Nr. 02 / Juni 2016

GESTERN UND HEUTE 70 Jahre Landtag: 1946 - 2016 Inhalt Lieber Leserinnen, liebe Leser, Gestern und heute 4 – 11 der Landtag wird 70, und wir blicken zurück. Studie über Ex-Nazis im Landtag 4

Rückblick 1958: ein SS-General Eine Studie der Uni Flensburg beleuchtet die Rolle ehemaliger Nazis in der Landespolitik. und ein junger Beamter 6 Fazit: Im Parlament saßen mehr Abgeordnete mit brauner Vergangenheit als bisher an- genommen. Aber nicht jeder war ein Verbrecher oder Anti-Demokrat. Großes Aufsehen Vor zehn Jahren: Die Staatskanzlei erregte 1958 der Fall Heinz Reinefarth, eines SS-Generals im Landtag. Aufzeichnungen ­verlässt das Landeshaus 9 des damaligen Beauftragten für staatsbürgerliche Bildung, Ernst Hessenauer, belegen, wie Festakt zum 70. Jubiläum 10 schwer es ein Aufklärer hatte, gegen das Schweigen und Verdrängen anzukommen. Entsprechend gab es beim Festakt zum 70. Geburtstag im Juni auch nachdenkliche Töne.

Aber am Ende stand die klare Botschaft: Heute ist die Demokratie im Lande verwurzelt. Ausschüsse: Body-Cams, Russlandreise, Ein zweiter Schwerpunkt dieser Aufgabe beschäftigt sich mit Europa. Der Brexit weckt Wildgänse, Termine 12 Zweifel an der europäischen Integration. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg oft so reibungslos, dass sie kaum noch für Schlagzeilen sorgt. Die Seite für das Ehrenamt 14 So trafen sich im Juni Politiker aus dem Ostseeraum im Landeshaus und gingen Probleme Der Landtag in Leichter Sprache: an, die kein Land allein lösen kann: den Umweltschutz und den Klimawandel. die Grund-Rechte 15 Wir wünschen viel Freude beim Lesen und einen schönen Sommer! Im Zentrum 16 – 17 Ihre Redaktion Bilderbogen: 70 Jahre Landtag ZÄHLBARES 40,9 Prozent Wahl 2017: Neues Wahlrecht, aller Landtagsabgeordneten, die zuvor Initiative zur Wahlbeteiligung 18 NSDAP-Mitglieder waren, erhielten Meldungen: nach 1945 einen Verdienstorden. Bei den ehemals von den Nazis verfolgten Abge- Bürgerbeauftragte, ordneten lag die Quote nur bei „Todesmarsch“ 1945, Israel-Tag 20 10,8 Prozent. Europa 22 – 25 Landtagspräsidenten Mehr zur Geschichte des Landtages mahnen Brüssel: ab Seite 4. Parlamentsforum zu Agrar und Umwelt 22 Föderalismus respektieren

Brexit: Warnung vor Kollaps der EU 23 Die Präsidenten der deutschen Landes­parlamente bekennen sich zur Europäischen Minderheiten aktuell 24 Union – und wollen in Brüssel mitreden, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. Das wurde bei der Landtagspräsidentenkonferenz Anfang Juni in Wiesbaden EM und Olympia: deutlich.­ Der Ball rollt woanders 25

Ein Schwerpunkt der gemeinsamen Erklärung: Die Landtage wollen bei der Europäischen Interview mit Union nicht mit Lobbyisten gleichgesetzt werden. Hintergrund ist das EU-Transparenz­ Christoph von Marschall: register. Es sieht vor, die Registrierungspflicht für Lobby-Gruppen auf regionale Parlamente „Die Amis ticken anders“ 26 auszuweiten. Dies sei „inakzeptabel“, so die 16 Parlamentsoberhäupter. Landesparlamente seien „demokratisch gewählt, vertreten das Allgemeinwohl und sind ­Verfassungsorgane“. Personalien und Nachrufe 27 Vor allem die EU-Kommission müsse begreifen, welche gewichtige Rolle die Landes­ Serie: Bücherecke / parlamente in der föderalen Ordnung spielen. Vorlesewettbewerb 28 „Europa wächst im Dialog mit den regionalen Parlamenten“, heißt es weiter. Die Euro­ Mit plattdüütsche Riemels päische Union reguliere auch Politikfelder, die in der Verantwortung der regionalen Parla- dörch dat Johr 29 mente stehen. Das sorge für Reibung zwischen den Landeshauptstädten und Brüssel, mahnte­ der schleswig-holsteinische Landtagspräsident Klaus Schlie: „Die EU kann nicht an uns Nachgehakt: Beschlüsse vorbei­ entscheiden.“­ und ihre Auswirkungen 30 Schlie unterstützte auch die Forderung der Präsidentenkonferenz, dass die EU die Landtage Ins Bild gerückt: so früh und umfassend wie möglich in die Rechtssetzungsprozesse einbinden müsse. „Ohne Zu Besuch im Landeshaus 31 Informationen können wir nicht arbeiten“, so Schlie. Trotz ihrer Kritik wollen die deutschen Termine, Termine, Termine 32 Landesparlamente näher an die EU heranrücken, denn „zu einem geeinten Europa gibt es keine­ Alternative“.

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Krach-Mach-Tach: Landtag möchte im Nordischen Rat Erster Preis geht nach Neumünster mitmischen Der Schleswig-Holsteinische Landtag bewirbt sich um einen dauer­ haften Beobachterstatus im Nordischen Rat – und hat offenbar gute Chancen. Fraktionsübergreifend haben sich die Abgeordneten Anfang Juni für eine „enge Kooperation unseres Landes mit dem europäischen Nor- den“ stark gemacht. Der Nordische Rat ist ein Forum der nordischen Parlamente, dem Dänemark, Island, Schweden, Norwegen und Finn- land angehören. Einen Beobachterstatus haben Estland, Lettland und Litauen inne. Ende Juni besuchte das Präsidium des Nordischen Rates das Landes- haus. Ratspräsident Henrik Dam Christensen sendete dabei positive Signale aus: Er sehe Schleswig-Holstein „als Pforte zu Europa“. Die endgültige Entscheidung über die Aufnahme des Bundeslandes fällt die Hauptversammlung des Rates Anfang November.

Die Lebenshilfe Neumünster hat den ersten Preis beim diesjährigen Wortwörtlich Krach-Mach-Tach gewonnen. Ihr „Inklusionsschiff“ überzeugte die Jury. Der Lohn: 1.000 Euro. Beim Krach-Mach-Tach musizieren und „Ein Sonderrecht für Staatsoberhäupter lehnen wir ab. lärmen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam für gelebte Denn in Artikel 3 unserer Verfassung steht: Alle Menschen sind Vielfalt in der Gesellschaft. Über 500 Krach-Macher aus ganz Schles- vor dem Gesetz gleich. Das muss für jeden gelten, sei er Sultan, wig-Holstein zogen Ende Juni, während der Kieler Woche, durch die Präsident oder Fabrikarbeiter.“ Landeshauptstadt. Die Veranstalter, darunter der Behindertenbeauf- (Sven Krumbeck, Piraten) tragte Ulrich Hase, sprechen von der „größten inklusiven Parade in Deutschland“. „Auch Pressefreiheit hat Grenzen. Was Herr Böhmermann da als Satire gemacht hat, ist aus meiner Sicht völlig neben der Spur.“ (Daniel Günther, CDU) Demokratie-Seminare für Flüchtlinge „Ich halte es für einen großen Fehler der Bundeskanzlerin, aus der Ein neues Projekt in Kiel bietet politische Bildung für Flüchtlinge Satire von Herrn Böhmermann eine Staatsaffäre gegenüber der in deren Heimatsprachen. Die Aktion „New Ways for Newcomers“ Türkei zu machen.“ wird vom Landesbeauftragten für politische Bildung, Christian (Ralf Stegner, SPD) ­Meyer-Heidemann, und der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten (ZBBS) angeboten. Die Idee: Flücht- „Wenn der Autokrat Erdogan, der Journalistinnen einsperren und linge unterrichten ihre Landsleute in den Sprachen Arabisch, Farsi, Frauendemonstrationen mit Waffengewalt auflösen lässt, einem Dari, Kurdisch und Tigrinisch (Umgangssprache in Eritrea). Themen deutschen Satiriker ‚schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ der Seminare sind „Demokratie und Menschenrechte“ sowie „Femi- vorwirft, dann ist das zynischste Realsatire.“ nismus und Frauenrechte“. Hinzu kommen Deutschkurse. Förderer (Eka von Kalben, Grüne) des Projektes sind der Verein „Create Future“ und der Rat für Krimi- nalitätsverhütung. „Die Kanzlerin hätte Nein zu einem Strafverfahren sagen ­müssen, Weitere Informationen zu den Seminarangeboten geben Idun wenn sie gleichzeitig ankündigt, dass die zugrunde liegende ­Hübner (Tel. 0431/200 156) und Ehsan Abri (Tel. 0157/3434 7295) von ­Strafnorm entfallen soll.“ der ZBBS. (Wolfgang Kubicki, FDP)

„Man sollte die historisch gewachsenen, aber überlebten Diäten steigen um 2,1 Prozent ­Regelungen in Bezug auf ausländische Staatsoberhäupter einfach streichen.“ Die Bezüge der 69 Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen (Lars Harms, SSW) Landtages steigen ab 1. Juli um 2,1 Prozent. Die Grunddiät erhöht sich damit von 7.869 auf 8.035 Euro pro Monat. Grundlage für die Erhöhung Aus der Debatte über den ZDF-Moderator sind laut Abgeordnetengesetz die Berechnungen des Statistikamtes Jan Böhmermann und den türkischen Präsidenten Nord über die allgemeine Einkommensentwicklung im vergangenen Recep Tayyip Erdo˘gan am 28. April. Thema war auch der Paragraph Jahr. Dabei werden die Lohnsteigerungen in der freien Wirtschaft zu zur „Majestäts­beleidigung“ im Strafgesetzbuch. rund 80 Prozent und die der Angestellten im öffentlichen Dienst und Schleswig-Holstein ist eines von fünf Ländern, die diesen der Beamten zu jeweils etwa zehn Prozent berücksichtigt. ­Paragraphen 103 über den Bundesrat abschaffen wollen.

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Neue Studie: Im Landtag saßen mehr NSDAP-Parteigänger als bisher angenommen

Ehemalige Nationalsozialisten haben die schleswig-holsteinische Landespolitik bis in die 1980er Jahre hinein mit geprägt – und zwar weitaus stärker als bisher ange- nommen. Zwischenzeitlich waren mehr als die Hälfte der Landtagsabgeordneten ehemalige „Parteigenossen“. Das ist eine Kernaussage der Studie zur „geschichts­ wissenschaftlichen Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive“. Ein Forscherteam um den Flensburger Zäsur 1950: Die Zahl der Abgeordneten mit NS-Vergangenheit steigt rapide an. Geschichts­professor Uwe Danker hat Ehemalige Regimegegner werden zur Minderheit. ­hierzu ­die Biographien von 342 Landtags­ abgeordneten nachgezeichnet. Das Parlament hatte die Arbeit vor drei der Jahre 1946 und 1947 waren dominiert von Allerdings: „NSDAP-Mitglied war nicht Jahren in Auftrag gegeben. Verfolgten und Regimegegnern, auch weil gleich NSDAP-Mitglied“, stellt Prof. Danker die britische Besatzungsmacht die Mitglieder heraus. Es mache einen großen Unterschied, Ende April stellte Danker die Ergebnisse im der ersten Landesparlamente ernannt hatte. ob ein junger Mann, dem die NS-Weltan- Landeshaus vor. Die Flensburger Historiker Den Wendepunkt brachte die Wahl 1950. schauung in der Hitler-Jugend eingetrichtert hatten die Lebensläufe aller Abgeordneten wurde, in die Partei eingetreten sei – oder untersucht, die bis 1928 geboren wurden. „Es gab viele Grautöne“ ob ein Erwachsener schon vor 1933 sein Be- ­Fazit: 115 der 342 Männer und Frauen hatten kenntnis zur Nazi-Ideologie abgelegt habe. ein braunes Parteibuch – gut ein Drittel. In der Die bis dahin dominierende SPD verlor ihre­ Danker unterscheidet zwischen „Überzeug- Landesregierung lag die Quote sogar bei drei Mehrheit, die bürgerlichen und konservati- ten“, „Karrieristen“, „Angepassten“ und Viertel. Damit sei Schleswig-Holstein ein ven Parteien kamen ans Ruder. Der Anteil der Jugendlichen, die „NS-sozialisiert“ gewesen „Extremfall“, betont Danker. In keinem an- ehemaligen NSDAP-Parteigänger schnellte seien. Sein Fazit: Nur rund zwölf Prozent der deren Bundes­land hätten es so viele Ex-Nazis von acht auf 40 Prozent hoch. Gleichzeitig Abgeordneten mit NS-Vergangenheit sei- in hohe poli­tische Ämter geschafft. Hierfür sank die Zahl der NS-Verfolgten rapide ab en aktive Stützen des Regimes gewesen. Es gebe es Gründe: Der Norden war schon vor (siehe Grafik). Während der 1950er Jahre ­habe „eine große Bandbreite von Rollen“ und 1933 eine Hochburg der NSDAP (National- setzte sich der Trend fort. In der Wahlperiode­ viele „Grautöne“ gegeben, unterstreicht der sozialistische Deutsche Arbeiterpartei). Nach von 1958 bis 1962 hatten 51 Prozent der Ab- Historiker.­ Kriegsende kamen Vertriebene­ mit „starker geordneten eine NS-Vergangenheit. Danach Wie haben sich die ehemaligen National- Vorbelastung“ hinzu. sank der Anteil langsam – auf immerhin noch sozialisten im Landtag verhalten? Zum einen 1950 kommt die Wende zwölf Prozent im Jahr 1987. Politiker mit hätten sie alles daran gesetzt, ihre Ver­strickung ­einem braunen Vorleben fanden insbeson- mit dem Unrechtsstaat zu vertuschen, sagt Auffällig: In den unmittelbaren Nach- dere bei den bürgerlichen Parteien eine neue Danker. So habe Schleswig-Holstein bereits kriegsjahren finden sich kaum Parlamentarier Heimat (siehe Grafik). Bei SPD und SSW lag 1951 die Entnazifizierung beendet – früher mit NS-Vergangenheit. Die ersten Landtage ihr Prozentsatz deutlich niedriger. und radikaler als andere Bundesländer. An- dererseits habe es aber keine Versuche eines „Putsches“ oder einer „Re-Nazifizierung“ gegeben, sondern ein „gesellschaftliches und berufliches Platznehmen im neuen Staat“, teilweise auch einen glaubhaften Wandel zum Demokraten. Dass aber auch Schwerverbrecher von die- ser Integration der alten Eliten in die neue Bundesrepublik profitiert hätten, bleibe, so die Flensburger Forscher, „eine Belastung“. Die vollständige Studie soll im Juli als Blick in die Fraktionen: Vor allem bürgerliche Parteien werden zur Heimat ehemaliger Nazis. Buch erscheinen.

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Wie erklären Sie es sich, dass der Land- „Schleswig- tag erst im Jahr 2013 diese Studie in Auf- trag gegeben hat? Holstein war An die eigene Geschichte und an deren Folgen geht man in der Regel erst spät heran. ein ­ extremer Jetzt ist genug Distanz da, heute haben wir den nüchternen Blick zurück. Viele Bundes- Ausreißer“ ministerien, viele Länder starten jetzt solche Projekte, und in diesem Zuge hat es Schles- Gespräch mit dem Historiker wig-Holstein auch gemacht. Prof. Uwe Danker Ein Nachgeborener mag sagen: kalter Kaffee. Was sind die Folgerungen für die Herr Prof. Danker, Sie beschäftigen sich heutige Zeit? schon seit Langem mit dem Nationalsozi- Natürlich, die Betroffenen leben nicht alismus in Schleswig-Holstein. Gab es für beschäftigen mussten, sondern mit einem mehr, von ganz wenigen Ausnahmen abgese- Sie bei der Arbeit an dieser Studie den- Zeitraum von über zwei Jahrzehnten. hen. Aber Strukturen, Muster und biographi- noch Überraschungen? Muss die Landesgeschichte nach 1945 sche Erfahrungen wirken in politisches Han- Ja. Wir wussten zwar, dass 1950 eine Zäsur jetzt neu geschrieben werden? deln hinein, und das wiederum hat Folgen bis eintrat. Aber dass die Zahl der Abgeordneten, Ein paar Akzente wird man neu bewerten in unsere Gegenwart. die ehemals NSDAP-Mitglieder waren, von müssen. Man wird jetzt einbeziehen müssen, Ganz konkret: Müssten jetzt irgendwo 40 Prozent im Jahr 1950 noch weiter steigen dass wir es bei Schleswig-Holstein im Ver- im Lande Personen angeklagt, Orden ab- würde, auf über 50 Prozent, das hat uns rich- gleich zu anderen Bundesländern mit einem erkannt oder Straßen umbenannt wer- tig überrascht. Zudem hat es uns überrascht, extremen Ausreißer zu tun haben, was ehe- den? dass wir uns nicht nur mit den 50er Jahren malige NS-Rollen angeht. Ganz klar: nein.

Sechs Lebensläufe Abgeordnete und ihre Einordnung in der Flensburger Studie

Josef Cierocki (1886 – 1960): Jürgen Frenzel (1922 – 1986): Martin Kohz (1902 – 1971): Typ „Widerstandsleistender“ Typ „Verfolgter“ Typ „Alter Kämpfer“ Der Bierbrauer aus Der Kieler galt als jüdi- Der Jurist aus Posen Danzig war Stadtver- scher „Mischling“, war im Freikorps ordneter und in der durfte nicht studieren „Grenzschutz Ost“ ak- christlichen Gewerk- und wurde 1943 aus der tiv und trat schon früh schaftsbewegung aktiv. Wehrmacht „ausge­ (1930) der NSDAP und Nach dem deutschen stoßen“. Er wurde im der SA bei. Ab 1933 war Einmarsch 1939 wurde KZ Kiel-Drachensee er Anwalt, Notar und er mehrmals verhaftet, inhaftiert und in einem Stadtrat in Köslin etwa weil er ausländische Radiosender hörte. „Sonderminenkommando“ der Marine ein- (Pommern). Nach 1945 arbeitete er als Rechts- 1945 floh er nach Eutin, wurde Kaufmann und gesetzt. Nach 1945 studierte er Jura. 1956 wur- anwalt in Plön. Von 1950 bis 1954 war er für stellvertretender Landrat. Von 1947 bis 1950 de er Bürgermeister von Uetersen, von 1962 den BHE (Bund der Heimatvertriebenen und saß er für die CDU im Landtag. bis 1964 saß er für die SPD im Landtag. Entrechteten) im Landtag.

Alfred Ahrens (1899 – 1959): Oskar-Hubert Dennhardt (1915 – 2014): Richard Bünemann (1920 – 2009): Typ „Jongleur“ Typ: „höherer Wehrmachtsakteur, Typ „NS-sozialisiert“ Der SPD-Mann war systemtragend“­ Der gebürtige Hambur- Verwaltungsbeamter, Der Oberstleutnant aus ger trat 1939 aus der Bürgermeister in See- Sachsen wurde in Hitler-Jugend direkt in dorf bei Ahrensbök Frank­reich, Polen und die NSDAP ein. Nach und Segeberger Kreis- der Sowjetunion einge- dem Krieg studierte er tagsabgeordneter. 1933 setzt. Er kam als Wehr- Geschichte und Politik- verlor er seine Arbeit machtskommandant wissenschaft in Ham- und saß im KZ Kuhlen nach Ahrensburg, wur- burg, Oxford, Harvard (Kreis Segeberg). 1937 trat er der NSDAP bei de nach dem Krieg Stadtrat in Bad Oldesloe und Paris, wurde stellvertretender Landesbe- und stieg zum Verwaltungsinspektor der Ge- und CDU-Landesgeschäftsführer. Trotz sei- auftragter für politische Bildung und gehörte meinde Schwedeneck bei Eckernförde auf. ner Systemtreue war er während seiner Zeit von 1967 bis 1975 für die SPD dem Landtag an. Diesen Posten behielt er auch nach 1945. Von im Landtag (1950–1954) „Sonderbeauftragter 2007 trat er der Linkspartei bei. 1954 bis 1958 saß er für die SPD im Landtag. für Entnazifizierung“.

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Was hat die Landespolitik in früheren Zeiten bewegt?

In dieser Serie blicken wir ins Archiv und spüren nach, was den Landtag in vergangenen Zeiten beschäftigt hat.

Diesmal geht die Reise ins Jahr 1958. Der Landesbeauftragte für staatsbürgerliche Bildung, Ernst Hessenauer, beklagt die NS-Vergangenheit eines Landtagsabgeordneten und dokumentiert­ die folgenden Ereignisse in einem Aktenordner.­

1958: Ein SS-General zieht in den Landtag ein Junger Beamter protestiert – und tritt Debatte über Nazi-Vergangenheit und Zivilcourage los

nde 1958 gerät der Kieler Landtag bundesweit­ in die Schlagzeilen. ­ 21. November 1958: Auf der Herbst- EAnlass ist die Nazi-Vergangenheit des Abgeordneten Heinz Reinefarth. Der ehe- vollversammlung des Kieler Jugendrings malige SS-General war 1944 als „Henker von Warschau“ maßgeblich an der Nieder- sagt Hessenauer: „Aus meiner politischen schlagung des Aufstandes in der polnischen Hauptstadt beteiligt. Schätzungsweise Sicht dürfen Reinefarths nicht mehr im poli- 200.000 Zivilisten fielen der deutschen Vergeltungsaktion zum Opfer. In Schleswig- tischen Leben aktiv sein. Das wäre eine Tod- Holstein macht ­Reinefarth nach Kriegsende dennoch Karriere. Die Entnazifizierung sünde an der Demokratie.“ 160 junge Leute übersteht er als „Entlasteter“, staatsanwaltliche Ermittlungen verlaufen im Sande. applaudieren. Die Presse, die bereits vor der ­Polen fordert ­vergeblich seine Auslieferung. 1951 wird er Bürgermeister von Wester­ Landtagswahl über die Personalie Reinefarth land auf Sylt, und im September 1958 zieht er für den BHE (Bund der Heimat­ berichtet hatte, greift das Thema erneut auf. vertriebenen und ­Entrechteten) in den Landtag ein. Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung meldet Hessenauers Sätze zuerst, es folgen er 36-jährige Landesbeauftragte für staatsbürgerliche Bildung, Ernst Hessenauer, die Kieler Nachrichten, die Lübecker Nach- Dprotestiert öffentlich und löst, wie die Presse schreibt, „Tumult“,­ „Sturm­ richten, dann die Frankfurter Allgemeine und zeichen über Kiel“ und „heftige landespolitische Auseinandersetzungen“ aus. weitere überregionale Blätter. In einem gut hundert Seiten starken Aktenordner (s. Foto) hat Hessenauer Zeitungs- artikel über den Fall Reine­farth gesammelt und kommentiert. Das Dokument, das im 25. November 1958: Eine Gruppe Archiv des Landtages erhalten geblieben ist, erlaubt eine Rekonstruktion der Ereig- Berufsschüler besucht den Landtag, disku- nisse des Novembers und Dezembers 1958 – von den ersten Berichten bis zu einer­ tiert mit Abgeordneten und bringt den Fall persönlichen Erklärung ­Reinefarths im Landtag. Reinefarth zur Sprache. Der BHE-Fraktions- vorsitzende Alfred Gille hält laut Stuttgarter Zeitung eine „leidenschaftliche Rede“, in der er Reinefarth als „einen untadeligen Deut- schen in Vergangenheit und Gegenwart“ und als „leuchtendes Beispiel für die deutsche Jugend“ darstellt. Berichte über angebliche Kriegsverbrechen seien „lediglich Verleum- dungen der Kommunisten“. Später wird Gille behaupten, ihm seien „Formulierungen un- terstellt worden, die ich nie gebraucht habe“.

Eines der wenigen Bilder, die Heinz Reinefarth als Abgeordneten zeigen. Er sitzt in der dritten Reihe. Im Vordergrund die Fraktionsspitzen der CDU.

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Reinefarth wird in die Gesprächsrunde ge- „objektiv festgestellt worden ist, dass Reine­ 4. Dezember 1958: Das Thema erreicht holt. Er ergreift nicht selbst das Wort, verfolgt farths Wahl in den Landtag rechtmäßig ist“. die Bundeshauptstadt Bonn. Die Bundes- die Ausführungen seines Fraktionsvorsit- Die linke Kieler Volkszeitung attackiert die CDU warnt in einer Pressemitteilung vor zenden aber laut FAZ „heiter lächelnd“. Der CDU daraufhin als „Schwachdemokraten“. einem „Rückfall in die Entnazifizierung“. SPD-Abgeordnete Walter Damm protestiert Die CDU-nahen Kieler Nachrichten empfeh- Man solle den Fall Reinefarth „nicht drama- vehement gegen Gilles Lobrede und verlässt len ein Ende der Debatte: „Schwamm drü- tisieren“. Die SPD ruft den Kieler Minister- schließlich empört den Raum. Günter Heinz, ber.“ präsidenten auf, „Dr. Hessenauer souverän in Pressechef des Landtages und Moderator der Schutz zu nehmen und den Gilles und Rei- Diskussion, wird mit den Worten zitiert: 2. Dezember 1958: Hessenauer wehrt nefarths zu sagen, dass es bereits einmal eine „Ich hatte den Eindruck, als ob die Abgeord- sich laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung politische Partei gab, die so begann“. neten im nächsten Augenblick Handgranaten gegen die Einflussnahme der Landesregie- schleudern würden.“ rung. Er bleibe bei seiner Kritik an Reinefarth, zumal „mangelnde politische Einsicht und 26. November 1958: Die CDU/ fehlende Zivilcourage (…) schon einmal die Hessenauer kontra Reinefarth: FDP-Landesregierung meldet sich zu Wort. Ursache für eine Katastrophe“ gewesen seien. Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung Kultusminister Edo Osterloh (CDU) ruft ­berichtet am 12. Dezember 1958. den Oberregierungsrat Hessenauer in seiner Funktion als „vorgesetzter Minister“ auf, sich im Fall Reinefarth zurückzuhalten. Minister- präsident Kai-Uwe von Hassel (CDU) dringt in einem Schreiben an Hessenauer darauf, „dass der Schlussstrich unter die Entnazifizie- rung (…) auch durch die Beamten des Landes respektiert wird“. BHE-Mann Gille legt in einem Brief an den Ministerpräsidenten nach und beschwert sich über die „üble parteipoli- tische Hetze“ Hessenauers.

28. November 1958: SPD-Oppositi- onsführer Wilhelm Käber moniert, dass Hes- senauer von der Landesregierung „zurückge- pfiffen“ werde. Er warnt davor, den Landes- beauftragten für staatsbürgerliche Bildung als „verlängerten Arm der jeweiligen Regierung“ zu behandeln. Hessenauer tritt am Abend in der Volkshochschule Lensahn auf und wird laut Stuttgarter Zeitung „mit Ovatio- nen“ empfangen. Unterstützer bescheren Hessenauer in den folgenden Tagen einen „Posteingang, wie er ihn von Amtswegen noch nicht erlebt hat“, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Rückendeckung kommt zum Beispiel vom „Politischen Arbeitskreis“ der schleswig-holsteinischen Schüler, vom Studentenparlament der Kieler Uni, vom ­Internationalen Studentenbund, vom Be- zirksverband Eutin der Jungen Union und von der Europa-Union, deren Landesvorsit- zender Hessenauer ist.

30. November 1958: Der CDU- Landesvorstand übt milde Kritik an Hesse- nauer. Dieser ist selbst Christdemokrat und war Landesvorsitzender der Jungen Union. Hessenauer habe zwar bei seiner Äußerung „den richtigen Grundgedanken“ verfolgt, heißt es in einer Erklärung. Allerdings sei es „unzweckmäßig“, die NS-Verstrickung von Amtsträgern „durch die Heranziehung des ‚Falles Reinefarth‘ zu personalisieren“, zumal

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16. Dezember 1958: In der Sitzung des Landtages herrscht Zähneknirschen bei den anderen Parteien. SPD-Fraktionschef Käber bezeichnet Reinefarth als „besonders hervorragenden Repräsentanten eines tota- litären Systems“. Aber: „Bedauerlicherweise gibt es für uns keine Handhabe, das Ergebnis der Wahl in diesem Falle zu korrigieren.“ Der Abgeordnete Walter Mentzel stellt für die Christdemokraten klar, dass „die CDU einen früheren SS-General niemals als Kandida- ten für eine Landtagswahl zugelassen hätte“. FDP-Mann Heinrich Wolgast appelliert an das „politische Fingerspitzengefühl“ aller Prominente Unterstützung: Am 29. November 1958 bekunden Friedrich Carl von Oppenheim und Parteien, keine hohen Nazis in wichtige Stel- Dieter Roser per Telegramm aus Baden-Baden ihre Rückendeckung für Ernst Hessenauer. Oppen- lungen zu bringen. heim, Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie aus Köln, ist zu diesem Zeitpunkt Bundesvorsitzender Reinefarth ergreift erneut nicht das Wort, der Europa-Union. Roser ist SPD-Bürgermeister von Esslingen in Baden-Württemberg. Der Schalter- aber er äußert sich in einer schriftlichen beamte im Telegrafenamt hatte offenbar Schwierigkeiten mit Namen. Das Telegramm im Wortlaut: ­Erklärung. Darin stilisiert er sich zum Wider- „Entnehmen aus Pressemeldungen Ihre Stellungnahme im Fall Reiner Farth (sic!), der wir uns voll standskämpfer: „Ich habe dem verbrecheri- anschließen und die wir Sie aufrecht zu erhalten bitten.“ Unten auf dem Telegramm hat Hessenauer schen System nicht gedient, sondern unter handschriftlich vermerkt, er habe zudem zahlreiche Telefonanrufe erhalten. Unter anderem habe ihn Einsatz von Freiheit und Leben gegen das Un- ein anonymer Anrufer als „Schweinehund“ bezeichnet. sinnige und Verbrecherische dieses Systems gekämpft.“

10. Dezember 1958: „Mohrenwäsche 11. Dezember 1958: In einer ­Ansprache Nachspiel: an einem SS-General“, ist die Seite 3 der Süd- im NDR-Hörfunk bekräftigt Minister- Mit der Landtagssitzung vom Dezember deutschen Zeitung überschrieben. Man hätte präsident von Hassel seine Auffassung: 1958 enden Hessenauers Aufzeichnungen. den Lesern gerne ein Bild von Reinefarth ­Hessenauer habe als Beamter „nicht nur Ernst Hessenauer leitet die Landeszentrale gezeigt, wie er im Landtag seinen Eid als Ab- Zivilcourage, sondern auch Takt zu üben“. für politische Bildung bis 1984, kämpft gegen geordneter ablegt, betont der Korrespondent Denn Reinefarths Wahl in den Landtag sei „Staatsverdrossenheit“ und für eine Aussöh- des Münchener Blattes. Doch leider habe „demokratisch legal“ gewesen. Das Ham- nung mit Israel. Er stirbt 2014 im Alter von 92 „einem eigens für diesen Zweck bestellten burger Abendblatt widerspricht: „Vieles ist Jahren. Photographen im geeigneten Augenblick das gesetzlich zulässig und trotzdem geistig und Heinz Reinefarth bleibt bis 1962 Land- Blitzlicht versagt“. moralisch vom Übel.“ Hessenauer erwidert tagsabgeordneter. Schwerpunkte seiner Nach Darstellung der SZ hat „ein erst kürz- in einer Pressemitteilung, „der wache Teil der Arbeit sind die Kommunal-, Finanz- und lich aus der DDR geflüchteter Junglehrer“ Jugend“ sehe die Demokratie in Gefahr und Wirtschaftspolitik. 1963 tritt er als Bürger- Ernst Hessenauer auf die Person Reinefarth „erwartet eindeutige Antworten“. meister von Westerland zurück, nachdem aufmerksam gemacht. Zuvor hatte die Defa in die Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen der DDR eine Filmdokumentation über den 12. Dezember 1958: Die FAZ veröf- aufgenommen hat. Auch dieses Verfahren Fall mit dem Titel „Urlaub auf Sylt“ produ- fentlicht SS-Akten, polnische Zeugenaussa- wird eingestellt, obwohl neue Dokumente ziert. Die Lübecker Nachrichten argwöhnen, gen und Dokumente des Nürnberger Kriegs- vorliegen. Darin wird Reinefarth unter ande- „daß man sich in Pankow (Sitz der DDR- verbrechertribunals zur Rolle Reinefarths im rem die Aussage zugeschrieben, er habe leider Regierung, Anm. d. Red.), wo fleißig Material Warschauer Aufstand. Sie belasten den BHE- nicht genug Munition gehabt, um alle Polen gegen bundesrepublikanische Bürger gesam- Abgeordneten schwer. Ein anderer SS-Ge- „umlegen“ zu können. Nach seiner Politiker- melt wird, wieder einmal die Hände reiben neral hat Reinefarth demnach im September Karriere arbeitet er als Rechtsanwalt. Heinz kann“. 1944 auf die „Schweinereien“ seiner Truppen Reinefarth stirbt 1979 im Alter von 75 Jahren angesprochen. Gemeint waren die Massaker auf Sylt. an der Zivilbevölkerung. Reinefarth habe auf Karsten Blaas einen Befehl des SS-Reichsführers Heinrich Himmler verwiesen, „daß jeder Einwohner Mehr zum Thema: Seite 28 Warschaus, auch Frauen und Kinder, erschos- sen werden sollten“.

8 DER LANDTAG 02/ 2016 70 JAHRE LANDTAG

Vom Theater und Hörsaal Aus drei Standorten Untermieter als Tagungsorte wird einer Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das neu Aus Kostengründen blieb es beim Landes- zum gegründete Nord-Parlament zunächst kei- haus als Parlamentssitz. Es folgten Um- und nen festen Sitz – die ersten Landtage ab 1946 Anbauten. Nach und nach zog die Regierung Hausherrn ­hielten ihre Plenarversammlungen an ver- aus. So erhielt das Innenministerium 1983 schiedenen Orten in Kiel ab: im Neuen Stadt- ­einen Neubau in unmittelbarer Nachbar- theater – dem heutigen Schauspielhaus –, schaft. Als letztes siedelte im Sommer 2006 Vor zehn Jahren wurde im Hörsaal der Milchforschungsanstalt oder die Staatskanzlei, die zuvor auf drei Standorte das Landeshaus zum im Festsaal der Pädagogischen Hochschule. verteilt war, mit rund 140 Mitarbeitern kom- Oder sie gingen auf Wanderschaft durchs plett um. An zwei Wochenenden im August reinen Parlamentssitz­ Land (siehe Seite 16). 1950 zog das Parlament bezogen die Staatsdiener ihr neues Domizil. schließlich in die gerade wiederhergestell- te frühere Marineakademie­ ein. Der Name „Wir wollen Zehn Jahre ist es her, als sich Dutzende ­„Landeshaus“ hatte sich bald eingebürgert. preiswerter arbeiten“ Mitarbeiter mit Hunderten Umzugs­ „Das Wandern des Schleswig-Holsteinischen kartons auf den Weg machten – und da- Landtages ist nun vorbei; wir haben unseren Das Ziel des Großumzugs: Kosten sparen. mit die Gewaltenteilung in Schleswig-­ eigenen Plenarsaal“, freute sich Landtagsprä- Die unter der CDU/SPD-Koalition 2005 neu Holstein auch architektonisch ver- sident Karl Ratz zu Beginn der ersten Sitzung zugeschnittenen Ressorts sollten räumlich wirklichten. Die Staatskanzlei packte in neuer Umgebung am 3. Mai 1950. Aller- unter ein Dach. „Wir könnten in den derzei- im August 2006 ihre Siebensachen im dings: Der Landtag war nun Untermieter der tigen Strukturen auch ohne Umzug arbeiten, Landeshaus zusammen und siedelte ins Landesregierung. aber wir wollen besser und vor allem preis- ehemalige Landwirtschaftsministerium­ werter arbeiten“, begründete Carstensen den über, 300 Meter weiter nördlich am Raumsituation war Tapetenwechsel. Im Landeshaus waren zuvor ­Förde-Ufer. Damit wurde das Landes- „unerträglich“ nur noch der „MP“ sowie sein Stab und die haus zum reinen Parlamentssitz. Pressestelle ansässig. Am 4. September 2006 Das Landesparlament rückte unter ein führte der Ministerpräsident seine Amtsge- Weiße Holzgitter vor den Heizungen, Dach mit der Landeskanzlei, der späteren schäfte erstmals vom neuen Dienstsitz aus. Schallschutzwand, lange Vorhänge in Creme: Staatskanzlei, und mit Abteilungen mehrerer Damit war Schleswig-Holstein das letzte Heute erinnert nur wenig an die Zeit unter Landesministerien. Hausherr war das Innen- Flächenland, das Legislative und Exekutive, Ministerpräsident , als ministerium, das die Mehrzahl der Räume Parlament und Regierung, auch räumlich das wasserseitige Eckbüro in der ersten Etage nutzte. Schnell platzte das Gebäude aus allen voneinander trennte. des Landeshauses die Machtzentrale Schles- Nähten. Mitarbeiter und Abgeordnete be- Janine Wergin wig-Holsteins war. Wo über die Jahrzehnte zeichneten ihr Arbeitsumfeld als „unzuläng- Regierungschefs wie Carstensen (CDU), lich“, „unerträglich“ und „eines Parlaments ­ und Björn Engholm (beide unwürdig“. Ab Ende der 50er Jahre war ein SPD) oder Uwe Barschel (CDU) residierten, Landtagsneubau im Gespräch. Diskutierte teilen sich jetzt Mitarbeiter der Grünen- Standorte: der Kieler Schlossgarten, ein Ge- Blauer Sitzball statt Fraktion die rund 60 Quadratmeter. Gummi- lände beim Wirtschaftsministerium, später blau-weiß-roter Landesflagge: Sitzball und Topf-Pflanzen statt Landesflagge auch das Kieler Schloss und das Conti-Hansa- Die Grünen-Fraktion (rechts) nutzt heute und Stapeln von Regierungsmappen. Hotel am Seegarten. das ehemalige Ministerpräsidentenbüro von Peter Harry Carstensen

DER LANDTAG 02/ 2016 9 70 JAHRE LANDTAG

Festakt zum Jubiläum Schlie: „Die Demokratie ist fest verwurzelt“

Vor 70 Jahren, im Februar 1946, trat in Kiel der erste Schleswig-Holsteinische Landtag Die Zukunft: nach dem Krieg zusammen. Die Abgeordneten wurden nicht gewählt, sondern von der Wir müssen für den britischen Besatzungsmacht ernannt. Dennoch sahen sie sich als Vertreter der Menschen Parlamentarismus werben im Lande – und erließen am 12. Juni 1946 eine vorläufige Landesverfassung. Fast auf den Tag genau sieben Jahrzehnte später lud der Landtag 400 Gäste an den Ort „Mittlerweile leben einige Generationen der ersten Landtagssitzung, das Kieler Schauspielhaus. Zu Beginn des Festaktes blickte von jüngeren Menschen in Schleswig-Hol- Landtagspräsident Klaus Schlie zurück, nahm aber auch eine aktuelle Bestandsaufnahme stein, für die unser Land, sein demokratisches vor und schaute voraus auf kommende Aufgaben. Hier seine Rede in Ausschnitten: System, seine soziale Absicherung und sein wirtschaftlicher Wohlstand Selbstverständ- lichkeiten sind. Die Vergangenheit: Wir sind weltoffen, auch weil uns die Das ist eine zweischneidige Angelegenheit, Ein neues Land braucht Welt, die in unterschiedlicher­ Gestalt zu uns denn wir wissen, dass von vielen demokrati- verantwortungsvolle­ Bürger ­gekommen ist, offener gemacht hat. sche Errungenschaften – ich möchte hier aus Wir sind 70 Jahre nach den ersten neuen gegebenem Anlass vor allem an das allgemei- „Die britische Militärregierung machte uns demokratischen Gehversuchen, nach 18 de- ne Wahlrecht erinnern – weniger Gebrauch damals die Demokratie nicht zum Geschenk – mokratisch gewählten Landtagen, ein Land, gemacht wird, je selbstverständlicher sie ge- denn Demokratie kann man nicht schenken in dem die parlamentarische Demokratie ver- worden sind. oder verschenken. Demokratie muss man wurzelt ist. Diese Wurzeln sind fest, tief und Wir müssen immer wieder, vor allem sich erarbeiten, und zwar nicht nur einmalig, stark. Davon bin ich nicht allein mit Blick auf unter den jungen Menschen, für die Idee sondern jeden Tag wieder aufs Neue. Was uns unsere Geschichte, sondern vor allem auch des ­Parlamentarismus werben und dessen die Briten damals hingegen schenkten, war mit Blick auf unsere Gegenwart und auch auf Funktions­weise bekannt machen; wir müs- Vertrauen: das Vertrauen auf einen demokra- die Zukunft überzeugt.“ sen aber zugleich auch die neuen Formen tischen Neuanfang. des gesellschaftspolitischen Engagements Schleswig-Holstein wurde nicht gegrün- aufgreifen und für unsere ­parlamentarische det, es wurde völlig neu geboren, und dieser Demokratie und damit für die gesamte Geburtsvorgang dauerte einige Jahre. Am Be- ­Gesellschaft nutzbar machen.“ ginn dieser Geburt stand der Landtag. Das Land ‚Schleswig-Holstein‘ ist 1946 ins Leben getreten. Woran es damals – noch Vier Präsidenten aus drei Jahrzehnten: – fehlte, das waren ‚Schleswig-Holsteinerin- Vor dem Schauspielhaus traf Landtagspräsident Klaus Schlie (2. v. re.) nen‘ und ‚Schleswig-Holsteiner‘, das waren seine Amtsvorgänger (v. li.) Torsten Geerdts (2009 bis 2012), selbstbewusste Demokraten, verantwor- Ute Erdsiek-Rave (1992 bis 1996) und Martin Kayenburg (2005 bis 2009). tungsvolle Bürger und engagierte Menschen, ohne die eine Demokratie nicht lebensfähig ist.“

Die Gegenwart: Schleswig-Holstein ist demokratisch­ und weltoffen

„ ‚Schleswig-Holsteiner‘ zu sein, das kann heute vieles selbstverständlich mit einschlie- ßen. Wir sprechen Deutsch, Dänisch, Frie- sisch und natürlich gerne auch Plattdeutsch. Wir sprechen aber auch Romanes, Türkisch, Italienisch, Polnisch und Schwedisch.­ Wir sind Christen, Juden, Muslime, Buddhisten­ oder Atheisten, wir verstehen uns als Brücke nach Skandinavien und in den Ostseeraum und als Drehkreuz des Nordens in alle Him- melsrichtungen.

10 DER LANDTAG 02/ 2016 70 JAHRE LANDTAG Sätze zum Siebzigsten Beim Festakt im Schauspielhaus ging NDR-Moderator Stefan Böhnke (Bild Mitte) mit fünf Politikern und einem Historiker auf Zeitreise durch 70 Jahre Landespolitik.

Heiko Hoffmann (2. v. re.), Jahrgang Wolfgang Kubicki (2. v. li.), Jahrgang Anke Spoorendonk (3. v. li.), Jahr- 1935, von 1973 bis 1991 für die CDU 1952, seit 1992 für die FDP im Land- gang 1947, von 1996 bis 2012 für den im Landtag, Fraktionsvorsitzender, Jus- tag, Fraktionsvorsitzender: SSW im Landtag, seitdem Ministerin für tizminister, ­Oppositionsführer: Justiz, Kultur und Europa: „Ein Hintergrund der Kieler Affären in den „Es war in den Nachkriegsjahren ein großer 80er und 90er Jahren: Wir hatten in Schles- „Wir brauchen eine ordentliche Streitkultur, Erfolg der CDU, diejenigen­ zu integrieren, die wig-Holstein eine CDU, die konservativer damit die Unterschiede klar werden. Aber wir willens waren, eine Demokratie aufzubauen – war als anderswo und die sich als Staatspartei brauchen auch den Willen zu guten Kompro- auch wenn sie vor 1945 noch keine Demokra- begriffen hat. Und wir hatten eine SPD, die missen. Keiner sollte seine Optimalposition ten waren.“ linker war als anderswo und die sich immer durchdrücken wollen.“ noch als ­Verfolgte des Nazi-Regimes begrif- fen hat.“ Karl-Martin Hentschel (3. v. re.), Uwe Danker (li.), Jahrgang 1956, Pro- Jahrgang 1950, von 1996 bis 2009 für fessor für schleswig-holsteinische die Grünen im Landtag, Fraktionsvorsit- Gisela Böhrk (re.), Jahrgang 1945, von Geschichte an der Universität Flensburg: zender: 1975 bis 2005 für die SPD im Landtag, „Es ist ein großer Wert, dass wir es inzwi- Frauenministerin, Bildungsministerin:­ „Demokratie entsteht nicht dadurch, dass schen normal finden, wenn mal diese und man Wahlen einführt. Sie muss erkämpft „Als junge Frau war ich im Landtag allein un- mal jene Partei in der Regierung ist.“ werden. Als Schüler habe ich Flugblätter ver- ter alten Männern. ­Männer und Frauen ticken teilt. Da wurde ich als Irrer angesehen, und es in vielen Situationen anders, und sie halten hieß: Geh doch in den Ostblock!“ andere Dinge für wichtig. Das muss sich auch im Parlament abbilden.“ Zusammengezählt In 70 Jahren Landtag gab es … Noch ein Jubiläum: 20 Jahre Grüne 13 Landtagspräsidenten (davon zwei Frauen) 15 Parteien im Parlament (BHE, CDU, DKP, DLVH, DP, DVU, Am Rande des großen Jubiläums gab es im Landtag einen weiteren FDP, Grüne, KPD, Linke, NPD, Piraten, SHB, SPD, SSW. Jahrestag zu feiern: Die Grünen blicken auf 20 Jahre im ­Parlament Nur CDU und SPD saßen in allen Landtagen seit 1946). zurück. Fraktionschefin Eka von Kalben zog Ende Mai eine Erfolgs­ 27 Untersuchungsausschüsse bilanz – und bekräftigte den Willen ihrer Partei, auch in Zukunft 141 Regierungserklärungen verändern und gestalten zu wollen. Landtagspräsident Klaus Schlie 654 Abgeordnete (davon 124 Frauen) lobte die „lieben Grünen“ als Bereicherung für die ­Politik im Land: 1.654 verabschiedete Gesetze „Wir hatten es immer mit einer ‚bunten Truppe‘ und guten Persönlich­ 1.680 Plenarsitzungstage. Das entspricht einer „Dauersitzung“ keiten zu tun.“ von vier Jahren, sieben Monaten und sieben Tagen. Insgesamt 24 Abgeordnete und sechs Minister in drei Landes­ 12.164 Ausschusssitzungen regierungen haben die Grünen seit 1996 aufzuweisen. Sie regierten

14.244 Kleine Anfragen (Quelle: Informations- und von 1996 bis 2005 mit der SPD und seit 2012 zusätzlich mit dem SSW. 34.877 Drucksachen Dokumentations­dienst des Landtages)

DER LANDTAG 02/ 2016 11 AUSSCHÜSSE

Polizei will „Body Cams“ testen – Innenausschuss ist skeptisch

Im kommenden Jahr könnte die Polizei bei Großveranstaltun- gen mit Schulterkameras unterwegs sein. Jörg Muhlack, Chef der Polizeiabteilung im Innenministerium, kündigte Anfang Juni im Innen- und Rechtsausschuss ein entsprechendes Konzept an. Konkret gehe es um die Kieler Woche, die Tra- vemünder Woche, die Holstenköste in Neumünster und das Wacken-Open-Air, aber auch um Fußballspiele. Die Reaktion: Überraschung und Skepsis.

Innenminister Stefan Studt (SPD) habe den Auftrag für einen Test mit sogenannten „Body Cams“ gegeben, berichtete Muhlack. Die Idee: Radaubrüder sollen zur Besinnung kommen, wenn sie merken, dass die Kamera auf sie gerichtet ist. Muhlack verwies auf knapp 1.100 Über- griffe gegen Polizisten im vergangenen Jahr. Bis Ende November will das Ministerium das Konzept ausarbeiten, im Jahr 2017 soll dann das „Pilotprojekt“ an den Start gehen. Er sei „überrascht“ von dem Vorstoß, bekannte der SPD-Abgeord- nete Kai Dolgner. Er könne „die Notwendigkeit nicht erkennen“, die „Body Cams“ bei Großereignissen zu testen. Denn die 75.000 Gäste Bei Großdemos setzt die Polizei bereits Kameras ein. des Wacken-Festivals hätten im vergangenen Jahr lediglich 150 Straf- Nun sollen weitere Einsätze dazukommen. taten begangen. Der Großteil seien Diebstähle und Drogendelikte gewesen. Widerstand gegen Polizisten habe es nicht gegeben. Patrick Astrid Damerow. Allerdings sei die Polizei eher bei Familienstreitig- Breyer (Piraten) klagte, es gebe „keine Untersuchung, die irgendeinen keiten oder auf der Diskomeile gefährdet – und nicht bei Volksfesten. Nutzen belegen würde“. Er drohte mit einer Klage gegen das Modell- Der Ausschuss will nun regelmäßig beim Ministerium nachhaken, projekt. Die CDU sei zwar im Grundsatz für die Kameras, unterstrich wie sich das Konzept entwickelt.

Wirtschaftsausschuss in St. Petersburg – Vogt: „Hoffe auf schnelle Entspannung“

Russlandreise in angespannter Zeit: Der Wirtschaftsausschuss des Landtages hat im März St. Petersburg besucht. Die Abgeordneten wurden von einer Wirtschaftsdelegation und dem Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe begleitet. Gesprächspartner waren Vertreter der Hafen- wirtschaft, der Kommunalpolitik sowie deutscher Unternehmen, die in Nordwestrussland aktiv sind. Was waren die Ergebnisse der Reise? Die Landtagszeitschrift hat beim Ausschuss- vorsitzenden, dem FDP-Abgeordneten Christopher­ Vogt, nachgefragt.

Wie sehr leidet der Russlandhandel unter den Sanktionen der als andersherum, weil viele Produkte in Russland bisher gar nicht EU wegen der Ukraine-Krise? hergestellt und immer nur importiert wurden. Die Russen haben es Die Sanktionen haben die russische Wirtschaft hart getroffen, und versäumt, ihre Wirtschaft unabhängiger vom Öl- und Gas-Export zu das spüren wir natürlich auch in Schleswig-Holstein – vor allem in machen. Das können sie auch nicht kurzfristig nachholen. Man könnte den Häfen, bei denen sich der Russlandhandel zu einem wichtigen sich wirtschaftlich wieder gut ergänzen. Standbein entwickelt hatte. Die Sanktionen haben zumindest ihre wirtschaftliche Wirkung nicht verfehlt, auch wenn russische Vertre- Was können solche Begegnungen auf ­regionaler Ebene ter uns gegenüber so getan haben, als wären sie kein großes Problem. bewirken?­ Noch schmerzhafter für die Russen sind aber die anhaltend niedrigen St. Petersburg ist seit 1957 Partnerstadt Hamburgs, und das Interesse Weltmarktpreise für Öl und Gas. der regionalen Politik und Wirtschaft an Schleswig-Holstein ist sehr groß. Wir sollten nicht übersehen, dass es da am anderen Ende der Welche Erwartungen hat die Wirtschaft in Schleswig-­ Ostsee eine Fünf-Millionen-Einwohner-Metropole gibt. Für Außen- Holstein und in St. Petersburg an die Politik? politik sind wir nicht zuständig, aber für Wirtschaftsdelegationen sind Man hofft natürlich auf beiden Seiten auf eine schnelle Entspannung­ wir im Ausland ein Türöffner. Die Kontakte können nach einer hof- der politischen Lage, auch wenn sicherlich niemand naiv ist. Die rus- fentlich bald eintretenden Entspannung helfen, den wirtschaftlichen sische Wirtschaft ist deutlich stärker vom Handel mit uns abhängig Austausch schnell wieder zu intensivieren.

12 DER LANDTAG 02/ 2016 AUSSCHÜSSE

Umweltausschuss diskutiert über Zugvögel Gans oder gar nicht?

Wenn die Wildgänse kommen, dann jubeln die Vogelfreunde. Aber viele Bauern klagen, dass das Federvieh ihnen­ die Felder leerfrisst. Zehntausende ­Nonnen-, Ringel- und Graugänse rasten jedes Frühjahr an Schleswig-Holsteins Westküste - Tendenz steigend, denn die Jagd ist weitgehend verboten. Damit Tier und Mensch miteinander auskommen, soll die Landesregierung aktiv werden. Das hat der Umwelt- und Agraraus- Ringelgänse auf Hallig Hooge: 80.000 dieser Vögel haben in diesem Frühjahr schuss Mitte Mai einstimmig gefordert, das schleswig-holsteinische Wattenmeer bevölkert. das Plenum schloss sich im Juni an. Die „Ringelganstage“ auf Hooge sind inzwischen ein Touristenmagnet.

Das Umweltministerium soll prüfen, wie Landwirte“ in Einklang zu bringen, sagte der meter lange Weiterreise benötigen. Ein „Gän- viele Gänse im Lande Station machen. Da- CDU-Abgeordnete Klaus Jensen von der In- se-Management“ mache nur Sinn, wenn es ten liefert zum Beispiel das Erfassungspor- sel Pellworm in der Ausschusssitzung. Er hat- von allen Watt-Anrainern gemeinsam betrie- tal ­„ornitho.de“. Dort sammeln freiwillige te die Debatte im April auf die Tagesordnung ben werde, betonte Habeck. Das Land wolle Helfer ihre Vogelbeobachtungen. Außerdem gesetzt. deshalb zusammen mit Dänemark, Nieder- soll die Landesregierung per Internetportal Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sachsen und den Niederlanden die „Bestände bei den Bauern nachfragen, welche Schäden wies darauf hin, dass der Gänsezug eine inter- bewirtschaften“. die Wildvögel bei ihnen verursachen. Eine nationale Angelegenheit sei. Denn die Tiere Das sieht auch die Empfehlung des Möglichkeit zur finanziellen Entschädigung kommen im Frühjahr aus ihren Winterquar- Umwelt­ausschusses vor: Er fordert „abge- bietet der Vertragsnaturschutz: Der Landwirt tieren in Spanien, Frankreich oder England. stimmte Managementpläne“ für Grau- und lässt die Vögel in Ruhe und bekommt dafür Schleswig-Holstein ist Zwischenstation auf Nonnengänse, deren Bestände sich gut erholt jährlich rund 400 Euro pro Hektar vom Land. dem Weg zu den Brutgebieten in der Arktis. haben. Gemeinsam mit Landwirten, Jägern Es müsse darum gehen, „den Schutz der Auf Wiesen und Äckern fressen sie sich die und Naturschützern sollen „Duldungs- und Gänse und die finanzielle Entlastung der Kraftreserven an, die sie für ihre 4.000 Kilo- Nichtduldungsgebiete“ festgelegt werden.

Ausschüsse: mehr als 50 Termine im zweiten Halbjahr

Die Ausschüsse des Landtages haben 3. November, 10. November, 17. November 23. November – jeweils mittwochs um im zweiten Halbjahr 2016 ein volles Pro- (zur Nachschiebeliste der Landesregierung), 10:00 Uhr. gramm. Im Zentrum stehen, wie in jedem 24. November, 1. Dezember (Vorlage der Europaausschuss: Herbst, die Beratungen über den Landes- Fraktionsanträge zum Haushalt), 8. Dezem- 14. September, 5. Oktober, 9. November , haushalt des nächsten Jahres unter Feder­ ber (Beschluss­fassung über den Haushalt) 30. November – jeweils mittwochs um führung des Finanzausschusses. Viele Bildungsausschuss: 10:00 Uhr. Sitzungen sind ­öffentlich. Tagesordnun- 8. September, 29. September, 3. November, Petitionsausschuss: gen sowie eventuelle Terminänderungen 1. Dezember – jeweils donnerstags um 13. September, 4. Oktober, 1. November, stehen im Internet: www.sh-landtag.de, 14:00 Uhr 15. November, 29. November, 13. Dezember Rubrik „Dokumente“. Sozialausschuss: – jeweils dienstags um 10:00 Uhr (die Sit- 8. September (Runder Tisch „Heimerzie- zungen sind in der Regel nicht öffentlich, da Innen- und Rechtsausschuss: hung“), 15. September, 29. September (Run- hier die persönlichen Anliegen von Bürgern 7. September, 14. September, 28. September, der Tisch „Heimerziehung“), 6. Oktober, beraten werden). 5. Oktober, 2. November, 9. November, 10. November, 24. November – jeweils Parlamentarischer Untersuchungs­ 23. November, 30. November, 7. Dezember – ­donnerstags um 14:00 Uhr ausschuss zum Thema „Friesenhof“/ jeweils mittwochs um 14:00 Uhr. Umwelt- und Agrarausschuss: Heimaufsicht: Finanzausschuss: 14. September, 28. September, 2. November, 5. September, 12. September, 26. September, 8. September, 15. September, 29. September, 23. November – jeweils mittwochs um 31. Oktober, 7. November, 21. November, 28. 5. Oktober, 6. Oktober, 10. Oktober (an 14:00 Uhr. November, 12. Dezember – jeweils montags diesen drei Terminen Haushaltsberatungen, Wirtschaftsausschuss: um 10:00 Uhr (die Sitzungen sind teilweise gemeinsam mit den anderen Ausschüssen), 7. September, 28. September, 2. November, nicht öffentlich).­

DER LANDTAG 02/ 2016 13 EHRENAMT

Meldungen für das Ehrenamt Viele Beschlüsse, die der Landtag fasst, haben direkte Auswirkungen auf Kommunalpolitik,­ Vereins­ arbeit und Bürger­initiativen.

Auf dieser Seite finden ehrenamtlich­ engagierte ­Bürger diese Themen im Überblick.

Eingliederungshilfe: Der Landesrech- Bau von 20.000 zusätzlichen Wohnungen schafterversammlungen teilzunehmen. Die nungshof (LRH) bekommt ein Prüfrecht ­binnen fünf Jahren für erforderlich. Die Opposition votierte geschlossen dagegen. für die 685 Millionen Euro schwere Ein- neuen Wohnungen sollen allen Bevölke- Sie hatte bei der Ersten Lesung im Septem- gliederungshilfe für behinderte Menschen. rungsgruppen offen stehen – also nicht nur ber vergangenen Jahres vor „wirtschaft­ Einstimmig verabschiedete der Landtag Asylbewerbern, sondern allen Menschen, lichen Abenteuern“ der Kommunen und einen entsprechenden Gesetzentwurf der die über einen Wohnberechtigungsschein vor Wettbewerbsnachteilen für private FDP. Bisher waren Vorstöße von CDU und verfügen. Kritiker aus der Opposition be- Unternehmen­ gewarnt. ­Liberalen, die Verteilung der Mittel vom fürchten, Standardsenkungen könnten (Drucksache 18/4238) LRH kontrollieren zu lassen, am Wider­ ­hohe Folgekosten nach sich ziehen, wenn stand der Wohlfahrtsverbände und an die Wohnungen später nicht mehr von Feuerwehr: Die Kameradschaftskassen­ der unterschiedlichen­ Zusammensetzungen Flüchtlingen genutzt werden und Nach­ Freiwilligen Feuerwehren in Schleswig- der Landesregierung gescheitert. Die Wohl- rüstungen erforderlich sind. Holstein müssen künftig als Sondervermö- fahrtsverbände empfanden Kontrollen der Weitere Elemente der geänderten Bau- gen nach den Regeln der Gemeindehaus- Rechnungsprüfer als Misstrauensvotum. ordnung: Nunmehr sind für nachträgliche haltsordnung geführt werden. Die Wehren Tenor im Landtag: Das Prüfrecht führe zu ­energetische Sanierungen keine gesonder- sind nunmehr verpflichtet, Einnahme- und mehr Transparenz und liege im Interesse ten Genehmigungsverfahren mehr erfor- Ausgaberechnungen zu führen, die von den der Menschen mit Behinderung. Es gehe da- derlich. Der Bauherr kann sofort loslegen, Mitgliedern beschlossen und von den Ge- rum, „einen der größten Einzeltitel im Lan- wenn er die entsprechenden Anforderun- meinden genehmigt werden müssen. deshaushalt zu überprüfen“ und zu sehen, gen der LBO und Vorschriften wie örtliche Lediglich die FDP lehnte das von den Ko- ob „möglicherweise noch Luft im System Satzungen oder Natur- und Denkmal- alitionsfraktionen vorgelegte Gesetz ab. ist“, erläuterte Heiner Garg (FDP). Auch die schutzbestimmungen einhält. Der Verzicht ­Bislang waren die Kameradschaftskassen der Sozialdemokraten stimmten zu, nachdem auf ein Baugenehmigungsverfahren gilt Kontrolle durch die Kommunen entzogen. sie das Prüfrecht jahrelang abgelehnt hat- auch für kleine Windkraftanlagen bis zu Damit haben sich die Wehren nach Auffas- ten. Der Kreise hätten es versäumt, so der zehn Metern Höhe und mit einem Rotor- sung der Befürworter der Gesetzesänderung Abgeordnete Wolfgang Baasch, ein eigenes durchmesser bis maximal drei Meter. Aller- im rechtsfreien Raum bewegt, da sie hoheit- Kontrollsystem aufzubauen. Hierfür hatten dings dürfen die Windräder nicht in Natur- liche Aufgaben der Gemeinde übernehmen. sie einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro schutzgebieten aufgestellt werden. (Drucksache 18/4239) erhalten. Sozialministerin Kristin Alheit (Drucksache 18/4237) (SPD) rechnet mit weiter steigenden Aus­ Hospize: Einstimmig hat der Landtag die gaben für die Eingliederungshilfe. Auch Kommunalwirtschaft: Stadt- und Ge- Landesregierung aufgefordert, den Bedarf deshalb seien Kontrollen unabdingbar. meindewerke können sich stärker auf an stationären Hospizplätzen im Lande zu (Drucksache 18/4218) dem Energie- und Telekommunikations­ ermitteln. Der Antrag der Koalitionsfrakti- markt engagieren. Grundlage ist das von onen regt zudem eine Koordinationsstelle­ Landesbauordnung: Beschleunigte Ge- der Landesregierung­ vorgelegte Gesetz zur an, um die in der Hospizarbeit tätigen nehmigungsverfahren und abgesenkte „Stärkung der Kommunalwirtschaft“, für ehren­amtlichen Kräfte zu unterstützen. Standards: Das sieht die von der Koali- das der Landtag mit den Stimmen der Nord- Hintergrund: Derzeit klaffe eine Lücke in tion verabschiedete Reform der Landes- Ampel nun grünes Licht gab. Kernpunkt ist der ­Hospiz-Versorgung, hieß es bei der bauordnung (LBO) vor. Bei Miethäusern die Streichung der sogenannten Bedarfs- ­Koalition. Schleswig-Holstein habe ledig- gibt es beispielsweise weniger Vorgaben klausel, nach der kommunale Unternehmen lich 66 Plätze, die sich auf sechs Einrichtun- für Autostellplätze, Deckenhöhen, Balkone wie die Stadtwerke bislang ihr Geschäft nur gen verteilen. Notwendig seien mindestens oder Aufzüge. Nicht angetastet werden in- in einem angemessenen Verhältnis zum Be- 50 Betten pro eine Million Einwohner – ­also des Standards bei Brandschutz und Statik. darf der Gemeinde betreiben durften. insgesamt mindestens 140 im Lande. Die Landtag und Landesregierung haben damit Parallel zu den neuen wirtschaftlichen Frei- Initiative ist aus dem Runden Tisch des einen Entwurf aus dem März 2015 ergänzt. heiten gibt das Gesetz den Gemeindever- ­Sozialausschusses zur Hospiz- und Palliativ­ Anlass war der Flüchtlingszustrom. Ziel tretern Kontrollmöglichkeiten gegenüber versorgung hervorgegangen. ist es, zügig neuen, günstigen Wohnraum den Betrieben an die Hand. Vertreter der (Drucksache 18/4240) zu schaffen. Die Landesregierung hält den Gemeinde bekommen das Recht, an Gesell-

14 DER LANDTAG 02/ 2016 LEICHTE SPRACHE

Alle Menschen sollen verstehen, was im Land-Tag ­gesagt wird. Der Land-Tag Hier stehen Texte in Leichter Sprache. Denn: Viele Menschen haben Probleme mit dem Lernen, Lesen und dem Verstehen. in Leichter Sprache Viele Menschen können auch nicht so gut Deutsch. Die Macher dieser Seite versuchen nach den Regeln für Leichte Sprache zu schreiben.

Die Menschen sind unterschiedlich. Aber alle haben Grund-Rechte. Neues Heft über die Grund-Rechte Das Grund-Gesetz ist das wichtigste Gesetz­ in Deutschland. Dort steht, was der Staat darf. Und dort steht auch, was der Staat nicht darf. Denn alle Menschen­ haben Grund-Rechte. Ein neues Heft erklärt diese Grund-Rechte in Leichter ­Sprache. Hier stehen einige Beispiele:

Jeder Mensch ist wertvoll so wie er ist. Niemand darf ohne Erlaubnis in eine Wohnung gehen.

Er hat eine Würde, weil er ein Mensch ist. Der Staat muss die Die Wohnung ist privat. Jeder entscheidet selbst, was er in seiner Würde von jedem Menschen schützen. Wohnung macht. Jeder entscheidet selbst, wer in die Wohnung kommen darf. Jeder Mensch darf frei und sicher leben. Jeder darf Eigentum haben und erben. Jeder Mensch entscheidet selbst wie er leben möchte. Zum Beispiel wo er wohnt. Oder welchen Beruf er lernt. Eigentum bedeutet: Einer Person gehört etwas. Zum Beispiel ein Gegenstand oder ein Grundstück. Oder ein Betrieb. Jeder Mensch darf frei glauben und denken. Erben bedeutet: Jemand bekommt Sachen oder Geld von Jeder Mensch entscheidet selbst, an welchen Gott er glauben ­einem Verstorbenen. Der Verstorbene hat bestimmt, wer etwas möchte. Oder ob er an keinen Gott glaubt. bekommen­ soll.

Jeder darf seine Meinung sagen und sich informieren.

Alle dürfen sagen und schreiben was sie denken. Alle Menschen dürfen sich informieren: Zum Beispiel aus Zeitungen und dem Radio.

Menschen dürfen sich versammeln. Das Heft kostet 2 Euro. Man kann es bestellen beim Alle Deutschen dürfen in kleinen und großen Gruppen ­zusammen kommen. Sie müssen nicht um Erlaubnis fragen. Netzwerk Leichte Sprache Achtermannstraße 12 Niemand darf Briefe von anderen lesen oder das Telefon 48143 Münster abhören. Oder mit einer E-Mail: Briefe und Pakete sind privat. Jeder Mensch entscheidet selbst wer etwas von seinen Sachen lesen oder hören darf. [email protected]

DER LANDTAG 02/ 2016 15 BILDER BOGEN:

70 JAHRE

Britische Soldaten stehen Spalier, während die Abgeord- neten des ersten Landtages am 26. Februar 1946 ins Kieler Schauspielhaus einziehen. Das Theater in der Holtenauer Straße ist einer von mehreren provisorischen Tagungs- orten in den Nachkriegsjahren. Der Landtag trifft sich nicht nur in Kiel, sondern auch im Lübecker Rathaus, im Hotel „Seegarten“ in Eckernförde und im Gasthaus „Neue Harmonie“ in Flensburg. 1950 bezieht das Parlament dann die ehemalige Marineakademie an der Kieler Förde, das heutige Landeshaus.

Ein ehemaliger und ein zukünftiger Regierungschef am Präsidiumstisch: Alterspräsident Hermann Lüdemann (SPD), Ministerpräsident von 1947 bis 1949, eröffnet am 11. Oktober 1954 den neuen Landtag, unterstützt von Schriftführer (CDU, links). Stoltenberg steht dem Landeskabinett von 1971 bis 1982 vor, wird dann Bundesfinanz- und Verteidigungsminister. Rechts: Detlef Haase (SPD).

Am 29. Oktober 1962 sprechen die neu gewählten Land- tagsabgeordneten gemeinsam ihre Eidesformel. Die Wahl bestätigt die Mehrheit der CDU/FDP-Koalition. In dem Plenar saal im ersten Stock des Landeshauses tagt das Parlament über 50 Jahre. Nach dem Umbau zu Beginn des neuen Jahrhunderts befindet sich dort ein Sitzungs- und Konferenzsaal, der „Schleswig-Holstein-Saal“.

Am Wahlabend des 13. April 1975 berichtet Hanns Joachim Friedrichs für das ZDF aus dem Landeshaus - und hat auch vor Ort viele Zu- schauer. Beim Urnengang behauptet die CDU die absolute Mehrheit vor der SPD, die FDP 16 zieht wieder in den Landtag ein. DER LANDTAG 02/ 2016 BILDER BOGEN: Landespolitik in Schleswig- Holstein

Protest im Zelt: Die FDP-Fraktion verlegt Mitte der 70er-Jahre ihre Sitzung auf den Rasen vor dem Landeshaus, um auf die Raumknappheit im Parla- mentsgebäude aufmerksam zu machen. Von links: Neithart Neitzel, Bernd Hadewig, Fraktionschef Uwe Ronneburger, Martin Schumacher, Jens Ruge.

Freundliche Begrüßung zwischen Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) und SPD-Oppositionsführer Björn Engholm vor einer Landtagssitzung in den 80er-Jahren. In der Mitte: Klaus Klingner und Gisela Böhrk (beide SPD). Nach der Landtagswahl 1987 tritt Barschel von seinem Amt zurück, nachdem die Presse über schmutzige Wahlkampftricks aus der Staatskanz- lei gegen Engholm berichtet hatte. Wenige Tage später wird Barschel tot in einem Genfer Hotel gefunden. Engholm wird 1988 Regierungschef - und tritt 1993 ebenfalls zurück. Er gibt zu, früher als bis dahin bekannt von den Machenschaften gegen ihn gewusst zu haben. Am 2. April 2003 kommt der Landtag erst- mals in seinem neuen, gläsernen Plenarsaal zusammen. Der runde Aufbau soll eine lebendige Debattenkultur befördern. Auch die Eingangshalle und die Außenanlagen des Landeshauses werden neu gestaltet.

Drei Wochen vor der Landtagswahl im Februar 2005 warten die Spitzenkan- didaten im Landeshaus auf den Beginn einer Diskussionsrunde mit Schülern. Von links: Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), CDU-Herausforderer Peter Harry Carstensen, Wolfgang Kubicki (FDP), Anne Lütkes (Grüne), Anke Spoorendonk (SSW). Die Wahl ergibt eine Ein-Stimmen-Mehrheit für Rot- Grün, unterstützt vom SSW. Bei der Ministerpräsidentenwahl am 17. März fehlt Simonis jedoch in vier Durchgängen stets eine Stimme aus dem eigenen DER LANDTAG 02/ 2016 17 Lager. Sie tritt zurück, und Carstensen bildet eine CDU/SPD-Koalition. WAHLEN

Wahlrecht: einige Reformen, aber keine Revolution

Schleswig-Holsteins Wahlrecht wird in einigen Punkten nachgebessert. Das hat der Landtag im Juni beschlossen. Es geht sowohl um die nächste Land- tagswahl am 7. Mai 2017 als auch um ­Kommunen und Volksentscheide. Größere Umwälzungen, die Piraten und CDU gefordert hatten, lehnte die ­Koalition allerdings ab.

Das ist neu: Behindertenbeauftragte Ulrich Hase sprach in Patrick Breyer an. Er verwies auf die jüngste seiner Reaktion auf das neue Wahlrecht hin- Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der 14 Fristen: Wer am Wahltag seit mindestens gegen von einer „fälligen rechtlichen Gleich- Prozent der Zweitstimmen wegen der Sperr- sechs Wochen im Lande wohnt, kann künf- stellung“. klausel unter den Tisch gefallen seien. tig seine Stimme abgeben. Bisher gab es eine Dreimonatsfrist. Für Kandidaten gilt jetzt: Mehrheit bleibt Mehrheit: Im Kom- Vier-Prozent-Hürde: Petra Nico- Wer sich in den Landtag wählen lassen will, munalwahlrecht reagiert der Landtag auf den laisen (CDU) prangerte den „Trend zur Zer- muss nicht mehr sechs, sondern nur noch „Fall Boostedt“. In der Gemeinde bei Neu- splitterung“ in vielen Ratsversammlungen drei Monate vor der Wahl eine Wohnung in münster hatte die CDU beim letzten Urnen- an und brachte eine Vier-Prozent-Regel auf Schleswig-Holstein haben. gang 2013 keine Mehrheit in der Gemeinde- Kommunalebene ins Spiel: „Ohne eine Sperr- vertretung erhalten, obwohl sie mehr als 50 klausel ist der Weg für Kleinstgruppierungen Beschwerden: Das Landesverfassungs- Prozent der Wählerstimmen gewann. Schuld offen.“ In Schleswig-Holsteins Kommunen gericht entscheidet künftig über Beschwerden war das Verteilungsverfahren. Eine „Mehr- gibt es seit 2009 keine solche Hürde mehr, von Parteien, die der Landeswahlausschuss heitsklausel“ soll das künftig verhindern. nachdem das Bundesverfassungsgericht sich nicht für die Landtagswahl zulässt – und zwar kritisch hierzu geäußert hatte. bereits vor der Wahl. Bislang können­ sich Bürgermitsprache: Initiatoren von solche Vereinigungen erst nach der Landtags- Volksbegehren können künftig im Internet Anonymität: Die Piraten wollten wahl wehren. und „auf öffentlichen Straßen, Wegen und erreichen, dass Kandidaten für ein Mandat Plätzen“ Unterschriften sammeln. Und: Bei in Gemeinde, Kreis oder Land künftig nicht In der Wahlkabine: Das Kreuzchen wird Volksentscheiden ist nun auch eine Alter­ mehr ihre Adresse veröffentlichen müssen. künftig mit radierfesten Stiften geschrieben. nativabstimmung möglich. Es wird nicht nur Grund: Bewerber würden zunehmend durch Die Stimmzettel werden auf A3-Format ver- „ja“ oder „nein“ zu einem Vorschlag gesagt, Werbung und Drohbriefe belästigt. Auch größert und mit bunten Parteilogos ausge- sondern es werden mehrere Vorschläge zur hierfür gab es keine Zustimmung. stattet. Insgesamt werde „in vielen Punkten Wahl gestellt. ein faktischer Fortschritt“ erreicht, unter- Amtsangehörige Gemeinden: In strich der SPD-Abgeordnete Kai Dolgner. Gemeinden, die ihre kommunalen Aufgaben Das kommt nicht: an ein Amt übertragen haben, gibt es keine UN-Behindertenrechtskonvention: Bürgerentscheide und Einwohneranträge­ – Künftig dürfen auch Menschen wählen, die Ersatzstimme: Durchgefallen ist anders als bei Kommunen mit eigener Ver- unter Vollbetreuung stehen. Die Wahlunter­ die von den Piraten ins Spiel gebrachte Ersatz- waltung. Die Piraten wollten das ändern. lagen sollen auch in Leichter Sprache verfüg- stimme. Der Gedanke: Wähler kreuzen mit Aber auch hierfür gab es keine Mehrheit. bar sein – für Menschen mit Lernschwäche ihrer Zweitstimme nicht nur die Partei ihrer oder Demenz. Ekkehard Klug (FDP) sah ein Wahl an, sondern auch eine Ersatzpartei. Die Abstimmung an Wahltagen: „Wahlrecht für Menschen unter Vollbe­ Ersatzstimme wird dann mitgezählt, wenn Die Piraten wollten Volksentscheide grund- treuung“ kritisch.­ Wenn Personen das Wahl- Partei Nummer eins an der Fünf-Prozent- sätzlich an Wahltagen abhalten, um so aus­ recht erhielten, die zu einem eigenständigen Hürde scheitert. Damit wäre ein „massen- reichend Bürger an die Urnen zu locken. Doch Leben nicht in der Lage seien, dann drohe hafter Verfall von Wählerstimmen“ verhin- auch dieser Plan fand keine Unterstützung. ­„Manipulation bei der Stimmabgabe“. Der dert worden, merkte Piraten-Fraktionschef

18 DER LANDTAG 02/ 2016 WAHLEN

Gemeinsames Anliegen: Jungwähler an die Urnen

Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr dürfen erstmals auch 16- und 17-Jährige teil­ nehmen. Damit möglichst viele dieser rund 60.000 Jugendlichen an die Urnen strömen, haben die Nachwuchsorganisationen der Landtags­parteien sich zusammengetan. Gemeinsamer Auftritt der politischen Jugend: Christopher Andresen (SSW-Ungdom), Motto: gemeinsam auftreten, Kim-Bastian Jöns (Junge Liberale), Tobias Loose (Junge ­Union), um Unterschiede ­herauszustellen. Niclas Dürbrook (Jungsozialisten), Lasse Petersdotter (Grüne Jugend, v. li.)

Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Eine VPJ-Forderung steht bereits vor der wissen, was auf sie zukommt“, berichtete Liberale und SSW-Ungdom präsentierten Umsetzung: Das Bildungsministerium will Juso-Landeschef Niclas Dürbrook. Auch der Anfang April im Landeshaus ihre gemein­ mit einem neuen Erlass das bisherige strikte Landtag hatte in seinem Zehn-Punkte-Papier same Linie. Als „Verband politischer Jugend- Auftrittsverbot von Kandidaten an Schulen für höhere Wahlbeteiligung im vergangenen organisationen“ (VPJ) möchten sie die Unter­ in der heißen Wahlkampfphase lockern. Oktober gefordert, Politik im Unterricht stär- schiede zwischen den einzelnen Parteien Podiums­diskussionen zwischen Schülern ker zu thematisieren. „deutlich, verständlich und fair“ darstellen. und Politikern seien an allen Schulen mit Die Piraten, die als einzige Landtagspartei Denn: „Die AfD profierte bei den vergange- Oberstufe nötig, so Tobias Loose von der nicht im VPJ vertreten sind, wiesen darauf nen Wahlen von der Geschichte, dass sich die ­Jungen Union: „Es gibt einen großen An- hin, dass die Absenkung des Wahlalters auf anderen Parteien zu sehr ähneln würden. Das teil von jungen Menschen, die sich gar nicht ihre Initiative zurückgehe. Und: Als „junge stimmt aber nicht“, stellte Lasse Petersdotter für Politik interessieren.“ „Viele Schulleiter Partei“ unterstützten die Piraten das Bündnis. von der Grünen Jugend fest. ­haben bislang große Vorbehalte, weil sie nicht

Neue Fristen für Parteien Der Fahrplan bis zur Wahl

Parteien, die sich zur Landtagswahl bewerben wollen, brauchen die Unterschriften CDU: 19. November: von landesweit 500 Unterstützern. Und sie müssen Fristen einhalten. Auch die hat der Landesparteitag in Neumünster Landtag neu geregelt. Voraussichtlich 11. Februar: Parteien, die noch nicht im Landtag vertreten sind, müssen sich bis zum 14. Februar Programmparteitag­ · 2017 beim Landeswahlleiter melden. Die im Parlament bereits vertretenen Parteien SPD: 26. November: ­haben bis zum 20. März Zeit. Programm­parteitag und Nomi- Am 24. Februar entscheidet der Landeswahlausschuss über die Zulassung von Parteien, nierung des Spitzenkandidaten · die noch nicht im Landtag sind. in Neumünster Die Namen der Wahlkreiskandidaten und die Landesliste müssen Parteien, die nicht 27. bis 29. Januar: · im Landtag vertreten sind, bis zum 13. März vorlegen. Die im Parlament vertretenen Listen­parteitag in Lübeck Parteien haben bis zum 31. März Zeit. Grüne: November: Nominierung der Spitzenkandidatur durch den Parteivorstand Amt Bordesholm: Der Wahl-Bus kommt Ende Januar: Listenparteitag FDP: 12. November: Eine Idee aus dem Zehn-Punkte-Papier des Landtages für mehr Wahlbeteiligung Listenparteitag in Neumünster wird Realität: mobile Wahllokale. Mit einer fahrbaren Wahlkabine sollen Bürger er- 25. Februar: reicht werden, denen der Weg an die Urne am Wahltag zu mühsam ist. Programmparteitag in Kiel Konkret sollen die 14 Gemeinden des Amtes Bordesholm (Kreis Rendsburg-Eckernförde) in Piraten: 16. und 17. Juli: den Wochen vor der nächsten Landtagswahl Besuch von einem Wahl-Bus bekommen, damit Landesparteitag in Neumünster die Bürger per Briefwahl abstimmen können. Wahltag ist der 7. Mai 2017. An vier Sonnabenden 8. und 9. Oktober: davor, am 1., 8., 22. und 29. April, wird die rollende Wahlkabine in der Region unterwegs sein. Listen­aufstellung in Kiel Bürger des Amtes Bordesholm, die einen Personalausweis dabei haben, können dann spontan SSW: 24. September: abstimmen. Sie werden zugleich aus dem Wählerverzeichnis gestrichen. Eine doppelte Stimm- Listenparteitag in Husum abgabe ist damit ausgeschossen. Genaue Standorte und Öffnungszeiten werden noch erarbeitet.

DER LANDTAG 02/ 2016 19 MELDUNGEN

Bürgerbeauftragte fordert „Menschlichkeit“ in den Amtsstuben

Die Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni übergibt ihren Tätigkeitsbericht an Landtagspräsident Klaus Schlie .

3.327 Mal haben sich die Schleswig-­ ­Wagen kann er aber seine Frau im Pflegeheim Sozialleistungen haben kaum eine Chance Holsteiner im vergangenen Jahr an die nicht besuchen. Oder: Ein Familienvater er- auf eine Wohnung. Denn viele Kommunen ­Bürgerbeauftragte für soziale Angelegen­ krankt schwer, verliert seine Arbeit, und die wollen die Miete nur bis zu einer festen Ober- heiten gewandt, mit Beschwerden über Familie kann ihren Hauskredit kaum noch grenze bezuschussen. Bei steigenden Preisen Behördenbescheide und den Paragraphen­ abzahlen. Dennoch weigert sich die Behörde, haben Rentner, Flüchtlinge oder ­Obdachlose dschungel des Sozialrechts. Der Schwer- die Kita-Gebühren der Kinder nennenswert das Nachsehen. El Samadoni fordert des­ punkt lag mit 890 Fällen erneut im Bereich zu senken. Auch wenn die Entscheidungen wegen, die Mietrichtwerte „flexibilisiert“ zu Hartz IV. Oft konnte ihre Dienststelle der Ämter formal korrekt seien, fordert El handhaben. helfen, berichtete die Beauftragte Samiah ­Samadoni mehr „Menschlichkeit“ in den El Samadoni Ende Mai. In mehr als 200 Amtsstuben. Und sie benennt gesellschaft­ Thema Schulbegleitung: Auch Kin- Fällen wurde die Verwaltungsentscheidung liche Problemzonen: der mit Handicap sollen die Regelschule geändert oder beschleunigt. be­suchen können. Stichwort: Inklusion. Thema Wohnen: Preiswerter Wohnraum Hierfür ist oftmals eine Rund-um-die-Uhr-­ Hinter den Zahlen stecken Schicksale: wird in vielen Regionen des Landes knapp, et- Betreuung nötig. Aber wer soll die leisten – So soll ein älterer Herr sein aus Sicht des wa in den kreisfreien Städten, im Hamburger die von den Kreisen bezahlten Schulbegleiter Sozial­amtes zu teures Auto verkaufen. Ohne Rand oder auf Sylt. Die Folge: Bezieher von oder die Lehrer, also das Land? Einige Kreise ­haben nun ihre Begleit-Leistungen herunter- gefahren, nachdem das Landessozialgericht Samiah El Samadoni wird Polizeibeauftragte in ihrem Sinne entschieden hatte: Für den so­genannten „pädagogischen Kernbereich“ Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, sei das Land zuständig. Untragbar, findet El wird zum 1. Oktober auch Polizeibeauftragte. Koalition und Piraten haben hier- Samadoni. Sie fordert, dass Land und Schul­ für im Juni die gesetzliche Grundlage geschaffen. CDU und FDP halten den träger sich zusammenraufen, und dass der ­neuen Posten für überflüssig. Gesetzgeber den „pädagogischen Kernbe- Die Juristin El Samadoni prüft künftig Beschwerden von Bürgern über die Ordnungs- reich“ genau definiert. kräfte. Gleichzeitig ist sie Ansprechpartnerin für Polizeibeamte, die Probleme im Dienst haben. Innenministerium und Polizeibehörden müssen Auskunft erteilen. Sieht die Thema Kita-Gebühren: Die Bürger­ Polizei­beauftragte eine Beschwerde als begründet an, kann sie im Ministerium auf Abhilfe beauftragte vermutet, dass viele Familien zu drängen oder auch Straf- und Disziplinarverfahren anstrengen. Über ihre Tätigkeit soll sie hohe Beiträge zahlen. Denn die Ämter weisen dem Landtag jährlich einen Bericht vorlegen. oft nicht auf einen möglichen Beitrags­erlass Mit der neuen Stelle werde die Polizeiarbeit verbessert und das Vertrauen der Bürger wegen unzumutbarer Belastung hin. Die gestärkt, hieß es bei den Befürwortern. Union und Liberale sprachen dagegen von einer kann zum Beispiel vorliegen, wenn Familien- „Misstrauenserklärung gegen die Landespolizei“. Die neue Stelle sei „nicht als pauschale angehörige gepflegt werden. Außerdem for- Kritik an der Polizeiarbeit zu verstehen“, erklärte El Samadoni nach ihrer Wahl. Mit dem dert El Samadoni, Hartz-IV- und Sozialhilfe- neuen Posten wächst das Aufgabenspektrum der Bürgerbeauftragten weiter. El Samado- empfänger grundsätzlich von Kita-Gebühren ni leitet auch die Antidiskriminierungsstelle sowie seit 1. Januar die Beschwerdestelle für zu befreien. Heimkinder.

20 DER LANDTAG 02/ 2016 MELDUNGEN Gedenken an den „Todesmarsch“ von 1945

Angehörige von KZ-Häftlingen haben Anfang Mai den Landtag besucht. Landtags- Landtagspräsident Klaus Schlie begrüßt Hinterbliebene der KZ-Häftlinge: präsident Klaus Schlie empfing Gäste aus George Nathan (Mitte) ist Sohn von Sophie Nathan, die aus Emmerich am Niederrhein Deutschland, den USA und Schweden. ins Ghetto Riga und dann nach Hamburg verschleppt wurde. Nach dem „Todesmarsch“ wurde Anlass war eine Gedenkstunde zum sie vom Schwedischen Roten Kreuz gerettet. Sie starb 2002 in Atlanta/Georgia. ­„Todesmarsch“ vom April 1945. Links: George Nathans Ehefrau Barbara. Martha Birmaher (2. v. re.) und ihre Tochter Lilian Migram (re.) stammen aus Miami in Florida. Kurz vor Kriegsende hatte die SS rund 800 Sie sind Enkelin und Urenkelin von Hilde Sherman aus Mönchengladbach, die ebenfalls über Insassen des Konzentrationslagers Hamburg- das Ghetto Riga und das KZ Hamburg-Fuhlsbüttel in den Marsch nach Kiel geriet. Fuhlsbüttel auf einen viertägigen Fußmarsch Auch Hilde Sherman wurde vom Schwedischen Roten Kreuz befreit. Die Autorin des Buches ins „Arbeitserziehungslager Nordmark“ in „Zwischen Tag und Dunkel – Mädchenjahre im Ghetto“ starb 2011 in Jerusalem. Kiel-Russee geschickt. Mindestens acht der Juden, Zwangsarbeiter und Oppositionellen dem“ nichts gewusst zu haben. Deswegen Menschen, die wir auf dieser Reise treffen, wurden unterwegs von der SS erschossen, sei es wichtig, den Kontakt mit den Opfern geben mir große Hoffnung für die Zukunft.“ mindestens acht weitere wurden in Kiel er- und ihren Angehörigen zu pflegen. Das „Ge- Anschließend wurden bei einer Gedenk- mordet oder starben an den Strapazen. bot zur Wachsamkeit und zur Zivilcourage feier auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Der Gewaltmarsch quer durch Schleswig- gegenüber Hass und Rassismus“ gelte auch „Nordmark“ erstmals 215 Namen von jüdi- Holstein sei ein Verbrechen gewesen, das sich heute. schen Teilnehmern des Marsches verlesen, „buchstäblich vor den Haustüren sehr vieler George Nathan aus Atlanta im US-Bundes- die der Neumünsteraner Heinrich Kautzky Menschen“ abgespielt habe, sagte Schlie in staat Georgia, dessen Mutter als 23-Jährige recherchiert hatte. Die Namen der anderen seinem Grußwort. Dennoch hätten viele den „Todesmarsch“ überlebte, dankte für den Marschteilnehmer sind noch weitgehend un- Deutsche nach 1945 behauptet, „von alle- freundlichen Empfang: „Die Reise und die geklärt.

Israel-Tag: Schüler auf Entdeckungstour

„Orangen-Nation“ vor biblischer Kulisse oder Hightech-Standort? Die Schüler sahen Israels Rolle teilweise sehr kritisch und bemän- Opfer oder Aggressor? Die Deutschen haben ein gespaltenes gelten eine zu große „Zurückhaltung“ der deutschen Politik, wenn es Bild vom Staat Israel. Beim Israel-Tag Ende Mai im Landeshaus um das Leiden der Palästinenser gehe. Auch die jüdischen Siedler im ­informierten sich 200 Schüler über das Land im Nahen Osten – Westjordanland verschärften den Konflikt, hieß es. und hakten nach. Rogel Rachman, Gesandter Botschaftsrat Israels in Berlin, beklagte dagegen einen „leider einseitigen“ Blickwinkel in Deutschland. Denn: Israel sei ein „angegriffenes Land“, das sich gegen Attacken von außen wehren müsse. Und das geschehe mit großer Rücksicht auf die Zivil- bevölkerung. So seien die Zivilisten beim Beschuss von Terrorstel- lungen im Gaza-Streifen im Jahr 2014 zuvor gewarnt worden, merkte Rachman an: „Keine andere Armee macht das so.“ Zudem sei der Staat mit dem Davidstern die einzige Demokratie in der Region.

Beim Israel-Tag befassten sich die Schüler aus Kiel, Flintbek, Neu- münster, Elmshorn und Ahrensburg mit der Sicherheitslage, dem Verhältnis der Religionen, aber auch mit Computer-Startups, dem Gesundheitssystem oder der Partyszene in Tel Aviv. Der Landtag hatte gemeinsam mit der israelischen Botschaft und dem Lehrerbildungs­ institut IQSH eingeladen.

DER LANDTAG 02/ 2016 21 EUROPA

Parlamentsforum fordert mehr Öko in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft muss sich an „die ge- wandelten gesellschaftlichen Anforderun- gen“ anpassen. Das ist eine Kernforderung des Parlamentsforums Südliche Ostsee, das Mitte Juni im Landeshaus getagt hat. Die Regionalpolitiker aus Deutschland, Polen, Russland und Schweden rufen dazu auf, das Tierwohl, den Klimaschutz und die biologische Vielfalt verstärkt in den Blick zu nehmen. Ostseeparlamentarier aus vier Ländern Die Abgeordneten diskutierten mit Wis­ der rund 70 Teilnehmer eine EU-weite Kenn- trafen sich im Plenarsaal sen­­­schaftlern (siehe unten) und erarbeiteten zeichnungspflicht für Produkte geben, die eine zehnseitige Abschlussresolution mit von Tieren stammen, die mit gentechnisch dem Schwerpunkt Land-, Fischerei- und veränderten Pflanzen gefüttert wurden. ­Ernährungswirtschaft. Darin fordern sie die Außer­dem auf der Forderungsliste: ­Weniger von Schleswig-Holstein, Hamburg und EU sowie die nationalen und regionalen Re- Grünlandumbruch, Renaturierung von Moo- Mecklenburg-Vorpommern, die Sejmiks der gierungen auf, ihre Agrarförderung nach dem ren sowie ein Zertifizierungssystem für Er- polnischen Wojewodschaften Pommern, Prinzip „öffentliche Gelder für öffentliche zeugnisse aus nachhaltiger Produktion. Westpommern und Ermland-Masuren, das Güter“ auszurichten. Der „schonende Um- Das Parlamentsforum Südliche Ostsee Regionalparlament der südschwedischen gang mit Boden, Wasser und Luft“ müsse im kommt seit 2003 einmal im Jahr zusam- Region Schonen sowie die Gebietsduma des Zentrum stehen. Zudem soll es nach ­Willen men. Mit dabei sind die ­Landesparlamente russischen Kaliningrad.

Wissenschaftler im Dialog mit der Politik Erkenntnis I: an Land Erkenntnis II: im Wasser Erkenntnis III: in der Luft

Jahrzehntelang habe die Landwirtschaft Die Aquakultur ist der am stärksten wach- Das Extremwetter der letzten Zeit mit nur einen Weg gekannt: Produktion stei- sende Sektor in der Agrarbranche, betonte der Überschwemmungskatastrophe in gern, um Hunger vorzubeugen. Seit einigen Prof. Harry Palm von der Uni Rostock. Das Süddeutschland sei eindeutig ein Zeichen Jahren rücken jedoch andere Aspekte in den Problem: Die Ausscheidungen der Fische des Klimawandels, urteilte Prof. Mojib Latif Fokus, berichtete Prof. Friedhelm Taube, enthalten Stickstoff und Phosphor. Sie ge- vom Kieler Meeresforschungsinstitut GEO- Agrar-Professor an der Kieler Uni. Unter fährden Wasser und Klima. Aber Prof. Palm MAR: „Bei hohen Temperaturen nehmen dem Stichwort „nachhaltige Intensivie- hat eine pfiffige Lösung: Wenn man in der die Starkniederschläge zu.“ Ursache sind rung“ spielen der Erhalt von Ökosystemen, Fischzucht zugleich Muscheln ansie- Klimagase wie Kohlendioxid. Der Mensch die Biodiversität und der Klimaschutz eine delt, dann säubern die Schalentiere das pustet sie massenhaft in die Luft, denn 90 wachsende Rolle. Prof. Taube beschrieb Wasser von den Fisch-Exkrementen. Prozent der Energie werden mit Öl, Kohle den Ostsee-Parlamentariern die Schief­ Am besten funktioniere das mit Regen­ und Gas produziert. Die Folge: Die Atmo­ lagen in der EU-Landwirtschaft. So wer- bogenforellen und Miesmuscheln, berich- sphäre sei zurzeit so warm wie seit den inzwischen 70 Prozent der Anbau- tete er den Parlamentariern. Ein Hektar Mu- 800.000 Jahren nicht mehr. Das Polareis flächen nicht mehr für Brot-Getreide scheln bewältigt die Ausscheidungen von schmelze, und der Wasserspiegel sei allein verwendet, sondern für Tierfutter. Und 15 Tonnen Fisch. Und auch an Land funk- seit 1980 weltweit um 20 Zentimeter ge- die hochgezüchteten Milchkühe brauchen tioniere dieses System. Dort übernehmen stiegen. Aber: „Es ist noch nicht zu spät.“ so viel Energie, dass sie auf einer normalen Gurken die Rolle der Muscheln. Prof. Palm Die Menschheit müsse bis spätestens 2060 Weide gar nicht mehr satt werden. hat an der Rostocker Uni eine solche mo- aufhören, Treibhausgase zu produzieren, so derne Fisch-Anlage gebaut und sucht nun Prof. Latif – „eine Riesenherausforderung“. Investoren.

22 DER LANDTAG 02/ 2016 EUROPA Landtag warnt vor Kollaps der EU

Die Briten wollen raus aus der EU. Das Votum vom 23. Juni ist der bisherige Höhepunkt eines Anti-Europa-Trends, der in vielen Mitgliedsstaaten zu beobachten ist. Vor diesem Hintergrund haben Ver­treter aller Fraktionen im Landtag bereits in der April-Tagung vor einem Auseinanderbrechen der Staatengemeinschaft gewarnt. Allerdings: Auch im Landtag gibt es unterschiedliche Vorstellungen, was Europa kann und soll. SPD, Grüne und SSW werben für gerechte Löhne, eine stärkere Zusammen­arbeit bei der Terrorbekämpfung und für offene Grenzen. Zudem mahnt die Koalition eine Jette Waldinger-Thiering (SSW): „Die solidarische Asyl- und Zuwanderungspolitik an. Die Opposition hält viele dieser Punkte Bürger wollen bei wichtigen Fragen, die die für ­unrealistisch. Ein CDU-Gegenentwurf, der auch ein Bekenntnis zum umstrittenen Union betreffen, unmittelbar beteiligt wer- Freihandels­abkommen TTIP enthielt, scheiterte wiederum an der Mehrheit der Nord- den und fordern mehr Volksabstimmungen Ampel. bei der Übertragung von Souveränität auf die EU. Das kann ich sehr gut nachvollziehen.“

Ralf Stegner (SPD): „Weniger Europa,­ Grenzen dicht und weg mit dem Euro: So Ekkehard Klug (FDP): „Dass ausgerech- sieht ein Programm für Massenarbeits­ net der Präsident der USA den Briten am losigkeit in Deutschland aus. Das ist nicht stärksten ins Gewissen geredet hat, finde ich die Zukunft, das ist Vergangenheit, und zwar (Piraten): „Das Ausein­ schon bemerkenswert. Entsprechende An- schlimmste Vergangenheit.“ anderdriften der Mitgliedstaaten zeigt sich bei strengungen aus Europa selbst habe ich nicht den Grenzschließungen in den letzten Mo- feststellen können.“ naten. Europa reduziert sich auf eine Wirt- schafts- und Währungsunion.“

Rainer Wiegard (CDU): „In der Welt- geschichte gibt es viele Beispiele dafür, dass Europaministerin Anke Spoorendonk Nationen, Völker, Volksstämme viele wich- (SSW): „Nicht zuletzt die jüngsten Land- tige Dinge gut erreicht haben, aber auch ver- Bernd Voß (Grüne): „Ein demokrati- tagswahlen in Baden-Württemberg, Rhein- spielt haben, weil sie sie nicht wertgeschätzt scheres Europa funktioniert nur, wenn die land-Pfalz und Sachsen-Anhalt zeigen uns, haben.“ Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt dass auch in Deutschland die Skepsis gegen- und auch wahrgenommen werden können. über der Europäischen Union wächst.“ Wir brauchen eine Reform der Institutionen, eine Stärkung des Parlaments.“

DER LANDTAG 02/ 2016 23 EUROPA Schleswig-Holstein ist, wie kein anderes Land in Deutschland, durch seine sprach- liche und kulturelle Vielfalt geprägt. Sinti und Roma: In unserem Land leben drei autochthone Minderheiten und Volksgruppen – die “ mehr Beachtung, auch wegen „DSDS“ Dänen, die Nordfriesen, die deutschen Seit 2012 ist der „Anspruch auf Schutz und Förderung“ für die Sinti und Roma – sowie die ­ deutschen Sinti und Roma in der Landesverfassung verankert. Angehörigen der niederdeutschen Dies habe sich sehr positiv ausgewirkt, berichteten Vertreter zahlreichen Sprechergruppe. Wir wollen erreichen, der Minderheit Anfang Mai bei der Sitzung des Sinti-und-Roma- dass dieses Alleinstellungsmerkmal Gremiums im Landeshaus. unseres Landes stärker in das öffentliche Die Minderheit werde öffent- wollen die Sinti und Roma ge- Bewusstsein rückt. lich stärker wahrgenommen meinsam mit der jüdische Ge- „Aus dem 172 Seiten starken Bericht der Landesregierung und besser unterstützt, erklärte meinde an die Reichspogrom- „zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- ­Matthäus Weiß, Vorsitzender nacht erinnern. oder Minderheitensprachen in Schleswig-Holstein“ des Landesverbandes der Sinti Für die größte Aufmerksam- (Drucksache 18/4067), über den der Landtag im Juni debattiert hat. und Roma. Beispiele seien Vor- keit sorgte allerdings die 17-jäh- Mehr: www.sh-landtag.de, unter „plenum-online“ lesungen an der Flensburger Uni rige Anita Wiegand aus Kiel. Die zur Kultur der Minderheit oder junge Sinti-Frau erreichte bei die Teilnahme des Landesver- der RTL-Show „Deutschland bandes am Bündnis „Flücht- sucht den Superstar“ (DSDS) im lingshilfe Schleswig-Holstein“. Mai das Halbfinale. Der Sender Geplant ist eine Vortrags- und filmte auch in der Sinti-Siedlung Platt: Diskussionsveranstaltung beim „Maro Temm“ in Kiel-Gaarden. Aktuelles Grenzfriedensbund zum Thema Anita habe bei dem Gesangs- Regionalsprachen „Deutsche Sinti und Roma in wettbewerb „mit großem Selbst- Im April hat der Beirat werden Schleswig-Holstein – wer wir bewusstsein ein Bekenntnis zu Nieder­deutsch im Landes- sind und was wir wollen“ am ihrer Herkunft“ abgegeben, be- haus getagt. aufgewertet 27. Oktober. Am 9. November tonte Matthäus Weiß. Einige Erkenntnisse:  Die Zahl der Schulkinder, die Mit breiter Mehrheit hat der in Schleswig-Holstein Platt- Landtag im April das von der deutsch an der Schule lernen, Landesregierung vorgelegte ist im vergangenen Jahr um Gesetz zur Stärkung der Spra- 600 gestiegen – auf jetzt rund chenvielfalt verabschiedet. 1.600. Deswegen soll es auch Kernpunkte: mehr friesische mehr Lehrerstellen geben. Das Ortsschilder, und Friesisch, berichtete Hans Stäcker aus Niederdeutsch sowie Dänisch dem Bildungsministerium. werden Behördensprachen. 29 Grundschulen im Lande Die Hinweistafeln im Nord- unterrichten auf Platt. westen des Landes bekommen  Am 1. August tritt Prof. Nils demnach Ergänzungen. Wer Langer die neue geschaffene nach Eiderstedt fährt, kommt Niederdeutsch-Professur auch in Ääderstää an. Nach den Friesen fordern mehr Mitsprache an der Universität Flensburg Plänen der Landesregierung soll an, gab Gyde Köster bekannt, es 300.000 Euro kosten, die Die Friesen wollen mit am Tisch sitzen, wenn es in Kiel und Minderheitenbeauftragte der friesischen Namen auf den Orts- in Berlin um ihre Kulturpolitik geht. Das betonte Ilse Johanna Nord-Uni. schildern hinzuzufügen. Christiansen, Vorsitzende des Friesenrats, beim Treffen des  Das Platt-Lehrbuch „Paul un Zudem sollen binnen zwei Friesengremiums Anfang Mai in Risum-Lindholm. Emma“ stößt auch in anderen Jahren Behördengänge auch Bundesländern auf Interesse. auf Platt, Friesisch und Dänisch Um die überwiegend ehren- etwa 1,5 Millionen Euro vom Reinhard Goltz, Nieder- erledigt werden können. Bei amtliche Bildungsarbeit der Land. Hierzu gehören auch deutsch-Professor an der fehlenden Sprachkenntnissen Volksgruppe langfristig zu pla- 300.000 Euro aus den Einnah- Bremer Uni, berichtete vom müssen die Behörden Doku- nen, sei eine „bedarfsgerechte men des Nordwest-Lotto. Inter­esse aus Niedersachsen. mente kosten­los für die Bürger Förderung“ nötig, erklärte Chris- Eine weitere Erkenntnis des  Prof. Goltz will eine Liste aller übersetzen lassen. Ein weiterer tiansen. Zudem forderte sie die Treffens: Die Anerkennung des niederdeutschen Bühnen Punkt: Auch in Kindertages- „unmittelbare Beteiligung der Biike-Feuers als immaterielles in Deutschland zusammen- stätten sollen die Regional- und Friesen an Zusammenkünften Kulturerbe vor zwei Jahren zahlt stellen. Bislang seien ihm Minderheitensprachen stärker und Gesprächen“. sich aus: Es kommen mehr Tou- 3.600 solcher Theater be- berücksichtigt werden. Einzig die Die friesische Volksgruppe risten zu den Feiern im Februar kannt – ein Großteil davon in FDP votierte gegen das Gesetz. im Lande erhält pro Jahr rund an die Westküste. Niedersachsen.­ (Mehr: Landtagszeitschrift 04/2015) 360.000 Euro vom Bund sowie­

24 DER LANDTAG 02/ 2016 EUROPA

Den Sportsommer 2016 EM in Frankreich – verfolgen die deutschen Fans am Fernseher. Gastgeber der Fußball-EM ist Olympia in Rio Frankreich, die Olympischen Spiele steigen in Brasilien. Die Zuschauerrolle bei Mega-Events wird Deutschland wohl auch in der kommenden Zeit einnehmen. Denn der Versuch, Olympia ins Land zu holen, scheiterte im ­vergangenen Novem- ber am Nein der Hamburger. Wann gibt es wieder ein Groß­ereignis in Deutschland? Und wer Der Ball gewinnt die EM? Wir haben vor Turnierbe- ginn bei Sportpolitikern aller ­Fraktionen nachgefragt – und diese Antworten rollt woanders bekommen.

Lars Harms (SSW) Wann erleben wir das nächste sportliche Groß­ ereignis in Deutschland? Burkhard Peters (Grüne): „Es ist schade, dass es mit der Sportliches Großereignis in Deutschland? Olympiabewerbung nicht „Das Olympia-Referendum in Hamburg zeigt: ge­klappt hat. Aber zumindest Kiel hat sich in der Korruptions- und Dopingskandale im internatio- Abstimmung ja als besonders weltoffen präsen- nalen Sport und Sicherheitsbedenken trüben die tiert. Ein Großereignis findet deshalb auch folge- Begeisterung für große Sportevents in Deutsch- richtig in Kiel statt – die Kieler Woche.“ land. Trotzdem wird sich Deutschland bei der Bewerbung für die Wer wird Fußball-Europameister? Fußball-EM 2024 wahrscheinlich gegen die gemeinsame Bewerbung „Favorit ist Italien, Belgien könnte sich zum Ge- der skandinavischen Länder und gegen die Türkei durchsetzen. Au- heimfavoriten mausern.“ ßerdem steht ja schon fest, dass die Handball-WM 2019 in Deutsch- land und Dänemark ausgetragen wird, unter anderem in Kiel.“ Barbara Ostmeier (CDU): Europameister? „Frankreich – die Mannschaft wird vor heimi- Sportliches Großereignis in Deutsch- schem Publikum die nötige innere Geschlossenheit finden.“ land? „Mit Hamburgs Nein zu Olympia wur- de für die kommende Generation die Chance Oliver Kumbartzky (FDP): vergeben, den völkerverbindenden Geist Sportliches Groß­ereignis in Jürgen Weber (SPD) Olympischer Spiele hautnah im eigenen Land Deutschland? „Das Nein Hamburgs Sportliches Großereignis zu erleben, und die Folgen für den deutschen war enttäuschend. Der Ruf sportlicher in Deutschland? „Große Leistungssport sind noch nicht absehbar. Großereignisse muss für zukünftige Sportereignisse werden auch Dass unsere Handballer Bewerbungen in Ordnung gebracht künftig in Deutschland statt- nach ihrem Riesenerfolg werden, um die Akzeptanz in der Ge- finden: 2017 zum Beispiel die im EM-Finale die Quali- sellschaft wieder zu erhöhen. Aber man WM im Tischtennis, Eishockey, Fechten, 2018 fikation für Rio geschafft sollte nicht verzagen, denn in diesem die Leichtathletik-EM. „Mega“-Events, die eine haben, macht Mut und Sommer gibt es gro- nationale Anstrengung über den Sport hinaus er- beflügelt unseren unge- ßen Sport auch bei fordern, werden wir wohl bis auf Weiteres nicht brochenen Sportsgeist. Das nächste sport­ uns live zu sehen. So hier sehen: Olympia hat sich erledigt, und mit liche Großereignis? Handball-Weltmeister- findet am 30. Juli in einer Fußball-WM sind wir erst mal nicht dran. schaft 2019 in Deutschland und Dänemark!“ Brunsbüttel wieder Wann die Bedenkenrepublik Deutschland insge- Europameister? „Im eigenen Land hat die Wattolümpiade samt wieder Selbstbewusstsein und olympischen Frankreich gute Chancen, aber Europameister statt. Unter der Schirmherrschaft des Willen zustande bringt, steht in den Sternen.“ wird Deutschland.“ Landtagspräsidenten wird es bei dieser Europameister? „Diesmal wird’s ein Heim- Benefiz-Veranstaltung schmutzigen sieg: Frankreich schlägt im Finale Spanien.“ Sport für eine saubere Sache geben.“ Europameister? „Deutschland.“

DER LANDTAG 02/ 2016 25 POLITISCHE BILDUNG „Deutsche glauben an den Staat – Amerikaner misstrauen ihm“ Buchvorstellung: Christoph von Marschall über transatlantische Unterschiede

Er hat jahrelang für den Berliner „Tagesspiegel“ aus Washington berichtet und als erster deutscher Journalist Präsident Barack Obama interviewt: Christoph von Marschall kennt die USA, und er weiß auch von den Vorbehalten, die viele Europäer gegenüber der Supermacht im Westen haben. In seinem Buch „Was ist mit den Amis los?“ beschreibt er, warum die Menschen zwischen New York und Kalifornien anders ticken. Ende April stellte Christoph von Marschall sein Buch vor rund 300 Gästen im Landeshaus vor. Und er traf sich zum Gespräch mit der Landtags- zeitschrift.

Herr von Marschall, was wird die erste Trump ist Immobilienunternehmer sind und gleichzeitig kulturell völlig amerika- Amtshandlung des neuen US-Präsiden- und Quereinsteiger – kein Karriere­ nisiert. Wer schaut schon indische Filme oder ten Donald Trump? politiker. Auch das ist aus deutscher interessiert sich für chinesische Popmusik Donald Trump wird nicht US-Präsident. Sicht ungewöhnlich. oder fragt nach der neuesten Modewelle in Aus einem simplen Grund: Wenn Sie als In der Tat. Das zeigt die kulturellen Unter­ Russland? Amerika hat diese enorme kultu- gespaltene Partei in den Wahlkampf gehen, schiede zwischen Kontinentaleuropa und relle Ausstrahlungskraft, unabhängig davon, dann haben Sie schlechte Chancen. Und den USA. In Kontinentaleuropa herrscht ein was die USA wirtschaftlich oder politisch tun. die Republikaner sind gespalten in ein Pro- gewisses Misstrauen gegenüber Wirtschafts- Es gibt so einiges zu kritisieren: den Trump- und ein Anti-Trump-Lager, und aufsteigern. Wir glauben an den Staat, und wir Irak-Krieg, TTIP, Guantanamo … ich kann nicht sehen, wie diese Spaltung in sind es gewohnt, dass es Berufspolitiker gibt. Eine Menge Verhaltensweisen des ameri- den nächsten Monaten überwunden werden In Amerika ist die Grundstimmung genau kanischen Staates sind fragwürdig. Und es ist kann. umgekehrt. Man hat großes Misstrauen gegen gut, wenn sich Menschen in Europa dagegen- Die Person Trump irritiert und faszi- den Staat und die politische Klasse, und man stellen. Aber eines muss man sagen: Es gibt niert die Europäer. Mit diesem Auftreten hat eine für Deutsche oft ­unverständliche keine Kritik an Amerika, die nicht zuallererst würde man zumindest in Westeuropa Begeisterung für Leute, die in der Privatwirt- in Amerika geübt worden ist. Die Bestim- nie in die Nähe eines politischen Spitzen- schaft Erfolg haben. mungen zum Gefangenenlager Guantanamo amtes kommen … Viele Deutsche halten die USA für sind geändert worden, weil amerikanische Das glaube ich nicht. Ich denke eher, dass arro­gant und aggressiv. Andererseits gibt Bürgervereine und amerikanische Anwalts- es überraschend viele Parallelen gibt. Trump es kaum ein Land, das so amerikanisiert kanzleien den eigenen Präsidenten verklagt liegt bei rund 40 Prozent Zustimmung. Die ist wie Deutschland – vom Fernsehpro- haben. Nicht wegen Demonstrationen in hat auch der Front National in Frankreich. Die gramm über die Schnellrestaurants bis Frankreich oder Deutschland. Schweden-Demokraten haben in den Umfra- zum Einfluss auf die Sprache. Wie er­ Zurück zur Wahl: Ist der Weg also frei gen die Sozialdemokraten überholt und sind klären Sie sich diesen Widerspruch? für Hillary Clinton? stärkste Partei. Und in Ungarn oder Polen ha- Es gibt Aspekte des deutsch-amerikani- Alle, die glaubten, sie würden Amerika ver- ben wir dieses Phänomen auch. Deutschland schen Verhältnisses, die lassen sich nur tiefen- stehen, haben sich in diesem Wahljahr geirrt. scheint mir noch am immunsten zu sein – psychologisch erklären. Viele Ältere nehmen Amerikanische Kolumnisten fangen schon wegen seiner Geschichte. Deswegen kommt es den Amerikanern übel, dass sie uns von an, sich für das zu entschuldigen, was sie noch die AfD bundesweit nicht über zwölf oder 15 der Diktatur befreit haben, und dass wir das vor ein paar Monaten geschrieben haben. Ich Prozent hinaus. Aber das ist eher ein Zeichen nicht selber geschafft haben. Die 68er haben selbst hätte auch nicht gedacht, dass Trump für die deutsche Außergewöhnlichkeit und mit ihren Protesten gegen den Vietnam-Krieg und Bernie Sanders einen so lang anhalten- nicht für die amerikanische. eine Abrechnung mit den eigenen Eltern den Erfolg haben würden. Deswegen würde vorgenommen, über den Umweg Amerika. ich keine allzu hohen Summen wetten. Aber Und was die junge Generation betrifft: Viele wenn Sie schon wetten wollen, dann wetten scheinen den Widerspruch gar nicht wahr- Sie auf Hillary Clinton. zunehmen, dass sie politisch gegen die USA Interview: Karsten Blaas

26 DER LANDTAG 02/ 2016 PERSONALIEN

Nachrufe

Simone Lange, SPD-Abgeordnete aus Flensburg, wurde Anfang Juni zur Ober­ Trauer um vier verstorbene bürger­meisterin ihrer Heimatstadt ge- wählt. Die Kriminalpolizistin erreichte Abgeordnete 51,4 Prozent der Stimmen. Lange setzte sich gegen SSW-Amtsinhaber Simon Faber (22,8 Prozent) sowie zwei Der Landtag hat mehrerer seiner weitere Kandidaten durch. Die Amtsübergabe ist für den 17. Januar 2017 ehemaligen Mitglieder gedacht. vorgesehen. Langes Nachfolger wird voraussichtlich Stefan Bolln. Der Schorn- steinfegermeister aus Barmstedt (Kreis Pinneberg) ist der nächstfol- Der Ex-CDU-Abgeordnete und lang- gende Kandidat auf der SPD-Liste zur letzten Landtagswahl. jährige Bürgermeister von Neumünster Patrick Breyer ist erneut Fraktionschef der Piraten. Er hatte den Herbert Gerisch ist am 1. April im Alter ­Posten schon von 2012 bis 2013 inne. Der Jurist löste Torge Schmidt ab, von 93 Jahren verstorben. Herbert Ge- der nicht wieder kandidierte. risch gehörte dem ­Parlament von 1963 bis Beate Raudies (SPD) und Peter Sönnichsen (CDU) vertreten den 1967 sowie von 1970 bis 1977 an. Landtags- Landtag im Vorstand des Büchereivereins Schleswig-Holstein. präsident Klaus Schlie erinnerte an einen Peter Lehnert (CDU), Vorsitzender des Europaausschusses, vertritt „der wichtigsten Förderer der Kunst in Schleswig-Holstein“.­ den Landtag ab Oktober im Kongress der Gemeinden und ­Regionen So habe Gerisch mit seinem Skulpturen­park in Neumünster des Europarats. einen für alle Bürger zugänglichen Ort internationaler­ Kunst geschaffen.

Am 3. Mai ist der ehemalige SPD-Ab- geordnete Heinz Lund im Alter von Blickpunkt 90 Jahren verstorben. Er gehörte dem Landtag von 1962 bis 1978 an. Der Leh- Wahljahr 2017 rer aus Lübeck legte sein Mandat nieder, um Schulsenator seiner Heimatstadt­ zu Sie kandidieren erneut: ­werden. Landtagspräsident Schlie hob Ralf Stegner, SPD-Fraktionschef, will wieder für den Landtag kan- Lunds Arbeit im Volksbildungsausschuss hervor, in dem er didieren. Das gab er Mitte April auf einer Pressekonferenz in Kiel „wegweisende Arbeit für den Universitäts- und Bildungs­ bekannt. +++ FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bewirbt sich standort Lübeck” geleistet habe. erneut im Wahlkreis Eckernförde. +++ Die CDU hat Mitte Juni ihre Landesliste aufgestellt. Hinter Spitzenkandidat Ingbert Liebing Am 7. Mai ist Paul Möller im Alter von folgen 15 aktuelle Abgeordnete (Daniel Günther, Platz 2; Katja 99 ­Jahren verstorben. Als „SPD-Urge- Rathje-Hoffmann, 3; Klaus Schlie, 4; Barbara Ostmeier, 5; stein“ habe Möller schon zu Weimarer Hans-Jörn Arp, 6; Tobias Koch, 7; Johannes Callsen, 10; Axel Zeiten gegen die Republikfeinde von Bernstein, 11; Petra Nicolaisen, 12; Heiner Rickers, 13; Peter Rechts- und Linksaußen gekämpft, be- Lehnert, 14; Hartmut Hamerich, 17; Hans Hinrich Neve, 25; tonte Landtagspräsident Schlie. Der ge- Hauke Göttsch, 26; Klaus Jensen, 28). lernte Landwirt aus Ostholstein gehörte dem Parlament von 1968 bis 1983 an. Zudem habe Paul Möller Sie kandidieren nicht mehr: als jahrzehntelanger Bürgermeister von Heringsdorf und als Robert Habeck, Grüner Umweltminister und ehemaliger Frakti- Vizepräsident der Landwirtschaftskammer „beim materiellen onschef, will nicht wieder für den Landtag kandidieren. Stattdessen und auch beim geistigen Wiederaufbau seiner Heimat“ mit- will er Spitzenkandidat für die Bundestagswahl im September 2017 gewirkt. werden. +++ Rainer Wiegard, CDU-Abgeordneter und von 2005 bis 2012 Finanzminister, hat seinen Rückzug angekündigt. +++ Die Am 12. Mai ist Günter Flessner 85-jährig­ Grünen-Abgeordnete Anke Erdmann will sich nicht erneut um verstorben. Der Christdemokrat aus dem ein Mandat bewerben. Kreis Plön gehörte dem Landtag von 1971 bis 1988 an, ab 1975 war er 13 Jahre lang Landwirtschaftsminister. Flessner habe Runde Geburtstage „Schleswig-Holstein bis heute positiv geprägt”, sagte Landtagspräsident Schlie Ernst-Wilhelm Stojan aus Westerland, von 1964 bis 1982 für und erinnerte an Flessners Einsatz für den Nationalpark die SPD im Landtag, hat am 13. Mai seinen 90. Geburtstag gefeiert. ­Wattenmeer oder die Stiftung Naturschutz. Mit seiner Um- Roswitha Strauß aus Alveslohe, von 1996 bis 2005 für die CDU sicht, Sachkompetenz und Tatkraft sei Flessner „einer der im Landtag, hat am 30. Mai ihren 70. Geburtstag gefeiert. ­beliebtesten Politiker Schleswig-Holsteins“ geworden. Herzlichen Glückwunsch!

DER LANDTAG 02/ 2016 27 BÜCHER

BÜCHERECKE Vorlesewettbewerb: Ann-Sophie und Sarah siegen

Schleswig-Holsteins beste Vorleserin- Die Bibliothek des Landtages lädt ein nen heißen Ann-Sophie und Sarah. Die zwölfjährige Ann-Sophie Meier aus Die Landtagsbibliothek ist eine Service-Einrichtung für Abgeordnete und für Mitarbeiter aus Tangstedt, die das Lessing-Gymnasium Fraktionen und Verwaltung. Aber sie steht auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Interessierte in Norderstedt besucht, siegte Ende Bürger sind im zweiten Stock des Landeshauses herzlich willkommen. Dort stehen 25.000 Bände Mai beim Landesentscheid des Vor- aus den Gebieten Recht, Politik, Verwaltung, Sozialwissenschaften, Geschichte und Landes- lesewettbewerbs im Plenarsaal. Bei den kunde. Als Appetithappen stellen die Mitarbeiterinnen der Bibliothek in dieser Serie Werke vor, Kindern mit sonderpädagogischem die in den Räumen der Bibliothek eingesehen werden können. Förderbedarf gewann Sarah Ali (13) von Interessiert? Die Bibliothek ist von Montag bis Freitag zwischen 8:30 Uhr und 12:00 Uhr sowie der Leif-Eriksson-Gemeinschaftsschule zwischen 13:00 und 16:00 Uhr geöffnet. Bitte bringen Sie Ihren Personalausweis mit. Weitere in Kiel-Mettenhof. Informationen gibt es unter den Telefonnummern 0431/988-1110 und 0431/988-1111. Bei der Büchersuche hilft der Online-Katalog auf der Website des Landtages: www.sh-landtag.de, Neun junge Vorleser aus Gymnasien, „Service“, Rubrik „Landtagsbibliothek“. Gemeinschafts- und Förderschulen hatten sich für das Landesfinale qualifiziert. Sie Der Fall Reinefarth. Eine biografische Studie lasen der Jury zunächst aus ihrem Lieb- zum öffentlichen und juristischen Umgang mit der lingsbuch vor. Präsentiert wurden aktuelle NS-Vergangenheit. Von Philipp Marti. Bestseller wie „Rico, Oskar und die Tiefer- Neumünster: Wachholtz 2014. 397 S. schatten“ von Andreas Steinhöfel, aber Heinz Reinefarth war der einzige ehemalige SS-General, der nach auch Klassiker wie „So zärtlich war Suley- 1945 auf Landesebene ein politisches Amt innehatte. Als Kampf- ken“ von Siegfried Lenz. In der zweiten gruppenkommandant war er maßgeblich für die blutige Nieder- Runde lasen die Teilnehmer dann einen schlagung des Warschauer Aufstandes 1944 und für systematische Abschnitt aus einem zuvor unbekannten Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung verantwortlich. Wie Buch: „Foxcraft – Die Magie der Füchse“ er nach dem Krieg zum Bürgermeister von Westerland und schließ- von der israelischen Autorin Inbali Iserles. lich sogar zum Abgeordneten im Schleswig-Holsteinischen Landtag Den Wettbewerb, der unter der Schirm- aufstieg, beschreibt der Schweizer Historiker Philipp Marti. herrschaft des Bundespräsidenten steht, veranstaltet der Börsenverein des deut- Die Heyde/Sawade-Affäre. Wie Juristen und Mediziner schen Buchhandels bereits seit 1959. Es den NS-Euthanasieprofessor Heyde nach 1945 deckten und ist der größte bundesweite Lesewettstreit. straflos blieben. Von Klaus-Detlev Godau-Schüttke. Allein in Schleswig-Holstein machten Baden-Baden: Nomos 1998. 337 S. 22.500 Kinder an 270 Schulen mit. Die Heyde/Sawade-Affäre wurde Ende der 50er Jahre zu einem Be- Beim Bundesfinale in Berlin landete griff in den bundesdeutschen und internationalen Medien. Zentrale Ann-Sophie Ende Juni knapp hinter dem Figur war Prof. Dr. Werner Heyde, einer der Hauptverantwortlichen Sieger aus Niedersachsen. Nach Schleswig- für nationalsozialistische Mordaktionen an Behinderten und Kran- Holstein ging der Titel zuletzt 2005 – an ken. Obwohl er mit Haftbefehl wegen Mordes gesucht wurde, ge- einen Vorleser aus Norder stedt. lang ihm von 1950 bis zu seiner Enttarnung 1959 unter dem falschen Namen „Dr. med. Fritz Sawade“ eine zweite Karriere als Gerichts- gutachter in Schleswig-Holstein. Klaus-Detlev Godau-Schüttke arbeitet den Fall auf.

Begegnungen. Schleswig-holsteinische Geschichte in Lebensbildern. Von Detlev Kraack. Kiel: Wachholtz 2016. 287 S. Die Geschichte des Landes zwischen den Meeren wurde von Menschen geprägt, von vermeintlich großen wie ver- meintlich kleinen, von Männern und Frauen, Bauern und Adligen, Seefahrern und Predigern, Dichtern und Philo- sophen, Fürsten und Faulenzern, Kaufleuten und Bettel- männern. Mit dieser reich bebilderten Sammlung von Biografien lässt der Historiker Detlev Kraack ein Pano- Erfolgreiche Leseratten: rama von 1.200 Jahren bewegter Geschichte entstehen. Ann-Sophie (li.) und Sarah

28 DER LANDTAG 02/ 2016 NIEDERDEUTSCH

Mit plattdüütsche Riemels dörch dat Johr In dieser Gedichtreihe beschreibt Marianne Ehlers ihre Eindrücke von den Jahreszeiten – dieses Mal widmet sie sich dem schleswig-holsteinischen Sommer. Marianne Ehlers, Jahrgang 1953, ist niederdeutsche Bibliothekarin, Autorin und Sprachpolitikerin. Sie ist Referentin für Niederdeutsch des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes und Landesvertreterin im Bundesrat für Niederdeutsch. Besuchern des Landtages ist Marianne Ehlers durch den Offenen Besucherabend bekannt. Regelmäßig führt sie Interessierte „op Platt“ durch das Landeshaus. Die nächste plattdeutsche Führung ist am 5. September um 18:00 Uhr.

Sommer un rode Rosen

Rode Rosen an de Muer wenn ik ehr seh un rüük denk ik an Leev an ole Tieden un Sünn

Rode Rosen bi de Döör wenn ik ehr nehm un plück heff ik en Bild vun junge Minschen in’t Glück

Rode Rosen an dien Huus wenn ik dor stah un kiek bün ik wiet weg bi schöne Stünnen vull Warms

Rode Rosen as en Bild wenn ik dat seh un hool föhl ik de Tiet nu warrt dat Sommer in’t Land

Sommers‘ Rosen fi nn ik nu wenn du ehr magst un rüükst sünd wi doch eens nu is de Sünn hier bi uns

Marianne Ehlers

DER LANDTAG 01 / 2016 29 MELDUNGEN

Nachgehakt Kita-Datenbank noch mehr Medienvielfalt. Skepsis herrschte  hingegen bei CDU und FDP. Werbefinan- zierte Hörfunksender, so die Befürchtung, könnten den ohnehin unter Druck stehenden Lokalzeitungen das Anzeigengeschäft ab- graben. Wie wirken sich die Beschlüsse des Seit 1. Juni ist es so weit: Der erste Lokal- Landtages konkret aus? sender ist im Äther. „Syltfunk – Söl‘ring In dieser Serie zeigen wir Beispiele. Radio“ war bisher nur über Internet zu emp- fangen und sendet jetzt auch auf den UKW- Frequenzen 88,1 und 100,3 Megahertz. Das Managergehälter Studio in Tinnum bei Westerland versorgt die Insel Sylt und die Regionen Niebüll, Leck Im vergangenen Mai hat der Landtag ein- und Bredstedt. Zielgruppe sind rund 80.000 stimmig grünes Licht für den Aufbau einer Einwohner, aber auch die jährlich 6,5 Mil- Kita-Datenbank gegeben. Kernpunkt: ein lionen Urlauber. Der Syltfunk bietet Nach- Internetportal, das einen Überblick über die richten und Musik sowie Inhalte auf Friesisch aktuelle Auslastung der Kindergärten gibt. und Dänisch. Nach einer mehrmonatigen Testphase in vier Landkreisen ist die Datenbank Anfang Juni landesweit an den Start gegangen. Unter www.kitaportal-sh.de können Eltern nun kostenlos suchen, wo in ihrer Nähe wie vie- Mit großer Mehrheit hat der Landtag im le Plätze für welche Altersgruppen frei sind. vergangenen Juni ein „Vergütungsoffen- Auch eine Voranmeldung ist möglich, und legungsgesetz“ beschlossen: Geschäftsführer, die Kindergärten können sich mit ihrem Profil Impressum Verwaltungsräte oder Aufsichtsräte öffent- präsentieren. Damit habe Schleswig-Holstein Herausgeber: Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen licher Unternehmen müssen aufdecken, ein bundesweit einmaliges Angebot geschaf- Landtages wie viel sie verdienen. Es geht um Gehälter, fen, betont das Sozialministerium. Zu nächst Redaktion: Abfindungen, Provisionen und Pensions- sind aber die Kitas und Kommunen aufge- Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungs- management, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel leistungen. Ziel seien „Transparenz“, „Kont- fordert, ihre Informationen einzustellen. Die Tobias Rischer (V.i.S.d.P.) rolle“ und „Akzeptanz“, hieß es im Landtag. Teilnahme ist freiwillig, aber das Ministerium Tel. 0431/988-1120, [email protected] Karsten Blaas (Redakteur) Betroffen sind Anstalten und Stiftungen des hofft, dass das Land bis Jahresende flächen- Tel. 0431/988-1125, [email protected] öffentlichen Rechts, sowie Unternehmen, an deckend erfasst sein wird. Im Lande werden Janine Wergin (stellv. Redakteurin) denen das Land beteiligt ist – etwa Dataport, zurzeit 110.000 Kinder von 1.765 Kitas und Tel. 0431/988-1122, [email protected] Fotos: das Gebäudemanagement GMSH, die HSH 1.735 Tagespflegern betreut. Regina Baltschun, Thomas Eisenkrätzer, Michael August, Karsten Blaas, Janine Wergin, Vivien Albers, Nordbank oder das Uniklinikum UKSH. Anja Freudenthal, Landesarchiv Abt. 2003.2 Nr. Wie die neue Offenheit konkret aussehen 1941, 1980, 2003, 2027, 2050, Archiv des Landtages, Graphikfoto/Michael Staudt, Krach-Mach-Tach, soll, steht jetzt fest: Ab dem Geschäftsab- Uni Flensburg - Institut für schleswig-holsteinische schluss 2015 müssen die Unternehmen ihre Zeit- und Regionalgeschichte, Andras Hilbeck/ Lokalradio pixelio.de, Walter Reich/pixelio.de, Thorsten Top-Gehälter im Anhang an ihre Jahresbi- Bogdenand/pixelio.de, Andreas Kalfaß/pixelio.de, Michael Grabscheit/pixelio.de, Martin Berk/pixelio. lanz bekanntgeben. Das wird voraussichtlich de, Netzwerk Leichte Sprache, Wachholtz-Verlag, bis Sommer dieses Jahres passieren. Dann Nomos-Verlagsgesellschaft, GEDOK, fotolia_ melosine 1302 sind die Gehaltslisten auf der Website des Konzept: Finanzministeriums (erreichbar über www. Stamp Media im Medienhaus Kiel, Ringstraße 19, 24114 Kiel, www.medienhaus-kiel.de; schleswig-holstein.de) unter den Rubriken Titelseite: Amatik, Boninstraße 63, 24114 Kiel „Themen/Vergütungsoffenlegung“ zu finden. Gestaltung, Layout: Agentur LOADSMAN / I. Schumacher, Arp- Allerdings sei noch nicht abzusehen, wie Schnitger-Weg 38, 24229 Strande, www.loadsman.de viele Unternehmen von dem Gesetz erfasst Herstellung, Druck: Druckgesellschaft Joost & Saxen, werden, heißt es aus dem Ministerium. Nicht Eckernförder Str. 239, 24119 Kronshagen, nur deswegen sind die Piraten, die das Thema www.druckgesellschaftmbh.de Bezug der Landtagszeitschrift: 2013 auf die Tagesordnung gesetzt haben, un- (Abonnement und Versand kostenfrei) zufrieden. Sie kritisieren auch die „späte Ver- Soll es in Schleswig-Holstein kleine re- Landtag Schleswig-Holstein, Ref. f. Öffentlichkeits- arbeit und Veranstaltungs management, L1410, öffentlichung auf einen Schlag“. Mitte Juni gionale Radiosender geben, zusätzlich zum Postfach 7121, 24171 Kiel, Telefon 0431/988-1163, hat der Sparkassen- und Giroverband seine Angebot von NDR oder R.SH? Hierüber hat Fax 0431/988-1119, [email protected] Die Zeitung wird auf umweltschonend hergestelltem, Top-Gehälter bekanntgegeben. Demnach be- der Landtag im Laufe dieser Wahlperiode chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. tragen die Vorstandsbezüge zwischen 131.000 mehrmals gestritten. Koalition und Piraten Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 24,. Juni 2016 Der Landtag im Internet: www.sh-landtag.de und 393.000 Euro. waren stets dafür: Das Land bekomme so

30 DER LANDTAG 02/ 2016 BESUCHER Die Knesset-Abgeordneten Yifat Shasha-Biton, Masoud Ghanayim und Yousef Jabareen haben sich Anfang Juni über die Minderhei- tenpolitik im deutsch-dänischen Vor der Kieler Woche lagen im Landeshaus die Steiermark-Wochen. Grenzland informiert. Neben ­Mehrere Delegationen aus dem österreichischen Bundesland dem Landeshaus besuchten die ­er­kundigten sich im Mai und Juni über Politik, Forschung und Wirtschaft israelischen Parlamentarier auch in Schleswig-Holstein. Im Rahmenprogramm trat das Ensemble Flensburg und Apenrade. Die Ab- „Steirischer Brauch“ im Landeshaus auf. Die Musiker präsentierten den geordnete der Regierungspartei gut 100 Zuhörern Tanzmusik, Lieder und Jodler aus den Alpen. Kulanu und die beiden Parlamen- tarier der Vereinigten Arabischen Liste waren auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung und des in Flensburg angesiedelten „Euro- pean Center for Minority Issues“ in Deutschland.

Zu Besuch im Landeshaus Auf dem „Suchthilfetag“ Anfang Juni präsentierten sich die Landes­ verbände der Suchtselbsthilfe im Landeshaus. Hans-Jürgen Kain (li.), Landesvorsitzender der Guttempler, überreichte Landtagsvizepräsident Bernd Heinemann die Skulptur „Wegbegleiter“ – als Anerkennung für das langjährige Engagement des SPD-Sozialpolitikers in der Suchthilfe. Das Kunstwerk stammt vom Bildhauer Ernst Rasche aus Mülheim an der Ruhr.

„Tröpfli“, das DRK-Maskottchen, war Ende April Gast der jährlichen Blutspende-Aktion im Landeshaus. Unter dem Motto „Blutspenden verbindet“ übergab er Landtagspräsident Klaus Schlie ein rotes Band. Die Motorrad-Gruppe des Bundestages hat Ende Mai einen Zwischenstopp im 84 Blutspender wurden dieses Mal vom Deutschen ­Landtag eingelegt. Die 170 „Biker“ absolvierten ihre traditionelle „Freundschaftsfahrt“, Roten Kreuz zur Ader gelassen. Zum Vergleich: die in diesem Jahr nach Schweden führte. In Schleswig-Holstein und Hamburg benötigt das DRK täglich 550 Spenden.

DER LANDTAG 02/ 2016 31

Nr. 2/2016 C 2086 Falls Empfänger-Anschrift nicht mehr zu­ treffend, bitte diesen Abschnitt abtrennen und korrigiert zurücksenden an: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement, L1410, Postfach 7121, 24171 Kiel Termine, Termine . . . Ausstellung und Fortbildung zum Thema Stasi „Feind ist, wer anders denkt“: Unter diesem „Jugend im Landtag“ trifft sich Ende November Titel informiert eine Ausstellung im Landes- haus über die Staatssicherheit der DDR. Die Am Wochenende vom 25. bis zum 27. November lädt der Landtag Schau, die von der Berliner Stasiunterlagen­ wieder Jugendliche aus ganz Schleswig-Holstein ins Landeshaus ein. behörde zusammengestellt wurde, läuft vom Das alljährliche Treffen der „Jugend im Landtag“ findet bereits zum 6. bis zum 23. September. Sie gibt Auskunft 30. Mal statt. Junge Leute zwischen 15 und Anfang 20 diskutieren über die Methoden des Ministeriums für miteinander, erarbeiten Anträge und fassen Beschlüsse. Der Forde- Staatssicherheit und über die Auswirkungen­ rungskatalog der Jugendlichen wird dann der „großen“ Politik zur auf die ausgespähten Bürger. Mitarbeiter der Stellungnahme vorgelegt. „Echte“ Politiker fungieren als Berater. Wer Unterlagenbehörde führen durch die Ausstel- die Debatten journalistisch begleiten möchte, kann im Presseteam lung. Zudem besteht die Möglichkeit, einen mitarbeiten. Antrag auf Akteneinsicht in mögliche eigene Interessierte können sich bei Susanne Keller vom Besucherdienst Stasi-Unterlagen zu stellen. bewerben. Tel.: 0431/988-1118, oder: [email protected] Die Ausstellung ist montags bis freitags von 10:00 bis 18:00 Uhr ­geöffnet. Bitte bringen Sie Ihren Personalausweis mit.

Führungen für Gruppen können unter Tel. 0172/8133134 oder per Mail: [email protected] vereinbart werden. Am Dienstag, den 6. September, bietet die Unterlagenbehörde von 14:00 bis 17:00 Uhr eine vom IQSH anerkannte Lehrerfortbildung­ zum Thema „DDR und Stasi im Schulunterricht“ an. Am Mittwoch, den 7., und am Donnerstag, den 8. September, werden zwei Projekt- tage für Schüler ange­boten. Die Jugendlichen erhalten Einblick in Stasi-Quellen und diskutieren darüber. Anmeldung zu diesen Terminen bitte bis zum 29. August unter Tel.: 030/2324-8937 oder per Mail: [email protected]. Kunst mit Tisch und Tellern Im Juli wird im Landtag „aufgetischt“. Unter diesem Motto stellen rund 30 Künstlerinnen aus der Vereinigung GEDOK ihre Die Bürgerbeauftragte vor Ort Arbeiten im ersten Stock des Landeshauses aus. Kreisrunde Wer- ke der Bildenden Kunst werden den Besuchern auf einer 16 Meter Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El langen gedeckten Tafel dargeboten – wie Teller auf einem Tisch. Samadoni, ist auch im dritten Quartal des Jahres wieder im Lande Diese Darstellungsform soll Vorurteile über die Rolle der Frau in unterwegs, um Bürger vor Ort zu beraten. der Gesellschaft veranschaulichen. Neben den Bildern und Plasti- Donnerstag, 7. Juli: Lübeck Termine in Heide im Rathaus, ken, die alle exakt 40 Zentimeter Durchmesser haben, gibt es auch Montag, 11. Juli: Mölln Postelweg 1, 11:00 bis 15:00 Uhr. Literatur und Musik. Anlass der Ausstellung ist der 90. Geburtstag Dienstag, 19. Juli: Heide Termin in Mölln im Stadt- der GEDOK. Sie ­wurde 1926 als „Gemeinschaft Deutscher und Donnerstag, 4. August: haus, Wasserkrüger Weg 16, Oesterreichischer Künstlerinnen­vereine aller Kunstgattungen“ Lübeck 13:00 bis 17:00 Uhr. gegründet und versteht sich heute als „Gemeinschaft der Künst- Dienstag, 16. August: Heide Termin in Schwarzenbek im lerinnen und Kunstförderer“. Mit der Ausstellung setzen der Dienstag, 30. August: Rathaus, Ritter-Wulf-Platz 1, Landtag und die Investitionsbank Schleswig-Holstein ihre Reihe Schwarzenbek 11:00 bis 15:00 Uhr. „KunSt aktuell im LandesHaus“ fort. Donnerstag, 1. September: Zu den Terminen ist eine An- Die Ausstellung ist vom 7. bis zum 27. Juli von 10:00 bis 18:00 Lübeck meldung erforderlich. Telefon:­ Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei, Besucher sollten ihren Perso- Dienstag, 20. September: 0431/988-1240. nalausweis dabei haben. Eröffnet wird „aufgetischt“ mit einer Heide Hinzu kom­men die regelmä- Vernissage am 7. Juli um 19:00 Uhr. Am 18. Juli um 19:00 Uhr liest Termine in Lübeck bei der ßigen „Dienstleistungsabende“­ die Husumer Lyrikerin Therese Chromik aus ihrem Werk über die Deutschen Rentenversicherung in Kiel, Karolinen­ weg­­ 1: jeden GEDOK-Gründerin Ida Dehmel. Interessierte werden gebeten, Nord, Ziegelstr. 150, 10:00 bis Mittwoch von 15:00 Uhr bis sich unter [email protected] anzumelden. 17:00 Uhr. 18:30 Uhr.

32 DER LANDTAG 02/ 2016