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Deutschlandradio Kultur Nachspiel 22. 10. 2006, 17:30-18:00 Uhr

„Lange Kerls gesucht“ Wo bleibt der deutsche Basketballnachwuchs?

Autor: Johannes Wermbter Redaktion: Hanns Ostermann

Atmo 1: Basketballtraining – Musik (Nino Garris & Phreaky Flave – “Slam Dunk”)

O-Ton 1 Schwethelm: “Philipp Schwethelm, RheinEnergie Köln, 2 Meter, 96 Kilo, Position Point Guard, Apostelgymnasium 12. Klasse.“

Atmo 1: Basketballtraining – Musik (“Slam Dunk”)

O-Ton 2 Schwethelm: „8 Uhr Schule, um 4 Uhr fertig sein mit dem Essen, Krafttraining, Hausaufgaben, 5 Uhr in der Halle sein, 6 Uhr Trainingsbeginn, bis 8 Uhr Profitraining, bis 10 Uhr 1. Regionalliga – Jugend- bundesliga, noch mal nach Hause essen, Schulaufgaben noch mal zu Ende machen, halb zwölf, zwölf schlafen, nächsten Morgen 6:35 aufstehen.“

Musik: Rap – “Slam Dunk”

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Autor: Wer soll in der Nationalmannschaft ersetzen, wenn er in einigen Jahren zurücktritt? Fieberhaft suchen der Deutsche Bund und die Bundesligavereine nach neuen Talenten, denn die Ergebnisse der Jugend- Nationalmannschaften sind bisher mehr als dürftig. Selbst Superstar Nowitzki beklagt, dass die „jungen Kerle“ häufig sehr verwöhnt seien. „Wenn es mal einen Guten gibt“, sagt er, „dann kommt er mit 16 mit einem Manager an und verlangt 5 000 Euro pro Monat, anstatt sich in der 2. Liga hochzudienen“. Philipp Schwethelm kann Nowitzki nicht gemeint haben. Der 17-jährige Kölner tut alles, um Schule und Spitzen- Sport miteinander zu verbinden

O-Ton 3 Schwethelm: „Erstmal natürlich wird sehr viel von der Freizeit gestrichen. Unter der Woche habe ich eigentlich gar keine Zeit, mich mit Freunden zu treffen oder irgendwie mal zu entspannen. Eigent- lich ist das ein durchgehender Tagesablauf. Also es geht sehr viel auf Kosten von Freizeit und solchen Sachen. Man muss halt’ oft beißen, dass man einfach so denkt, jetzt bin ich müde und schlafen gehen, dass man dann sich trotzdem noch mal hin- setzt und Schulaufgaben macht.“

Autor: Philipp Schwethelm hat das Jugendprogramm des Basket- ball-Bundesligisten RheinEnergie Köln durchlaufen. In der vergangenen Saison brachte er es bereits als 16jähriger zu einigen Kurzeinsätzen im Profiteam. Mittlerweile lebt er nicht mehr zu Hause bei den Eltern in Gummersbach, sondern im Sportinternat am Olympiastützpunkt Köln/Bonn. Er gilt als einer der talentiertesten jungen Spieler Deutsch- lands. Ein Hoffnungsträger für seinen Verein und vielleicht auch für die Nationalmannschaft. Und er hat klare Vor- stellungen von seiner Zukunft.

O-Ton 4 Schwethelm: „Erstmal hat Priorität Schule, ich will mein Abitur schaffen und

2 sportlich will ich einfach sehen, mich von Jahr zu Jahr verbessern und es einmal in die BBL zu schaffen und dort Stammspieler zu werden. Ich bin sehr realistisch und ich weiß, wo ich stehe, ich glaube nicht, dass es mit der NBA eine Möglichkeit gibt, ich habe eigentlich schon seit Jahren nicht mehr davon geträumt. Bis ich 7, 8 Jahre alt war habe ich eigentlich keine Nacht von was anderem geträumt, aber irgendwann, wo man sich dann realistisch ein- ordnen kann, hört das dann auf.

Autor: In die Fußstapfen von Dirk Nowitzki zu treten, das ist kein leichter Job. Vor allem, wenn sich die Verantwortlichen eher skeptisch äußern. Heimo Förster, der Trainer der deutschen U-18 Nationalmannschaft, hegt Zweifel an Leistungs- bereitschaft und Leistungsvermögen seiner Nachwuchsathleten.

O-Ton 5 Förster: „Da gehört sicherlich das Elternhaus dazu, die dahinter stehen, dass man einen Spieler ausbildet in der Richtung, aber meiner Ansicht nach gehörts noch mehr dazu, dass die Spieler ausgebildet werden und nicht verhätschelt werden. In meiner U-18 sehe ich das immer wieder, den Spielern wird einfach in dem Alter schon zu viel abgenommen, ja, dass sie gar nicht mehr bereit sind, ohne dass es ein Vorwurf gegen die Spieler ist, gar nicht bereit sind, da so aggressiv wie möglich auf das Spielfeld zu gehen, weil ihnen alles abgenommen wird, ja, aber sie spielen nicht auf dem Niveau, wo sie beißen müssten, wo sie sich wehren müssten. Heutzutage fällt das ja auf, dass viele junge Spieler immer noch alles machen wollen, anstatt hart zu trainieren und mit der Nationalmann- schaft zu sein, lieber mal zwischendurch nach Hawai mit seiner Vereinsmannschaft zu fliegen, weil es halt’ toll ist. Das kann man immer noch machen.

Musik: Rap – „Slam Dunk“

Kreuzblende

Atmo 2: Albert Schweitzer Turnier

3 Autor: Rückblende: Mannheim im April dieses Jahres. Das Albert Schweitzer Basketball-Turnier. Die besten Nachwuchsspieler unter 18 Jahren aus aller Welt treten hier gegeneinander an. Als sich 1958 die Stadt Mannheim, der Deutsche Basket- ball Bund und die US-Armee zusammentaten, um ein völkerverbindendes Turnier aus der Taufe zu heben, dem der Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer seinen Namen verlieh, konnte man noch nicht ahnen, dass sich einmal die „inoffizielle Junioren-Weltmeisterschaft“ daraus entwickeln würde. Australien, China, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Spanien, die Türkei, die USA und auch Deutschland, mit Philipp Schwethelm, sind dabei. Das Turnier ist zu einer Art „Schaulaufen“ der Talente vor der versammelten Schar der Spielerbeobachter aus aller Welt geworden. Etwa 50 dieser sogenannten Scouts amerikanischer und europäischer Profimannschaften sitzen rund um das Spiel- feld verteilt und notieren sich akribisch jedes Detail über die Athleten. Seit ehemalige Teilnehmer des Albert Schweitzer Turniers wie Magic Johnson, Arvidas Sabonis, Toni Kukoc oder Dirk Nowitzki zu Stars in der nordamerikanischen Profiliga NBA wurden, soll hier kein Talent unentdeckt bleiben. „Courtside“, die größte Spieleragentur der Welt, ist mit nicht weniger als sechs Mitarbeitern vor Ort. Der Nieder- länder Geert Hammink, selbst ehemaliger NBA- und Bundes- liga-Profi und Inhaber von „Courtside", erklärt seine Arbeitsweise.

O-Ton 6 Hammink: „Wir sind hier zu inventarisieren. Wir haben hier so ein bisschen ein Standardformular , weil es auch so viele Spieler gibt, das wir alles im Kopf behalten können, aber wir schreiben alles auf Papier auf, da gibt’s einen großen Teil auch mentale Sachen. Natürlich ist es sehr wichtig, z. B. gerade mit der australischen Mannschaft, alles sehr, sehr harte Arbeiter, geben nicht auf und alles. Wenn das zu kombinieren ist mit physischen Voraussetzungen, die man

4 braucht, dann ist es natürlich perfekt.

Autor: Das deutsche Team hat sich ganz passabel geschlagen, be- legt am Ende den achten Rang. Der Abstand zu den deutlich athletischeren Türken und Franzosen war dennoch eklatant. Apropos Franzosen: Der Turniersieger hat ganz besondere Methoden, erzählt Philipp Schwethelm.

O-Ton 7 Schwethelm: „Franzosen sind alle auf einem Internat in Paris zusammen- geschult worden und dort herrschen ganz strenge Regeln. Die dürfen z. B. nur zu bestimmten Zeiten essen und dazwischen nichts, die dürfen nicht bei McDonalds essen oder zu Ostern haben sie Gummibärchen geschenkt bekommen, die durften sie nicht nehmen, dürfen nur Wasser ohne Kohlensäure trinken, die haben ganz strenge Regeln dort, aber diese Schule hat auch schon ziemlich gute Spieler wie Tony Parker oder so rausge- bracht.“

Autor: Einen neuen Dirk Nowitzki konnte man diesmal nicht bestaunen. Alle Spieler standen in Mannheim unter ständiger Beobachtung. Ein großer Druck, denn keines der jungen Talente will sich auf Grund schlechter Leistungen, eine potenzielle Profi- karriere verbauen. Doch selbst der heutige Überflieger Nowitzki hat in jungen Jahren nicht immer überzeugt. Der Ehrenpräsident des Deutschen Basketball Bundes, Roland Geggus, kennt die Geschichte.

O-Ton 8 Geggus: “ Ich erinner’ mich noch sehr gut daran, dass der erste Auftritt von Dirk Nowitzki hier in Mannheim nicht so überragend war. Also damals war er ziemlich am Beginn seiner Karriere, er war schon guter deutscher Nachwuchs-Nationalspieler, aber er ließ damals, zumindest hier in Mannheim, noch nicht ahnen, dass einer der Top-Five aus ihm wird.

5 Autor: Also besteht noch Hoffnung, dass auch aus den Reihen der jetzt 16 bis 17jährigen Talente einmal ein überragender Na- tionalspieler heranwächst. Dennoch, der Status Quo bleibt ernüchternd: die deutschen Junioren hinken ihren Konkurrenten in technischer, takt- ischer und athletischer Hinsicht hinterher. Die Entdeckung und Entwicklung eines Spitzensportlers also alles eher eine Frage des Zufalls, eine Laune des Schicksals? 12 Jahre stand Roland Geggus dem Deutschen Basketball Bund vor – er mahnt zu Geduld und Gelassenheit.

O-Ton 9 Geggus: „Es gibt kein Erfolgs- und Geheimrezept, es gibt es nirgends auf der Welt und ich hab’ vor unserem Umbruch im Jahr 2008 in Peking eigentlich keine Angst. Natürlich werden sicherlich dann einige Spieler vielleicht nicht mehr spielen, aber es wird dann auch wieder Spieler- namen geben, von denen wir im Moment noch nicht viel ahnen. Z. B. der Bamberger Stefan Hamann, der jetzt inter- national eine ganz, ganz große Rolle spielt schon, der ist ganz spät aufgetaucht und dies ist auch eine Kennzeichnung des deutschen Basketball Bundes – wir sind ein bisschen Spätstarter, vor allem gegenüber den südosteuropäischen Nationen, die sind auch körperlich etwas früher ausgereift und deshalb haben wir im Jugend-Nationalmannschafts- bereich nicht immer die Top-Ergebnisse, aber spätestens bei U-20 sind wir wieder ganz dicht dran.“

Autor: Dass sich nach den beiden deutschen Basketball- Weltstars und Dirk Nowitzki naht- los der nächste Überflieger einfindet, daran vermag selbst der optimistische DBB-Ehrenpräsident Geggus nicht zu glauben.

6 O-Ton 9a Geggus: “Im Tennis z. B. war nach Steffi Graf und Boris Becker war ja auch ne ganz lange Zeit nicht sehr viel los, auch im Fuß- ball hats die allergleichen Probleme, das ist eine der Schwierig- keiten des Sports, aber auch das ist ein sehr spannendes Element. Wenn nämlich alles nur planbar wäre, von Geld ab- hinge, dann würde Sport nicht mehr so faszinierend sein.“

Autor: Also abwarten, den Nachwuchstalenten Zeit geben, sich zu entwickeln, irgendwann wird schon ein Nachfolger von Detlef Schrempf und Dirk Nowitzki auftauchen, der den deutschen Basketballsport wieder hochhält. Das ist nicht die Sache von Patrick King, dem ehemaligen Nationalspieler und Bundesligaprofi, der heute als Spieleragent arbeitet. Er plädiert für die frühe Sichtung der Talente und die konsequente und motivierende Arbeit der Trainer.

O-Ton 10 King: „Nach Nowitzki und so populär wie Basketball angeblich in Deutschland ist, dürfte es nicht schwierig sein, wenn er da ist, sag ich mal, mit den Voraussetzungen, d.h. Länge, große Hände, gewisse Stabilität in den Beinen und Athletik, würds mich wirklich überraschen, wenn man den nicht finden kann, bis er fünfzehn, sechzehn ist. Das geht dann darum, was aus ihm zu machen danach und ich denke, Basketball ist jetzt überall in Deutschland gut verbreitet, und wenn man einen Dreizehnjährigen sieht, der schon zwei Meter ist, da muss ein Licht aufgehen, sag ich mal, in der Schule oder bei dem Ver- einstrainer oder bei dem zuständigen Bundestrainer und dann muss man was aus ihm machen, aber er muss auch wollen. Und ich denke, ich hab’ noch nie gehört, dass beim Nowitzki der Wille nicht da war, was aber bei etlichen schon der Fall war, dass er eben nicht da ist und nicht bereit ist, sich zu quälen und die Arbeit zu machen.“

7 Autor: Doch neben Ausdauer und Beharrlichkeit, darf die Freude am Spiel nicht zu kurz kommen, meint Patrick King.

O-Ton 10 a King: „Aber du kannst ihn nicht zwingen in die Halle zu kommen mit 14, 15, da hat er irgendwann keine Lust mehr. Es muss ja Spaß machen, man spielt ja Basketball, aber wenn der Wille da ist und diese körperlichen Voraussetzungen da sind, dann wirst du auch einen guten Spieler haben.“

Autor: Den neuen Nowitzki auf Grund planmäßiger Talent- sichtung finden – schön und gut, beruht doch die Ent- deckung des Würzburgers für den Basketballsport auf purem Zufall. DBB-Ehrenpräsident Roland Geggus erzählt die Anekdote.

O-Ton 11 Geggus: „Wenn man die Biographie von Dirk Nowitzki anschaut,hätte ja durchaus es sein können, dass er heute ein begnadeter Profi-Tennisspieler ist, wenn der bayrische Landestrainer da- mals nicht reingeschrieben hätte in sein Gutachten, dass er kein Talent hat, dann wär er vielleicht beim Tennis geblieben und wär nie im Basketball aufgetaucht.“

Autor: Die Begegnung von Dirk Nowitzki mit seinem Mentor und Individualtrainer Holger Geschwindner - auch das: reiner Zufall. Vor 11 Jahren laufen sich der ehemalige Kapitän der Deutschen Olympiamannschaft von 1972, Holger Geschwindner, und der 17jährige blonde Schlaks Dirk Nowitzki in einer Würzburger Sporthalle über den Weg. Der damals 49jährige Geschwindner war mit einer Seniorenmannschaft aktiv, Nowitzki warf bei einem an- schließenden Jugendturnier auf die Körbe. Geschwindner war sich schnell sicher, dieser Spieler ist entwicklungs- fähig, er spricht Nowitzki an und nach vierzehn Tagen Bedenkzeit steht fest: die beiden arbeiten zusammen. Von diesem Zeitpunkt an stand für die beiden tägliches Indi-

8 vidualtraining auf dem Programm, entweder in Würzburg oder Rattelsdorf bei Bamberg, in der Nähe des Wohnortes von Holger Geschwindner.

Musik: Jazz

Autor: Holger Geschwindner hat keinen Trainerschein. Er gilt als eine Art Basketball-Legende aus einer Zeit, als dieser Sport in Deutschland noch ein Schattendasein fristete. In den 60er und 70er Jahren sah man das Spiel noch als exklusive, universitäre Angelegenheit. Nach seinem Physik- und Mathematikstudium arbeitet Geschwindner am Max-Planck-Institut in München. Danach verdient er sein Geld als selbständiger Projekt- entwickler. Er berechnet, wie viele Stützen und Motoren eine Seilbahn braucht, rettet aber auch schon mal eine Farm in Mississippi vor dem Bankrott. Auf seiner Visitenkarte steht: „Institut für angewandten Unfug“. Für viele ist er ein Eigenbrötler mit spinnerten Ideen. Eine dieser Ideen war: den jungen Nowitzki inner- halb von fünf Jahren fit zu machen für die nord- amerikanische Basketball-Profiliga NBA. Bereits nach drei Jahren rannten die NBA-Klubs bei Geschwindner und Nowitzki die Türen ein – der Profivertrag bei den Dallas Mavericks war 1998 perfekt. Gleichwohl warnt Geschwindner mögliche Nachahmer.

O-Ton 12 Geschwindner: „Die Schwierigkeit ist halt’ die, dass Jugendlichen natürlich mit der Illusion rumrennen, egal wie viel Talent sie haben, ohne irgendwelche Prüfungen ge- macht zu haben, von der NBA träumen und wir ver- suchen ihnen halt’ klar zu machen, dass man in die NBA primär mal gar nicht kommen kann oder selber hin wollen, sondern da wird ein Bedarf und da wird man ausgewählt und dazu muss man die Qualifikation, die gesucht wird mitbringen, man kann sich nicht ein- fach selber in die Turnhalle stellen und das Gefühl haben, wenn ich jetzt nur ordentlich und richtig 9 trainiere, dann komm’ ich auf jeden Fall in die NBA, das ist, glaube ich, ziemlich dummes Zeug.“

Musik: Jazz

Autor: Geschwindner bringt Nowitzki zuallererst das, wie er sagt, „Handwerkszeug“ bei: den technisch perfekten Wurf. Erst kommen die technischen Fertigkeiten, dann folgen Athletik- und Krafttraining. Geschwindner lässt Nowitzki den Handstand üben, um die Schultermusku- latur zu stärken, lässt ihn auf dem Trampolin springen, um die Körperkoordination zu verbessern. Beim Fechten mit dem ehemaligen Weltmeister Alexander Pusch verbessert er den schnellen ersten Schritt, übt das Wechselspiel zwischen Angriff und Verteidigung. Das Rudern im Sommer am Starnberger See gilt als perfektes Ganzkörpertraining und als willkommener Ausgleich zum Mief der Turnhalle.

Musik: Jazz

Autor: Geschwindner indes steht für eine ganzheitliche Me- thode. Nowitzki hatte in der Oberstufe vier „Fünfer“ im Zeugnis, am Ende schafft er ein passables Abitur – nicht zuletzt mit Hilfe seines Mentors. Dank Geschwindner liest Nowitzki Werke von Nietzsche und Kant, hört Mozarts „Figaro“ und Jazz, lernt Gitarre und Saxophon spielen.

Musik: Jazz

10 O-Ton 13 Geschwindner: „Wenn man die Grammatik vom Spiel sich genauer anschaut, Basketball, also um es abzukürzen, wir haben zwei Schritte, wir dürfen einmal dribbeln und und und, daraus folgen natürlich gewisse Dinge, die Länge und die Größe des Spielfelds, sprinten ist im Prinzip in meinen Augen nicht angesagt, das Spielfeld i st nur zehn Schritte lang, also es ähnelt mehr dem Tanz und wir haben versucht, ein Rahmenkonzept den Kindern vorzuführen, in dem sie völlige Freiheit haben, sich selbst zu entwickeln, weil wir der Meinung sind, dass erziehen nicht ganz die richtige Methode ist. Wir wollen niemandem sagen, das geht so oder so oder so, sondern wir wollen es herauslocken lassen und wenn die Spaß dran haben, um selber Übungen zu erfinden oder Bewegungen oder Moves, dann sind sie erstens viel besser dabei und außerdem arbeitet man nicht gegen die individuellen Talente. Und als Rahmenkonzept hat man natürlich mit „Bball is Jazz“, glaub’ ich ein ganz gutes Werkzeug in der Hand, weil viele Situationen tauchen bei Spielern auf, in denen es mal nicht so gut läuft und und und, und wenn die Sprache versagt oder wenn man rational ans Ende kommt, dann kann man immer noch Musik machen.“

Musik: Jazz

Autor: Ist Holger Geschwindners Trainingsmethode kopierbar ? Mit Dirk Nowitzki war sie erfolgreich, doch kann man diesen Erfolg wiederholen ? Einen zweiten Nowitzki hat auch Geschwindner bisher nicht entdeckt. Dennoch findet dieses Muster Befürworter in der Bundesliga, wie den Geschäftsführer des deutschen Vorzeigeklubs Alba Berlin, Marco Baldi.

O-Ton 14 Baldi: „Ich halte das für ein interessantes Modell, man muss aber auch sehen, dass Holger Geschwindner praktisch mit Dirk

11 Nowitzki ausgelastet ist und auch über sehr, sehr große Fähigkeiten verfügt, also solche Trainer oder Ausbilder, die muss man erst mal finden, das ist ja nicht nur, ja wie soll ich sagen, ne sportliche Ausbildung, das ist ja auch ne menschliche Ausbildung, fast ne Erziehung, die Nowitzki von Holger Geschwindner bekommen hat. Ich glaube an diese Modelle und ich glaube im absoluten Spitzenbereich muss man auch solche Wege gehen, da muss es ne gewisse Rundumbetreuung geben, d. h. nicht pampern, nicht verwöhnen, aber die Wege so kurz wie möglich zu machen und diese Schwierigkeiten, die man in diesem Alter hat, dass man eben zur Schule geht, dass man vielleicht auch mal wie die ganzen Freunde, mal Party machen möchte, dass man vielleicht sogar in zwei, drei Mannschaften, sprich Jugendmannschaft, Seniorenmannschaft und NBBL- Mannschaft und so was spielt, dass man das alles unter einen Hut bringen kann, da bedarf es auf jeden Fall solcher Modelle“.

Autor: Seit fast 20 Jahren macht nun Marco Baldi den Job als Manager eines Basketball-Bundesliga-Klubs. Baldi hat einen Mentalitätswechsel bei den Jugendlichen und deren Eltern festgestellt. Ihm sitzen nun jugendliche Ich- AG’s gegenüber, die wie selbstverständlich bereits zum ersten Gesprächstermin mit dem Manager ihren Agenten mitbringen, der nicht immer nur den Vorteil des jungen Nachwuchsathleten im Blick hat.

12 O-Ton 15 Baldi: „Es gibt einen rasanten Wandel und Basketball ist ein Profi- sport geworden und das kann man auch an diesen Dingen feststellen. Vor Jahren haben mich die Eltern auf den Knien sozusagen gebeten, ja, ja, der Junge soll ja Basketball spielen, aber bitte, lass ihn sein Abitur zu Ende machen. Die Schule hat das absolute Prä und dann kann er auch Bas- ketball spielen, aber bringt den Jungen dazu, dass er sein Abitur macht. Heute ist es eher umgekehrt, heute sagen die Eltern, was soll der in der Schule, der hat die Chance in jungen Jahren viel Geld zu verdienen und raten teilweise ihren Kindern sogar ab, natürlich dann auch mit Unter- stützung von irgendwelchen Spielervermittlern oder sonsti- gen Beratern, raten ihnen sogar ab, ihre schulische Karriere zu beenden. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass zum Spitzensport gehört, dass man Dinge durchzieht, dass man was zu Ende bringt und eben auch eine Ausbildung oder eine Schule, welcher Art auch immer, zu Ende bringt.“

Autor: Zum Spitzensportler gehöre aber auch eine Form der Bodenständigkeit, wie sie Dirk Nowitzki re- präsentiere, so Baldi. Der habe sich in jungen Jahren überhaupt nicht für Geld interessiert und tue dies im Grunde auch heute noch nicht.

O-Ton 10 a Baldi: „So wie man in frühen Jahren versucht, die Bahnen zum Profi hin komplett einzuschlagen und möglicherweise auch sich die Angebote raus zu suchen, die monetär am lukrativsten sind, in dem Moment, muss ich leider so sagen, das ist meine Erfahrung, kann man hinter den Jungen, so leids mir tut, schon ein Kreuz machen, weil das sind in aller Regel die Spieler, die nicht ganz oben ankommen.“

13 Autor: Baldis Rezept für eine erfolgversprechende sportliche Karriere lautet:

O-Ton 10 b Baldi „Es gibt keinen Königsweg außer einem und der heißt, hört sich jetzt vielleicht etwas übertrieben an, aber der heißt: devot bleiben. Nicht devot jetzt im Sinne von unterwürfig, sondern devot im Sinne von bescheiden, im Sinne von wissen, wo man herkommt, sicher auch das Bewusstsein ent- wickeln, wo man hin möchte, aber diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen. Das ist in unserer Zeit, wo tausend Berater um einen rumschwirren, wo die Medien sehr schnell Kleinigkeiten zu Großereignissen aufbauen, ist das sehr, sehr schwierig, aber das ist aus meiner Sicht der absolut entscheidende Faktor, dass man das Spiel liebt, das Spiel respektiert und dass man seine eigene Karriere Schritt für Schritt vornimmt und nicht die Angst hat, in jungen Jahren, dass man wahnsinnig viel ver- passen könnte, weil, wer Bodenständigkeit mit großem Talent paart und ein gutes Umfeld um sich herum hat, wo man professionell arbeiten kann, der wird den Weg an die Spitze auch schaffen.“

Autor: In Berlin setzt man neuerdings bei der Nachwuchs- förderung andere Akzente. Neben der Spitzenförderung, die der Zweitligist TuS Lichterfelde für das Alba-Profi- Team verrichtet, will man nun ein Breitensportangebot lancieren. Die Berliner wollen ein ganz „normaler“ Verein sein, mit zahllosen Jugendmannschaften. Das lässt sich der Bundesliga- Klub einiges kosten. Jedes Mit- glied der Basketball-Bundesliga ist verpflichtet, mindes- tens 8 Prozent des Spieleretats für Nachwuchsarbeit auf- zuwenden. Bei Alba Berlin, dem Klub mit dem höchsten

14 Etat aller Bundesligisten, beläuft sich diese Quote auf über 10 Prozent. Eine marode Schulturnhalle, die die Bezirksverwaltung Berlin-Mitte nicht mehr unterhalten kann, wird vom Klub für 400 000 Euro renoviert und soll zum Zentrum der neuen „Jugendbewegung“ von Alba Berlin werden. Geleitet wird das Projekt vom ehemaligen Nationalspieler und Mitglied der Europameister-Mannschaft von 1993, Henning Harnisch.

O-Ton 16 Harnisch: „Das fängt bei den ganz, ganz Kleinen an, geht über Arbeit an den Schulen in den Schulen hin zu, dass wir jetzt durch diese neu gegründete Nachwuchsliga eine eigene Mann- schaft haben unter dem eigenen Namen Alba, die halt da spielt, d.h. dass unser sportliches Programm Richtung Alba- Profis früher anfängt, da steigen jetzt 15, 16jährige ein und es ist schon ein schönes Gefühl, die halt spielen zu sehen und die haben das Alba-Trikot an. Letztlich vielleicht am ehesten zu fassen so als Bild, also das Ziel ist, dass es bei uns jeden Tag rumwuselt, dass da sehr, sehr viele Kinder sind und dass wir innerhalb der Stadt Berlin, wir befinden uns hier am Prenzlauer Berg in einem innerstädtischen Stadtgebiet, dass wir da ein sportliches Angebot schaffen, was aber immer auch ein soziales Angebot ist.“

Autor: Das Programm solle keine erste Form von Talent- sichtung sein, sondern offen für alle, Jungen oder Mädchen, dick oder dünn, erläutert Harnisch.

O-Ton 16 a Harnisch:

„Es gibt halt letztlich nicht irgendein Ausschlussverfahren, aber und das ist jetzt der Schritt Richtung, sozusagen richtigen Spielern, ich glaub’ je größer die Breite ist, desto

15 mehr Spieler für die Spitze kriegen wir da raus und das ist relativ banal, aber daran müssen wir selbstverständlich ar- beiten.“

Autor: Das Ziel müsse sein, so Harnisch, Spieler zu gewinnen, die aus den unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen stammten.

O-Ton 16 b Harnisch: „Berliner Kinder, Jugendliche wachsen komplett anders auf, da gibt’s schon mit 12, 13 so ne bestimmte Straßencleverness, vor allen Dingen in den innerstädtischen Bezirken, die sich glaub’ ich durchaus eignet, grundsätzlich, dass daraus mal Spieler werden. Da ist schon sehr viel Instinkt da und so ne spielerische Freude an Dingen, also es kann nicht sein, dass wir nur jetzt Akademikerkinder, die halt keine Scheidungskinder sind bei uns aufnehmen würden, sondern das Ziel muss halt sein, diese unterschied- lichen sozialen Facetten möglich zu machen, heißt sich diesen Problemen, die ja durchaus auftauchen, zu stellen, gleichzeitig Jungs dadurch, dass wir ein sportliches Pro- gramm leben, den Jungs auch einen Weg zeigen und der Weg ist letztlich für ein Akademikerkind das gleiche wie für einen, der aus zerrütteten Verhältnissen kommt, aus nem sozialen Brennpunkt, ich glaub’ jeder Jugendliche hat Lust auf nen Weg, der halt Spaß macht.“

Atmo 3: Sporthalle – NBBL-Spiel Köln

Autor: Das erste Heimspiel der Kölner Mannschaft in der neu gegründeten Nachwuchs-Basketball-Bundesliga, kurz NBBL. 32 Mannschaften aus ganz Deutschland sind in der Liga am Ball. Nach einer Hauptrunde und Play-off-Spielen wird der Meister der unter 19jährigen in in einem Finalturnier Anfang Mai 2007 ermittelt.

16 Dieser strukturierte Wettbewerb, der von der Basket- ball-Bundesliga, dem Deutschen Basketball Bund und der 2. Liga in einer konzertierten Aktion aus der Taufe gehoben wurde, soll Niveau und öffentliche Wahr- nehmung des Jugendbasketballs in Deutschland nach- haltig steigern.

Atmo 4: Sporthalle – Auszeit im Spiel - Traineransprache

Autor: Die Kölner haben leichtes Spiel mit den Young Dragons aus Quakenbrück. Ein Sieg mit über 50 Punkten Unter- schied springt am Ende heraus. Philipp Schwethelm er- zielt 15 Punkte bei einer Spielzeit von 25 Minuten. Trotz dieser eklatanten Überlegenheit könne man auch aus solchen Spielen einiges mitnehmen, meint Philipp Schwethelm.

O-Ton 17 Schwethelm: „Man muss halt ein Team komplett führen und halt so ein bisschen den Mitspielern helfen und man lernt halt so Leader-Qualitäten zu bekommen und das bringt einen auf jeden Fall weiter. Das macht halt Spaß, weil es ne höhere Professionalität ist, auch von den Zuschauern und dem ganzen Drumherum als in den normalen Liga- spielen, ja ich denk so für die Spieler, die bis jetzt nicht so bekannt waren, ist das durch das Scouting und da- durch, dass mehr Interesse jetzt auf die Liga gesetzt wird, irgendwo ne gute Chance, sich zu empfehlen.“

Musik: Rapsoul – „Heb ab und flieg“

Autor: Philipp Schwethelm hat inzwischen seinen ersten Vertrag unterschrieben: drei Jahre bei RheinEnergie Köln. Beraten wurde er von dem Spieleragenten Geert Hammink, der ihn schon beim Turnier in Mannheim unter die Lupe genommen hatte.

17 Musik: Rapsoul – „Heb ab und flieg“

Gema: 1) „Slam Dunk“, Nino Garris & Phreaky Flave aus: „Slam Dunk, Basketball meets HipHop“ Track 2

2) “Groove Street”, Kasper Villaume aus: “Hands”, Track 8

3) ”Heb ab und flieg”, Rapsoul, aus: „Slam Dunk, Basketball meets HipHop Track 13

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