Regional z Straße der Industriekultur | : AWE Von Tamara Hawich (TWA) und Dietmar Grosser (TA)

Thüringen ist ein Land voller Traditionen in der deutschen Industrie. Es sind oft sehr schöne Industrie-Denkmäler erhalten geblieben, die als architektoni - sches Kleinod von der bewegten Geschichte der Unternehmen erzählen. Mit unserer Serie zur Straße der Industriekultur wollen wir die schönsten Denkmäler vorstellen und unsere Leser zu einer Fahrt einladen. Gemeinsam mit dem Thüringer Wirtschaftsarchiv (TWA), dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sowie der Thüringer Allgemeine (TA) gehen wir auf Suche nach

den interessantesten steinernen Zeitzeugen. Wir starten unsere Tour im Im Ausstellungspavillon an der Wartburgstraße kann man die Automobil - Westen Thüringens in der traditionsreichen Auto-Stadt Eisenach. geschichte hautnah verfolgen.

Auto-Liebhaber wissen es: Ob der Eisenacher anfangs zur Aufstockung der vorhandenen Werk investiert. Seit 1992 wird unterhalb , der Dixi-Zentaur, der BMW-Pro - Gebäude und später zu zahlreichen Stan - der Wartburg mit High Tech und neuesten peller oder der -Blitz; all diese Marken- dortverlagerungen. Arbeitsmethoden produziert. Opel schrieb Zeichen schmückten oder zieren heute noch Noch vor der politischen Wende 1989 bei - also neue Industriegeschichte und ließ die die Fahrzeuge aus einem einzigen Hause: spielsweise wurden Produktionszweige in alten Gebäude aus der Gründerzeit hinter dem fast schon legendären Eisenacher Auto - Neubauten am westlichen Stadtrand Eisen - sich. Der verbliebene Rest wurde abgerissen, mobilwerk. Man nannte es kurz nur AWE. achs verlegt. Diese Bausubstanz nutzte die von anderen Unternehmen genutzt oder es Noch heute stehen unterhalb der Wartburg Adam Opel AG nach 1989 für den Aufbau zogen neue Herren aus den unterschiedlich - einige der wohl interessantesten Zeitzeugen einer Montagestrecke. Es war eine dicke sten Bereichen ein. deutscher Industriegeschichte. Immerhin: Das Schlagzeile: 1990 lief der erste Opel Vectra Noch heute prägen viele der alten Bauten als Produktionsstandort für den Kraftfahr - vom Band des Eisenacher Automobilwerkes! das Stadtbild. Sie bieten aber auch vielen Ei - zeugbau bekannte Eisenacher Geländeareal Opel setzte am Ende aber doch eine völlig senachern ganz persönliche Punkte für Erin - zwischen dem Fluss Hörsel und der Reichs - neue Fabrik auf die grüne Wiese. nerungen und Identifikation. So mancher be - bahntrasse im Norden der Stadt bestand Eine Aktion mit Symbolcharakter. Sie sollte gann hier mit der Lehre, ganze Generationen 1996 hundert Jahre. signalisieren: Die Auto-Tradition in Thüringen bauten an den Bändern Autos, auf die man Solch eine lange Geschichte kann kaum ein lebt weiter. Die Rüsselsheimer hatten sich zu DDR-Zeiten über zehn Jahre warten mus - deutscher Auto-Hersteller vorweisen. Im De - sofort nach der Wende mit großem Engage - ste. Außer: Man hatte Beziehungen. zember 1896 jedenfalls wurde die Fahrzeug - ment dem Eisenacher Standort zugewandt Die folgenden Bilder zeigen wichtige histori - fabrik Eisenach AG gegründet. Die Produkt- und rund eine Milliarde Mark in ein neues sche Gebäude des Eisenacher Automobilbaus. ionsaufnahme erfolgte im Sommer 1897, die ersten Motorwagen konnten in englischer Lizenz ein Jahr später ausgeliefert werden. Wie die meisten Unternehmen dieses Indus- triezweiges produzierte auch der ab 1928 der Bayrischen Motorenwerke AG München angegliederte Betrieb in Kriegszeiten vor - rangig für den Heeresbedarf. Dem ordnete

sich natürlich auch die Architektur unter. So entstanden in Eisenach Geschoss- und Hal -

lenbauten, die wie an einer Perlenkette an

geradlinigen Betriebsstraßen aufgereiht wur -

den.

Die Ausdehnung des Werkes folgte vor Ort Das Torhaus, Haupteingang zum Automobilwerk in der Eisenacher Naumannstraße, steht als Symbol fu r mehrere, nicht ̈

gezwungenermaßen dem Trassenverlauf der mehr existierende Vorgänger. Es wurde 1946, nach Zerstörung des ersten Verwaltungsgebäudes, errichtet. In der Architektur folgt das Tor Vorbildern, die bereits fu r die Bayrische Motorenwerke in Mu nchen entstanden. So wurde in den Reichsbahn. Viel Raum zum Ausweichen und ̈ ̈

späten Zwanziger- und fru hen Dreißigerjahren gebaut. Es ist ein zweigeschossiger Mauerwerksbau mit Flachdach, ̈ Erweitern blieb also nicht. Durchfahrt mit gebrochener Dachtraufe, Sichtbeton und abgerundeten Gebäudeecken. Heute befindet sich dort der Sitz Das von der Fläche her begrenzte Areal führte des Vereins Automobilbaumuseum Eisenach. | Matthias Doht, Vorsitzender der Stiftung Automobile Welt, Eisenach

40 Industrie- und Handelskammer Erfurt – Wirtschaftsmagazin | Juni 2015 Regional

Die ersten Stationen der Straße der Industriekultur 7 Gebäude Deutsche Versicherungswirtschaft Gotha 2 Eisenacher Brauerei und Alte Mälzerei  

6 Schlachthof Gotha 4 Mewa Ruhla  1 8 Tobiashammer Ohrdruf   Automobilwerk Eisenach  5   Puppenfabrik Kämmer & Reinhardt Waltershausen  3 Uhrenfabrik Ruhla  

Das Produktions- und Verwaltungsgebäude O 2 zeigt alle Merkmale des konjunkturbegünstigten, rationalisierten und äußerst effizienten Bauens in den späten Zwanzigerjahren. Der Bau ist mit Lichthof, Aufzügen, vorgesetzten Treppentürmen und sichtbarem Stahlskelett ausgestattet und wurde von BMW konzipiert. Er gestattete eine multifunktionale Nutzung, die sich bis in die Gegenwart bestätigte und ihn für eine weitere Nutzung prädestiniert. Hier wurde anfangs produziert, dann zogen Versuchslabore und Forschung ein, später arbeitete hier die Verwaltung. Seine ausgewogene Gestaltung bezeugt einen hohen formalen Standard. Der Komplex ist saniert und beherbergt das eigentliche Automuseum Eisenach.

z Rund um das Auto-Museum Das Thüringer Wirtschaftsarchiv e.V. (TWA) besteht seit 2010. Im Jahr 1967 wurde durch das damalige Automo - fu r die Ausstellung „Automobile Welt Eisenach“. ̈ Es hat die Aufgabe, Quellen der bilwerk Eisenach ein Ausstellungspavillon an der Das Museum mit dem neuen Namen wurde in der Unternehmensgeschichte zu si- Wartburgallee – direkt an der B 19 – eröffnet und Friedrich-Naumann-Straße 10 eröffnet. Seit 2005 chern, zu erschließen, zu verwah- dort bis zum Jahr 1995 betrieben. Als Alternativ - werden hier u ber 115 Jahre Eisenacher Automo - ̈ ren und der Öffentlichkeit zu- standort kam die Idee auf, ein Museum auf dem bilbaugeschichte dokumentiert und präsentiert. gänglich zu machen. Neben dieser Gelände des ehemaligen Automobilwerks Eisenach Träger des Museums ist seit 2014 die Stiftung Serie bieten wir Ihnen hier in (AWE) einzurichten – im denkmalgeschu tzten Ge - Automobile Welt Eisenach. ̈ loser Folge einen kleinen Einblick bäude aus dem Jahre 1935, in dem bis zur Die Öffnungszeiten fu r die „Automobile Welt Ei - ̈ in unsere Bestände. Es handelt Schließung des Werks 1991 die AWE-Verwaltung senach“: Dienstag bis Sonntag von jeweils 11 bis sich um interessante Neuzugänge saß. Zum Jubiläum „100 Jahre Automobilbau in 17 Uhr, Montags geschlossen. Eintritt: Erwachsene in unser Archiv. Eisenach“ 1998 erfolgte dort die Grundsteinlegung 5,00 Euro. Ob Urkunden, Fotos, Prospekte, Verträge oder Briefe, die Vielfalt Noch mehr zur Industriegeschichte macht den Reiz der vorgestellten

n s. Wir wünschen e Archivalien au d Eisenach hat beim Thema Industriegeschichte i e

H Ihnen viel Vergnügen beim Lesen, nicht nur das Automobilwerk und das Museum y h t Staunen und Erinnern. a zu bieten. Ein kleiner Abstecher lohnt immer an K

: k i Das TWA e.V. befindet sich in f folgende Orte: Der einstige Wartburg-Pavillon . Er a r

G Erfurt in der Lachsgasse 3.

| wurde zur Präsentation der Geschichte des Auto -

) A T

( baus in Eisenach errichtet und bot einige Modelle.

e s www.twa-thueringen.de i Er gilt als seltenes Beispiel der Pavillon-Architek - e n K

tur der DDR. Heute wird er fu r Kunstausstellungen o

c ̈ r a genutzt. Das Straßenbahndepot aus den 1920er- M

Der Rennsportwagen AWE R3 ist in der Ausstellung zu sehen. Im : s Jahren in der Sommerstraße 4. Heute ist dort ein o

t Hintergrund ist eine Abbildung der Fahrer Paul Thiel und Arthur o F Rosenhammer zu sehen, die die Stars des Rennkollektivs waren. Parkhaus zu finden. 3

Industrie- und Handelskammer Erfurt – Wirtschaftsmagazin | Juni 2015 41