandstürme, sintflutartige Ernst Utrata vom TSV Hengersberg (Bayern) mit seinen afghanischen Assistenten vor dem Regenfälle und trockene Hitze Spiel Sanaiy gegen Soulh in der Kabul Premier League. 4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 2/2011 „Olympic Stadium“ von Kabul, das ins Gespräch, die ersten Spiele 25.000 Zuschauer fasst, und auf wurden arrangiert. Als Schieds- den Fußballplätzen der Umgebung richter kam nur einer in Frage: kein großes Erstaunen mehr aus. Utrata. Anfangs gab es durchaus zweifelnde Blicke, als mit Utrata ein deutscher Seit 1999 pfeift er in der Gruppe Schiedsrichter zu offiziellen Spie- Deggendorf. Nachdem er seine len antrat. Spielerzeit beim TSV Hengersberg in Bayern wegen eines Kreuzband- Zunächst hatte er nur interne risses endgültig beenden musste, Freizeitspiele geleitet, Feierabend- machte er den Schiedsrichter-Aus- kicks unter Kollegen und mit Ein- weis. Dass er eines Tages zum heimischen. Die deutschen Polizis- Schiedsrichter in Afghanistan wer- ten in Afghanistan suchten eine den sollte, ahnte er damals natür- Möglichkeit, sich sportlich zu betä- lich noch nicht. Doch nach seinen tigen. Auf einer Schulsportanlage ersten Einsätzen bei den Freizeit- in Kabul mischten sie sich unter spielen häuften sich die Anfragen, Einheimische, schnell kam man es dauerte nicht lange, ehe er Der Gast hat die Wahl. Man beachte die Kapitänsbinde des Spielführers von Soulh. Er hält sich an die Sicherheitsbe- nationalen ISAF-Truppen liegt, stimmungen, außerhalb der Poli- durften aus Sicherheitsgründen zeikaserne bewegt er sich nur in nur rund 600 Zuschauer zugelas- gepanzerten Fahrzeugen und nie sen werden.“ allein fort. „Man darf keine Angst vor der Situation haben, muss Mittlerweile kennen viele der Spie- aber den nötigen Respekt mitbrin- ler den Polizisten aus Bayern, mitt- gen“, sagt der 49-Jährige. Beim lerweile löst sein Erscheinen im Fußball ist er immer sehr willkom- men. Weil er sich angepasst hat, Die meisten Spiele der Kabul weil er offen auf die Einheimischen Premier League finden im zugegangen ist. Inzwischen hat er „Olympic Stadium“ statt, in ein paar Brocken der Landesspra- dessen Tribüne