Zeitschrift der Bundespolizei 38. Jahrgang ISSN 2190-6718 3-2011

Pass auf dich auf! Gewalt im Polizeialltag

Personal & Haushalt: Bundespolizei knapp bei Kasse? kompakt im Gespräch mit Präsident Seeger Seite 32

In- & Ausland: Einsatz am Berliner Hauptbahnhof Seite 14

Technik & Logistik: Praktische Strickjacken Mehr Licht und Reißver­schlüsse für Bundespolizisten Seite 46 | 3-2011

Inhalt

Flexibilität ist alles Umgang mit sozialen Netz- Ich bin dann mal weg werken Polizeibeamter mit Taktstock. 780 km in 34 Tagen. Auf dem Jakobs- Stefan Weber lebt für und durch Das Netz vergisst nie! weg durch Europa. die Musik. Seite 34 Seite 38 Seite 49

„„ Titelthema Sparmaßnahmen bei der Bundes- Mehr Licht und Reißverschlüsse Pass auf dich auf! polizei ...... 32 für Bundespolizisten . . . . 46 Gewalt im Polizeialltag . . . . 4 „„ Portrait „„ Leserbriefe „„ In & Ausland Flexibilität ist alles . . . . . 34 Einsatz am Berliner „„ Sport & Gesundheit Hauptbahnhof ...... 14 „„ Recht & Wissen Ich bin dann mal weg . . . . 48 Die Polizei im Königreich Hinweise für den Umgang mit Infektionsschutz in der Belgien ...... 20 sozialen Netzwerken . . . . 38 Bundespolizei ...... 52 Wo der Schuh drückt ...... 23 „Mit Ihnen würde ich jederzeit reden“ Kein Flug wie jeder andere . . 24 Die Arbeit der Kommunikations­ „„ Zu guter Letzt Ein unerwartetes Ende . . . . . 28 teams ...... 40 60 Jahre Bundespolizeiabteilung „„ Personal & Haushalt „„ Technik & Logistik Deggendorf ...... 54 Leben zwischen Lenkrad und Grenzkontrolltechnik heute Gemeinsam am Brandenburger Leitungsbüro ...... 30 und morgen ...... 43 Tor – 60 Jahre Bundespolizei . . 55 | 3-2011

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Impressum

Herausgeber Bundespolizeipräsidium

Redaktion Sandra Pfeifer (V.i.S.d.P.), Kristian Veil, Maik Lewerenz, Stefanie Kuhn, Daniel Nedwed, Stefan Perschall, Freya Schröder, Michaela Heine, Friedrich-Willhelm Britt, Armin Thiel, Lars Beyer, Torsten Henkel, Sven Drese, Anika Manthey, Kurt Lachnit, Cora Thiele, Thomas Borowik, Fiona Roloff

Anschrift Liebe Leserinnen und Leser, Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam

Telefon „den Gürtel enger schnallen“ lautet „Gefällt mir!“– Solche Worte hört man 0331/97 997-9404, -9407 Telefax die Devise. Nein, der Grund ist nicht eher selten in der Bundespolizei. In 0331/97 997-9411 etwa die neue Brigitte-Diät für den sozialen Netzwerken drückt man Sommer, sondern es sind die Spar- jedoch häufig sehr schnell den E-Mail [email protected] maßnahmen der Bundesregierung, -Button für ein tolles Foto die auch die Bundespolizei treffen. oder eine Standortanzeige von Layout & Satz Was die Einsparungen für die Bun- Freunden. Wenn Sie wissen möchten, Fachinformations- und Medienstelle der Bundespolizei despolizei bedeuten und wie wir dem welche Gefahren im Netz lauern und Druck Anspruch als Polizei noch gerecht was wir als Angehörige der Bundes- Media-Print Informationstechnologie GmbH werden können, darüber haben wir polizei darüber wissen sollten, werfen Paderborn mit dem Präsidenten des Bundes- Sie einfach einen Blick auf unsere Auflage polizeipräsidiums, Matthias Seeger, Tipps für den sicheren Umgang mit 12.000 gesprochen. sozialen Netzwerken. Wir danken allen Autoren für die in dieser Ausgabe veröffentlichten Beiträge. Mehr Respekt vor der Polizei forderte Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe Für den Inhalt der Beiträge sind grundsätz- Bundesinnenminister Dr. Friedrich wünscht Ihnen lich die Autoren verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht der anlässlich seines Antrittsbesuchs bei Kürzung und Änderung von Beiträgen vor. der Bundespolizei in Potsdam im Mai. Hintergrund dieser Äußerungen sind In den Artikeln der kompakt wird aus Formulierungsgründen grundsätzlich nur die steigenden Gewaltdelikte gegen Ihre Sandra Pfeifer die männliche Form verwendet, alle Polizisten. Wie sich Kollegen in brenz- Redaktion Bundespolizei kompakt Ausführungen beziehen sich jedoch ligen Situationen fühlen, was Exper- gleichermaßen auch auf Frauen. ten im Umgang mit Konflikten raten Redaktionsschluss und was Organisationen wie Amnesty für die Ausgabe 4-2011 International dazu sagen, lesen Sie in 16. Juni 2011 unserem Titelthema. Titelthema

Pass auf dich auf! – Gewalt im Polizeialltag

"Während eines Einsatzes denke ich nicht darüber nach, wie ich mich fühle. Das kommt erst später, wenn ich bei meiner Familie bin: Dann bin ich dankbar, wie gut es uns geht und ich spüre den Rückhalt; mit meiner Frau rede ich häufig über den Beruf. Als Polizist bin ich an- gewiesen auf ein stabiles soziales privates Umfeld", sagt Manfred Perl (Name geändert).

58-jährige Polizei- Situationen sind nicht immer vor­ Gewalt als Berufsrisiko? Der hauptmeister ist seit hersehbar. So kann eine gewöhn- 37 Jahren Bundespolizist – „mit Leib liche Identitätsfeststellung plötzlich Es klingt wie eine Binsenweisheit. und Seele“, wie er betont. Er hat zu einer handfesten Rangelei führen Der Beruf des Polizisten ist gefährlich. vieles von dem erlebt, was man als und nicht zuletzt mit einer Festnahme Die Realität spricht eine deutliche Polizist erleben kann. Trotzdem: Vor enden. An Wochenenden ist dies Sprache: Die Zahl der Angriffe auf jedem Einsatz stellt sich der Fami- auf Bahnhöfen schon fast traurige Polizeibeamte erreichte im Jahr 2010 lienvater die Frage: Was bringt die Normalität. Beamte werden belei- ihren Höchststand seit der Erfassung nächste Schicht? Komme ich heil digt, geschubst, bespuckt, getreten, in der Polizeilichen Eingangsstatistik wieder nach Hause? Denn schwierige geschlagen. im Jahr 2000. So wurden im letzten | 3-2011

der Bundesbereitschaftspolizei sowie der Bundespolizeidirektionen Hannover, Sankt Augustin und Berlin. Eine der Ursachen für die gestiegenen Zahlen: Durch ein verbessertes 5 Meldeverfahren hellt sich das Dunkelfeld auf. Das jedenfalls meint Thomas Os- terroth, Präsident der Direktion Hannover, für seinen Bereich. „Es gibt aber auch einen tatsächli- chen Anstieg der tätlichen Angriffe. Meistens handelt es sich um gezielte Würfe mit Glasflaschen oder anderen gefährlichen Gegenständen sowie Pyrotechnik“, so Osterroth weiter.

Das Hauptproblem für Thomas Osterroth sind vor allem aggressive Fußballfans und „Gewaltorgien“ bei Demonstrationen „In den Wochen- endnächten haben wir es zusätzlich noch mit Gruppen von betrunkenen um den 1. Mai in Berlin und Ham- Diskobesuchern zu tun, die auf Jahr 1 228 Angriffe auf Bundespolizis- burg, dafür eskalierte die Gewalt im ihrem Heimweg bei entsprechender tinnen und Bundespolizisten gezählt. vergangenen Jahr aber vor allem beim Gelegenheit Polizeibeamte tätlich Ein Jahr zuvor waren es noch 867 Castortransport nach Gorleben. Die angreifen. Respekt vor der Polizei? Angriffe. Bilanz allein vom 7. November 2010: Fehlanzeige!“ 58 Angriffe auf Bundespolizisten Die Bundespolizei registrierte zwar und sechs Verletzte. Besonders von Neben der Quantität hat sich auch weniger Angriffe bei den Einsätzen Gewalt betroffen waren die Beamten die Qualität der Attacken verändert.

Ein Moment der Ruhe und Zeit nachzudenken, aber wirklich abschalten? Fehlanzeige – jede Sekunde kann sich die Situation ändern! | 3-2011

Marianne Ludwig, Evangelische Pfarrerin im Bundespolizeipräsidium, führ- te im letzten Jahr Interviews für 6 ein Projekt unter Auszubilden- den mit dem Titel: Gewalt gegen Polizeibeamte – Strategien im Umgang mit Gewalterlebnissen. Dieses Projekt sollte Unterstüt- zung und zugleich Anregung für Auszubildende sein, mit Gewalt im Berufsalltag umzugehen und dennoch die Freude am Beruf zu behalten. Denn dieses Thema ist allgegenwärtig! Die Interviews spiegeln das Bild aktueller Veröf- fentlichungen zur Gewalt gegen Polizeibeamte wider.

Corinna* Faustschläge und Tritte sind mittler- Kollegin mich mit den Worten zu- Manicke, 29 Jahre weile an der Tagesordnung. Und: Vie- rückhielt: ,Komm, lass sein!’ Letztlich le Täter sind polizeibekannte Schlä- hat der Betrunkene die Maßnahme „Als wir in die Zelle kamen, ger. Zwei Drittel von ihnen schlagen akzeptiert.“ ist er auf meinen Kollegen los im Alkoholrausch zu. und hat ihn gewürgt. Mit dieser Aggression hat niemand von Gegen den zunehmenden Res- uns gerechnet, wir dachten, pektverlust kann die Polizei nicht viel der kann doch höchstens noch ausrichten; das ist ein gesellschaft- torkeln. Ich war vollkommen liches Phänomen. „Jedoch könnte überrascht, und nach den ersten durch ein klug eingesetztes Alko- Schrecksekunden haben wir holkonsumverbot in Regionalzügen ihn zu Boden gebracht […]. Der und gegebenenfalls auf besonders hatte meinen Kollegen richtig betroffenen Bahnhöfen diese Proble- fest in der Würge. Dieses Bild matik entschärft werden“, so Thomas habe ich immer noch vor Augen, Osterroth. Er setzt außerdem auf wie er meinen Kollegen angeht, ein äußerst konsequentes Auftreten und ich musste dann ja eingrei- seiner Beamten. fen. […] Aber als wir die Zelle verließen, haben wir uns beide angeguckt: Was war denn jetzt Immer Ruhe bewahren los? Wir waren vollkommen perplex.“ „Besonders wichtig ist es aber, auch in Stresssituationen cool zu * Name geändert bleiben“, erklärt Manfred Perl. „Vor einigen Jahren bin ich bei einer Absperrung von einem Betrunkenen aufs Übelste beleidigt worden. Wir standen schon Aug in Aug, als eine | 3-2011

Innere Ruhe und Ausgeglichen- Pfalz und im Saarland. Die Sozial­ Denn die Folgen von Gewalt kön- heit – das geht für Manfred Perl nur wissenschaften kennen verschiedene nen für Betroffene dramatisch sein. mit einem intakten Familienleben. Er Erklärungsansätze: „Die gestiegene In besonders schlimmen Einzelfällen ist froh, mit seiner Frau immer über Gewaltbereitschaft bei gleichzeitig kann sich daraus eine Posttraumati- alles sprechen zu können. „Sie kann sinkender Hemmschwelle ist noch sche Belastungsstörung entwickeln. zuhören, auch wenn sie nicht immer nicht abschließend erforscht. Die Deshalb setzt der Sozialwissenschaft- gleich die perfekte Lösung parat hat. gängigen Erklärungen reichen von liche Dienst auch auf Beratungs- 7 Aber darum geht es gar nicht. Mir ist Vorbildern aus den Medien und angebote und eine professionelle einfach wichtig, im Gespräch das Er- Elternhäusern über zunehmende Nachbereitung von Extremereignissen lebte zu verarbeiten und den Rückhalt soziale Ausgrenzung mit sozialer Un- – und beides beginnt direkt nach dem meiner Familie zu spüren.“ gleichheit, sinkender Affektkontrolle Einsatz mit Gesprächen mit Kollegen durch Drogen und Alkohol bis zu und Vorgesetzten, in denen die Ereig- einem Zerfall staatlicher Autorität nisse verarbeitet werden. Beratung, Betreuung durch den gesellschaftlichen Werte- und Prävention – der wandel.“ Auch im Training Sozialwissenschaftliche Aus praktischer Sicht empfiehlt bleiben Blessuren nicht Dienst Eckerskorn für den Umgang mit dem polizeilichen Gegenüber die aus Was sind die Ursachen für die Anwendung von Strategien kommuni- steigende Gewalt gegen Polizisten? kativer Deeskalation und Übung in Bei der Vorbereitung auf Ausnah- Mit dieser Frage beschäftigt sich der taktischer Kommunikation. Rhetorik­ mesituationen spielt nicht nur die Sozialwissenschaftliche Dienst der training sowie mentale und körperli- psychische Komponente eine wichtige Bundespolizei. Michael Eckerskorn che Fitness, Routine durch Polizeitrai- Rolle, auch die körperliche Fitness ist ist der Leiter der Außenstelle Swist- ning und Selbstverteidigung erleich- enorm wichtig. Dafür sorgt unter ande- tal, zuständig für Bundespolizisten tern die Handhabung schwieriger ren Marco Reinhardt. Seit 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Situationen. ist er bei der in

Sicher und überzeugend auftreten mit Strategien zur Deeskalation und taktischer Kommunikation. | 3-2011

Blumberg tätig. „Blessuren bleiben nicht aus, aber nachhaltige körperli- che Schäden blieben mir zum Glück erspart.“ Als Einsatztrainer weiß der 47-Jährige, wie wichtig regelmäßige­ Übung ist. 46,5 Stunden Situations- 8 training einschließlich Einsatztraining muss jeder Polizeibeamte, der im regelmäßigen Einsatz ist, pro Jahr leis- ten. Vor Einsatzsituationen, wie etwa dem 1. Mai, kommen nach Möglich- keit zusätzliche Trainings hinzu.

Für brenzlige Situationen emp- fiehlt Reinhardt: Ruhe bewahren und sich einen Überblick über die Lage verschaffen, Provokationen aushalten, nicht arrogant wirken, aber Selbstsi- cherheit ausstrahlen und wissen, was rechtlich möglich ist. Damit es auch im Ernstfall klappt, schwört Reinhardt auf realitätsnahes Training. Am besten durch Situationen, die in aktuellen Ein- Überblick behalten: Auch wenn die Situation zunächst unübersichtlich scheint. sätzen vorgekommen sind. Dadurch sieht er auch eine erhöhte Akzeptanz -Müssen“ hat in den letzten Jahren reitung auf Einsatzsituationen. Sich der zu vermittelnden Ausbildungsinhal- einen neuen Stellenwert erhalten. selbst mit Gefahrenlagen auseinan- te gegeben. Abschließend zählt aber: derzusetzen, sich selbst jeden Tag Polizeiarbeit ist Teamarbeit! Das „Sich- „Das entbindet jedoch niemanden bewusst zu machen, dass extreme aufeinander-verlassen-Können und von seiner eigenen mentalen Vorbe- Lagen jederzeit möglich sind – das

Ruhe Bewahren: Die Polizisten müssen nicht nur die Situation, sondern auch sich selbst unter Kontrolle haben. | 3-2011

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obliegt jedem einzelnen Kollegen. Zu im Amt gegen Angehörige einer an- Seminare zur Stressbewältigung an, unserem Beruf gehört maßgeblich die deren Einsatzhundertschaft erstattet. um ihre Beamten auf entsprechende Beseitigung von Gefahrenlagen, auch Nach letztem Stand der Ermittlungen Lagen vorzubereiten. unter Einsatz der eigenen Gesund- sollen die Zivilfahnder am Abend des heit oder gar des Lebens. Das muss 1. Mai von uniformierten Beamten im insbesondere den jungen Kollegen Bereich des Kottbusser Tors mit Pfef- Ernst zu nehmende deutlich klargemacht werden“, so ferspray und Faustschlägen traktiert Vorwürfe aufklären Reinhardt. worden sein. Die Folge: vorüberge- hende Dienstunfähigkeit. Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen über Vorfälle rechtswidriger Ausnahmefall Wie kann es zu solchen Vorfällen Polizeigewalt gibt, fordert Dr. Ka- Überreaktion kommen? Für Dr. Andreas Bräuner tharina Spieß, bei Amnesty Interna- vom Sozialwissenschaftlichen Dienst, tional (AI) zuständig für Polizei und Aber auch wenn die große Mehr- Leiter der Außenstelle Waldsrode, Menschenrechte, die Aufklärung heit der Polizeibeamten ihre zum Teil kommen in einem solchen Fall ver- jedes einzelnen ernst zu nehmenden sehr gefährliche Aufgabe mit großem schiedene Faktoren zusammen, die Vorwurfs rechtswidriger Polizeige- Pflichtgefühl und selbstverständlich sich dann in einer Gewalthandlung walt. „Erstmals im Jahr 2010 sind rechtmäßig erfüllt, gibt es auch eine entladen. „Hier wird einfach die Frus- bundesweite Statistiken über Ermitt- andere Seite. Auch Polizisten können trationsgrenze überschritten. Erreicht lungsverfahren gegen Polizeibeamte überreagieren. der Stress in einer unübersichtlichen wegen Zwang, Körperverletzung und Situation einen bestimmten Pegel, Nötigung für das Jahr 2009 veröffent- geht das zulasten der Denkleistung, licht worden. Danach wurden im Jahr Körperverletzung im und urmenschliche Mechanismen 2009 knapp 3 000 Ermittlungsverfah- Amt werden ausgelöst. Das bedeutet: ren gegen Polizeibeamte eingeleitet. Flucht oder Angriff – eine ganz na- Die Ergebnisse dieser Ermittlungs- So haben zwei Angehörige einer türliche und menschliche Reaktion, verfahren wurden nicht erfasst, auch Einsatzhundertschaft der Berliner Po- die auch physiologisch bedingt ist.“ wenn die Staatsanwaltschaften dazu lizei Anfang Mai Strafanzeige wegen Trotzdem „darf“ das nicht passieren verpflichtet gewesen wären“, sagt des Verdachts der Körperverletzung und deshalb bietet die Bundespolizei Spieß. | 3-2011

10 Die Kennzeichnung von Polizeibeamten ist umstritten: In Berlin 2008 für Angehörige des SEK | 3-2011 eingeführt, in Hamburg bereits 1995 umgesetzt und in Brandenburg müssen sich Polizisten ab 2013 kennzeichnen.

Oft werden Polizeibeamte auch führte im Jahr 2008 fünfstellige ungerechtfertigt der Gewaltausübung Nummern für Angehörige von Son- bezichtigt. Auch gegen Manfred Perl dereinsatzkommandos ein, die nach Thomas* lief schon einmal ein Verfahren wegen jedem Einsatz gewechselt werden. Behring, 29 Jahre Körperverletzung im Amt. Damals war Nach Ansicht von Amnesty Interna- er Versorger und wartete am Bahn- tional können Vorwürfe so schneller „Auf einmal sahen wir einen hof, als auf einmal ein junger Mann aufgeklärt werden, weil Handlungen älteren Mann, der mit einer 11 auftauchte und sich am Wärmebehäl- einzelnen Beamten zugeordnet wer- Schusswaffe auf den Boden ter bedienen wollte. „Ich habe es ihm den können. zielte und zweimal schoss. Eine verwehrt, er hätte doch wenigstens Frau stand vor ihm. Als Erstes fragen müssen. Doch er versuchte, Für die Hamburger Polizei ist das setzten wir eine Funkmeldung mich zu provozieren: ,Willst du mich Tragen des Namensschildes gegen- ab, damit die Kollegen wussten, etwa aufhalten?’ Ich habe ihm einen wärtig kein Thema. Schon zur Zeit wo wir waren und parkten das Platzverweis erteilt, den Platzverweis der grünen Uniformen, das heißt Auto in einigem Abstand. Mein wiederholt und ihn nach Androhung seit etwa Sommer 1995, wurde ein Partner blendete ihn mit der körperlicher Gewalt mit einem Griff Namensschild getragen. „Abgese- Taschenlampe, während ich ihn ans Revers schließlich weggezerrt. Er hen von Einzelfällen wurden bisher aufforderte, die Waffe wegzuste- stellte dann gegen mich eine Anzeige keine negativen Erfahrungen mit der cken. Zum Glück hatte er sich wegen Körperverletzung im Amt“, Kennzeichnung gemacht“, bestätigt bereits gefangen und die Waffe erinnert sich Perl. Die Angelegenheit Burkhard Rosenberg, Leiter Öffent- in die Tasche gesteckt. Später ging letztlich gut für Perl aus. Be- lichkeitsarbeit. stellte sich heraus, dass es sich sonders deutlich wurde für ihn aber um einen Sportschützen han- damals: Rechtssicherheit in der Hand- Ganz so bedenkenlos sieht Sven delte, der wohl auf diese Weise lung ist für Polizeibeamte sehr wichtig, Hüber vom Bundespolizeihauptper- seiner Frau nach einer Ehestrei- und zwar nicht nur dann, wenn der sonalrat beim Bundesministerium des tigkeit seinen Standpunkt klar­ Vorwurf der Körperverletzung im Amt Innern eine Kennzeichnungspflicht für machen wollte. In der Auswer- im Raum steht. Polizeibeamte nicht: „Ob sich jemand tung haben wir uns noch einmal in der Bundespolizei ein Namens- genau angeguckt, wie wer schild an die Uniform heften will oder gehandelt hat, auch wenn alles Kennzeichnung durch nicht, muss der freien Entscheidung gut ausgegangen ist. Mein lang- Namensschild oder jedes Einzelnen in der jeweiligen jähriger Streifenpartner und ich Situation überlassen bleiben. Auch nehmen uns immer Zeit für eine Nummer Bundespolizisten haben Persönlich- Auswertung, um die erlebten keitsrechte, die zu respektieren und Situationen durchzusprechen.“ Die Menschenrechtsaktivisten von zu schützen sind. Es wäre geradezu Amnesty International sind überzeugt, unerträglich, wenn man der Bundes- dass viele ernst zu nehmende Vor­ polizei ein Misstrauen entgegenbräch- Eva-Maria* würfe rechtswidriger Gewaltanwen- te, wenn man sie grundsätzlich unter Heimreich, 25 Jahre dung insbesondere im Zusammen- Generalverdacht stellen und deshalb hang mit Großeinsätzen oder Einsät- zur Straftatverhütung kennzeichnen „Er fing also an, den Kollegen zen von Spezialeinsatzkommandos würde. Das geht eindeutig zu weit! zu bedrohen und schrie ihn an: nicht aufgeklärt werden konnten, Für öffentliches Misstrauen gegen- ,Was willst Du von mir?’ Nase an weil die betreffenden Polizeibeamten über unseren Kolleginnen und Kolle- Nase standen die sich gegen- nicht identifiziert werden konnten. gen gibt es keinen Anlass. Es ist gut, über. Die wären jeden Augenblick Lösen will Amnesty das Problem dass die Bundesregierung sich hier aufeinander losgegangen. Da durch eine „Kennzeichnungspflicht“ schützend vor die Bundespolizisten habe ich angefangen zu schrei- von Polizisten. Schließlich sei eine stellt.“ en. Ich war völlig außer mir. Ich solche in anderen europäischen wollte unbedingt meinen Kollegen Ländern bereits üblich. Die Kenn- Denn trotz einer kleinen Anfrage schützen. Ich habe geschrieen, zeichnung müsse so ausgestaltet der Fraktion DIE LINKE sieht die Bun- dass er endlich aufhören soll.“ sein, dass der Polizist zwar individuell desregierung keine sachliche Not- erkennbar sei, aber dadurch nicht wendigkeit, für die in ihrem Zustän- * Namen geändert gefährdet werde. Das Land Berlin digkeitsbereich tätigen Bundespolizei- | 3-2011

Martin* Kösler, 48 Jahre

„Verletzungen merkt man 12 meist nicht sofort, dazu ist zuviel Adrenalin im Blut. Auch Emo- tionen kommen später. Wenn ich nach Hause fahre und mit dem Hund gehe, dann sinniere ich vor mich hin und die Bilder kommen, wenn ich im Bett liege. Wütend und traurig machen mich aber andere Erlebnisse. So zum Beispiel wenn Kinder betroffen sind oder sich die Täter bewusst Schwächere aussuchen.“

Eberhard* beamten eine Kennzeichnungspflicht Uniform, denn Bedrohungen gibt es Gäthke, 48 Jahre einzuführen. genug und immer wieder. Negative private Auswirkungen müsse man ja „Mein Ringfinger bleibt ge- Manfred Perl stellt sich beim Bür- auch nicht provozieren. krümmt. Da habe ich einen fest- ger grundsätzlich mit seinem Namen genommen und abgeführt, als vor, hätte aber auch kein Problem mit Dennoch sagt Perl nach 37 Jahren der andere gegen meine Hand einer Kennzeichnung. Allerdings hält Berufserfahrung mit Überzeugung: trat. Weil der von hinten kam, er ein Nummernsystem für besser „Ich bin gern Polizist. Man arbeitet habe ich den nicht gesehen. Ich als das Tragen des Namens auf der mit Menschen, erlebt etwas, kommt konnte nicht sofort reagieren, weil ich den anderen ja im Griff hatte.“ Jeder muss sich auf den Anderen verlassen können. Vertrauen hat im Einsatz einen besonderen Stellenwert.

Thomas* Heinze, 36 Jahre

„Was die Schutzausstattung wert ist, habe ich am 1. Mai 2009 gesehen: Lediglich in der Achselbeuge hatte ich nachher lauter blaue und bunte Flecken von den Flaschen- und Stein- würfen. […] Es gibt Augenblicke extremer Intensität. Zum Beispiel bei der Demo am 1. Mai 2010: Man guckt in den Himmel, sieht die ganzen dunklen Punkte und weiß – all das sind Steine.“

* Namen geändert | 3-2011

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herum und wird akzeptiert. Wer Meine Frau verabschiedet mich heute Polizist werden möchte, sollte einse- noch immer mit: ,Pass auf dich auf!’“ hen, dass es Sinn macht, was man von ihm verlangt: Sport, Rechtssi- Maik Lewerenz cherheit, physische und psychische Foto: Daniel Nedwed Belastbarkeit. Die Partnerin muss Vertrauen haben, wenn man sagt: Ich fahre für drei Tage in den Einsatz, Mit Farbbeutel beworfen und Pyrotechnik gezündet. und sie muss hinter einem stehen. Auch in diesem Jahr war das Kottbusser Tor in Berlin am 1. Mai ein Einsatzschwerpunkt. In- & Ausland

Ein Einsatzwochenende der Bundespolizeiinspektion Berlin-Hauptbahnhof

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Mit Freunden und Bekannten zum „Tanz in den Mai“ oder zum „Hexenbrennen“ gehen und am 1. Mai vielleicht das „Myfest“ in Berlin besuchen. Vorstellungen die den meisten Bundespolizisten in der Walpurgisnacht und am Tag der Arbeit fremd sind. Auch dieses Jahr bedeutete das besagte Wochenende eher Überstunden als private Feierlich- keiten.

grund der deutsch- wortung aufgrund der Vielzahl von Freitag, 29. April 2011 Auf landweit geplanten Ereignissen an diesem Wochenende Veranstaltungen rund um den 1. Mai zu staffeln: Die Inspektionen Haupt- Los ging’s am vorletzten Apriltag, wurden für diesen Tag erstmalig alle bahnhof und Ostbahnhof wurden auf den sich die BPOLI Berlin-Haupt- Fußballspiele ausgesetzt und auf den jeweils am 29. und 30. April 2011 mit bahnhof schon seit mehreren Wochen 29. April 2011 vorverlegt. Die Bun- der stadtweiten Führung beauftragt. vorbereitet hatte. Neben den am despolizeidirektion Berlin (BPOLD B) Den Einsatz am 1. Mai 2011 führte Abend beginnenden Fußballspielen – entschied sich, die Führungsverant- die BPOLD Berlin. SV Babelsberg 03 gegen SG Dynamo | 3-2011

Dresden (Kategorie: Rot) im Babels- beteiligten Vereinen und anderen schädigungen und Beleidigungen) be- berger Karl-Liebknecht-Stadion, Behörden getroffen. Diese intensive gehen würden. Der Polizeiführer der Hertha BSC Berlin gegen und langwierige Planung war nicht BPOLI Berlin-Hauptbahnhof entschied TSV 1860 München zuletzt auch deswegen nötig, weil sich für eine taktisch günstige Varian- im Berliner Olym- der Bereich Einsatz/Auswertung der te des Zugriffs in Berlin. Nach dem piastadion und BFC BPOLI Berlin-Hauptbahnhof parallel Konzept „Eingreifbahnhöfe“1 wurden Dynamo gegen TSG für die Vorbereitungen der ebenfalls zusätzliche Kräfte über die BPOLD 15 Neustrelitz im Sportfo- stadtweit zu führenden Einsätze des Berlin angefordert. Es gelang uns, die rum Hohenschönhausen Pokalendspiels MSV Duisburg gegen ohnehin für das Treptower Hafenfest – musste die Abreise der FC Schalke 04 am 21. Mai 2011 und geplante Mobile Kontroll- und Über- Union-Fans nach Bochum des Eröffnungsspiels der Frauen-Fuß- wachungseinheit (MKÜ) vorzuverle- sowie die An- und Abfahrt von ball-WM am 26. Juni 2011 verant- gen. Die Frühschicht verblieb bis auf Berlinern und ihren Gästen zum wortlich war. Weiteres im Dienst und eine weitere traditionellen Treptower Hafen- MKÜ, die sich gerade in der Aus- fest überwacht werden. Nachdem die Vorbereitungen ab- und Fortbildung befand, wurde uns geschlossen waren, sollte der Einsatz 1 In Zusammenhang mit der An- und Abreise zu Fußball- Dazu musste ein Großteil der am besagten Tag mit Unterstützungs- spielen und anderen Veranstaltungen treten wieder- personellen und materiellen Res- kräften aus Bad Düben sowie Berlin kehrend Störungen auf, die konzentrierte Maßnahmen der Polizei gegen bahnreisende Störer-/Tätergruppen sourcen ausgeschöpft bzw. erst und damit insgesamt 540 PVB um (polizeiliche Risikogruppen) erfordern. einmal „aufgetrieben“ werden, sodass 14:30 Uhr beginnen. Zur unmittelba- Das Einsatzverfahren „Eingreifbahnhof“ der Bundes- polizei (BPOLP vom 22. Juni 2010) legt für diesen während der Einsatzvorbereitungen ren Einsatzvorbereitung, einschließlich Einsatzanlass die einheitliche Vorgehensweise in der zur sogenannten geplanten Beson- der Einsatzbesprechung, nahmen Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung sowie dem Zusammenwirken mit eigenen und benachbarten deren Aufbauorganisation (BAO) Teile der Führungsgruppe ihren Dienst Kräften für plötzlich eintretende, nicht konkret vorherseh- bare Lagen fest. neben direktionseigenen Kräften auch bereits gegen 12:00 Uhr auf. Der Ziel ist die Einleitung konsequenter polizeilicher Maßnah- Kräfte der Bundesbereitschaftspolizei Regeldienst befand sich in der Vorauf- men der Bundespolizei gegen in der Reisebewegung befindliche Gruppen von Gefahrenverursachern und angefordert wurden. Schon Wochen sicht. Kurz nach zwölf Uhr bekam der Straftätern an einem zuvor durch die Bundespolizei vorher wurden auf Einsatz- und Vorbe- Dienstgruppenleiter der Frühschicht festgelegten Ort („Eingreifbahnhof“). Die Maßnahmen im „Einsatzverfahren Eingreifbahnhof“ sollen den Störern reitungsbesprechungen notwendige die Mitteilung eines Fankundigen vor Ort nachhaltiges polizeiliches Handeln aufzeigen und Abstimmungen mit den Polizeien der Beamten (FKB) der BPOLD München, somit general- und spezialpräventive Wirkung entfalten. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Dritter und Länder Berlin und Brandenburg, den dass einige der 60 mitgereisten Fans des Bundes sollen ermöglicht werden. Mittelfristig soll des TSV 1860 München im IC 2208 eine Verhaltensänderung bei polizeilichen Risikogruppen auf dem Gebiet der Bahnanlagen des Bundes bewirkt Die Personalien der 1860-Fans wurden nach Ankunft im München – Berlin Straftaten (Sachbe- werden. Berliner Hauptbahnhof kontrolliert. | 3-2011

durch die BPOLD Berlin zusätzlich zur jeder 1860-Fan konnte das nachvoll- Berlin begleitete die verbliebenen Verfügung gestellt. Notwendige Ab- ziehen. Die Frage „Sind wir hier etwa Fans im Anschluss bis zum Olympia- sprachen mit dem Bahnhofsmanager im Osten?“ wurde durch eine Beamtin stadion. Die eigentlich ungeplante des Hauptbahnhofes der Deutschen mit „Herzlich willkommen in unserer Zusammenarbeit mit der MKÜ und Bahn AG und der Berlin Hauptstadt!“ kommentiert. Es wurden den Fankundigen Beamten der wurden getroffen. Noch bevor der Strafverfahren wegen Sachbeschädi- BPOLD München verlief reibungslos. 16 Intercity 2208 mit den Fans vom TSV gung, Beleidigung, Verstoßes gegen Nun konnte der eigentliche Einsatz 1860 München gegen 14:00 Uhr die das Betäubungs­mittelgesetz und beginnen. Berliner Stadtgrenze erreicht hatte, Verstoßes gegen das Sprengstoffge- stand unsere kurzfristig aus dem Bo- setz eingeleitet. Bei der Überprüfung Unter Gewährleistung der stän- den gestampfte Einsatzorganisation. wurden 13 „Gewalttäter Sport“ fest- digen Fantrennung verlief die gestellt. In Absprache mit der Landes- bahnseitige Anreise von 14 800 Eine MKÜ erwartete den Intercity polizei Berlin wurden drei qualifizierte Fußballfans zum Olympiastadion bereits am ersten Berliner Haltepunkt, Platzverweise ausgesprochen. Diese ohne Vorkommnisse. Im Bereich des dem Bahnhof Platzverweise Potsdamer Stadtteils Babelsberg Südkreuz. Den sind einem zeit- wurden Fans des SV Babelsberg 03 1860-Fans ver- Den Fans verging lich befristeten nur in Kleingruppen festgestellt. Die ging langsam das Aufenthaltsverbot Dresdner Gästefans reisten haupt- Lachen. Beim das Lachen für eine bestimm- sächlich in Fanbussen und Pkw zum Einfahren in den te Örtlichkeit Karl-Liebknecht-Stadion. Die Partie Berliner Hauptbahnhof und dem Erbli- gleichzusetzen. Im konkreten Fall Babelsberg – Dresden musste zwi- cken einer weiteren MKÜ sowie des wurde den Fußballfans untersagt, sich schenzeitlich unterbrochen werden. gesamten Regeldienstes der Früh- dem Berliner Olympiastadion zu nä- Fans zündeten bengalische Feuer und und Spätschicht kippte die bereits hern. Der Umkehrschluss: Das alles Pyrotechnik. getrübte Stimmung im Zug endgültig: hätte man auch günstiger zu Hause Alle Fans mussten sich einer Iden- vor dem 21,5-Zoll-Flachbildschirm Nach der Begegnung Hertha BSC titätsfeststellung unterziehen. Nicht haben können. Eine MKÜ der BPOLD – TSV 1860 München fuhren ca.

Ein Ausflug zum Fußball in die Hauptstadt – so hinterließen die 1860-Fans den Zug. | 3-2011

17 800 überwiegend alkoholisierte Mittel zur Durchsetzung ihrer (Fan-) len. Eine unabdingbare Maßnahme, Fans mit der Bahn vornehmlich in die Interessen sehen. da auf diese Weise die Nachtschicht Stadt zurück. Dabei kam es trotz mas- an beiden Tagen in der Zeit von siver Polizeipräsenz in den S-Bahnen Daraufhin wurde die beim familiär 20:00 bis 04:00 Uhr durch ca. 25 und an den Schwerpunktbahnhöfen geprägten Treptower Hafenfest einge- Beamten der eigentlichen Spätschicht zu einigen wenigen Sachbeschädi- setzte MKÜ zur Unterstützung des Re- verstärkt werden konnte. gungs- und Körperverletzungsdelik- geldienstes zum Bahnhof Zoo­logischer 17 ten. Die 1:2-Niederlage verwehrte der Garten verlegt. Gegen 22:30 Uhr „Ich sehe die Umstellung auf zwölf „Hertha“ und ihren Anhängern eine entschärfte sich die Situation am Breit- Stunden, im Sinne der Gleichvertei- vorzeitige Meisterschaftsfeier. Somit scheidtplatz. Die Fans gingen nach lung des Arbeitsaufkommens, positiv blieben der erwartete Autokorso so- Hause, der Ver- und komme per- wie eine volksfestähnliche Siegesfeier anstalter des Ha- Umstrittene Zwölf- sönlich gut damit auf dem Ku’damm aus. Letztendlich fenfestes löschte zurecht“, so der fanden sich ein paar hundert Hertha- die Lichter und Stunden-Schicht 28-jährige POK Fans auf dem Breitscheidtplatz, in der die BAO wurde Fabian Kalisch Nähe des Bahnhofes Zoologischer zu 23:00 Uhr aufgelöst. Der Einsatz aus Berlin. Schließlich laste die zu Garten ein, um den weniger erfolgrei- konnte ohne größere Vorkommnisse bewältigende Arbeit dann auf mehre- chen Spieltag gemeinsam ausklingen beendet werden. ren Schultern, so der stellvertretende zu lassen. Dabei kam es im Zustän- Dienstgruppenleiter weiter. Kollegen, digkeitsbereich der Landespolizei die nicht in der Nähe der Dienststelle noch zu diversen Auseinandersetzun- Samstag, 30. April 2011 wohnen, sahen das allerdings nicht gen. Auslöser dafür war neben dem ganz so entspannt: „Allein meine Ergebnis wohl die Tatsache, dass Die Inspektionsleitung der BPOLI Fahrzeit beträgt hin und zurück schon einige Ultràs – fanatische „Fans“, die Berlin-Hauptbahnhof entschloss sich, drei Stunden. Dann noch zwölf Stun- ihren Verein immer und überall „best- den Regeldienst während der Walpur- den Dienst – da bleibt nicht viel vom möglich“ unterstützen – Schlägereien gisnacht und am Tag der Arbeit auf Wochenende“, äußerte ein weiterer und Krawalle als ein akzeptiertes eine 12-Stunden-Dienstzeit umzustel- Beamter. Die in Berlin eingesetzten Bundespolizisten erlebten einen | 3-2011 weitestgehend entspannten Sonntag

Abgesehen von den typischen eine rückläufige Bilanz hinsichtlich der fromm bis zur Lutherstadt Wittenberg. Walpurgisnacht-Veranstaltungen verübten Straftaten gegenüber dem Hier mussten die Begleitkräfte die wurde am 30. April 2011 das 132. Vorjahr verzeichnen konnte. Demonstranten endgültig trennen, Baumblütenfest in der Stadt Werder da die Kapazität des Anschlusszuges an der Havel eröffnet. Im Laufe der nicht für beide Teilnehmergruppen Jahre hat sich das Baumblütenfest Sonntag, 1. Mai 2011 ausreichte. Somit bekamen die linken 18 in der Nähe von Potsdam – nach Demonstranten doch noch ihren dem Münchner Oktoberfest – zum Die BPOLD Berlin hatte sich inten- eigenen RE. Die nunmehr auf knapp zweitgrößten Volksfest Deutschlands siv mit einer BAO auf die möglichen 60 angewachsenen linken und auf ca. entwickelt. An den Wochenenden Szenarien anlässlich der Veranstal- 100 gestiegenen rechten Demonstra- besuchen vorzugsweise viele tungen am 1. Mai vorbereitet. Die in tionsteilnehmer kamen aber letztend- erlebnis­orientierte Berliner und Berlin eingesetzten Kräfte der Bun- lich, ohne nennenswerte Vorkommnis- Brandenburger Jugendliche bzw. despolizei erlebten allerdings einen se, getrennt und pünktlich in Halle an. Heranwachsende das Weinfest. Das weitestgehend entspannten Sonntag. Während der Veranstaltungen musste fragwürdige Motto „Sich mal wieder Den Einsatzabschnitt (EA) Raum- die Landespolizei Sachsen-Anhalt richtig die Kante geben!“ steht dabei schutz Bahn bildete die BPOLI Berlin- einige Sitzblockaden im Stadtgebiet hoch im Kurs. Hauptbahnhof mit auflösen. Es kam zu leichten körperli- Die ab 22:00 insgesamt 233 chen Auseinandersetzungen. Uhr einsetzende Beamten aus Rückreise stellte Sich richtig die Berlin und einer Für den Raum Berlin wurden meh- sich nicht nur am Alarmeinheit von rere Veranstaltungen angemeldet. Bahnhof Werder Kante geben der Bundespoli- Sogenannte „Platzhalterveranstaltun- als Problem dar. zeiakademie. Es gen“ wurden kurz vor Beginn abge- Oftmals fallen galt schließlich, sagt. Bekannte Veranstaltungen, wie die eng gedrängten „Alkoholleichen“ den störungsfreien Ablauf der An-, z.B. das „MyFest“ rund um den aus dem Regionalexpress direkt auf Ab- und Durchreise von rechten und Oranienplatz oder die Demo „Her- Berlins Bahnsteige. Zwei Zellen je linken Veranstaltungsteilnehmern zu aus zum revolutionären 1. Mai! Für Revier sind für die vielen „Schutz- den jeweiligen bundesweit stattfin- die soziale Revolution weltweit“ am gewahrsamskandidaten“ demnach denden Demonstrationen zu gewähr- Kottbusser Tor, fanden statt. Die De- schnell besetzt. An den meisten leisten. monstration am Kottbusser Tor hielt Stadtbahn­höfen waren zwar Einsatz- die Kollegen der Landespolizei Berlin kräfte präsent, dennoch häuften sich Die Deutsche Bahn AG gab schon zeitweise in Atem. Es kam zu erheb- die Ereignisse auf der Rückreise. zu Beginn unseres Einsatzes be- lichen Ausschreitungen; Straßen- Während dieser Nächte eilen die kannt, dass der für die erwarteten schlachten wie in den Vorjahren gab Einsatzkräfte unserer linken Veranstaltungsteilnehmer es jedoch nicht. Dienststelle jedes Jahr von Bahnhof vorgesehene RE nach Halle aufgrund zu Bahnhof, da immer mit einer einer Stellwerkstörung nur bis Brück Gegen 20:00 Uhr reisten die Vielzahl von Körperverletzungsde- (Brandenburg) fahren würde. Schade rechten Demonstranten aus Halle – likten, Sachbeschädigungen und nur, dass in Brück keine Demonstra- begleitet von Einsatzkräften – nach Beleidigungen zu rechnen ist. Trotz tion stattfand. Nach kurzer Beratung einer friedlichen Kundgebung in die oder gerade wegen der Umstellung innerhalb der Führungsgruppe des EA Hauptstadt zurück. Erfreulicherweise auf den 12-Stunden-Dienst kommen Raumschutz Bahn entschieden wir, blieb die Lage auch am Abend ruhig. alle Kräfte bei solchen Einsätzen an die etwa 30 linken Demonstranten in Die BPOLD Berlin stellte ihre BAO zu ihre Grenzen. Mit einer unverstärkten den Regionalexpress zu setzen, der 00:30 Uhr ein. Nachtschicht wäre eine solche Nacht eigentlich für die erwarteten rechten nur schwer zu managen. Obwohl Demonstrationsteilnehmer vorge- Alles in allem: Auch dieses Wo- am Eröffnungstag mehr Besucher sehenen war. Diese schauten nicht chenende war geschafft, und am als im vergangenen Jahr mit der schlecht, als sie „Zuwachs“ erhielten. Montagmorgen begleitete mich eine Bahn anreisten – ca. 22 000 –, wur- Beide Personengruppen wurden je- Coverversion von Bob Geldofs Song den weniger Straftaten festgestellt. weils durch einen Einsatzzug unserer „I don’t like Mondays“ wieder zum Vermutlich hat das zuvor erlassene unterstützenden Kräfte begleitet. Ge- Dienst … Glasflaschenverbot dazu beigetragen, treu dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ dass die BPOLI Berlin-Ostbahnhof fuhren alle gemeinsam und lamm- Nadine Marschner | 3-2011

19 | 3-2011

Die Polizei im Königreich Belgien Das Königreich Belgien, unter anderem berühmt für seine Schokolade, liegt an der Nordsee und grenzt an Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und 20 Frankreich. Belgien hat etwa 10,8 Millionen Einwohner und eine Staatsfläche von 30 528 km². Die Landessprachen sind Niederländisch, Französisch und Deutsch.

Beginn dieses Jahrtau- 29 300 Polizeibeamte. Sie gliedert Der Chef der Organisation ist der Zu sends hat Belgien seine sich in insgesamt 196 über das Generalkommissar. Er leitet und koor- Polizeiorganisation grundlegend gesamte Land verteilte Polizei- diniert die drei Generaldirektionen. umstrukturiert. Wie in den Nachbar- zonen. staaten der Benelux-Union wurde Die Generaldirektionen sind mit auch in Belgien eine Neuorganisation Neben dem Zonenchef als po- folgenden Aufgabenschwerpunkten der Polizeidienste angestrebt und mit lizeilichem Leiter der Polizeizone betraut: dem sogenannten „Octopus-Abkom- nehmen auch die Bürgermeister, das men“ im Jahr 2001/2002 umgesetzt. Polizeikollegium und die Gemein- „„ Generaldirektion der Ziel der Umstrukturierung war die deräte Einfluss auf die polizeiliche Verwaltungs­polizei Schaffung einer zeitgemäßen belgi- Arbeit in der jeweiligen Polizeizone. schen Polizeiorganisation, die die Gemeinsam mit der Föderalen Polizei Zur belgischen Verwaltungspolizei Erwartungen der Bevölkerung in und dem Prokurator des Königs (vgl. gehören u. a. die Straßenverkehrs­ punkto Sicherheit erfüllt. Staatsanwalt) werden alle vier Jahre polizei, die Bahnpolizei, die Luftfahrt- zonale Sicherheitspläne erstellt, die polizei und die Schifffahrtpolizei. An die Stelle der traditionellen Poli- die vorrangigen Ziele und Aufgaben Außerdem ist die Verwaltungspolizei zeidienste, wie der Gendarmerie, der der Lokalen Polizei festschreiben. verantwortlich für den Schutz der Gemeindepolizei, der Gerichtspolizei Mitglieder der königlichen Familie und bei der Staatsanwaltschaft und der Paläste sowie für die Einwanderung Bahnpolizei (La Police des chemins Die Föderale Polizei und die Grenzkontrolle. Weiterhin de fer), trat eine neue, auf zwei Ebe- unterstützen die Kräfte der Födera- nen strukturierte Polizeiorganisation Die Föderale Polizei steht unter der len Polizei Schwerpunkteinsätze der – die Föderale Polizei und die Lokale Aufsicht der Minister des Polizei. Innern und der Justiz und ist für spezielle Polizeiauf- Beide Polizeiebenen arbeiten auto- gaben im ganzen Land nom und sind verschiedenen Behör- zuständig. den unterstellt. Mit ihren 15 145 Beamten, wovon 11 300 Die Lokale Polizei als Polizeivollzugsbeamte ihren Dienst verrichten, Die Lokale Polizei nimmt die nimmt die Föderale polizeilichen Kernaufgaben wahr. Als Polizei eine Vielzahl unter- Anlaufstelle für die Bürger findet hier schiedlicher Aufgaben die alltägliche Revierarbeit statt. wahr. Diese Aufgaben Das Logo der belgischen Polizei lässt eine weiße Flamme oder Hand sind drei verschiedenen erkennen, die sich in einem blauen Kreis befindet. Die weiche Linie dieses Symbols steht für die guten Kontakte und die erfolgreiche Insgesamt beschäftigt die Lokale Generaldirektionen zuge- Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bevölkerung sowie für die gut Polizei 33 000 Mitarbeiter, davon sind ordnet. funktionierende Kooperation zwischen den Polizeibehörden. | 3-2011

Die Reiterei wird vorwiegend durch die Lokale Polizei zur Bewältigung besonderer Einsätze angefordert, z.B. bei Umzügen und Fußballspielen. Seit der Unabhängig- keit Belgiens werden die Könige bei offiziellen Umzügen von einer königlichen Pferdeeskorte begleitet. Diese prestigeträchtige Aufgabe gebührt den Reitern und Pferden der Föderalen Polizei. Die 132 Reiter der könig- lichen Eskorte sitzen ausnahmslos im Sattel belgischer Pferde. (www.polizei.be) 21

Der Arbeitsplatz der Straßenverkehrspolizei ist die belgische Autobahn. Die motorisierten Polizeibeamten (Pkw oder Motorrad) gehören einer von neun Einheiten der Straßenverkehrs­polizei an, die insgesamt rund 1 000 Personalmitglieder beschäftigt. (www.polizei.be)

Lokalen Polizei, zum Beispiel Fußball- Gerichtsbezirken des Landes durch Europäische spiele oder Demonstrationen, da die Kriminalpolizeidirektionen geführt. Zusammenarbeit lokalen Polizeizonen in Belgien in der Auf lokaler Ebene unterstützt die Regel nicht über Spezialausrüstungen die lokalen Ermitt- Grundsätzlich nimmt die belgische wie z. B. Hubschrauber oder Wasser- lungsdienste durch Fachpersonal der Polizei ihre Aufgaben auf dem bel- werfer verfügen. technischen und wissenschaftlichen gischen Staatsgebiet wahr. Darüber Polizeilabore. hinaus pflegt sie aber auch enge „„ Generaldirektion der Kriminal­ Beziehungen zu ausländischen Poli- polizei „„ Generaldirektion Unterstützung zeidiensten und Organisationen wie und Verwaltung Interpol und EUROPOL. Die belgische Gerichtspolizei, all- gemein auch Föderale Kriminalpolizei Diese Direktion ist mit der Verwal- Eine weitere Hauptaufgabe der genannt, koordiniert auf Zentralebene tung der finanziellen Mittel, des Ma- Föderalen Polizei ist der Schutz der und bekämpft die überörtliche und terials und des Personals beauftragt. Schengen-Binnengrenzen und der organisierte Kriminalität. Zu den Aufgaben zählen zum Beispiel europäischen Außengrenzen. die Personalgewinnung, die Aus- und Die Ermittlungen der Kriminal- Fortbildung sowie der Juristische Die bilaterale Zusammenarbeit polizei werden dezentral in den 27 Dienst. mit Deutschland findet vor allem mit | 3-2011

den Polizeien der Länder Nordrhein- Folge wurden 4 588 Personen, (EPICC) in Heerlen/Niederlande Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie Fahrzeuge und Dokumente überprüft hervorgegangen. Hier arbeiten Poli- mit der Bundespolizei statt. Gemein- oder Informationen dazu ausge- zeien aus den drei Staaten, auch die same Fahndungstage, temporäre tauscht. Bundespolizei, zur Verbesserung der Kontrollstellen sowie anlassbedingte grenznachbarschaftlichen Koope­ Einsatzmaßnahmen stehen dabei auf Darüber hinaus arbeitet seit ration unter einem Dach zusam- 22 dem Programm. mehr als 40 Jahren in der EUREGIO men. Maas-Rhein (Großraum Aachen- Die belgische Polizei ist Mitglied Maastricht/NL-Lüttich/B.) die Arbeits- im „Gemeinsamen Zentrum der Po- gemeinschaft der niederländischen- lizei- und Zollzusammenarbeit“ (GZ) belgischen-deutschen Polizeien. Bernd Küppers in Luxemburg und beteiligt sich somit Besonders in den Facharbeitskreisen Stefan Eiden am polizeilichen Informationsaus- Einsatz, Verkehr, Kriminalität, Leit­ Philippe Hilligsmann tausch – und das nicht zu knapp, wie stellen sowie Aus-/Fortbildung findet ein Blick in die Statistik beweist. Im ein reger Informationsaustausch Foto: Jahr 2010 wurden im GZ Luxemburg statt. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft Direktion der internen Beziehungen 1 666 Anfragen zwischen beiden ist 2005 das Euregionale Polizei- der Generaldirektion der Unterstüt- Ländern ausgetauscht. In der Informations-Cooperations-Centrum zung und der Verwaltung

Die Einheiten und das Material des Sonderein- satzdienstes stehen den anderen Einheiten rund um die Uhr und sieben Tage die Woche zur Verfügung. Der Sondereinsatzdienst bietet jede spezialisierte Unterstützung, um den besonderen Bedürfnissen und Erwartungen der Antragsteller gerecht zu werden, die bei der Föderalen und Lokalen Polizei sitzen oder externe Partner sind. (www.polizei.be)

Die Schifffahrtpolizei übt die Polizeigewalt aus in den wichtigsten Jacht- und Segelhäfen, auf den Binnenwasserwegen sowie auf dem gesamten Seegebiet, welches zum belgischen Hoheitsgebiet gehört. Ihr Tätigkeitsbereich ist sehr fachspezifisch und erfordert eine besondere Ausbildung und spezielles Material. (www.polizei.be) | 3-2011

Kolumne: Die Außenansicht Wo der Schuh drückt

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lärmenden Halbwüchsigen, die einen in Bundespolizei ins Auge springen, stellt jedem öffentlichen Verkehrmittel regel- sich doch die Frage: Wieso werden in recht umzingeln. Der Mangel an einem Jahr 840 Ausbildungsplätze an- Manieren ist gleichermaßen bei ange- geboten und ein Jahr später nur noch henden Bundespolizisten zu bemerken etwas mehr als die Hälfte davon? Der – schon bei den einfachsten Aufgaben! gehobene Dienst wird mit 150 und der Was kann denn daran so schwer sein, mittlere mit 300 Plätzen beglückt. Da dem erschöpften Urlaubsrückkehrer muss wohl radikal aussortiert werden. bei der Passkontrolle mit einem strah- Anfang der Neunzigerjahre wiederum lenden Lächeln entgegenzutreten und war der Bedarf so groß, dass man na- ihm Pralinen samt einem Blumenstrauß, hezu jeden Bewerber einstellen konnte wahlweise einer Schachtel Zigarren, – und musste. Mit einem abermaligen mit auf den Nachhauseweg zu geben? Aufschwung ist 2014 zu rechnen. Zustände sind das! Und statt sich in Wann die Zahlen wieder sinken wer- korrektem Umgang mit dem Bürger zu den, bleibt eine Überraschung. üben, ziehen die jungen Herrschaften lieber um die Häuser, bis auch das Die Nachwuchsplanung ist unreif – letzte Spirituosen führende Geschäft unreifer als diese verdorbene Jugend bankrott gegangen ist. selbst. In die Kinderschuhe, die den jungen Bewerbern langsam aber sicher Die Jugend heutzutage … doch zu klein werden, wird das Ausbil- dungskonzept wohl noch recht lange Sie das Mit meinen 20 Jahren darf ich passen. Und das, obwohl man meinen Kennen etwa das sagen – ich gehöre schließlich sollte, dass es allmählich oft genug nicht? Sie holen sich ein neues Paar selbst dazu. Man mag uns viel vorwer- hingefallen und wieder aufgestanden ist, Schuhe, merken aber erst zu Hause, fen wie Ignoranz oder Desinteresse um anhand der blutigen Schürfwunden dass diese recht klein ausfallen. Sie an unserer Umwelt, aber die Suche gelernt zu haben, das nächste Mal acht- ziehen also noch mal los und holen nach dem richtigen Beruf beschäftigt samer beim Rennen zu sein. Vielleicht sie sich einfach eine Nummer kleiner. sogar uns Kindsköpfe sehr. Welche haben die Turnschuhe gedrückt. Logisch! Einem ähnlich raffinierten Tätigkeit will ich die nächsten 40 – 50 System folgt die Bundespolizei zur- Jahre ausüben, bin ich dafür geeignet, Aber mit zu kleinen Schuhen liegt zeit auch. Der Altersdurchschnitt der garantiert sie mir Sicherheit? Journalis- man momentan ja glücklicherweise im Mitarbeiter steigt stetig an, und da wird mus, Kunst oder Marketing gehören zu Trend. einfach – klare Sache – weniger Nach- den Problemfeldern, wenn es um die wuchs eingestellt! Suche nach einem Arbeitsplatz geht. Svenja Kärting Dass nicht mal mehr die Polizei ihren studiert Germanistik sowie Kunst- Das hat natürlich seine Vorteile, Bewerbern Sicherheit bieten kann, zeigt und Kulturgeschichte. Während denn die heutige Jugend ist ja bekann- Abgründe auf. eines zweimonatigen Praktikums in termaßen ohnehin verwöhnter und der Pressestelle der Bundespolizei- chaotischer denn je. Wertedenken, Bei Betrachtung der Einstellungs- direktion München hatte sie Gele- Anstand und Respekt haben stark zahlen, die zurzeit jedem Leser in Ar- genheit, einen Blick hinter die Kulis- nachgelassen und zwar nicht nur bei tikeln zur Burnout-Problematik bei der sen der Bundespolizei zu werfen. | 3-2011

Kein Flug wie jeder andere …

… aber auch keine Aufgabe wie jede andere. Sie begreifen sich nicht als 24 Elitepolizisten, obwohl sie eine harte und anspruchsvolle Ausbildung hinter sich haben. Und sie sind keine Einzelkämpfer, sondern arbeiten nur im Team. Ihr Job ist kräftezehrend und, auch wenn alles gut läuft, durchaus gefährlich. Die Rede ist von den Flugsicherheitsbegleitern. Ein Erfahrungsbericht.

ist kurz vor ein Uhr nachts. Auf dem Internati- die Fahrt vom Hotel zum Flughafen vorbei an einer der Es onal Airport zeigt das Thermometer auch jetzt größten und prunkvollsten Moscheen der arabischen Welt. noch 20 Grad Außentemperatur. Mein Team und ich haben Andererseits wird man an fast jeder Straßenecke mit der zusammen mit den anderen Passagieren das klimatisierte bitteren Armut der unzähligen Elendsviertel konfrontiert. Terminalgebäude verlassen und gehen über das Vorfeld Eindrücke, die oft über Tage hinweg in meinem Gedächt- auf den Jumbo zu, der uns zurück nach Deutschland nis haften bleiben und dazu führen, dass ich gewisse bringen soll. Luxusprobleme zu Hause in Deutschland eher gelassen betrachte. Hinter meinem Team und mir liegen rund 24 Stunden Aufenthalt in einem der ärmsten Länder dieser Welt. Einem Mein Team und ich. Wer sind wir? Wir sind Flugsicher- Land, das geprägt ist von vielen Gegensätzen. So führt heitsbegleiter (FSB) und Angehörige der Bundespolizeiin- spektion Flughafen Frankfurt/Main VI. Im internationalen Sprachge- brauch bezeichnet man uns gerne als Sky Marshalls. Das hört sich zwar reißerisch an, aber jeder in unserer Inspektion weiß, dass wir eine Aufgabe wahrnehmen, bei der kühle Professionalität und absolute Wachsamkeit gefragt sind; Möch- tegernrambos sind bei uns fehl am Platz. Doch zurück zum Inter­ national Airport.

Es ist für unseren Auftrag immens wichtig, dass wir nicht als Polizeibeamte zu erkennen sind. Das ist mitunter gerade für neue Kollegen gar nicht so einfach, denn im Einsatz kann man schon mal bei einem kurzen Geplänkel beim Check-in oder beim Small Talk mit seinem Sitznachbarn im Flugzeug gehörig ins Schwitzen kommen

Das Flugsicherheitsbegleiter-Team betritt das Flugzeug. | 3-2011

– vor allem dann, wenn der Gesprächspartner keine Als wir unsere Reiseflughöhe erreicht haben, beginnen deutschsprachigen Wurzeln hat. Die meisten unserer neu- die Flugbegleiter mit dem Service. Die meisten Passagiere en Kollegen verstehen spätestens jetzt, warum auch das haben ihre Sitze in Betten verwandelt und schlafen bereits. Training zur Aufrechterhaltung der Legendierung im Verlauf Die Mahlzeiten sind bald serviert und alle Flugbegleiter der Verwendungsfortbildung zum FSB und während der bemüht, den Service rasch abzuwickeln, um allen Passa- regelmäßigen Fortbildungen in der Inspektion einen hohen gieren die gewünschte Nachtruhe zu ermöglichen. Für die Stellenwert einnimmt. nächsten Stunden verwandelt sich die Kabine in eine Dun- 25 kelkammer, in der man ohne Leselampe kaum die eigene Die Flugzeugkabine ist bereits gut gefüllt, als ich Hand vor Augen erkennen kann. Es ist nicht nur dunkel, meinen Sitzplatz erreiche. Eine Flugbegleiterin serviert sondern auch wohlig warm und mittlerweile überkommt den sichtlich müden Passagieren Erfrischungsgetränke. auch mich eine große Müdigkeit. Doch anders als alle Die Stimme des Kapitäns informiert über den geplanten anderen Passagiere dürfen meine Kollegen und ich kein Flugverlauf, und die Flugbegleiter bereiten sich auf ihre Auge zumachen, wir müssen wach bleiben – sozusagen Sicherheitsdemonstration vor. Das übliche Prozedere hellwach und ständig in Alarmbereitschaft. Ich bin wach also. Der Kapitän hatte mich bereits vor Abflug in einem Gespräch darüber informiert, dass er kei- ne Besonderheiten während des Fluges erwartet und mit einem voll ausgebuchten Flugzeug rechnet. Bei diesem Gespräch staunte der Kapitän, als er anstatt eines 1,90 Meter großen, muskelbepackten „Kerls“ eine Frau vor sich stehen sah, denn alle Kolleginnen und Kollegen müssen das gleiche Anforderungsprofil erfüllen. Und welcher Terrorist oder Passa- gier vermutet schon hinter einer gut gekleideten, jungen Frau mit Handtasche eine Polizistin mit Spe­ zialausbildung?

Es ist jetzt kurz vor halb zwei und unsere Maschine rollt lang- sam in Richtung Startbahn. Das Kabinenlicht wird abgedunkelt, und ich mache es mir in meinem Sitz bequem. So soll es zumindest auf meine Sitznachbarn wirken. In In der Regel ziehen die Flugsicherheitsbegleiter das Flugticket an den Check-in-Automaten in den Terminals, Wirklichkeit gehe ich in Gedanken um das Check-in-Personal nicht kontaktieren zu müssen. unsere Standardverfahren für den Ernstfall durch und beobachte möglichst unauffällig das und vertiefe mich als vermeintlicher Nachtmensch in eine Verhalten der anderen Passagiere. Das habe ich auch Zeitung nach der anderen. Alles scheint seinen normalen schon bei der Ankunft am Flughafen getan. Das ist nicht Gang zu gehen. Hier und da ein sonores Schnarchen und immer so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick einige wenige, die tatsächlich nicht schlafen können und erscheint. Eine falsche Beurteilung von scheinbar auffäl- das bordinterne Unterhaltungsprogramm genießen. ligen Verhaltensweisen kann schnell zu einer ungeahnten Kettenreaktion führen. An Bord von Flugzeugen treffen Die Zeiger der Uhr drehen stetig ihre Runden – obwohl sich Menschen der unterschiedlichsten Kulturkreise, und ich der Zeit entgegenfliege, die ich aufgrund der Zeitum- ohne solide Grundkenntnisse über deren Gepflogenheiten stellung schon hinter mir habe. Ich bestelle mir gerade und Traditionen ist es fast unmöglich, mögliche Verdächti- einen weiteren Kaffee, als plötzlich ein lauter Schrei die ge unter ihnen bereits vorher zu erkennen. Stille an Bord zerreißt. Dem Schrei folgt ein dumpfer | 3-2011

Das Flugsicherheitsbegleiter-spezifische Schießtraining in der Raumschießanlage mit speziellen Zieldarstellungen und Szenarien bildet einen Schwerpunkt in der Schießfortbildung und erfolgt in der Regel in Einsatzbekleidung und unter hohem psychischem und physischem Druck.

meinen Team­kollegen und mir haben nur einige wenige 26 Passagiere Kenntnis von dieser Situation genommen.

Zügig erreiche ich den Vorhang. Vor meinem geistigen Auge spielen sich jetzt Szenarien ab, die wir immer und immer wieder im Einsatztraining sowie in den Schieß- und Taktikeinheiten trainiert haben. Ich frage mich, ob dies jetzt der Ernstfall ist? Sind meine Einsatzmittel griffbereit und kann ich sie schnellstmöglich und effektiv einsetzen? Die Klopfgeräusche werden jetzt lauter und mein Puls rast, ja er überschlägt sich fast. Mit einem kurzen Blick nehme ich Kontakt zu meinem Teamkollegen auf, der ebenfalls den Zugang zur Bordküche erreicht hat. Ein kurzes Nicken, wir öffnen gleichzeitig die Vorhänge und ...

So oder so ähnlich könnte sich fast jeder Einsatz- flug von meinen Kollegen und mir in den letzten Jahren zugetragen haben. Was hinter dem Vorhang passiert, Knall, fast so, als wäre ein schwerer Gegenstand oder obliegt der eigenen Fantasie. So viel sei aber gesagt: Eine ein menschlicher Körper unkontrolliert zu Boden gefallen. Auflösung dieses Szenarios wird nur erfahren, wer sich Es fällt mir nicht schwer, die Quelle dieser Geräusche der Herausforderung stellt und sich zu einer der nächsten zu lokalisieren. Irgendetwas Ungewöhnliches muss sich Verwendungsfortbildungen als Flugsicherheitsbegleiterin in der Bordküche zugetragen haben. Die zugezogenen oder Flugsicherheitsbegleiter bewirbt. Vorhänge und die schlechten Lichtverhältnisse verhindern, dass ich mir schon von meinem Sitzplatz aus einen ersten Ich habe meine Entscheidung bis heute nicht bereut, Überblick verschaffen kann. Ich habe jetzt keine andere und es waren nicht die materiellen Anreize – privat wie Möglichkeit mehr, als mich sofort in Richtung Bordküche dienstlich –, die mich dazu bewogen haben, diesen zu begeben. Als ich weitere hektische Klopfgeräusche Schritt zu tun. Mein Leben wurde um viele Erfahrungen bemerke, spüre ich, wie mein Herzschlag steigt. Neben bereichert, in erster Linie um positive Erfahrungen, und

Beim Einsatztraining im Flugzeugmodell werden Techniken aus nahezu allen Viele Elemente des Einsatztrainings entstammen dem Polizeitraining. Kampfsportarten angewendet, die für die Aufgabenbewältigung sinnvoll Der Schwerpunkt liegt allerdings beim Flugsicherheitsbegleiter-spezifischen Einsatztraining. erscheinen. | 3-2011

ich erlebe mit meinen Kollegen ein bisher nicht gekanntes und das Leben der Menschen an Bord verantwortlich ist, Wir-Gefühl. Es ist eine ganz besondere Erfahrung, einem wenn der Ernstfall einmal eintreten sollte. (Team-)Kollegen das eigene Leben anzuvertrauen und gleichzeitig zu wissen, dass man auch für dessen Leben Eine Flugsicherheitsbegleiterin

27 Wie werde ich Flugsicherheitsbegleiter?

Für die Bewerbung von Polizeibeamten des mittleren und gehobenen Dienstes zur Verwendung als FSB ist grund- sätzlich der Auswahldienst der Bundespolizeiakademie in Lübeck zuständig. Formlose Bewerbungen können jeder- zeit, auch ohne Einhaltung des Dienstweges, an die

Bundespolizeiakademie Auswahldienst Lübeck Schwartauer Landstraße 1–5 23554 Lübeck Tel.: 0451 2032451 gerichtet werden. Für weitere Informationen steht PHK Holger Hansen unter o.g. Tel.-Nr. oder per E-Mail [email protected] zur Verfügung.

Das zweitägige Eignungsauswahlverfahren (EAV) bei der Bundespolizeiakademie besteht aus vier Teilen: „„ Überprüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Einsatztrainingsfertigkeiten, „„ persönliches Auswahlgespräch einschließlich der Überprüfung der englischen Sprachkenntnisse und der Stress- stabilität, „„ Überprüfung der Schießleistungen und „„ medizinische Untersuchung.

Bewerber sollten grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllen: „„ Mindestalter 25 Jahre „„ uneingeschränkte Bereitschaft, auf allen Flügen deutscher Luftverkehrsunternehmen eingesetzt zu werden „„ mehrjährige praktische Einsatzerfahrung „„ ausgeprägte soziale Kompetenz, insbesondere Kommunikations- und Teamfähigkeit „„ ausreichende englische Sprachkenntnisse und die Bereitschaft, ggf. kurzfristig an inner- und außerdienstlichen Sprachschulungen teilzunehmen „„ überdurchschnittliche Stressstabilität „„ überdurchschnittliche physische und psychische Ausdauer (Nachweis über das Erfassungsblatt Polizeitraining) „„ überdurchschnittlich ausgeprägte Konzentrations- und Merkfähigkeit „„ möglichst überdurchschnittliche Einsatztrainingsfertigkeiten „„ gute Handhabungs- und Treffsicherheit im Umgang mit den dienstlich zugewiesenen Schusswaffen (Nachweis über Schießleistungsnachweis) „„ gesundheitliche Eignung, insbesondere Akzeptanz der erforderlichen Impfungen „„ keine laufenden disziplinarischen und/oder strafrechtlichen Verfahren „„ Geeignetheit nach dem SÜG Vorbereitung auf das EAV Der Auswahldienst empfiehlt eine Vorbereitungsdauer von ca. drei Monaten. Eine gute Grundkondition durch Aus- dauerläufe ist ebenso von Vorteil wie Schnellkraftausdauer und Atem-Techniken im Bereich des Einsatztrainings. Trainingspläne hierzu werden im Rahmen des Bewerbungsverfahrens übersandt. Eine Auffrischung der englischen Sprachkenntnisse ist ebenfalls von Vorteil, wobei sich die Fähigkeiten auf normale Lebenssachverhalte reduzieren können. Ein schriftlicher Englischtest findet nicht statt. | 3-2011

Ein unerwartetes Ende

Nach zwei Verwendungen beim Hausordnungs- und Objektschutzdienst (HOD) der deutschen Bot- schaften in Beirut/Libanon und Sanaa/Jemen trat ich im Januar 2011 meine Verwendung in Tripolis 28 an. 11 Monate sollte ich in Libyen bleiben, einem vermeintlich ruhigen arabischen Land. Doch es sollte anders kommen. Aber der Reihe nach:

Alexander Richter, 35, ist verhei- zufolge wurde auch in Tripolis massiv ratet und lebt in Brandenburg. gegen hauptsächlich ägyptische Er ist seit 1992 Angehöriger der und tunesische Gastarbeiter vorge- Bundespolizei und nach Stati- gangen, die unter Waffengewalt aus onen in Coburg, Bad Hersfeld, Fuldatal und Lübeck seit 1998 Häusern und Shuttle-Bussen geholt Angehöriger der Bundespolizei- und mit unbekanntem Ziel verschleppt abteilung Blumberg. wurden. In seiner Freizeit liest der ehemalige Leistungsschwimmer bevorzugt Thriller und liebt aus- giebige Spaziergänge mit seinem 17. Februar Boxer Toni. Seine nächste Station als HOD steht mit Teheran unmittelbar Die Unruhe im Land war immer bevor. deutlicher zu spüren. Von Ägyptern betriebene Läden wie Bäckereien schlossen und das Hamstern von 6. Januar Lebensmitteln war nun täglich zu beobachten. Auch wir deckten uns Erst mal bezog ich meine neue massiv mit haltbaren Lebensmitteln Unterkunft, eine Dienstwohnung im Nach Volksaufständen in Tunesien und Ägypten entbrannte auch in Libyen der Protest. Das Fahrzeug des Stadtteil Dahra, etwa 15 Gehminu- Botschafters wurde gestohlen und wenige Tage später ausgebrannt aufgefunden ten von der Botschaft entfernt. Bei einem „Kaltgetränk“ erläuterte mir mein Vorgänger kurz und knapp die Freizeitmöglichkeiten in Tripolis: nach Einbruch der Dunkelheit am Straßen- rand stehen und Kaffee trinken!

Nach der obligatorischen Einfüh- rungsrunde, der Vorstellung der Mit- arbeiter und einer ersten Begehung der Liegenschaft fielen mir sofort gravierende bauliche Sicherheitsmän- gel auf, deren Abstellung mich in der Folgezeit auch beschäftigte.

Anfang Februar

Doch schon nach nicht mal vier Wochen entbrannte die bis heute andauernde Rebellion. Berichten | 3-2011

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Auf engstem Raum leben, essen, schlafen und arbeiten: Nachdem die Dienstwohnung im Stadtteil Dahra aufgrund der Unruhen aufgegeben werden musste, zog ich mit Sack und Pack in die Botschaft. ein, die Notration an Trinkwasser beiten und dort die kurzen Schlafpau- Tunesien, und ich konnte am Nachmit- wurde verdreifacht. sen zu verbringen. Meine Hauptaufga- tag die erfolgreiche Ausreise melden. be war es, die Verbindung zwischen Nach Einbruch der Dunkelheit war unseren Mitarbeitern am Flughafen Zeitgleich mit anderen westlichen es nicht mehr möglich, die Botschaft und dem Krisenstab im Auswärti- Nationen beschloss auch das Auswär- zu verlassen. Gewehrfeuer und gen Amt herzustellen und zu halten, tige Amt die vorübergehende Schlie- Detonationen wurden von Nacht zu um die Evakuierung der deutschen ßung der Botschaft. Das bedeutete Nacht heftiger. In die Residenz des Staatsangehörigen vorzubereiten. nun, gemäß Botschaftskrisenplan, die Botschafters wurde eingebrochen, Doch ohne Internet und Mobilfunknetz Einleitung einer Reihe von Maßnah- der Dienstwagen gestohlen. Er wurde war dies nur mit einer schlechten men, die nach 36 Stunden abge- wenige Tage später ausgebrannt Verbindung über 2m-Funk und eine schlossen wurden. aufgefunden. Sat-Verbindung zu den Piloten der deutschen Bundeswehrmaschinen möglich. So konnte binnen weniger 3. März 20. Februar Tage die Masse an Ausreisewilligen über den Luftweg evakuiert werden. Die verbliebenen Mitarbeiter der Die Visastelle wurde geschlossen Damit entspannte sich die Situation in Botschaft erreichten den Flughafen. und es wurden nur noch Notfälle be- der Botschaft etwas. Dieser war immer noch von Tau- arbeitet. Die lokalen Kräfte kamen aus senden ägyptischen Flüchtlingen Angst schon seit Tagen nicht mehr zur belagert. Das Durchkommen stellte Arbeit. Somit musste der Botschafts- 25. Februar die letzte große Herausforderung betrieb im Ganzen umgestellt werden. des Tages dar. Die Abwicklung und Die Dolmetscher erschienen zumin- Auf Weisung des Auswärtigen der Heimflug über Paris nach Berlin dest zeitweise. Amtes wurden nun bis auf sechs verliefen normal. Mitarbeiter alle restlichen Entsandten Meine Wohnung gab ich auf und nach Deutschland zurückbeordert. So endete meine dritte HOD-Ver- zog mit Sack und Pack in die Bot- Diese verließen Tripolis in den Mor- wendung nach schon acht Wochen. schaft – wie alle anderen, einschließ- genstunden. Auf dem Landweg – der lich des Botschafters. Das hieß für deutliche Spuren schwerer Auseinan- mich, auf engstem Raum in der Loge dersetzungen der vergangenen Nacht Alexander Richter zugleich in der Telefonzentrale zu ar- aufwies – erreichten sie unversehrt Kurt Lachnit Personal & Haushalt

Leben zwischen Lenkrad und Leitungsbüro Mit Günther und Tobi „on the road“

wusste gar nicht, alltäglich verschiedenste Aufgaben – ne Zahlung von Prämien und Zulagen „Ich dass Tarifbeschäf- von Flensburg bis Konstanz, von erwarten, sind nicht in der Heilfür- tigte überhaupt Sozialversicherungs- Aachen bis Frankfurt (Oder). Sie sorge krankenversichert, bekommen beiträge zahlen müssen!“, „Ihr habt ja sitzen in den Geschäftszimmern der keine Dienstbekleidung zur Verfügung wohl nichts Besseres gelernt!“ oder allgemeinen Verwaltung und sind unter gestellt oder einen Ausgleich für das „Wir (Polizeivollzugsbeamte) sind die anderem für die Beschaffung von Po- Tragen von privater Kleidung. Die wahren Helden und ihr steht in der lizeitechnik, die Bewirtschaftung der niedrigste Berufsanfängerentgelt- Hierarchie ganz unten!“ Dies sind nur Liegenschaften oder die Bearbeitung gruppe ist – laut Tarifver­trag für den einige der Meinungen und Äußerun- und Verteilung der Post zuständig. öffentlichen Dienst – E 1. Hier liegt gen von Bundespolizisten, die mir, als Kurz: Ohne sie würde kaum etwas der Bruttoverdienst laut Tabelle bei Tarifbeschäftigte in der Bundespoli- laufen! In fast allen Dienststellen und 1 448,79 €, wovon noch die Steuern zeidirektion Stuttgart, schon zu Ohren Sachbereichen der Bundespolizei und Sozialversicherungsbeiträge ab- gekommen sind. Meiner Meinung sorgen sie für einen reibungslosen gehen. Laut Entgelttabelle ist zwar – je nach liegt da vieles im Unklaren oder Geschäftsablauf und tragen oftmals nach Dienstpostenzu­weisung – eine wurde vermutlich aus Unwissenheit große Verantwortung für Personen Eingruppierung bis E 15 (vergleichbar geäußert. und Werte. mit Dienstposten A 15) möglich, kommt allerdings sehr selten vor, In der Bundespolizei sind derzeit Im Vergleich zu Beamten können da die entsprechenden Stellen rar mehr als 6 000 Tarifbeschäftigte ange- Tarifbeschäftigte nicht befördert wer- gesät sind. Viele Tarifbeschäftigte stellt. An insgesamt 12 Dienststellen den, erhalten keine Möglichkeit des erreichen nur die Entgeltgruppe E 5 mit Behördencharakter verrichten sie vereinfachten Aufstieges, können kei- bzw. E 6. Vor der Abfahrt wird noch der Ölstand geprüft. Tobias Lutsche arbeitet seit 2008 als | 3-2011 Kraftfahrer in der Bundespolizeidirektion Stuttgart. Seit seinem 18. Lebensjahr ist er bei der Freiwilligen Feuerwehr tätig. Wenn dann noch Zeit bleibt, unternimmt der 37-Jährige sehr gerne Ausflüge mit seiner Familie.

Auch Günther Lokodi weil den Kraftfahrern oftmals Vertrauli- Auch die Familien müssen an sol- und Tobias Lutsche ches zu Ohren kommt, sondern auch, chen Tagen flexibel sein und umdis- gehören zu den weil manch einer, der chauffiert wird, ponieren. „Genau an solchen Tagen Tarifbeschäftigten, sie gerne mal ins Reden kommt: „Dann wünscht sich dann mein vierjähriger arbeiten als Kraftfahrer ist es wichtig, dass wir gut zuhören Sohn, dass ich ihn morgens in den bei der Bundespolizeidi- können“, sagt Tobi Lutsche. Kindergarten bringe … Es tut mir 31 rektion Stuttgart, Sachbe- dann schon leid, wenn ich ihm diesen reich 37, Zentrale Dienste. Besonders beliebt sind bei Günther Wunsch nicht erfüllen kann“, sagt Ihre Aufträge erhalten sie Lokodi und Tobias Lutsche Einsät- Günther Lokodi. nicht nur von der Direkti- ze mit modernen Kraftfahrzeugen. onsleitung, sondern auch von „Diese zu fahren, zu warten und nicht Doch solche „Überraschungen“ den Leitern der Stabsbereiche/ zuletzt zu pflegen, ist eine Herausfor- sind nicht die einzigen – und andere Stabsstellen sowie von der Leitung derung und macht zugleich Freude“, sind oft weitaus unangenehmer … der Mobilen Kontroll- und Überwa- sind sich beide einig. Zum Beispiel, wenn man während chungseinheit Stuttgart. einer Dienstfahrt zufällig an einer Ein weiteres Highlight sind natürlich Unfallstelle vorbeikommt. Dann heißt Neben dem Dienstführerschein die Fahrten mit „besonderen Gästen“. es: Die Unfallstelle absichern und die besitzen sie sehr gute Umgangsfor- „Als ich vor Jahren zum Bundeskri- Verletzten versorgen. Tobi Lutsche men, ein gepflegtes Äußeres, die minalamt abgeordnet war, durfte ich kommt dabei zugute, dass er seit Bereitschaft zum eigenständigen und den ehemaligen Bundespräsidenten seinem 18. Lebensjahr bei der Frei- eigenverantwortlichen Arbeiten Roman Herzog in einem schwarzen willigen Feuerwehr ist und drei bis vier sowie ein gutes technisches Verständ- gepanzerten BMW 750 fahren. Daran Mal im Jahr zum Einsatz gerufen wird. nis – und selbstverständlich müssen erinnere ich mich noch sehr genau. Manchmal sind die Fahrten schon sie schweigen können! Letztere Das war eine tolle Erfahrung, aber anstrengend und „ab und an auch Eigenschaft ist nicht nur unabdingbar, auch eine große Verantwortung“, so stressig“ so Tobias Lutsche. Gerade Günther Lokodi. wenn unterwegs Stau und die Zeit knapp ist. Nicht jede Einsatzfahrt endet Was sich Günther Lokodi und allerdings pünktlich Tobias Lutsche vor allem von ihren in der Heimatdienst- „Kollegen“ bei der Bundespolizei stelle, und dann wünschen, ist mehr Akzeptanz ihrer ist „organisier- Arbeit. Immerhin profitieren rund te Spontaneität“ 40 000 Beschäftigte von der Arbeit gefragt. „Weil es der Tarifbeschäftigten – sei es bei der immer mal vor- Genehmigung ihres Teilzeitantrages, kommen kann, bei der Beschaffung von Büromateri- dass wir in einem al, bei der Planung und Organisation Hotel übernachten von Besprechungen oder eben, weil müssen, habe ich sie einen Kraftfahrer brauchen … und sicherheitshalber dann vielleicht sogar einmal von Gün- stets einen gepack- ther und Tobi sicher ans Ziel gebracht ten Rucksack im werden. Oft sind die Tarifbeschäftig- Kofferraum“, so ten die guten Seelen der Behörde, Tobi Lutsche. Der „die es schon richten“. Grund: Die Lenk- und Ruhepausen Tobi Lutsche zumindest schätzt seine müssen exakt Kollegen in Uniform: „Ich finde es eingehalten werden. einfach toll, Polizisten als Kollegen zu Schließlich hat die haben!“ Günther Lokodi wurde 1994 als Betriebsschlosser beim Grenzschutz- und Bahn- polizeiamt Stuttgart eingestellt. Seit 2000 ist er als Kraftfahrer tätig. Seine Freizeit Sicherheit oberste verbringt er am liebsten zusammen mit seiner Frau und seinem vier Jahre alten Sohn. Priorität! Ines Rabe | 3-2011

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„Wir alle müssen enger zusam- menrücken, um diese Heraus- forderungen zu meistern!“

Sparmaßnahmen bei der Bundespolizei – kompakt im Gespräch mit Präsident Matthias Seeger

Die Angst vor großen finanziellen Einschnitten geht um in der Bundespo- lizei. Kein Geld mehr da für Sprit – heißt es in der Presse. Und: Polizisten sollen von nun an Fahrrad fahren. Plakative Übertreibungen – doch die finanzielle Situation der Bundespolizei ist angespannter denn je. kompakt- Chefredakteurin Sandra Pfeifer sprach mit Präsident Matthias Seeger über die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und den Beitrag, den die Bun- despolizei leisten muss.

kompakt: Herr Präsident, kurz Matthias Seeger: Es ist natürlich Direktionen gebeten, diese zu kon- vor Ostern überraschten mehrere Unsinn, dass unsere Kolleginnen und tingentieren. Die Dienststellen selber Zeitungen mit der Nachricht, dass Kollegen von nun an mit dem Draht- müssen je nach Lage entscheiden, Bundespolizisten in Zukunft mit dem esel unterwegs sind, um ihrer Arbeit welche Fahrten sie für notwendig hal- Fahrrad auf Streife fahren müssten, nachzugehen. Aber: Die Haushalts- ten und welche nicht. Sie können das weil die Bundespolizei beim Sprit zu situation der Bundespolizei ist sehr am besten beurteilen. Allerdings darf sparen habe. Was ist dran an solchen angespannt und das betrifft auch die Einsatzfähigkeit der Bundespolizei Nachrichten? die Titel für Treibstoff. Wir haben die nicht gefährdet werden. | 3-2011

kompakt: Die Mitarbeiterinnen und wie er verantwortungsvoll mit den unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger Mitarbeiter hören immer nur: Es muss vorhandenen knapper werdenden zu erreichen. gespart werden! Viele haben das Ge- finanziellen Ressourcen umgeht. fühl, dass die Situation in diesem Jahr Denn eines ist klar: Ist das Geld für kompakt: Wie soll das gehen – bei besonders kritisch ist. Wie beurteilen einen Titel verbraucht, dann gibt es den Einschnitten? Sie das? keinen Nachschlag. Wir müssen das bei unserer Aufgabenerfüllung stets Matthias Seeger: Indem jeder 33 Matthias Seeger: Der Umstand, im Hinterkopf haben. von uns zunächst über den Tellerrand dass die Bundespolizei drastisch spa- blickt und erkennt: Nicht nur bei der ren muss, ist tatsächlich eine Neuheit. kompakt: Aber spart man da nicht Bundespolizei wird der Rotstift ange- Die vielen vergangenen Jahre waren an der Inneren Sicherheit? setzt. Alle Bundesbehörden müssen geprägt durch ständige Budgeterhö- mit massiven Einschnitten klarkommen hungen. Das ist jetzt vorbei. Das liegt Matthias Seeger: Ich warne vor und ihre Arbeit danach ausrichten. daran, dass die Bundesregierung für zu schnellen Schlüssen. In gewissen Dann muss es darum gehen, dass die Haushaltskonsolidierung ganz Bereichen haben wir sicherlich Ein- jeder von uns in seinem Bereich seine strenge Maßstäbe gesetzt hat. Daran sparpotenziale. Mir ist aber auch klar, Hausaufgaben macht. Für uns in führt im Interesse der nachfolgen- dass der Sparzwang seine Grenzen Potsdam und die Führungskräfte der den Generationen kein Weg vorbei. hat und dann auch vitale Bereiche Bundespolizei heißt das: Mit Haushäl- Wie alle anderen Behörden muss betroffen sein können. Sicherheit tern und Mitarbeitervertretern in einen sich auch die Bundespolizei an den gibt es eben nicht zum Nulltarif. Das konstruktiv-kritischen Dialog treten, Einsparungen beteiligen. Für das Jahr müssen wir gegenüber der Politik klar um Lösungen zu erarbeiten, wie die 2011 stehen unserer Organisation für formulieren. Einsatzbereitschaft trotz der finan- all ihre Aufgaben 2,4 Milliarden Euro ziellen Einschnitte aufrechterhalten zur Verfügung. Diese Summe liegt kompakt: Wird sich die Situation werden kann. Für den Kollegen vor allerdings schon unter der Summe, ändern? Ort bedeutet das, verantwortungsvoll welche die Haushälter als Bedarf mit den knappen Ressourcen umzu- angemeldet hatten. Im April 2011 Matthias Seeger: Die Konsolidie- gehen. Mein Auftrag ist es dann, der verschärfte sich die Situation erneut. rung der Staatsfinanzen wird sicher Politik anhand der Faktenlage klarzu- Wegen der globalen Haushaltslage längere Zeit in Anspruch nehmen. machen, wann für uns als Polizei die musste das BMI die Bundespolizei Klar ist: Wir werden mit Einschnitten Schmerzgrenze erreicht ist. Reiner auffordern, noch einmal einen zwei- Protest und unsachliche Schuldzuwei- stelligen Millionenbetrag einzusparen. sungen helfen uns nicht weiter. Wir Doch besonders in diesem Jahr stellt „Sicherheit brauchen konkrete Lösungsvorschlä- sich die Frage: Woher nehmen? gibt es eben nicht ge und verantwortungsbewusstes Schließlich sind über 90 Prozent der Handeln. Und: Wir alle müssen enger Haushaltsmittel der Bundespolizei fest zum Nulltarif.“ zusammenrücken, um diese Heraus- gebundene Ausgaben für Personal, forderungen zu meistern. Mietkosten und laufende Verträge, leben müssen. Das heißt konkret: an denen nicht gespart werden kann. Nicht jede Fahrt oder Dienstreise kompakt: Und wann ist diese Die anderen flexiblen zur Verfügung wird automatisch genehmigt, nicht Schmerzgrenze erreicht? stehenden Haushaltsmittel hat das jede Renovierung durchgeführt, nicht Bundespolizeipräsidium vollständig an immer wird die allerneueste Tech- Matthias Seeger: Im Moment sind die Bundespolizeidirektionen verteilt. nik zur Verfügung gestellt werden wir noch einsatzfähig! Das beweisen Rücklagen, mit denen die notwendi- können. Auch bei den Investitionen in unsere Kolleginnen und Kollegen gen Einsparungen zu leisten wären, Liegenschaften wird es eine Priori- jeden Tag durch ihre hervorragende gibt es also nicht. sierung geben und manche bereits Arbeit. Allerdings sehe ich die weitere angekündigten Projekte können nicht Entwicklung der Haushaltssituation in kompakt: Und das heißt für den umgesetzt werden. Kurz: Wir müssen den kommenden Jahren mit Sorge. Mitarbeiter? lernen, mit den Rahmenbedingungen zu leben und unsere Organisation kompakt: Herr Präsident, vielen Matthias Seeger: Jeder in der daran anzupassen. Wichtig ist, dass Dank für das Gespräch! Bundespolizei muss sich bei seiner wir trotzdem alles daransetzen, das täglichen Arbeit Gedanken machen, höchstmögliche Maß an Sicherheit für Das Gespräch führte Sandra Pfeifer Portrait

Flexibilität ist alles

strahlen Der aus Mettlach im Saarland in der Zeitschrift „Das Orchester“ hat Sonnen dringen stammende 46-jährige Musiker steht ihn nach Bayern geführt. Nachdem durch das Fenster im Treppenauf- seit 2002 dem Münchner Bundes- Weber gelesen hatte, dass dort ein gang, als er die Stufen hinaufgeht. polizei-Ensemble vor. Eine Anzeige Nachfolger für den bisherigen Dirigen- Partituren in der Hand haltend, bewegt sich der Mann in einer ungezwungenen Art geschmeidig die Treppe hoch. Leger gekleidet, in Jeans und kariertem Hemd, macht er einen lockeren Eindruck, der ihn auf Anhieb sympathisch erscheinen lässt. Im ersten Stock angekommen, blickt er in einen langen Korridor. Zahlrei- che Türen säumen diesen. Dort, wo sie offen stehen, sieht man Leute dis- kutieren, über Notenblättern grübeln oder ihre volle Aufmerksamkeit ihren schimmernden Blechinstrumenten widmen. Aus den geschlossenen Zimmern wiederum sind gedämpfte Melodien zu vernehmen. Das ist das Reich von Stefan Weber, dem Chefdi- rigenten des Münchner Bundespoli- zeiorchesters. Ein Leben ohne Musik ist für mich undenkbar“, so Stefan Weber. | 3-2011

ten gesucht wurde, bewarb er sich Mettlach suchte Zuwachs. Allerdings ihm – dankenswerterweise –, wie kurzerhand und meisterte bravourös keinen Trompeter, sondern einen Weber betont, sehr geholfen, sich in das Auswahlverfahren. Und das, Dirigenten. Eine folgenreiche Bege- seine neuen Pflichten hineinzufinden. obwohl er vorher benheit. Weber nahm die Stelle an Die anfänglichen Schwierigkeiten noch nie in Kontakt und fand einen solchen Spaß an der hat er überwunden, geblieben ist die mit Polizeibehörden Arbeit eines Orchesterleiters, dass Begeisterung für die Musik und fürs gekommen war – „Na er an sein erstes Studium ein zweites Dirigieren – obwohl seine Arbeitstage 35 ja, die paar kleinen reihte: Solfège (Spielen oder Singen üblicherweise sehr lange dauern. Punkte in Flensburg aus- nach einer Partitur), Orchestrieren Aber der Orchesterleiter versichert: genommen“, schmunzelt und Dirigieren am Konservatorium „Das ist überhaupt nicht schlimm, er. in Luxemburg. Da bekanntlich aller denn es macht wirklich Spaß!“ guten Dinge drei sind, komplettierte Welche umfangreichen Aufgaben Stefan Weber lebt für und er seine intensive Dirigierausbildung für die Überstunden verantwortlich durch die Musik. Auch wenn sich mit einem weiteren Studium an der sind, vermag man kaum zu erahnen. diese Aussage etwas hochtrabend Musikhochschule in Groningen in den Stefan Weber ist zuständig für Per- anhören mag, auf ihn trifft sie ohne Niederlanden, das er 2000 erfolg- sonalgespräche, die geführt werden Einschränkungen zu. Bereits mit fünf reich abschloss. Bei sechs Amateur- müssen und für die Aufstellung der Jahren begann Weber seine musika- Orchestern war Weber danach als Dienstpläne. Wer zu welcher Zeit in lische Karriere mit Trompetenunter- Bezirksdirigent tätig, bis er 2002 zum welchem Raum proben soll, kann man richt. Im Alter von vierzehn Jahren ließ Bundespolizeiorchester kam. Seitdem nicht dem Zufall überlassen. Ebenso er sich das Klavierspielen beibringen. ist er ein Angehöriger der Bundespo- wenig wie die Auswahl von Titeln und Seiner Trompete blieb er dennoch lizei – allerdings mit Takt- – statt mit Design, wenn eine CD produziert treu und trat ein Jahr darauf das erste Schlagstock. werden soll – allerdings bisher noch Mal mit der örtlichen Blaskapelle auf ein eher seltener Auftrag. Trifft eine – schon bald auch als Solist. Trotz seiner vielfältigen Erfahrun- Konzertanfrage ein, bespricht sich, gen sah sich Stefan Weber aber vor plant und verhandelt Weber mit den Seiner Leidenschaft folgend, eine große Herausforderung gestellt, Veranstaltern. Im Anschluss daran entschloss sich Weber, Trompete zu als er seine neue Stelle in München prüft er, ob ausreichend Platz zur Ver- studieren, was er von 1987 bis 1992 antrat: Auf die Leitung des Orchesters fügung steht, wie die Akustik ist, aber an der Musikhochschule in Saarbrü- und dessen Dirigieren war er zwar vor- auch welche Musik in der jeweiligen cken in die Tat umsetzte. Unmittel- bereitet, die weitere Arbeit, die auf ihn Räumlichkeit am besten zur Geltung bar nach seinem Studium hatte er zukommen sollte, war ihm bis dato un- kommt. Erst wenn diese Fragen großes Glück, denn die Blaskapelle in bekannt. Die Personalabteilung habe geklärt sind, stellt er das Konzert­

Für eine perfekte Darbietung setzt Weber auf persönliche Beratung. | 3-2011

programm zusammen. Dann beginnen Ist der Spielplan wie etwa im Mai so enges Beieinander zwar auch mal die Vorbereitungen des Orchesters voll belegt, sodass alle vier Wochen- zu kleineren Reibereien führen kann, und des Dirigenten. Zunächst übt enden ausgebucht sind, müsste der gesteht Weber ein – diese seien aber man getrennt. Nach einer etwa Stresspegel extrem hoch sein – sollte ausgesprochen selten. Meist sind es vierwöchigen Übungsphase wird der man meinen. Aber Stefan Weber Kleinigkeiten, die zu einer vorüberge- musikalischen Darbietung in ge- und die 45 übrigen Mitglieder des henden Spannung führen: Uneinigkeit 36 meinsamen Proben der letzte Schliff Münchner Bundespolizeiorchesters bei der Zuteilung der Proberäume gegeben. sind ein eingespieltes Team. Dass ein oder fehlinterpretierte Bemerkungen. Für den Dirigenten ist es selbstver- ständlich, in diesen Fällen für beide Parteien ein Ansprechpartner zu sein und zu vermitteln. Er spendiert eine Tasse Kaffee und geht in ruhiger Um- gebung auf jedes Detail ein. Seine größte Stärke – sich in Menschen hineinversetzen zu können – gereicht ihm hierbei sicherlich zum Vorteil. Die Arbeit mit dem Team sei insgesamt so locker und unkompliziert, lobt Weber, dass solche Verstimmungen im Nu vergessen seien und man sich problemlos wieder anstehenden Konzerten widmen könne.

Das Orchester glänzt für die Bundespolizei bei polizeiinternen Veranstaltungen wie Vereidigungen oder Sportfesten, aber auch bei öf- fentlichen wie beispielsweise Stand-,

Voller Elan – ob gesamtes Orchester oder kleines Ensemble. | 3-2011

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Das Team vor der musikalischen Vollendung.

Unterhaltungs- und Benefizkonzerten. Dies ist auch einer der Gründe men auf die Musik konzentrieren, in Welche Musik gespielt wird, hängt dafür, dass er sich neben seinem der er seine Erfüllung findet. natürlich vom Anlass ab. Oberste einspannenden Beruf noch einer Priorität bei der Wahl des Repertoires weiteren Aufgabe angenommen hat: Stefan Weber hat seinen Traumbe- genießt aber das Publikum. Stefan Unter seiner Leitung entstand die Big ruf gefunden. Einen Beruf, mit dem er Weber ist es wichtig, auf die Wünsche Band, ein Ensemble von 18 Musikern, sich identifizieren kann. „In unserem und Vorschläge der Veranstaltenden das sich Glenn-Miller-Sound, Rock Orchester sind viele, viele nette, gute einzugehen, denn „Flexibilität ist al- und Funk widmet. Dadurch ist Weber Menschen, wir haben wenig Stress les!“ Das Einzige, dessen sich Weber jeden Tag von so vielen verschiedenen und die Arbeit macht einfach Laune“, verweigert, ist Popmusik. Das liege Genres umringt, dass er in seiner Frei- erzählt der Dirigent. „Gleichzeitig an ihrer Allgegenwärtigkeit und ihrem zeit, trotz aller Liebe zur Musik, gerne können wir etwas Gutes tun – als ein aufdringlichen Charakter. Im Radio die Stille genießt. Während andere kleiner Teil der Bundespolizei“, fügt er werde Popmusik am laufenden Band also vor dem Autofahren die Hand- hinzu. Besonders viel Freude bereiten gespielt. Stets umgeben sei man auch bremse lösen und dann umgehend ihm Konzerte in Schulen. Speziell von ihr, sobald man ein beliebiges das Radio einschalten, gibt er sich wenn er Kinder sieht, die durch das Geschäft betritt. Hinzu komme die bevorzugt dem wohligen Brummen Orchester lernen, dass man vor der Eigenart vieler Jugendlicher, sie in des Motors hin. Wenn er mit seiner Polizei keine Angst haben muss. Boxen sprengender Lautstärke auf Familie am Wochenende frühstückt, Was für sie gilt, gilt für Erwachsene ihren Handys laufen zu lassen. „Man darf sich die Musik allerdings wieder gleichermaßen. Weber hat das Gefühl, wird von Pop einfach nahezu erschla- ins Geschehen mischen, denn was den Menschen, die das Bundespoli- gen“, seufzt Weber. Unliebsame ist schon ein Sonntagsfrühstück ohne zeiorchester hören, etwas Wertvolles Konzertwünsche, die solche Musik Untermalung durch klassische Musik? mitgeben zu können. Darüber hinaus beinhalten, sind allerdings eine Aus- Wobei gemeinsame Mahlzeiten der sieht er es als Erfolg an, die Bundes- nahme. Viel öfter werde man durch Familie Weber selten sind. Das kommt polizei bekannter zu machen. „Auch innovative Ideen der Veranstalter ins- daher, dass seine Frau und die bereits wenn es nett wäre, ein paar mehr CDs piriert, erzählt der Chefmusiker. Das erwachsenen Kinder im Saarland veröffentlichen zu können“, sinniert er. reiche von Werken, die sein Orches- leben und das Familienoberhaupt Aber solange das der einzige Makel ter länger nicht mehr gespielt hat, bis – zumindest unter der Woche – in bleibt, ist Stefan Weber sicher flexibel. zu ihm unbekannten Musikstücken. München. Die Situation mag einige An solchen Herausforderungen und negative Aspekte haben, aber Weber Svenja Kärting an musikalischem Neuland hat Stefan kann ihr auch Positives abgewinnen: Thomas Borowik Weber Spaß. Er kann sich unter der Woche vollkom- Foto: Stefan Brandl Recht & Wissen

Hinweise für den Umgang mit sozialen Netzwerken

Soziale Netzwerke wie etwa Facebook, wer-kennt-wen, studiVZ und Twitter erfreuen sich in den letzten Jahren einer wachsenden Beliebtheit. Dasselbe gilt für Partnerbörsen und Videoportale.

Das Netz vergisst nie! Verbindung mit den selbst eingestell­ bezahlt, so sind diese für ihn gleich- ten Daten – ein umfangreiches Be- wohl nicht kostenlos: Er bezahlt mit Wer Informationen ins Internet nutzerprofil! Machen Sie doch einmal der Preisgabe seiner privaten Daten, stellt, sollte sich stets bewusst sein: den Test und „googeln“ Sie Ihren die einen nicht zu unterschätzenden Das Netz vergisst nie! Wer weiß eigenen Namen. Sie werden vermut- wirtschaftlichen Wert besitzen. schon, wie und wo diese Informatio- lich erstaunt sein, was Sie hier sehen, nen gespeichert oder von wem diese denn durchsucht werden auch die Am Beispiel der mitgliederstärks- betrachtet, heruntergeladen oder sozialen Netzwerke, sodass auch dort ten Plattform Facebook (weltweit weitergeleitet werden? eingestellte Profile, Bilder und Kom- 575 Mio. Nutzer, davon 14,72 Mio. mentare aus Blogs angezeigt werden. aus Deutschland) wird dies beson- Während dieser Bereich allerdings ders deutlich. Das dort angelegte der eigenen Kontrolle unterliegt, so Benutzerprofil greift auf Wunsch des gibt es einen weiteren, auf den man Verlust der Privatsphäre Benutzers auf alle Daten des eigenen keinen Einfluss hat: Personenbezo- E-Mail-Accounts zurück und ist so gene Informationen, die durch Dritte Auch wenn der Nutzer für die in der Lage, eine Vernetzung zu ins Netz gestellt werden, ergeben – in Verwendung derartiger Seiten nicht vielen anderen Personen zu erzeu- | 3-2011

gen. Die gebotenen Möglichkeiten und Verhaltensempfehlungen der Sie sich mit der Angabe von per- zum Schutz der eigenen Informatio- PDV 388.2 verwiesen. Bei der Ein- sönlichen Daten zurück; stellen Sie nen sind nicht automatisch aktiviert stellung von entsprechenden Infor- insbesondere keine privaten Fotos und müssen indi- mationen in das Internet wird dieser ein oder solche, die Sie in Uniform viduell angepasst Schutz – gegebenenfalls auch für zeigen. werden. Ihre Kolleginnen und Kollegen, die „„ Sollten Sie trotzdem ein Foto hierauf angewiesen sind – einfach einstellen wollen, so klären Sie 39 ausgehebelt. vor der Veröffentlichung, ob dort Besonder­heiten abgebildete Dritte damit einverstan- den sind. Die Angehörigen der Bun- Checkliste „„ Achten Sie auch auf die Benut- despolizei müssen im Umgang zerprofile Ihrer „Freunde“, welche mit dem Internet besondere Um sich dennoch sicher im Inter- vielleicht etwas veröffentlichen, Vorsicht walten lassen, denn sie net zu bewegen, hilft bereits der was Ihnen missfällt. haben auch die Vorschriften zum verantwortungsbewusste Umgang „„ Negative Äußerungen verbreiten Geheimschutz und beamtenrechtliche mit privaten und dienstlichen In­ sich schneller als positive, deshalb Verpflichtungen einzuhalten. Denn formationen, gepaart mit einer ge­ gilt auch hier: Zurückhaltung – ge- ebenso wie im „richtigen Leben“ wissen Skepsis. Die folgende Check- nau wie im wirklichen Leben. stehen Polizisten auch im virtuellen liste bietet hierfür einige Anhalts­ „„ Diskreditierende Äußerungen über Leben unter besonderer Aufmerksam- punkte: Angehörige der Bundespolizei sind keit der Öffentlichkeit. Persönliche „„ Verwenden Sie möglichst Pseu­ zu vermeiden; Sie wollen auch Äußerungen könnten daher auch als donyme und nicht Ihren wirklichen nicht, dass andere so mit Ihnen Meinung der Dienststelle oder gar der Namen. Nutzen Sie für unter- verfahren. gesamten Bundespolizei (bewusst) schiedliche soziale Netzwerke „„ Angaben zu Einsätzen, auch zu missverstanden werden. Auch einem verschiedene Pseudonyme. abgeschlossenen, gehören nicht selber unverfänglich erscheinende „„ Legen Sie sich für die sozialen ins Internet. Informationen können in den falschen Netzwerke eine zweite E-Mail-Ad- Händen einen beträchtlichen Scha- resse an, da so das Auslesen des Weiterführende Hinweise zum den verursachen. Denn im Internet Adressbuches verhindert werden sicheren Umgang mit dem Internet getätigte Angaben etwa zur Dienst- kann. bietet die Internetpräsenz des Bundes- stelle, zu ausgeübten Tätigkeiten oder „„ Nutzen Sie die angebotenen amtes für Sicherheit in der Informa- Spezialkenntnissen gelangen nicht nur Einstellungen zur Privatsphäre und tionstechnik: www.bsi-fuer-buerger. den „Freunden“, sondern auch dem bestellen Sie den location based de. Gerne steht Ihnen aber auch der polizeilichen Gegenüber zur Kenntnis. service ab, welcher Ihren aktuellen lokale IT-Bereich mit Rat zur Seite. Aufenthaltsort verrät. In diesem Zusammenhang sei „„ Überdenken Sie die Informationen Maria Gelfort auf die Standardschutzmaßnahmen Ihres Benutzerprofils und halten Thomas Fernandez

Was sind soziale Netzwerke? Soziale Netzwerke sind inzwischen eine weitverbreitete Form der Kommunikation, bei der sich Menschen virtuell treffen und miteinander interagieren. Die meisten Netzwerke bieten verschiedene Möglichkeiten, wie etwa E-Mail- und Chat-Dienste, um miteinander zu kommunizieren und persönliche Informationen auszutauschen. Allein Face- book hat rund 580 Millionen aktive Nutzer, wovon sich die Hälfte täglich einloggt.

Was können mir die sozialen Netzwerke bieten? Die Netzwerke haben den Weg für eine unkomplizierte, schnelle und kostengünstige Kommunikation mit Freunden, Familie und Kollegen bereitet. Ob sich die „Freunde“ dabei zwei Straßen weiter oder 6.000 km entfernt aufhalten, spielt keine Rolle. Das besondere Potenzial liegt auch in den „Kontakten zweiten Grades“, also in der Möglichkeit, den gemeinsamen Kontakt von einer anderen Person und sich selbst zu finden, sodass ein weiterer direkter Kontakt hergestellt werden kann. | 3-2011

„Mit Ihnen würde ich jederzeit reden . . .“ 40

… sagte mir ein Bürger während einer Demonstration gegen das Bahn- projekt Stuttgart 21. Seit Oktober 2010 begleite ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Diplom-Psychologin und Leiterin des Sozialwissenschaftlichen Dienstes Oerlenbach (Bayern) die Einsätze von Kommunikationsteams.

Die Arbeit der anderen Polizeibehörden auch unter machte den Einsatz von KMT erforder- Kommunikationsteams dem Begriff „Anti-Konfliktteams“. lich. Das öffentliche Bild der Polizei(en) war durch die Geschehnisse und die Einsätze von Kommunikations­ Bei der Bundespolizeidirektion umfangreiche, teilweise einseitige Me- teams (KMT) bei der Bundespolizei Stuttgart wird ihr Einsatz in letzter Zeit dienberichterstattung in der Öffentlich- sind nichts Neues. Seit vielen Jahren forciert. Nicht zuletzt der „Schwarze keit in eine Schieflage geraten. Es galt, sind KMT ein fester Bestand­teil der Donnerstag” am 30. September 2010 andere Akzente und Bilder entgegen- Einsätze rund um die Castortrans- mit seinen für das Polizei-Bürger-Ver- zusetzen; und zwar Bilder einer Polizei, porte im Wendland. Sie „firmieren” in hältnis weitreichenden Auswirkungen, die nicht hinter der Einsatz­uniform in

Zuhören und zeitgleich aber auch den Unmut der Bürger aushalten | 3-2011

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Kommunikationsteams: Jederzeit für Auskünfte und Gespräche bereit der zwangsläufigen Anonymität der cken – das gestaltete sich meist sehr S21-Demos, sondern auch Betäti- Einsatzeinheit zu­rücktritt, sondern die schwierig. Ein Umschwenken von Kri- gungsfelder wie Fußballeinsätze, die – deutlich erkennbar durch entspre- tik (des Vorgehens der Polizei am 30. bereits erwähnten Castortransporte chende Westen mit der Aufschrift September 2011) in Neugier sowie oder jüngst die Rechts-Links-De- „Kommunikations­team“ – dem Bürger Zugewandtheit bis hin zur freundli- monstration am 1. Mai, bei denen drei jederzeit für Auskünfte und Gespräche chen Verabschiedung mit Handschlag Kommunikationsteams der Bundes- zur Verfügung steht. war und ist für jedes KMT der ideelle polizeidirektion Stuttgart und ich Lohn für den Einsatz. am Heilbronner Bahnhof eingesetzt So bildeten sich bei den ers- waren. ten Einsätzen der KMT nach dem Doch das gelingt nicht immer. 30. September 2010 während der Und wenn es gelingt, dann zieht der allwöchentlichen Montagsdemos der Anblick des Polizisten in Dienstuni- Die Aufgaben und S21-Gegner regelrecht Menschen- form mit Kommunikationsweste, der Eigenschaften eines trauben um die auffällig gewandeten sich Zeit nimmt für das Gespräch mit Beamten. Für diese gab es einiges zu dem Bürger, dem Reisenden, dem Kommunikationsteams tun. Vor allem eins: zuhören, zuhören Auskunftssuchenden die Blicke der und nochmals zuhören, zeitgleich Passanten auf sich. Die Kommunikationsteams sind das aber auch den Unmut der Bürger mildeste taktische Mittel des Polizei- aushalten. Dann noch das Interesse Es sind nicht nur die Einsätze der führers und während eines Einsatzes für die Polizei und deren Handeln we- Kommunikationsteams anlässlich der an diesen direkt angebunden. | 3-2011

Doch nicht jeder Polizeibeamte ist Die KMT arbeiten überwiegend Mit den Anti-Konfliktteams der Lan- für diese nebenamtliche Tätigkeit ge- im direkten Gespräch. In manchen despolizei Baden-Württemberg, die eignet. Sie verlangt eine tüchtige Por- Einsatzsituationen wird auch zum meist zeitgleich in den Einsätzen in tion Stressstabilität und das berühmte Megaphon gegriffen. ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbe- „dicke Fell”, gepaart mit einem hohen reich tätig sind, besteht ein reger Maß an sozialer und kommunikativer Sie erhalten das notwendige fachlicher Austausch und eine gute 42 Kompetenz; nicht zu verwechseln mit kommunikative Rüstzeug in direkti- Kooperation. verbaler Schlagkraft und rhetorischer onsinternen Fortbildungen, die von Brillanz – Vielredner sind hier fehl am der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit So entwickeln sich die KMT zu Platz! und dem Sozialwissenschaftlichen einer zukunftsweisenden Erweiterung Dienst (SWD) Oerlenbach gemeinsam des Einsatzgeschehens. Glaubwürdig und authentisch ent­wickelt wurden. Neben der Ver- müssen die KMT sein, wenn es z.B. mittlung von kommunikativem Grund- darum geht, Informationen aus einer wissen und Stressbewältigung steht Demonstrationsmenge aufzunehmen, vor allem das Üben verschiedener Erika Bröstler bei der Einsatzleitung zu klären und Einsatzsituation auf dem Stunden- Foto: Horst Rudel evtl. „unliebsame“ Maßnahmen der plan. Die KMT sollen künftig fachlich Polizei schnell, klar und fair an die durch den SWD stärker koordiniert Frau und an den Mann zu bringen. werden.

Kommunikationsmanager Bernd Schweizer und Klaus Heß im Hauptbahnhof Stuttgart im Gespräch | 3-2011

Technik & Logistik

EasyPass: Grenzkontrolle in zwölf Sekunden

Grenzkontrolltechnik heute und morgen

Der Anstieg der weltweiten terroristischen Bedrohung sorgt für den Wunsch nach mehr Sicherheit im Reise- und Personenverkehr. Um dem gerecht zu werden, hielten in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Technologien in das Geschäft der Sicherheitsbehörden Einzug.

die grenz- Signaturen ausgelesen werden, die bers von den Grenzbeamten abgeru- Gerade polizeili- die Echtheit des Dokuments belegen fen werden. che Kontrolltechnik wird stetig an die können. neuen Bedürfnisse angepasst und technisch weiterentwickelt. Seit Selbst vor dem Schengenvisum Herausforderung sechs Jahren enthalten Reisepäs- macht der technische Fortschritt nicht Fortschritt se weltweit elektronische Chips, halt. Wenn im Oktober dieses Jahres die neben den Personenangaben das europäische Visa-Informationssys- Die schnelllebige Kontrolltechnik auch biometrische Daten wie etwa tem (VIS) in Betrieb genommen wird, fordert vor allem die Techniker der Gesichtsbild und Fingerabdrücke sind die Visanummern direkt mit ei- Bundespolizei heraus. So müssen speichern. Auch aus dem neuen deut- nem Datensatz im Visa-Zentralsystem die Systeme einerseits schnell in schen Personalausweis können seit in Straßburg verknüpft. Dort können den Einsatz, andererseits muss die 2010 biometrische Daten und digitale die Fingerabdrücke des Visuminha- Technik sowohl für Bundespolizisten | 3-2011

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Ohne Schalter – Passkontrolle auf der Straße. 150 Geräte wurden zum Jahresbeginn beschafft und werden derzeit für die Inbetriebnahme vorbereitet.

als auch Reisende beherrschbar und Ein- und Ausreisespuren zur selbst- Schneller durch die sicher sein. ständigen Kontrollabfertigung nutzen. Kontrolle Noch in diesem Jahr wird es eine Bereits im Jahr 2004 startete die Funktionserweiterung geben, welche Mit EasyPASS hat die Bundes- Bundespolizei das Projekt „Automati- es auch US-amerikanischen Bürgern polizei eine Lösung geschaffen, um sierte und Biometriegestützte Grenz- ermöglicht, an dem deutschen ABG elektronische Reisepässe für einen kontrolle (ABG)“ am Flughafen Frank- teilzunehmen; umgekehrt können beschleunigten Kontrollprozess furt/Main. Registrierte EU-Bürger dann auch deutsche Bürger am US- nutzbar zu machen. Nach der erfolg- können über einen Irisabgleich vier System „Global Entry“ partizipieren. reich abgeschlossenen Pilotphase in Frankfurt/Main erfolgt derzeit die Ausbauplanung für weitere Flughäfen. Ab Mitte dieses Jahres wird das Sys- Das tragbare Büro, bereit für morgen. Nach erfolgreicher Testphase befinden sich tem auch mit dem neuen deutschen 100 Geräte für die BPOL in der Auslieferung. Personalausweis kompatibel sein.

Für den Umgang mit Fingerabdrü- cken in der Grenzkontrolle wurden be- reits Scanner beschafft und teilweise an die Dienststellen verteilt. Damit können Fingerabdruckdaten für das VIS und zum Vergleich mit Chipdaten aufgenommen werden. Um von den neuen Möglichkeiten der Pass- und Personenidentifikation auch unter- wegs profitieren zu können, wird vom Bundespolizeipräsidium, demnächst ein transportables System eingeführt.

Mathias Grell | 3-2011

Mehr Licht und Reißverschlüsse für Bundespolizisten 45

Schon bald gibt es „taktische“ Taschenlampen mit LED-Technik und praktische Strickjacken

Taktische Zweibrüder Optoelectronics Taschenlampen GmbH LED LENSER P7 Das richtige Licht ist für Po- lizisten wichtig. Daher wurden längere Zeit verschiedene „„ Gewicht Lichtkonzepte sprichwörtlich Weniger als 200 g von allen Seiten beleuch- „„ Leistung tet. Ausgewählte Modelle 200 Lumen wurden in verschiedenen „„ Gesamtleuchtdauer Einsatzbereichen der 60 Stunden, Bundespolizei erprobt. Die ersten 12 000 Exem- davon 1 Stunde mit 200 Lumen Sogar eine Aus- plare der 200 Lumen starken „„ Features schreibung musste Lampe werden voraussicht- Rollstop wiederholt werden, lich ab dem 2. Halbjahr 2011 Vier AAA-Batterien weil keine befrie- ausgeliefert. Holster digenden Ange- bote eingingen. Für alle Mobilen Fahndungs- Letztlich hat sich mit einheiten plant das Bundespoli- der LED-Lenser P7 der Firma zeipräsidium außerdem in diesem Zweibrüder eine Lampe gefunden, Jahr die Beschaffung von Stirnlampen die verschiedene Funktionen für den mit einem Rotlichtaufsatz und einem Bedarfsträger bereithält. Hochleistungsscheinwerfer.

Sichtbarer Fortschritt: Die „alte“ Maglite im Einsatz taktische Taschenlampe mit 200 Lumen | 3-2011

Praktische Strickjacken

Der Wunsch vieler Bundespolizisten nach einem Reiß- diesem Jahr produziert und ausgeliefert werden. Auch die 46 verschlusspendant zum Outdoorpullover geht demnächst LH Dienstbekleidungs GmbH wird die Jacke in ihr Angebot in Erfüllung. Vertreter aller Bereiche wählten das Modell aufnehmen. Welche Einsatzbereiche sich als Erste freuen der Brandenburger Polizei aus. Weitere Detaillösungen, können, ist noch offen. wie etwa ein Fleeceeinsatz am Kragen und eine Armta- sche für Kugelschreiber, sollen das Tragen angenehmer Daniel Nedwed machen. Die ersten 2 000 Strickjacken sollen noch in | 3-2011

Leserbriefe

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Ausgabe 2-2011

Redaktion, Tag aus Flensburg nach Liebe ... täusch’ ich mich, oder ist tatsäch- Guten Potsdam. lich ganz allmählich eine Abkehr von Selbstlob und Schön- rederei zu vermerken? Klar ist: Eine Mitarbeiterzeitschrift Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen Respekt ist keine Gewerkschaftszeitung, weswegen man sich aussprechen, dass sie es offensichtlich geschafft haben, überhöhte Erwartungen auch verkneifen sollte. Trotzdem mit der „Bundespolizei kompakt“ den Begriff der „Buscho- nimmt man staunend und auch dankbar zur Kenntnis, dass Bravo“ zumindest größtenteils aus dem Vokabular der sich ansatzweise auch kritische Untertöne in die Bericht- Bundespolizisten zu entfernen. erstattung mischen. – Hoffentlich bleibt das so, wenn die Führung, ob politischer oder polizeilicher Natur, sich Sie verzichten weitestgehend darauf, polizeiliche Erfolge daranmachen sollte, die nächsten unausgegorenen aus der Ermittlungsarbeit abzubilden, was der Zeitschrift Umwälzungen auf den Weg zu bringen! – Noch eine Re- sicher auch gut tut. Frank Kubel, Flensburg form III verkraftet die Bundespolizei nicht mehr! Highlight der vorliegenden Ausgabe ist, wieder einmal, der Kommentar! Autoren gesucht! Sven Hüber hat den Punkt erneut ziemlich genau getroffen, und, was Anlass zu o.a. Hoffnung gibt, ist eben die Tatsache, dass ein solcher Kommentar noch vor 2-3 Sie würden gern selbst einen Artikel Jahren als „radikale Einzelmeinung“ in irgendeinem Poli- veröffentlichen oder uns Ihre Meinung zeiforum abgetan worden wäre. (Es wäre aber sicher auch sagen? Schreiben Sie uns den Themen- nicht klug, dies ausgerechnet dem Vorsitzenden des HPR vorschlag oder Leserbrief per E-Mail an zu unterstellen ...) In diesem Sinne also weiter so! (Weil [email protected]. die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt!) Gerhard Medgenberg, Weil am Rhein | 3-2011

Sport & Gesundheit

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Ich bin dann mal weg …

kennt ihn nicht, den Bestseller von Hape ten? Von Überfällen, Diebstählen, streunenden Hunden Wer Kerkeling über seine Wanderung auf dem und anderen Katastrophen wurde in gängigen Foren Jakobsweg quer durch Spanien? „Ich bin dann mal weg“ berichtet. Was erwartet mich in den sechs Wochen Ab- hieß es Anfang April auch für mich. Nach mehr als dreijäh- geschiedenheit? Mein bester Kumpel, mit dem ich jedes riger Überlegungszeit habe ich mich auf die Spuren von zweite Wochenende im Stadion bin und schon so manche Hape und vielen Tausenden anderen Pilgern begeben, Auswärtstour gemacht habe, malte noch ein ganz anderes um an das Grab des Apostels Jakob zu pilgern. Als mein Horrorszenario: „Du kommst zurück, Bayer Leverkusen ist Entschluss für diese Reise feststand, schrillten bei Freun- Deutscher Meister und du bist nicht dabei gewesen!“ den und Kollegen die Alarmglocken. Der und pilgern? Da muss was im Busch sein, und ich musste viel Überzeugs- Die Zeit bis zur Abreise nutzte ich, um meinen Ruck- kraft aufbringen, um allen klarzumachen, dass in meinem sack zigmal zu packen, jeden Gegenstand aufs Gramm Leben alles im Lot ist. Einfach mal den Stecker ziehen, genau zu wiegen und abzuwägen, ob ich dieses oder kein Handy und kein Internet und alles hinter sich lassen, jenes wirklich benötige. Schließlich würde dieses Gewicht war die Devise. Viele Fragen tauchten auf. Zugleich machte ich mir natürlich Gedanken, wie es ohne mich laufen würde – zu Hause und auf der Arbeit. Was würde mich in Spanien erwar-

Die Tradition des Pilgerausweises geht auf einen Pilger zurück, der den Geistlichen seiner Gemeinde um eine Art Empfehlungsschreiben gebeten hatte. Dieses Schreiben wies ihn als Pilger aus und empfahl allen, die diesem Pilger begegneten, ihm auf seinem Weg Unterkunft zu gewähren. Dieser Tradition folgend dient der Pilgerausweis auch den heutigen Pilgern zur Übernachtung in den Unter- künften am Weg. (www.jakobspilgergemeinschaft-augsburg.de) Verlaufen praktisch ausgeschlossen. Der Jakobsweg ist auf der gesamten Strecke meistens sehr gut mit gelben Pfeilen markiert. Wenn man die Augen offen hält, findet | 3-2011 man mit Sicherheit den richtigen Weg.

doch die nächsten 780 Kilometer auf meinen Schultern lasten. Letztendlich waren es unverzichtbare 9 kg, inkl. Schlafsack, Isomatte, Wechselwäsche, Regenponcho und Credencial, des Pilgerausweises, der zum Übernachten in den Pilgerherber- gen berechtigt. Mit gemischten Gefühlen und dem Reisesegen meines Kaplans ging es dann frühmorgens von Bonn los in Rich- tung Bilbao in Spanien, und als ich beim Flug über Pamplona aus dem Fenster Richtung Westen schaute und erkannte, dass es hinter dem Horizont noch weiter gehen würde, überkam mich doch ein ungutes Gefühl. Worauf hast du dich hier eingelassen?

Von Bilbao ging es mit dem Bus zurück nach Frank- reich. Saint-Jean-Pied-de-Port ist seit hunderten Jahren der Sammelpunkt der Pilger, die den französischen Weg nehmen, bevor es auf der ersten Tagesetappe über die Pyrenäen geht. 780 km lagen vor mir, fünf Provinzen galt es zu durchqueren – immer Richtung Westen. Zu diesem Zeitpunkt machten sich täglich 80 Wegbegleiter auf, einige sah man nie wieder, andere in unregelmäßigen Abständen bis Santiago de Compostela. Für die Strecke hatte ich 34 Gehtage eingeplant. Mit An- und Abreise waren es dann 38 Tage, mühsam mit Überstunden und Resturlaub an- gespart. Den „richtigen“ Weg zu finden, war einfach, man folgt immer nur den gelben Pfeilen, die an Häusern, auf Straßen, an Bäumen oder an Mauern aufgemalt sind. Die- ses Prinzip funktionierte erstaunlich gut, und ein Verlaufen war praktisch ausgeschlossen.

Nach der ersten schweißtreibenden 27 km langen Tagesetappe über die schneebedeckten Pyrenäen und der erneuten „Einreise“ nach Spanien kam ich nachmit- tags in Roncesvalles an. Eine Übernachtung in einem Gemeinschaftsschlafsaal in einem alten Klostergebäude mit weiteren 80 Gefährten stand an. Kannte ich Ähnliches nicht aus meiner BuSchu-Zeit? So war die Einschränkung der Privatsphäre auf ein Minimum kein Problem, und die Erfahrung, dass die besten Schlafstellen weitab von Türen und Toiletten sind, hatte ich meinen Mitpilgern voraus. Punkt 22:00 Uhr war dann das Licht aus, und schon bald begann ein Schnarchkonzert der Extraklasse, welches ich dank meiner Ohrenstöpsel nur im Halbschlaf mitbe- kam. Pünktlich um sechs Uhr ging das Licht an, anziehen, Rucksack auf und schon ging es weiter. Schritt für Schritt dem Ziel näherkommend, vergingen die Tage in folgendem Ablauf: Aufstehen, Gehen, Pause, Gehen, Abendessen, Schlafen. Nach circa sieben Tagen – ich hatte mittlerwei- le 150 km, einige Pilgerherbergen und das Baskenland hinter mir – bemerkte ich dann auch endlich die aufkom- mende Ruhe und Gelassenheit. Inzwischen hatte ich zwangsläufig die eine oder andere Bekanntschaft ge- | 3-2011

50 Hinterm Horizont geht`s weiter. Der Jakobsweg führt durch eine äußerst dünn besiedelte Gegend, sodass sich in der Abgeschie- | 3-2011 denheit das Gefühl der Ruhe und Gelassenheit bei fast allen Pilgern irgendwann einstellt.

schlossen. Man traf sich zum Café con leche in einer der zahllosen Bars, ging ein Stück zusammen und verlor sich wieder aus den Augen und traf sich abends in der Herberge. So vergingen die Tage, immer noch abge- schnitten von der Außenwelt. Kaum hatte ich 51 das Tagesziel erreicht, freute ich mich auf den nächsten Morgen, um weiterzulaufen. Inzwischen freute ich mich auf die Aufent- halte in den Großstädten Léon und Burgos, doch kaum angekommen, sehnte ich mich wieder hinaus an die Stadtgrenze, denn der Großstadtrummel war mir fremd geworden. Meinen Geburtstag „feierte“ ich allein bei Regenwetter in einem 200-Seelen-Nest. Einer der Tiefpunkte dieser Reise, fernab von Freunden und Familie. Aber am nächs- ten Tag schien schon wieder die Sonne und es ging wieder in die schneebedeckten Geschafft – nach 780 km zu Fuß! Die Kathedrale von Santiago de Compostela steht über einer Berge; inzwischen hatte ich 24 Tage und Grabstätte, die dem Apostel Jakobus zugeschrieben wird. 600 km hinter mir. Hier entstand dann auch eine fünfköpfige Gruppe, die die weiteren 170 km zusam- denn ich traf unverhofft am Flughafen vier Kollegen, die menblieb: Chris (21 Jahre) aus Singapur, Matteo (28) aus zum Radtraining auf der Insel waren. Entgegen ver­ Italien und das kanadische Paar Maria und Gord (beide schiedener Erfahrungsberichte in Internetforen war um die 50 Jahre) sowie meine Wenigkeit. Die letzten Tage die „Eingliederung“ in das normale Leben für mich kein waren bestimmt von Wehmut, denn wir wussten, dass sich Problem. unsere Gruppe in dieser Konstellation wohl nie wiederse- hen würde. Man hatte sich besser kennengelernt, und, Doch was blieb von der Reise? Aussagen wie „Es läuft wie auch bei anderen Pilgern, war die Offenheit, aber auch ohne einen bzw. jeder ist ersetzbar, ist er auch noch auch die notwendige Rücksichtnahme untereinander sehr so wichtig“ oder „Man kann auch mit sehr wenig zufrieden groß, denn jeder hatte seinen ganz persönlichen Grund, sein“ haben sich bestätigt. Außerdem bleiben natürlich diesen Weg zu gehen. Die letzten 100 km wuchs unsere viele schöne Erinnerungen und mehr als 1 200 Bilder. Gruppe noch enger zusammen, denn nun kam es zu einer Auf die oft gestellte Frage, ob ich so eine Tour empfehlen wahren Pilgerschwemme. Viele Pilger steigen erst hier kann oder es noch mal machen würde, antworte ich immer ein, um die begehrte Compostela (auf lateinisch verfasste mit einem eindeutigen „Ja!“. Inzwischen gibt es einige Beglaubigungsurkunde) in Santiago zu erhalten. Und dann Kollegen auf meiner Dienststelle, die diesen Weg eben- war es so weit: Nur noch 5 km bis zur Kathedrale, mehr falls gehen wollen, aber noch zögern. Die, die so etwas als 770 km zu Fuß lagen hinter mir. Auf der einen Seite belächeln, sind in einer deutlichen Unterzahl und wohl war es ein freudiges Gefühl, es endlich geschafft zu haben auch nicht dafür geeignet. Mit täglich 30 Euro kommt man und bald wieder bei Freunden und der Familie zu sein, auf gut aus, da die Unterkünfte nur zwischen fünf und zehn der anderen Seite wusste ich, dass mir das hier alles auch Euro kosten. Für mich steht fest: Ich werde wieder nach fehlen würde. Vor der Kathedrale habe ich mich erstmal Santiago gehen, der nächste Weg wird die Via de la Plata von Rucksack und Schuhen befreit. Zeitgleich fielen auch sein – von Sevilla immer Richtung Norden, über 1 000 km alle mit der Reise verbundenen Ängste und die ganze und etwas abgeschiedener. Nicht dieses Jahr und auch Anspannung von mir ab. Ich verbrachte noch zwei Tage in nicht nächstes Jahr, aber irgendwann bestimmt. Santiago und beobachtete die Ankommenden. Das eine oder andere Gesicht war mir bekannt – es waren Wegbe- PS: Bayer Leverkusen wurde (war doch klar) wieder gleiter, Menschen, mit denen ich einen Kaffee getrunken nicht Deutscher Meister. oder auch ein Zimmer geteilt hatte.

Auf der Rückreise bei einem Zwischenstopp in Mallorca hatte mich der Alltag dann schon fast wieder eingeholt, Stefan R. | 3-2011

Infektionsschutz in der Bundespolizei 52

Dass die Arbeit von (Bundes)Polizisten mit gewissen Risiken verbunden ist, ist bekannt – doch nicht immer sind diese Risiken deutlich erkennbar, manchmal kommen sie lautlos und quasi unsichtbar daher, was sie umso gefährlicher macht. Die Rede ist von Infektionsrisiken. Das Heimtückische daran: Auch wenn wir ihnen nicht permanent ausgesetzt sind – unterschwel- lig ist die Gefahr, sich zu infizieren, trotzdem immer vorhanden.

ist es Was die Impfungen betrifft, so wird oder dringend vermuteter Kontamina- Wichtig daher vor Bundespolizist(inn)en im Rahmen des tion einer Kanüle mit dem Blut einer allem, diese Gefahr zu minimieren. Impfprogrammes die Hepatitis-B-Imp- HIV-infizierten Person. Dabei werden Und genau dafür sorgen der Ärztliche fung empfohlen und verabreicht, da dem Verletzten und mutmaßlich Infi- und Sicherheitstechnische Dienst der sie als wichtige Präventionsmaßnah- zierten Medikamente verabreicht, die Bundespolizei. Regelmäßig führen me gegen die auf dem Blutwege und das Angehen einer Infektion, hier der sie Beratungen durch, sodass man somit eben auch über Kanülenstich- HIV-Infektion, verhindern sollen. beispielsweise erfährt, wie genau die verletzungen übertragbare gefährliche persönliche Schutzausstattung opti- Leberentzündung gilt. Abgerundet Auch bei der Gewahrsamnahme mal schützt oder welche Impfungen wird das Spektrum durch die Bera- einer möglicherweise an einer offe- empfehlenswert bzw. gar zwingend tung und ggf. Durchführung einer nen Tuberkulose erkrankten Person notwendig sind. sogenannten medikamentösen Post- kommt dem Infektionsschutz große expositionsprophylaxe bei gesicherter Bedeutung zu. Hier ist die Anwen- Eine geradezu „klassische“ Situa- tion, bei der man sich infizieren kann, ist die Durchsuchung eines Verdäch- tigen: Immer wieder kommt es vor, dass ein zu Durchsuchender eine ungesicherte und bereits benutzte – z.B. für einen intravenösen Drogen- missbrauch – Kanüle bei sich trägt, an der man sich – ohne ausreichen- den Schutz – leicht verletzen kann. Und genau über diesen ausreichen- den Schutz, den sogenannten Schutz vor dem Ausgesetztsein (Expositi- onsprophylaxe), mit dem Vorsorge getroffen werden kann, informiert der genannte Dienst. In diesem Fall hätten Schutzhandschuhe – vorzugs- weise aus Leder – vor einer Verlet- zung und einer damit einhergehen- den möglichen Infektion schützen können. | 3-2011

Bahnhöfen von großer Bedeutung. Aufgrund der zahlreichen Auslands- Die persönliche Schutzausstattung verwendungen in der Bundespolizei mit einer FFP3-Filtermaske und ggf. gewinnt der Infektionsschutz auch in mit Infektionsschutzhandschuhen ist diesem Bereich weiter an Bedeutung. auch hier enorm wichtig. Neben der Zahlreiche Infektionskrankheiten, die Einweisung in das korrekte Niesen zum Teil durch Vektoren – wie z.B. – nämlich in die Ellenbeuge! – und Mücken – übertragen werden, sind 53 das Händewaschen ist das Lesen von hier zu berücksichtigen. Neben maß- Informationsmaterial (beispielsweise geschneiderten, auf das Einsatzland zu geeigneten Verfahren der Hände- zugeschnittenen Impfprogrammen desinfektion) z.B. über das Intranet und umfangreichen Unterrichtun- (vorzugsweise über die Infothek) gen zum Thema Hygiene wird auch nutzbringend. Abgerundet werden die die Ausstattung mit angemessener dung einer geeigneten persönlichen Maßnahmen durch das Angebot von Schutzbekleidung vom Ärztlichen Schutzausstattung zielführend, um die Impfungen, wie z.B. der saisonalen und Sicherheitstechnischen Dienst Einsatzkräfte zu schützen. Grippeschutzimpfung und – wie 2009 unterstützt. So hat sich die Ausrüs- Das Bereitstellen von Schutzhand- geschehen – der pandemischen neu- tung der Auslandseinsatzkontingente schuhen und FFP3-Schutzmasken en Form der Influenza A/H1N1. mit insektizidimprägnierter Einsatz- sowie die Beratung zu deren Hand- bekleidung bewährt, um krankheits- habung sind wichtige Aufgaben des übertragende Insekten abzuwehren. Infektionsschutzes. Und auch das Eine Ausstattung mit „Mückenabwehr- Wissen um eine korrekt durch- mitteln“ zum Auftragen auf die geführte hygienische Hände- Haut rundet den Vektoren- desinfektion nach Abschluss schutz ab. Auch die Ausstat- der polizeilichen Maßnahmen tung mit Wasserflaschen zur mindert das Risiko der Anste- behelfsmäßigen Wasserauf- ckung. bereitung dient in Verbindung mit Trinkwasserentkeimungs­ Bei relevanten Epidemien, tabletten dem Schutz vor zum Beispiel der weltweiten übertragbaren Krankheiten Ausbreitung von gefährli- unter schwierigen hygie- chen Krankheitserregern nischen Bedingungen im wie dem SARS-Coronavirus Ausland. oder der neuen Variante des Influenza-A/H1N1-Virus Dr. Jens Neumann (umgangssprachlich: „Schwei- negrippe“), ist der Infektions- schutz gerade im Hinblick auf die vielfältigen Aufgaben der Bundespolizei im In- und Ausland, vor allem an Flug- und Seehäfen sowie den | 3-2011

Zu guter Letzt

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60 Jahre Bundespolizeiabteilung Deggendorf

Die Bundespolizeiabteilung Deggendorf feiert vom 1. bis 3. Juli 2011 ihr 60-jähriges Standort-Jubiläum. Besucher sind bei allen Veranstaltungen herzlich willkommen.

Freitag, 1. Juli 2011

10:30 Uhr–11:30 Uhr, Ökumenischer Gottesdienst mit dem Bläserquintett des Bundespolizeiorchesters München und dem Chor der BGS-Kameradschaft Deggendorf, anschließend gemeinsames Mittagessen

Samstag, 2. Juli 2011

11:00 Uhr–12:00 Uhr, Standkonzert des Bundespolizeiorchesters München am Stadtplatz Deggendorf

16:30 Uhr–19:00 Uhr, Festakt (für geladene Gäste) in der Stadthalle Deggendorf

ab 19:00 Uhr, Weißblauer Abend für alle Mitarbeiter der Bundespolizei und ihre Angehörigen

Sonntag, 3. Juli 2011

11:00 Uhr–18:00 Uhr, Tag der offenen Tür in der Bundespolizeiabteilung Deggendorf und an der Donaupromenade

Weitere Infos/Kontakt unter Tel.: (0991) 207-0 | 3-2011

Gemeinsam am Brandenburger Tor – 60 Jahre Bundespolizei 55

Die Bundespolizei ist 60, und bestimmt haben Sie davon gehört, dass wir das gemeinsam am 20. August in Berlin am Brandenburger Tor feiern.

den vergangenen Wochen ist aber nicht nur eine Feier für die Mit- sich die Bundespolizei gemeinsam mit In haben wir viele Direktionen arbeiter, sondern es ist auch ein Fest, ihren nationalen und internationalen besucht und dieses besondere Ereig- mit dem wir uns den Bürgern nach Kooperationspartnern präsentieren. nis vorgestellt. Doch wir waren noch unserer Umbenennung 2005 am re- nicht bei allen und manch einer mag präsentativsten Ort der Bundesrepublik Viele Programmelemente sind be- sich fragen, warum wir ausgerechnet – dem Brandenburger Tor – vorstellen reits gebucht, eine Fülle ist noch in den 60. Geburtstag – eine doch eher möchten. Vielen Einsatzkräften und der Planung. Schauspieler der Küsten- „krumme“ Zahl, feiern. Bürgern ist die Straße des 17. Juni am wache, Olympioniken, Fallschirmsprin- Brandenburger Tor noch als Fanmeile ger, Prävention und Show, ausgerich- Die Erklärung ist eigentlich recht von der Fußballweltmeisterschaft 2006 tet auf große und natürlich auch kleine plausibel und liegt auf der Hand: „Weil in bester Erinnerung. Besucher. Das alles ist eingebettet in die Mitarbeiter es verdient haben!“ ein europäisches Bühnenprogramm Die Herausforderung ist groß, und abgeschmeckt mit ausgewählten Nach all den Belastungen der aber schon jetzt können wir sagen, lokalen und europäischen Gaumenge- vergangenen Jahre war es der aus- dass sich ein Besuch in Berlin am nüssen. drückliche Wunsch des damaligen 20. August lohnen wird. Uns ist die Innenministers Dr. de Maizière, den Stimmungslage der Kolleginnen und Aber was wäre ein Bundespolizei- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kollegen sehr wohl bewusst, und so Fest ohne Sport? Natürlich gibt es den unserer Behörde für ihr erbrachtes En- steht für uns auch immer die Devise auch, in unserem Fall einen „60-Kilo­ gagement auf diese Weise zu danken. – ein Fest für unsere Mitarbeiter – im meter-Jubiläumslauf“ im Tiergarten Mittelpunkt unserer Projektarbeit. – mit Zieleinlauf durch das Branden- Dieser Gedanke wird selbstverständ- burger Tor! lich auch vom neuen Minister, Herrn Seit Mitte April arbeiten wir nach Dr. Friedrich, getragen, und so arbeiten einer europaweiten Ausschreibung mit Und wer jetzt schon Nägel mit wir gemeinsam mit der Bundesbereit- einer Berliner Veranstaltungsagentur Köpfen machen möchte, kann zu schaftspolizei seit November daran, ein zusammen, die in der Vergangenheit Sonderkonditionen Hotels in der Nähe Fest für die Mitarbeiter zu gestalten. Es Großveranstaltungen wie den Besuch der Veranstaltungsmeile buchen, auch Barack Obamas für Familienangehörige. und 60 Jahre Bundesrepublik Neugierig geworden? Stück für auf der Straße des Stück werden wir im Intranet unter 17. Juni organi- dem Infobutton „60 Jahre Bundespoli- siert hat. zei“ mehr Informationen rund ums Fest einstellen. Zwischen Bran- denburger Tor und Bis zum 20. August am Branden- Siegessäule wird burger Tor!

Die gefragteste Veran- staltungsmeile der Bun- desrepublik: Die Straße Achim Berkenkötter des 17. Juni in Berlin Nadja Bleiber Spenden für Helfer in Not:

Bundespolizei-Stiftung Sparda-Bank West eG Konto-Nr.: 683 680 BLZ: 370 605 90 Die Spenden werden aus- schließlich und unmittelbar zu mildtätigen Zwecken verwen- det. Die Geldzuwendungen können zweckgebunden erfolgen. Die Bundespolizei- Stiftung ist befugt, Spenden- quittungen auszustellen. Mehr erfahren Sie unter: www.bundespolizei.de