2 6796 C • 21. DEZ. 1961 Nr. 51/52 • 15. JAHRGANG UNIONiriI2ei4tschlanpL INFORMATIONSDIENST der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union

Das Amt und die Person Zwölf Jahre Bundesrepublik in Beharrung und Wechsel

Vor kurzer Zeit wurde dem Deutschen und dem deutschen Volk Von 1920 bis 1932 war er zum Präsi- eine neue Bundesregierung vorgestellt Sie war das vierte Kabinett in der denten des preußischen Staatsrates be- Geschichte der Bundesrepublik und zugleich das vierte Kabinett Adenauer. stellt worden. Das Angebot, Reichskanz- Schon am Anfang stand die Zusammenarbeit in einer Koalition: die Bundes- ler zu werden, lehnte er jedoch im Jahre 1926 ab. Eine große Laufbahn schien 1933 regierungen der Jahre 1949 und 1953 setzten sich aus Ministern zusammen, zu enden, als der Nationalsozialismus die der CDU/CSU, der FDP, der DP und dem BHE angehörten. 1957 bildeten den aufrechten Christen und Demokraten CDU und CSU mit der DP die Regierung, 1961 wurde wiederum eine Koali- der Wirkensmöglichkeit beraubten. Es be- tionsgemeinschaft zwischen CDU/CSU und FDP geschlossen. Der Wechsel der gannen für gefahrvolle Jahre. Kabinette, Tod und Rücktritt vom Amt haben im Verlauf der Jahre neue Namen in den Vordergrund gerückt, beherrschend blieb der Eindruck der Nach dem Krieg berief ihn die eng- Stetigkeit. lische Besatzungsmacht wieder zum Ober- bürgermeister Kölns. Da er sich im Inter- Die Grundlagen der deutschen Politik esse seiner Vaterstadt weigerte, alle Be- das auch in kommender Zeit seine Gül- fehle der Sieger auszuführen, wurde er sind gleichgeblieben, die Kontinuität tigkeit nicht verlieren wird. wurde gewahrt. Das ist nicht zuletzt das „wegen Unfähigkeit" aus dem Amt ent- Verdienst des Mannes, der nach Ar- fernt. Eine Nebenwirkung dieser törich- Bundestagspräsident D. Dr. Eugen Ger- ten Maßnahme war, daß Konrad Ade- tikel 65 des Grundgesetzes die Richt- stenmaier sprach diese Tatsache ganz klar linien der Politik festlegt: des Bundes- nauer für größere politische Aufgaben aus, als er am 4. Januar 1961, am Vor- frei wurde. Die neue politische Kraft, die kanzlers. Dr. Konrad Adenauer steht seit abend des 85. Geburtstags von Bundes- zwölf Jahren an der Spitze der Bundes- sich in Deutschland gebildet hatte, die kanzler Dr. Adenauer sagte: Christlich Demokratische Union, wählte regierung. Sein Name ist gleichbedeutend den Mamn zunächst zum Vorsitzenden im mit der Beständigkeit in der deutschen „Die Konstruktion der von diesem Rheinland, zum Fraktionsvorsitzenden im Politik, mit dem großen Maß an Ver- Bundeskanzler zäh verfolgten deutschen Landtag von Nordrhein-Westfalen, am auen, das Deutschland in der freien Politik war so richtig, daß sie heute in- 5. 3. 1946 zum Vorsitzenden der Landes- vVelt nach dem Krieg wiedergewinnen nerhalb und außerhalb Deutschlands verbände der britischen Zone und 1950 in konnte. Die nachfolgenden Seiten dieser überhaupt nicht mehr ernstlich in Frage Goslar zum Vorsitzenden der Gesamt- Ausgabe unseres Informationsdienstes gestellt wird. Wer kann denn auch be- CDU. Als der Parlamentarische Rat gebil- geben Aufschluß über Beharrung und streiten, daß Adenauers Sicherheitspolitik det wurde, um dem geschlagenen Land Wechsel innerhalb der Bundesregierung. die Grundlage iür die Entfaltung unserer im Grundgesetz eine neue politische Der Bundeskanzler Wirtschaft ist, und wer weiß nicht, daß Basis zu schaffen, wählte er Dr. Konrad die Erträgnisse unserer Wirtschalt die Adenauer zu seinem Vorsitzenden. Am materielle Voraussetzung unserer sozia- 20. Mai 1949 wurde Bonn zur vorläufigen Konrad Adenauer len und kulturellen Leistungen sind? Alle Bundeshauptstadt bestimmt, das Grund- Konstruktionsversuche deutscher Politik gesetz trat am 23. Mai des gleichen Jahres Unter den drei Namen, die der Bundes- andersherum tragen doch — sie mögen in Kraft, der erste Deutsche Bundestag regierung seit 1949 ohne Unterbrechung sich noch so geistbewußt, ungebärdet oder wurde am 14. August gewählt, und am angehörten, ist der des Bundeskanzlers auch fromm geben — das Mal der Gedan- 15. September 1949 trat Dr. Adenauer als Dr. Adenauer und der des Vizekanzlers kenlosigkeit oder der Illusion an der Bundeskanzler an die Spitze der ersten und Bundeswirtschaftsministers Prof. Er- Stirn." Regierung. hard. Sie haben der Politik der vergan- genen zwölf Jahre den Stempel aufge- Als Bundeskanzler Dr. Adenauer am Als Dr. Adenauer dieses Amt über- prägt. Die Opposition hat diese Tatsache 15. September 1949 vom Bundestag zum nahm, sah es um die politische Hand- zuweilen mit dem Stichwort „Ära Ade- erstenmal in dieses Amt gewählt worden lungsfähigkeit der Bundesrepublik traurig nauer" versehen und mit der Nebenab- war, hatte er schon lange Zeit im öffent- aus: sicht, diese „Ära" als etwas Vorüber- lichen Leben gestanden. Bereits im Alter gehendes abzuwerten. Die taktische Über- von 35 Jahren war der Kölner Konrad Deutschland stand unter dem Besat- nahme außen- und wirtschaftspolitischer Adenauer zum ersten Beigeordneten sei- zungsstatut vom April 1949. Es hatte kei- Vorstellungen der CDU/CSU-Politik durch ner Heimatstadt gewählt worden, mit 43 nerlei diplomatische oder konsularische die Opposition gerade im vergangenen Jahren, und damit jüngster Oberbürger- Beziehungen zu fremden Staaten, es war Wahlkampf ist ein Beweis mehr dafür, meister in Deutschland, hatte er die Ge- nicht in internationalen Organisationen daß das Wirken beider Männer für schicke der traditionsreichen Stadt am vertreten, die Besatzungsmächte herrsch- Deutschland ein Fundament gelegt hat, Rhein verantwortlich gelenkt. Fortsetzung Seite 2 Das Wirtschallsministerium des CDU-Parteitages der britischen Zone in am 28. August 1948 sagte er u. a.: Vom Zwang zur Freiheit „Mit der wirtsclwltspolitischen Wen- dung von der Zwangswirtschalt hin zur „Durch freiwillige Einordnung zum Ganzen streben" Marktwirtschalt haben wir mehr getan, als nur im engeren Sinne wirtschaftliche Was im vorigen Kapitel über den und Kredit" in Bad Homburg. Ludwig Maßnahmen getroffen. Wir haben viel- politischen Zusammenbruch Deutschlands Erhard, der am 4. Februar 1897 im bayeri- mehr unser gesellschaftliches, wirtschaft- nach dem Krieg gesagt worden ist, das schen Fürth geboren worden war, hatte liches und soziales Leben auf eine neue gilt in gleicher Weise für die deutsche von 1928 bis 1942 im „Institut für Wirt- Grundlage und vor einen neuen Anfang Wirtschaft. Nicht nur, daß die Industrie- schaftsbeobachtung der deutschen Fertig- gestellt. Wir mußten abschwören der betriebe durch die Bombenangriffe schwer waren" an der Handelshochschule Nürn- Intoleranz, die über die geistige Unfrei- geschädigt worden waren, nicht nur, daß berg gearbeitet. Schon damals suchte er heit zur Tyrannei und zum Totalitaris- die einheimische Bevölkerung kaum Wissenschaft und Praxis in der Arbeit zu mus führt. Wir mußten hin zu einer wußte, wie sie ihr tägliches Brot verdie- vereinen — eine Übung, die ihm später in Ordnung, die durch freiwillige Einord- nen konnte, Millionen Heimatvertriebe- seiner Arbeit als Bundeswirtschaftsmini- nung, durch Verantwortungsbewußtsein ner und Flüchtlinge waren unterwegs in ster sehr zustatten kommen sollte. in einer sinnvoll organischen Weise zum das freie Deutschland und versuchten, Ganzen strebt." sich in der neuen Umgebung einzuglie- Am 2. März 1948 wählte der Wirt- dern. schaftsrat des „Vereinigten Wirtschafts- Die alliierten Besatzungsmächte hatten gebietes" Prof. Dr. Erhard zum Direktor im März 1946 einen Ersten Industrieplan der Verwaltung für Wirtschaft. Bei der für Deutschland entworfen, durch den die Gründung der Bundesrepublik über- Industriekapazität auf etwa 65 v. H. des nahm Prof. Erhard im September 1949 das Der Bundeskanzler Amt des Bundesministers für Wirtschaft. Standes von 1936 verringert werden Fortsetzung von Seite 1 sollte. Anfang 1947 wurden die amerika- Prof. Dr. Erhard gehört seit 1949 als Ver- nische und britische Besatzungszone zu treter des Wahlkreises 170 (/Heiden- ten auch auf innenpolitischem Gebiet. Die einem „Vereinigten Wirtschaftsgebiet" heim) in den Reihen der Christlich Demo- deutsche Verwaltung wurde überwad-' zusammengefaßt. Im August 1947 wurde kratischen Union dem Deutschen Bundes- die Alliierten hatten ein Vetorecht geg"~ der Zweite Industrieplan veröffentlicht. tag an. Am 30. Oktober 1957 wurde Prof. über der deutschen Gesetzgebung. D\._ Zwar brachte er wesentliche Erleichterun- Erhard dann zum Stellvertreter des Bun- Wirtschaft stand unter scharfer Kontrolle, gen, aber gleichzeitig sah er die Demon- deskanzlers ernannt. die Produktion war eingeschränkt, über allem schwebte die Drohung der alliierten tage von 496 Fabriken in der britischen, Mit seinem Namen verbindet sich der 236 in der französischen und 185 in der Generalklausel, die die Zurücknahme amerikanischen Zone vor. deutsche Aufstieg aus dem Chaos. Die sämtlicher an deutsche Instanzen abge- Währungsreform, die Mitte 1948 den tretene Rechte möglich machte. ersten Anstoß zu einem Wiederaufleben der deutschen Wirtschaft gegeben hatte, Es begann ein zähes Ringen. Im No- beruhte einfach darauf, die Ausgabe des vember 1949 wurde das sogenannte Seit 1949 Prof. Dr. neuen Geldes mit einer entschiedenen Petersberger Abkommen unterzeichnet, Wirtschaftsreform zu verknüpfen. Die das die weitgehende Einstellung der De- Zwangswirtschaft sollte endgültig ver- montagen und die Erlaubnis zur Auf- bannt, der freie Wettbewerb eingeführt nahme konsularischer sowie Handels- Es erscheint heute kaum noch glaub- werden. beziehungen brachte. Der erste Schritt haft, daß in der damaligen Zeit die amt- zur Wiedergewinnung der deutschen Sou- liche Lebensmittelzuteilung für den Nor- Sicher wird es einmal in die deutsche veränität war getan. malverbraucher nicht ganz 1000 Kalorien Geschichte eingehen, das „Gesetz über pro Tag vorsah. Damit konnte knapp Leitsätze für die Bewirtschaftung und Dem ersten Schritt folgten rasch wei- 40 v. H. des physiologisch notwendigen Preispolitik nach der Geldreform" vom tere: Am 13. Juli 1950 wurde die Bundes- Mindestbedarfes gesichert werden. Wer 24. Juli 1948. Es bedeutete nicht nur den republik assoziiertes Mitglied im Europa- von uns erinnert sich noch daran, daß Fortfall von Hunderten von Bewirtschaf- Rat; am 12. April 1951 wurde die Montan- union gegründet, am 5. 5. 1955 das große nach einer Produktionsstatistik der bri- tungs- und Preisvorschriften, sondern tischen Zone aus dem Jahr 1946/47 jeder Werk der europäischen Einigung begon- auch eine Überraschung für die alliierten nen, die Pariser Verträge ratifiziert, die Einwohner alle 40 Jahre einen Anzug, Besatzungsmächte. Sie hatten sich jede alle zehn Jahre ein Oberhemd, alle vier Bundesrepublik in die Mitgliedschaft derj Änderung der Preisvorschriften vorbehal- NATO aufgenommen. Mit der Teilnah#l Jahre ein Paar Socken und alle drei ten, daß aber jemand kurz nach dem Zu- Jahre ein Paar Schuhe erhalten konnte. an diesem Bündnis der freien Welt erhiöi^ sammenbruch daran gehen könnte, sämt- die Bundesrepublik starken Schutz, sie Britische Beobachter stellten im Okto- liche Bewirtschaftungsvorschriften aufzu- trat vollgültig in die Rechte und Pflichten ber 1947 fest, im „Vereinigten Wirt- geben, war ihnen nicht in den Sinn ge- des Bündnisses ein. kommen. schaftsgebiet" könnte nur jede siebente Die großen Entscheidungen dieser Zeit Person im Jahr einen Teller, jede fünfte bilden auch heute noch die Grundlagen eine Zahnbürste, jede 150. eine Wasch- Seitdem ist der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik kontinuierlich fortge- deutscher Politik; sie waren ein wichtiger schüssel erhalten, nur jeder dritte Tote Grund dafür, Dr. Konrad Adenauer auch in einem Sarg begraben werden und nur setzt worden. Die Mittel, die notwendig sind, um unsere Pflichten im NATO- zum vierten Male das Amt des Bundes- jeder zweite Säugling mit Windeln in der kanzlers zu übertragen. Wiege liegen. Bündnis zu erfüllen, sie wären nicht auf- zubringen, wenn die deutsche Wirtschaft Dr. Adenauer schuf mit dem Eintritt der Bei diesem Rückblick muß man hier nicht gesund und stabil wäre. Die Flücht- Bundesrepublik in die NATO die Grund- einen Augenblick innehalten und seinen linge hätten nicht eingegliedert werden lage für die Möglichkeit einer Wieder- Blick nach Bayern richten. Im Oktober vereinigung in Frieden und Freiheit, die 1945 war dort Dr. Ludwig Erhard zum können, und Deutschland wäre es ver- bayerischen Staatsminister für Wirtschaft wehrt gewesen, eine Wiedergutmachung ohne den starken Rückhalt des westlichen ernannt worden. In seiner Amtszeit, die zu leisten für die Opfer nationalsoziali- Bündnisses nicht zu erreichen wäre. bis zum Dezember 1946 dauerte, eröff- stischer Verbrechen. Diese Wirtschafts- politik wird uns auch befähigen, eines Alle diese Meilensteine im Wiederauf- nete er die erste deutsche Nachkriegs-Ex- stieg der Bundesrepublik sind untrennbar portausstellung — ein für die damalige Tages dem wiedervereinigten Deutsch- mit dem Namen Dr. Adenauer verbunden. Zeit unerhörtes Ereignis! 1947 kam land eine stabile Grundlage zu geben. Unvergessen dabei ist aber auch, welche Erhard als Honorarprofessor an die innenpolitischen Schwierigkeitein zu über- Staatswirtschaftliche Fakultät der Univer- Die Wirtschaftspolitik Prof. Erhards hat winden waren: vor jedem Erfolg stand sität München, und im Oktober des glei- aber nicht nur Geld und Gut gesichert, das Nein der Opposition. Die Ereignisse chen Jahres übernahm er den Vorsitz der sie hat mehr bewirkt. Das erkannte Prof. gingen über diese Einsprüche hinweg. Der mit der Vorbereitung der Währungs- Erhard schon zu einer Zeit, als die Zahl Erfolg widerlegte jenes Nein der Oppo- reform beauftragten „Sonderstelle Geld seiner Kritiker noch groß war. Während sition. Die Präsidenten J^luf ein ^U Ott Demokratie repräsentiert Liebe Freunde, Die beiden ersten im Protokoll ein arbeitsreiches, ein aufregendes, ein Bundestagswahljahr liegt hinter Die junge Bundesrepublik fand in dem des Regimes. Dennoch war er nach dem uns. Und während wir die Erfahrun- am 31. 1. 1884 in Württemberg geborenen Kräeg bereit, am Aufbau eines neuen gen dieses Wahlkampfes sichten und Prof. Dr. Theodor Heuß den Mann, der Deutschlands mitzuhelfen: Mitgründer der unsere Folgerungen für unsere künf- das Amt des Bundespräsidenten bewußt hessischen CDU, Fraktionsvorsitzender tige Arbeit in der Partei ziehen, begin- als Bürgerpersönlichkeit auszufüllen ge- im Landtag, Präsident des Zweizonen- nen sich schon die neuen Aufgaben, willt war. Zunächst als Journalist tätig, wirtschaftsrates hießen, die Stationen, be- die uns das Jahr 1962 stellt, abzuzeich- arbeitete Dr. Heuß von 1918 bis 1931 als vor er von 1949 bis 1950 das Amt des nen: In fünf Monaten der Bundespar- Bezirks- und Stadtverordnetier in ; Parlamentspräsidenten ausfüllte. Aus Ge- teitag in , in sieben Monaten von 1924 bis 1933 gehörte er dem Reichs- sundheitsgründen mußte er sein Amt nie- Landtagswahlen in Nordrhein-West- tag an. Ende 1945 wurde er Kultusmini- derlegen; am 23. 10. 1958 starb Dr. Köh- falen, bald danach Landtagswahlen in ster in Württemberg^Baden; seit August ler. Schleswig-Holstein, im Spätherbst in 1948 war er 'Mitglied des Parlamentari- Nach ihm kam Bundestagspräsident Dr. Hessen und Bayern. Das heißt, für ein schen Rates. Prof. Dr. Heuß, 1949 mit der Ehlers, den das Parlament am 11. 10. 1950 Gebiet, in dem weit mehr als die höchsten Repräsentation des Staates be- gewählt und am 6. 10. 1953 mit großer Hälfte der Bevölkerung des Bundes- traut, sah seine Aufgabe u. a. darin, in Mehrheit im Amt bestätigt hatte. Dr. gebietes wohnt, gibt es keine Pause symbolarmer Zeit ohne Staatsbewußtsein Ehlers war ein bedeutender Parlaments- der Besinnung. Ohne Unterbrechung der Funktion des Präsidenten symboli- präsident, der seinem Amt Gewicht zu müssen dort unsere Kreis- und Landes- schen Charakter zu verleihen. 1954 wurde geben wußte und das Ansehen des Par- verbände von einem Wahlkampf auf Prof. Heuß mit großer Mehrheit wieder- lamentes stärkte. Ein Jahr später, am den anderen umschalten. Im Ausmaß gewählt. Zehn Jahre war ier in seinem 29. 10. 1954 verstarb Dr. Ehlers unerwar- seiner Landtagswahlen wird das Jahr Amt tätig, zehn Jahre, die der Bundes- tet. Der seit dem zweiten Weltkrieg als 1962 von uns allen die gleiche Auf- republik gewidmet waren, zehn Jahre, Oberkirchenrat der evangelisch-lutheri- merksamkeit und fnanspruchnahme ie seine Persönlichkeit unvergeßlich schen Kirche tätig gewesene CDU-Politi- fordern wie das abgelaufene Jahr machen. ker stand bei seinem Tod erst im 51. 1961. Lebensjahr. „Er war ein leidenschaftlicher Wie bisher zum Jahresende haben Mahner und Streiter für die Durchsetzung wir auch dieses Mal eine Doppel- Bundespräsidenten und Verankerung der Grundlagen des de- nummer von „Union in Deutschland" mokratischen Staates", sagte der dama- unter ein größeres Thema gestellt. Die 1949—1959 Prof. Dr. Theodor Heuß lige Präsident des Bundesrates, der rhein- Ausgabe soll für unsere Freunde ein- seit 1959 Dr. h. c. Heinrich Lübke land-pfälzische Ministerpräsident Altmei- mal die Bundesregierungen seit 1949, er, und die CDU/CSU schrieb in ihrem die vier Regierungen Adenauer, dar- Nachruf u. a.: „So wurde gerade Dr. Eh- stellen. Es ist in manchen Kreisen der Bundestagspräsidenten lers als führender evangelischer Christ Öffentlichkeit gang und gäbe, über die einer der glühendsten. Vorkämpfer einer „Erstarrung" in Bonn und die „Ära 1949—1950 Dr. Erich Köhler intensiven Zusammenarbeit der beiden Adenauer" zu klagen, als ob der 1950—1954 Dr. großen christlichen Bekenntnisse". Wechsel an sich schon etwas Wün- „Leidenschaftlicher Mahner und Strei- schenswertes und Nützliches sei. Sie seit 1954 D. Dr. werden, wenn Sie die Geschichte der ter — glühender Vorkämpfer einer Zu- sammenarbeit der christlichen Bekennt- einzelnen Ministerien lesen, selbst als nisse", diese Worte treffen in gleicher miterlebende Zeitgenossen vielleicht Weise auch auf den Nachfolger von Dr. mit Erstaunen feststellen, wie frei die Am 1. Juli 1959 -wählte die Bundes- Ehlers zu, den Oberkonsistorialrat D. Dr. 12 Jahre von Erstarrung waren und in versammlung (zusammengesetzt aus den Eugen Gerstenmaier, der am 16. 11. 1954 welch glücklichem Verhältnis Behar- Bundestagsabgeordneten und der glei- gewählt wurde. Der Lebenslauf Dr. Ger- rung und Wechsel in den einzelnen chen Zahl von Ländervertretern) dn Ber- stenmaiers hatte schon gezeigt, welches Ministerien standen, wie in den Res- lin den Bundesminister für Ernährung, Maß an Zähigkeit und leidenschaftlicher sorts neue Namen auftauchten und Landwirtschaft und Forsten, Dr. h. c. überzeugungstreue in ihm stecken: Am viele Jüngere in die Verantwortung -Heinrich Lübke, zum zweiten Präsidenten 25. 8. 1906 in Württemberg geboren, holte rückten. ler Bundesrepublik Deutschland. Nach er nach mehrjähriger kaufmännischer Tä- 12 Jahre des Aufbaues, wie sie kei- seiner Wahl erklärte Dr. Lübke u. a.: tigkeit das Abitur nach und begann mit ner 1949 erholien konnte, 12 Jahre der „Unser verehrter Bundespräsident Pro- dem Studium der Philosophie, der Litera- Erfolge, der innen- und außenpoliti- fessor Dr. Heuß hat durch seine vorbild- turwissenschaft und der evangelischen schen Sicherung, für die die Kontinui- liclie Amtsführung und durch seine von Theologie. Der angestrebten Dozentur tät die Voraussetzung war, werden des überzeugten und deshalb unbeque- lebendig in diesem Bericht über die allen anerkannte Objektivität sich selbst men Christen setzten die Nationalsozia- und seinem Amt im In- und Ausland Bundesministerien und ihre verant- listen ein hartes Nein entgegen. hohes Ansehen erworben. Auf den von wortlichen Leiter. ihm geschaffenen Grundlagen werde ich 1934 und 1944 verhaftet, wegen Beteili- gung am 20. Juli zu Zuchthaus verurteilt, Am Ende dieses arbeitsreichen Jah- im Vertrauen auf Gottes Hilfe und auf war Dr. Gerstenmaiers aufrechter Sinn res steht für mich persönlich der auf- die Mitarbeit aller lebendigen Kräfte in dennoch nicht zu brechen. US-Truppen richtige Dank an alle, die mit soviel unserem Volke weiterarbeiten." befreiten ihn aus dem Kerker. Dr. Ger- Hingabe mitgeholfen haben. Mit die- Nicht weniger gewichtig als die Reprä- stenmaier nutzte die Freiheit, um sogleich sem Dank wünsche ich Ihnen und sentation des Staates nach außen, ist die das Evangelische Hilfswerk aufzurichten. Ihren Familien von Herzen ein geseg- Aufgabe, einem Parlament Profil zu ge- Seit 1949 gehört er dem Deutschen Bun- netes Weihnachtsfest und alles Gute ben, um so mehr nach dem zweiten Welt- destag an, seit 1954 ist er Präsident des für das neue Jahr. krieg in der Bundesrepublik, als es galt, Parlaments. Am 17. 10. 1961 wurde Dr. vor aller Welt darzutun: Deutschland ist Gerstenmaier mit 463 von 504 Stimmen Ihr Konrad Kraske gewillt, sich zu einem vertrauenswürdi- in seinem Amt bestätigt. gen demokratischen Staat zu entwickeln. Mehr als eine lange Würdigung der Diese Aufgabe lag weitgehend in den Händen des Bundestagspräsidenten. hohen Verdienste, die er sich als un- batte, daraufhin muß entschieden werden. bestechlicher, stets souverän über den Dieses Haus ist eine auf die ganze Polis Der erste Bundestagspräsident hieß Dr. Dingen stehender Präsident erworben hat, und ihre Existenznotwendigkeiten aus- Erich Köhler; er war 1892 ,in Erfurt ge- sagt das Zitat aus einer Rede vom 18. 4. gerichtete Körperschaft. Wir sind kein boren. Dr. Köhler, der mit einer Jüdin 1958: Ständehaus, sondern die oberste politische verheiratet war, gehörte in der Zeit des „Denn das Wohl und Wehe des ganzen Vertretung des Volkes in einem freiheit- Nationalsozialismus zu den Verfolgten Volkes steht in diesem Hause zur De- lichen Rechtsstaat." bas Außenministeriunl des Europa-Rates in Straßburg. Ein wich- tiger Punkt war ihm stets die Unter- stützung der jungen Staaten Afrikas. Vom Chaos zur Souveränität Es begann ein neuer Abschnitt im po- litischen Leben Dr. von Brentanos, als er Vertrauen gewonnen - starke Freunde gefunden im Zuge der Neubildung der Bundesre- gierung Ende Oktober 1961 vom Außen- ministerium schied und wiederum den Zwei Ministerien blieben unbesetzt, als Gewicht der großen Fraktion bedeutsame Vorsitz der CDU/CSU-iFraktion des Bun- die erste Bundesregierung der Bundesre- Funktion aus. destages übernahm. Mit überwältigender publik Deutschland 1948 mit ihrer Arbeit Am 6. Juni 1955 wurde Heinrich von Mehrheit hatte die Fraktion ihn gewählt, begann: Das Außenministerium und das Brentano Außenminister der Bundesre- und damit sowohl seiner früheren Amts- Verteidigungsministerium. Deutschland publik. In einer Botschaft an die Angehö- führung im Fraktionsvorsitz als auch war noch kein souveräner Staat, es stand rigen des Auswärtigen Dienstes umriß seiner Tätigkeit an der Spitze des Mini- unter alliiertem Besatzungsrecht, wenn der neue Minister die großen Ziele der steriums einen Vertrauensbeweis er- auch die drei westlichen Mächte von An- Zukunft: „Der Deutsche Auswärtige Dienst bracht. Gerade dieser Wechsel, den Dr. fang keinen Zweifel daran ließen, daß sie hat die Aufgabe, das Verhältnis Deutsch- von Brentano in aller Selbstverständlich- die Bundesregierung als allein rechtmä- lands zu den anderen Nationen im Sinne keit vornahm, zeigt, welche Bedeutung ßige Vertreterin des deutschen Volkes der von der Bundesregierung verfolgten dem Fraktionsvorsitz zukommt. ansehen. Politik so zu entwickeln und zu formen, Als Dr. von Brentano das Außenmini- daß wir die Zielsetzung des Grundgeset- sterium niedergelegt hatte, erhob sich zes verwirklichen können: in einem ge- die Frage, ob die Kontinuität der deut- einten Europa dem Frieden der Welt zu schen Politik gewahrt bleiben werde. Die- 1955—1961 Dr. Heinr. v. Brentano dienen." se Frage wurde überzeugend beantwor- seit 1961 Dr. Gerhard Schröder Dr. von Brentano erwarb sich in kurzer tet: Dr. Gerhard Schröder, bisher Innen- Zeit durch geschickte und sachverständige minister, wird nun die Bundesrepublik Verhandlungsführung ein hohes Ansehen nach außen vertreten. Schon der Verlauf auch im Ausland. Getreu seinem Leitsatz der ersten Konferenzen in Washington „nur über Europa kommen wir zu einem und Paris, an denen Dr. Schröder verant- Im Bundeskanzleramt war zunächst ei- geeinten Deutschland" setzte er sich für wortlich teilnahm, haben gezeigt, daß sif^ ne „Dienststelle für auswärtige An- die Partnerschaft der europäischen Völker an den Grundsätzen der deutschen An gelegenheiten" eingerichtet worden, in ein, zeitweise war er u. a. Vizepräsident ßenpolitik nichts ändern wird. der die Grundlagen zum Wiederaufbau der deutschen Außenpolitik gelegt wur- den.. Bundeskanzler Dr. Adenauer selbst Das Innenministerium unternahm es, nach Abschluß des Peters- berger Abkommens vom 22. November 1949, die Alliierten auf die Notwendig- keit diplomatischer Verbindungen der Der Schutz des Staates Bundesrepublik hinzuweisen. Den zweiten Meilenstein auf diesem Weg bildete die Aufbauarbeit in weitgespanntem Rahmen New Yorker Außenministerkonferenz von 1950, die eine Aufnahme diplomatischer schlagenes Experiment mit der neutra- Beziehungen ermöglichte. listischen „Gesamtdeutschen Volkspartei" 1949—1950 Dr. und klang 1957 aus in Heinemanns Über- Dem Ziel, der Bundesrepublik die volle Souveränität wiederzugewinnen, war man 1950—1953 Dr. tritt zur Sozialdemokratischen Partei, in der er weiterhin seine Gedankengänge entscheidend nähergekommen, als in den 1953—1961 Dr. Gerhard Schröder vertritt. Außenministerkonfereiizen von London und Paris des Jahres 1954 die Bestim- seit 1961 Hermann Höcherl Dr. Lehr war, bevor er sich zur Mitar- mungen des nicht in Kraft getretenen beit in der jungen Bundesrepublik Deutschlandvertrages überarbeitet und Deutschland zur Verfügung stellte, von die Verträge am 23. Oktober 1954 in Pa- 1924 bis 1933 Oberbürgermeister der ris unterzeichnet wurden. Der Bundestag „Im allgemeinen wird die Öffentlich- Stadt Düsseldorf gewesen. Mit der Macht- ratifizierte sie am 27. Februar 1955; am keit über die Tätigkeit des Bundesmi- ergreifung durch die Nationalsozialisten 5. Mai 1955 traten sie in Kraft: Deutsch- nisters des Innern nur dann unterrichtet, mußte er aus seinem Amt scheiden. Diese land war souverän geworden, das Ende wenn es sich um die Staatssicherheit und Zwangsmaßnahme vermochte aber seinew-fl der Besatzungszeit gekommen. um den Aufbau des Staatsschutzes in Widerstandsgeist nicht zu brechen, deT Gestalt der Polizei handelt. Leider wird ihn mit Männern wie Goerdeler in ge- Zu den Persönlichkeiten, deren Name darüber allzu häufig vergessen, daß die heimer Kampfgemeinschaft zusammen- und Verdienst aus der Geschichte des in dem Bundesministerium des Innern führte. Dr. Lehr, nach dem zweiten Welt- deutschen Wiederaufstiegs nicht hinweg- zusammengefaßten Fragenkomplexe au- krieg Mitgründer der CDU, Oberpräsident zudenken ist, gehört der langjährige Bun- ßerordentlich vielfältig sind und große der Nordrhein-Provinz, Vorsitzender des desaußenminister Dr. Heinrich von Bren- Bereiche des gesamten öffentlichen Lebens Zonenbeirates in der britischen Besat- tano. 1904 in Offenbach geboren, ent- unmittelbar oder mittelbar berühren." zungszone, Landtagsmitglied und Mitglied stammt er einer Familie, die vor rund im Parlamentarischen Rat, hatte in der 250 Jahren aus Oberitalien nach Deutsch- Bundesinnenminister Dr. Lehr schrieb Zeit der nationalsozialistischen Gewalt- land gekommen war und die in der diese Worte in einer Rückschau auf das herrschaft erlebt, wie leicht ein Staat Person des Vaters von Heinrich von Jahr 1952 nieder. Zwei Jahre zuvor, am zusammenbricht, dessen Vorkehrungen Brentano schon einen prominenten Politi- 11. Oktober 1950, war der aus zur inneren Sicherheit Lücken aufweisen. ker in die Weimarer Nationalversamm- stammende Bundestagsabgeordnete Dr. Seine dreijährige Amtszeit als Innen- lung, in den Reichstag und den Reichsrat Lehr im Alter von 67 Jahren zum Leiter minister nützte er unermüdlich dazu, entsandt hatte. des Innenministeriums ernannt worden. Sicherungen gegen einen Radikalimus hat, wie sein Vater, Jura studiert. Er sowohl von rechts als auch von links zu promovierte 1930 in Gießen mit dem The- Dr. Lehr war nicht der erste Innen- schaffen. Der Aufbau des Bundesgrenz- ma „Die Rechtsstellung des Parlaments- minister der neugeschaffenen Bundesre- schutzes ist ihm zu danken. Doch es präsidenten". 1945 begann er seine politi- publik. Vor ihm hatte der ehemalige wurde noch mehr getan: damals leitete sche Tätigkeit: er war unter den Grün- CDU-Bundestagsabgeordnete, der aus Es- das Bundesinnenministerium eine Neufor- dern der CDU in Hessen, gehörte zu den sen stammende Rechtsanwalt Gustav mung des Beamtenrechtes ein und ge- Mitgliedern des hessischen Landtags, des Heinemann dieses Amt versehen. Heine- staltete den Bundesjugendplan entschei- Parlamentarischen Rates und arbeitete an mann blieb nur knapp ein Jahr an der dend um. der Fassung des Grundgesetzes mit. Mit Spitze des Ministeriums. Seine Zugehörig- dem Tag der Konstituierung des Bundes- keit zur CDU, die man schon sehr bald Am 20. Oktober 1953 wurde Dr. Ger- tages übernahm Dr. von Brentano den als einen politischen Irrtum erkennen hard Schröder Bundesinnenminister. Dr. Vorsitz der CDU/CSU-Fraktion. Sechs konnte, endete mit dem November 1952. Schröder war seit Juni 1952 stellvertre- Jahre hindurch übte er diese durch das Sie leitete über in Heinemanns fehlge- Fortsetzung Seite 5 Das Finanzministerium Solide Finanzen - gesunde Währung

„Mein Ziel war von Anfang an darauf Aufbaus unter einem hemmenden Kapi- Die Sorge des Ministers galt aber nicht gerichtet, die Währung durch eine ge- talmangel. Hinzu kamen die Forderungen nur der Wirtschaft, er nahm sich im glei- sunde Haushaltsführung zu sichern". Mit der Alliierten auf Bezahlung der Besat- chen Maße der Arbeitnehmer an. 1949 dieser kurzen Bemerkung kennzeichnete zungskosten, die rund 40 v. H. der Ge- mußte ein verheirateter Arbeitnehmer der erste Bundesfinanzminister, Schäffer, samteinnahmen des Bundes verschlangen mit zwei Kindern bei einem Arbeitslohn CSU, seine Auffassung über eine gesunde sowie die als Folgen des Krieges gewal- von 600 DM noch 75,25 DM Lohnsteuer Finanzpolitik. Als Minister Schäffer im tig angewachsenen Sozialleistungen. bezahlen. 1957 waren es nur noch 14 DM Herbst 1957 die Leitung des Finanzmini- (1959 = 1 DM). Stets sah Schäffer das steriums abgab und das Justizressort Da die Wirtschaft, was iin einem Rechts- Ganze. Bildhaft drückte er sich einmal übernahm, hatte er sein gestecktes Ziel staat gefordert werden muß, ihrer Ver- erreicht. Aus der „weichen" DM des Jah- pflichtung zur Steuerleistung nachkom- res 1949 war eine der härtesten Währun- men sollte, da sie aber auch vor dem Zu- „Viele verlangen vom Bundesfinanz- gen der Welt geworden. sammenbruch durch Steuerüberlastung minister Kuchen, ohne zu iragen, ob er Der Finanzpolitik fällt bei der Verwirk- bewahrt werden mußte, blieb dem Mini- allen Brot geben kann. Pflicht des Finanz- lichung der sozialen Marktwirtschaft eine ster nur übrig, die hohen Steuersätze, ministers ist es, dafür zu sorgen, daß wichtige Rolle zu. Eine gesunde Wirt- auf die die Alliierten bestanden, durch nirgendwo Kuchen verteilt wird, solange schaftsentwicklung, eine fortschreitende anderwärts noch das Brot fehlt." soziale, gesellschaftliche Konsolidierung und eine stabile Währung sind ohne die Der anhaltende wirtschaftliche Auf- Förderung durch eine auf diese Ziele aus- 1949—1957 Fritz Schäffer schwung brachte aber nicht nur steigende gerichtete Finanzpolitik nicht möglich. Einnahmen, auch die Ausgaben nahmen Mangelnde Ordnung der öffentlichen 1957—1961 ständig zu. 1951 erreichte der Bundes- T'aushälfe führt zur Geldentwertung und haushalt mit Einnahmen und Ausgaben /lation. seit 1961 Dr. 21 Milliarden DM; er stieg bis 1961 auf über 48 Milliarden DM an. Gleichzeitig 1949 stand Bundesfinanzminister Schäf- wuchs das Bruttosozialprodukt, so daß fer vor kaum lösbaren Aufgaben. Gewiß, dessen steuerliche Belastung seit 1949 mit der Währungsreform war der ent- ziemlich konstant blieb. scheidende Schritt zur Neuordnung der Steuervergünstigungen abzuschwächen. Währung getan. Aber die Finanzverwal- Unterstützt durch das Gesetz über die 1957 zog Schäffer zum dritten Male als tung war zersplittert, die Steuermoral DM-Bilanzeröffnung, das den Unterneh- durch die als Strafmaßnahme der Militär- men Starterleichterungen gewährte, ge- Minister in das Bundeskabinett ein, dies- regierungen gedachten überhöhten Steu- lang es, die Eigenkapitalbildung und den mal als Bundesjusbizminister. Schäffers ersätze tief gesunken, die zerschlagene Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft Nachfolger war der Jurist Franz Etzel. Wirtschaft litt in der ersten Phase des über den Ausweg jener Vergünstigungen Der 55jährige Rheinländer mußte, als ihm nachhaltig zu fördern. Dies geschah in das Finanzministerium angetragen wurde, richtiger Erkenntnis der Zusammenhänge einen bedeutenden einträglichen Posten zwischen Wirtschaft und Staat: die An- in der Hohen Behörde verlassen, um sich Fortsetzung von Seite 4 forderungen, die an den Staat gestellt ganz der nicht immer leichten Aufgabe werden, sind nur durch die Unterstützung widmen zu können, die Finanzpolitik der tender Vorsitzender der CDU/CSU-Bun- einer gesunden Wirtschaft möglich. Bundesrepublik zu leiten. Er schloß das destagsfraktion gewesen. Seit 1949 hatte Steuerreformwerk seines Vorgängers mit er dem Bundestag angehört. Der 1910 in Zweifellos war Schaffens Handeln da- der Steuerreform von 1958 vorläufig ab. Düsseldorf geborene Rechtsanwalt wurde mals nicht im Sinne der Besatzungsmacht. Die Reform ergab eine Senkung von über damals der jüngste Minister im Bundes- Daß er aber Mut besaß, hatte er nicht kabinett. Hatte er schon in der Fraktions- zwei Milliarden DM, rund 2,8 Millionen nur als Soldat im ersten Weltkrieg, son- Einkommensbezieher wurden von der Ein- führung der CDU/CSU-Fraktion bewiesen, dern auch als Politiker zur Genüge be- daß er für die parlamentarische Taktik wiesen. Hitler mußte sich drei Monate kommenssteuer freigestellt. und Diskussion hervorragend geeignet vor der Machtergreifung von Schäffer ins war, so bot sich ihm jetzt die Gelegenheit, Gesicht sagen lassen, daß die NS-Politik Eine schwere Jugend hatte das soziale >ine vielfältige (Begabung auf einem Deutschland ins Verderben führen werde. Gewissen des Ministers Etzel geschärft. weitgespannten Gebiet wirken zu lassen. Hitler vergaß diese Offenheit nicht und So war es nicht verwunderlich, daß unter Das Ministerium leistete unter seiner ließ sie mit Verfolgung büßen. Als 1945 seiner Amtszeit die Finanzpolitik der Lö- verantwortlichen Leitung wichtige Auf- die Amerikaner den 57jährigen Schäffer sung sozialpolitischer Aufgaben diente. bauarbeit auf dem Gebiet des Verfas- zum bayerischen Ministerpräsidenten er- Sein Hauptziel war, die Bildung von Ei- sungs- und des Staatsrechts sowie des nannten, bewies er wieder Unabhängig- gentum zu ermöglichen. Neuordnung der Dienstrechts. Die kulturellen Angelegen- keit und Weitblick. Er wandte sich gegen Ehegattenbesteuerung, Erhöhung der Kin- heiten, soweit sie in die Zuständigkeit das schematische Entnazifiziieriungsverfah- derfreibeträge und das Sparprämienge- des Bundes fallen, wurden ebenso auf- ren. Der Besatzungsmacht war ein solcher setz waren u. a. seine Mittel, um die merksam wahrgenommen wie Fragen des wirtschaftliche Unabhängigkeit aller Gesundheitswesens, der Sozialpolitik und Mann zu unbequem, sie entfernte Schäf- fer aus seinem Amt. Staatsbürger zu fördern. In dem Maße, der öffentlichen Wohlfahrt. in dem diese zunimmt, läßt auch die Nei- Dr. Schröder und seine Mitarbeiter Die günstige Entwicklung der Wirt- gung nach, die soziale Sicherheit auf den widmeten sich nicht nur der öffentlichen schaft in den folgenden Jahren erlaubte Staat abzuwälzen. Sicherheit, sondern auch dem zivilen Be- es, diie Steuerlasten zu senken. Die Steu- völkerungsschutz. erausfälle konnten nun durch das stei- Auch der neue Finanzminister Dr. Star- ke (FDP) weiß, daß ein gut Teil des Re- Mit der vor kurzem erfolgten Neubil- gernde Steueraufkommen kompensiert dung der Bundesregierung übernahm Dr. werden. Bei den Alliierten konnte er 1953 gierungsprogramms von seiner Finanz- Schröder nun das Bundesaußenministeri- die kleine Steuerreform durchsetzen, die politik abhängt. Der 50jährige Schlesier um. Nachfolger im Innenministerium eine Senkung des üblichen Einkommen- bekennt sich zu den wirtschaftspolitischen wurde der 49jährige bayerische Amtsge- steuertarifs um 30 v. H., zugleich aber Vorstellungen Prof. Erhards, dessen per- richtsrat Hermann Höcherl, bis zu diesem den Abbau der Sondervergünstigungen sönlicher Referent er vor Jahren war. Dr. Zeitpunkt Leiter der Landesgruppe der brachte. Die Wirkung dieser Entlastung Starke will das Werk seiner Vorgänger CSU im Deutschen Bundestag. Gleich zu war eine wesentliche Konjunkturbele- fortsetzen, die die Währung stabil mach- Beginn seiner Amtszeit hat er verlauten bung. Die große Steuerreform von 1956 ten und dem Volk das Vertrauen zum lassen, daß er sozusagen „heiße Eisen" und der Fortfall des Notopfers Berlin Staat wiedergaben. Er will weiterhin anzufassen gewillt sei: und zwar in erster brachten weitere Erleichterungen der großen Bevölkerungskreisen die Vermö- Linie das Notstandsgesetz. Steuerlast. gensbildung erleichtern. Das Verteidigungsministerium Bundesrepublik in die NATO aufgenom- men. Die Bundesregierung begann nun beschleunigt mit der Aufstellung ihrer Truppen. Die Leitung lag in den Händen Waffen zur Verteidigung des Sicherheitsbeauftragten Blank, der im Juni 1955 zum Bundesminister für Ver- Starke zur Erhaltung des Friedens teidigung ernannt worden war. Unter ihm begann die erste Aufbauphase der Bun- Im Jahr 1961 übten deutsche Soldaten handlungen gelang es Blank, alle noch deswehr. Schon am 20. 1. 1956 konnte auf französischen und englischen Trup- bestehenden Vorbehalte gegen eine deut- Dr. Adenauer die ersten 1500 freiwilligen penübungsplätzen, starteten deutsche sche Bewaffnung zu zerstreuen und die Soldaten in Andernach begrüßen. Ein Jagdflugzeuge von italienischen Flug- völlige Gleichberechtigung der geplanten halbes Jahr später beschloß der Bundes- plätzen zu Schießübungen im Mittelmeer, deutschen Verbände in der vorgesehenen tag, wieder gegen den Willen der SPD, prüften deutsche und englische Flotten- Europa-Armee durchzusetzen. Mit der das wichtige Wehrpflichtgesetz. einheiten in gemeinsamen Manövern ihre Unterzeichnung des Vertrages über die Einsatzbereitschaft. Die Bundeswehr, vor Europäische Verteidigungsgemeinschaft In der Leitung des Bundesverteidi- sechs Jahren noch Gegenstand erbitterter (EVG) am 9. 5. 1952 schien sodann ein gungsministeriums gab es im Oktober 1956 einen Wechsel. Theo Blank trat zu- parlamentarischer Auseinandersetzungen, bedeutender Erfolg in der europäischen ist zu einem anerkannten und gleichbe- Sicherheitspolitik erreicht worden zu sein. rück, sein Nachfolger wurde Bundesmini- rechtigten Partner der Nordatlantischen Am 19. 3. 1953 nahm der Bundestag ge- ster Strauß (CSU). Unter ihm wurde die gen die Stimmen der SPD den EVG-Ver- Bundeswehr weiter ausgebaut und zu trag an. Die französische Nationalver- einer schlagkräftigen Truppe geformt. sammlung brachte jedoch mit ihrer ab- Der Aufbau der Bundeswehr ist aber 1955—1956 Theo Blank lehnenden Haltung am 30. 8. 1954 die noch nicht beendet. Sie wird sich weiter EVG zum Scheitern. Damit blieb das ruhig und stetig entwickeln wie bisher. seit 1956 Franz Josef Strauß Problem eines deutschen Verteidigungs- Jede für die Bundeswehr beitrages nach wie vor ungelöst. wird vom Bundesverteidigungsminister Strauß nutzbringend angelegt. 3ie Bun- Bald darauf, am 11. 9. 1954 regte der deswehr wird auch in Zukunft mithelfen. Verteidigungsmacht geworden. Was noch britische Außenminister Eden an, die Frieden und Freiheit ihrer Bürger zu c^> vor 16 Jahren als Unmöglichkeit erschie- Bundesrepublik in die NATO aufzuneh- halten. •- ' nen sein mag, ist heute eine alltägliche men. Die Beneluxstaaten, die Bundes- Realität: Amerikanische, englische und republik, Frankreich, Italien und die USA Der heute 45jährige Bayer hat aus der französische Soldaten stehen Schulter an einigten sich dann im Oktober 1954 im Lage der Bundesrepublik klare Konse- Schulter mit ihren deutschen Kameraden, Vertrag über die Westeuropäische Union quenzen gezogen und lehnt westeuro- um den Frieden der Welt zu bewahren. über den Beitritt Deutschlands zur NATO. päische Nationalarmeen als antiquiert Bis zum Mai des nächsten Jahres hatten entschieden ab. Er ist Verfechter einer 1945 war die Brandfackel des Krieges möglichst totalen Integration der gesam- in Europa gelöscht. Die Besiegten und die die Parlamente aller beteiligten Staaten das Vertragswerk gutgeheißen. Die An- ten NATO-Streitkräfte. Seine strategische Sieger im Westen waren sich einig in Auffassung lautet: dem Wunsch, nie mehr zu den Waffen zu nahme durch den Bundestag hatten SPD greifen. Die Abrüstung bei den westlichen und Gewerkschaften durch eine Kund- „Der Krieg ist nicht der Vater, sondern Alliierten war nicht minder total als in gebungs- und Demonstrationswelle ver- das Ende aller Dinge. Die Abschreckung Deutschland, nur wenige ihrer Truppen gebens zu verhindern versucht. muß so total sein, daß der Gegner es blieben in Westdeutschland als Besatzung Am 8. Mai, dem zehnten Jahrestag der niemals aui das äußerste Risiko ankom- zurück. Die Sowjets verhielten sich an- bedingungslosen Kapitulation, wurde die men lassen kann." ders. Sie nutzten den Friedenswunsch und die Wehrlosigkeit des Westens zu wei- teren Expansionen aus. 200 Divisionen der Roten Armee standen in Mitteleuropa Das Arbeitsministerium Gewehr bei Fuß. Die Berliner Blockade, der Prager Putsch waren Alarmsignale für die freie Welt, sich gegen die kommu- Soziale Sicherheit für jeden nistische Aggression zu schützen. Am 4. April 1949 verpflichteten sich die Au- ßenminister Belgiens, Dänemarks, Eng- Sozialpolitik auf neuen Wegen lands, Frankreichs, Islands, Italiens, Kana- Elend, zwei Millionen Arbeitslose das, Luxemburgs, der Niederlande, Nor- steten im Herbst 1949 die öffentlichichet. wegens, Portugals und der USA im Nord- 1949—1957 Haushalte. atlantischen Verteidigungsvertrag zu ge- Die bescheidene Kraft der Bundesre- genseitiger militärischer Hilfe. seit 1957 publik erlaubte es nicht, alle Probleme Der Überfall auf Südkorea im Juni 1950, zugleich anzupacken. Es war selbstver- die verstärkte Aufstellung der kasernier- ständlich, daß zunächst eine bundescin- heitliche Kriegsopferversorgung in An- ten Volkspolizei in der Zone ließen die „Anton, Anton, Du kostest mich das gefährdete Lage der Bundesrepublik griff genommen wurde. Bereits im Dezem- meiste Geld", seufzte einmal Finanzmini- überdeutlich werden. Dr. Adenauer bat ster Schäffer, als sein Duzfreund und Ka- ber 1950 konnte vom Bundestag das Bun- dringend um Verstärkung der alliierten desversorgungsgesetz verabschiedet wer- binettskollege, Arbeitsminister Anton Truppen und erklärte seine Bereitschaft, Storch, für die Verbesserung der sozialen den, das für Kriegsbeschädigten, Witwen, „im Fall der Bildung einer westeuro- Waisen und Kriegseltern erhebliche Lei- päischen Armee einen Beitrag in Form Leistungen ein Riesenstück aus dem stungsverbesserungen brachte. eines deutschen Kontingents zu leisten". Steuerkuchen verlangte. Im Oktober 1950 nahm das französische Nicht minder wichtig war die Sicherung Acht schwere, aber erfolgreiche Jahre und Unterstützung der Arbeitnehmer Parlament einen Plan des Ministerpräsi- lagen hinter dem 65jährigen ersten Bun- denten Pleven an, der eine europäische durch den Neuaufbau der Sozialversiche- desarbeitsminister Anton Storch, als er im rung. In der ersten Legislaturperiode war Armee im Rahmen eines vereinten Herbst 1957 sein Ministeramt dem jünge- Europa vorsah. Die Bundesregierung die Arbeit Minister Storchs darauf gerich- ren Kollegen Blank übergab. Als 1949 tet, die althergebrachten Prinzipien der stimmte dem Plan unter dem Vorbehalt wieder ein einheitliches deutsches Staats- völliger Gleichberechtigung zu. Mit der Sozialversicherung wieder gesetzlich zu wesen begann, sah sich Minister Storch fundieren. In jenen Jahren wuchs aber Führung der militärischen Verhandlungen sozialen Aufgaben von bis dahin nicht ge- wurde im Oktober 1950 der Bundestags- die Erkenntnis, daß durch laufende Ände- kannter Größe gegenübergestellt. Die rungen und Ergänzungen der sozialen Ge- abgeordnete Theo Blank beauftragt, h'r Städte und Arbeitsplätze waren vernich- führte die Bezeichnung: Der Beauftragte setze keine befriedigenden Ergebnisse her- tet, neun Millionen Vertriebene, die in beigeführt werden können, daß nur eine des Bundeskanzlers für die mit der Ver- der Bundesrepublik Zuflucht gesucht hat- gründliche Sozialreform unsere in nahezu mehrung der alliierten Truppen zusam- ten, standen vor dem Nichts, über vier menhängenden Fragen. In zähen Ver- Millionen Kriegsopfer lebten in Not und Fortsetzung Seite 7

6 Das Justizministerium Soziale Sicherheit Fortsetzung von Seite 6 einem Jahrhundert entstandenen Sozial- Der Weg des modernen Rechts gesetze wirksam aufeinander abstimmen können. Als erster Teil der Reform wur- Rechtseinheit - Rechtsbereinigung - Rechtsreform de 1957 die Rentenversicherung der Ar- beiter und Angestellten sowie die Knapp- Drei Abschnitte kennzeichnen die Tätig- Oktober 1950 konnte dann der Bundes- schaftsversicherung neu geordnet. Die keit des Bundesjustizministeriums seit gerichtshof in Karlsruhe als Nachfolger Renten wurden erhöht, das Rentenrecht 1949: die Vereinheitlichung, die Bereini- des Reichsgerichts seine Tätigkeit auf- wurde auf eine neue Grundlage gestellt. gung und die Reform des deutschen nehmen. Damit war die Einheit der Kernstück der neuen Regelung war die Rechts. In den vergangenen Jahren Rechtsanwendung auf dem Gebiet des dynamische Gestaltung der Rente, d. h. konnte im großen und ganzen die Rechts- Zivil- und Strafrechts in der Bundesrepu- die Höhe der Renten wurde der Entwick- vereinheitlichung abgeschlossen werden. blik gewährleistet. lung des Lohnniveaus angepaßt, so daß Das Ministerium kann jetzt daran gehen, Eng verzahnt mit der Rechtsvereinheit- dem Rentenempfänger eine Leistung ga- durch Reformen das teilweise veraltete lichung war die Rechtsbereinigung d. h. rantiert wurde, die laufend der Kauf- Recht den Erfordernissen des modernen die Aufhebung alter zum Teil noch for- kraft angepaßt wird. Lebens anzupassen. mell gültiger Vorschriften, die überflüssig Ein weiterer Schritt vorwärts wurde Als im Herbst 1949 das neugebildete geworden waren, oder aber mit der durch das Gesetz zur Verbesserung der Bundesjustizministerium seine Arbeit be- Rechtsordnung der Bundesrepublik nicht mehr zu vereinbaren waren. Dabei mußte wirtschaftlichen Situation der Arbeiter im gann, stand es vor einer verhängnisvol- len Rechtsentwicklung. Das deutsche das seit 1867 in 400 Bänden gesammelte Krankheitsfall getan. Das Gesetz sicherte Recht überprüft werden. Eine Unter- arbeitsunfähigen Arbeitnehmern für die Recht war in einem bedrohlichen Umfang suchung ergab, daß z. B. unter insgesamt ersten sechs Wochen ihrer Krankheit aufgesplittert. Nach der Kapitulation hat- ten die Alliierten begonnen, eine neue 15 605 vom 4. August 1914 bis 8. Mai 1945 90 v. H. ihrer bisherigen Nettoeinnahmen verkündeten Vorschriften sich nur 1232 zu. Weitere Meilensteine waren das Mit- demokratische Rechtsordnung aufzubau- en. Sie mußten notwendigerweise auf der durch die zuständigen Körperschaften bestimmungsrecht und das Kindergeld- ordnungsgemäß erlassene Gesetze befan- ^setz. untersten Ebene anfangen. An einer ein- heitlichen Spitze, die das Rechtswesen für den und 1835 Vorschriften aufgrund die- Alle sozialen Hilfen und Reformen ganz Deutschland oder wenigstens West- ser Gesetze ergingen. Die übrigen 12 538 wären ohne eine gesunde Wirtschaft nicht deutschland hätte koordinieren können, Vorschriften waren ohne Mitwirkung der erreicht worden. Deshalb galt gleich zu fehlte es. Die Folge war, daß einzelne Parlamente erlassen worden. Die Geset- Beginn seiner Amtstätigkeit das Augen- Militärregierungen, Länder, Zonen und zesbereinigung wurde durch einen CDU/ merk des Ministers der Beseitigung der vorübergehend sogar die Präsidenten der CSU-Antrag, einen besonderen Bundes- Arbeitslosigkeit. Hauptproblem war die Oberlandesgerichte Gesetzgebungsbefug- tagsausschuß für diese Arbeit einzurich- Bekämpfung der strukturellen Arbeitslo- nisse ausübten. Die Zersplitterung, beson- ten, wesentlich gefördert. sigkeit in den Flüchtlingsländern und in ders des Staats-, Verwaltungs- und Ver- Im zweiten Bundeskabinett übernahm den Zonenrandgebieten und die Einglie- fahrungsrechts drohte die deutsche (FDP) das Justizministe- derung von zwei Millionen Heimkehrern. Rechtseinheit zu zerstören. rium. Im Zuge der Kabinettsumbildung Alle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des im Oktober 1956 schied er aus seinem Ministers erwiesen sich als volle Erfolge. Amt. Unter seiner Leitung wurden die Die soziale Marktwirtschaft hatte entge- Vorarbeiten zur großen Strafrechtsreform verstärkt, die auch von seinem Nachfol- gen aller Schwarzmalerei der SPD das 1949—1953 Dr. Elend und die Not von 1949 besiegt. Ar- ger Dr. von Merkatz (DP), der das Mini- 1953—1955 Fritz Neumayer beitsminister Storch hatte daran seinen sterium von 1956 bis 1957 führte, weiter 1955—1957 entscheidenden Anteil. Dr. Hans Joachim betrieben wurden. Unter Bundesjustiz- v. Merkatz minister Schäffer (CSU), der im dritten Im dritten Kabinett Dr. Adenauers 1957—1961 Fritz Schäffer Kabinett das Justizressort bis 1961 führte, übernahm Theo Blank das Arbeitsmini- seit 1961 Dr. Wolgang Stamm- konnten die umfangreichen jahrelangen sterium. Als erster Verteidigungsmini- berger Vorarbeiten beendet werden und der Ge- ster hatte er den Mut, unpopuläre Maß- setzentwurf über die große Strafrechts- nahmen durchzuführen, zur Genüge be- reform nach der Verabschiedung durch wiesen. Auch in seinem neuen Amt das Kabinett im Sommer vergangenen schreckte er vor heißen Eisen nicht zu- Bei der Bildung der ersten Bundes- Jahres dem Bundestag und Bundesrat zu- ck. Der Lebensweg des jetzt 56jährigen regierung wurde Dr. Dehler (FDP) Bun- geleitet werden. Ministers war nie ohne Schwierigkeiten. desjustizminister. Seinem Ressort oblag, Das jetzt geltende Strafrecht stammt 1933 wurde der junge Gewerkschaftler zunächst die Rechtseinheit wieder herzu- aus dem Jahr 1871. Es baut auf das preu- auf die Straße gesetzt. Er nutzte die er- stellen. Der damals 52jährige Franke ßische Strafgesetzbuch von 1851 auf. Seit zwungene Freiheit, legte sein Abitur ab Dr. Thomas Dehler brachte für sein dieser Zeit hat sich aber die Welt ent- und studierte an der Technischen Hoch- Ministeramt eine langjährige juristische scheidend geändert. Das Strafgesetzbuch schule in Hannover. Blank kehrte 1945 Erfahrung mit, die er als Rechtsanwalt mußte dem modernen Leben angepaßt als Oberleutnant aus dem Krieg zurück von 1924 bis 1945 und von 1945 bis 1949 werden. Reformbestrebungen am Strafge- und fing dort an, wo er 1933 aufhörte, als Landrat, Generalstaatsanwalt und setzbuch begannen schon vor 60 Jahren. bei den Gewerkschaften. Bald gehörte er Oberlandesgerichtspräsident auf verschie- Durch 65 Novellen wurde das Strafgesetz- zu den führenden Männern der CDU und denen Gebieten des Rechtslebens sam- buch ergänzt. Zu einer grundlegenden Re- des DGB. 1949 gelangte er in den Bun- meln konnte. form ist es aber trotz neun neuer Ent- destag. würfe nie gekommen. Es war erforderlich, auf den verschie- Der neue Bundestag wird in seiner densten Gebieten, die durch die Kriegs- Seine Auffassung von Sozialpolitik Legislaturperiode das große Reformwerk und Nachkriegsgesetzgebung entstan- kennzeichnete er mit den Worten: „Unbe- hoffentlich verabschieden. Bundesjustiz- zweifelbar ist die Bundesrepublik Deutsch- denen Probleme abschließend zu regeln. minster Dr. Stammberger (FDP) wird bis land ein sozialer Rechtsstaat. Alle bisher Den ersten großen Erfolg konnte das dahin die Arbeit seiner Vorgänger mit getroffenen sozialpolitischen Maßnahmen Ministerium für sich verbuchen, als der den Wünschen des Parlaments in Ein- beweisen das. Unser Land ist ein Land Bundestag das Gesetz zur Wiederherstel- klang bringen müssen. Dr. Stammberger, der sozialen Sicherheit geworden. Diesen lung der Rechtseinheit auf dem Gebiete Jahrgang 1920, kommt aus Coburg. Nach Charakter wird es aber nur behaupten, der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen seiner Entlassung aus der Kriegsgefan- wenn wir auch in Zukunft Eigenhilfe und Rechtspflege, des Strafverfahrens und des genschaft beendete er sein Studium und Gemeinschaftshilfe sinnvoll miteinander Kostenrechts im September 1950 annahm. ließ sich 1949 in seiner Heimatstadt als verbinden und die Eigentumsbildung in Er brachte für die ordentliche Gerichts- Rechtsanwalt nieder. Seit 1953 gehört er breiten Schichten planmäßig verwirkli- barkeit wieder ein einheitliches Verfah- dem Bundestag an. Seine Erfahrungen als chen, statt die erarbeiteten Einkommen ren und gab der im Grundgesetz gefor- Jurist und Politiker stellt er jetzt als immer höher durch Sozialabgaben zu be- derten Einrichtung eines Bundesgerichts- Bundesjustizminister in den Dienst der lasten." hofes die gesetzlichen Grundlagen. Im Koalition. Das Wohnungsbauministerium Seit Übernahme seines Amtes entstand in jeder Minute in der Bundesrepublik eine neue Wohnung. Gegenwärtig lebt jeder dritte Bundesbürger in einer neuen Vom Wohnungs- zum Städtebau bzw. wiederhergestellten Wohnung. Bis 1960 wurden über 100 Milliarden DM (da- Der Beseitigung der Wohnraumnot folgt die Raumplanung von 32,5 Milliarden aus öffentlichen Mit- teln), im Wohnungsbau investiert. Ein Als Wohnung9bauiminister Lücke am rung Adenauer fort, bis er im zweiten großer Teil davon entfiel auf den Bau 17. Februar 1961 gegen 18.05 Uhr das Kabinett 1953 das Bundesjustizministeri- von Wohnungen für die nahezu vier Mil- nach einer ednstündi- um übernahm. Ihm folgte bis 1957 Vik- lionen Flüchtlinge, die aus der Sowjet- gen Unterredung mit dem Bundeskanzler tor Emanuel Preusker, heute Präsident zone in den Westen gekommen sind. verließ, war eine für die Zukunft der des Haus- und Grundbesitzerverbandes. Sein Name ist verknüpft mit dem „Lük- Bundesrepublik bedeutende Entscheidung Er war erst 39 Jahre alt, als dieser in ke-Plan", der die Aufhebung der Wohn- gefallen. Das Kommunique berichtete, Hessen gewählte Abgeordnete die Bürde raumbewirtschaftung und die Überfüh- Adenauer und Lücke seien sich darüber des Ministeramtes übernahm. rung des Wohnungsmarktes in die soziale einig geworden, „die erfolgreiche Woh- Marktwirtschaft zum Ziel hat. Als sicht- nungsbaupolitik der Bundesregierung im Mit dem Namen Paul Lücke (CDU), barer Erfolg seiner Bemühungen ist die Rahmen einer wirksamen Raumordnung der 1957 an die Spitze des Bundeswoh- Tatsache zu werten, daß in fast 200 von zu einer umfassenden Städtebaupolitik zu nungsbauministeriums berufen wurde, 565 kreisfreien Städten und Landkreisen •erweitern". verbindet sich mit Recht die Vorstellung, die Wohnungsämter bereits aufgelöst daß unter seiner Führung die Wohnungs- wurden. Wohnungsbauprobleme — 1963 baupolitik der Bundesregierung entschei- wird die Wohnungsnot endgültig beho- dend gefördert und vollendet wurde. Für ben sein — sind jedoch nur noch eine 1949—1952 Eberhard Wildermuth den 1914 in Schönborn im Bergischen Teilaufgabe für Minister Lücke. Das Bun- Land als Sohn eines Steinbruchmeisters desbaugesetz, das eine einheitliche Bau- 1952—1953 Fritz Neumayer geborenen Politiker war es der stolzeste ordnung für das gesamte Bundesgebiet Tag seines Wirkens, und eines der be- und damit die Voraussetzung für eine 1953—1957 Viktor Preusker merkenswertesten Ereignisse der deut- umfassende Raumordnung schuf, ist ein seit 1957 Paul Lücke schen Nachkriegsgeschichte, als am 1. Meilenstein auf dem Weg zur angestreW September 1961 in Bensberg-Kippekausen ten Erneuerung der Städte und Doric die sechsmillionste seit 1945 gebaute die nicht nur gute Wohn-, sondern auch Wohnung eingeweiht wurde. Fleiß, Ini- großzügige Verkehrsverhältnisse schaffen tiative und Energie sind die Hauptmerk- soll, überalterte und unhygienische An derartige Dinge war noch nicht zu Wohnviertel sollen erneuert, zu enge denken, als der damalige Wirtschafts- male dieses Mannes, unter dessen Lei- tung das Wohnungsbauministerium 1961 Wohngebiete aufgelockert werden. Die minister von Südwürttemberg, Eberhard Auflösung der Ballungsräume in den In- Wildermuth (FDP) — während des zwei- zum „Ministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung" erweitert dustriegebieten wird eine der Hauptauf- ten Weltkriegs als Oberst und Regiments- gaben der Zukunft sein. kommandeur mit dem Ritterkreuz mit wurde. Damit zeigt sich der in die Zu- Eichenlaub ausgezeichnet —, 1949 als kunft weisende Aufgabenkreis. Lücke Im Mittelpunkt aller dieser Maßnah- Wiederaufbauminister ins erste Kabinett fährt jeden Abend aus seinem Bonner men steht jedoch die Familie, wie Lücke, Adenauer berufen wurde. Die Beseitigung Amt zu seiner Frau und seinen sechs der sich durch eiserne Energie und Fleiß der Wohnungsnot war zunächst die dring- Kindern in sein Familienheim nach Bens- vom Schlossergesellen zum Ingenieur, lichste Aufgabe. Damals fehlten rund berg — dieses Recht hat ihm der Kanzler, zum Amtsdirektor emporarbeitete, bis er fünf Millionen Wohnungen in der Bun- der ansonsten Wert darauf legt, daß seine schließlich in das hohe Ministeramt be- desrepublik; der größte Teil war im Krieg Minister in Bonn wohnen, ausdrücklich rufen wurde, immer wieder erklärt. Er zerstört worden, außerdem mußten fast zugestanden. Er hält engsten Kontakt sagte einmal — und damit umriß er die acht Millionen Vertriebene und Flücht- zu allen Bevölkerungsschichten. Das er- auf die Familie als Keimzelle des Staates linge aus den Ostgebieten aufgenommen, möglicht ihm, den Blick für einen famili- fördernde Politik der Bundesrepublik mußten viele hunderttausend Ausge- engerechten Wohnungsbau zu wahren, knapp und präzise: bombte und Evakuierte untergebracht und aus dieser praktischen Kenntnis und „Wir müssen Eigentum in breiter Streu- werden. Mit Wildermuth hatte sich ein Erfahrung ist auch seine zielbewußte För- ung schallen — das ist die beste Walle Fachmann dieser zunächst unlösbar er- derung des Eigenheimes zu verstehen. gegen den Kommunismus." scheinenden Aufgabe angenommen. Seine umfangreiche Denkschrift „Die Woh- Das Familienministerium nungsnot und ihre Beseitigung", die der gebürtige Stuttgarter als Referendar ver- faßt hatte, bildete bereits 1927 die Grund- Ö lage für die Arbeit des Reichstages auf Der Familie und der Jugend dem Wohnungsbausektor. Das erste Wohnungsbaugesetz (1950) Element des geistigen und moralischen Wiederaufbaus machte den Wohnungsbau zu „einer vor- dringlichen Aufgabe von Bund, Ländern sichts der Tatsache, daß „die Familie we- und Gemeinden". Es sah den Bau von sentliches Element des geistigen, mora- 1,8 Millionen Wohnungen dm Rahmen des lischen und wirtschaftlichen Wiederauf- sozialen Wohnungsbaus bis 1956 vor. In Seit 1953 Franz-Joseph Wuermeling baus ist," dem Schutz der Ehe und Fa- dem auf Initiative der CDU/CSU entstan- milie zentralen politischen Rang zu ge- denen zweiten Wohnungsbaugesetz (1956) ben. In der dritten Regierung Adenauer wurde nicht nur der Bau weiterer 1,8 übernahm Wuermeling 1957 auch den Millionen Sozialwohnungen beschlossen, „Ob er als Mitglied des Haushaltsaus- Komplex der Jugendfragen, da sie in eng- sondern auch die Förderung des Baues schusses den dürren Zahlen Farbe und ster organischer Verbindung zu seinem von Eigen- und Familienheimen gesetz- Funktionen vermittelte oder als Beamten- seitherigen Aufgabenkreis stehen. lich verankert, um vor allem kinder- rechtsexperte zum 131er Gesetz referierte, reichen Familien zu modernen Wohnun- er war immer ,Chef im Ring'". Mit diesen „Ehe und Familie stehen unter dem gen zu verhelfen. Worten charakterisierte ein Bonner Jour- besonderen Schutz der staatlichen Ord- nalist unlängst den Minister, der zu den nung" heißt es in Artikel 6 des Grund- Wildermuth starb früh, 1952 als 62jäh- wenigen gehört, die von Anfang an un- gesetzes. Und genau in diesem Sinn hat riger. Sein Nachfolger, der gebürtige Kai- unterbrochen an der Spitze eines Mini- der in Berlin geborene, in Warburg serslauterer Fritz Neumayer (FDP), vor steriums stehen: Franz-Joseph Wuerme- (Westfalen) aufgewachsene Politiker — der Übernahme seines Bonner Amtes ling, Bundesminister für Familien- und sein Vater war Reichstagsabgeordneter Wirtschafts- und Verkehrsminister in Jugendfragen. — seine gewiß nicht leichte Aufgabe auf- Rheinland-Pfalz, setzte die immer der gefaßt, die sich zunächst nicht großer Familie und der Schaffung von Eigentum Das Ministerium wurde 1953 auf beson- Popularität erfreute, denn die verhäng- für beite Bevölkerungsschichten die- deren Wunsch der Bundesregierung als nende Wohnungsbaupolitik der Regie- Familienministerium geschaffen, um ange- Fortsetzung Seite 9

8 Schutz der Familie Das Vertriebenenministerium Fortsetzung von Seite 8 Die größte soziale Tat nisvolle „Familienpolitik" des „Dritten Reiches" war noch nicht vergessen. 13 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge eingegliedert Wuermeling verstand seine Aufgabe so, daß: nungen die Vertriebenen 37 v. H. Der „die staatliche Familienpolitik die Die Eingliederung von über 13 Milli- onen Vertriebenen und Flüchtlingen in Anteil der Vertriebenen an der Gesamt- äußeren Voraussetzungen für die Ent- die Bundesrepublik gehört zu den größten bevölkerung beträgt 18,4 v. H. faltung gesunder Familien schauen, die sozialen Leistungen unserer Geschichte. Die Bemühungen des Vertriebenenmi- Gestaltung des inneren Familienlebens Es äst den Bundesregierungen unter Dr. nisteriums gingen dahin, nicht nur Dauer- jedoch ausschließlich dem freien Willen Adenauer gelungen, Millionen von Men- arbeitsplätze zu schaffen, sondern die und der Verantwortung der Familie schen, die 1945 mehr oder weniger vor Vertriebenen entsprechend ihrer beruf- selbst überlassen bleiben" dem Nichts standen, vor der Proletarisie- lichen Qualifikation in das Wirtschafts- rung zu bewahren und das Entstehen ei- leben einzugliedern. sollten. Damit hat er inzwischen die Auf- nes politischen Sprengkörpers zu verhin- Als Zeichen des deutschen Willens zur merksamkeit und Anerkennung gefunden, dern. Damit hat die Bundesrepublik zu- Selbsthilfe wurde sogleich nach der Bil- die er angesichts seiner besonders starken gleich einen wichtigen. Beitrag zur fried- dung der Bundesregierung das Lastenaus- Aktivität verdankt. lichen Entwicklung Europas geleistet. gleichsgesetz in Angriff genommen; es Die gewaltige Summe von fast 58 Milli- wurde am 18. 8. 1952 verabschiedet. Bis- Ein „wirksamer Familienlastenaus- arden DM, die seit 1949 für Edngliede- her wurden durch 14 Novellen die Lei- gleich" war zunächst das Kernstück der rungsmaßnahmen von der öffentlichen stungen aus diesem Gesetz verbessert. Familienpolitik der Bundesregierung. Hand aufgebracht wurden, verdeutlicht Aus dem Lastenausgleichsfonds erhielten Kinderreiche Familien, die naturgemäß die Größenordnung dieser Aufgaben. Vertriebene, Kriegssachgeschädigte und höhere Ausgaben als kinderlose Familien ein bestimmter Kreis von Zonenflüchtlin- oder solche mit ein oder zwei Kindern gen für ihre auch durch Vertreibung und haben, sollten durch finanzielle Erleich- Flucht erlittenen materiellen Verluste terungen wie Lohnsteuerermäßigung, 1949—1953 Dr. rund 30 Milliarden DM ausgezahlt. ährpreisnachlaß bei der Bundesbahn, 1955 kehrte Dr. Lukaschek nicht mehr Zahlung von Kindergeld usw. eine aus- 1954—1960 Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer in das zweite Kabinett Dr. Adenauers zu- reichende finanzielle Sicherung erhalten. rück. Er widmete sich bis zu seinem Tode, am 26. 1. 1960, dem Caritas-Verband und Bundeskanzler Adenauer ist der „Vater 1960—1961 Dr. Hans-Joachim von Merkatz dem katholischen Vertriebenenwerk. Sein des Bundesjugendplanes", in dem seit Nachfolger wurde Prof. Dr. Dr. Theodor 1950 rund 560 Millionen DM für den Bau seit 1961 Wolfgang Mischnick Oberländer (BHE), der, ebenfalls ein Ver- von Jugendwohnheimen, für die soziale triebener, sich mit der gleichen Energie Jugendhilfe, für die Förderung der Ju- der Heimatlosen annahm, wie sein Vor- gendverbände und die politische Bildung gänger. der Jugend bereitgestellt wurden. Welch 1949 hatten die Länder für das Milli- Der zunehmende Terror in der Sowjet- große Bedeutung dieser Maßnahme zu- onenheer der Vertriebenen gerade das zone zwang im Laufe der letzten zwölf kommt, zeigt nichts besser als die Tat- Allernotwendigste getan. Es bedurfte aber Jahre immer mehr mitteldeutsche Lands- sache, daß 1959 fast jeder dritte Jugend- der Neuordnung aller Hilfsmaßnahmen leute, bei Nacht und Nebel in die Bundes- liche in der Bundesrepublik einer Jugend- in einem großen Rahmen. Dieser Arbeit republik zu flüchten. Seit 1949 wurden gemeinschaft angehörte, über zehn Mil- nahm sich 1949 sofort der erste Bundes- in Aufnahmelagern rund 3,7 Millionen lionen Jugendliche kommen jährlich in vertriebenenminister Dr. Lukaschek an. Flüchtlinge registriert. Dieser Zustrom den Genuß der Betreuungsmaßnahmen Er war Schlesier und hatte die Nöte eines stellte die Bundesregierung vor eine neue dieses Ministeriums. Vertriebenen am eigenen Leibe erfahren. Aufgabe. Im April 1954 wurde die Flücht- Ebenfalls dem Wohl der Jugend und Dr. Lukaschek erkannte die Vorausset- lingsbetreuung dem Vertriebenenministe- ihrem Schutz vor den Gefahren des All- zungen einer zweckmäßigen Eingliede- rium zugewiesen. Es führt von da ab die tags dienen verschiedene Gesetze, bei rung: Die Vertriebenen an geeignete Ar- Bezeichnung: Bundesministerium für Ver- beitsplätze bringen und dort für Woh- triebene, Flüchtlinge und Kriegssachge- denen Wuermeling federführend war: nungen sorgen. Die Bundesregierung ver- Z. B. die Gesetze zum Schutz der Jugend schädigte. Minister Oberländer vertrat bei ordnete deshalb schon im November 1949 der Eingliederung der Flüchtlinge die An- in der Öffentlichkeit und über die Ver- ein umfassendes innerdeutsches Umsied- breitung jugendgefährdender Schriften, sicht, für deren Unterbringung keine Mas- lungsprogramm, das 1961 zu fast 95 v. H. senunterkünfte, sondern sofort Wohnun- das in Zusammenarbeit mit dem Bundes- erfüllt war. In vier Programmen konnten justizministerium geschaffene Jugendge- gen zu bauen. Die Neuschaffung von Ar- eine Million Vertriebene aus den indu- beitsplätzen war durch die wirtschaftliche richtsgesetz, das eine Neuordnung des striiearmen Aufnahmeländern Schleswig- Konjunktur nicht mehr schwierig. In 13 Jugendstrafrechts und -Verfahrens herbei- Holstein, Niedersachsen und Bayern in Bauprogrammen konnten neben den Ver- führte, schließlich in jüngster Zeit das Bundesländern angesiedelt werden, in triebenen auch die Flüchtlinge bis auf Jugendarbeitsschutzgesetz (1960) und die denen ausreichender Wohnraum und Ar- einen kleinen Rest mit Wohnungen ver- im Juni 1961 wiederum gegen die Stim- beitsmöglichkeiten vorhanden waren. sorgt werden. Der Bund stellte dazu über men der Opposition beschlossene Novelle vier Milliarden DM zur Verfügung. zum Reichsjugendwohlfahrtgesetz, das die Aus dem Bündel von Sondermaßnah- Eigenverantwortlichkeit der Jugendver- men, die die Eingliederung vollzogen, 1960 trat Minister Prof. Dr. Dr. Ober- bände stärkt, damit die Jugendarbeit verdient der Wohnungsbau für Vertrie- länder, der 1955 zur CDU kam, von sei- nicht zu einer Aufgabe des staatlichen bene besondere Hervorhebung. Ende 1950 nem Amt zurück. Ihm wurde in einer Verleumdungskampagne vom Osten vor- Dirigismus wird. besaßen von 2,6 Millionen Vertriebenen- haushalten mit 7,5 Millionen Personen., geworfen, Kriegsverbrechen begangen zu Wuermeling, jetzt 61 Jahre alt, hat sich nur 22 v. H. eine Normalwohnung. 67 v. haben. Ein Ermittlungsverfahren, das durchgesetzt. Die glänzende Karriere, die H. wohnten als Untermieter, 11 v. H. Oberländer gegen sich selbst einleitete, vor ihm lag, als er mit erst 21 Jahren lebten in Lagern. Bei einer Zwischen- ergab später die völlige Haltlosigkeit der zum Doktor rer. pol. promovierte und die zählung 1956 waren trotz dem dauernden Beschuldigungen. Oberländers Nachfolger durch das NS-Regime unterbrochen wurde, Zustrom der Vertriebenen — 2,9 Milli- wurde Bundesminister Dr. von Merkatz. krönt das Ministeramt. Warum Wuerme- onen Vertriebenenhaushalte mit 8,5 Mil- Im vierten. Kabinett Dr. Adenauer wur- ling so besessen von seiner Aufgabe ist? lionen Personen — schon 63 v. H. in de der FDP-Abgeordnete Wolfgang Der Minister, Vater von 5 Kindern, macht Normalwohnungen untergebracht, nur Mischnick zum Bundesvertriebenenmini- sich ernstlich Sorgen um den Fortbestand noch 30 v. H. wohnte zur Untermiete und ster ernannt. Er ist mit 41 Jahren der des deutschen Volkes, das als kinder- nur 7 v. H. lebten in Lagern. Aus einer jüngste Minister der Bundesregierung. ärmstes der Welt gilt, denn „unsere in- anderen, jüngeren Statistik geht die Ver- Als Sowjetzonenflüchtling mußte er 1948 dustrialisierte Ordnung hindert unsere sorgung der Vertriebenen mit Wohnun- aus seiner Heimatstadt Dresden fliehen. Familien weithin, Kinder zu haben, sie gen noch deutlicher hervor. Von 1952 bis Seit seinem Einzug in den Bundestag 1957 groß zu ziehen und sie für ihre Lebens- 1960 erhielten von 2,35 Millionen mit hat sich Wolfgang Mischnick mit Vertrie- aufgabe zu halten". öffentlichen Mitteln gebauten Sozialwoh- benen- und Flüchtlingsfragen befaßt. Das Ernährungsministerium Landwirtschaft noch immer größte Bedeu- tung hat. Als Mittler zwischen Erzeuger und Ver- Landwirtschaft unentbehrlich braucher ist er bemüht, eine Preisgestal- tung zu erreichen, die Landwirtschaft und Mittler zwischen Erzeuger und Verbraucher Käufer gleichermaßen zu ihrem Recht kommen läßt. Seine besondere Sorge gilt der deutschen Landwirtschaft, die gegen- Es sind erst 16 Jahre her, da standen Landwirtschaft an die fortschreitende so- Menschen mit müden, eingefallenen Ge- ziale Entwicklung in der Bundesrepublik über der Landwirtschaft der anderen sichtern stundenlang vor fast leeren Ge- EWG-Länder nicht benachteiligt werden zum Ziel hat. Er ist der Schöpfer des darf. Schwarz umreißt die Bedeutung der schäften Schlange, um auf einen Abschnitt „Grünen Planes", aus dessen Mitteln der der auf billigem Holzpapier gedruckten Landwirtschaft so: „Eine leistungsfähige Landwirtschaft von 1956 bis 1961 über 7,5 Landwirtschaft, aufgebaut auf Selbstän- Lebensmittelkarte „ein Achtel" Butter, Milliarden zuflössen, damit sie rationali- digkeit und Selbstverantwortlichkeit ist ein Stück Maisbrot oder ein Pfund Rüben- sieren und für den europäischen Markt sirup zu bekommen. „Die Zahl der Kalo- konkurrenzfähig werden konnte. nicht nur die notwendige Voraussetzung rien für einen normalen deutschen Ver- für die wirtschaftliche Stabilität eines brauch ist auf 1550 im Tag festgelegt Die von Lübke entscheidend beeinflußte staatlichen Organismus', sondern ein wich- worden", erklärte der damalige amerika- Linie der Agrarpolitik, die eine Stärkung tiger Garant für die Wahrung der Frei- nische Außenminister Byrnes am 11. De- der Landwirtschaft zum Ziel hat, wird heit und Menschenwürde seiner Bürger." zember 1945 wörtlich. Das war nur etwa vom heutigen Landwirtschaftsminister Getreu diesem Leitspruch wird er die die Hälfte der Kalorien, die im den letzten Werner Schwarz (CDU) fortgesetzt. Der Landwirtschaftspolitik der Bundesregie- Jahren vor dem unglückseligen zweiten jetzt 61jährige Landwirt, Eigentümer rung fortsetzen, über deren Bedeutung Weltkrieg verbraucht wurden. Diese eines 600 ha großen Hofes, übernahm im Vizekanzler Prof. Erhard am 29. Novem- Menge, die gerade ausreichte, um die Jahre 1959 das Ministerium, an dessen ber 1961 in der Regierungserklärung Menschen vor dem Verhungern zu be- Spitze mit dem Bayern Niklas über den sagte: „Landwirtschaft und Forstwirtschaft wahren, wurde allerdings nur in den Westfalen Lübke bis zum Schleswig-Hol- bleiben auch in unserem Industriestaat wenigsten Städten erreicht. In unserer steiner Schwarz drei Vertreter von Land- ein unentbehrlicher Teil der Volkswirt- Zeit, in der die Schaufenster von Nah- schaften berufen wurden, in denen die schaft." rungsmitteln aller Art überquellen, ist es gut, sich einmal an diese dunkle Zeit der Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ' „Hungerjahre" zu erinnern. 1945 lag die deutschen Landwirtschaft ebenso am Boden wie die Industrie. Der Hilfe für junge Staaten Bayer Prof. Dr. Dr. h. c. (CSU) hatte 1949 als erster Bundesmini- Bundesrepublik brachte bisher über 16 Milliarden DM auf ster für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Aufgabe, eine ausreichende Mit der Marshall-Plan-Hilfe leisteten gelöst. Blücher, der eine Führungsaufgabe Versorgung der Bevölkerung mit Nah- die USA in den ersten. Nachkriegsjahren in der Hohen Behörde der Montanunion einen entscheidenden Beitrag zum Wie- übernommen hatte, starb 1959 als 63jäh- deraufbau auch der deutschen Wirtschaft, riger. die durch Kriegsschäden und Demontage fast völlig zum Erliegen gekommen war. Nachdem die Bundesrepublik durch um- 1949—1953 Prof. Niklas Berlin beispielsweise hatte 85 v. H. sei- fangreiche Hilfe von außen, wirtschaftlich gesundet war und nun selbst in der Lage 1953—1959 Dr. Lübke ner Industrickapazität verloren. Daß die deutsche Wirtschaft heute leistungsfähi- ist zu helfen, bot sie den jungen Staaten, seit 1959 Werner Schwarz ger und stärker als vor dem Kriege ist, die ihre Unabhängigkeit erlangt haben hat sie nicht nur der gewaltigen Aufbau- und zum Aufbau ihres Staatswesens aus- leistung des deutschen. Volkes, sondern wärtige Hilfe benötigen, ihre Unterstüt- auch zu einem großen Teil der amerikani- zung an. Bislang hat sie für die Entwick- schen Hilfe zu verdanken. lungshilfe über 16 Milliarden DM auf- rungsmitteln zu sichern. Er sorgte dafür, gebracht. Den letzten namhaften Betrag Dem Bundesminister für den Marshall- (35 Millionen DM) erhielt Tanganjika, daß die Landwirtschaft ihre Produktion Plan, Franz Blücher, der bis 1957 auch steigerte und erhöhte gleichzeitig den das frühere Deutsch-Ostafrika, das An- Vizekanzler war, oblag nach 1949 die fang Dezember 1961 unabhängig wurde. Nahrungsmittelimport. Der Erfolg seiner sinnreiche Verwendung der amerikani- energischen Bemühungen blieb nicht aus. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident schen Gelder, die zunächst teilweise für Kai-Uwe von Hassel (CDU), der dort ge-^ Bereits 1950 konnte die Lebensmittel- Nahrungsmittelimporte verwendet wur- boren wurde, vertrat die Bundesregierung^ rationalisierung abgeschafft werden. Ein den, um die Versorgung der Bevölkerung bei den Unabhängigkeitsfeiern. weiterer Meilenstein auf dem Weg zur zu sichern und die physische Leistungs- Stabilisierung der Versorgung mit den kraft des deutschen Volkes wieder herzu- Grundnahrungsmitteln Brot, Fett, Fleisch stellen. Der größte Teil der Mittel wurde und Zucker zu weitgehend festen Preisen jedoch für den Wiederaufbau der Wirt- 1949—1957 Franz Blücher waren die vier Marktordnungsgesetze schaft verwendet. Später ermöglichten (1951/52), die auf Niklas' Initiative zu- die Gelder die Modernisierung und Ra- seit 1961 rückgehen. Prof. Niklas hatte sich das tionalisierung der Wirtschaft. Berlin er- Ziel gesteckt, durch die Aufwärtsentwick- hielt fast vier Milliarden DM, weitere lung der Landwirtschaft zur wirtschaft- 300 Millionen DM wurden für die wirt- In der vierten Regierung Adenauer lichen und damit auch zur politischen schaftliche Eingliederung des Saargebietes wurde 1961 wieder ein Ministerium für Gesundung des Bundesgebietes beizu- in die Bundesrepublik bereitgestellt. wirtschaftliche Zusammenarbeit eingerich- tragen. Das hat er erreicht. Aus Gesund- Blücher, dessen Amt 1953 in „Ministe- tet, das jedoch andere Aufgaben als das heitsgründen kandidierte er nicht mehr rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit" frühere Blücher-Ministerium hat. Es soll für den zweiten Bundestag. umbenannt worden war, vertiefte die von Fragen der Entwicklungshilfe koordinie- Bundeskanzler Adenauer angeknüpften ren, mit der.en sich bisher elf Bundes- An seine Stelle rückte 1953 Dr. Hein- Kontakte zu anderen europäischen Län- rich Lübke (CDU), ein Westfale, der — ministerien befaßt hatten. An seine Spit- dern. Die Bundesrepublik, die bereits 1949 ze wurde der 42jährige Wirtschaftsbera- aus einer Kleinbauernfamilie stammend vollberechtigtes Mitglied der Organisa- ter Walter Scheel (FDP) berufen, der in — als Geschäftsführer eines Bauernver- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit den letzten Jahren bereits 30 Entwicklungs- bandes und als Ernährungsminister des (OEEC) geworder. war, arbeitete seither länder besucht und sich mit ihren Pro- größten Bundeslandes Nordrhein-West- mit anderen europäischen Ländern auf blemen vertraut gemacht hat. Mit der falen erfolgreiche agrarpolitische Konzep- wirtschaftlichem Gebiet eng zusammen, Einrichtung dieses Ministeriums unter- tionen entwickelt und verwirklicht hatte. um gemeinsam mit ihnen die Kriegsfol- streicht der Bund die Bedeutung der Heinrich Lübke, der 1959 als 65jähriger gen zu überwinden und den Weg für den Entwicklungshilfe, die den jungen. Staa- zum Bundespräsidenten gewählt wurde, wirtschaftlichen Zusammenschluß zu eb- ten einen Aufbau ihrer Wirtschaft er- ist maßgeblich am Landwirtschaftsgesetz nen. Nachdem das Ministerium seine Auf- möglichen soll, ohne sie in die Abhängig- (1955) beteiligt, das die Angleichung der gaben erfüllt hatte, wurde es 1957 auf- keit des Kommunismus geraten zu lassen.

10 Das Ministerium iür Gesamtdeutsche Fragen politisches Schicksal seinem Amt als Minister für gesamtdeutsche Fragen, das mit der Schicksalsfrage des ganzen deut- schen Volkes verknüpft ist, einen Sinn. Um Deutschlands Einheit Kaiser starb 1961, von Millionen betrau- ert, als 73jähriger. Unterrichtung der Weltöffentlichkeit über das Unrecht Er fand in dem jetzt 63jährigen Jour- nalisten , einem gebürtigem Mit berief Bundeskanzler Mit der Errichtung der Schandmauer in Remscheider, der Berlin zu seiner zweiten Berlin, mit der Schließung der Zonen- Adenauer 1949 einen Mann an die Spitze dieses Ministeriums, der die Willkür und Heimat gewählt hatte, einen ebenbürtigen grenze, die an vielen Stellen durch Nachfolger. Lemmer — er war mit erst den Terror der Sowjets und der SED am Minenfelder gesichert wurde, mit dem 26 Jahren jüngster Abgeordneter im Befehl an die „Volkspolizisten", Flücht- eigenen Leib verspürt hatte. Der aus der christlichen Arbeiterbewegung hervorge- Reichstag — versuchte bis 1948 als stell- linge zu erschießen, haben die SED- vertretender Vorsitzender der Zonen- Machthaber in der Zone wiederum zu er- gangene Politiker, langjähriger stellver- tretender Vorsitzender der CDU, der CDU dieser Partei die Unabhängigkeit zu schon gegen das Terrorsystem der Natio- bewahren. Dann mußte auch er den glei- chen Weg wie sein Freund Kaiser gehen. 1949—1957 Jakob Kaiser nalsozialisten gekämpft hatte und dessen Name mit den Männern des 20. Juli 1944 Von Berlin aus ließ er oft seine mah- seit 1957 Ernst Lemmer eng verbunden ist, mußte 1947 auf so- nende Stimme für die Einheit Deutsch- wjetischen Druck sein Amt als CDU-Vor- lands erschallen. Vor der Übernahme sitzender der Zone niederlegen. Er setzte seines jetzigen Amtes hatte Lemmer ein seine Arbeit im Bundesgebiet fort und Jahr lang dem Bundeskabinett als Post- kennen gegeben, daß sie nicht daran den- minister angehört. ken, an der Wiederherstellung der Ein- gab schon durch sein persönliches und heit Deutschlands auf der Basis der Selbstbestimmung mitzuarbeiten, sondern Das Atomministerium das Gegenteil zu erreichen suchen: die Zementierung der Spaltung! Die erste und vornehmste Aufgabe des Atome für den Frieden .949 eingerichteten Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen war und ist Anschluß der Bundesrepublik an internationale Entwicklung es, „die Bemühungen um die Wiederher- stellung der Einheit Deutschlands vor- wärtszutreiben". Das diese Bemühungen „Auf einigen wichtigen Gebieten er- der Bundesrepublik waren die Hauptauf- in den zurückliegenden Jahren nicht zu reichte die Bundesrepublik den vollen gaben, denen sich der damalige Sonder- dem von allen Deutschen sehnlichst er- Anschluß an die internationale Entwick- minister Franz-Josef Strauß gegenüber- warteten Ziel führten, ist allein auf lung", mit diesem Satz umriß Bundes- sah, als er das 1955 eingerichtete Bun- die Aggressivität und Unnachgiebigkeit atomminister Prof. Dr.-Ing. Siegfried desatomministerium übernahm, das er bis der Sowjetunion und der von ihnen ge- Balke am 7. Dezember 1961 in einem Ar- 1957 leitete. stützten SED-Bolschewisten zurückzufüh- tikel in einer großen süddeutschen Zei- Nach Strauß' überwechseln ins Vertei- ren. tung den Stand der deutschen Atomfor- digungsministerium trat der vorherige Beide sind nicht bereit, dem deutschen schung. Bis 1945 war Deutschland füh- Bundespostminister Prof. Dr.-Ing. Sieg- Volk das Recht der Selbstbestimmung zu- rend auf diesem Gebiet. Nach dem Zu- fried Balke (CSU), ein in Bochum gebo- zuerkennen, das in der UNO-Charta als sammenbruch verboten die Alliierten jeg- rener Wahlbayer, der zuvor das Post- Menschenrecht verankert wurde. Bezeich- liche Atomforschung. Dieses Verbot ministerium geleitet hatte, an die Spitze nenderweise wurde dieser Passus jedoch wurde in den Jahren bis 1955 nur teil- des Atomministeriums, dem 1955 der in- bisher von der Sowjetunion nicht unter- weise gelockert, die Atomforschung in terministerielle Arbeitskreis „Wasser" der Bundesrepublik unterlag einschnei- schrieben. Das Gesamtdeutsche Mini- angegliedert worden war. Er wurde sterium mußte seine Hauptarbeit auf die denden Beschränkungen bzw. strenger damals vom Sonderminister Walde- Erhaltung der menschlichen Kontakte Kontrolle seitens der Alliierten. mar Kraft geleitet, dem es insbesondere über die Zonengrenze hinweg konzentrie- Wenn die deutsche Atomforschung in oblag, für eine Koordinierung der Was- ren. Es unterstützte, verbesserte und in- den wenigen Jahren seit 1955 dennoch serwirtschaftsfragen zu sorgen. Der Ar- tensivierte Hilfsmaßnahmen für die Be- das nachgeholt hat, was sie in zehn Jah- wohner der Zone und Ost-. ren zwangsläufig versäumte, dann ist das zu einem großen Teil der großzügigen 1955—1956 Franz-Josef Strauß Intensive Vorarbeiten für die Wieder- finanziellen Förderung der Bundesregie- vereinigung leistet seit 1952 der „For- run zu danken, die die Bedeutung der schungsbeirat für Fragen der Wiederver- Atomkraft als Energiequelle der Zukunft einigung", dem namhafte Persönlichkeiten (Wasserwirtschaft) der Staats- und Wirtschaftswissenschaf- frühzeitig erkannte und bis 1961 für Atomforschungs- und Entwicklungsarbei- seit 1956 Dr. Ing. Balke ten, der Parteien sowie der wirtschafts- und sozialpolitschen Spitzenorganisatio- ten über 500 Millionen DM aufwendete. nen angehören. Er prüft insbesondere die Gegenwärtig arbeiten in der Bundesrepu- Frage, wie die beiden Teile Deutschlands blik sieben Forschungsreaktoren und ein beitskreis, der Pionierarbeit auf dem Ge- Versuchsatomkraftwerk, sechs weitere diesseits und jenseits der Zonengrenze in biet des Gewässerschutzes und einer was- wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu Reaktoren und ein Kraftwerk werden ge- serwirtschaftlichen Rahmenplanung für einer Einheit kommen können, wenn der baut. Unter den vom Bund, Ländern und das gesamte Bundesgebiet leistete, wird Weg dazu politisch geebnet worden ist. Wirtschaft geförderten Forschungs- und jetzt vom Gesundheitsministerium über- Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet nommen. Angesichts der neuerlichen Unrechts- der Atomkernenergie nimmt das For- maßnahmen der SED-Machthaber ist es Daß die Bundesrepublik mit anderen schungszentrum Karlsruhe eine Vorrang- befreundeten Nationen auf dem Gebiet von besonderer Bedeutung, die Welt- stellung ein. Der Gesamtaufbau ko- öffentlichkeit über die Zustände in der der Atomkernenergieforschung engen stete fast eine halbe Milliarde DM. Im Kontakt pflegt, ist auch ein Erfolg der Zone sowie über kommunistische Infil- Frühjahr soll mit dem Bau des ersten mit trationsversuche in verstärktem Maß zu Bemühungen Minister Balkes. Seit 1958 Atomkraft getriebenen deutschen Han- spielt die Bundesrepublik eine führende unterrichten. Zu den weiteren Aufgaben delsschiffes begonnen werden. des Ministeriums, das auch maßgeblichen Rolle in der Europäischen Atomgemein- Anteil an den Vorarbeiten für die Rück- Die Förderung der Grundlagenfor- schaft (Euratom), in der die sechs EWG- kehr des Saargebietes in die Bundesrepu- schung, die Ausarbeitung und Durchfüh- Staaten zusammenarbeiten. Ein umfassen- blik hatte, gehört die Förderung der rung von Schutzmaßnahmen gegen radio- der Erfahrungsaustausch wurde auch mit Arbeit der Vertriebenenverbände und der aktive Strahlen, die Ausbildung des den Vereinigten Staaten, Großbritannien Entwicklung der alten, deutschen Haupt- Nachwuchses, die Mitarbeit der Bundes- und Kanada vertraglich vereinbart. So stadt Berlin, was dadurch unterstrichen republik in internationalen Atomfor- rundet sich das Bild einer Aufgabe, deren wird, daß Berlin neben Bonn Amtssitz schungsgremien und der Aufbau einer alleiniges Ziel es ist, der friedlichen Nut- des Ministeriums ist. wettbewerbsfähigen Atomwirtschaft in zung der Atomkerenergie zu dienen.

11 Das Postministerium mer das Postministerium. Unter seiner Amtsführung wurde die Technisierung des Postbetriebes weiter fortgesetzt, so daß die mit der Einführung der 45 Stun- Im Zeichen der Rationalisierung den-Woche verbundenen Auswirkungen ohne Einschränkungen der Betriebslei- Moderne Einrichtungen halfen sparen stungen abgeschwächt werden konnte.

steuerten Briefverteilmaschinen sind be- Als 1957 Dr. Adenauer Richard Stück- len mit dem Post- und Fernmeldewesen 1949—1953 Dipl. Ing. reits in Betrieb. Es ist auch schon ein- gehend geprüft worden, inwieweit Hub- betraute, war ihm dieses Ressorts seit schrauber den Postverkehr auf mittlere vielen Jahren bekannt. Denn schon seit 1949 hatte er als damals jüngster Bundes- 1953—1956 Prof. Dr. Ing. Entfernungen verbessern können. Der Einsatz von Postnachtflugzeugen für den tagsabgeordneter — Jahrgang 1916 — innerdeutschen Brief verkehr ist in diesem dem Bundestagsausschuß für das Post- Jahr bereits eingeführt worden. und Fernmeldewesen und seit 1953 dem 1956—1957 Ernst Lemmer Verwaltungsrat der Bundespost angehört. Den Anschluß an die Organisation des Die Bundespost mußte bei der Amtsüber- seit 1957 Richard Stücklen internationalen Postverkehrs erreichte nahme Stücklens ihren Etat noch immer die Bundespost unter ihrem Minister Prof. mit einem Defizit abschließen, der 1958 Dr. Ing. Balke, der das Ministerium von noch immerhin rund 200 Millionen DM 1953 bis 1956 leitete. 1955 wurde Deutsch- betrug. Bis 1960 gelang es Stücklen, das Wie die anderen Bundesministerien, so land in den Weltpostverein wieder auf- Defizit in einen Überschuß umzuwandeln. kann auch das Bundespostministerium genommen, der 1874 von dem ersten Wenn die Postkunden schon seit Jahren bei einem Rückblick iauf die seit 1949 deutschen Generalpostmeister von Ste- von Erhöhungen der Post- und Fern- geleistete Arbeit eine stolze Bilanz vor- phan gegründet wurde. sprechtarife verschont geblieben sind, so weisen. Während aber bei vielen anderen Von 1956 his 1957 führte Ernst Lem- Ministerien mit der Entfernung von den ist dies Richard Stücklen zu verdanken. ersten Anfangs jähren der Bundesrepublik die Schwierigkeiten abnehmen, mußte das Das Ministerium für besondere Aufgaben Postministerium eine gegenteilige Ent- wicklung feststellen. Denn der wirtschaft- f liche Aufstieg in der Bundesrepublik stellt von Jahr zu Jahr höhere Anforde- Ausgleichen und koordinieren rungen an das Post- und Fernmelde- wesen. Wichtige Aufgaben außerhalb der Fachministerien Der Arbeitskräftemangel zwingt die Post zu einer immer stärker werdenden Bei der Regierungsbildung zum vierten nachdem er maßgeblich an der Gründung Rationalisierung und Modernisierung ih- Kabinett Adenauer wurde der bisherige des BHE beteiligt gewesen war. Von 1950 rer Einrichtungen. Daß nicht nur der stei- Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestags- bis 1953 war er stellvertretender Minister- genden Belastung Rechnung getragen Fraktion, Dr. , mit einem präsident und Finanzminister, von 1951 werden kann, sondern daneben auch weit- Ministerium für besondere Aufgaben be- bis 1953 auch Justizminister in Schleswig- reichende Planungen in Angriff genom- traut. Dr. Krone, geboren am 1. 12. 1895 Holstein gewesen. 1955 trat er zur CDU men werden können, verdanken Post in Hessisch-Oldendorf, Mitglied des über. Sonderminister Kraft widmete sich und ihre Benutzer der Voraussicht der Reichstages von 1925 bis 1933, Mitgrün- in der Zeit, in der er diese Funktion aus- Minister, die von Anfang an über die der der Berliner CDU, seit 1949 im füllte, vor allem den Aufgaben, die er als Aufbauarbeit hinaus -ihren Blick in die Bundestag und seit Juni 1955 Fraktions- Zukunft richteten. vorsitzender, hat damit eine Wirkungs- möglichkeit im Kabinett erhalten. Seine 1949 mußte die Bundespost unter ihrem 1953 Dr. ersten Minister, Dr. Ing. e. h. Dipl. Ing. Fähigkeit, einander widerstrebende Mei- Schuberth, zunächst einmal größte An- nungen in Sachlichkeit und Objektivität Waldemar Kraft zu koordinieren, wird der Zusammen- strengungen unternehmen, um die Ver- Dr. Hermann Schäfer heerungen des Krieges zu beseitigen. Mi- arbeit innerhalb der Koalition wertvolle nister Schuberth kannte wie kein zweiter Hilfe sein. Franz Josef Strauß die Post; seit 1927 war er in ihrem Dienst Schon einmal in der Geschichte der tätig. Zuletzt im Verwaltungsrat als Di- Bundesrepublik gab es Minister für be- 1961 Dr. Heinrich Krone rektor für das Post- und Fernmeldewesen sondere Aufgaben: 1953 wurden die Ab- der . Seine langjährigen Erfahrun- geordneten Dr. Robert Tillmanns, Walde- gen waren für den Aufbau der Bundes- mar Kraft (GB/BHE), Dr. Hermann Schäfer Vorsitzender des „interministeriellen Aus- post von allergrößtem Nutzen. (FDP) und Franz Josef Strauß mit dieser schusses Wasser" übernommen hatte. Das Postministerium durfte sich aber Funktion versehen. Dr. Hermann Schäfer (FDP), geboren nicht auf die reine Aufbautätigkeit be- Dr. Robert Tillmanns, 1896 in Wupper- am 6. 4. 1892 in Remscheid, hatte, bevor schränken, es mußte umfangreiche neue tal geboren, von 1930 bis 1933 in der er 1949 in den Bundestag gewählt und Erkenntnisse der Technik und die be- preußischen Unterrichtsverwaltung tätig, zum zweiten Vizepräsidenten des Parla- reits erkennbaren Entwicklungsmöglich- anschließend Leiter des Ostbüros des mentes ernannt worden war, in den Jah- keiten in die Planungen miteinbeziehen. evangelischen Hilfswerkes und Mitgrün- ren 1948/49 dem Parlamentarischen Rat So wurden beim Wiederaufbau der Orts- der der CDU Berlin sowie der CDU der angehört. Dr. Schäfer war auch Delegier- fernsprechämter die Handamtsvermitt- sowjetischen Besatzungszone, war 1949 in ter im Europa-Rat. Sein Amt als Sonder- lungen durch Wählvermittlungen ersetzt. den Bundestag gekommen. 1950 hatte ihn minister nutzte er vor allem dazu, sich Eine weitere Verbesserung brachte der die CDU auf ihrem Goslarer Parteitag in für Fragen des Mittelstandes einzusetzen. Selbstwähldienst, durch den heute fast den Parteivorstand delegiert. Von Anfang 80 v. H. aller Gespräche abgewickelt Franz Josef Strauß, Mitgründer der an hatte sich Dr. Tillmanns um die Orga- CSU und vierter Minister ohne Verwal- werden, 1949 waren es 10 v. H. Nur sol- nisation und die geistige Zielsetzung der che Rationalisierungsmaßnahmen konnte tungsbereich im Kabinett von 1953, wurde Christlich Demokratischen Union bemüht. am 6. 9. 1915 in München geboren. Schon die Post neben der Beseitigung der Sein besonderes Augenmerk innerhalb Kriegsschäden die Zahl der Fernsprech- mit 30 Jahren war er Landrat des Kreises des Kabinetts von 1953 galt der Arbeit an Schongau geworden. Der Bundestag hatte teilnehmer seit 1949 auf 3,6 Millionen gesamtdeutschen Aufgaben und der Sorge erhöhen und nahezu verdreifachen. ihn im Juli 1952 mit dem Vorsitz im um die Existenzsicherung der Stadt Ber- Ausschuß für Fragen der europäischen 1950 wurden 4,2 Milliarden Briefsen- lin. Dr. Tillmanns, der am 12. 11. 1955 Sicherheit betraut. Von 1955 an war er dungen befördert, 1961 hatte sich diese allzufrüh starb, hatte nach dem Tod Atomminister, von 1956 an Verteidigungs- Zahl fast verdoppelt. Auch diese immer Dr. Ehlers auch die Leitung des Evangeli- minister. In seiner Funktion als Sonder- stärker werdende Belastung zwang die schen Arbeitskreises der CDU/CSU. minister hatte er vor allem die Verbin- Post bei der Briefbeförderung und Ver- Waldemar Kraft, geboren am 19. 2. 1898 dung zur Christlich Sozialen Union zu teilung neue Wege zu gehen. Die ersten in Brustow/Posen, war zunächst in Schles- halten, deren Bonner Landesgruppe er vollautomatischen und elektronisch ge- wig-Holstein politisch tätig geworden, gleichzeitig vorstand.

12 Das Bundesverkehrsministerium srst seit wenigen Jahren gegenüber. Des- halb hat sie schon seit 1949, als sich das westdeutsche Verkehrswesen von den Kriegsfolgen zu erholen begann, den Wege in die Zukunft Straßenbau entscheidend gefördert. Auf diesen Bereich entfiel ein großer Teil der Seit 1949 wurden über 70 Milliarden DM investiert 70 Milliarden DM, die seit 1949 im Ver- kehrswesen investiert wurden. Seit 1949 rungen Adenauer an der Spitze desselben entstanden über 750 km Autobahnen und Seit 1949 Dr.-Ing. Hans-Christoph Ministeriums gestanden hat bzw. steht. 700 km Bundesstraßen, weitere über 8000 Seebohm Die gleiche Zeitung nennt den in Ober- km Bundesstraßen wurden durch Ausbau schlesien geborenen, im Egerland aufge- den heutigen Erfordernissen angepaßt. Die wachsenen Verkehrsfachmann, der vor Grundlage für alle diese Maßnahmen bil- „Zwischen Flensburg und dem Bodensee Übernahme seines Bonner Amtes Minister deten das Bundesfernstraßengesetz (1953), kennt er jeden Weg und Steg. Kein Orts- für Aufbau, Arbeit und Gesundheit :n das 1961 durch eine wichtige Novelle ent- bürgermeister, kein Bauiührer an einem Niedersachsen sowie Mitglied des Parla- scheidend erweitert wurde, und das Ge- neuen Autobahn-Teilstück tut gut, sich in mentdrischen Rates war, „im Kern einen setz über den Aufbauplan für Bundes- einen Disput mit ihm einzulassen. Der Motorisierungsminister" und umreißt da- fernstraßen (1957). Von 1963 bis 1970 Minister schlägt ihn auch dann noch mit mit eine seiner Hauptaufgaben. Seebohm sollen weitere 35 Milliarden DM für den besseren Kenntnissen, wenn es um mehr muß verhindern, daß die mit ständig Straßenbau aufgewendet werden. lokale, bloß regionale Detailiragen geht". wachsender Geschwindigkeit zunehmende Dieses Lob zollte eine politische Wo- Der Bund förderte die Bundesbahn, die Motorisierung den Straßenbau im wahr- unter den Kriegsfolgen besonders schwer chenzeitung Bundesverkehrsminister Dr.- sten Sinne des Wortes überrollt. Ing. Hans-Christoph Seebohm, neben zu leiden hatte, bisher mit über 8 Milliar- Wirtschaftsminister Prof. Erhard der ein- Diesem Problem sieht sich die Bundes- den DM. Nach dem Wiederaufbau zer- zige Ressortchef, der in allen vier Regie- regierung mit ihrer Verkehrspolitik nicht störter Anlagen war die Rationalisierung die Hauptaufgabe. In diesem Zusammen- Das Bundesschatzministerium hang muß die Elektrifizierung des Strek- kennetzes, die nach und nach auf das ge- samte Bundesgebiet ausgedehnt werden soll, besonders erwähnt werden. Ein Bei- Eigentum für Jeden spiel für den Erfolg der Rationalisierung: Während die Güterbeförderung von Kuf- Moderne Gesellschaftspolitik der CDU/CSU stein nach Flensburg 1956/57 noch 29 Stunden dauerte, konnte sie 1959/60 be- Ein Ministerium, dessen Ziel es ist, sich wagenwerks, in Angriff zu nehmen. Den reits um vier auf 25 Stunden verkürzt überflüssig zu machen, hat Seltenheitswert. Erfolg seiner Arbeit konnte er aber nicht werden. Das Bundesschatzministerium, das den erleben, im Februar 1960 verstarb er wirtschaftlichen Besitz des Bundes ver- plötzlich. Weitere Hilfsmaßnahmen des Bundes waltet, strebt seine eigene Selbstauflösung Der Nachfolger, Dr. Wilhelmi, setzte galten der Binnen- und Seeschiffahrt, die am. Nach den Aufbauerfolgen der sozia- die Aufgabe seines Vorgängers fort. ebenfalls im Krieg große Verluste erlit- len Marktwirtschaft begann die Bundes- Während seiner Amtszeit wurde der ten hatten. Die Binnenschiffahrt, die 1949 regierung 1957 mit der Verwirklichung Bundesanteil des Volkswagenwerks ver- nur über 2,7 Millionen t Tragfähigkeit eines neuen Abschnitts ihrer Sozialpolitik: äußert. Auch dabei war es das Ziel, durch verfügte, hat gegenwärtig eine Kapazität breite Schichten des deutschen Volkes bei kleingestückelte Aktiein den sozial schwä- von über 4,9 Millionen t. Die deutsche der Eigentumsbildung anzuregen und zu cheren Schichten einen Anreiz zur Ver- Handelsflotte, die 1949 aus kleinen und unterstützen. Dazu sollte ein großer Teil mögens- und Eigentumsbildung zu geben. veralteten Schiffen bestand, steht heute des wirtschaftlichen Bundesvermögens 1,547 Millionen in der Bundesrepublik mit an führender Stelle in der Welt. Mit privatisiert und zu günstigen Bedingun- machten von der ihnen gebotenen Mög- 4,8 Millionen BRT hat sie ihren Stand gen sozial schwachen Schichten zum Kauf lichkeit, sich am größten Automobilwerk von 1938 um 12 Prozent überschritten. angeboten werden. Um die Grundlagen Europas zu beteiligen, Gebrauch. Damit dieser Privatisierung vorzubereiten, wurde hatte das Eigentumsprogramm der Bun- Die besondere Liebe des jetzt 58jähri- ein besonderes Ministerium geschaffen, desregierung einen überzeugenden Erfolg gen Minsters galt dem Wiederaufbau der das die Verwaltung und den Verkauf des errungen. Luftfahrt, der erst 1955 erfolgen konnte, veräußerlichen Bundesvermögens über- nachdem die Bundesrepublik am 5. Mai tragen erhielt. jenes Jahres die Lufthoheit zurückerhal- ten hatte. Die zu über 80 Prozent dem Der erste Chef dieses Ministeriums war 1957—1960 Dr. Hermann Lindrath der im Alter von 64 Jahren 1960 ver- Bund gehörende Lufthansa verfügt heute storbene Abgeordnete Dr. Lindrath. Die 1960—1961 Dr. Hans Wilhelmi neben zahlreichen Chartermaschinen über Erfolge, die er in den wenigen Jahren einen eigenen Flugzeugpark von 52 Ma- seiner Tätigkeit erreichen konnte, spre- seit 1961 Hans Lenz schinen, darunter acht Düsenverkehrs- chen für sich. In der Sowjetzone hatte flugzeugen, deren Zahl sich bis 1965 auf Dr. Lindrath den Staatskapitalismus der 26 steigern wird. Etwa alle fünf Minuten Kommunisten kennengelernt, der aus den Vor der Errichtung des Bundesschatz- startet bzw. landet auf einem der fünf Menschen gefügige Kollektivwesen macht ministeriums gab es in der Bundesrepu- Erdteile ein im Dienst der Lufthansa ste- und sie in völlige wirtschaftliche Abhän- blik nur 500 000 Aktionäre. Nach der Pri- hendes Flugzeug. In diesem Zusammen- gigkeit vom Staat bringt. Aus dieser Er- vatisierung der Preussag, des VW-Werks hang ist der Aufbau des Deutschen Wet- innerung heraus setzte sich gerade Dr. und der Vereinigten Tanklager- und terdienstes von größter Bedeutung, der Lindrath für die Verwirklichung der so- Transportgesellschaft waren es bereits 1,7 1952 gegründet wurde, seinen Sitz in zialpolitischen Vorstellungen der CDU/ Millionen Bürger, die, ermuntert durch Offenbach/Main erhielt und die da- CSU ein, die in der Vermögensbildung die Bundesregierung, sich durch Aktien- maligen Zonen- und Länderwetterdienste der Arbeitnehmer ein Bollwerk gegen die besitz zu Miteigentümern bedeutender zusammenfaßte. Unfreiheit schaffen wollen. Unternehmen machten. Dr. Lindrath privatisierte als Anfang Für den 61jährigen Minister Dr. Wil- Schließlich fiel in den Aufgabenbereich die bundeseigene Preussag und bot sie, in helmi aus war der Umgang mit des Bundesverkehrsminsteriums auch die kleinen Aktien gestückelt, Beziehern klei- Wiederbelebung des Fremdenverkehrs. nerer Einkommen zum Verkauf an. Das Riesenvermögen nichts Neues. Er war Experiment wurde ein voller Erfolg. Die Justitiar der Deutschen Bank, Mitglied in Im Ausland wurden zahlreiche Infor- Zeichnungsstatistik der Preussag-Privati- fünf Aufsichtsräten großer Unternehmen, mations- und Werbebüros eingerichtet. sierung bewies, daß der überwiegende außerdem Teilhaber eines Frankfurter Die Devisenbeträge, die ausländische Teil der 216 119 neuen Aktionäre aus Rechtsanwaltbüros. Touristen in die Bundesrepublik brach- Angestellten, Rentnern, Beamten und Ar- Das Bundesschatzministerium wird im ten, steigerten sich von 90 Millionen DM beitern bestand. Dieses Ergebnis ermutig- vierten Kabinett Dr. Adenauers von dem (1949) auf über 2 Milliarden DM (1960). te Minister Dr. Lindrath das nächste große schwäbischen FDP-Abgeordneten Hans Sie lagen damit wertmäßig über den Er- Projekt, die Privatisierung des Volks- Lenz geleitet. gebnissen mancher Exportindustriezweige.

13 Das Gesundheitsministerium Wechsel und Beharrung Der Rundgang durch die Ministerien Neues Amt - große Aufgaben und durch die Kabinette ist gleichsam ein Streifzug durch die Geschichte der Bun- Die erste Frau im Bundeskabinett desrepublik geworden. Er hat gezeigt, wie Wechsel und Beharrung nebenein- „Wir müssen die Öffentlichkeit vor allem ander stehen und wie die Kontinuität, Seit 1961 Frau Dr. ständig unterrichten über den Stand der ohne der Gefahr einer Erstarrung zu er- liegen, gewahrt wurde. Die junge Bundes- Gefahren oder Nicht-Gefahren, was stei- gende Radioaktivität betrifft, um auf der republik kann mit Genugtuung auf den einen Seite übertriebene Furcht zu ver- Kreis der Männer blicken, die mit mini- hindern und auf der anderen Seite die steriellen Funktionen betraut wurden. Als Mit der Leitung des Gesundheitsmini- Bereitschaft zu notwendigen Maßnahmen Fazit unseres Überblickes zeigt sich, daß steriums wurde Frau Dr. Elisabeth in die Wege zu leiten". altersmäßig in gleichem Maß die Reife Schwarzhaupt betraut, die als erste Bun- der Erfahrung aus der Vergangenheit wie desministerin in die junge Geschichte der In der Gesundheitspolitik will sich Frau auch die aufsteigende Generation zum Bundesrepublik eingehen wird. Zu den Dr. Schwarzhaupt, soweit das nicht in die Zuge gekommen sind. Mit Dr. Adenauer „negativen Begleiterscheinungen", um Kompetenzen der zuständigen Ländermi- selbst, mit Lcmmer und mit Dr. Krone ist deren Beseitigung sich die aus Frankfurt/ nisterien fällt, mit der Arbeits- und Schul- die Generation vertreten, die nach 1919 Main stammende Politikerin, die nach hygiene befassen. Als weitere wichtigen Verantwortung trug und gegen den Na- einem Jurastudium das Lehrerinnen- Aufgaben bezeichnet sie die Aufklärung tionalsozialismus stand. Auch Vizekanzler examen ablegte, später als Oberkirchen- der Öffentlichkeit über Fragen der rich- Prof. Dr. Erhard ist vor der Jahrhundert- rätin tätig war und sich als stellvertre- tigen Ernährung und über die „gesunde wende geboren. Aber gleichzeitig zogen tende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundes- Verwendung der Freizeit". Eine ihrer, wie schon in die früheren Kabinette Adenauer tagsfraktion große Verdienste erwarb, die Ministerin selbst sagt, schwierigsten mit Schröder, mit Strauß, mit Lücke die kümmern wird, gehören vor allem die Aufgaben ist die Lärmplage, deren Be- Jüngeren ein, die im zweiten Weltkrieg Verschmutzung von Wasser und Luft. In- seitigung einschneidende Maßnahmen er- an der Front standen, so wie jetzt die dustrieabwässer verseuchen die Flüsse fordern wird. FDP mit Mischnick, Stammberger und und gefährden das Grund- und damit auch Den Kern des im Aufbau befindlichen Scheel ihrerseits neue Namen der jungu^d das Trinkwasser. neuen Ministeriums bilden die bisherige Generation präsentiert hat. Eine zweite unangenehme Erscheinung Gesundheitsabteilung des Innenministe- ist die Verseuchung der Luft durch Indu- riums und das Referat Wasserwirtschaft Wie die Generationen so sind auch fast strieabgase, wie es vor allem im Ruhr- aus dem Atomministerium, das sich im alle Landschaften Deutschlands bei der gebiet festzustellen ist, und durch Radio- wesentlichen mit der Reinhaltung des Zusammensetzung der Kabinette zum aktivität. Dazu meint die Ministerin: Wassers beschäftigt. Zuge gekommen. Die Palette reicht von Norddeutschland, d. h. dem aus Holstein gebürtigen Ernährungsminister Schwarz Das Bundesratsministerium bis Süddeutschland mit dem Namen des Verteidigungsministers Strauß. Zahlen- mäßig stehen die gebürtigen Bayern mit Zwischen Bund und Ländern den Ministern Höcherl, Stammberger, Starke, Erhard, Strauß und Stücklen an Ein nützliches Verbindungsglied der Spitze. Ihnen folgen die aus dem Land Nordrhein-Westfalen stammenden Minister, deren Reihe von Bundeskanzler Als 1949 bei der Bildung der ersten gabe durch die Umbenennung des Bundes- Dr. Adenauer angeführt wird. Bundesregierung ein Bundesratsministe- ratsministeriums unterstrichen. Es heißt rium geschaffen wurde, gab es viele Kri- seitdem: Bundesministerium für Angele- Aus Niedersachsen kommt Minister tiker, die ein solches Amt für überflüssig genheiten des Bundesrats und der Länder. Seebohm, aus Rheinland-Pfalz Minister hielten. Im Laufe seines zwölfjährigen Die beiden Minister, die das Amt in Wuermeling, aus Baden-Württemberg Bestehens hat das Ministerium jedoch diesen Jahren führten, haben in ihrer Minister Lenz, aus Hessen Frau Minister viele Zweifler von der Notwendigkeit Rolle als gute Vermittler zwischen Bund Schwarzhaupt. Berlin findet unermüdliche seiner Existenz überzeugen können. Es und Ländern einen nicht zu unterschät- Fürsprecher in den Ministem Lemmer und hat sich als nützliches Verbindungsglied zenden Beitrag an der gedeihlichen Ent- Dr. Krone. Vertriebenenminister Misch- zwischen Bund und Ländern erwiesen. wicklung der Bundesrepublik geleistet. nick wurde in Sachsen geboren und Bun Viele Gesetze wären im Bundesrat auf desratsminister Dr. von Merkatz in Po Ablehnung gestoßen, wenn nicht vorher mern. zwischen dem Bundesratsminister und den Gegenüber so mancher oberflächlicher Länderchefs in Verhandlungen ein Kom- 1949—1955 Nörgelei hat unser sachlicher Überblick promiß erzielt worden wäre. seit 1955 Dr. Hans-Joachim ergeben, wie gut die Regierungen die Die Bundesrepublik ist ein Bundesstaat. landschaftliche Vielfalt der Bundesrepu- Den Ländern ist entsprechend dem föde- von Merkatz blik widergespiegelt haben und wie rativen Prinzip des Bonner Grundgesetzes repräsentativ für unser politisches Leben im staatlichen Leben weitreichender Ein- diese Kabinette sind. Es ist für eine fluß eingeräumt. Im Bundesrat besitzen Demokratie eine der wichtigsten Auf- Als erster Bundesratsminister zog 1949 gaben, die Bildung der Führungsspitze die Länder eine selbständige gesetz- der 41jährige Heinrich Hellwege (DP) in gebende Körperschaft auf Bundesebene, lebendig zu erhalten, ohne durch zu das Kabinett Dr. Adenauers. Als konser- raschen und störenden Wechsel die Kon- die stark genug ist, Gesetzgebung und vativer Niedersachse, der sich Bund und Verwaltung nachhaltig zu beeinflussen. tinuität zu gefährden. Wir dürfen fest- Land gleichermaßen verpflichtet fühlte, stellen, in den ersten zwölf Jahren der Das Gegengewicht stellt der Bundestag stand ihm ein bundestreuer Föderalismus und die Bundesregierung dar. Bei einer Bundesrepublik ist die Aufgabe glücklich vor Augen. Heinrich Hellwege verließ gelöst worden. solchen politischen Gewichtsverteilung 1955 Bonn, um in Hannover das ihm an- lassen sich Spannungen nicht immer ver- getragene Amt des Ministerpräsidenten meiden. Die wirtschaftliche und soziale zu übernehmen. Not, die die Bundesregierung 1949 vor- fand, war nur durch eine zielbewußte Nachfolger Hellweges wurde dessen 1957 führte Dr. von Merkatz nebenbei Bundespolitik zu beseitigen. Selbstver- Staatssekretär Dr. Hans-Joachim von Mer- auch noch das Bundesjustizministerium ständlich bedurfte es dabei der Mitwir- katz (DP). Der heute 56jährige Minister und von 1960 bis 1961 das Bundesvertrie- kung der Länder. Dazu war und ist ein stammt aus einer alten pommerschen benenministerium. Im vierten Kabinett ständiger Kontakt des Bundesrats und der Adelsfamilie. Nach dem Kriege fand er Dr. Adenauer kann sich Dr. von Mer- Länder mit einem Mitglied des Kabinetts Zuflucht in Niedersachsen und schloß sich katz, der 1960 zur CDU übergetreten ist, unumgänglich. Die Bundesregierung hat dort der DP an, für die er 1955 in die nun wieder ganz dem Bundesratsministe- im Herbst 1957 die Bedeutung dieser Auf- Koalitionsregierung eintrat. Von 1956 bis rium widmen.

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