Träume Aus Chrom Und Lack. Autosammlungen Und Museen Zur

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Träume Aus Chrom Und Lack. Autosammlungen Und Museen Zur Ankerpunkte der Europäischen Route der Industriekultur · Industriekultur 1.15 31 Träume aus Chrom und Lack Autosammlungen und Museen zur Automobilgeschichte in Europa Frieder Bluhm Am Anfang der Geschichte des Automobils steht eine überholt. Aber schon seit Jahren gab es Überlegungen, Frau: Bertha Benz. Als sie sich im August 1888 mit ihren die Ära C. Benz und Söhne zu beenden. Die Bausubstanz Söhnen Eugen und Richard auf dem Benz Patent-Motor- war mittlerweile derart angegriffen, dass ein Fortbestand wagen auf die mehr als 100 Kilometer lange Überland- der Firma in der alten Fabrikanlage nicht mehr möglich war. fahrt von Mannheim nach Pforzheim und wieder zurück 2004 erwarb Winfried Seidel, Gründer von Vetera- begab, war dies der Beweis, dass im Automobil ernstzu- ma, Europas größtem Ersatzteilmarkt für Oldtimer, das nehmendes Potenzial steckte (Bertha Benz Memorial Route | Firmengelände. Mit Unterstützung von Mercedes-Benz www.bertha-benz.de). Und doch ahnte kein Zeitzeuge sanierte er die Fabrikhallen und gestaltete sie zum Mu- dieser Pioniertat, dass hundert Jahre später das Auto seum um. In fünf Bereichen präsentiert es die Geschich- das beherrschende Fortbewegungsmittel sein würde, te der Motorisierung anhand von 80 Fahrzeugen, vom auf das sich in weiten Teilen der Welt die gesamte Ver- Benz Patent-Motorenwagen bis zum Mercedes Formel-1- kehrsinfrastruktur ausrichtet. Der Siegeszug des Indivi- Rennwagen. Die Biografie der Motorisierung können dualverkehrs auf der Basis des Verbrennungsmotors Besucher an 30 Leuchtpyramiden nacherleben. Zeit- hatte erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Mit zeugen der Automobilgeschichte werden dabei mit den der Massenproduktion des Autos ging eine Demokrati- großen Ereignissen der Weltgeschichte in Zusammen- sierung des Reisens einher. Nie ist es nur als Mittel zum hang gebracht. Um die Lichtkegel herum sind die dazu Zweck wahrgenommen worden, sondern immer auch als passenden Fahrzeuge gruppiert, sei es ein Mercedes- ein faszinierendes Objekt technischen Fortschritts. Zahl- Benz mit Holzvergaser aus den Kriegsjahren oder ein reiche Museen zeugen von dieser Faszination und las- Mercedes 600 aus der Amtszeit von Wirtschaftswunder- sen die Träume aus Chrom und Lack Revue passieren. Kanzler Ludwig Erhard. In der Rennsportabteilung ste- Und manche dieser Museen sind dort untergebracht, wo hen die Fahrzeuge „in der Box“, so als warteten sie auf einst die Kinderstube der heutigen Automobilindustrie das Kommando zur Startaufstellung. Auf der Mercedes- angesiedelt war. Allee präsentiert das Museum Mercedes-Benz-Fahrzeuge Die Entwicklung des heutigen Autos mit Verbren- bis in die frühen 1950er Jahre. Ein Mercedes mit Heck- nungsmotor kam 1885 einen entscheidenden Schritt vo- motor? Den findet man hier ebenso wie die eleganten ran, als Carl Benz (1844–1929) in Mannheim ein benzin- zweisitzigen Cabriolets der 170 S-Modelle. getriebenes Dreiradvehikel baute, das er am 29. Januar (www.automuseum-ladenburg.de) 1886 zum Patent anmeldete (Reichspatent 37435). Es Zu den touristischen Höhepunkten im Chiemgau ge- war die Geburtsstunde des modernen Automobils. Den hört an vorderer Stelle das „EFA-Museum für Deutsche Geist dieser Zeit atmet das Automuseum Dr. Carl Benz Automobilgeschichte“ in Amerang. Auf 6 000 Quadrat- in Ladenburg östlich von Mannheim. Damals führten Ver- meter Ausstellungsfläche präsentiert es 220 Automobil- suchsfahrten den Autopionier von seiner Fabrik in Mann- klassiker der letzten 100 Jahre. Von Luxuskarossen des heim, der Benz & Cie Rheinische Gasmotorenfabrik, oft legendären Wilhelm Maybach über die Isetta von BMW nach Ladenburg, wo er 1905 das Anwesen am heutigen aus den 1950er Jahren, im Volksmund auch „Knutsch- Dr.-Carl-Benz-Platz erwarb. Vor den Toren der Stadt ent- kugel“ genannt“, bis hin zu den beliebten Autos der 70er stand zur gleichen Zeit die Firma C. Benz Söhne. Anfangs Jahre finden Interessierte die gesamte Bandbreite auto- wollte man am neuen Standort nur Stationärmotoren mobiler Vergangenheit. Das Museum ist Ausdruck der bauen. Doch im Jahr 1908, als auch der zweite Sohn engen Verbundenheit des Unternehmers Ernst Freiberger Richard in das Unternehmen eintrat, entschloss man mit seiner Heimatgemeinde. Sein Vater, der 1987 Ame- sich, auch Automobile herzustellen. Schon das erste ranger Ehrenbürger wurde, beschloss damals, als Zeichen Modell, ein 8/18 PS-Wagen, fand begeisterte Kunden. des Dankes in der Gemeinde ein Automobilmuseum zu Nicht lange, und es gab auch in Berlin eine Vertretung gründen. Zu diesem Zweck suchte er im ganzen Land von C. Benz Söhne. Auf dem Dr.-Carl-Benz-Platz stehen nach seltenen Oldtimern. die Fahrzeuge, die noch unter dem Markennamen Benz (www.efa-automuseum.de) bis zum Jahr 1926 hergestellt wurden. Der Start der Autoindustrie war mühsam Die letzten beiden Wagen Die Erfolgsgeschichte des Automobils täuscht indes für den Eigenbedarf darüber hinweg, wie mühsam der Start der jungen, Bis zu Beginn der 1920er Jahre wurden in Ladenburg handwerklich ausgerichteten Industrie war. Die Erfinder rund 300 Automobile montiert. Die letzten beiden Exem- setzten ihren gesamten Ehrgeiz in die technische Ver- plare des Benz 10-35-PS-Wagens ließ Benz 1925 zum Ei- besserung. Die wirtschaftliche Seite der Produktion genbedarf zusammenbauen. Diese Fahrzeuge existieren geriet oft genug in Vergessenheit. Ende 1921 waren in noch heute und sind im Automuseum Dr. Carl Benz zu Deutschland 59 242 Personenwagen angemeldet. Mit bewundern, das in der ehemaligen Fabrik in Ladenburg der galoppierenden Inflation begann die Flucht in Sach- untergebracht ist. Produziert wurde dort bis in den Zweiten werte, wozu auch Kraftfahrzeuge zählten. Ende 1923, Weltkrieg hinein, allerdings nun nicht mehr Autos, sondern als der Spuk vorüber war, wurden in Deutschland 100 340 Geschosshülsen. Als Zylinderschleiferei und Kühlerrepa- Pkw gezählt. Doch die Weltwirtschaftskrise Anfang der ratur diente die Fabrik der regionalen Motorinstandset- 1930er Jahre zog die deutsche Automobilindustrie arg in zung, in den Hallen wurden Flugzeug- und Schiffsmotoren Mitleidenschaft. Um zu überleben, schlossen sich Firmen 32 Industriekultur 1.15 · Ankerpunkte der Europäischen Route der Industriekultur zusammen. So entstand 1932 durch die Fusion der säch- Vom Nutzobjekt zum Sammlerstück sischen Konkurrenten Wanderer, Horch, Audi und DKW Einen Wartburg findet man auch im Automuseum Mahy- ein neuer Autokonzern, hinter der Adam Opel AG der mobiles im belgischen Leuze-en-Hainaut. Das Hardtop zweitgrößte Deutschlands: die Auto Union AG mit Sitz Cabrio Baujahr 1960 gehört zu einer Sammlung von Au- in Chemnitz. Das Markenzeichen: vier Ringe. Sie sollten tos, die der Autohändler Ghislain Mahy in der Nachkriegs- Gemeinsamkeit und doch eine gewisse Eigenständigkeit zeit von überall her gebraucht erwarb, um in Gent ein Taxi- symbolisieren. gewerbe aufzubauen. So lange es ging, nutzte er sie für Nach Zerschlagung der Auto Union im Gefolge des sein Unternehmen und trennte sich auch danach von vielen Zweiten Weltkriegs wurden die vier Ringe zum Signet nicht, sondern reihte sie in seine Autosammlung ein, die der westdeutschen Marke Audi. Das ursprüngliche Mar- auf diese Weise sukzessive wuchs. Heute ist sie mit 950 kenzeichen war ein auf der Spitze stehendes Dreieck, Fahrzeugen eine der größten Automobilsammlungen der auf dessen Oberkante eine 1 aufragt. Der Markenname Welt. Mehr als 200 Fahrzeuge aus der Sammlung werden geht auf August Horch (1868–1951), den Gründer des im Automuseum Autoworld in Brüssel präsentiert, das zu Unternehmens zurück. Bevor er sich 1899 in Köln mit den bedeutendsten europäischen Museen für historische einer eigenen Fabrik selbstständig machte, hatte er unter Autos zählt. Die übrigen 750 sind in der ehemaligen Textil- anderem drei Jahre lang den Automobilbau bei Carl Benz fabrik Ernaelsteen bei Leuze-en-Hainaut untergebracht, die in Mannheim geleitet. 1904 verlegte Horch sein Unter- 1997 von der Fondation Mahy erworben wurde. Das älteste nehmen, die August Horch & Cie, nach Zwickau und hier gezeigte Vehikel stammt aus dem Jahr 1895, andere wandelte es in eine Aktiengesellschaft um. Als ihn fünf Fahrzeuge sind deutlich jüngeren Datums. Zu sehen ist ein Jahre später Differenzen mit der kaufmännische Leitung Delaunay-Belleville von 1911, ein Austro-Daimler von 1923, zwangen, den eigenen Betrieb zu verlassen, gründete eine Lincoln-Limousine von 1931 und ein Buick Riviera von er ganz in der Nähe ein neues Unternehmen, das eben- 1970. Auch Feuerwehrfahrzeuge, Dampf-Zugmaschinen, falls den Namen August Horch im Titel führte. Dagegen Motorräder und Fahrräder gehören zur Sammlung. wehrte sich das ältere Unternehmen erfolgreich. Horch (web.mahymobiles.be | www.autoworld.be) übersetzte daraufhin seinen Namen ins Lateinische, und Der Grundstein für das Louwman Museum in Den so entstand 1910 der Markenname Audi. Haag, das die weltweit älteste private Autosammlung be- Das August Horch Museum in Zwickau, ein ERIH- herbergt, wurde 1934 mit dem Kauf eines damals zwanzig- Ankerpunkt (siehe IK 2.07, S. 28), residiert in jener Fabrik, jährigen Dodge gelegt, der auch heute noch im Museum in der Horch seit 1909 seine innovativen Fahrzeuge mon- ausgestellt wird. Mittlerweile umfasst die Sammlung rund tieren ließ. Auf einer Fläche von 3 000 Quadratmetern 230 klassische Automobile. Von zwei Generationen der präsentiert es rund 70 Großexponate, darunter einen Familie Louwman zusammengetragen, präsentiert das Feuerwehrwagen anno 1927 mit einem Achtzylindermo- Museum die schönsten je gebauten Sport- und Rennautos,
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