Archivbericht

Dieter Krüger / Dorothe Ganser

Quellen zur Planung des Verteidigungsbeitrages der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 1955 in westdeutschen Archiven'

Seit etwa 15 Jahren wendet sich die Zeitgeschichtsschreibung verstärkt der Frühphase der Bundesrepublik im Kontext der zeitgenössischen internationalen Entwicklung zu. Zwangs- läufig standen in diesen Jahren infolge des Krieges sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Fragen gegenüber der Sicherheitspolitik im Vordergrund der innenpolitischen Debatten und des Interesses der Bürger. Gleichwohl wurde nicht nur die Außen-, sondern auch die Innen- politik und die politische Kultur der frühen Bundesrepublik von der Auseinandersetzung um einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag nachhaltig geprägt. So in etwa lautet die Quint- essenz der beiden ersten Bände der vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgege- benen Reihe »Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik«'. Im Gegensatz zu diesen den aktuellen Forschungsstand wiedergebenden Bänden schöpften die nach wie vor wichtigen älteren Studien von Gerhard Wettig, Arnulf Baring, Edward Furs- don, Paul Noack, Gunther Mai und Klaus v. Schubert vorwiegend aus publizierten Quellen^. Von den jüngst erschienenen Arbeiten von Armand Glesse, Montecue Lowry und Rolf Stei- ninger führt eigentlich nur der letzte über den gegenwärtigen Stand hinaus^. Die nicht nur in der Bundesrepublik übliche Dreißig-Jahre-Sperrfrist für die Benutzung amt- licher Unterlagen"* erlaubt freilich mittlerweile die Benutzung und nicht zuletzt das Zitie- ren der bis zum Jahre 1960 schlußverfügten Akten; dies freilich nur, sofern sie nicht mehr als Verschlußsachen eingestuft sind. Der zentrale Aktenbestand des Bundesarchiv-Militärar- chivs zur Planungsphase westdeutscher Streitkräfte war bis vor circa drei Jahren noch in hohem Maße eingestuft, wurde aber in der Zwischenzeit weitgehend offengelegt'. Bei dem Bestand BW 9: Deutsche Dienststellen zur Vorbereitung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft (künf- tig nur: Bestand BW 9) handelt es sich um einen Mischbestand, der sich aus drei Provenien- zen speist. Zunächst finden sich hier die Akten der »Zentrale für Heimatdienst«. Unter die- ser Tarnbezeichnung firmierte der kleine Arbeitsstab, den der General der Panzertruppen a. D. Gerhard Graf v. Schwerin als erster Sicherheitsbeauftragter Adenauers zwischen Juli und Oktober 1950 unter dem Dach des Bundeskanzleramtes einrichtete''. Ferner finden sich hier die Akten des »Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen« bzw. des »Amtes Blank«, wie die Dienststelle nach ihrem Leiter, dem CDU-Bundestagsabgeordneten bald genannt wurde. Diese Anfang November 1950 ebenfalls unter dem Dach des Bundeskanzleramtes eingerichtete Dienststelle ging am 7. Juni 1955 in das Bundesverteidigungsministerium über. Ihm stand wiederum Blank vor'. Schließlich enthält dieser Bestand die Akten der deutschen Militär- delegation bei den Verhandlungen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG)'. Die Bezeichnung des Bestandes BW 9 ist insofern etwas mißverständlich, als seine Akten die Pha- se bis zum NATO-Beitritt abdecken und bis in die Frühzeit des Bundesverteidigungsministe- riums hineinreichen. Die Überlieferungen der beiden ersten Provenienzstellen wurden vom Bundesverteidigungsministerium und anderen Rechtsnachfolgern des Amtes Blank (etwa dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung) abgegeben. Dagegen gelangten die Akten der /91 Militärdelegation teilweise über das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes in das Militär-

121 archiv. Das Auswärtige Amt hatte bis zum Schluß die formale Federführung bei den EVG- Verhandlungen. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes findet sich dann auch die wichtigste korrespon- dierende Überlieferung. Das gilt besonders für den Bestand der (Politischen) Abteilung 2. Sie war als Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten ebenfalls im Bundeskanzleramt als Ver- bindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission ins Leben gerufen worden. 1951 ging sie im neu gegründeten Auswärtigen Amt auP. Trotz der zumindest anfangs wichtigen Stellung des Leiters der Dienststelle ist der Nachlaß von Herbert Blankenhom im Bundesarchiv ziemlich unei^iebig'°. Allerdings finden sich hier Dokumente zur Sicherheitspolitik, die in den einschlägigen Beständen des Auswärtigen Amtes noch als Verschlußsachen eingestuft sind. Dagegen enthält der ebenfalls hier verwahrte Nach- laß des ersten Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Walter Hallstein, zahlreiche persönli- che Aufzeichnungen, Sitzungsprotokolle des Bundeskabinetts und Notizen über Gespräche, unter anderem mit den neben Blankenborn und Hallstein selbst wichtigsten Mitarbeitern Konrad Adenauers, Hans Globke und . Der Nachlaß Glohke im Archiv für Christ- lich-Demokratische Politik dürfte ebenso Hinweise zum Gesamtkomplex bieten wie der Nachlaß Lenz am selben Ort. Der Nachlaß Lenz enthält tagebuchartige Aufzeichnungen, Unterlagen zur Werbung für den Verteidigungsbeitrag und umfangreiche Korrespondenz (unter ande- rem mit dem Bundeskanzler)". Im eigentlichen Bestand Bundeskanzleramt des Bundesarchivs fanden — der Natur dieser Koordinationsstelle der Regierungsarbeit entsprechend — viele Aspekte der Planung westdeutscher Streitkräfte ihren Niederschlag. Freilich ist ein Teil der einschlägigen Akten mit der Abteilung Blankenborn ins Auswärtige Amt übergegangen. Die Haltung Adenauers als des zwar umstrittenen, letztlich aber ausschlaggebenden Lenkers der bundesdeutschen Außenpolitik ist durch einschlägige Publikationen hinreichend doku- mentiert'^. Der im Nachlaß Adenauer der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus verwahrte (und weitgehend edierte) Schriftwechsel des Bundeskanzlers mit Privatpersonen, Politikern und Journalisten zum Gesamtkomplex enthält meist nur sehr knappe Hinweise zur Sicher- heitspolitik". Das entspricht seiner allgemein geübten geringen Mitteilsamkeit bei der Vor- bereitung von Entscheidungen zur auswärtigen Politik. In den immer noch als Verschlußsa- chen geführten Bestandsteilen befinden sich teilweise die Aufzeichnungen der Dolmetscher über Gespräche, die Adenauer mit ausländischen Politikern und Diplomaten führte. Im Gegen- satz zum Bundeskanzler ist dem Bundespräsidenten außenpolitische Zurückhaltung aufgege- ben, woran sich strikt hielt'"'. Die Vorbereitung des Verteidigungsbeitrages berührte die Zuständigkeit zahlreicher Ressorts. Deren vom Bundeskanzler aufgrund der Richtlinienkompetenz nach Artikel 65 Grundge- setz geleitetes Zusammenwirken ist zunächst durch die bis zum Jahre 1953 gediehene Edi- tion der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung dokumentiert". Sie können gleichsam als Leitfaden dienen, um zu den jeweiligen Aspekten auch die im Bundesarchiv verwahrten (und unterschiedlich erschlossenen) Bestände der Ressorts zu nutzen. Schließlich sei noch auf die Länder verwiesen. Durch die Stuttgarter SPD/FDP-Koalition Rein- hold Maiers ging die Mehrheit der Regierungsparteien im Bundesrat 1952 verloren. Obwohl die Länderkammer am Ende den Verträgen zustimmte und ihren außenpolitischen Handlungsspiel- raum freiwillig begrenzte, ließ sie sich nicht von Adenauer bevormunden'^. Die Haltung des Bundesrates hat sich zunächst in den Beständen Ausschuß des Bundesrates für Auswärtige Ange- legenheiten \inA Ausschuß für Verteidigung {bzw. Sonderausschuß Europäische Sicherheit) der Abteilung Dokumentation des Bundesrates niedergeschlagen. In Einzelfällen kommen ferner die Akten des Finanzausschusses, des Rechtsausschusses und anderer Ausschüsse in Frage.

122 Für die Politik der einzelnen Bundesländer sind vorwiegend die Akten ihrer Staatskanzleien maßgebend. So enthält der Bestand Senatskanzlei II des Staatsarchivs Hamburg eine Akten- gruppe zu Fragen der europäischen Verteidigung. In den Unterlagen des damaligen Ersten Bürgermeisters Max Brauer im Familienarchiv Brauer desselben Archivs findet sich nur eine Akte mit Informationen zur Verteidigungspolitik. Der Bestand Senatskanzlei des Staatsarchivs Bremen enthält Unterlagen zu Militärangelegenheiten und Handakten des Senatspräsidenten Wilhelm Kaisen zum Verteidigungsbeitrag. Der Nachlaß Kaisen bietet wohl ebenfalls einige ergänzende Hinweise. Der Bestand Staatskanzlei des Hauptstaatsarchivs Hannover enthält unter den Schlagworten Bundeswehr, Bundesgesetzgebung, Europa und Bundesrat einschlägiges Mate- rial. Der Bestand Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund desselben Archivs bietet Mate- rial zum Verteidigungsausschuß des Bundesrates. Im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf kommtn neben dem Bestand Staatskanzlei mit Unterlagen zur Außenpolitik auch die Bestände Justiz- ministerium und Wirtschaftsministerium in Frage. In ersterem befinden sich Akten zum Besat- zungsstatut, Deutschlandvertrag und zum Verteidigungsabkommen, im zweiten Hinweise zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Im Bestand Staatskanzlei des Landeshauptarchivs Kohlenz sind wohl vor allem die Unterlagen aus der Serie Bundesrat von Interesse. Zahlrei- ches einschlägiges Material enthalten auch die Bestände Staatsministerium, Innenministerium, Landespolizeipräsidium und Finanzministerium des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Dagegen ist der ebenfalls dort liegende Nachlaß des Ministerpräsidenten Reinhold Maier — der die Sicher- heitspolitik Adenauers und vor allem die Methoden ihrer Durchsetzung mit Skepsis betrach- tete — relativ unergiebig. Von großem Interesse dürften die Akten der bayerischen Staatsregierung sein, fühlte sich die- ses Bundesland doch traditionell als Hüterin des Föderalismus. Überdies weist es eine durch die Nachkriegszeit vergleichsweise ungebrochene Verwaltungskontinuität auf. So finden sich im Bestand Bayerische Staatskanzlei des Hauptstaatsarchivs München neben Sammelakten zur Außenpolitik und zur Wiederbewaffnung bzw. Bundeswehr vor allem mehrere Handakten zur EVG-Konferenz, zur Londoner Neun-Mächte-Konferenz über den NATO-Beitritt, zum Deutschland- und zum EVG-Vertrag sowie zum Komplex Wehrrecht und Wehrverfassung. Desgleichen enthält auch der Bestand Bevollmächtigter Bayerns beim Bund/Dienststelle Bonn neben einem Sammelakt zu Wehrfragen und zum Deutschland- und EVG-Vertrag Unterla- gen zum Wehrrecht und zur Änderung des Grundgesetzes.

I. Außenpolitische Aspekte

Die Überlegungen der Westmächte zu einem westdeutschen Verteidigungsbeitrag bis zu den Beschlüssen der New Yorker Außenministerkonferenz im September 1950 und des Nord- atlantikrates in Brüssel im Januar 1951 sowie Adenauers sicherheitspolitische Forderungen'^ schlugen sich zunächst in dessen Verhandlungen mit den Alliierten Hohen Kommissaren nieder'®. Unter der Führung Blanks verhandelte eine deutsche Delegation, bestehend aus den Generalleutnanten a.D. Hans Speidel und Adolf Heusinger sowie dem Oberst a.D. Johann Adolf Graf v. Kielmansegg, mit den stellvertretenden Hohen Kommissaren über Vorausset- zungen und Strukturen einer westdeutschen Streitmacht im Rahmen des NATO-Bündnis- ses. Diese von Januar bis Juni 1951 stattgefundenen »Petersberger Gespräche«" sind durch die Mitschriften im Nachlaß Kielmansegg im Bundesarchiv-Militärarchiv dokumentiert. Auf deren Grundlage sind wohl die Protokolle im Bestand BW 9 und im Nachlaß Speidel ent- standen.

123 Freilich wurden die Petersberger Verhandlungen durch die am 15. Februar 1951 in Paris eröff- nete Konferenz über den nach dem damaligen französischen Ministerpräsidenten benannten Pleven-Plan relativiert. Unter dem anhaltenden Trauma einer neuerlichen deutschen Aggres- sion und der gleichzeitig akzeptierten Notwendigkeit, das westdeutsche Verteidigungspoten- tial gegen die Sowjetunion zu aktivieren, hatte Frankreich im Oktober 1950 eine supranatio- nale westeuropäische Streitmacht vorgeschlagen. In diese sollte das westdeutsche Kontingent integriert werden. Dabei blieb Frankreich beharrlich bemüht, den Deutschen die geforderte Gleichberechtigung zu verweigern. Nachdem im Sommer 1951 die Angelsachsen auf dieses Konzept eingeschwenkt waren, begann man mit der Ernennung Blanks zum Delegationschef und Speidels zum Militärdelegierten auch auf deutscher Seite dieses Konzept zu favorisieren. Nach Unterzeichnung des EVG-Vertrages am 27. Mai 1952 intensivierten sich die militäri- schen Vorbereitungen im sogenannten Interimsausschuß. Er wurde von deutscher Seite haupt- sächlich mittels der Militärdelegation durch das Amt Blank gesteuert. Die übrigen Ressorts waren durch eigene Delegierte vertreten. Der EVG-Vertrag hatte den Grundwiderspruch der französischen Forderung nach maximaler Integration Westdeutschlands bei maximaler eige- ner Handlungsfreiheit nicht gelöst. Mit dem Vorschlag von eher vertragsändernden als inter- pretierenden Zusatzprotokollen im Februar 1953 wurde der langwierige Prozeß eingeläutet, in dem sich Frankreich allmählich von dem Gesamtprojekt absetzte. Mit der Ablehnung des EVG-Vertrages durch die französische Nationalversammlung am 30. August 1954 war das Pro- jekt endgültig gescheitert. Die militärischen Planungen des Interimsausschusses waren unter- dessen voll weiter gelaufen^". Trotz einiger Überschneidungen ist der Bestand »Sekretariat für die Fragen des Pleven-Plans« des Politischen Archivs dem Bestand BW 9 vorgeschaltet. Das Sekretariat ressortierte zunächst innerhalb des Sekretariats für den Schuman-Plan und ging dann im Referat 215 (»Europäi- sche Verteidigungsgemeinschaft) des Auswärtigen Amtes auf. Das Referat 215 selbst wurde 1954 aufgelöst. Die Frühzeit der EVG-Verhandlungen ist in den Unterlagen des Sekretariats für den Pleven-Plan umfassender und systematischer dokumentiert als im Bestand BW 9. Die hier vorhandenen Handakten Hallsteins beinhalten die Protokolle der verschiedenen Aus- schüsse der EVG-Konferenz. Die Handakten des Delegationsmitgliedes Carl Friedrich Ophüls enthalten einen Vergleich zwischen Schuman- und Pleven-Plan. Unter dem Rubrum »Archiv- sammlung« birgt der Bestand schließlich noch vermischte Dokumente, unter anderem die Erarbeitung eines Runderlasses über die EVG an die Auslandsmissionen im Spätsommer 1951, die internen deutschen Besprechungen und Instruktionen für die deutsche Delegation sowie Unterhaltung zur amerikanischen und niederländischen Haltung zur EVG. Im Herbst 1951, nach der Übernahme der Delegationsleitung durch Blank und dem Amts- antritt Speidels, setzt dann eine direkte Überlieferung des gesamten EVG-Prozesses im Bestand BW 9 ein. Dabei muß man zwischen den Akten des die Militärdelegation steuernden Amtes Blank und denen der Militärdelegation vor Ort in Paris unterscheiden. In letzteren findet sich die serielle Überlieferung der Protokolle und Dokumente der verschiedenen Ausschüsse (vor allem Militär-, Statut-, Juristen-, Finanz- und Organisationsausschuß) des im Sommer 1952 als Nachfolger der Vertragskonferenz ins Leben gerufenen Interimsausschusses. Er soll- te die EVG bis zu deren Inkrafttreten nach der Ratifikation der Verträge vorbereiten. Ahnlich wie der Bestand BW 9 dokumentieren die Unterlagen des Bestandes der Abteilung 2 des Auswärtigen Amtes die Komplexe EVG-Vertrag mit Nebendokumenten sowie deren Ratifikation durch die Nationalparlamente, Territorialorganisation, Militärpolizei, Zoll- und Steuerwesen sowie das Verhältnis zwischen NATO und EVG. Gerade in der Frage der fran- zösischen Zusatzprotokollentwürfe erlauben diese Akten Rückschlüsse auf die ressortspezifi-

124 sehe Perzeption und Konzeption des EVG-Prozesses. Ferner finden sich hier Unterlagen über die verschiedenen Außenministerkonferenzen zwischen 1950 und 1954 einschließlich der Ber- liner Vier-Mächte-Konferenz vom Februar 1954^', in denen die Reaktion der Regierungen auf die EVG-Verhandlungen zum Ausdruck kommt. Sodann enthält dieser Bestand einige Hinweise zum Europarat und zur Europäischen Versammlung und deren Beziehungen zur EVG. Schließlich sind die Unterlagen über die im September/Oktober 1953 in Rom stattge- fundene Konferenz der stellvertretenden Außenminister über eine Europäische Politische Gemeinschaft nebst ihrer Vorbereitung erwähnenswert. Dieses Vorhaben sollte der EVG und Montanunion gleichsam ein politisches Dach verschaffen. Ganz zentral und in der Gesamt- überlieferung eher singulär ist die Berichterstattung aus den Ländern. Aus ihrer Perspektive vor Ort berichten die deutschen Diplomaten über das Verhältnis des jeweiligen Landes zur EVG, über den Prozeß der Ratifikation des EVG-Vertrages sowie über das Verhältnis zur Bun- desrepublik und ihrer Bewaffnung^^. Auch die Akten des Interministeriellen Ausschusses zur Instruktion der deutschen Delegation und zu deren internen Geschäftsangelegenheiten sind hier gut überliefert. Für die Benutzung gesperrt ist der als Verschlußsache eingestufte Teil des Bestandes Büro Staats- sekretäre des Politischen Archivs. Hier sind die Unterlagen zu den Besuchen des Bundeskanz- lers in London (1951) und in Nordamerika (1953) sowie zur Reise Hallsteins in die USA (1952) von Interesse. Ansonsten scheinen die Komplexe Außenministerkonferenzen, EVG- Konferenz 1952, Londoner Konferenz 1954 und Verhandlungen über einen europäischen Rüstungspool auch durch die Unterlagen in anderen Beständen gut dokumentiert. Obwohl eine erhebliche Doppelüberlieferung zu den im Bestand BW 9 vorhandenen, bis Herbst 1955 reichenden Handakten des militärischen Chefdelegierten vorliegt, stellt der Nach- laß Speidel eine wichtige Ergänzung zu den staatlichen Unterlagen dar^^. Dabei vermitteln die (auch weitgehend in BW 9 befindlichen) Notizen über Gespräche mit ausländischen Diplo- maten und Militärs einen guten Eindruck von der Meinungsbildung im jeweiligen Lande. In seiner — bisweilen durch breite Darstellung seiner kulturellen Interessen und Kontakte mit Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur in ihrem historischen Wert etwas beeinträchtig- ten — Autobiographie widmet Speidel überdies ein Kapitel seiner Tätigkeit in Paris^"*. Gleich- sam als Vorgänger Speidels fungierte der erste deutsche Militärexperte der Pariser Delega- tion, der Oberstleutnant a.D. Ulrich de Maiziere. Er beschreibt, ebenfalls in seiner Autobio- graphie, die Frühphase der EVG-Verhandlungen bis etwa Sommer 1951^^ Auch durch den Nachlaß de Maiziere im Bundesarchiv-Militärarchiv und den Nachlaß Kielmansegg erfährt die Dokumentation der internationalen Konferenzen zur EVG manche Ergänzung. Die Finanzierung der EVG berührte gleichzeitig verschiedene Problemkreise: das souveräne Recht der Nationalparlamente zur Budgetbewilligung, der von der Knappheit der Ressour- cen ausgelöste Zielkonflikt zwischen Wiederaufbau und Aufrüstung, die Verteilung der Kosten auf die verschiedenen Staaten und das Bestreben der Bundesrepublik, ihre Besatzungsleistun- gen im Maße wachsender Verteidigungsleistungen zu senken^^. Die Finanzverhandlungen sind sowohl im Bestand BW 9 als auch in den Handakten der Delegationsmitglieder Ophüls und Hädrich im Bestand Sekretariat für den Pleven-Plan dokumentiert. Neben Hinweisen in den Beständen Bundeskanzleramt und im Nachlaß Hallstein sind im Bestand Bundesmini- ster der Finanzen im Bundesarchiv einige Bände des Ministerbüros zum Verteidigungsbeitrag erhalten, darunter auch eine Akte zum Haushalt der EVG. Der Bestand Bundesminister für den Marshall-Plan bietet ebenfalls Unterlagen zum finanziellen und wirtschaftlichen Vertei- digungsbeitrag sowie zum Verhältnis von Handels- und Verteidigungspolitik allgemein. Insge- samt dürften gerade hier Hinweise zur Perzeption des Widerspruchs zwischen Wiederaufbau

125 und Wiederaufrüstung zu erwarten sein. Ergänzend wäre der Nachlaßdss ersten Finanzmini- sters der Bundesrepublik, Fritz Schäffer, ebenfalls im Bundesarchiv, heranzuziehen. Er ent- hält einige Unterlagen zum finanziellen Verteidigungsbeitrag, aber auch zu den Komplexen Besatzungsstatut, Alliierte Hohe Kommission und Verteidigungsrat. Mit der EVG war vorerst auch die Außenpolitik der Bundesregierung gescheitert. In dieser Situation ergriff Großbritannien mit Unterstützung der USA die Initiative. Der direkte NATO- Beitritt der Bundesrepublik sollte Frankreich durch deren gleichzeitige Einbindung in die europäische Struktur des Brüsseler Paktes annehmbar gemacht werden. Mit dem Ziel, die Bundesrepublik möglichst nur in den Brüsseler Pakt aufzunehmen, diesen mit einer supra- nationalen Rüstungsbehörde auszustatten und der Bundesrepublik massive Produktionsbe- schiänkungen aufzuerlegen, setzte Frankreich seine alte Strategie fort. Auf den Konferenzen von London vom 28. September bis 3. Oktober und von Paris vom 19. bis 23. Oktober 1954 konnte sich Frankreich freilich nicht durchsetzen. Nach dem freiwilligen Verzicht auf die Produktion bestimmter Rüstungsgüter und dem Beitritt zu den rechtlichen Bindungen der Westeuropäischen Union (WEU) wurde die Bundesrepublik am 9. Mai 1955 weitgehend sou- veränes und gleichberechtigtes Mitglied der NATO. Dem französischen Versuch, Anfang 1955 den supranationalen Rüstungspool im Rahmen der WEU doch noch durchzusetzen, war kein Erfolg beschieden^^. Neben den Erinnerungen Speidels vermitteln vor allem diejenigen de Maizieres einen guten Eindruck von der nach dem Scheitern der EVG mit der Zielsetzung einer nationalen Armee im NATO-Bündnis fortgesetzten deutschen Politik und Planung^®. Dabei konnte sich de Mai- ziere nicht zuletzt auf seine 1954 einsetzenden persönlichen Tagebücher in seinem Nachlaß stützen. Der Bestand Abteilung 2, Referat 211 des Politischen Archivs dokumentiert zunächst die Reaktion der Staaten auf das Scheitern der EVG und auch die Bonner Bemühungen, die mit dem EVG-Vertrag verknüpfte Revision des Besatzungsstatuts dennoch zu erreichen (dabei finden sich Entwürfe von Regierungserklärungen). Die Beitrittsverhandlungen selbst, insbe- sondere die Londoner Neun-Mächte-Konferenz, haben sich hier ebenso vielfältig niederge- schlagen wie im Bestand BW 9. Letzterer erhält zahlreiche Hinweise zu Rüstungsorganisatio- nen im Rahmen der WEU. Natürlich finden sich Unterlagen zur NATO aus der Zeit vor dem Beitritt in beiden Beständen und ab 1954 auch im Bestand Bundeskanzleramt. Das gilt nicht zuletzt für die sogenannten NATO-Fragebögen, mit denen die finanzielle und wirt- schaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten für Verteidigungszwecke festgestellt wurde. Unterlagen dazu befinden sich vor allem im Bestand BW 9, aber auch im Bestand Bundesmi- nister für den Marshall-Plan. Auch die Nachlässe Speidel, Kielmansegg, de Maiziere und Hall- stein bergen ergänzende Quellen. Im Nachlaß Heinrich v. Brentanos im Bundesarchiv, den Adenauer 1955 zum Außenminister machte, findet sich Schriftwechsel mit Blank, der eben- falls Fragen der Sicherheitspolitik berührt. Schließlich enthält der Bestand Referat 211 wie- derum diplomatische Berichte und Presseanalysen zur Politik der fremden Staaten in den Jahren 1953 bis 1955. Adenauer verband den deutschen Verteidigungsbeitrag mit der Ablösung des Besatzungssta- tuts durch eine vertragliche Regelung auf der Grundlage größtmöglicher deutscher Gleich- berechtigung. Seit Mai 1951 intensivierten sich auch diese Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission. Dabei leitete formell Hallstein, faktisch Wilhelm Grewe die deutsche Delegation^'. Das Amt Blank war an den Verhandlungen beteiligt. Im Herbst 1951 stellten die Westmächte ein formelles Junktim zwischen Annahme des EVG-Vertrages und der Ablö- sung des Besatzungsstatuts her. Ein wichtiger Unterpunkt war der Abschluß eines Abkom- mens über die Stationierung alliierter Truppen. Es gelang der deutschen Seite jedoch erst im

126 Zuge der NATO-Beitrittsverhandlungen, das Truppenabkommen soweit zu verbessern, daß die alliierten Truppen nicht mehr ausschließlich aufgrund von Siegerrech:, sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarungen stationiert blieben. Der Generalvertrag samt Truppenabkom- men wurde zwar wie der EVG-Vertrag am 26. Mai 1952 unterzeichnet, in Kraft trat er frei- lich erst nach dem Beitritt zur NATO bzw. WEU'°. Die wichtigsten Unterlagen zu diesem Komplex bergen die Akten der Delegation für die Ablö- sung des Besatzungsstatuts. Sie befinden sich im Bestand Abteilung 2 des Politischen Archivs. Allerdings ist dieser Bestand noch als Verschlußsache eingestuft und somit für Benutzungen gesperrt. Die direkten Verhandlungen Adenauers sind dagegen publiziert^'. Ebenfalls als Ver- schlußsache eingestuft sind die circa 180 Bände zur Verhandlung des Truppenabkommens im Teilbestand Referat 507 der (Rechts-jAbteilung Um so bedeutsamer ist in diesem Fall die ergiebige Parallelüberlieferung im Bestand BW 9 (vor allem in den Unterlagen der Zentralab- teilung) und in den übrigen Akten der Abteilung 2. Neben dem Bestand Bundeskanzleramt enthält der Bestand Bundesminister für Wirtschaft einiges ergänzendes Material zu rechtli- chen, materiellen und organisatorischen Fragen des Truppenvertrages. Auch im Bestand Bun- desminister für Verkehr des Bundesarchivs finden sich noch einige Unterlagen zur Revision des Besatzungsstatuts auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt und zur Wiederherstellung der deutschen Lufthoheit im Zusammenhang mit der Londoner Neun-Mächte-Konferenz. Schließ- lich sei noch auf den Nachlaß von Franz Blücher des Bundesarchivs und den Nachlaß Hall- stein verwiesen. Uber die Haltung der Länder zur Revision des Besatzungsstatuts enthält auch der Bestand Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder des Bundesar- chivs einige Hinweise. Ferner sei an die Staatskanzleien der Länder erinnert. So finden sich im Bestand Bayerische Staatskanzlei Akten zum Besatzungsstatut, zu dessen Revision, zu den Besatzungskosten, zum Besatzungsrecht im Kulturbereich sowie zur Geltung und Aufhebung des Besatzungsrechts.

n. Militärische Planung

Sieht man von den bescheiden ausgerüsteten und dezentralisierten Polizeikiäften der Länder ab, so stand die Bundesrepublik nach ihrer Gründung ohne Sicherheitskräfte da. Offiziell verfolgten die Besatzungsmächte noch die Entmilitarisierung, während sie intern schon einen Verteidigungsbeitrag diskutierten. Sehr verdeckt verband Adenauer seine Forderung nach der alliierten Sicherheitsgarantie mit dem Vorschlag einer Bundesbereitschaftspolizei als Gegen- gewicht zu den ostdeutschen paramilitärischen Verbänden. Seit Mai 1950 betrieb Schwerin im Auftrag des Bundeskanzlers mit einem kleinen Stab die Planung einer Bundesgendarme- rie sowie eines Schutz- und Begleitkommandos der Bundesregierung. Daneben beschäftigte man sich bereits mit organisatorischen und personellen Fragen künftiger, möglicherweise aus der Bundesgendarmerie hervorgehender Streitkräfte. Im Herbst scheiterte Schwerin haupt- sächlich am Widerstand der Länder und der Alliierten gegen eine Bundespolizei^^. Abgesehen von den Akten Schwerins im Bestand BW 9 haben sich diese Überlegungen zur Bundesgendarmerie vor allem im Bestand Bundesminister des Innern niedergeschlagen. Da die Polizeihoheit der Länder tangiert war, finden sich auch im Bestand Bundesratsministerium Hinweise zum Themenkomplex. Das Bundesinnenministerium stellte schließlich den Bun- desgrenzschutz in eigener Kompetenz und mit etwas anderer Aufgabenstellung auP. Der Nachlaß des Staatssekretärs im Innenministerium, Hans Ritter von Lex bietet wichtiges ergän- zendes Material, ist aber derzeit nicht benutzbar. Dafür enthält der Nachlaß von Hermann

127 Pünder des Bundesarchivs noch einige Unterlagen zur Bundesbereitschaftspolizei. Der 1952 verstorbene Bundesminister für Wohnungsbau, Eberhard Wildermuth — ein Oberst der Reser- ve a. D. —, nahm regen Anteil an der Planung der Streitkräfte. Folglich finden sich im Nach- laß Wildermuth, ebenfalls im Bundesarchiv, zwei Aktenbände zur Geschichte der Dienststel- le Schwerin und zu den Anfängen des Amtes Blank. Im Institut für Zeitgeschichte liegt der Nachlaß Graf v. Schwerin, der jedoch kein Material zur Geschichte der Zentrale für Heimat- dienst enthält'"*. Schon zu Beginn seiner Tätigkeit hatte Schwerin seinem Mitarbeiter Achim Oster den Auf- trag gegeben, für das Kanzleramt einen Nachrichtendienst zu organisieren. Dieser sollte sich nicht ausschließlich, aber hauptsächlich mit der Feindaufklärung in der DDR beschäftigen. Zu diesem Zwecke richtete Oster die nach seinem Leiter »Friedrich-Wilhelm Heinz-Dienst« (später: »Archiv für Gegenwartsforschung«) benannte Nachrichtenorganisation ein. Rivali- sierend mit der »Organisation Gehlen« betrieb der dem Metier gemäß schillernde ehemalige Oberstleutnant in der Abteilung Abwehr von Admiral Wilhelm Canaris von 1950 bis 1953 mit insgesamt wohl gutem Erfolg die nachrichtendienstliche Aufklärung für die Dienststel- len Schwerin und Blank'^. Zweifellos beeinflußten die bis 1955 zusammengestellten Erkennt- nisse des Dienstes die Bedrohungsanalyse des Kanzlers und seiner Mitarbeiter. Die in ihrer Bedeutung als historische Quelle bislang wohl noch nicht recht gewürdigten Berichte des Dienstes und die Unterlagen zu dessen eigener Entwicklung befinden sich im Bestand BW 9 und sind dort teilweise benutzbar''. Von den zahlreichen früheren Wehrmachtsoffizieren, die sich mit der Frage eines westdeut- schen Verteidigungsbeitrages beschäftigten, fand der in württembergischen politischen Krei- sen verankerte Speidel — nicht zuletzt über Wildermuth — schon früh das Ohr des Kanzlers. Während der Stern Schwerins zu sinken begann, gewannen die Vorstellungen Speidels und der ihm verbundenen Generale a. D. Heusinger und Hermann Foertsch Anklang. Die Zen- trale für Heimatdienst organisierte dann im Oktober 1950 die von Offizieren sowohl des Kreises um Wildermuth als auch von Kandidaten Schwerins besuchte, nach dem Tagungsort benannte »Himmeroder Konferenz«. Die hier formulierte Denkschrift kann gleichsam als Ausgangsdokument der gesamten künftigen militärischen Planung gelten". Die Konferenz ist, abgesehen von den Akten der Dienststelle Schwerin, durch die Nachlässe Speidel und Kielmansegg gut dokumentiert. Da Kielmansegg in die neu gegründete Dienst- stelle Blank übernommen wurde, neben Speidel und Heusinger mit Blank die Petersberger Verhandlung führte und schließlich alle drei zur militärischen Führungsgarnitur des Amtes und der späteren Bundeswehr aufrückten, sind diese Nachlässe von zentraler Bedeutung für die gesamte militärische Planung in fast allen ihren Aspekten sowie für die Frühzeit der Bundeswehr". Die im Vergleich zu seinem Vorläufer gänzlich andere Struktur des Amtes Blank brachte eine dreifache Absicht Adenauers zum Ausdruck. Zunächst hatte die Planung von Streitkräften konkret und zwangsläufig auch in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner der »Remilitarisierung« zu erfolgen. Nichtsdestoweniger sollte das Planungsamt keine Eigendy- namik nach Art eines verantwortlichen Ressorts entwickeln, sondern vielmehr im direkten Einflußbereich des Kanzlers bleiben. Schließlich war die Priorität des Zivilen über das Mili- tärische unmißverständlich klarzustellen. Folgerichtig berief Adenauer einen Parlamentarier mit etwas militärischer Erfahrung als Reserveoffizier, ohne ihm freilich auch nur annähernd die Qualität eines Ministers zu verleihen. Vielmehr machte bereits die Amtsbezeichnung die Unterstellung unter den Kanzler ohne eigene parlamentarische Verantwortlichkeit für sein Amt deutlich. Andererseits verlieh das Abgeordnetenmandat Blank auch gegenüber den Alli-

128 ierten Gewicht, das er sogleich nutzte, um äußerliche Diskriminierungen der Deutschen zurückzuweisen''. Stellvertreter Blanks wurde ein Ministerialbeamter (Wolfgang Holtz) und Leiter der wichtigen Zentralabteilung ein ehemaliger persönlicher Referent Adenauers mit bekanntermaßen großer Reserviertheit gegenüber Wehrmachtsoffizieren (Ernst Wirmer). Obwohl die von ehemaligen Offizieren zu leistende militärische Planungsarbeit mit den Jah- ren erheblich zunahm, blieb die von Heusinger geleitete militärische Abteilung eine neben schließlich fünf rein zivilen Abteilungen"'''. Dabei standen den zivilen Beamten ehemalige Offiziere mit kündbaren Angestelltenverträgen (oft nur Zeitvertiägen) gegenüber. Insbeson- dere bei der Rekrutierung des militärischen Personals spielten persönliche Bekanntschaften eine große Rolle. Gleichwohl bedurfte ein Kandidat immer auch der Zustimmung der zivi- len Zentralabteilung. Folgerichtig haben sich die militärischen Planer, mit Ausnahme Bogis- lav v. Bonins, den politischen Vorgaben weitestgehend gefügt. Bei der Neubildung der Bun- desregierung im Oktober 1953 zählte das Amt bereits circa 700 Bedienstete. Vergeblich for- derte Blank jetzt ein reguläres Ministerium. Es wurde ihm erst nach dem formellen NATO- Beitritt gewährt. Eineinhalb Jahre nach dem Beitritt trat Blank, politisch und persönlich ver- schlissen, zurück''^ Die anfängliche Aufgabe, mit den Alliierten die aus der Verstärkung ihrer Stationierungstrup- pen resultierenden Infrastruktur- und Beschaffungsfragen zu verhandeln, wurde bald von der Planung deutscher Streitkräfte verdrängt. Das Amt Blank hatte die deutsche Konzeption zu erarbeiten und sie in Abstimmung mit den betroffenen Ressorts über die Pariser Delegation in die EVG-Verhandlungen einzubringen. Nur die wichtigsten Komplexe lassen sich nennen: Supranationale und nationale Spitzengliederung, supranationale und nationale Wehrverwal- tung, Territorialwesen, Rüstung und Beschaffung, Bereitstellung von Unterkünften und Liegen- schaften, Gliederung, Aufstellung, Ausbildung und inneres Gefüge der Truppen, Dienstgrup- pen"*^, Soldatenverbände, Mitarbeit an den Wehrgesetzen und Rekrutierung des Führungsper- sonals der Anfangsphase. Neben den Unterlagen des Bestandes BW 9 ist die Geschichte des Amtes Blank durch einen (gesperrten) Band Handakten im Nachlaß Blank im Archiv für Christlich-Demokratische Poli- tik dokumentiert. Er enthält den aufschlußreichen Schriftwechsel mit Adenauer sowie Mini- stervorlagen und Vorlagen für den Bundeskanzler zu Grundfragen der Planung und Aufstel- lung''^ Im Nachlaßsplitter Fett im Militärarchiv findet sich die Niederschrift einer Befragung von Kurt Fett, Senioroffizier der Pariser Militärdelegation und ab 1953 Leiter der Unterab- teilung Planung im Amt Blank, durch Dietrich Genschel im Jahre 1969. Fast noch aufschluß- reicher sind die kritischen Rückblicke auf die organisatorische, finanzielle und personelle Entwicklung des Amtes (insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Beamten zu Solda- ten), die der seit 1951 mit Personalplanung beschäftigte Siegfried Schulz, ebenfalls in einer Befragung durch Genschel, mitteilt. Das Manuskript liegt im Nachlaßsplitter Schulz im Militär- archiv. Von ähnlichem Interesse dürfte ein stark persönlich gefärbter Rückblick auf die Ge- schichte der Planungsphase von den Überlegungen des Wildermuth/Speidel-Kreises über die Dienststellen Schwerin und Blank bis zu den Problemen der Bundeswehr in der Anfangsphase sein, die der General a. D. Leo Geyr v. Schweppenburg 1968 für das Institut für Zeitgeschich- te anfertigte. Geyr war ein Kritiker nicht nur des EVG-Vertrages, sondern vor allem auch des Amtes Blank und seiner in seinen Augen frontunerfahrenen Führungsgarnitur (»OKW- Clique«). Ferner warnte der eigenwillige Mann immer wieder vor der neonazistischen und reaktionären Unterwanderung der bundesdeutschen Verwaltung. Seine kritische Beobach- tung der Planungsphase schlug sich in einem umfangreichen Briefwechsel mit den Genera- len a.D. Heinrich Eberbach, Hans Speidel, Adolf Kuntzen, Gerhard Matzky, den Mitarbei-

129 :ern des Amtes Blank v. Kielmansegg und Bernhard v. Ciaer sowie mit den Politikern Franz- Josef Strauß, Gebhard Müller, und vielen anderen nieder. Diese Unterlagen befinden sich im Nachlaß Geyr v. Schweppenhurg im Institut für Zeitgeschichte. Neben dem Nachlaß Kielmansegg enthalten die Nachlässe von Wolfgang Cartellieri im Bundesarchiv sowie Wirmer und Erich Dethleffsen im Militärarchiv Hinweise zu Organisation und Personal des Amtes Blank'*'^. Im Nachlaß von Hans Meier-Welcker finden sich schließlich noch ergänzende Hin- weise zur Organisation des Militärarchivwesens'*^. Zur Gestaltung der Wehrverwaltung, der militärischen Territorialorganisation und der Hei- matverteidigung — die Frankreich gegen deutschen Widerstand weitgehend nationaler Ver- fügung entziehen wollte"" — enthalten der Bestand der Abteilung 2 des Auswärtigen Amtes und vor allem die Bestände Bundesminister des Innern und Bundesminister der Justiz im Bun- desarchiv wichtige Unterlagen in Ergänzung zum Bestand BW 9. Ferner enthalten die Bestände Abteilung 2 und Bundesminister des Innern Akten zum Statut der Zivilangestellten der EVG und zur Besteuerung des EVG-Personals. Die künftige Rüstungsorganisation wurde teilstreitkraftübergreifend als zivile Wehrverwal- tung konzipiert. Politische Brisanz verliehen dem Thema insbesondere französische Ängste vor der Wiedergeburt der deutschen Rüstungsindustrie. Selbst die deutsche Industrie verhielt sich zunächst abwartend. Zudem mußte ein Großteil der Anfangsausstattung zwangsläufig aus amerikanischen Arsenalen kommen. Bis 1952 hatte man die mit der Beschaffung für die Besatzungsmächte befaßten Stellen im Amt Blank integriert, um von deutscher Seite einen nationalen Anteil der EVG-Verwaltung vorzubereiten''^. Die Entwicklung der Beschaffungs- abteilung seit ihrer Gründung als Sonderabteilung des Bundesfinanzministers dokumentiert das Material im Nachlaß von Kurt Nothnagel im Militärarchiv. Aufschlußreiche Interna bie- tet die hier als Typoskript mit zahlreichen Fotografien vorliegende Autobiographie Nothna- gels »40 Jahre im Dienste des Soldaten«. Nach Abschluß der Verzeichnungs- und Ordnungs- arbeiten am Bestand BW 9 wurden diesem die Handakten des Leiters der Koblenzer Beschaf- fungsabteilung, Wilhelm Rentrop, als Anhang einverleibt'*'. Zur Beschaffung für die^esatzungsmächte finden sich in den Beständen Bundesminister der Finanzen und Bundesminister für Wirtschaft Hinweise. Letzterer sowie der Bestand der. Abtei- lung 2 des Auswärtigen Amtes enthalten auch Unterlagen zu den Offshore-Lieferungen für die Amerikaner. Ebenfalls im Bestand Bundesminister für Wirtschaft sind Aufgaben und Tätig- keit des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft und des Verbindungsreferates des Bundes- wirtschaftsministers bei der Koblenzer Beschaffungsabteilung dokumentiert. Im Bestand Staat- liche Erfassungsgesellschaft des Bundesarchivs findet sich überwiegend Gegenüberlieferung zu den Akten in BW 9. Einschlägige Hinweise können auch im Bestand Bundesminister für den Marshall-Plan erwartet werden. Der Nachlaß von Gurt Pollex im Militärarchiv enthält neben interessanter Korrespondenz (unter anderem mit Heusinger, H. G. Mommsen vom Bundeswirtschaftsministerium und Wil- helm Meendsen-Bohlken vom Bundesverband der Deutschen Industrie) etwas Material zur geplanten EVG-Rüstungsverwaltung. Ein Tagebuch und tagebuchartige Aufzeichnungen sind wiederum sehr aufschlußreich für die gesamte Atmosphäre. Auch im Nachlaß von Erich Schnei- der im Militärarchiv finden sich Hinweise auf die Rüstungsorganisation der EVG und der frühen Bundeswehr"". Der (gesperrte) Nachlaß Oster, ebenfalls im Militärarchiv, enthält vor- wiegend amtliches Schriftgut zur Arbeit deutscher Rüstungsexperten in Spanien zu Beginn der 1950er Jahre und zu den Möglichkeiten einer Rüstungskooperation mit diesem Land. Im Nachlaß des CSU-Gründungsmitgliedes Max Zwicknagl des Archivs für Christlich-Soziale Politik finden sich Unterlagen der »Dienststelle für besondere Versorgungsfragen«. Diese Dienst-

130 stelle aus dem Bereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beschäf- tigte sich mit der Durchführung von Schulspeisungen und ähnlichem und war kurzfristig als EVG-Verpflegungsstelle des deutschen Kontingentes vorgesehen. Als sich die Überlegun- gen nicht realisierten, gab Zwicknagl die Leitung der Dienststelle auf^°. Mehr noch als bei der Beschaffung von Rüstungsgütern waren die Bundesländer bei der Beschaffung von Liegenschaften für Verteidigungszwecke betroffen. Ergänzend zu der beacht- lichen Uberlieferung im Bestand BW 9 enthält beispielsweise der Bestand Vertretung des Landes beim Bund des Hauptstaatsarchives Hannover Unterlagen zu militärischen Einrichtungen (insbesondere die Truppenübungs- bzw. Schießplätze Bergen, Helgoland, Knechtsand). Im Bestand Minister des Innern des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden befindet sich eine umfangrei- che, 1952 einsetzende Serie zur Landbeschaffung und zu Baumaßnahmen in Hessen. Auch die Bestände Senatskanzlei, Behörde für Inneres und Finanzbehörde 1 des Staatsarchivs Ham- burg enthalten Unterlagen über die Beschaffung von Liegenschaften für die Besatzungsmächte und die deutschen Streitkräfte. Einen Aktenband dazu birgt auch der Bestand Bundesratsmi- nisterium des Bundesarchivs. Der Bestand Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr des Hauptstaatsarchivs München enthält ebenfalls zahlreiche Unterlagen zur Planung und Errichtung militärischer Infrastruktur sowohl der alliierten wie der deutschen Seite. Unter anderem werden die Truppenübungsplätze Hammelburg, Hohenfels und Wildflecken behan- delt. Dagegen finden sich Akten zur Beschlagnahme von Land und Gebäuden durch die ame- rikanische Besatzungsmacht im Bestand Bayerische Staatskanzlei. Ein mindestens ebenso großer Zankapfel wie das Territorialwesen waren der Umfang und die Gliederung der eigentlichen Streitkräfte. In der Frage national homogener Divisionen setzte sich die Bundesrepublik gegen Frankreich durch. Dagegen mußte sie vor allem bei den Luft- und Seestreitkräften ihres Kontingentes herbe Abstriche vornehmen^'. Letztendlich — so möchte man Fetts 1975 veröffentlichten Vortrag zusammenfassen — konnten die Deut- schen ihre in Himmerod und auf dem Petersberg formulierten Vorstellungen mit dem Bei- tritt zur NATO im wesentlichen sowohl quantitativ wie strukturell realisieren". Eine ins Grundsätzliche gehende Auseinandersetzung um Struktur und Aufgabenstellung der westdeutschen Streitkräfte in der Übergangszeit verband sich mit dem Namen des 1953 abge- lösten Unterabteilungsleiters Planung, v. Bonin^^. Zum »Fall Bonin« finden sich Unterlagen sowohl im Bestand BW 9 wie in den Nachlässen Kielmansegg und Speidel, aber auch etwas im Nachlaß von Friedrich Beermann im Militärarchiv und im Nachlaß]akoh Kaiser im Bun- desarchiv, wobei letzterer auch einige wenige Unterlagen zur EVG enthält. Interessant ist fer- ner die Materialsammlung Bonin, ebenfalls im Militärarchiv'''. Die Planung der Landstreitkräfte ist hauptsächlich durch das staatliche Schriftgut dokumen- tiert. Etwas anekdotenhaft schildert Gerd Kobe die Atmosphäre des Amtes Blank, in dem er die Ausbildungsvorschriften der Landstreitkräfte bearbeitete^'. Dagegen findet sich zur Marineplanung — die in den EVG-Verhandlungen eher stiefmütterlich behandelt wurde — reichhaltiges Material im Nachlaßsplitter Zenker im Militärarchiv. Im Schriftwechsel Karl-Adolf Zenkers mit dem deutschen Marinevertreter in Paris, Heinrich Gerlach, werden viele den Interimsausschuß und das Amt Blank betreffende Fragen behandelt. Dabei stehen hier Mari- nefragen naturgemäß ebenso im Mittelpunkt wie in dem umfangreichen dienstlichen und privatdienstlichen Schriftwechsel, den Zenker mit den Admiralen a.D. Eberhard Godt, Hell- muth Heye, Bernhard Rogge, Friedrich Rüge u. a. über die verschiedensten Aspekte der Streit- kräfteplanung führte'^. Der Nachlaß Rüge, ebenfalls im Militärarchiv, enthält neben Schrift- wechsel (unter anderem mit Speidel) ein Tagebuch der Jahre 1952/53 und Denkschriften zur Sicherheitspolitik. Auch hier stehen wieder Marinefragen im Mittelpunkt^'.

131 Bonin war auch einer der ersten Kritiker des Konzeptes der Inneren Fütirung. In diesem Kon- zept wurde die klassische, im wesentHchen auf Befehl und Gehorsam beruhende soldatische Ordnung mit der Vorstellung eines informierten und kritischen Staatsbürgers verbunden. Man versprach sich davon den motivierten Soldaten, der auch in der ideologischen Ausein- andersetzung mit dem Ostblock und anderen totalitären Weltanschauungen bestehen konn- te. Im übrigen leisteten die auf einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Tradi- tion beruhenden Vorstellungen einen wesentlichen Beitrag, die in der Öffentlichkeit vorhan- denen Ängste vor der Wiedergeburt des vermeintlichen oder tatsächlichen »Kommiß«-Betriebes abzubauen. Die gesamte Ausbildung, Truppeninformation, innere Ordnung der Streitkräfte und nicht zuletzt die Rekrutierung des Führungspersonals mußte auf das Konzept abgestellt werden. Entsprechend umstritten blieb es bis heute'^. Sieht man von Hinweisen zu einigen Randbereichen (Disziplinarordnung, Rechtsstellung des Soldaten, Militärseelsorge) in den Beständen Bundesminister der Justiz und Bundeskanzleramt sowie im Nachlaß Kielmansegg ab, so ist die Planung der Inneren Führung durch den Bestand BW 9 sehr gut dokumentiert. Daneben kommt vor allem der Nachlaß Baudissin im Militärar- chiv in Betracht. Wolf Graf v. Baudissin leitete das Referat Innere Führung des Amtes Blank und gilt als deren Nestor. Hier finden sich wichtige, auch amtliche Unterlagen. Einen plasti- schen Eindruck von Problemen, Arbeit und Atmosphäre der gesamten Dienststelle vermit- telt wiederum ein vom Sommer 1953 ab von den Mitarbeitern des Referates bzw. der Gruppe Innere Führung verfaßtes Tagebuch. Natürlich steht das spezielle Arbeitsgebiet des Referates im Mittelpunkt. Ferner finden sich im Nachlaß Baudissin Unterlagen zur Reaktion der Wehr- machtsgeneralität auf die neuen Vorstellungen. Besonders der Schriftwechsel des Generals a.D. Hellmuth Reinhardt mit Heusinger ist erwähnenswert. Neben einiger privatdienstlicher Korres- pondenz insbesondere zu Fragen der Inneren Führung und zur Öffentlichkeitsarbeit bietet der Nachlaß Karst fast nur Doppelüberlieferungen zum Bestand BW 9. Heinz Karst war Mitar- beiter Baudissins. Ein führender Mitgestalter der Inneren Führung aus den Reihen der akademi- schen Gutachter war der Pädagoge Erich Weniger. Sein Nachlaß im Militärarchiv enthält reich- lich Schriftwechsel mit der Dienststelle und mit Baudissin, auch zur Offizierausbildung^'. In der Korrespondenz im Nachlaß Dethleffsen, unter anderem mit Mitarbeitern des Amtes Blank, finden sich ebenfalls Hinweise zur Inneren Führung. Dethleffsen nahm auch an Gutach- tertagungen zu diesem Thema teil und lieferte einen Beitrag »Der Geist des neuen Offizier- korps«. Dagegen ist die schriftliche Hinterlassenschaft des Studienbüros Pfister im Nachlaß von Josef Pfister, ebenfalls im Militärarchiv, die wesentlichste Ergänzung des staatlichen Schrift- gutes zur Erziehungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr von der Planungsphase (circa 1952) bis 1960. Das Studienbüro war, meist konkurrierend mit der Unterabteilung Innere Führung, mit der konzeptionellen Planung beschäftigt'®. Abschließend sei nochmals die Befragung im Nachlaßsplitter Schulz erwähnt, die ebenfalls um die Innere Führung kreist. Neben anderen Kriterien war die Haltung zum demokratischen Staat und zum soldatischen Widerstand ein Kriterium bei der Wiederverwendung. Bereits die Zentrale für Heimatdienst beschäftigte sich mit Aufgaben und Zusammensetzung eines Personalgutachterausschusses zur Uberprüfung der kriegsgedienten Bewerber um Offizierstellen'^ Ergänzendes Material zur Planung des Personalgutachterausschusses für Spitzenverwendungen vom Obristen an auf- wärts findet sich im Bestand Bundeskanzleramt und in Nachlaß Weniger. Nur wenige Hin- weise bietet der Bestand Personalgutachterausschuß der Streitkräfte des Militärarchivs^^. Eben- falls im Militärarchiv liegt ein kleiner Bestand Freiwilligenannahmestellen, der ebenso wie die einschlägigen Unterlagen in BW 9 über die Planung und Einrichtung der Annahmeorganisa- tion für die sonstigen Bewerber informiert''.

132 Der Gutachterausschuß wurde 1955 durch ein Bundesgesetz eingerichtet, das schon Teil des umfassenden Komplexes Wehrgesetzgebung war. Die 1954 erst teilverwirklichte Begründung einer Wehrverfassung und die daraus und aus den internationalen Verträgen resultierenden Wehrgesetze (Freiwilligengesetz, Soldatengesetz, Wehrpflichtgesetz u. a.) — insgesamt 82 Gesetze und Rechtsverordnungen — wurden zwar erst in den Jahren 1955 bis 1957 verabschiedet. Den- noch beschäftigte deren Vorbereitung die Dienststelle Blank in zunehmendem Maße, zumal viele Vorstellungen im Rahmen der EVG mit den präsumtiven Partnern abzustimmen waren (etwa Disziplinarordnung, Soldatenbesoldung und -Versorgung)'"'. Neben dem Bestand BW 9 enthält der Bestand Bundesminister der Justiz ergänzendes Mate- rial zu den Komplexen Wehrverfassung, Wehrgesetze und Wehrstrafrecht. Im Bestand Bun- deskanzleramt finden sich Unterlagen zur Organisation der Landesverteidigung allgemein sowie zum Wehrpflichtgesetz und zur Kriegsdienstverweigerung (letztere bereits ab 1949). Zahlreiche Unterlagen zu Kabinettsvorlagen und Gesetzgebungsvorhaben aus dem Verteidi- gungsbereich birgt auch der Bestand Bundesminister des Innern. Insbesondere Soldatenge- setz, Eignungsübungsgesetz und Besoldungsfragen sind gut dokumentiert. Im Bestand Bun- desminister der Finanzen ist dieser Aspekt ebenfalls überliefert. Die Gesetzesdokumentation des Parlamentsarchives des Deutschen Bundestages mag in diesem Zusammenhang ebenfalls noch interessante Hinweise bieten. Hinsichtlich der Haltung der Länder zu den einzelnen Gesetzesvorhaben sei wieder an die einschlägigen Bestände der Länder erinnert. So finden sich im Bestand Bevollmächtigter Bayerns beim Bund Akten zum Freiwilligengesetz, zum Soldatengesetz und zum Wehrpflichtgesetz. Da in einigen Fällen der Vermittlungsausschuß des Bundesrates und des Bundestages angerufen wurde, wären dazu auch die Unterlagen der Geschäftsstelle des Vermittlungsausschusses der Abteilung Dokumentation des Bundesrates heran- zuziehen'^. Die Nachlässe Kielmansegg und Lenz enthalten schließlich etwas Material zur Gestaltung des Oberbefehls. Erwähnenswert sind schließlich noch Unterlagen des Bundes- ratsministeriums über die dem Bundesverfassungsgericht vorgelegte Frage über die Verein- barkeit des EVG-Vertrages mit dem Grundgesetz. Der Bundespräsident hatte mit der (später wieder zurückgezogenen) Bitte um ein entsprechendes Gutachten eine Normenkontrollkla- ge der Opposition zu kontern versucht'^. Der in den Nachlässen Kielmansegg, Rüge, Baudissin, Dethleffsen, Geyr v. Schweppenburg, im Nachlaß \on Günther Blumentritt (Militärarchiv), im Nachlaßsplitter Zenker sowie in den Handakten im Bestand BW 9 reichlich vorhandene Schriftwechsel dokumentiert die Meinungs- bildung des ehemaligen höheren Offizierkorps zu den verschiedensten Aspekten der Wieder- bewaffnung'^. Das Spektrum reichte von der Ablehnung der offiziellen Sicherheitspolitik und des Amtes Blank einschließlich gewisser Anlehnungsversuche an die ostdeutsche Politik über die Kritik einzelner Vorstellungen und Konzepte bis zur vorbehaltslosen Unterstützung. Viele Generale versuchten schon frühzeitig, die offizielle Sicherheitspolitik durch Denkschrif- ten zu beeinflussen''. Dabei erwiesen sich Speidel und Heusinger besonders erfolgreich. In dem Zusammenhang sei nochmals der Nachlaß Geyr v. Schweppenburg erwähnt, der Geyrs Zusammenarbeit mit dem Deutschen Beratenden Büro für Friedensfragen bzw. dessen stell- vertretenden Leiter, Dirk Foster, dokumentiert und zahlreiche Denkschriften Geyrs enthält.

III. Die öffentliche Auseinandersetzung

Soziale Not und moralische Diskriminierung der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen waren die ersten Motive zur Bildung der Soldatenverbände. Neben das Streben nach Versorgung

133 und Rehabilitierung trat bald die Traditionspflege und die Selbstverständigung über Voraus- setzungen und Modalitäten einer Mitarbeit bei der Aufstellung neuer Streitkräfte. Mit einer Ehrenerklärung Adenauers und Dwight D. Eisenhowers sowie mit der Vorbereitung einer Soldatenversorgung reagierten Bundesregierung und Alliierte auf die Notwendigkeit, sich beim Aufbau westdeutscher Streitkräfte der Unterstützung durch die ehemaligen Berufsoffiziere zu versichern. Entsprechend versuchte das Amt Blank, vorsichtig Einfluß auf die Verbände (insbesondere Verband deutscher Soldaten, Kyffhäuser-Bund, Gesellschaft für Wehrkunde und andere) zu nehmen, um hier die demokratischen und der offiziellen Sicherheitspolitik gegen- über aufgeschlossenen Kräfte zu fördern^'. Im Rahmen seiner Staatsschutztätigkeit beobachtete auch das Bundesinnenministerium die Soldaten- und Traditionsverbände sowie die politische Betätigung ehemaliger höherer Offi- ziere, was sich entsprechend im Bestand niederschlug. Weitere Unterlagen finden sich in den Beständen Bundeskanzleramt und im Bestand Bundespräsidialamt. Der Bestand Bundespresse- und Informationsamt, ebenfalls im Bundesarchiv, bietet ergänzendes Material; war doch das Bundespresseamt mehr noch als das Amt Blank ein Instrument der Bundesregierung, um die Verbände zu beeinflussen. Überhaupt dokumentiert dieser Bestand die Anstrengungen der Bundesregierung, die Akzeptanz von EVG, NATO und Bundeswehr in der Öffentlich- keit zu erhöhen^". Im Bestand Staatliche Pressestelle VI des Staatsarchivs Hamburg und im Bestand Landespresse- und Informationsamt des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf finden sich eben- falls Unterlagen zum Verteidigungsbeitrag und zur Bundeswehr, im Bestand Staatliche Presse- stelle VI auch zu den Soldatenverbänden. Eine wichtige Ergänzung erfährt das amtliche Schriftgut durch den Nachlaß von Gottfried Hansen im Militärarchiv. Neben einer umfangreichen Korrespondenz dokumentieren die Unterlagen zur Gründung und Entwicklung des Verbandes deutscher Soldaten die im Zuge der Planungsphase immer erfolgreicheren Bemühungen um die wirtschaftliche und morali- sche Rehabilitierung des Offizierkorps''. Um die Soldatenverbände und die Rehabilitierung der Offiziere einschließlich der ehemaligen Waffen-SS sowie um den Verband deutscher Sol- daten kreist auch ein Gutteil des Schriftwechsels sowie des sonstigen Materials im Nachlaß Dethleffsen. Die »Gesellschaft für freiheitliche Wehrverfassung und Wehrpolitik«, zu der hier ebenfalls Unterlagen vorliegen, sollte herausragende Vertreter der Öffentlichkeit mit dem Ver- teidigungsbeitrag vertraut machen. Zur Gesellschaft für Wehrkunde finden sich Hinweise auch im Nachlaß Rüge. Mit Schwerpunkt beim Kyffhäuser-Bund enthält auch der Nachlaß Schwerin einiges Material zu den Soldatenverbänden. Eine umfangreiche Korrespondenz (unter ande- rem mit Staatssekretär Lenz, Hasso v. Manteuffel, Schwerin, Speidel, Strauß, Wildermuth) zur Gründungsphase der Soldatenverbände sowie zu deren von der Bundesregierung geför- derten Fusionsbestrebungen findet sich im Nachlaß Geyr v. Schweppenburg. Geyrs ständige Sorge galt der neonazistischen und reaktionären Unterwanderung der Verbände, worüber er für das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz 1967 eine Denkschrift »Harte Tatsachen« verfaßte. Dazu liegt auch etwas Schriftwechsel vor. Ein wesentlicher Aspekt der Rehabilitierung war das Bemühen um die Kriegsgefangenen und vor allem um die »Kriegsverurteilten«, d. h. die als Kriegsverbrecher verurteilten ehemaligen Soldaten. Bundesregierung und Amt Blank traten auf mehreren Kanälen und mit einigem Erfolg insbeson- dere bei den Westmächten für die Freilassung dieser Personengruppe ein^^. Neben zahllosen Hinweisen zu den Kriegsverurteilten im Bestand BW 9 finden sich Unterlagen im Bestand Büro des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes sowie in den Nachlässen Dethleffsen und Rüge. War die Haltung der Soldatenverbände von relativer Bedeutung für das Gelingen der Pla- nung westdeutscher Streitkräfte, so entschied die Politik der Bundestagsparteien als Reprä-

134 sentanten des politischen Wollens letztlich über deren SchicksaF^. Trotz mancher Irritatio- nen über den Regierungsstil des Bundeskanzlers und gelegentlichen Aufkeimens von Oppo- sition auch in den eigenen Reihen trugen die Unionsparteien CDU und CSU seine Sicher- heitspolitik. Das belegen die vorzüglich edierten Protokolle des CDU-Bundesvorstandes^'*. Außen- und Sicherheitspolitik fanden hier vor allem in Form mehr oder minder ausführli- cher Erläuterungen durch den Bundeskanzler Erwähnung. Erst anläßlich der Vorbereitung des NATO-Beitritts entfaltete sich eine regere Debatte darüber. Im Schriftverkehr des CDU-Bundesvorstandes im Archiv für Christlich-Demokratische Politik findet sich kein Material zur Streitkräfteplanung^®. Ein ähnliches Bild wie die Protokolle des Bundesvorstandes zeigen die in Form knapper Ergebnismitschriften geführten Protokolle des Vorstandes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Erst anläßlich der Vorbereitung der Wehrge- setze und des Personalgutachterausschusses fand eine gewisse Aussprache statt. Erwähnens- wert ist ein Bericht Brentanos über die Berliner Vier-Mächte-Konferenz vom Februar 1954. Im Schriftwechsel des Fraktionsvorstandes finden sich gleichfalls Hinweise auf die Streitkräftepla- nung^^. Auch die Protokolle der CDU/CSU-Fraktion selbst, ebenfalls im Archiv für Christlich- Demokratische Politik, beinhalten vor allem die Unterrichtung durch den Bundeskanzler. Bemerkenswert ist ein Vortrag Generalleutnant Laegelers über »Die Bedeutung der Atom- waffen und die Auswirkungen auf die Planung künftiger deutscher Streitkräfte« im Juli 1955. Dabei diskutierten die Abgeordneten vor allem das Schicksal der Zivilbevölkerung im Nukle- arkriegsfall. Schließlich zeigen die (gedruckten) Protokolle der CDU-Parteitage das gewohnte Bild: außer in den Reden Adenauers, Brentanos, Kaisers und Eugen Gerstenmaiers kommt die Sicherheitspolitik eher am Rande zur Sprache. Die vielen sozialen Probleme stehen ein- deutig im Mittelpunkt^'. Ergänzend dürften sowohl die Nachlässe Gerstenmaier und (in minderem Umfange) Hein- rich Krone sowie Globke und Lenz Hinweise auf die Wehrpolitik enthalten'®. Auch die Nach- lässe Kaiser und v. Brentano des Bundesarchivs bieten einige ergänzende Unterlagen. Im Falle des langjährigen Vorsitzenden der CDU-Bundestagsfraktion, v. Brentano, enthält dessen Nach- laß ergänzendes Material zur sicherheitspolitischen Haltung der Fraktion. Unter anderem finden sich Unterlagen über Besprechungen mit dem Bundeskanzler der Jahre 1951 bis 1954 und ein Bericht des Arbeitskreises der CDU-Fraktion für außen- und sicherheitspolitische Fragen. Vor allem aber Brentanos Schriftwechsel mit dem Bundeskanzler im Umfang von drei Bänden aus den Jahren 1949 bis 1955 dürfte wesentliche Aufschlüsse geben". Wenig ergiebig ist die Uberlieferung des Archivs für Christlich-Soziale Politik. In den hekto- graphierten Protokollen der Landesversammlung der CSU (d.h. der Parteitage) finden sich kei- ne Hinweise zur Wehrpolitik, sieht man von einigen Passagen in den Reden von Strauß, Hans Ehard und Schäffer ab. Gänzlich unergiebig sind die Unterlagen der CSU-Landesgruppe im und des Parteivorstandes. Leider finden sich weder im Nachlaß Josef Müller (des legendären ersten Parteivorsitzenden der CSU) — der an sich viel Material aus der Frühzeit der CSU birgt — noch im Nachlaß Strauß Hinweise zur Thematik®®. Eine Entschädigung findet man dafür in den Erinnerungen von Strauß, insbesondere in seinen Ausführungen über die Gründe für den Sturz seines Rivalen Blank". Unter dem Einfluß ihrer wehrpolitisch engagierten Protagonisten Wildermuth, v. Manteuf- fel, und anderer — denen freilich Reinhold Maier, Karl-Georg Pfleiderer und Wolfgang Haussmann gegenüberstanden — nahm sich die FDP in besonderer Weise der For- derung nach militärpolitischer Gleichberechtigung der Bundesrepublik und nach politischer und sozialer Rehabilitierung der ehemaligen Soldaten an. Die Partei wurde fast ein Sammel- becken für hochrangige ehemalige Militärs'^. Dokumentiert ist die Wehrpolitik der Libera-

135 len zunächst in den Protokollen des FDP-Bundesvorstandes und dessen Außenpolitischen Aus- schusses (unter anderem zu Fragen der EVG, des Zollgrenzschutzes, der Landespolizei, der Soldatenverbände) sowie in den Kurzprotokollen des Bundeshauptausschusses. Erwähnenswert ist das Protokoll vom 9. Oktober 1954, als das Scheitern der EVG und die daraus zu ziehenden Konsequenzen erläuterte. Die (bislang noch nicht erschlossenen) Akten des Fraktionsvorstandes der FDP-Bundestagsfraktion und die Korrespondenz der Bundespartei mit Landesverbänden und Behörden dürften ebenfalls noch Hinweise enthalten. Bei der Kor- respondenz befindet sich zudem eine einschlägige Materialsammlung. Auch die Mitschriften der Bundesparteitage machen den hohen Stellenwert deutlich, den die Wehrpolitik in der FDP genoß. Die Parteitage 1951 bis 1955 beschäftigen sich unter anderem mit dem deutschen Wehr- beitrag, der Bundespolizei, mit der Frage einer angemessenen Vertretung in der Delegation für die Verhandlungen des Besatzungsstatuts, mit den Soldatenverbänden, mit der Rechts- stellung der ehemaligen und künftigen Berufssoldaten, mit der Stellung des Heeres in der Gesellschaft und mit der künftigen Wehrverfassung. Alle genannten Bestände befinden sich im Archiv des deutschen Liberalismus. Der Bestand Freie Demokratische Partei I des Staatsarchivs Hamburg enthält einige Unterlagen des Landesverbandes und der Bürgerschaftsfraktion zur Wiederbewaffnung und zu Soldaten- verbänden. Ergänzende Hinweise bieten die Nachlässe von Franz Blücher, Erich Mende und Thomas Dehler im Archiv des deutschen Liberalismus. Abgesehen von der Korrespondenz mit dem Mitglied des Hauptausschusses, W. Haussmann, ist der Nachlaß Blücher unergiebig. Dage- gen enthält der Nachlaß Mende Handakten zur Verteidigungspolitik allgemein, zur EVG und zum Aufbau der Bundeswehr. Auch der Nachlaß Dehler beinhaltet vor allem Korrespon- denz (unter anderem mit Adenauer, Gustav Heinemann, Ulrich Noack) über das Besatzungs- statut, die EVG, die Londoner Neun-Mächte-Konferenz, ehemalige Berufssoldaten und Geg- ner der Militarisierung. Eine gewisse Ergänzung dürfte die Uberlieferung der Bundespartei durch das Persönliche Archiv W. Haussmann des Hauptstaatsarchivs Stuttgart erfahren. Im Nachlaß des BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten)-Politikers Erhard Schu- chardt Im Archiv für Christlich-Soziale Politik finden sich schließlich noch einige Protokolle des Bundesvorstandes mit wenigen Hinweisen auf die Wehrpolitik dieser kleinen Regierungs- partei. Dagegen ist der Nachlaß im Bundesarchiv völlig unergiebig. Obwohl keineswegs grundsätzlicher Gegner eines Verteidigungsbeitrages, war die Sozialdemo- kratie der gewichtigste Gegenspieler des Bundeskanzlers. In der wirtschaftlichen und militäri- schen Integration der Bundesrepublik in Westeuropa erkannte diese Partei die Zementierung der deutschen Teilung. Der Tod Kurt Schumachers leitete den Wandel zu einer Mitarbeit an der Vorbereitung westdeutscher Streitkräfte ein. Die aufschlußreiche Studie Sommers über die landespolitische Dimension der Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung am Beispiel Bremens zeigt freilich, daß mancher SPD-Landespolitiker (in diesem Falle Senatspräsident Kai- sen) den Kurs Adenauers keineswegs so kompromißlos ablehnte wie die Bundespartei®'. Der Bestand Parteivorstand des Archivs der sozialen Demokratie ist verhältnismäßig unergie- big für die Wehrpolitik der SPD. Abgesehen von der Korrespondenz des Präsidialbüros, die vereinzelte Hinweise enthalten mag, kommen vor allem die Unterlagen der Büros Schuma- cher und Ollenhauer in Frage. In letzteren ist die Unterredung Adenauers mit , Erwin Schoettle und im Januar 1952 dokumentiert. Auch der umfangrei- che Schriftwechsel mit dem Büro von Wilhelm Mellies bietet bestenfalls einige Hinweise zum Gesamtkomplex. Die Akten zu den auswärtigen Beziehungen enthalten neben vertraulichen Informationen zur Außenpolitik auch Interna des Auswärtigen Amtes und anderer Ressorts. Erwähnenswert sind ferner Unterlagen zur Sozialistischen Internationale, die sich auch mit

136' Fragen der europäischen Verteidigungspolitik beschäftigte"''. Viel ergiebiger ist der (gut er- schlossene) Bestand SPD-Bundestagsfraktion. Die in der Regel in Form kurzer Ergebnisproto- kolle dokumentierten Sitzungen von Fraktion und Fraktionsvorstand erlauben durchaus Rück- schlüsse auf den Prozeß der wehrpolitischen Willensbildung. In der Korrespondenz des Frak- tionsvorsitzenden Ollenhauer ab 1953 und des Fraktionsvorstandsmitgliedes finden sich zahlreiche Hinweise zum Gesamtkomplex der Wiederbewaffnung. Die Unterla- gen Ollenhauers enthalten überdies eine Materialsammlung zu den Pariser Verträgen. Die überwiegend aus der Zeit vor 1950 stammende Korrespondenz im Nachlaß Schumacher enthält kaum Hinweise. Erwähnenswert ist der Briefwechsel Schumachers mit Adenauer aus dem Frühjahr 1952. Der Briefwechsel Adenauers mit Schumacher und Ollenhauer zwischen Oktober 1950 und Januar 1953 findet sich dagegen im Bestand Büro Staatssekretäre des Poli- tischen Archivs. Hier liegt auch Adenauers Denkschrift »Zur gegenwärtigen Läge« vom 3. Februar 1951 und Schumachers Replik vom 6. Februar 1951 einschließlich Stellungnah- men aus Kreisen der Bundesregierung und Presseecho. Wichtiger erscheinen die Nachlässe Ollenhauer, Fritz Erler und Carlo Schmid des Archivs der sozialen Demokratie. In der Korrespondenz im Nachlaß Ollenhauer hat die Entwicklung der sozialdemokratischen Sicherheitspolitik einen aufschlußreichen Niederschlag gefunden'^. Der Nachlaß Erler besteht zunächst ebenfalls aus umfangreicher allgemeiner Korrespondenz, in welcher der Gesamtkomplex der Sicherheitspolitik (Bereitschaftspolizei des Bundes, EVG- Verhandlungen, Kriegsverurteilte, NATO-Beitritt) berührt wird. Unter anderem findet sich hier eine Denkschrift des Generals Eberbach. Noch mehr Einblicke in die Entwicklung der sozialdemokratischen Wehrpolitik bieten Vermerke und Schriftwechsel zur Tätigkeit Erlers in der Bundestagsfraktion und im Fraktionsvorstand. Das gilt auch für etwas Material zur Dienststelle Blank und zum Personalgutachterausschuß, das ab etwa 1954 durch die Tätig- keit des Sicherheitsausschusses beim Parteivorstand entstand. Eigene Akten liegen zur Kon- stituierung und Tätigkeit des Personalgutachterausschusses sowie zu arbeits-, tarif- und sozial- rechtlichen Fragen der Dienstgruppenangehörigen vor. Dagegen enthält ein Band über die Sozialistische Internationale nur Protokollumdrucke. Wichtig ist ein Band mit Unterlagen und Korrespondenz, die im Rahmen von Tagungen der SPD mit ehemaligen Offizieren 1951 entstanden sind. An ihnen beteiligten sich unter anderem die Generale a.D. Reinhardt, Foertsch, Eberbach. Die Korrespondenz mit Geyr v. Schweppenburg, Oberst a. D. Müller- Brandenburg und anderen enthält auch einen Briefwechsel Erlers mit Schwerin über Fragen des Bundesgrenzschutzes sowie ein Memorandum »Die Zukunft des Bundesgrenzschutzes im Hinblick auf den bevorstehenden Aufbau deutscher Streitkräfte« vom Oktober 1954. In einem Schreiben ermahnt Weniger die Opposition zur Mitarbeit am Aufbau der Streitkräfte, um eine Situation wie die der Reichswehr zu vermeiden. Abschließend sind vielleicht noch die Reden, Rededispositionen, Rundfunkbeiträge und Berichte über Reden Erlers zur Außen- und Sicherheitspolitik erwähnenswert. Der Nachlaß Carlo Schmid besteht zunächst ebenfalls aus einer umfangreichen persönlichen Korrespondenz, in der unter anderem folgende Komplexe berührt werden: Dienstgruppen, EVG-Vertrag, Deutschland-Vertrag, Wehrverfassung bzw. EVG und Grundgesetz, völkerrecht- licher Status deutscher EVG-Soldaten, NATO, WEU. Korrespondenz, Denkschriften und Berichte sind auch aus Schmids Mitgliedschaft im Ausschuß für die Ablösung des Besatzungs- statuts bzw. Auswärtigen Ausschuß sowie im Ausschuß zu Fragen der europäischen Sicher- heit des Deutschen Bundestages hervorgegangen. Bemerkenswert ist ferner ergänzendes Mate- rial zur Kriegsverurteiltenfrage, zur Versorgung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger und zur Verfassungsklage der SPD gegen den EVG-Vertrag. Der (gesperrte) Nachlaß Beermann, eben-

137 falls im Archiv der sozialen Demokratie, enthält einiges weiteres Material zur sozialdemokra- tischen Wehrpolitik, unter anderem Korrespondenz mit Mellies und Helmut Schmidt sowie Unterlagen zur Tätigkeit Beermanns im Ausschuß für europäische Sicherheit des Deutschen Bundestages. Die Arbeit der beiden Bundestagsausschüsse für das Besatzungsstatut bzw. auswärtige Angele- genheiten sowie für Fragen der europäischen Sicherheit (1952 eingerichtet, später Verteidi- gungsausschuß) hat sich vor allem in deren Protokollen und Drucksachen im Parlamentsar- chiv niedergeschlagen. Sie wurden chronologisch bzw. numerisch geführt und sind inhalt- lich nicht weiter erschlossen. Als kleiner Ersatz für die bislang noch gesperrten Akten des Auswärtigen Ausschusses mögen (über das erwähnte Material in anderen Nachlässen hinaus) einschlägige Unterlagen zur Wiederbewaffnung, Europaarmee, Ablösung des Besatzungssta- tuts unter anderem im Nachlaß des CDU-Abgeordneten Hermann Pünder aus dessen Tätig- keit in diesem Ausschuß von Nutzen sein. Zumindest anfangs lehnte die Mehrheit der Bevölkerung einen westdeutschen Verteidigungs- beitrag ab^^. Angesichts der Heterogenität ihrer Ziele gelang es dessen Gegnern gleichwohl nicht, eine wirksame Front aufzubauen. Einerseits stand die Verteidigungspolitik nicht im Mittelpunkt des politischen Interesses der Bevölkerung. Andererseits befanden sich die nicht- kommunistischen Gegner der Remilitarisierung in einem Dilemma. Während die Regierungs- parteien sie absichtsvoll in die Nähe der Kommunisten rückten, bemühten sich die Kommuni- sten ihrerseits, die Gegner der Adenauerschen Sicherheitspolitik in ihre Kampagnen (die auch im Bestand BW 9 ihren Niederschlag fanden) einzubinden. Und diese standen erkennbar unter den Auspizien der sowjetischen Außenpolitik'^. Das Dilemma war schließlich auch für das Schicksal der »Notgemeinschaft für den Frieden Europas« und späteren Gesamtdeutschen Volkspartei ausschlaggebend. Diese Gruppierung, und nicht die Sozialdemokratie, hatte die einzige stringente Alternative zu Adenauers Konzept entworfen: ein neutrales, demokrati- sches, wiedervereinigtes und eher durch Garantien der Großmächte als durch begrenzte Ver- teidigungskräfte gesichertes Deutschland'*. Die Nachlässe zweier Protagonisten, des 1950 zu- rückgetretenen Bundesinnenministers Gustav Heinemann und der Zentrumspolitikerin , im Archiv der sozialen Demokratie, dokumentieren das Scheitern dieser bürgerlichen Oppositionsbewegung gegen Adenauer. Der Nachlaß Wessel besteht zunächst aus einer umfangreichen allgemeinen Korrespondenz so- wie Materialsammlungen zu den Komplexen Wiederbewaffnung, Deutschlandvertrag, Deutsch- landpolitik und EVG-Vertrag. Hier befinden sich auch Umdrucke des Nauheimer Kreises von Ulrich Noack". Gründung, Politik und Außenpolitik der Notgemeinschft bzw. Gesamtdeut- schen Volkspartei ist durch diesbezügliche Korrespondenz (unter anderem des Parteivorstandes) und Materialsammlungen reichhaltig dokumentiert. Insgesamt findet der Widerstand gesell- schaftlicher Kräfte gegen die Wiederbewaffnung einschließlich der kommunistisch inspirierten Kampagnen hier einen ausdruckstarken Niederschlag. Heinemanns Opposition gegen Adenau- ers Wiederbewaffnungspolitik läßt sich zunächst der umfangreichen Korrespondenz mit Ollen- hauer, Mellies, Noack, Martin Niemöller, Kaiser (über den angestrebten Volksentscheid), Ritter V. Lex (über Angebote kommunistischer Tarnorganisationen) entnehmen. Ferner ist Heine- manns Haltung durch Materialsammlungen (Zeitungsausschnitte und Aufzeichnungen) gut be- legt. Zu den Anfängen der Wiederbewaffnung (Sicherheitsmemorandum Adenauers und Bun- despolizei) bis zu Heinemanns Rücktritt findet sich ebenfalls etwas ergänzendes Material. Gemeinsam mit Niemöller, Helmut Gollwitzer und Karl Barth führte Heinemann auch die Gruppe der evangelischen Kirche an, die sich dem Verteidigungsbeitrag widersetzte. Ihnen standen die CDU-Politiker Robert Tillmanns, , Gerstenmaier, der Altbischof

138 Theophil Wurm, der Historiker Gerhard Ritter und andere gegenüber'®. Wie sehr die Aus- einandersetzung selbst die Bekennende Kirche spaltete, dokumentiert der Nachlaß des Bun- destagsptäsidenten Ehlers \m Archiv für Christlich-Demokratische Politik. Er enthält aufschluß- reichen Schriftwechsel (dabei allerdings auch zahlreiche Fotokopien) mit und über Heine- mann, Niemöller und anderen nebst Materialsammlungen. Ferner finden sich hier wieder Hinweise zur Politik der Gesamtdeutschen Volkspartei sowie das Protokoll einer Unterre- dung der CDU-Politiker Tillmanns und mit Niemöller im Dezember 1950. Die in diesem Nachlaß ebenfalls dokumentierte Aktivität des Pastors Herbert Mochalski macht das Problem der evangelischen Aufrüstungskritiker deutlich: die grundsätzliche Oppo- sition gegen Adenauer rückte sie unfreiwillig in die Nähe der Kommunisten. Schließlich fin- den sich hier noch Hinweise auf die Bemühungen der evangelischen Kirche um Kriegsge- fangene und Kriegsverurteilte. Selbstverständlich dürfte auch der Nachlaß Gerstenmaier um- fangreiches Material zu diesem Komplex enthalten. Weniger kontrovers war die Haltung der Katholiken, die mehrheitlich den Kurs Adenauers mittrugen'^ Obwohl der Deutsche Gewerkschaftsbund spätestens seit dem Koreakrieg zur Mitarbeit an einem westdeutschen Verteidigungsbeitrag bereit war, blieb er von inneren Auseinanderset- zungen nicht verschont'^. Die Haltung des DGB ist vor allem in den Protokollen des geschäfts- führenden Bundesvorstandes, des DGB-Bundesausschusses und der Landesbezirks-Vorstandssit- zungen im Archiv der Hans-Böckler-Stiftung dokumentiert. So findet sich hier beispielsweise das Protokoll der 3. DGB-Landesbezirkskonferenz Bayern vom 15./16. Januar 1955 mit Anfra- gen und Anträgen zur Entschließung der Wiederbewaffnung. Die Akten des DGB-Bundes- vorstandes und des geschäftsführenden Bundesvorstandes, ebenfalls im Archiv der Hans-Böck- ler-Stiftung, werden derzeit offenbar nach Sachbegriffen erschlossen. Dergestalt findet sich unter den Stichworten Remilitarisierung, Verteidigungsbeitrag, Wehrbeitrag und ähnlichem entsprechendes Material. Die Nachlässe Böckler, Christian Fette, Gottfurcht, Gottfried Hansen und Georg Reuter enthalten (vorbehaltlich ihrer endgültigen Verzeichnung) nur wenige Hin- weise. Meist handelt es sich um reine Materialsammlungen (vor allem Zeitungsausschnitte). Die Kontrahenten der Gewerkschaften stimmten dem Verteidigungsbeitrag ebenfalls prinzi- piell zu. Freilich hegte die Industrie mit der Zeit abnehmende Bedenken gegen die mögliche Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums durch die Aufrüstung. Man fürchtete neben infla- tionären Entwicklungen (wie sie bereits der Koreaboom zum Tragen gebracht hatte) die steu- erliche Belastung des gesamten Wirtschaftsprozesses sowie Anspannungen des eben rekon- struierten Kapitalmarktes und tendenziell auch des Arbeitsmarktes. Das schloß freilich ein massives Interesse bestimmter Branchen (z.B. Textilindustrie) und strukturschwacher Regio- nen an Rüstungsaufträgen nicht aus'\ Hinweise auf den Meinungsbildungsprozeß der Wirt- schaft sind in den zahlreichen, den gesamten Zeitraum abdeckenden Rundschreiben des Deut- schen Industrie- und Handelstages zu erwarten, die sich im gleichnamigem Bestand des Bundes- archivs befinden.

IV. Zusammenfassung

Angesichts der durch äußere Einwirkungen kaum beeinträchtigen schriftlichen Überliefe- rung nimmt es kaum Wunder, daß der Prozeß der Planung des westdeutschen Verteidigungs- beitrages gut dokumentiert ist. Die Sperrung bestimmter Akten und die Einschränkungen beim nicht-staatlichen Schriftgut, d. h. vor allem bei den Nachlässen, stehen der Forschung nicht grundsätzlich im Wege. Eher könnte schon die Fülle der Akten und vor allem des pu-

139 blizierten Materials bei diesen wie auch bei anderen zeitiiistorischen Themen zum Problem werden. Die außenpolitischen Aspekte sind mittlerweile bis zum Scheitern der EVG gut erforscht. Die Entwicklung vor und nach dem deutschen NATO-Beitritt bedarf noch eingehender Unter- suchungen. Dabei bieten die Akten des Politischen Archivs und ergänzend des Bestandes BW 9 des Militärarchivs die wesentliche Quellengrundlage. Ebenfalls relativ gut erforscht sind die innen- und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen, obwohl auch hier noch Detail- studien etwa zur Haltung der Gewerkschaften, der Industrie, der einzelnen Bundesländer, der Parteien und einzelner Verbände wünschenswert wären. Daß dabei die staatliche schrift- liche Überlieferung nur bedingt im Mittelpunkt steht, versteht sich aus der jeweiligen The- menstellung. Bislang eher stiefmütterlich behandelt wurden die im engeren Sinne militärhistorischen Details der Planung westdeutscher Streitkräfte. Nur die große Linie ist bekannt. Die Überlegungen zu den einzelnen Waffengattungen, das operative und taktische Denken im Übergang von der Wehrmacht zur integrierten Europaarmee und dann zum nationalen NATO-Kontingent, die Anfänge der Wehr- und Rüstungsverwaltung, die Entscheidungsprozesse bei den einzel- nen Gesetzesvorhaben und ähnliche Themen wären noch aufzuarbeiten. Hier wird naturge- mäß wieder der Bestand BW 9 die Grundlage bilden, wenn man von den frühen Akten der Bundeswehr absieht. Leider ist deren inhaltliche Erschließung und Deklassifizierung bzw. EntSperrung noch nicht sehr fortgeschritten.

' Dieser Überblick entstand im Rahmen der Vorbereitung eines Publikationsfindbuches des Bundes- archiv-Militärarchivs Freiburg (BA-MA), für den zentralen Aktenbestand zum Thema. Ohne auch nur im entferntesten Vollständigkeit zu beanspruchen, wollen die Autoren auf verwandte Quellen hinweisen. Da es sich nicht um ein Spezialinventar handelt, ersetzen die Ausführungen der Autoren weder die Konsultation der genannten Archive noch die Durchsicht der jeweiligen Findmittel. Viel- mehr soll die Vorbereitung von Archivstudien erleichtert werden. Insbesondere die Benutzungsbe- dingungen für die einzelnen Bestände sind mit den Archiven abzuklären. Den benutzten Archiven bzw. den Archiven, die mit z. T. umfangreichen Recherchen hilfreich waren, gilt der Dank der Autoren. ' Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945—1956. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungs- amt. Bd 1: Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan. Von R. G. Foerster u. a. München/Wien 1982; Bd 2: Die EVG-Phase. Von L. Köllner u.a. München 1990. 2 G. Wettig: Entmilitarisierung und Wiederbewaffnung in Deutschland 1943—1955. Internationale Aus- einandersetzungen um die Rolle der Deutschen in Europa. München 1967 (= Schriften des Forschungs- instituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Bd25.), hat das Basiswerk für den gesamten Prozeß von der Konzipierung der alliierten Entmilitarisierung Deutschlands über ihre Durch- führung vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Ost-West-Konfrontation bis zur Wiederbe- waffnung der deutschen Nachfolgestaaten und der inneren Auseinandersetzung darüber in der Bun- desrepublik geschrieben. Dabei stützte sich Wettig auf eine beeindruckende Fülle publizierter Quel- len und Sekundärliteratur sowie auf amtliche Unterlagen. Da letztere seinerzeit noch der Sperrfrist unterlagen, konnte er sie nicht zitieren. Eine wichtige Ergänzung Wettigs stellt die Arbeit von A. Baring: Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemein- schaft. München/Wien 1969 (= Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Aus- wärtige Politik e.V. Bd28.) dar. Er beschreibt nämlich die Interaktion der verschiedenen Institutio- nen (Bundeskanzleramt, Bundestag, Bundespräsident etc.) und gesellschaftlichen Kräfte (Kirchen, Gewerkschaften etc.), die durch Adenauers Entschluß zur Wiederbewaffnung ausgelöst wurde. Bereits unter Einbeziehung von Akten aus dem Bestand des Büros Schwerin und des Amtes Blank behandel- te wenig später K. v. Schubert: Wiederbewaffnung und Westintegration. Die innere Auseinanderset- zung um die militärische und außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik 1950—1952. Stutt- gart 1970 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 20.), ebenfalls die innerdeutsche

140 Diskussion vom Ausbruch des Koreakrieges bis zur Ablehnung der Stalinnote, mit deren Scheitern Adenauer seinen Kurs endgültig durchgesetzt hatte. Daß Adenauers Perzeption der sowjetischen Bedro- hung vielschichtiger war, als v. Schubert sie darstellte, machen insbesondere die freilich erst 1984 edierten Teegespräche (wie Anm. 12) offenkundig. G. Mai: Westliche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg. Der Korea-Krieg und die deutsche Wiederbewaffnung 1950. Boppard 1977 (= Militärgeschichte seit 1945. Bd 4.), konzentrierte sich auf die Wirkung des Koreakrieges als eines beschleunigenden Katalysators des sowohl auf anglo-amerikanischer wie auf deutscher Seite bereits vorher ins Auge gefaßten westdeutschen Verteidigungsbeitrages. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, wie sehr die allent- halben gewachsene Vorstellung der sowjetischen Bedrohung Adenauers Konzept sowohl innen- wie außenpolitisch entgegenkam. In einer ausdrücklich politikwissenschaftlich, nicht zeithistorisch ange- legten Studie behandelte P. Noack: Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Ent- scheidungsprozesse vor und nach dem 30. August 1954. Düsseldorf 1977 (= Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte. Bd 4.), die Entscheidungsabläufe in der Phase vom Scheitern der EVG bis zum NATO-Beitritt. Das Scheitern der EVG selbst schildert E. Fursdon: The European Defence Community. A History. London, Basingstoke 1980, in einem informativen, freilich die deutsche und französische Sekundärliteratur nur unzureichend einbeziehenden Uberblick. ^ Die ausschließlich auf der bis zum Jahre 1980 erschienenen Literatur aufbauende Studie von A. Glesse: Lp projet de C.E.D. du Plan Pleven au »crime« du 30 acut. Histoire d'un malentendu europeen. Baden-Baden 1989, wird von Fursdon (wie Anm. 2) weitgehend antizipiert. M. J. Lowry: The Forge of West German Rearmament. Theodor Blank and the Amt Blank. New York u. a. 1990, faßt das an verschiedener Stelle über das Amt Blank Ausgeführte zusammen und stellt es in einen insgesamt zu breit angelegten allgemein-politischen Kontext. Dagegen konzentriert sich R. Steininger: Wie- der-Bewaffnung. Die Entscheidung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag: Adenauer und die Westmächte 1950. Erlangen, Bonn, Wien 1989, auf der Grundlage insbesondere britischer und ame- rikanischer Quellen auf den internationalen Entscheidungsprozeß des Westens für einen deutschen Beitrag in der Phase vom Ausbruch des Koreakrieges bis zu den Konferenzen von New York und Brüssel Quli bis Dezember 1950). Die Arbeit vertieft die Untersuchung der Vorphase der EVG und ergänzt insofern den ebenfalls auf der Grundlage jüngst zugänglich gewordener angelsächsischer Quel- len verfaßten Beitrag von K. A. Maier: Die internationale Auseinandersetzungen um die Westinte- gration der Bundesrepublik Deutschland und um ihre Bewaffnung im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. In: Anfänge, Bd 2 (wie Anm. 1), S. 1—234. " Bundesarchivgesetz vom 6.1.1988, § 5, Abs. 2, BGBl I, 1988, S. 63. ' Einige Akten mit NATO-Schriftgut oder mit nachrichtendienstlichen Inhalten wurden zwar herab- gestuft, bleiben aber in den nächsten Jahrzehnten für nicht-amtliche Benutzer gesperrt. ' Vgl. R. G. Foerster: Innenpolitische Aspekte der Sicherheit Westdeutschlands 1947—1950. In: Anfänge, Bd 1 (wie Anm. 1), S. 403—575, hier S. 456—482, 544—570 mit weiteren Verweisen. ' Vgl. C. Greiner: Die Dienststelle Blank. Regierungspraxis bei der Vorbereitung des deutschen Ver- teidigungsbeitrages von 1950-1955. In: MGM, 17 (1975), S. 99-124; W. Meier-Dörnberg: Die Pla- nung des Verteidigungsbeitrages der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der EVG. In: An- fänge, Bd 2 (wie Anm. 1), S. 605—756, hier S. 715f., 726—728 mit weiteren Verweisen; Lowry (wie Anm. 3). ' Zu dieser vgl. Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 671—674. ' Vgl. Baring (wie Anm. 2), S. 15—21. — In diesem Zusammenhang sei auch auf das von den Ländern unterhaltene Deutsche Büro für Friedensfragen verwiesen, das sich ebenfalls bereits Ende der 1940er Jahre mit sicherheitspolitischen Fragen beschäftigte. Im Bundesarchiv finden sich einige Bände zum Komplex Ent- und Remilitarisierung sowie Alliiertes Militärisches Sicherheitsamt. (Im folgenden steht Bundesarchiv [BA] für das BA in Koblenz; Militärarchiv für das Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg). Vgl. auch Foerster (wie Anm. 6), S. 409—417. Hier finden sich nur wenige ergänzende Unterlagen zu Auslandsreisen und Außenministerkonfe- renzen. Dafür hat Blankenborn ein Tagebuch mit zahlreichen Hinweisen zur Sicherheitspolitik 1950 bis 1955 publiziert. H. Blankenborn: Verständnis und Verständigung. Blätter eines politischen Tage- buchs 1949-1979. Frankfun a.M., , Wien 1980. " Solange beide Nachlässe der Benutzung noch nicht zugänglich sind, muß in den edierten Tagebü- chern von Lenz und in den Erinnerungen von Zeitgenossen an Globke Ersatz gesucht werden. Vgl.: Der Staatssekretär Adenauers. Persönlichkeit und politisches Wirken Hans Globkes. Hrsg. von K. Got- to. Stuttgart 1980; Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz 1951—1953. Bearb. von K. Gotto u.a. Düsseldorf 1989.

141 Neben den drei Memoirenbänden von K. Adenauer: Erinnerungen. Stuttgart 1965—1967, die diese Phase abdecken, sind hier insbesondere die Teegespräche zu nennen. Adenauer veranstaltete sie regel- mäßig zur Unterrichtung einer ausgewählten Schar von Journalisten. Hier offenbarte der Kanzler manche der konzeptionellen Überlegungen, die sein politisches Handeln bestimmten: K. Adenauer: Teegespräche 1950—1954. Bearb. von H. J. Küsters, o. O. u. J. [1984], (= Adenauer. Rhöndorfer-Aus- gabe. Hrsg. von R. Morsey und H.-P. Schwarz. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus.) Vgl. auch die zur Zeit maßgebende, aber nur bis 1952 reichende Biographie von H.-P. Schwarz: Adenauer. Der Aufstieg: 1876—1952. Stuttgart 1986. " Vgl. Adenauer. Briefe 1949-1951. Bearb. von H.R Mensing. o.O. u.J. [1985]. (= Adenauer. Rhön- dorfer-Ausgabe. Hrsg. von R. Morsey und H.-P. Schwarz. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus.) In diesen Briefbänden sind auch Schreiben Adenauers veröffentlicht, die aus den unten angesproche- nen Nachlässen stammen. " Vgl. Barmg (wie Anm. 2), S. 69-171. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. Hrsg. für das Bundesarchiv von H. Booms. Bd 1 (1949)-Bd 6 (1953). Boppard 1982-1989. Vgl. H.-E. Volkmann: Die innenpolitische Dimension Adenauerscher Sicherheitspolitik in der EVG- Phase. In: Anfänge, Bd 2 (wie Anm. 1), S. 235-604, hier S. 386-418; K.-L. Sommer: Wiederbewaff- nung im Widerstreit von Landespolitik und Parteilinie. Senat, SPD und die Diskussion um die Wie- derbewaffnung in Bremen und im Bundesrat 1948/49 bis 1957/58. Bremen 1988; Baring (wie Anm. 2), S. 261-293. Vgl. N. Wiggershaus: Die Entscheidung für einen westdeutschen Veneidigungsbeitrag 1950. In: Anfän- ge, Bd 1 (wie Anm. 1), S. 325-402; Maier (wie Anm. 3), S. 5-12, 23-29; Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 607-622; Wettig (wie Anm. 2), S. 234-238. 18 Die Protokolle sind ediert: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts von H.-P. Schwarz. Bd 1: Adenauer und die Hohen Kommissare 1949—1951. München 1989; Bd2: Adenauer und die Hohen Kommissare 1952. München 1990. 1' Vgl. Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 630-648; Wettig (wie Anm. 2), S. 402-415, 425-429. Vgl. Maier (wie Anm. 3), S. 29-234; Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 649-756; Wettig (wie Anm. 2), S. 429-443, 450-475, 526-589; Glesse (wie Anm. 3), S. 104-169. 21 Vgl. Maier (wie Anm. 3), S. 177-181. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Bestand der Abteilung 3 (Länderahteilung) im Politischen Archiv hingewiesen. Der Nachlaß befindet sich in Privathand und ist dort u. U. zugänglich; ein Findbuch liegt im Militär- archiv vor. — Vgl. auch C. Range: Die Generale und Admirale der Bundeswehr. Herford/Bonn 1990, S. 28-38. 21 Vgl. H. Speidel: Aus unserer Zeit. Erinnerungen. Berlin, Frankfurt/M., Wien 1977, S. 298-322. 25 Vgl. U. de Maizike: In der Pflicht. Lebensbericht eines deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert. Her- ford, Bonn 1989, S. 142-155. 2' Vgl. L. Köllner/H.-E. Volkmann: Finanzwissenschaftliche, finanzwirtschaftliche und finanzpolitische Aspekte eines deutschen Beitrages zur EVG. In: Anfänge, Bd 2 (wie Anm. 1), S. 757—873, bes. S. 818—873. 2' Vgl. Wettig (wie Anm. 2), S. 590—619; Noack (wie Anm. 3); Adenauer, Erinnerungen, Bd 2 (wie Anm. 12), S. 307-383; de Maiziere (wie Anm. 24), S. 160-172. 28 Vgl. Speidel (wie Anm. 23), S. 320-322, 331-334; de Maiziere (wie Anm. 24), S. 164-172. 2' Vgl. auch dessen Erinnerungen: W.G. Grewe: Rückblenden 1976—1951. Frankfurt a.M., Berlin, Wien 1979, S. 134-156, 195-209. Vgl. Wettig (wie Anm. 2), S. 397-400, 475-487, 611-615; Baring (wie Anm. 2), S. 124-162. '1 Vgl. Adenauer und die Hohen Kommissare (wie Anm. 18). ^2 Vgl. Foerster (wie Anm. 6), passim; Baring (wie Anm. 2), S. 87—91; Wettig (wie Anm. 2), S. 106—114, 225f., 289—300, 322f.; H. Buchheim: Adenauers Sicherheitspolitik 1950—1951. In: Aspekte der deut- schen Wiederbewaffnung bis 1955. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Mit Beiträgen von H. Buchheim u.a. Boppard 1975 (= Militärgeschichte seit 1945. Bd 1.), S. 119—133 und ebd., bes. S. 133—137 die anschließende Diskussion mit den Ausführungen Schwerins. Da zahlreiche seiner Angehörigen später zur Bundeswehr wechselten, enthält der Bestand auch dar- über Unterlagen. — Zur Aufstellung, Bewaffnung, Ausrüstung, Gliederung, Aufgabenstellung und Entwicklung des Bundesgrenzschutzes vgl. L. Dierske: Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes von der Aufstellung bis zum 31. März 1963, als Manuskript gedruckt, o. O. u.D. (vorhanden in der Dienst- bibliothek des Militärarchivs).

142 " Einige Hinweise zur Geschichte der Organisation Gehlen in den frühen 1950er Jahren bietet der Nachlaß Schwerin. Vgl. Foerster (wie Anm. 6), S. 467—470; H. Zolling/H. Höhne: Pullach intern. General Gehlen und die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes. Hamburg 1971, S. 238—241. Allerdings sind die hier vorhandenen Typoskripte von Befragungen Schwerins durch das Militärgeschichtliche Forschungs- amt aus den Jahren 1971 und 1972 aufschlußreich. In absehbarer Zeit werden der Forschung die Akten der Kasernierten Volkspolizei und ähnlicher Verbände der DDR im Militärarchiv zur Benutzung zur Verfügung stehen. Dies wird dann natür- lich den Quellenwert der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse über die ostdeutsche Aufrüstung wieder relativieren. Vgl. Foerster (wie Anm. 6), S. 432-440, 496-507; Wettig (wie Anm. 2), S. 243-245, 321 f.; Speidel (wie Anm. 3), S. 243—257, 272—275 sowie bes. H.-J. Rautenberg/N. Wiggershaus: »Die Himmero- der Denkschrift« vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung. In: MGM, 21 (1977), S. 135—206, sowie die Äußerungen Kielmanseggs u.a. in: Aspekte (wie Anm. 32), S. 140—147. Der wohl ebenfalls wichtige Nachlaß Heusingers befindet sich noch in Privathand. — Vgl. auch Range (wie Anm. 23), S. 14-26. Vgl. Kielmansegg und de Maiziere in: Aspekte (wie Anm. 32), S. 193—195. Zur Entwicklung der Aufbauorganisation des Amtes Blank vgl. auch D. Genschel: Wehrreform und Reaktion. Die Vorbereitung der Inneren Führung 1951—1956. Hamburg 1972, S. 72—103, 347—352. Vgl. Greiner (wie Anm. 7) und Lowry (wie Anm. 3); P. Noack: Militärpolitische Entscheidungen nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. In: Aspekte (wie Anm. 32), S. 149-163, hier S. 152-159, sowie die anschließende Debatte ebd., S. 163-168, bes. die Beiträge de Maizieres und Fetts; G. Meyer: Zu Fragen der personellen Auswahl bei der Vorbereitung des west- deutschen Verteidigungsbeitrages (1950—1956). In: Das deutsche Offizierkorps 1860—1960. In Ver- bindung mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt hrsg. von H.H. Hofmann (t). Boppard a.Rh. 1980 {= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Bd 11.), S. 351—365, hier S. 356—361. Die ursprünglich aus Kriegsgefangenen hervorgegangenen, durch die Akten des Bestandes BW 9 gut dokumentierten deutschen Dienstgruppen der Briten und Amerikaner waren im Bau- und Trans- portwesen sowie zur Bewachung eingesetzt. Bereits Schwerin beschäftigte sich mit der Frage ihrer möglichen Verwendung bei der Aufstellung deutscher Verbände. Das Amt Blank kam allerdings zu einem negativen Ergebnis; hing den Gruppen doch der Ruch von »Hiwis« an. Vgl. H.-L. Borgert, W. Stürm, N. Wiggershaus: Dienstgruppen und westdeutscher Verteidigungsbeitrag. Vorüberlegun- gen zur Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland. Boppard a.Rh. 1982 (= Militärgeschichte seit 1945. Bd 6.) In den Taschenkalendern Blanks sind offenbar recht vollständig Termine und Namen verzeichnet. Ein vermutlich von Blank stammender undatierter und ungezeichneter Vermerk resümiert die unzu- reichenden Arbeitsbedingungen der Jahre 1954 und 1955 als Grund der 1956 gescheiterten Aufstel- lungsplanung. Dabei erscheint ein Vermerk Wirmers von 1952 über die Auswahl des militärischen Personals bemer- kenswert. Vgl. dazu auch M. Kehrig: »... und keinen Staat im Staate bilden«. Skizzen zur Entwicklung des militärischen Archivwesens 1945—1955. In: Aus der Arbeit der Archive. Beiträge zum Archivwe- sen, zur Quellenkunde und zur Geschichte. Festschrift für Hans Booms. Hrsg. von F. P. Kahlen- berg. Boppard a.Rh. 1989 (= Schriften des Bundesarchivs. Bd 36.), S. 368-408. Vgl. Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 688-698, 717, 720. t? Vgl. ebd., S. 711-714, 734-738. Diese Handakten — wiewohl eindeutig staatliches Schriftgut — wurden im November 1983 Irrtüm- lich mit dem unverzeichneten Nachlaß Rentrop im Militärarchiv magaziniert. Sie tauchten erst nach Abschluß der Ordnungsarbeit im Bestand BW 9 im Zuge der Recherchen zu diesem Beitrag auf. Vgl. auch den Briefwechsel mit Schneider im Nachlaßsplitter Fett. Dagegen enthält der Bestand der Dienststelle im Bundesarchiv keine Hinweise zu diesen Überlegungen. 51 Vgl. Meier-Dörnberg (wie Anm. 7), S. 674-681. Vgl. K. Fett: Die Grundlagen der militärischen Planungen. In: Aspekte (wie Anm. 32), S. 169—184, und dazu im Nachlaßsplitter Fett die in Vorbereitung dieses Beitrages geführte Korrespondenz mit Kielmansegg, Ferber, Zenker und Panitzki über Gliederungs-, Stärken- und Aufstellungspläne bis zum NATO-Beitritt.

143 " Vgl. H. Brill; Bogislaw von Bonin im Spannungsfeld zwischen Wiederbewaffnung — Westintegra- tion — Wiedervereinigung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Bundeswehr 1952—1955. Baden- Baden 1987, sowie ein Dokumentenband mit gleichem Titel, Baden-Baden 1989 (= Militär, Rüstung, Sicherheit. Bde 49, 52.); Noack (wie Anm. 41), S. 159-162. Bei der Sammlung, die Brill für seine Studie anlegte, handelt es sich überwiegend nicht um Archiv- gut im engeren Sinne. Nichtsdestoweniger ist die Anfang der 1970er Jahre einsetzende Befragung von Zeitzeugen hauptsächlich zum alternativen Operationskonzept Bonins (den sogenannten »Bonin- Plan«) sowie zu dessen Kritik an der Inneren Führung interessant. Brill befragte im wesentlichen drei Gruppen: erstens die Führungsgarnitur des Amtes Blank (unter anderem Heusinger, Kielmans- egg, de Maiziere, Fett, Heuser, Zenker, Wirmer); zweitens ehemalige Wehrmachtsgenerale (Busse, Kuntzen, Westphal, Eberbach, Rüge, Dethleffsen und andere), wobei hier noch etliche Originalschrei- ben Bonins vorhanden sind; und drittens Mitglieder des damaligen Bundestagsausschusses für Fra- gen der europäischen Sicherheit. Erwähnenswert ist ferner das Protokoll eines Gesprächs, das ein Mitarbeiter des MGFA mit Bonin im Jahre 1977 führte. Schließlich enthält die Sammlung inter- essante Zeitungsausschnitte und Publikationen. Vgl. G. Kobe: Wie die Bundeswehr entstand. Erlebnisse mit dem Konzept der Ausbildung. Erinne- rungen von Gerd Kobe. Generalmajor a.D. Osnabrück 1985, S. 22—97. In weiten Passagen ist die Darstellung eine Neuauflage seiner Veröffentlichung: Der Wind kam vom Westen. Ein fast schon historischer Bericht. Würzburg 1974. Im Nachlaßsplitter Gerlach des Militärarchivs findet sich ein Vortragsmanuskript Gerlachs aus dem Jahre 1971 über Planung und Anfänge der Bundeswehr. Vgl. auch Zenker und Rüge, in: Aspekte (wie Anm. 32), S. 184—192. — 1956 wurde der Seegrenz- schutz sozusagen als Anfangsbestand in der Bundesmarine übernommen. Über seine Aufstellung unterrichtet F. Poske: Der Seegrenzschutz 1951—1956. Erinnerungen, Bericht, Dokumentation. Mün- chen 1982. Zur Zusammenarbeit mit dem Amt Blank vgl. hier S. 169—173. Vgl. Genschel (wie Anm. 40); D. Abenheim: Bundeswehr und Tradition. Die Suche nach dem gülti- gen Erbe des deutschen Soldaten. München 1989 (= Beiträge zur Militärgeschichte. Bd27.), bes. S. 56—88, sowie den Beitrag von H. Tänzler (Mitarbeiter der Unterabteilung Innere Führung im Amt Blank): Vorbereitende Planungen für die »Innere Führung«. In: Aspekte (wie Anm. 32), S. 201—211, ferner resümierend: Drei Jahrzehnte Innere Führung. Grundlagen, Entwicklungen, Per- spektiven. Hrsg. von D. Walz. Baden-Baden 1987. Vgl. dazu auch H. J. Rautenberg: Planungen zur Offizierausbildung künftiger deutscher Streitkräfte 1950—1954. In: Das deutsche Offizierkorps (wie Anm. 41), S. 367—388. — Die Gutachtertagungen sind doppelt überliefert. Auch die im Nachlaßsplitter Kämpf vorhandenen Unterlagen zur Inneren Führung und ideologischen Auseinandersetzung mit dem Osten bestehen wohl überwiegend aus Doppelüberlieferung. Das Büro befaßte sich mit den Komplexen Innere Führung, staatsbürgerliche Erziehung, ideologi- sche Auseinandersetzung mit dem Osten, psychologische Kriegführung, Heerespsychologie, allge- meinbildende Lehrgänge für die Truppe und diversen Formen der Jugend-, Offentlichkeits- und Bil- dungsarbeit im Dienste der Landesverteidigung. Neben einer umfangreichen privatdienstlicheh Kor- respondenz enthält der Nachlaß zahllose Arbeitsunterlagen, Reiseberichte, Manuskripte und Besprechungsnotizen, unter anderem aus der Zusammenarbeit mit Heusinger, Wirmer und Blank. Gut dokumentiert ist beispielsweise ein Studienprojekt zur Erarbeitung psychologischer Prüfkrite- rien für die Personalauswahl und deren Umsetzung in Lehrgängen für Prüfoffiziere in den Jahren 1955 bis 1957. Auch die Sachverständigenkonferenzen zur »Erziehung als Mittel der Inneren Füh- rung« und »Staatsbürgerlichen und Europäischen Erziehung« des Jahres 1953 sind hier ergänzend belegt. Auf die Protokolle des Ausschusses für Innere Führung nebst handschriftlichen Anmerkun- gen Pfisters, auf Besprechungen deutscher und französischer Unternehmer 1954, auf Unterlagen zur Verteidigungsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Erziehung sei nur am Rande verwie- sen. Von Interesse mögen auch die in englischer Sprache verfaßten Reiseberichte Pfisters sein, die er als Angestellter der Abteilung für Erziehung und Öffentlichkeitsarbeit der Alliierten Hohen Kom- mission 1951/52 unternahm. — Zum Studienbüro vgl. auch Genschel (wie Anm. 40), S. 157—161. " Vgl. Genschel (wie Anm. 40), S. 205-211, Abenheim (wie Anm. 58), S. 89-97. Das entsprechende Findbuch beinhaltet einen aussagekräftigen organisationsgeschichtlichen Abriß. Die aus der Begutachtung der Bewerber entstandenen Personalunteriagen wurden bei der Auflösung des Ausschusses vernichtet. — Vgl. auch P. Frhr. v. Boeselager, in: Aspekte (wie Anm. 32), S. 212—216. Zur Annahmeorganisation vgl. auch Genschel (wie Anm. 40), S. 211—216.

144 " Vgl. Lowry (wie Anm. 3), S. 273—275, 289—305; Verteidigung im Bündnis. Planung, Aufbau und Bewährung der Bundeswehr 1950 bis 1972. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Mün- chen 1975, S. 52f., 104-116. ^^ Die Protokolle des Vermittlungsausschusses liegen in Form einer Microfiche-Edition vor. Vgl. Volkmann (wie Anm. 16), S. 372—385. Zur Auseinandersetzung um die Ausgestaltung der Wehr- verfassung 1954 bis 1956 vgl. bes. K. Hornung: Staat und Armee. Studien zur Befehls- und Kom- mandogewalt und zum politisch-militärischen Verhältnis in der Bundesrepublik Deutschland, Mainz 1975, S. 45-175. " Der Nachlaß des für die Debatten im ehemaligen Offizierkorps wie für die Wehrpolitik der Frei- demokraten bedeutsamen Hasso v. Manteujfel im Militärarchiv beinhaltet vor allem eine offenbar vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt vorgenommene Zusammenstellung von Presseausschnitten. Daneben finden sich allerdings auch einige frühe Denkschriften. Stimmungsberichte zur Lage und Haltung der Soldaten enthält der Nachlaß Schwerin. Vgl. G. Meyer: Zur Situation der deutschen militärischen Führungsschicht im Vorfeld des westdeut- schen Verteidigungsbeitrages 1945—1950/51. In: Anfänge, Bd 1 (wie Anm. 1), S. 577—735, hier S. 690—731. H. Speier: German Rearmament und Atomic War. The Views of German Military and Political Leaders. Evanston/New York 1957, S. 49—150. Vgl. K. Frhr. Schenck zu Schweinsberg: Die Soldatenverbände in der Bundesrepublik. In: Studien zur politischen und gesellschaftlichen Situation der Bundeswehr. Hrsg. von G. Picht u. a. Erste Fol- ge. Witten/Berlin 1965 (= Forschungen und Berichte der Evangelischen Studiengemeinschaft. Bd 21/1.), S. 96-177; Meyer (wie Anm. 68), S. 639-649; Volkmann (wie Anm. 15), S. 589-596; Wettig (wie Anm. 2), S. 400 f.; H.-A. Jacobsen: Zur Rolle der öffentlichen Meinung bei der Debatte um die Wie- derbewaffnung 1950—1955. In: Aspekte (wie Anm. 32), S. 85—89, sowie Kielmansegg ebd., S. 104. In diesem Zusammenhang sei auch auf das umfangreiche Material zu der vom Bundespresseamt geför- denen Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise im Nachlaß Lenz hingewiesen. Die Arbeitsge- meinschaft warb um Zustimmung für den Verteidigungsbeitrag. Im Nachlaß v. Brentano findet sich ergänzend ein Schriftwechsel mit Georg v. Weitershausen über den Verband deutscher Soldaten. Vgl. Meyer (wie Anm. 68), S. 613-635. Zur Entwicklung der Wehrpolitik der Parteien vgl. Volkmann (wie Anm. 16), S. 253—493; Baring (wie Anm. 2), S. 171-179. Vgl. Adenauer: »Es mußte alles neu gemacht werden«. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes 1950—1953. Bd 1: 1950—1952. Bearb. von G. Buchstab. Stuttgart ^1986 (= Forschungen und Quel- len zur Zeitgeschichte. Bd 8.); Adenauer: »Wir haben wirklich etwas geschaffen.« Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes. Bd 2: 1953-1957, Bearb. von G. Buchstab. Düsseldorf 1990 (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. Bd 16.). So die Auskunft des Archivs für Christlich-Demokratische Politik. Da dieser nach Korrespondenten abgelegt wurde, unterliegt er noch der Sperrfrist. Bezeichnenderweise erst 1953 meldete sich ein Delegierter als »alter Soldat« zu Wort. Unter Beschwö- rung unverfälschter Soldatentugenden forderte er harte Ausbildung und Rehabilitierung. ''8 Der Nachlaß Gerstenmaier ist mit Genehmigung der Familie, der Nachlaß Krone gar nicht benutzbar. Einen Teil der Korrespondenz hat A. Baring: Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Heinrich v. Brentano im Briefwechsel mit 1949—1964. Hamburg 1974, veröffentlicht. Dabei handelt es sich überwiegend um Dokumente, die nicht dem im Bundesarchiv liegenden Nachlaß entstammen. Die Sicherheitspolitik ist in einigen Briefen angesprochen. Vgl. S. 50—54, 89—107, 121—126, 136—143. Dies gilt unter Vorbehalt der noch abzuschließenden Ordnungsarbeiten. — Hilfsweise empfiehlt sich die hektographierte (ebenfalls im Archiv für Christlich-Soziale Politik vorhandene) »CSU-Corre- spondenz« der CSU-Landtagsfraktion mit einigen Hinweisen zur sicherheitspolitischen Diskussion in der frühen CSU (u.a. von Strauß, Schäffer, Ehard, Jäger), nämlich zu den Komplexen: Bedro- hungslage, Kalter Krieg, Bundespolizei, Voraussetzungen des Verteidigungsbeitrages, SPD-Verteidi- gungspolitik, Personalgutachterausschuß, Wehrgesetze. Der Nachlaß des CSU-Politikers Franz Ehl- sen enthält nur ein Schreiben an Blank, mit dem Ehlsen Anfang 1953 zwischen den wehrpolitischen Konkurrenten Strauß und Blank zu vermitteln suchte. 81 F.-J. Strauß: Die Erinnerungen. Berlin 1989, bes. S. 242-276. Der Nachlaß Schwerin enthält zahlrei- che Memoranden zu wehrpolitischen Fragen, die der Graf nach seiner Entlassung für Strauß anfer- tigte. Darunter befindet sich auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Amt Blank und der Organisation Gehlen.

145 Vgl. die gut recherchierte Studie von D. Wagner: FDP und Wiederbewaffnung. Die wehrpolitische Orientierung der Liberalen in der Bundesrepublik Deutschland 1949—1955. Boppard 1978 (= Mili- tärgeschichte seit 1945. Bd 5.). " Vgl. Sommer (wie Anm. 16). Interessant ist eine Sitzung ihrer Wirtschaftsexperten zur »sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Wiederaufrüstung« im März 1952. '' Erwähnt seien ausdrücklich: ein Schreiben Brandts über die Haltung norwegischer und englischer Sozialisten, ein Brief Wehners über die Grundgesetzänderung im Gefolge des EVG-Vertrages, ein Schreiben Annemarie Rengers über eine gemeinsame Wehrpolitik der sozialistischen Parteien Euro- pas nach dem Scheitern der EVG und eine Denkschrift des sozialdemokratischen Wirtschaftsexper- ten und Leiters des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, , »Deutschlands Beitrag zur Ver- teidigung des Friedens« vom August 1952 und ein Monitum Helmut Schmidts vom 6. März 1954 zur positiven Mitarbeit am Aufbau der Streitkräfte. Die SPD, so Schmidt, dürfe nicht wie in der Weimarer Republik versäumen, das innere Gefüge der Streitkräfte gesetzlich und verfassungsmäßig zu fixieren. Es sei »vielmehr notwendig, sich nunmehr sehr schnell und sehr konkret mit dem >wie< der Remilitarisierung« zu beschäftigen. fordert in einem Schreiben die Zusammenar- beit von KPD und SPD gegen die Wiederbewaffnung. Aber auch ein Schreiben Schwerins vom Januar 1951 und die Abschrift eines Briefes des Generaladmirals a.D. Boehm an Adenauer finden sich hier. Boehm kritisierte die Aufnahme von Widerstandsgruppen in den auch vom Verband deutscher Sol- daten und vom Kyffhäuserbund betriebenen Zusammenschluß der europäischen Soldatenverbände. Vgl. Jacobsen (wie Anm. 69), S. 63-73, 95-98; Volkmann (wie Anm. lö), S. 463-493. Vgl. E. Nolte: Deutschland und der Kalte Krieg. München, Zürich 1974, S. 296-313, 324-329. Jacob- sen (wie Anm. 69), S. 91—95, sowie die etwas oberflächlich recherchierte, aber die KPD immerhin doch kritisch beurteilende Studie von E. Dietzfelbinger: Die westdeutsche Friedensbewegung 1948 bis 1955. Die Protestaktionen gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1984 (= Pahl-Rugenstein Hochschulschriften Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Bd 168.). Freilich spricht er nicht von einem Haupthindernis der Friedensbewegung — von der Aufrüstung der DDR. Vgl. ansonsten Volkmann (wie Anm. 16), S. 463—524. In Ermangelung einschlägiger Quellen zur Politik der KPD mag die von dieser Partei angelegte Presseausschnittsammlung zum Themenkom- plex von Nutzen sein; sie befindet sich in der Teitgeschichtlichen Sammlung Nr. 108 des Bundesarchivs. 88 Vgl. Baring (wie Anm. 2), S. 209-211. Vgl. dazu Volkmann (wie Anm. 16), S. 507-512. Vgl. ebd., S. 524—546; Baring (wie Anm. 2), S. 211—216, und dazu die Dokumentation: Evangeli- sche Kirche in Deutschland und die Wiederaufrüstungsdiskussion in der Bundesrepublik 1950—1955. Hrsg. von W.W.Rausch und C.Walter. Gütersloh 1978. " Vgl. Volkmann (wie Anm. 16), S. 546-556; Baring (wie Anm. 2), S. 204-208; Nolte (wie Anm. 87), S. 315f., sowie bes. A. Doering-Manteuffel: Katholizismus und Wiederbewaffnung. Die Haltung der deutschen Katholiken gegenüber der Wehrfrage 1948—1955. Mainz 1981 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe B. Bd 32.), der zahlreiche Hinweise auf weiteres Archivmate- rial bietet. — Die Entscheidung des katholischen Schriftstellers Reinhard Schneider, sich der kom- munistisch inspirierten »Volksbefragung« anzuschließen, ist im Nachlaß des CDU-Politikers Willy Massoth des Archivs für Christlich-Demokratische Politik dokumentiert. Vgl. Volkmann (wie Anm. 16), S. 556-568. G. Brandt: Rüstung und Wirtschaft in der Bundesrepublik. In: Studien (wie Anm. 69), Dritte Folge. Witten/Berlin 1966, S. 85-98, 105-117.

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