<<

ISSN 0948–2407 | 67485 | 2,00 Euro DISPUT Juli 2012

Katja Kipping, Bernd Riexinger im Interview: Keiner bibbert gern Parteidebatte: Zuschriften aus der Basis Christoph Butterwegge im Gastbeitrag: Notwendig wie nie – DIE LINKE Helmut Scholz: »Ad acta«. Ein Sieg der Demokratie Das 5. Fest der Linken – traditionell, jünger, abwechslungsreich, nachdenklich

Vor dem und vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: gegen Demokratieabbau © Erich Wehnert ZITAT 4 INTERVIEW 39 DEMNÄCHST , Bernd Riexinger: 40 GASTBEITRAG Politisch geht es uns darum, den Keiner bibbert gern Christoph Butterwegge: Notwendig Sozialabbau und die Gefährdung der 8 WIDERSTAND wie nie – DIE LINKE Demokratie in Europa zu stoppen. Wir Vor dem Bundestag: Gegen EU- wollen die Rechte des Bundestages, 41 FEUILLETON Fiskalpakt des Bundesverfassungsgerichts, der Aufm Ego-Tipp Bundesländer, der Kommunen und 10 PARTEIDEBATTE unseres Volkes schützen. 42 GESCHICHTE , 10. Juli, vor dem Bundes- 15 NEUMITGLIEDER Wladislaw Hedeler: Die »Deutsche verfassungsgericht zum Antrag der Ein Wochenende zum Genießen Operation« des NKWD LINKEN 16 FEST DER LINKEN 44 BRIEFE 18 UMFRAGE 45 GESCHICHTE Wie weiter? Kreisverbände nach Der Preußenschlag 1932 dem Parteitag 46 BÜCHER 20 VORSTAND 47 JULIKOLUMNE Claudia Jobst: Politik soll Spaß machen 48 SEITE ACHTUNDVIERZIG

© Erich Wehnert 21 VORSTAND Florian Wilde: Die Ruhe vor dem Sturm 22 VORSTAND Martin Schirdewan: Antworten auf Hesse 23 STUDIERENDENVERBAND Sascha Collet: Kapitalismus vs. Demokratie 24 EUROPAPARLAMENT Helmut Scholz: Ad acta Über das Zuhören, über neuen 25 FEUILLETON Schwung und über ihre Sommertour 26 UMBAU – die Parteivorsitzenden im Interview. Cornelia Möhring: Plan B, sozial Seite 4 und ökologisch Foto: privat Foto: 28 UMWELT Jürgen Stopel: Wer braucht ein »Endlagersuch-Gesetz«? ZAHL DES MONATS 29 NACHBELICHTET 30 GENOSSENSCHAFT 0,5 Sigurd Schulze: Gesetzänderung überfällig Ab einem Durchmesser von 0,5 Zenti- metern spricht man von Hagel, darunter 32 DOKUMENTIERT von Graupel – gemeint ist der Eis- Der Parteivorstand klumpen-Niederschlag, der vorwiegend 36 FEST DER LINKEN Julius Vogt, 16 und Neumitglied, in warmen Jahreszeiten und warmen berichtet von einem »Wochenende Gegenden auftritt. 38 PRESSEDIENST zum Genießen«. Seite 15

IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14 – 16, 10178 REDAKTION Stefan Richter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: (030) 24 00 95 10, Fax: (030) 24 00 93 99, E-Mail: [email protected] GRAFIK UND LAYOUT Thomas Herbell DRUCK MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin ABOSERVICE , Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS HEFT 7 16. Juli 2012 DER NÄCHSTE DISPUT erscheint am 16. August 2012

INHALT DISPUT Juli 2012 2 ANNEMARIE FINGERT Annemarie ist 57 Jahre jung, war seit deren Beginn bei der WASG und ist von An- fang an bei der LINKEN. Organisiert ist sie im Ortsverein München Mitte/West, sie ist im Vorstand des Kreisverbandes München aktiv.

Was hat dich in letzter Zeit am meisten überrascht? Dieser Hype mit den Piraten – (fast) nichts auf der Pfanne, aber hoch gehandelt. Und hoch gehandelt werden sie, weil sie für die herrschende Klasse keine Gefahr sind (auch nicht für die Männer): Liberalismus über alles. Nach dem Öko-Liberalismus kommt jetzt der Internet-Liberalismus.

Was ist für dich links? Das Eintreten für eine Gesellschaft, in der alle ohne Sorgen leben können; in der sich alle wohlfühlen, egal welche Wurzeln sie haben. In der alle ihr gutes Auskommen haben, egal ob die Eltern reich sind oder Flüchtlinge. In der sich alle für ein Leben entscheiden können, das ihnen behagt: egal welche sexuelle Orientierung sie haben, ob und was sie glauben, ob alt oder jung, Foto: privat Mann oder Frau. Alle sollen ein Leben ohne ökonomische Zwänge und ohne Ängste führen können. Dafür ist allerdings noch eine Menge zu tun.

Worin siehst du deine größte Schwäche, worin deine größte Stärke? Ich glaube, ich bin manchmal viel zu sehr von Pfl ichtbewusstsein getrieben. Diese Schwäche kann aber auch eine Stärke sein.

Was war dein erster Berufswunsch? Zahntechnikerin – die Ausbildung war jedoch viel zu teuer. Dann habe ich mich für eine Ausbildung als Elektroassistentin entschieden, da ich schnell von zu Hause ausziehen wollte.

Wie sieht Arbeit aus, die dich zufrieden macht? Es muss eine Arbeit sein, die ich für wichtig halte, die anderen hilft und die Spaß macht – zum Beispiel als Betriebsrätin. Allerdings kann dieser Job manchmal auch frustrierend sein!

Wenn du Parteivorsitzende wärst ... Will ich um Himmelswillen nicht sein! Ich bin davon überzeugt, dass Katja Kipping und Bernd Riexinger alles dafür tun werden, unsere Gemeinsamkeiten zu betonen, unsere gemeinsamen Ziele umzusetzen und DIE LINKE nicht denen zu opfern, die uns schon immer bekämpft haben.

Was regt dich auf? Schreiende Ungerechtigkeit gepaart mit Dummheit oder der Unfähigkeit, die Realität wahrzunehmen.

Wofür gibst du gerne Geld aus? Für Rotwein, gutes und für Reisen, bei denen ich die Welt kennenlerne.

Möchtest du (manchmal) anders sein, als du bist? Hin und wieder wünsche ich mir, aus meiner Haut raus zu können und nicht alles so ernst zu nehmen. Das geht aber leider viel zu selten.

Müssen Helden und Vorbilder sein? Helden sind Vorbilder. Alle die Frauen und Männer, die sich in der Nazizeit gegen die Faschisten gestellt haben und damit oft ihre Freiheit oder sogar ihr Leben riskiert haben, sind es. Ein aktuelles Vorbild bei und in München ist Martin Löwenberg. Den konnten weder Nazi-Deutschland noch die Repres- sionen in der Nachkriegszeit brechen (zum Teil bis heute, wenn er sich gegen die braune Brut wehrt). Er blieb aufrecht!

Wo möchtest du am liebsten leben? Da, wo ich bin: trotz der politischen Lage in Bayern und in meiner Heimatstadt München. Ein rotes Bayern wäre für mich jedoch die Krönung (da braucht's dann keinen König mehr).

3 DISPUT Juli 2012 FRAGEZEICHEN ir führen das Gespräch am 9. Juli, ihr seid gut fünf Wochen W in eurer Verantwortung als neue Parteivorsitzende und habt seit- Keiner her zahlreiche Interviews gegeben. Welche Frage, welche Fragen wurden euch am häufi gsten gestellt? Bernd: Anfangs die Frage, ob sich die Partei spaltet und wie wir die Par- bibbert tei wieder zusammenführen wollen. In den vergangenen Wochen sind die Fragen inhaltlicher geworden: zu Grie- chenland und zur Euro-Krise … – Und dann interessiert noch, wie wir beide gern uns vertragen. Katja: Ja. Bei mir kommen Fragen nach Vereinbarkeit von Beruf und Fa- Über die Kunst des Zuhörens, über frischen milie hinzu. Schwung und über ihre Sommertour durch Welche Frage habt ihr vermisst? Landesverbände in Ost wie West: Bernd: Ich hatte ehrlich gesagt kei- ne Erwartungen. Nach dem Parteitag die neuen Parteivorsitzenden Katja Kipping waren wir vollauf damit beschäftigt, und Bernd Riexinger erst einmal wieder ein wenig Ruhe in die Partei zu bringen. Unsere Integrati- onsfähigkeit war gefragt, und wir woll- ten den Eindruck widerlegen, dass wir vor einer Spaltung stehen. Katja: Wenn man den Politikbetrieb ein wenig kennt, dann rechnet man schon damit, dass halt immer wieder Fragen gestellt werden, die uns in ei- ne Personaldebatte hineinmanövrie- ren. Und da war ich eher positiv über- rascht, dass es uns dann in der Re- gel gelungen ist, das abzuwehren. Ich denke, wir haben eine Entschieden- heit ausgestrahlt: Wir diskutieren jetzt nicht über Personal, sondern über Po- litik. Dass das akzeptiert und nicht fünf Mal nachgefragt wurde, ist eine inter- essante Erfahrung.

Ihr hattet euch rasch nach dem Partei- tag relativ konkret festgelegt auf Vor- haben in den ersten 120 Tagen. 30 Ta- ge sind um. Wie ist der Stand der Din- ge? Katja: Ein paar Vorschläge sind so- fort umgesetzt worden, wie zum Bei- spiel im Internet das Blog, wo kräf- tig diskutiert wird. Da gehe ich auch manchmal rein, allerdings nur »zuhö- rend« und nicht schreibend. Viele an- dere Dinge wie die Sommertour durch Landesverbände und die Massen-Te- lefonkonferenzen werden vorbereitet. Wir haben gerade die Feinpläne für die Sommertour abgesprochen. Was man bereits jetzt sagen kann: Der Gedanke, eine »Kunst des Zuhö- rens« zu praktizieren, kommt gut an in der Partei. Ich habe es häufi g erlebt, dass Leute selber diesen Ausdruck ver- wendet haben. Der Schwerpunkt »Kampf gegen den Fiskalpakt«, die Auseinandersetzung

DISPUT Juli 2012 4 © Erich Wehnert (2)

mit Merkels »Krisenbeseitigungspoli- Kommunalpolitik und zum Teil an die Katja: Das 120-Tage-Programm muss tik«, die keine ist, rückten natürlich ins Landespolitik andockt. in zwei Ziele münden: in den Entwurf Zentrum des Geschehens. Wir wurden Am 15. Juli haben wir ein erstes Tref- des Bundestagswahlprogramms und in auch durch eine aktuelle Emnid-Umfra- fen mit außerparlamentarischen sozi- die Wahlstrategie. Vieles von dem, was ge bestärkt, die belegt, dass 62 Prozent alen Bewegungen. Wir nennen dieses wir jetzt hören und wahrnehmen, wird der Bevölkerung es richtig fi nden, ge- Treffen Bewegungsratschlag, wo wir zu- in das Bundestagswahlprogramm ein- gen den ESM (Europäischer Stabilitäts- hören wollen, was soziale Bewegungen fl ießen. mechanismus) und gegen den Fiskal- von der LINKEN erwarten. Bernd: Die Beiträge im Blog werden pakt beim Bundesverfassungsgericht Dafür, dass wir erst fünf Wochen im bereits ausgewertet. Wir stellen fest, in Karlsruhe zu klagen. Amt sind, haben wir gemeinsam mit dass der Bundesparteitag und viel- Im Zusammenhang mit dem 120-Ta- dem Vorstand und den Mitarbeitern im leicht auch unsere Wahl Intellektuelle ge-Programm steht auch, dass wir kürz- Karl-Liebknecht-Haus schon viel auf motiviert haben, sich Gedanken über lich öffentlichkeitswirksam der Genos- den Weg gebracht. Offensichtlich ha- den Zustand und die Zukunft der LIN- senschaft »FairWohnen« beigetreten ben wir die richtigen Themen getroffen. KEN zu machen. Das ist für die Partei sind und so persönlich für sie gewor- Morgen beraten wir mit den Landesvor- ungeheuer positiv, jetzt liegt’s an uns, ben haben. Wir schreiben alle Landes- sitzenden die nächsten Aufgaben, so den Faden aufzunehmen und die Dis- verbände an und werben in Ost und dass wir im Sommer insbesondere zur kussion fortzusetzen. Da haben wir West dafür, Genossenschaftsanteile zu Euro-Krise einiges auf die Beine stellen Nachholbedarf. erwerben, damit »FairWohnen« im Bie- werden. Und viele Themen haben den Sehr gefreut haben wir uns, dass terverfahren eine Chance hat. Horizont über die 120 Tage hinaus. Wir Raul Zelik in die Partei eingetreten ist Bernd: Alle drei Themen des 120-Ta- haben natürlich auch den Bundestags- und seine Gedanken dazu in einem ge-Programms sind in der Partei gut an- wahlkampf im Blick. wunderbaren Essay dargelegt hat. gekommen. Die Frage prekärer Arbeit in Ost und West, unter der sehr viele lei- Ich bleibe mal bei der Kunst des Zuhö- Stichwort Aktivitäten, Aktionen, Kam- den, entspricht der Erfahrungswelt un- rens. Das klingt sehr gut. Ich erinne- pagnen: Verkündungen von Kampag- serer Mitglieder. Sie arbeiten selbst in re mich, dass die Vorgängerin im Par- nen gab es in den vergangenen Jahren einem Minijob oder in Leiharbeit oder teivorsitz sich vor ihrer Wahl für eine etliche. Manche war ein Erfolg, andere sind von ihr bedroht. Außerdem bestä- »neue Kommunikationskultur« ausge- (wie die zur Gesundheitspolitik) sind tigen uns Betriebsräte und Vertrauens- sprochen hat. Meine Frage: Was müs- »ausgelaufen«, ohne Resultat, ohne leute das stetige Anwachsen der pre- sen wir, was müsst ihr tun, damit aus weitere Information, das kann nicht kären Arbeit. dem guten Klang auch wirklich ein befriedigen ... Die Frage der Rückeroberung des Öf- nachhaltiges Echo für die Tätigkeit in Bernd: Wir brauchen Aktivitäten, fentlichen ist besonders im Osten gut der Partei und in die Öffentlichkeit hi- die einfach und auch für Kreisverbän- aufgenommen worden, weil sie an die nein wird? de mit wenigen Mitgliedern umsetzbar

5 DISPUT Juli 2012 INTERVIEW sind. Ein aktuelles Beispiel ist unsere »Rette deine Stadt!« zu machen – zum wahr, wir greifen sie auf und kommuni- Postkarte zum Urlaub – gegen prekä- Schwerpunkt: Kampf gegen die Priva- zieren sie in der Partei als positive Bei- re Beschäftigung. In Baden-Württem- tisierung und für die Rekommunalisie- spiele. berg hatten wir eine solche Aktion vor rung des öffentlichen Eigentums. Weihnachten: »Wir wünschen Ihnen ei- Die Erfahrung ist: Unsere Genossen DISPUT erreichten seit Göttingen eini- nen guten Einkauf und der Verkäuferin sind fast ausschließlich ehrenamtlich ge Wortmeldungen … einen guten Lohn.« Das ist gut ange- aktiv, und sie machen eine Kampagne Katja: Und wie ist der Tenor? kommen. sowieso nicht deshalb, weil das irgend- Wir müssen, glaube ich, Kampag- eine Spitze beschlossen hat, sondern Vielleicht lässt er sich so zusammen- nenelemente entwickeln, die den un- weil die Idee gut ist oder weil sie ge- fassen: Die Probleme sind (noch) nicht terschiedlichen Mobilisierungsgrad der meinsam erarbeitet wurde. gelöst, es gibt jedoch mehr Zuversicht, Partei berücksichtigen, die nicht von den Streit fruchtbar zu nutzen und vornherein eine Überforderung der Ge- An welche Kampagne denkst du da? nicht zerstörerisch zu führen. nossinnen und Genossen in den Kreis- Katja: Für mich war die Mobilisie- Ein Genosse erwartet, dass »trotz verbänden darstellen. Darüber nachzu- rung zum Protest gegen den G8-Gipfel unterschiedlicher Ansichten im Detail denken wird genauso viel Energie kos- in Heiligendamm vorbildlich, weil man wieder eine einheitliche und eindeuti- ten wie die inhaltliche Orientierung. vorher bundesweit zusammengekom- ge Sprache« gesprochen wird. Ein an- Katja: Gleich auf unserem ersten men ist und Ideen und den Slogan ent- derer fordert, die hohen Ansprüche an Treffen haben uns die ostdeutschen wickelt hat. Da haben sich viele Leute »unsere« Berufspolitiker immer wieder Landes- und Fraktionsvorsitzenden für reingekniet. mit den Gegebenheiten zu prüfen; au- künftige Kampagnen mit auf den Weg Bernd: Kampagnen funktionieren ßerdem gäbe es zu viele Berufspoliti- gegeben: Weniger ist mehr. nie »top-down«, also von oben nach ker in der Parteiführung ... Natürlich sagen da alle: Im Prinzip unten. Wir haben gesagt: Wir wol- Katja: Da ist Bernd ein positives Ge- ja, aber zu meinem Thema muss ich len aufgreifen, was in den Landesver- genbeispiel. unbedingt eine Kampagne machen … bänden und den Basisorganisationen Das war auch auf der ersten Vorstands- schon läuft, und das in der Partei kom- Eine Basisorganisation, die BO 307 aus sitzung zu hören. Hier ist die Fähig- munizieren. Wenn die Basisorganisati- Berlin-Mitte, unterstützt ausdrücklich keit gefragt, sich auf einige zentrale onen erkennen, dass ihre Arbeit ernst- das 120-Tage-Programm und wünscht Kampagnen zu reduzieren. Man muss genommen wird – und nicht nur das, sich vom neuen Vorstand, dass die gro- ja außerdem berücksichtigen, was al- was die Parteiführung sagt –, wird das ße, schnell wachsende Bevölkerungs- les zusätzlich in den Kommunen, aus die Aktionsmöglichkeiten erweitern gruppe der Älteren, dass »ihr Potenzi- der konkreten Situation heraus, ent- und Schwung in die Partei bringen. Un- al, ihre Ansprüche und Bedürfnisse« steht. In Nordrhein-Westfalen zum Bei- sere Mitglieder müssen merken, wir einen höheren Stellenwert in der Po- spiel gibt es die Idee, eine Kampagne nehmen ihre interessanten Aktionen litik der LINKEN erhalten. © Erich Wehnert

INTERVIEW DISPUT Juli 2012 6 Bernd: Das ist toll, wenn sich die Ge- Riexinger auf Reise – Stationen der Der Wahlkampf ist nicht das alles Ent- nossinnen und Genossen so zu Wort Sommertour scheidende, der ist die Zugabe. Ent- melden und Vorschläge machen. scheidender ist, was in den nächsten Katja: Bemerkenswert fand ich die 24. Juli: Erfurt, Bad Salzungen, drei Monaten passiert. Wenn die gut Bundesseniorenkonferenz. Dort habe Eisenach (Thüringen) laufen, wird die Partei zuversichtlich ich viel gelernt. Zum Beispiel, dass es 25. Juli: Aurich (Niedersachsen) ins Wahljahr gehen. in der Seniorenpolitik nicht allein um 26. Juli: Osnabrück (Niedersachsen) die Vermeidung von Armut geht, son- 27. Juli: Salzgitter (Niedersachsen) Katja, du bist bereits nominiert als dern auch um den Gedanken der Teil- 28. Juli: Hannover (Niedersachsen) Bundestagskandidatin für Sachsen. habe. Was die Seniorinnen und Senio- 31. Juli: Rostock (Mecklenburg-Vor- Wirst auch du, Bernd, als Parteivorsit- ren auf die Beine stellen, ist hoch pro- pommern) zender kandidieren? fessionell und das beste Argument ge- 1. August: Bergen, Sagard, Grimmen Bernd: Ich werde nicht kandidieren. gen Altersdiskriminierung im Sinne von (Mecklenburg-Vorpommern) Aber ich habe schon vor meiner Wahl Ausschluss Älterer von demokratischen 2. August: Stralsund, Kratzeburg erklärt, nicht für den Bundestag zu Prozessen. (Mecklenburg-Vorpommern) kandidieren und ich bleibe dabei. Viel- Bernd: Die Zuschriften an »DISPUT« 3. August: Hamburg leicht ist es gar nicht schlecht, wenn ei- zeigen, die Leute machen mit – etwas 6. August: Borna (Sachsen) ner von beiden Vorsitzenden nicht im Besseres kann sich eine Partei nicht 7. August: Halberstadt, Wernigerode- Bundestag sitzt, sondern eben aus- wünschen. Dass Basisorganisationen Silstedt (Sachsen-Anhalt) schließlich für die Partei da ist. Ich ha- sich mit dem Programm auseinander- 9. August: Jena (Thüringen) be das Gefühl, dass das in der Partei setzen und Vorschläge machen, die wir 10. August: Niedersachsen – Staffel- gut aufgenommen wurde. gern aufgreifen, drückt doch eine ge- stabübergabe an Katja Kipping wisse Aufbruchstimmung aus. Eure Sommertour durch Landesver- bände beginnt am 23. Juli. Auf welche In einer kleinen Umfrage in diesem Stationen freut ihr euch besonders? Heft äußern Kreisvorsitzende die Über- Katja: Schon wenn ich beim Fuß- Katja: Natürlich auf die Staffelstab- zeugung, dass der Blick aller nun nach ball tippe, geht’s meistens daneben. übergabe am 10. August in Niedersach- vorn gerichtet werden müsse, auf die Für konkrete Wahlprognosen sind Um- sen – als eine Unterstützung für den Vorbereitung der Landtagswahl in Nie- frageinstitute oder Hellseherinnen zu- dortigen Wahlkampf; die niedersächsi- dersachsen und der Bundestagswahl, ständig. Oder anders gesagt: Progno- sche Landtagswahl ist ein ganz wichti- die in 14 Monaten ansteht. Wenig Zeit sen sind sehr schwer zu treffen, vor ges Zwischenziel in Richtung Bundes- bis dahin. Wie ist, grob, der Fahrplan? allem wenn sie die Zukunft betreffen, tagswahl. Hervorheben will ich auch ei- Bernd: Bis zum Wahlprogramm bleibt hat mal ein kluger, aber konservativer nen Termin in Rostock, wo es ein brei- noch ein bisschen Zeit. Im Frühsommer Mann gesagt. Dem würde ich mich an- tes Bündnis gegen Rassismus gibt. 2013 soll es auf dem Parteitag verab- schließen. Bernd: Ich habe einige Termine in schiedet werden. Davor wollen wir einen Wichtig ist, dass es uns in den ers- Niedersachsen. Bei mir ist der Schwer- sehr beteiligungsorientierten Prozess ten Wochen seit Göttingen gelang, den punkt ansonsten eindeutig der Osten: organisieren. Das drängendere Problem Negativtrend zu stoppen und eine Kon- Eisenach, Rostock, Rügen – wunder- ist, strategische Grundentscheidungen solidierung der Partei zu erreichen. Kei- bar! Ich freue mich darauf, die Leute für den Wahlkampf zu fällen. Wir müs- ner von uns bibbert gern an der 5-Pro- kennenzulernen. sen Fragen beantworten wie: Welche zent-Hürde. Es bleibt dabei: Wir kämp- Themen werden voraussichtlich für den fen um ein möglichst gutes Ergebnis. Trotz Sommertour, Wahlvorbereitung, Wahlkampf zentral sein? Wie schaffen Die Situation ist deutlich schwieriger anderer Termine: Wie und wo verbringt wir es, eigene Pfl öcke zu setzen, wenn als beim vergangenen Bundestags- ihr den Ferienteil des Sommers? SPD und Grüne in der Opposition ver- wahlkampf. Ich denke, wir müssen den Katja: Eine Woche werde ich ein bal nach links driften und wahrschein- aktuellen Stand erst einmal halten und bisschen in Hessen, der Region, aus lich einen viel weiter links orientierten dann ausbauen. Das ist mit sehr viel Ar- der mein Mann stammt, wandern ge- Wahlkampf führen werden als vor drei beit verbunden. hen. Und dann geht’s eine Woche zum Jahren? Das sind Fragen, mit denen Bernd: Wir wollen auf alle Fälle mit Tango-Tanz-Urlaub mit Freunden aus wir uns beschäftigen und für die wir im Umfragewerten ins Wahljahr gehen, der Redaktion »prager frühling« nach Herbst erste Richtungsentscheidungen die deutlich zeigen, der Wiederein- Italien. treffen müssen. zug in den Bundestag ist nicht gefähr- Ein erster grober Entwurf eines Fahr- det. Deswegen sind wir froh, dass uns Wäre Tango auch was für dich, Bernd? plans, den wir auf der ersten Vorstands- zwei Institute mit sieben Prozent ein- Bernd: Warum nicht? Unsere Spit- sitzung zur Kenntnis gegeben haben, ordnen. Wenn wir in dieser Größen- zenkandidatin bei der baden-württem- sieht auch einen Zukunftskongress zu ordnung das Wahljahr beginnen, sind bergischen Landtagswahl stammt aus Beginn des Frühjahrs 2013 vor, zu dem wir optimistisch. Denn das Schlimms- Argentinien, die hat mir mal die Schrit- gezielt Intellektuelle und Aktivisten so- te wäre, wenn es hieße, es ist unsicher, te gezeigt … zialer Bewegungen, die außerhalb der ob DIE LINKE in den Bundestag kommt, Katja: Die sind das Wichtigste. Partei organisiert sind, eingeladen wer- und die Wähler anfangen, taktisch zu Bernd: … Im Urlaub geht’s nach Süd- den. Mit ihnen wollen wir Schwerpunk- wählen. frankreich. Schon seit Jahren zelten wir te des Entwurfs vom Bundestagswahl- Wenn wir es schaffen, uns nicht in- dort an einem wunderschönen Fluss. programm debattieren. nerparteilich zu zerlegen und Themen Wird’s zu kalt, fahren wir ans Meer. zu setzen – das machen wir gerade: Was soll am Abend der Bundestags- zum Beispiel bei der Eurokrise, auch Also dann: Gute Arbeit, gute Erholung! wahl das Ziel sein, woran wollt ihr euch bei der Aufklärung der Umstände der messen lassen? NSU-Terrorzelle –, dann wird es gut. Interview: Stefan Richter

7 DISPUT Juli 2012 © Erich Wehnert Vor und im Parlament: Nein, Nein, Nein!

Während am 29. Juni im Inneren des Bundestages die Verhandlungen noch auf Hochtouren liefen, versammel- ten sich zahlreiche Berlinerinnen und Berliner vor dem Reichstagsgebäu- de, um gegen Fiskalpakt und Europä- ischen Stabilitätsmechanismus, eine Art Dauerrettungsschirm für die Ban- ken, zu demonstrieren.

WIDERSTAND DISPUT Juli 2012 8 9 DISPUT Juli 2012 Mit einer Stimme Zum 120-Tage-Programm »Den Aufbruch organisieren« Von der Basisorganisation 307 Berlin-Mitte

Wir, Genossinnen und Genossen der Die vier ausgewählten Arbeitsfelder le Baustellen, die angegangen werden Basisorganisation 307 (Berlin-Mitte), der nächsten 120 Tage sind unserer Er- müssen. haben in einer Mitgliederversammlung achtens wohl überlegt. Wir stimmen Notwendig ist, das Fundament un- unsere Meinungen über die Ergeb- ihnen zu und erwarten von unserem serer Partei weiter zu stärken, und das nisse des Göttinger Parteitages, über Bezirksvorstand und vom Landesvor- sind die Landesverbände mit ihren Re- das 120-Tage-Programm und über ers- stand Berlin deren erkennbare Unter- gional- und Basisorganisationen, und te Konsequenzen für die eigene Arbeit stützung. Das 120-Tage-Programm auf nicht die Strömungen. Die Pluralität ausgetauscht. Da im Positionspapier drei Seiten geschrieben, halten wir für der Partei macht unserer Erachtens ausdrücklich zum Erfahrungsaustausch einen Vorzug des Papiers, das macht dann Sinn, wenn die Strömungen da- allerdings Aussagen an einzelnen Stel- zu beitragen, die besten Lösungen zu len interpretierbar. fi nden, nicht aber, um Mandate zu er- Die Ansage, nachhaltig in den Er- obern oder Blockaden gegen den Vor- fahrungsaustausch, das Zuhören, die stand zu organisieren. Beschlüsse des Kommunikation mit der Basis und par- Parteivorstandes müssen für alle Vor- tizipative Parteiarbeit zu intensivie- stände, auch für die Bundestagsfrak- ren, halten wir für zwingend notwen- tion, verbindlich sein. Dafür ist unver- © DIE LINKE. Darmstadt (5) dig, um das Vertrauen in den Parteivor- zichtbar, dass seine Mitglieder künftig stand wieder herzustellen und die Par- wieder mit einer Stimme sprechen. tei erneut auf Erfolgsspur zu bringen. Alle zu Wort gekommenen Genos- Die vorgeschlagenen Einzelmaßnah- sinnen und Genossen sehen in der men (Punkt 1) lassen allerdings auch Regierungsbeteiligung ein legitimes den Eindruck zu, als sei das eigentli- Kampfmittel, linke Politik zu machen, che Problem der LINKEN die Kommuni- wenn die Wahlergebnisse das ermögli- kation. Ohne ihre Bedeutung mindern chen, wenn linke Zielvorstellungen da- zu wollen, sehen wir jedoch weitere mit realisierbar werden und im Vorhi- wesentliche inhaltliche und strukturel- nein klare Absprachen getroffen sind,

aufgefordert wird, möchten wir über ei- nige Fragen und Vorschläge aus unse- rem Meinungsaustausch informieren. Die Genossinnen und Genossen un- serer BO sagen dem neu gewählten Parteivorstand, einschließlich der Par- teispitze, ihre volle Unterstützung zu. Positiv vermerkt wurde, dass dem Ge- nossen Bernd Riexinger unmittelbar nach der Wahl Aktivitäten wichtig wa- ren, die helfen, die »Seele« der ost- deutschen Mitgliedschaft besser ken- nenzulernen. Die Aufgaben des Bun- desgeschäftsführers wieder in eine Hand zu legen, wurde ausdrücklich be- grüßt. Mit Matthias Höhn verbinden wir die Hoffnung, dass er seine Erfahrun- gen als ehemaliger Landesvorsitzender und seine neuen Einfl ussmöglichkei- ten nutzt, um die unsäglichen Gräben zwischen Landesvorsitzenden (Landes- vorständen) und dem Parteivorstand schnellstens und möglichst dauerhaft schließen zu helfen.

PARTEIDEBATTE DISPUT Juli 2012 10 pagne starten, um die »Märkte« aus bedingt verstaatlicht werden sollten. ihrer Anonymität zu holen. Wir müssen Positiv debattiert wurde die Idee einer glaubhaft machen, dass es sich bei »Offensive für das Öffentliche« (Punkt den »Finanzmärkten« nicht um Natur- 4), die über die Abwehr weiterer Priva- erscheinungen handelt, nachweisen, tisierungen lukrativer, gesellschaftli- wer die Institute sind, die ganze Staa- cher Bereiche und die Rekommunali- ten »zum Abschuss« freigeben dürfen, sierung hinausgehen soll. Dieser krea- wessen Profi te sie verwalten, wer die tive Ansatz, gemeinschaftlichen Reich- maßgeblichen Personen an den Schalt- tum nicht nur zu schützen, sondern hebeln sind und wie sehr sie direkt auch Kräfte zu seiner bewussten Meh- oder indirekt Regierungsentscheidun- rung zu mobilisieren, etwa im sozialen gen im eigenen Interesse beeinfl ussen. Wohnungsbau, sollte durch DIE LINKE In diesem Kontext ist zudem die pro- weiter diskutiert und befördert werden. grammatische Forderung der LINKEN Nachfragen gab es insbesondere für viele eher nachvollziehbar, warum dazu, warum die Autoren, kurz nach die privaten Banken, die für die Milliar- der Verabschiedung des Parteipro- denverluste der vergangenen Jahre im gramms, in diesem Startpapier, das Wesentlichen verantwortlich sind, un- möglichst die gesamte Mitgliedschaft ansprechen und verstehen soll, mit welche roten Linien nicht überschritten den »Commons« »eine neue soziale werden dürfen. Wir haben in den jüngs- Idee im Kapitalismus des 21. Jahrhun- ten Wahlkämpfen die Erfahrung ge- derts« ins Gespräch bringen. (Eine ge- macht, dass die Einsatzbereitschaft in waltige Defi nition!) Könnte die nicht der BO spürbar nachlässt, wenn durch auch missverständlich sein? Selbst Vorstände und Fraktionen solche Prin- wenn dieses Thema unter Fachpoliti- zipien ignoriert werden. kern eine gewisse Rolle spielt – schon Den Kampf der Partei um soziale der Begriff der »Commons« dürfte für Gerechtigkeit stärker auch auf die Ar- viele, die ohne Computer sind, noch beitswelt zu richten (Punkt 2), halten nicht einmal übersetzbar sein. wir für eine wichtige Entscheidung, weil Dass dieses 3-Seiten-Papier inhalt- hier eines der Hauptfelder unserer Inte- lich äußerste Beschränkung erforder- ressenvertretung liegt und weil wir uns te, wird verstanden. Für die künftige Ar- weiterhin als Teil der Arbeiterbewe- beit des Parteivorstandes halten wir es gung verstehen. Bedenken wurden ge- allerdings für dringend geboten, dass äußert, ob die Kernformulierung dieser die große, schnell wachsende Bevöl- 2. Schwerpunktaufgabe »Schutzfaktor kerungsgruppe im nacherwerbstätigen gegen Prekarisierung ...« zu sein, ver- Alter, ihr Potenzial, ihre Ansprüche und ständlich genug ist, um ohne »Überset- Bedürfnisse sowie die damit verbunde- zung« möglichst viele Bürgerinnen und nen Herausforderungen an die Gesell- Bürger anzusprechen und von unserer schaft in der Gesamtpolitik der Partei Politik zu überzeugen. Zunehmende Kleiner Aufwand, große Aufmerk- einen höheren Stellenwert erhalten Arbeitsverdichtung und Umschichtung samkeit: Sechs AktivistInnen des müssen. Wenn DIE LINKE bei den letz- des gesellschaftlichen Reichtums im Kreisverbandes Darmstadt (Hes- ten Bundestagswahlen, im Vergleich Interesse des Großkapitals sollten bei sen) begrüßten am Vorabend des zu allen anderen Bundestagsparteien, der Beurteilung der Krise nicht außen »Tages der Arbeit« in die Stadt den kleinsten Anteil ihrer Wähler aus vor bleiben. »Wischmopp schwingen« fahrende Menschen mit einer Pla- dieser großen Bevölkerungsgruppe ge- ist eine wenig geeignete Wortwahl, um kat-Aktion gegen Leiharbeit. Ent- winnen konnte (Wahlstudio ARD), soll- die schwere Arbeit der Reinigungskräf- gegen manchen Befürchtungen te das ein ernstzunehmendes Signal te zu beschreiben. funktionierte die schnelle Blick- dafür sein. Verstärkt Aktivitäten gegen den »Fis- Kommunikation mit den Autofah- kalpakt« (im weitesten Sinne) durch rerInnen recht gut: Etwa ein Vier- Helmut Schieferdecker, im Auftrag des »Aufklären und Widersetzen« zu entwi- tel zeigte durch Winken oder »Dau- Vorstandes ckeln (Punkt 3), fi ndet angesichts der men hoch«, dass sie die Aussa- verwirrenden Wertungen und Begriff- ge unterstützen – auch nachdem lichkeiten in den öffentlichen Medien beim sechsten Schild der Urheber unsere Zustimmung. Wir teilen die Mei- deutlich geworden war. Bus- und nung, dass in Folge dessen die Gefah- Bahnfahrer waren sichtlich ange- ren dieser neoliberalen Politik durch tan, und selbst aus dicken Nobel- viele Bürgerinnen und Bürger nicht karossen wurde gelegentlich Zu- wahrgenommen werden. stimmung signalisiert. Mit kleinem Angesichts der verlogenen Argu- Aufwand und wenig Stress konnten mentation, dass die Bereitstellung un- in einer Stunde etwa 600 bis 800 zähliger Milliarden alternativlos sei, Personen erreicht werden. Unse- um die »Finanzmärkte« zu beruhigen ren AktivistInnen hat der Einsatz und unser Land und seine Bürger vor wegen des positiven Echos viel deren Machenschaften zu schützen, Spaß gemacht. Uli Franke sollte DIE LINKE eine Aufklärungskam-

11 DISPUT Juli 2012 Bitte fruchtbaren Streit! Von Johannes Gildemeister, Dresden

Gregor Gysi möchte ich widersprechen, die Verletzung schon bestehender Ge- dass wir auf evolutionärem Wege eine wenn er auf dem Göttinger Parteitag setze zu erkennen und vor allem dar- Revolution vollziehen können. Wie na- sagt, es sei nicht schlimm, DIE LINKE um, mit welchen Gesetzesvorschlägen he diese an das Ziel Sozialismus her- im Westen als Interessenpartei und wir die Widersprüche lösen können. anführt, dessen Konturen nur in Grund- im Osten als Volkspartei zu bezeich- Eine fruchtbare Diskussion, die sich aussagen klar sind, ist aus erkenntnis- nen. Diese Bezeichnung spaltet zu Un- zum wissenschaftlichen Meinungs- theoretischer Sicht nur eingeschränkt recht. Ich halte es nicht für beschönigt streit entwickelt, wird möglich, weil es voraussehbar. zu sagen, dass sich in West wie in Ost hier um die Analyse der widersprüch- Die Nachhaltigkeit, das heißt die die Mitglieder für die Beseitigung der lich erscheinenden Realitäten geht und Unumkehrbarkeit des Prozesses der in Ungerechtigkeiten einsetzen, die hin- bei der Ausarbeitung der Gesetzesvor- Einzelschritten vollzogenen revolutio- ter den gesellschaftlichen Widersprü- schläge erkenntnistheoretische Metho- nären Weiterentwicklung in der Gesell- chen stehen. In dem Weg zur Verwirkli- den angewendet werden müssen. Die schaft, können wir insofern erreichen, chung der im Programm gesetzten Ziele Anwendung solcher Methoden bedeu- als die revolutionierenden Veränderun- erkenne ich jedoch einen Unterschied, tet auch, die Diskussionsbeteiligung gen im pluralistisch gestalteten Parla- der nicht zwischen West und Ost liegt, an den Lösungen für die Gesetzesvor- ment über das Gesetzgebungsverfah- sondern sich quer durch die gesamte schläge nicht nur für die gesamte Mit- ren aufgrund der Überzeugungskraft Mitgliedschaft zieht. gliedschaft, sondern für die gesamte der Argumente, gewonnen aus der Ana- Da gibt es noch jene, die durch Agi- Öffentlichkeit einschließlich der poli- lyse der gesellschaftlichen Widersprü- tation zum sofortigen Sturz des wenn tischen Gegner offenzuhalten. Das hat che, durchgesetzt werden. Diese kön- auch überlebten ablösungsreifen kapi- den Vorteil, schon vor der Vorlage der nen von Folgeregierungen nicht außer talistischen Systems Klassenbewusst- Vorschläge im Parlament zwecks Verab- Kraft gesetzt werden, wenn das Verfah- sein zu erzeugen versuchen, sich als schiedung die notwendigen Korrektu- ren nicht von populistischen Forderun- Klassenkämpfer sehen, dabei aber als ren vornehmen zu können. gen dominiert, sondern von der Reali- Schwätzer um eine zu realisierende Erst diese ausgeweitete Diskussi- tät der zu lösenden Widersprüche be- Utopie wirken. Bei der zweiten Grup- onsbasis macht DIE LINKE zur echten stimmt wurde. Da wir im Verbund mit pe, die im Osten stärker als im Westen Volkspartei. anderen kapitalistischen Staaten le- sein mag, verkommen im Programm Wer von dem rechten oder ganz lin- ben, so in der EU, die gleichgearteten angestrebte große Einzelziele revolu- ken Flügel innerhalb unserer Partei gesellschaftlichen Widersprüchen un- tionären bzw. reformerischen Charak- würde sich nicht an der Diskussion be- terliegen, kann ein rückwärts gerich- ters auch zu einem Geschwätz, weil sie teiligen wollen? teter Einfl uss von außen nicht zustan- nicht mit den zu lösenden gesellschaft- Die im Abseits Stehenden können de kommen. Im Gegenteil: Mit der An- lichen Widersprüchen begründet wer- dann ihren gegenseitigen Hass verges- nahme eines solchen begründeten Ge- den. sen und werden hoffentlich aufpassen, setzesvorschlages ist die Gesellschaft Gegenüber fruchtlosem Streit um wie in konkreten Fällen die an der Lö- unter Einfl uss der LINKEN demokrati- die im Programm zuerst zu verwirkli- sung der gesellschaftlichen Widersprü- scher, weil gerechter, und damit bei- chenden fi xierten unterschiedlichsten che und Überwindung der Ungerechtig- spielgebend geworden. Der Parteigän- Ziele sollte dabei die Aufdeckung der keiten Interessierten pfl ichtbewusst ih- ger der Finanzoligarchie konstatiert mit gesellschaftlichen Widersprüche als Ur- re Hausaufgaben machen, um daraus der Zunahme von Demokratie ein neu- sache der Ungerechtigkeiten zur Haupt- Schlussfolgerungen fürs eigene Mitma- es Stück Modernität, die er wegen sei- aufgabe in der Partei DIE LINKE erklärt chen zu ziehen. nes Nutzens für die gesamte Gesell- werden. Ihre Benennung und Analyse schaft und auch seiner Furcht, dass bei werden zur Grundlage von Gesetzent- Ein revolutionärer Schritt Annullieren der revolutionären Schritte würfen, die in Anlehnung an die exis- das ihm bisher Gewinn bringende Sys- tierenden Gesetze des bürgerlichen Wer mit unserer Partei im Rücken die tem außer Funktion gerät, in Kauf neh- Staates durchgesetzt werden können. existierende vom Kapital dominierte men muss, auch wenn er erkennt, dass Der Weg dahin läuft bei Orientierung an Gesellschaftsordnung positiv, wobei die Linke die Einkommens- und Besitz- Aussagen von Karl Marx über den Kapi- ich im Positiven das Revolutionäre se- tumsverteilung von unten nach oben talismus und seine Widersprüche über he, verändern will, der beteilige sich zurückspult. die Bereitschaft eines jeden Parteimit- an dem positiven Streit um die Lösung Dass die gerechte Verteilung von glieds, sich an Diskussionen zu betei- der einzelnen gesellschaftlichen Wider- Besitz und Einkommen Hauptziel der ligen, die der Aufklärung der gesell- sprüche, und das in dem Bewusstsein, Linken ist, soll aber von der gesamten schaftlichen Widersprüche dienen. Die dass mit dem vollzogenen Einzelschritt Bevölkerung wahrgenommen werden. Diskussion wird – was ganz wichtig ist ein revolutionärer Schritt vollzogen Das wird möglich, wenn in der Partei – eine Übersicht über die gesellschaft- wird. Für die bestehende Gesellschaft kein selbstzerstörender Zank um nicht lichen Widerspruchskomplexe schaffen ist das ein Reformschritt, weil ihre Ord- eindeutig festlegbare revolutionäre und eine Strategie in der Reihenfolge nung mit all ihren Besitzverhältnissen Fernziele, sondern ein schöpferischer ihrer Lösung ermöglichen. geblieben ist. Summieren wir die revo- Streit um die Lösung der Widersprüche Die Diskussion wird geführt, um lutionären Einzelschritte, so wird klar, in der Gesellschaft geführt wird.

PARTEIDEBATTE DISPUT Juli 2012 12 Optimismus nach Parteitag Von Jürgen Förster, Dresden

Der Parteitag in Göttingen hat in mir gern vermitteln, dass wir mit aller Kon- Berücksichtigung der Tatsache, unter einen deutlichen Optimismus ausge- sequenz daran arbeiten, alle unsere welchen Schwierigkeiten und Feindse- löst, dass es gelingt, die Personalque- Möglichkeiten für eine Verbesserung ligkeiten es gelungen ist, diese Erfolge relen in den Griff zu bekommen und der Lebensbedingungen unseres Vol- herbeizuführen. sich wieder mit aller Konsequenz auf kes und anderer Völker auszuschöp- Desgleichen sollte publiziert wer- die inhaltlichen Probleme zu konzen- fen. Nicht ohne Grund setzen viele eu- den, warum bestimmte Maßnahmen trieren. Die überwiegende Anzahl der ropäische Linke große Hoffnungen in trotz konsequenten Eintretens nicht Redebeiträge ließ erkennen, dass die unsere Partei. verwirklicht werden konnten und was vorhandenen Schwierigkeiten sehr kri- Für sehr wichtig halte ich folgende die Ursache dafür war. tisch analysiert wurden, dass nach Lö- Herangehensweise: DIE LINKE muss Es muss innerhalb der Partei ei- sungen gesucht und die Verantwortung überall dort präsent sein, wo Men- ne deutlich größere Kommunikati- jedes einzelnen für die Partei und für schen um ihre Rechte kämpfen, und on als bisher geben. Das gilt für die die Menschen in unserem Land gründ- ihnen klarmachen, dass wir auf ihrer Vorstands ebene ebenso wie für die Ba- lich herausgearbeitet wurde. Seite stehen. Dabei gilt es, den rea- sis. Dazu sind nicht allein persönliche hat völlig Recht, len Hintergrund der Forderungen und Kontakte erforderlich, sondern auch wenn er appelliert, dass es keine Spal- Maßnahmen nachzuweisen. Die hart- die Nutzung der zur Verfügung stehen- tung der Partei DIE LINKE geben darf. näckigste Lüge, die die Gegner unse- den Informationsquellen. Nur so kön- Andererseits ist es aber auch äußerst rer Partei immer wieder auftischen, nen Verständnis geweckt und eine ge- wichtig, derartige Tendenzen, wenn besteht darin, zu behaupten, dass die meinsame Basis gefunden werden. sie erkennbar sind, schonungslos an- Forderungen größtenteils populistisch Es ist noch längst nicht zu spät, aber zusprechen und aufzuzeigen, wel- und in der Praxis nicht zu verwirkli- die anstehenden Aufgaben müssen che Konsequenzen solche Verhaltens- chen seien. Aus diesem Grund sollten trotz aller Schwierigkeiten gemeinsam weisen nach sich ziehen. Bei allem sowohl im DISPUT als auch auf den formuliert und angepackt werden. Un- Wunsch nach Einheit und Geschlossen- Internet-Webseiten unablässig Erfol- ter diesen Voraussetzungen kann man heit konnte Gregor Gysi eine so deutli- ge linker Kommunalpolitik in den un- die Zukunft – schon bis zur nächsten che Warnung den Delegierten nicht er- terschiedlichsten Regionen des Lan- Bundestagswahl – deutlich optimisti- sparen. Die folgenden Redebeiträge des popularisiert werden, auch unter scher angehen. haben gezeigt, dass der Ernst der Lage von den Teilnehmerinnen und Teilneh- mern erkannt wurde. Der zum Teil dras- tische Verlust von Wählerstimmen und der deutliche Rückgang der Prognose- werte haben klar signalisiert, dass un- ter diesen Umständen das Vertrauen in die Partei stark abgenommen hat. Dieses Vertrauen wieder zurückzuge- winnen wird nur dann gelingen, wenn wir trotz unterschiedlicher Ansichten © istockphoto.com im Detail wieder eine einheitliche und Parteidebatte – Fragend schreiten wir voran, ist ein Blog im Internet eindeutige Sprache sprechen. Das kam benannt, in dem um Antworten und Anregungen gebeten wird. auch in den sehr wertvollen Beiträgen von Achim Bittrich (Sachsen-Anhalt), • Welche Erfahrungen macht ihr bei politischen Diskussionen, wenn ihr un- Christiane Reymann (Brandenburg) sere Forderungen gegenüber euren Bekannten und KollegInnen vertretet? oder Harald Wolf (Berlin) deutlich zum Welche Forderungen kommen gut an, welche nicht? Wo glaubt ihr, müssten Ausdruck. Damit will ich aber in keiner wir Forderungen besser erklären? Wo vielleicht sogar zuspitzen? Weise dokumentieren, dass ich haupt- • Wie nehmt ihr unsere Partei gerade wahr? Welche Sichtweise haben eure sächlich die Beiträge von Ostvertre- Bekannten und KollegInnen auf unsere Partei? Habt ihr Vorschläge, wie wir tern favorisiere, auch viele dargebrach- unser Auftreten verbessern können? te Ansichten von Teilnehmerinnen und • Wie könnt ihr euch in die Parteiarbeit einbringen? Was stört euch bei der Teilnehmern aus den alten Bundeslän- Parteiarbeit? Was läuft gut? Was kann/könnte besser sein, damit die Arbeit dern haben mir sehr gut gefallen und in unserer Partei euch mehr Freude bereitet? waren äußerst wichtig. Ich sehe es auch heute noch so, dass das Zusam- Die Vorschläge sollen Anfang September zusammengefasst werden und in mengehen und die Vereinigung mit der die weitere politische Strategie unserer Partei einfl ießen. Mehr dazu und WASG für die PDS eine echte Bereiche- mehr hinein: http://parteidebatte.die-linke.de rung ist, die uns im Osten neue Impul- Aber selbstverständlich ist auch »DISPUT« eine gute Adresse, wie die Mei- se verliehen hat. nungsäußerungen auf diesen Seiten dokumentieren. Wir müssen gemeinsam den Bür-

13 DISPUT Juli 2012 PARTEIDEBATTE Neuanfang? – Lehren ziehen! Von Ralf Becker, Hohenstein-Ernstthal

DIE LINKE hat sich in Göttingen befrie- Mitglieder abgestelltes Demokratie- ist. Das haben die Auseinandersetzun- det. Die Probleme sind aber noch nicht verständnis in ihren eigenen Struktu- gen vor Göttingen gezeigt. Die Grund- gelöst. Man kann sie nur lösen, wenn ren umzusetzen. Denn dann müsste lagen und Ursachen solcher Verwer- Ursachen für die konfl igierende Situa- sie längst daran konsequent arbeiten, fungen bestehen noch weiter. Nur die tion analysiert werden. Gysi sah keine den Gegensatz von Berufspolitik(er) Parteibasis kann hier Abhilfe schaffen Möglichkeit mehr, Emotionales, allzu und Rest der Mitglieder, der ja gerade dadurch, dass sie ihre Personengläu- Menschliches nicht zum Hauptgegen- in jene Krise mündete, durch veränder- bigkeit aufgibt und die Vielfalt bei Lis- stand einer politischen Betrachtung zu te Strukturen und Arbeitsmethoden zu tenaufstellungen wieder neu herstellt. machen. Also kann der geneigte Leser beenden. Professionelle Politiker entstehen und davon ausgehen, dass höchst Subjek- entwickeln sich nicht primär im etab- tives zum Hauptproblem der Arbeits- Abgehobener Politikbetrieb lierten Politikbetrieb, wie man in den fähigkeit der Bundestagsfraktion und verschiedenen Bewegungen wie attac, des Parteivorstandes geworden war. Die massive Personenfi xiertheit, wie BUND, Mehr Demokratie e. V., Transpa- Bei der engen Verfl echtung von Frak- sie vor Göttingen zelebriert wurde, rency International usw. sehen kann. tion und Parteivorstand kein Wunder. muss aufhören zugunsten von mehr Und als »Volksvertreter« ist es wichtig, Man denke an die Besetzung des Ge- Bescheidenheit bei den Berufspoliti- dass DIE LINKE – wenigstens sie – dar- schäftsführenden Parteivorstandes kern und entschieden mehr Selbstver- auf achtet, dass auch wirklich Vertreter durch Fraktionsmitglieder. Auch im trauen bei den vielen ehrenamtlich, der verschiedenen Schichten in ihren neuen Parteivorstand ist diese Quote aber fachlich vielfach nicht schlechter Fraktionen repräsentiert sind. Die Mi- noch zu hoch. arbeitenden Mitgliedern. Es gibt kei- schung aus Erfahrungen verschiedener Wenn von »Lagern« die Rede war, so nen überzeugenden Grund, über Jahr- Lebensbereiche mit weitergehender fokussierten sie sich auf Personen zur zehnte einen gleichbleibenden fi xen politischer und ökonomischer Bildung Vorsitzenden-Wahl. Es war eine höchst Kern von bezahlten Politikern zu hal- muss zur Grundlage eingreifender lin- maskuline Auseinandersetzung! Schon ten, dem die ganze ehrenamtliche Ba- ker Politik werden. Solche Entwicklun- hier zeigt sich zum Beispiel, welche Ar- sis die tragende Grundlage schafft gen müssen gefördert werden, solche beit trotz gewährleisteter Frauen-Quote und erhält. Im Gegenteil, das hat die- Politiker müssen – auf begrenzte Zeit noch zu leisten bleibt. ser Konfl ikt gezeigt, auch in der LIN- – stärker in den etablierten Politikbe- KEN wirken mit Mächtigkeit die Pro- trieb. Berufspolitik ist einer professio- Den Gegensatz beenden zesse eines abgehobenen Politikbe- nellen Politik zunehmend eher hinder- triebes und dessen Apparates von Mit- lich (geworden)! Sie muss abgeschafft Schaut man sich die »Exponenten« des arbeitern, die zur Überschätzung der werden. DIE LINKE muss der Vorreiter öffentlichen Teils der Auseinanderset- eigenen Rolle in der Politik führen und werden. zung an, fällt auf, dass sie allesamt Be- die eigene Meinung und Wichtigkeit vor rufspolitiker sind. Berufspolitiker in ih- die gemeinsam (nach Programm, Sat- rer Gesamtheit machen aber einen sehr zung und demokratisch-solidarischer geringen Teil in der LINKEN aus. Wenn Beratung) bestimmte Aufgabe stellen. einige wenige davon aber die Partei in Das ist Stagnation und Subjektivismus derartige Strudel führen und ihre ge- und wird als politische Praxis Volunta- Treber © Dietmar sellschaftliche Stellung derart gefähr- rismus, Willkür. So wächst weder die den können, so stimmt etwas nicht so- Partei noch ihre Anhänger- und Wäh- wohl mit dem inneren »Kräfteverhält- lerschaft. nis« als auch mit den demokratisch- Das Abheben aber, die Anpassung solidarischen Einstellungen dieser an Verhaltensmuster des veralteten Berufspolitiker, von ihrem Selbstbild und nicht zukunftsfähigen Politikbe- als »Diener« der Partei ganz zu schwei- triebes verhindert man nur, wenn die gen. Das sollte sich die große Mehrheit Art und Weise dieses Politikbetriebes der ehrenamtlichen Mitglieder gehörig selber verändert wird: DIE LINKE muss durch den Kopf gehen lassen und bei aufhören mit der jahrzehntelangen, auf der nächsten Listenaufstellung Konse- Karriere einiger weniger in der bezahl- quenzen ziehen. ten Politik orientierten Praxis. Sie hat DIE LINKE hat viel mehr zu bieten, viel mehr Potenzial an fähigen Mitglie- vor allem auch an Personal, als einen dern, die sich aber nicht hinreichend kleinen Haufen die eigene Bedeutung einbringen können aufgrund ihrer Bin- überschätzender Berufspolitiker. Das dung in der Erwerbsarbeitswelt und der Bei der Parade der Kulturen in Frank- eben ist auch ihr Problem: Sie vermag bestehenden relativ fi xen Strukturen furt am Main warben am letzten Juniwo- es noch nicht, ihr auf Teilhabe, Selbst- der Berufspolitik. Im Gegenteil werden chenende wieder Vereine und Initiativen bestimmung, Selbstermächtigung und sie dominiert von der Berufspolitik, was – auch DIE LINKE – für mehr Toleranz und souveräne Entscheidungsmacht der der Entwicklung der LINKEN abträglich gegen Rassismus.

PARTEIDEBATTE DISPUT Juli 2012 14 Ein Wochenende zum Genießen 52 Neumitglieder trafen sich in Berlin. Sie hatten viel zu sehen, zu hören und zu diskutieren Von Julius Vogt

Auf dem Fest der Linken tauchten wir unter dem Programmpunkt »Neumit- glieder stellen sich vor« auf, wobei ei- nige Neumitglieder auf der Bühne Fra- © Ronald Friedmann © Ronald gen zu ihren Beweggründen und Vorstel- lungen von unserer Partei (Foto) beant- worteten. Im Anschluss folgte für Interessier- te eine alternative Führung durch den Stadtteil Prenzlauer Berg. Andere gin- gen in den Treptower Park zum Ehren- mal der im Zweiten Weltkrieg gefallenen sowjetischen Soldaten. Den Abend konnten wir gemeinsam in einem Restaurant ausklingen lassen, dabei Ideen austauschen oder zu inhalt- lichen Themen diskutieren. Am Sonntag, dem letzten Tag dieses ereignisreichen Treffens, war ein Besuch Um neuen Mitgliedern unserer Partei sollte. Weitere Probleme tauchten in des Bundestages vorgesehen. Für ein die Möglichkeit zu geben, sich zu ver- den Gesprächen auf. So spielten Fragen Gespräch standen und Frank netzen, Ideen auszutauschen oder ein- wie ein hohes Durchschnittsalter aller Tempel zur Verfügung. Es ging um ihre fach mal ein Wochenende mit anderen Genossinnen und Genossen und das Arbeit im Bundestag. Sie stellten be- Genossinnen und Genossen zu genie- ungleiche Verhältnis zwischen den Lan- sonders die vielen Gremien- und Aus- ßen, trafen sich 52 Mitglieder vom 15. desverbänden im Osten und Westen ei- schussaktivitäten vor. Bei Petra ist das bis 17. Juni in Berlin. ne Rolle. zum Beispiel die Arbeit im Innenaus- Die Parteivorsitzende Katja Kipping Nach einem üppigen Abendessen schuss oder als Vizepräsidentin. Wie hatte während ihrer Rede auf dem Bun- war für jedes Neumitglied Freizeit an- Petra ist auch Frank Mitglied des Innen- desparteitag in Göttingen für mich eines gesagt. ausschusses und außerdem Drogenpo- deutlich gemacht: dass das Wort »ge- Den nächsten Tag fi ngen wir dort an, litischer Sprecher der Fraktion. Natürlich nossen« eine Form von »genießen« ist wo wir am Vortag aufgehört hatten: im steht hinter diesen einzelnen Aufgaben – und genau das sollte an diesem Wo- Karl-Liebknecht-Haus. Eine Fragerun- großes Fachwissen und das forderten chenende für uns im Vordergrund ste- de mit Mitgliedern des Parteivorstan- wir auch durch Fragen wie zur Grenzkri- hen. des war anberaumt, mit dabei: Partei- minalität, zum Gebrauch von Verteidi- Treffpunkt war das Karl-Liebknecht- vorsitzender Bernd Riexinger, Bundes- gungsmitteln der Polizei oder zum NPD- Haus. Zunächst gab es ein paar kleine geschäftsführer Matthias Höhn, Bun- Verbot heraus. Nach dem Gespräch im Gespräche zwischen den Ankömmlin- desschatzmeister Raju Sharma und Fraktionssaal stand für alle noch ein gen aus der gesamten Bundesrepub- Vorstandsmitglied Halina Wawzyniak. Rundgang im Reichstag an, danach lik. Dann begrüßten uns Yvonne Sotor- Themen waren auch hier der Göttin- mussten viele ihre Heimreise antreten. rios, Kajo Tetzlaff, Martin Harnack und ger Parteitag und Umgangsformen in Für einige ging es anschließend zum Tanju Tügel herzlich in der Parteizent- der Partei. Bernd Riexinger bezeichne- Mahnmal der ermordeten Juden Euro- rale. In drei Gruppen ging es in Begrü- te den Parteitag als »heilsamen Schock« pas, um sich die Gedenkstätte anzu- ßungsworkshops, wo wir uns vorstellten und wies auf die wichtigen Gemeinsam- schauen und gleichzeitig der vielen Op- und in Anfängen über inhaltliche Posi- keiten aller hin: »Wir sind eine gesamt- fer des Holocaust zu gedenken. tionen diskutierten. Dabei redeten wir deutsche linkspluralistische Partei!« Er Abschließend ist zu sagen, dass die- auch über Gründe für den Eintritt in DIE würde die künftige Zusammenarbeit ses Wochenende ein großer Erfolg für LINKE. Viele Motive spielten eine Rolle gern als konstruktiv und respektvoll se- alle war und wir viele neue Kontakte – wie die Ungerechtigkeiten in unserer hen und damit ein besseres Vorankom- knüpfen konnten. Im Vordergrund stan- Gesellschaft, das Engagement für Poli- men ermöglichen. Natürlich war Katjas den jedoch der Spaß und das gemeinsa- tik und die Bevölkerung. und Bernds 120-Tage-Programm ein Ge- me Erlebnis. Und genau das wurde beim Deutlich wurde in allen Äußerun- sprächsthema. Treffen der Neumitglieder durch die Teil- gen, dass für uns alle DIE LINKE die ein- Am selben Tag ging es für die Neu- nehmenden besonders gewürdigt. zige Alternative in der Politiklandschaft mitglieder zum Fest der Linken in die Ein großer Dank geht an die Organi- Deutschlands ist! Ebenso wurde festge- Kulturbrauerei. Auf dem Gelände wa- satoren und an unsere Partei, die das stellt, dass der innerparteiliche Streit ren wie jedes Jahr Stände verschiede- Ganze ermöglicht hat. der Vergangenheit ad acta gelegt wer- ner linksgerichteter Strömungen aufge- den muss und künftig eine neue Um- baut. Für das leibliche Wohl war natür- Julius Vogt, 16 Jahre, lebt in Schwedt gangsweise im Miteinander herrschen lich gesorgt. (Brandenburg) und ist Schüler.

15 DISPUT Juli 2012 MITGLIED © Erich Wehnert (3)

KULTUR DISPUT Juli 2012 16 Ein vielfältiges sa-Luxemburg-Stif- Gast waren Freun- Treffen von Politik, tung und Neuem de aus den Nieder- Kultur und Unter- Deutschland für landen, aus Spani- haltung – wo sind den 15. bis 17. Ju- en, Frankreich, Ös- die Grenzen? – war ni ein gewohnt terreich, Luxem- erneut das Fest der attraktives Pro- burg, Brasilien und Linken. gramm auf die Bei- Kuba. In der Berliner ne gestellt, das Kontrastreiche Mu- »Kultur brauerei« trotz zeitweilig ar- sik, szenische Le- hatten die Veran- ger Wetterkaprio- sungen, kulturvolle stalter der LIN- len 8.000 Besu- Debatten … all das KEN, von Bundes- cherinnen und Be- kam auch dieses tagsfraktion, Ro- suchern gefi el. Zu Mal gut an.

17 DISPUT Juli 2012 Motiviert – Perspektiven im Kreis Eine kleine DISPUT-Umfrage zu den Ergebnissen des Bundesparteitages

Im Nachgang des Parteitages in Göttin- 1. Unsere Partei muss sich auf Sach- kann sein, dass es noch tiefer bergab gen hat DISPUT einige Kreisvorsitzende themen konzentrieren und Personal- geht, aber jedem Tal folgt eine Wen- und Kreissprecher/innen gefragt, wie debatten in den Hintergrund stellen. de zum Positiven, und den Weg dahin es bei ihnen weitergehen soll: Es ist aufgrund der Finanzkrise zurzeit müssen wir mit Geduld und Ausdauer schwer, wirkungsvolle Oppositionspo- gehen – und zwar gemeinsam. 1. Welche Perspektive hat DIE LINKE litik zu betreiben, weil die Menschen 2. Wir müssen unsere Mitgliederver- nach dem Parteitag? stark verunsichert sind und keine »Ex- zeichnisse besser ordnen und pfl egen perimente« wollen. Daher müssen wir und neue Mitglieder gewinnen, und 2. Was muss jetzt am dringendsten uns mehr der konkreten Probleme der zwar mit überzeugenden Konzepten. getan werden? Menschen annehmen, die die Politik Deutlich ist: Wir müssen vorhandene der Schuldenbremsen für den einzel- Themen umdefi nieren oder neue su- 3. Welche Schlussfolgerungen ziehst nen verursacht. chen. Neue Themen sind zum Beispiel du persönlich für deine und für die 2. Wir müssen uns um den Partei- demografi scher Wandel und seine Fol- Arbeit des Kreisverbandes in den aufbau in der Fläche bemühen. Wo gro- gen oder ein guter öffentlicher Perso- nächsten Monaten? ße Kreisverbände sind, sollten Ortsver- nennahverkehr. Mit Themen umdefi - bände entstehen. Der Kontakt zu örtli- nieren meine ich, dass wir zum Beispiel Und das sind die Antworten: chen Initiativen muss verbessert wer- als Antikriegspartei andere Schauplät- den. Die Jugendarbeit muss dringend ze als Afghanistan in den Blick bekom- 1. Es kann und wird nur aufwärts ge- entwickelt und/oder ausgebaut wer- men müssen, schließlich sind wir Pa- hen. Durch die demokratische Klärung den. Innerparteilich ist Bildungsarbeit zifi sten bezogen auf alle Orte dieser der Personalia ist im Parteivorstand – so zu gesellschaftlichen Zusammenhän- Welt. hoffen wir – die »Loslösung vom Eltern- gen wichtig. Um dies alles zu bewerk- 3. Wir werden vor Ort, in den Städ- haus« gelungen und die Repräsentanz stelligen, braucht es einen Kreis akti- ten und Kommunen beweisen, dass DIE der Regionen, vor allem Ost und West, ver Genossen vor Ort, denen Parteiar- LINKE und ihre Ziele dringender benö- sowie der »Strömungen« gewährleistet. beit Spaß macht und die andere in die tigt werden denn je. Für mich als Stadt- Wir hoffen: DIE LINKE ist tatsächlich eine Aktivitäten integrieren können. verordnete in Dreieich und als Kreisvor- lernende Partei mit hervorragender Sub- 3. Ich bin mit dem Ergebnis des Par- sitzende im Kreis Offenbach stellt sich stanz. Und wir glauben: Die Partei lernt teitages zufrieden und denke nach ganz besonders die Frage nach einer auch tatsächlich, mit einem suchenden, vorn. Wir im Kreisverband Bremen- Verknüpfung von sozialen mit ökologi- lernenden und vor allem einenden Vor- Nord-West arbeiten zurzeit aktiv am schen Fragen, ich glaube, mit diesem stand an der Spitze. Aufbau eines dritten Ortsverbandes Thema haben wir ein Alleinstellungs- 2. Die Partei muss zusammenfin- für Bremen-Nord. Im Ortsverband Grö- merkmal. den und ihre Existenzberechtigung, ih- pelingen-Walle ist es in diesem Jahr re Existenznotwendigkeit beweisen. Da gelungen, eine Stadtteil-Zeitung zu die Präsenz im Bundestag für die Arbeit entwickeln, die an Infoständen und

der ganzen Partei eine bedeutende Ar- im Stadtteil verteilt wurde. Dies wol- (3) privat Fotos: beitsbedingung ist, muss der Bundes- len wir unbedingt weiterführen. Neben tagswahlkampf ab sofort vorbereitet den Problemen bei Bildung und Arbeit Natascha Bingen- werden: durch gute Politik vor Ort und haben wir es im Kreisgebiet auch ver- heimer, Kreisver- in der Gesellschaft erlebbar, vertrauens- stärkt mit Mängeln im sozialen Woh- band Offenbach bildend und nützlich für die Menschen. nungsbestand zu tun. Dies ist ein wei- (Hessen) Durch richtiges Agieren in den großen teres Arbeitsfeld, was wir entwickeln Fragen der Ökonomie, Finanzwirtschaft müssen. und in Europa, und die Landesebene Ganz wichtig sind mir die Men- nicht vergessend, sondern systema- schen, die Mitglied in unserem Kreis- 1. Stellen wir uns vor, wir müssten in tisch stärkend. verband sind. Wir müssen möglichst 30 Jahren Rechenschaft ablegen über 3. Dass es wieder Sinn macht, für die viele mit einbeziehen und die Politik unser politisches Engagement in die- Partei aufzutreten. Dass die immer noch gemeinsam entwickeln. Das Ziel muss ser Zeit. Wollen wir dann sagen: wäh- aufmuckenden Allüren der letzten Mo- eine Partei sein, in der Menschen mit rend der Kapitalismus in seiner heftigs- nate, soweit wir das beeinfl ussen kön- unterschiedlichster Lebenserfahrung ten Krise seit 1929 steckte, während nen, in positive Energie umgewandelt solidarisch zusammenarbeiten. das (Finanz-) Kapital eine immer dreis- werden. Dass wir besser, schneller, tie- Helga Ebbers, Kreisverband Bremen tere Enteignung der Lohnabhängigen fer, höher, breiter arbeiten. In der Kom- Nord-West vorantrieb, während ganzen Volkswirt- munalpolitik besonders. schaften in Europa die völlig enthemm- Elli Brinkschulte, Thomas Trüper, ten Verwertungsbedingungen des Ka- Kreisverband pitals ohne Rücksicht auf Verluste auf- (Baden-Württemberg) 1. Eines ist klar: Deutschland gepresst wurden, während die Welt in braucht eine neu motivierte LINKE. Es Kriegen versank und neue Kriege vor-

KREISVERBAND DISPUT Juli 2012 18 bereitet wurden, während in Europa die 1. Auf jeden Fall deutlich bessere bände machen die Partei vor Ort erleb- Menschen aufstanden gegen die täglich als vor dem Parteitag: Es gibt jetzt eine bar und attraktiv für neue Mitglieder. schlimmer werdenden Zumutungen des echte Chance auf eine kooperative Füh- Wir verstehen uns als eine lernende Systems, während dieser Zeit waren wir rung, weil erstens die Verantwortungs- Partei mit einer lebendigen Diskussi- als einzige linke, im Parlament vertrete- träger nicht nur aus einem Strömungs- onskultur und mit gemeinsam erarbei- ne Kraft mit uns selbst beschäftigt? bezug/Lager kommen und zweitens teten und ausgestrittenen politischen Oder wollen wir in 30 Jahren sagen: diese sich in der bisherigen innerpar- Positionen. Wir werden deshalb in den Wir haben eine Partei aufgebaut, die teilichen Personaldebatte nicht »ver- nächsten Monaten mit vielfältigen po- stark genug wurde, um einen wichtigen brannt« haben. Die ersten Wochen be- litischen Aktivitäten für unsere Partei Beitrag zur Überwindung dieser Zustän- stätigen zudem die Einschätzung der und unsere Ziele in der Öffentlichkeit de zu leisten? Wir waren ein treibender Parteitagsdelegierten des Stadtverban- werben. Insbesondere mit Blick auf Teil der Veränderung, weil wir nie verga- des Gera, dass mit dieser Zusammen- die Bundestagswahl 2013 werden wir ßen, worum es ging, während wir mit- setzung der Parteispitze es nun endlich alle Anstrengungen unternehmen, da- einander politische Unterschiede dis- (!) wieder gelingt, die vielen wichtigen mit DIE LINKE das Direktmandat von kutierten? Wir verzichteten auf Selbst- Themen und politischen Alternativen im Bundestagswahl- demontage in den bürgerlichen Medien der LINKEN in die öffentliche Diskus- kreis verteidigen kann.« und schafften es so, immer mehr Men- sion zu bringen und damit auch den schen für unsere und ihre Sache zu be- »Gebrauchswert« unserer Partei deut- geistern? Auf diesem Wege gelang es lich zu machen. Somit hat der Göttin- uns, Druck aufzubauen, auf der Straße ger Parteitag uns die Chance erhalten, und im Parlament, und so an der Um- als gesamtdeutsche sozialistische Par- setzung unseres Parteiprogramms zu ar- tei die politischen Verhältnisse in die- beiten? Letzteres sollte die Perspektive sem Land spürbar nach links zu ver- Andreas Schubert, für DIE LINKE nach dem Göttinger Par- schieben. Kreisverband Gera teitag sein. 2. Der neu gewählte Parteivorstand (Thüringen) 2. Meine bescheidenen Wünsche wä- und insbesondere die neu gewählten ren folgende: nach innen: Parteiaufbau Parteivorsitzenden benötigen die Soli- (quantitativ: Mitgliedergewinnung, qua- darität der gesamten Partei. Sie müs- litativ: Politische Bildung, stärkere Ver- sen jetzt nach ihrer Wahl die Chance 1. DIE LINKE ist nach wie vor die ein- ankerung in der Gesellschaft, Kampa- bekommen, sich ohne innerparteili- zige Alternative für soziale Gerechtig- gnen- und Aktionsfähigkeit erweitern), che Anfeindungen auf die politische keit und Frieden. Das zeigen die von nach außen: frech und selbstbewusst Profi lschärfung und Kommunikation der Bundesregierung und den durch auftreten, sich linken Populismus trau- nach innen und außen konzentrieren sie okkupierten Parteien gefassten Be- en und so Themen setzen, linke Alterna- zu können. schlüsse zu Schuldenbremse und Fis- tiven aufzeigen und diese tatsächlich in Alle Bereiche der Partei, alle Mit- kalpakt. die Gesellschaft tragen. Für all dies wäre glieder von der Basis über die IG/AG Es wird uns gelingen, dies auch in angesichts von knappen Ressourcen ein bis zu den Vorständen und Fraktio- der Öffentlichkeit wieder in den Vorder- strategischeres Herangehen sicher nicht nen, müssen sich jetzt um einen neu- grund zu stellen. verkehrt: Wo wollen wir hin? Was brau- en Aufbruch für DIE LINKE bemühen, 2. Wir brauchen zuerst eine gute chen wir dafür? Was ist eher unwichtig, der sich nicht nur in steigenden Um- Kommunikation und den direkten Kon- weil reines Tagesgeschäft? Worauf kon- fragen, sondern auch in wachsenden takt zu unseren Wählern. Wir müssen in zentrieren wir uns deswegen? Mitgliederzahlen widerspiegeln soll- der Öffentlichkeit wahrgenommen wer- 3. In vielen Bereichen in Bochum te. Dabei sind auch die organisierten den. Das heißt: Strukturen gerade auch läuft es gut (so haben wir entgegen Lan- Begegnungen innerhalb unserer Par- in der Fläche. des- und Bundestrend einen Mitglieder- tei zwischen Ost und West zu aktivie- 3. Wir konnten in unserem Kreis- zuwachs von über sechs Prozent), in an- ren, um sich noch besser kennen und verband gerade mit Unterstützung der deren Bereichen wie etwa Kampagnen- schätzen zu lernen. Bundespartei ein Regionalbüro unse- fähigkeit ist nach oben noch Platz, um Ehrlichkeit, Vertrauen und Ge- res Landesverbandes eröffnen. Hier- sich zu verbessern. Dafür ist eine stärke- schlossenheit nach außen sind die durch erhoffen wir uns eine wesentlich re Mitgliederaktivierung notwendig, ein Tugenden, die jetzt alle Funktionsträ- bessere Ansprechbarkeit. Wenn wir in respektvollerer Umgang mit dem Enga- ger beherzigen müssen. An der Basis den Kommunen keine Akzeptanz er- gement von Genossinnen und Genos- klappt das schon ganz gut. reichen, werden wir auch bei Bundes- sen vor Ort wäre dabei sicher hilfreich. 3. Der Parteitag hat bei mir trotz al- tags- und Landtagswahlen keine Erfol- Für den Parteiaufbau wäre eine stärke- ler Anstrengungen für Motivation ge- ge erzielen können. Wir wollen mit Bür- re Verankerung in einschlägigen Stadt- sorgt, weil es vor dem Hintergrund der gersprechstunden und Infoständen für teilen ein sinnvolles, aber langfristiges Ausgangslage das bestmögliche Er- den nötigen Bürgerkontakt sorgen. Ziel. gebnis gab. Wolfgang Förster, Der Stadtverband hat sich auf einer Kreisverband Speyer-Germersheim Basiskonferenz am 6. Juli 2012 mit der (Baden-Württemberg) Auswertung des Parteitages befasst. In dem dort gefassten Beschluss heißt Christian Leye, es: »Der Geschlossenheit und Solida- Umfrage: Antje Kind Kreisverband rität, die wir vom neu gewählten Bun- Bochum desvorstand und der Partei insge- (Nordrhein-West- samt erwarten, fühlen wir uns auch im falen) Stadtverband Gera verpfl ichtet. Nur [email protected] stabile und aktionsfähige Gebietsver-

19 DISPUT Juli 2012 Politik soll Spaß machen Wichtig wird sein, in naher Zukunft glaubwürdig rüber zu kommen Von Claudia Jobst

»Reclaim the streets« war der erste Slo- und alt zu Parteitagen gemeinsam zu- diesen Feldern setzen. Diese Konzent- gan, unter dem ich auf die Straße ging. sammen, man trank gemütlich ein Bier ration des »Wie wirken wir nach außen, In Dresden standen Kürzungen im Ju- oder schwang sogar das Tanzbein. Das und wir beschäftigen uns nicht nur mit gendhilfebereich an, und der Jugend- machte Spaß! uns selber« fehlte auf Bundesebene in verein Roter Baum e. V., dessen Jugend- Im August 2010 begann ich, als Leh- letzter Zeit enorm. Mein Anspruch ist haus ich jeden Nachmittag unsicher rerin an der Freien Alternativschule in es, unsere linke Politik wieder transpa- machte, war davon betroffen. Und sie- Dresden zu arbeiten. Nach mittlerweile renter werden zu lassen und unseren he da, die Proteste trugen Früchte und acht Jahren in den Reihen und im Auf- Weg zurückzufi nden und als Kümme- Schlimmeres konnte verhindert werden. trag der Partei war das die perfekte Ab- rerpartei wahrgenommen zu werden, Das war im Jahr 2000. In der folgenden wechslung. Ich kehrte der LINKEN den die man ernst nehmen und der man Zeit engagierte ich mich viel im Verein, Rücken und konzentrierte mich voll- Vertrauen schenken kann. protestierte gegen Nazis und lernte die kommen auf die Schule. Was nicht be- Ein weiterer wichtiger Aspekt mei- PDS näher kennen. Enttäuscht über die deutete, dass ich mehr Zeit haben soll- ner Kandidatur war und ist, die Um- verlorene Bundestagswahl, trat ich am te. Eine Schule, die vom Engagement setzung des Konzeptes zur Herstellung 20. September 2002 als Akt der Soli- der PädagogInnen und Eltern lebt, die von Geschlechtergerechtigkeit voran- darität gemeinsam mit meinen Freun- sich immer wieder hinterfragt und der zubringen. Gabi Ohler und Ulrike Zehr- dInnen in die Par- es am Wichtigsten hau, die sich bisher im Parteivorstand tei ein. Meine Eltern ist, dass es den Kin- mit den Themen Gleichberechtigung waren anfänglich dern und Jugendli- und Feminismus beschäftigt haben, nicht sehr begeistert. Wofür sie sich in der Partei chen gut geht und haben nicht noch einmal kandidiert. »Dort wird doch nur einsetzen – DISPUT sie Spaß an Schule Innerhalb der LINKEN müssen wir es geredet und nichts wollte es wissen: von drei haben, verlangt viel schaffen, eine Gleichberechtigung zwi- gemacht!«, durfte ich neuen Mitgliedern des Initiative und Ide- schen Mann und Frau nicht nur durch mir allzu oft anhören. Parteivorstandes. alismus. Aber was Quoten künstlich zu erzeugen, sondern Dass man aber sehr gibt es Schöneres, wir müssen ein Selbstverständnis da- wohl Dinge verän- als durch die Dresd- für entwickeln, gleich zu sein bzw. die dern kann, mussten ner Neustadt zu lau- Unterschiede anzuerkennen und dass sie einsehen, nachdem ich 2004 in den fen und die Kinder wechseln nicht die man nicht anhand der Geschlechter un- Stadtrat von Radebeul gewählt wurde. Straßenseite, wenn man ihnen begeg- terscheiden kann und darf. Linke Büger/innenpolitik im Sinne von net, sondern sie umarmen einen freu- Die erste Sitzung des Parteivorstan- Beteiligung und Mitbestimmung in Form destrahlend! Tja, und neben der Arbeit des ist vorbei. Ich habe viel Potenzi- eines Jugendbeirates oder auch das kri- blieb auf einmal ein wenig Zeit übrig, al gespürt und fi nde, dass Katja und tische Hinterfragen des Kommunalhaus- um meinen Leidenschaften nachzuge- Bernd ihre Aufgabe bisher sehr gut haltes und das Aufzeigen von Alternati- hen: einfach mal den Fahrtwind beim machen. Das 120-Tage-Programm be- ven ließen sie aufhorchen und umden- Motorrad fahren genießen oder im Fuß- fasst sich zum einen mit innerpartei- ken. ballverein wieder für Tore zuständig lichen Baustellen und will unsere Mit- Parallel zu meinem Lehramtsstudi- sein – großartig! gliedschaft wieder motivieren, aktiv um an der TU Dresden arbeitete ich ab Nach gut einem Jahr Parteiabstinenz zu werden, spricht aber auch zentrale 2006 als Jugendkoordinatorin bei der wurde ich als Sprecherin für Gleichstel- politische Themen wie »Umfairteilen – PDS/LINKEN. Als »Mutti für alles« plan- lung und Feminismus in den Landes- Reichtum besteuern« oder »FairWoh- te ich die legendären Pfi ngstcamps, vorstand gewählt. Ein neues Thema, ei- nen« an. Wichtig wird sein, in naher organisierte Bildungsveranstaltungen ne neue Herausforderung – neue Ideen Zukunft glaubwürdig rüber zu kommen und war letztendlich für über 1.000 Mit- und Ehrgeiz, aber vor allem Lust waren und sich nicht mehr nur mit Personal- glieder und SympathisantInnen unter da! Und so viel hatte sich in der Zeit gar fragen zu beschäftigen. Die Wahl in 35 Jahren verantwortlich. Wichtig war nicht geändert … Niedersachsen wird eine ernsthafte mir dabei, den Jugendverband und die »Politik soll Spaß machen« – Unter Probe für die Bundestagswahlen 2013 Partei als Ganzes zu sehen, den Kon- diese Worte habe ich meine Kandidatur werden. Wir dürfen gespannt sein! takt zu suchen und uns Gehör zu ver- zum Parteivorstand gestellt. Auf Lan- schaffen. Diskussionen rund um Nati- desebene bereiten wir derzeit schon onenhype zur Fußball-WM oder die Le- die Wahlkämpfe für 2013 und 2014 vor, galisierung aller Drogen hatten nicht wir entwickeln Programme zur intensi- © Aris (2) nur Reibungspotenzial, sondern führ- veren Einbeziehung und Schulung neu- ten zu konstruktivem Austausch zwi- er Mitglieder zum Beispiel mithilfe des schen Parteibasis und Jugendverband. Mentoringprogrammes, und wir versu- Dass vieles nicht von hier auf gleich chen, die zahlreichen Themen wie Bil- ging, mussten wir erst lernen. Jugendli- dung, Soziales und Ökologie in die Ge- che Euphorie ließ sich davon aber nicht sellschaft zu tragen, indem wir uns Leit- abschrecken. Letztendlich saßen jung linien für unser politisches Handeln in

MITGLIED DISPUT Juli 2012 20 Die Ruhe vor dem Sturm Wir müssen ein sozialistisches und unangepasstes Profi l behalten Von Florian Wilde

scher Traditionen und ihrer gegenseiti- seits diese ganz konkreten Auseinan- © Aris gen Bereicherung in gemeinsamer Pra- dersetzungen mit der Perspektive auf xis kann ein neuer sozialistischer Auf- das ganz andere, auf einen demokrati- bruch entstehen. schen Sozialismus, verknüpfen. Eine entscheidende Voraussetzung Für die Zukunft unserer Partei bin eines Neuanfangs sozialistischer Poli- ich optimistisch. Wenn wir uns nicht tik ist, dass wir es schaffen, glaubwür- selbst zerlegen, stehen unsere großen dig zu vermitteln: Demokratie und So- Zeiten uns noch bevor. All der interne zialismus gehören für alle Zeiten un- Streit des letzten Jahres mit all seinen trennbar zusammen und bedingen ei- Verletzungen – er war auch Ausdruck nander. Das eine wird es nie ohne das der seit 2009 objektiv viel schwierige- Politisch aktiv wurde ich als Schüler andere geben, und beides wird nur ren Lage der Partei. Momentan müssen in den frühen 90er Jahren in Kiel, ich »von unten her« durchgesetzt werden wir mit SPD und Grünen in der Oppo- war es später als Student in Hamburg können. Nicht nur wird uns kein Gott sition konkurrieren, und dort machen und Florenz und dann in Berlin. Im Lau- und auch kein höh'res Wesen retten. diese, was sie in der Opposition immer fe der Jahre war ich in sozialistischen Auch keine Parteiführung und keine Re- tun: links blinken. Hinzu kommt, dass Gruppen, in antifaschistischen Initi- gierung wird je einen demokratischen Deutschland bisher eine Insel der Se- ativen, in postautonomen Strukturen Sozialismus von oben her verordnen ligen inmitten des europaweiten Kür- und, in Italien, bei der Jugendorgani- können. Er kann nur aus den Kämpfen zungsdramas zu sein scheint. Wäh- sation der Rifondazione Comunista or- der großen Mehrheit der Bevölkerung rend es in vielen europäischen Län- ganisiert. Orte meiner Aktivität waren um Freiheit, umfassende Demokra- dern zu einer Welle an Generalstreiks immer soziale Bewegungen, Bildungs- tie und soziale Gleichheit entstehen. kam, scheint hier Friedhofsruhe an der proteste, Castor-Blockaden, Hausbe- Emanzipation ist nur als Selbstemanzi- sozialen Frage zu herrschen. Doch ich setzungen, die Antifa, Sozialproteste, pation denkbar. Schärfste Kritik an al- bin mir sicher: Es ist nur die Ruhe vor der AStA, später auch Gewerkschaften. ler autoritären und bürokratischen Ent- dem Sturm. Der nächsten Bundesregie- Seit Entstehung der LINKEN habe ich artung und an den im Namen des Sozi- rung wird in Zeiten von Schuldenbrem- mich in ihrem Umfeld engagiert: bei der alismus begangenen Verbrechen ist mir se und Fiskalpakt gar nichts anderes Bundestagswahl 2005 als (noch partei- als Historiker ein besonderes Anliegen. übrig bleiben, als einen brutalen Sozi- loser, aus der Studierendenbewegung In meiner Doktorarbeit habe ich daher alabbau zu forcieren. Und dieser Regie- kommender) Direktkandidat für die auch versucht, anhand des vergesse- rung wird dann wieder die SPD angehö- Linkspartei.PDS in Hamburg-Eimsbüt- nen KPD-Vorsitzenden und Schülers ren. Dies wird der LINKEN beste Chan- tel, seit 2007 als einer der Sprecher ih- Rosa Luxemburgs, Ernst Meyer, die zur cen eröffnen, Mitglieder und Wähler zu rer Historischen Kommission, als Bun- Stalinisierung alternativen, emanzipa- gewinnen und unsere Alternativen in desvorstand und später Geschäftsfüh- torischen Potenziale des frühen deut- die öffentliche Debatte zu bringen. Da- rer ihres Studierendenverbandes Die schen Kommunismus zu untersuchen. für allerdings gibt es zwei Vorausset- Linke.SDS. Auf dem Göttinger Parteitag zungen: Wir dürfen uns nicht selbst zer- wurde ich nun – vom SDS nominiert – Alltag und Perspektive stören, und wir müssen ein sozialisti- in den neuen Parteivorstand gewählt. sches und unangepasstes Profi l behal- Wesentlicher Grund meines Enga- Ich bin überzeugt: Je stärker der Kapi- ten, um als Alternative erkennbar zu gements bei der LINKEN ist, dass sie – talismus die Welt in einen Strudel von bleiben. gerade aus westdeutscher Perspektive Vielfachkrisen – Wirtschafts-, Umwelt-, Im Parteivorstand möchte ich am – einen tiefen und bedeutenden his- Klima- und Hungerkrisen, Krisen unse- Aufbau dieser Partei mitwirken und zu- torischen Einschnitt darstellt: 50 Jahre rer Lebensweise und Kriegsgefahren – gleich im Sinne des SDS, den ich dort lang waren alle Versuche, links der SPD reißt, je stärker er seine Unfähigkeit zur vertreten soll, für ihre Orientierung eine sozialistische Partei zu etablieren, Lösung der wichtigsten Menschheits- auf soziale Bewegungen und gewerk- immer wieder gescheitert. Erst mit un- probleme demonstriert, desto notwen- schaftliche Kämpfe als den zentralen serer neuen Partei ist dies endlich ge- diger und attraktiver werden radikale Hebeln einer Verschiebung der gesell- lungen! Dass sie dabei eine tatsächlich sozialistische Alternativen. Allerdings schaftlichen Kräfteverhältnisse eintre- gesamtdeutsche Partei mit ganz unter- nutzt es wenig, diese den bestehenden ten. schiedlichen Wurzeln ist, macht sie für Verhältnissen nur abstrakt entgegenzu- Bisher habe ich, etwa in der Histo- mich umso spannender. Denn vor dem halten. Wir müssen einerseits die Par- rischen Kommission oder in der Rosa- Hintergrund des Scheiterns des Sozia- tei sein, die am entschiedensten die Luxemburg-Stiftung, sehr positive Er- lismus im 20. Jahrhundert kann kaum (Alltags-)Interessen der abhängig Be- fahrungen mit generations-, sozialisa- ein linker Traditionsstrang für sich be- schäftigten, Arbeitslosen, Studieren- tions- und strömungsübergreifender anspruchen, alleine den Weg in eine den und Rentner organisiert, die den Zusammenarbeit bei Achtung unter- bessere Gesellschaft zu kennen. Im Ge- konsequentesten Kampf um jede klei- schiedlicher Positionen gemacht. Ich genteil: Erst aus der Zusammenführung ne Reform und Verbesserung innerhalb hoffe, im neuen Parteivorstand wird unterschiedlicher linker und sozialisti- des Kapitalismus führt. Und anderer- das auch so werden.

21 DISPUT Juli 2012 MITGLIED Antworten auf Hesse Eine Herzensangelegenheit: für ein solidarisches und friedliches Europa streiten Von Martin Schirdewan

»Heute liegt die politische Vernunft Rosa Luxemburgs Diktum der re- lung öffentlicher Güter. Und DIE LINKE nicht mehr dort, wo die politische volutionären Realpolitik bedeutet für muss die ihr zugeschriebenen Kompe- Macht liegt.« mich, den Aufbruch mit vielen kleinen tenzen weiterentwickeln und sich kon- Hermann Hesse Schritten im Hier und Jetzt zu starten sequent gegen den fortgesetzten So- und dadurch die Tore für den gesell- zialabbau, für gute Arbeit, für die Ver- 19.00 die heute-Sendung, 19.30 die schaftlichen Wandel Stück für Stück bindung mit außerparlamentarischen »ak – aktuelle Kamera« und 20.00 Uhr immer weiter aufzustoßen. Doch dafür Bewegungen, für Demokratie, für Frie- die Tagesschau. Das gehörte zum Alltag muss DIE LINKE eine Kultur des gegen- den und ein solidarisches Europa ein- bei meinen Großeltern. Genauso, dass seitigen Respekts und der Akzeptanz setzen. darüber diskutiert wurde, was sich der Verschiedenheit entwickeln. Nur dies- und jenseits der Mauer ereignete. dann können wir gemeinsam die gro- Energiewende und Soziales Ich weiß noch, wie turbulent und unauf- ßen Übereinstimmungen in unseren verbinden haltsam sich dann Ende der 80er / An- politischen Zielen in reale Politik über- fang der 90er Jahre die Welt veränder- tragen. DIE LINKE soll – und dafür wer- Die Schwerpunkte meiner politischen te und ich noch zu jung und politisch zu de ich mich einsetzen – eine attrakti- Arbeit im Parteivorstand sehe ich da- unerfahren war, überhaupt richtig ver- ve, pluralistische und manchmal auch rin, die Energiewende mit der sozialen stehen zu können, was da passierte. überraschend unkonventionelle Partei Frage zu verbinden. Die Energiewen- Aber alles war plötzlich anders. DDR- sein, in der der Mut, seine eigene Posi- de wird zu einer der zentralen gesell- Vereinigung-BRD. tion einzubringen, hoch geschätzt wird. schaftlichen Konfl iktlinien. Auf diesem Sicher erinnern sich noch viele an Im gelungenen innerparteilichen Aus- Politikfeld entscheidet sich maßgeb- die riesige Demonstration, als in Ber- tausch besteht für mich die Basis lang- lich, wie die zukünftige Gesellschaft lin Anfang der 90er Jahre 100.000 Men- fristigen politischen Erfolgs einer Par- aussehen wird. Ich will weiterhin das schen gegen den ersten Golfkrieg auf tei. Verständnis zwischen Ost und West, in die Straße gingen. Als ein humanis- der Partei, aber auch durch die Partei tischer Konsens in der Gesellschaft Alle Kraft in nächste Wahlkämpfe in der Gesellschaft befördern. DIE LIN- herrschte, dass Krieg eben kein Mittel KE trägt – so hat sie es in Göttingen be- der Politik sein dürfe. Das war meine Apropos Erfolg: Wir müssen alle Kraft schlossen – noch immer eine besonde- erste Demo. in die anstehenden Wahlkämpfe in- re Verantwortung für die ostdeutschen vestieren! Zunächst die Landtagswahl Bundesländer. Und ich will, das ist mir Ein Haufen Fragen im Januar 2013 in Niedersachsen, de- ebenso eine Herzensangelegenheit, für ren Ergebnis große Bedeutung für die ein solidarisches und friedliches Euro- Durch so unterschiedliche Einfl üsse Bundestagswahl im anschließenden pa streiten und dazu beitragen, die und Ereignisse politisiert, stand ich da Herbst zukommt. Es folgen 2014 wei- Frage zu beantworten, was nach einer mit einem Haufen Fragen. Und ich hat- tere Landtagswahlen und die Europa- Neugründung der Europäischen Union te Glück. Ich lernte Leute aus dem Um- wahlen. Auch hier will ich beitragen, kommen soll. feld der PDS und der Rosa-Luxemburg- was ich kann, damit DIE LINKE mög- Das Heute des Herrmann Hesse ist Stiftung kennen, die vielleicht nicht im- lichst viele Stimmen bekommt. Vergangenheit, doch seine Aussage mer die Antworten gaben, die ich hören Und der Parteivorstand steht mei- hat nicht an Aktualität verloren. Um wollte. Aber die zumindest selbst fra- ner Ansicht nach vor einer weiteren auf Hesse zu antworten: Es gibt zu vie- gend voranschritten, ohne auf der un- großen Aufgabe. Er muss gemeinsam le Gegenbeispiele, anzunehmen, dass bedingten Richtigkeit ihrer Antworten mit den Mitarbeiterinnen und Mitar- die politische Vernunft häufi g dort lag, zu beharren. Denen mehr am Zuhören beitern im Karl-Liebknecht-Haus ein wo auch die politische Macht lag. Aber und Verstehen lag als am Rechthaben. strategisches Zentrum für die gesam- es ist ein lohnenswertes Ziel, genau da- Heute ist DIE LINKE die Partei in te Partei bilden. Das gilt einerseits für für zu streiten: dass politische Macht Deutschland, die die bestehende Ge- Fragen des Parteiaufbaus, bei Akzep- nicht den Interessen weniger, sondern sellschaftsordnung grundsätzlich ver- tanz und der produktiven Verknüp- den vernünftigen Interessen der Mehr- ändern will. Auf den fi nanzmarktge- fung der Verschiedenheiten zwischen heit dient. triebenen Kapitalismus, der sich durch den ostdeutschen und westdeutschen radikalen Sozialstaats- und Demokra- Landesverbänden. Es geht nur mitein- tieabbau auszeichnet, soll der demo- ander, nicht ohneeinander und schon kratische Sozialismus folgen. Für die- gar nicht gegeneinander. Andererseits se gewaltige Veränderung muss DIE gilt das ebenso für inhaltliche Fragen. LINKE Partner fi nden, muss Akzeptanz DIE LINKE steht vor der Aufgabe, über- in der Gesellschaft errungen, müssen zeugende Angebote zu machen für die politische Angebote unterbreitet wer- Gestaltung der Energiewende, den so- den, die so attraktiv sind, dass sie von zial-ökologischen Umbau, für die fort- Mehrheiten in der Gesellschaft mitge- schreitende Entwicklung der inter- tragen und umgesetzt werden. netbasierten Gesellschaft, der Vertei-

MITGLIED DISPUT Juli 2012 22 Kapitalismus vs. Demokratie Wie der Studierendenverband einen großen Kongress über die Ursachen der Krise und über langfristige Perspektiven vorbereitet Von Sascha Collet

Vom 22. bis zum 24. Juni fand in Jena nicht nur untereinander, sondern vor al- der 10. Bundeskongress des Studie- lem mit anderen gesellschaftlichen, lin- rendenverbandes Die Linke.SDS statt. ken Aktiven. Es ist wichtig, nicht allein Auf seinem Jubiläumstreffen diskutier- punktuell oder auf organisatorischer te der Verband über die eigene Struk- Ebene zusammenzuarbeiten, sondern tur und die politische Ausrichtung. The- miteinander inhaltlich und politisch zu ma war auch wieder der große Kongress diskutieren, solidarisch zu streiten oder »Kapitalismus vs. Demokratie«, der im gemeinsame Positionen zu entwickeln. Dezember dieses Jahres in Köln stattfi n- Nicht zuletzt hierfür wollen wir die Mög- den wird. lichkeit bieten. Die Krise der Finanzwirtschaft zieht An drei Tagen wird ein reichhaltiges immer weitere Kreise und nimmt gleich- Programm sich mit den Auswirkungen zeitig immer groteskere Züge an. Die der Wirtschaftskrise und den aktuel- Banken in ganz Europa fordern stetig len Gefahren für die Demokratie welt- höhere Ausgleichssummen für verspe- weit beschäftigen. Themen werden un- kulierte Milliarden, gleichzeitig werden ter anderem sein: die Krise des Kapita- im großen Stil Sozialsysteme ausge- lismus, der neue Rechtsextremismus, hungert, um den Kauf von Waffen zu fi - die Rolle der Staaten in der Ökonomie nanzieren. Der Widerstand, der sich ge- und die demokratische Bewegung. Von gen diese Ungerechtigkeiten regt, wird dem Kongress soll ein politisches Signal je nach politischer Lage niedergeschla- ausgehen. Neben der Weiterbildung soll gen oder ignoriert. Uneinigkeit besteht hier eine Plattform geboten werden für © Die Linke.SDS indes auf allen Ebenen: über die Ur- die Vernetzung und den Austausch ver- Ideen und Ansätze, die in unserem Ver- sachen der Krise, über kurzfristige Lö- schiedener linker Akteure. band besprochen werden, abbilden zu sungsstrategien, ebenso über die lang- Bewegungsaktivsten sollen mit Par- können. Das ist nicht immer der leich- fristige Perspektive. Auch die Diskussio- teifunktionären, marxistische Akade- teste Weg, doch es lohnt sich. nen um die Rolle des Staates, die Funk- miker mit Gewerkschaftsmitgliedern in Viele Referenten sind eingeladen, tion von Rassismus in der Krise und die Kontakt kommen. Wir wollen uns ver- ein Programm wird gerade erarbeitet Zukunft von Europa stehen immer noch ständigen und neue Wege aus der Kri- und die Räumlichkeiten werden organi- im Raum. Ungeklärte Fragen werden se diskutieren. siert. Außerdem gibt es bereits Plakate, aber nicht besprochen, sondern von Mit diesem Kongress wollen wir klar Faltblätter und Aufkleber zum Kongress der Politik und anderen herrschenden machen: Wir als Linke werden nicht ta- auf unserer Homepage zu erwerben. Institutionen stillschweigend beiseite tenlos zusehen, wie unsere Wirtschaft, Wer auf dem Laufenden bleiben möch- gekehrt, um ihre jeweilige Linie nicht in unsere Umwelt und unsere Menschlich- te, kann sich auf unserer Homepage in- Frage stellen zu müssen. Wir als Die Lin- keit mit Füßen getreten werden. Alterna- formieren oder sich auf derselben Sei- ke.SDS sehen das als Problem. tiven sind möglich und müssen bespro- te in den Newsletter von Die Linke.SDS Vom 30. November bis zum 2. De- chen werden. Um hierzu einen Beitrag eintragen. zember sollen in Köln diese drängenden zu leisten, organisieren wir den »Kapita- Fragen besprochen werden. Gemein- lismus vs. Demokratie«-Kongress. www.kapitalismusvsdemokratie.de sam mit der Partei DIE LINKE und der Erwartet werden bis zu 1.000 Men- www.linke-sds.org/die_linkesds Linksjugend [’solid] Nordrhein-Westfa- schen, die sich über das ganze Wochen- Sascha Collet ist Bundesgeschäftsführer len organisieren wir den Kongress »Ka- ende in sechs parallel stattfi ndenden des Studierendenverbandes. pitalismus vs. Demokratie«. Hier wer- Themenblöcken verschiedenste Work- den internationale Gäste gemeinsam shops, Vorträge und Podiumsdiskussi- mit Expertinnen und Experten aus den onen zu einem Programm zusammen- ANZEIGE unterstützenden Verbänden und natür- stellen können. Ein großes Team, das lich mit vielen Besucherinnen und Be- vor allem aus Mitgliedern von Die Linke. suchern sich kennenlernen, diskutieren SDS besteht, trifft sich regelmäßig, um und voneinander lernen. Der Campus Ergebnisse aus den einzelnen Arbeits- der Universität zu Köln soll an diesem gruppen (Programm, Mobilisierung, Or- Wochenende zum Treffpunkt für Linke ganisation) zusammenzutragen, grund- und Interessierte aus ganz Deutschland sätzliche Entscheidungen zu treffen und und Europa werden. weitere Schritte zu planen. Auch und insbesondere für DIE LIN- Wir versuchen, möglichst viele Ge- Weydingerstraße 14–16 KE soll das Wochenende ein wichtiger nossinnen und Genossen aus dem Ver- 10178 Berlin Termin werden. Gerade für uns als pro- band einzubeziehen, einerseits natür- Telefon (030) 24 72 46 83 gressive kritische Partei ist es bedeut- lich, um die Arbeit auf viele Köpfe zu ver- sam, immer im Gespräch zu bleiben, teilen, andererseits auch, um die vielen

23 DISPUT Juli 2012 STUDIERENDENVERBAND Ein Sieg der Demokratie Mit der deutlichen Ablehnung des Anti-Produktpiraterie-Abkommens ACTA hat das Europaparlament sich an die Seite der Bevölkerung gestellt Von Helmut Scholz

Am 4. Juli 2012 wurde im Europäischen steht ACTA in der Kritik. So liefen auf- rechtecharta der EU zu verschieben. Sie Parlament Geschichte geschrieben. grund der vielen unklaren Formulierun- hofften, wie auch die EU-Kommission, Nicht, dass die anderen Entscheidun- gen hinsichtlich der Umsetzung in je- mit dem Gang zum EuGH werde das öf- gen der »EU-Volksvertretung« keine weiliges nationales Recht der Unter- fentliche Interesse schon nachlassen. Rück- und Auswirkungen auf die Politik zeichnerstaaten beispielsweise preis- Dass die Ablehnung von ACTA letztlich der Mitgliedsstaaten und der Gemein- werte Medikamente aus Indien Gefahr, jedoch so eindeutig ausfi el, ist ein kla- schaft als Ganzes hätten. An diesem beim Transport in Entwicklungsländer rer Sieg der Demokratie – auch über Ta- Tag aber hat die übergroße Mehrheit während des Transits durch ACTA-Staa- schenspielertricks, mit denen die Ab- der Abgeordneten den Willen der Bür- ten beschlagnahmt zu werden. Zudem stimmung zumindest verzögert und der gerinnen und Bürger direkt ins Parla- würde ACTA drastisch in den Justizbe- Bürgerwillen auf diese Weise missach- ment getragen – und der Europäischen reich eingreifen, indem es Unterneh- tet werden sollte. Wir hoffen, dass mit Kommission und deren Handelskom- men faktisch erlaubt, Importeure und unserem Votum die Ratifi zierung auch missar Karel De Gucht eine Niederla- sogar Endkunden mit Klagen zu über- in den anderen Signatarstaaten abge- ge beschert: Das Anti-Fälschungs-Han- ziehen und die Beschlagnahme von lehnt wird (es tritt nach Ratifi zierung in delsabkommen (Anti-Counterfeiting Waren zu fordern. mindestens sechs Staaten dann in die- Trade Agreement – ACTA) fi el mit nur 39 Und noch etwas stieß den Demons- sen in Kraft) und damit ACTA endgültig Ja-Stimmen, 478 Nein-Voten und 165 tranten auf den Straßen und uns als ad acta gelegt ist. Enthaltungen mit Pauken und Trompe- Parlamentariern auf: Die Entstehungs- Die Auseinandersetzungen um ACTA ten durch. geschichte von ACTA widerspiegelt vie- haben jedoch auch anderes gelehrt: Es Es ist eine Ironie der Geschichte, le jener Aspekte, die gerade wir LINKEN geht heute um ganz neue Dimensio- dass ausgerechnet ACTA zu einem Er- am heutigen Kurs der EU und ihrem Zu- nen des Informationsaustausches und folg für die demokratischen Protes- stand scharf kritisieren. Es wurde un- damit auch des geistigen Eigentums. te unzähliger Bürgerinnen und Bürger demokratisch ausgehandelt – mit dem Wir müssen den Wandel realisieren, sowie von Datenschutzaktivisten wur- Mandat der nationalen Regierungen der sich in drastischem Umfang und in de, die das Abkommen als eine Bedro- über den EU-Rat – hinter verschlosse- rasantem Tempo vollzogen hat. Das In- hung ihrer demokratischen Rechte se- nen Türen, ohne Beteiligung von Par- ternet fügt der Demokratie und unse- hen. Denn das Abkommen ist nichts lamenten oder zivilgesellschaftlichen rer Lebensweise eine neue Seite hin- anderes als der Versuch einiger weni- Kräften. Die Vertragshandlungen wa- zu. Der Umgang mit Information, Wis- ger, Kontrolle über die Gesamtheit al- ren so lange geheim geführt worden, sen und Kultur löst sich mehr und mehr ler zu erringen und auszuüben. In den bis Europaabgeordnete nach interna- vom Konzept des Privateigentums. Wir vergangenen Monaten waren Tausende tionalen Protesten eine Offenlegung müssen neue Formen entwickeln, die Menschen auf die Straßen gegangen, der Dokumente durchsetzten. Und einer Kultur des Rechts auf den Zugriff um gegen ACTA zu protestieren. noch vor der Debatte und den Abstim- und die Nutzung von Inhalten entspre- Was ist dieses ACTA, das die Men- mungen über ACTA hatte EU-Handels- chen. Dies ist letztlich auch der Kern schen so bewegt? Die Europäische Uni- kommissar De Gucht, unter dessen Fe- der Debatte um ACTA, darum geht es on wollte mit einer Gruppe von Indus- derführung das Abkommen verhandelt ebenfalls bei der Diskussion um die triestaaten ein Abkommen schließen, wurde, einen ungewöhnlichen Schritt künftige Entwicklung von Patenten, das nicht nur die Produktfälschung be- unternommen: Nahezu ultimativ for- des Urheberrechts, des internationa- kämpfen, sondern insbesondere die derte er die Zustimmung der Abge- len Handels und der wirtschaftlichen Durchsetzung von geistigen Eigen- ordneten zu ACTA, um im gleichen Zu- Kooperation in einer multilateral ver- tumsrechten ermöglichen sollte. So ge die Demonstranten gegen das Ver- netzten Welt. wären Internetanbieter für Inhalte und tragswerk als schlecht informiert zu DIE LINKE kann und muss an Lö- Aktivitäten ihrer Kunden haftbar gewor- diffamieren. sungen mitarbeiten, die dem Kreativ- den und hätten bei Verstößen die Kun- Natürlich sind wir Abgeordneten sektor in dieser neuen Umgebung den dendaten auch an Konzerne in anderen der Linksfraktion GUE/NGL dagegen verdienten Ertrag ermöglichen und zu- Ländern liefern müssen. Filesharing, Sturm gelaufen – übrigens gemeinsam gleich die Bürgerrechte auf Informati- der Austausch von Daten im Internet, mit Mitgliedern der Grünen. Die sozial- onsfreiheit und informelle Selbstbe- wäre in den Grenzbereich der Krimina- demokratische und die liberale Frakti- stimmung sichern. Es geht in der heu- lität gerückt worden. Gerade vom »Wis- on waren lange gespalten, sahen sich tigen Weltwirtschaft auch um das Recht sensaustausch« aber lebt das weltwei- aber erheblichem Druck durch Linke aller auf freien Zugang zu Wissen und te Netz. Mit ACTA dagegen wären Inter- und Grüne ausgesetzt. Selbst mancher Informationen und damit auch um die netprovider zur »Netzpolizei« gemacht Konservative hatte mit ACTA heftige Möglichkeit, Technologien im Interesse worden – eine Vorstellung, die unse- Bauchschmerzen. Dabei hatten Abge- nachhaltiger wirtschaftlicher Entwick- rer Vorstellung von digitaler Freiheit als ordnete der Europäischen Volkspartei lung – überall – voranzutreiben. Bestandteil der Grundrechte diametral sogar versucht, die Abstimmung über entgegensteht. ACTA bis zu einer Stellungnahme des Helmut Scholz ist Europaabgeordne- Aber nicht nur wegen der Internet- Europäischen Gerichtshofs zur Verein- ter und Handelspolitischer Sprecher der zensur und der Datenschutzfragen barkeit des Abkommens mit der Grund- Linksfraktion im EU-Parlament

EUROPAPARLAMENT DISPUT Juli 2012 24 ines Tages wird die Eurokrise nicht nicht verzichten. Aber China ist gleich- mehr kriseln, wird die Gier der zeitig der größte Nutzer von Wind- und E Plusmacher zum Brechreiz führen, Wasserkraft. Was die USA mit einem wird der Papst, wie einst Jesus, die Wu- Viertel der Einwohnerzahl Chinas an cherer mit der Peitsche aus dem Tem- Treibhausgas in die Luft blasen, ist das pel jagen. Eines Tages werden die LIN- Vielfache. So lange wir unter dem einen KEN als Anwalt der Ausgelaugten ein Himmel leben, muss das Geben und Drittel aller Stimmen in allen Parla- Nehmen nach fairen Maßstäben aus- menten haben und der Vernunft mehr geglichen werden! Schubkraft geben … Die NATO-Staaten bezahlen eine Ar- Doch dann wären zwei Drittel des mada von Kriegsschiffen für den Kampf Besitzes und der Beschlusskraft immer gegen die Piraten vor den Küsten Afri- noch bei den Gesundbetern und Nutz- kas. Diese Piraten waren vor wenigen nießern des Kapitalismus. Dann wür- Jahren noch friedfertige Fischer. Dann den immer noch eine Milliarde Men- kamen die Fangfl otten vom Norden, die schen hungern und verseuchtes Was- zu Hause alles abgefi scht hatten, und ser trinken. Dann würde immer noch plünderten die südlichen Meere. Der mehr Geld für moderne Vernichtungs- Verbrauch an Meeresfrüchten stieg um mittel als für gesunde Nahrungsmit- 32 Prozent – die Wut der afrikanischen tel ausgegeben. Dann würde das Pro- Fischer noch mehr. Sie bauten Enter- fi tstreben immer noch das Überleben haken, um sich das Geld von den Ree- dieses Planeten tor- dereien zurückzuholen. Das muss man pedieren. Denn das verurteilen, aber auch begreifen. Selbst wenn … liegt ja nicht allein Die Globalisierung hat die Welt zu an Frau Merkel, an einem Dorf gemacht. Da gelten ande- dem Papst, an Sie- re Gesetze als im Dschungel der west- mens oder an der lichen Metropolen. Ohne mehr soziale Börse in New York, Gerechtigkeit und demokratische Mit- sondern an dem Zu- sprache ist ein ökologischer Umbau sammenspiel der zur Rettung der Welt nicht zu schaffen. Von Jens Jansen ganzen Herde von Rio+20 hat so gut wie nichts dazu bei- Geschäftsführern getragen. dieses menschenfeindlichen Systems. Dem widerspricht Entwicklungsmi- Der UN-Umweltgipfel Rio+20 im Juni nister Dirk Niebel mit dem Hinweis, 2012 hat es erneut bewiesen. Da trafen dass eine ökologische Wirtschaftswei- sich – 20 Jahre nach dem ersten »Erd- se nicht vom Staat verordnet werden gipfel« – über 100 Staats- und Regie- kann: »Wir müssen die Privatwirtschaft rungschefs mit den Experten aus 190 einbinden«. Man merkt: Der Mann ist Ländern zur Bilanz und zum Schwur. schon eingebunden. Die Kanzlerin ist Aber die Bilanz war fast Null und der erst gar nicht hin gefl ogen nach Rio, Schwur ein Luftballon. weil sie als Maskottchen unserer Fuß- Seit Rio 1992 wurden weitere drei ball-Nationalmannschaft nicht ab- Millionen Quadratkilometer Urwald kömmlich war. Dabei hätte sie für ihre abgeholzt. Diese Fläche ist achtmal Pirouette bei der Energiewende durch- so groß wie Deutschland! Und was aus den Beifall des Forums verdient. wird hierzulande abgeholzt und beto- Die Grünen runzeln die Stirn über die niert?! Der Ausstoß des klimaschädli- Abschlusserklärung, die schon vor chen Kohlendioxyd stieg seit 1992 von Beginn fertig war. Der Papst ist abge- 22 auf 31,6 Milliarden Tonnen. Die Sen- lenkt durch den Maulwurf im Vatikan. kung deutscher Fördergelder für Solar- Die Christdemokraten streiten um die Energie wird das nicht bremsen. Die »Herdprämie«. Die SPD trinkt auf die Zahl der Menschen, die von weniger Börsensteuer von 0,01 Prozent. Und als 1,25 Dollar am Tag leben müssen, DIE LINKE sucht im Archiv des Bundes- ist zwar geschrumpft, aber liegt im- tages die Protokolle, die beweisen, mer noch bei 1,3 Milliarden. Und die dass wir in diesen zwei Jahrzehnten von den Industriestaaten versproche- meist als Erste und Einzige die nötigen ne Entwicklungshilfe von 0,7 Prozent und möglichen Alternativen zu dem des Bruttoinlandproduktes zahlt kaum tödlichen Dilemma von Mutter Erde zur eines dieser Länder. Deutschland auch Sprache gebracht haben. nicht. Der häufige »geistige Diebstahl« Bei uns schimpfen Presse und Po- durch unsere politischen Gegner wäre litik auf China, weil dort mit dem Auf- ja hinnehmbar, wenn er wenigstens mit stieg zu einem bedeutenden Industrie- Quellenangabe erfolgte. Aber dann kä- staat der wachsende Energiebedarf mit me womöglich raus, dass die grünsten einem hohen Anteil von Kohlekraftwer- Grünen die Roten sind – selbst wenn ken gedeckt wird. Deutschland kann sie sich das nicht immer anmerken las- auf seine »Dreckschleudern« ebenfalls sen.

25 DISPUT Juli 2012 FEUILLETON Plan B Science Fiction mit der LINKEN – Politik zum Mitmachen Von Cornelia Möhring

I. Was soll das Ganze? der Kanzlerin-Zick-Zack beim Atomaus- rungsverantwortung steht, praktisch ein stieg und dass sie lieber zu Fußballspie- Stück weiter. Das ist mehr, als nur klu- Plan B, das rote Projekt für den sozi- len geht, als nach Rio zum Klimagipfel ge Forderungen zu formulieren, obwohl al-ökologischen Umbau, der Inhalt ei- zu fahren, die europäische Agrarpoli- uns das natürlich nicht reichen kann. ner schwarz-grellen Broschüre mit ei- tik, Industrie und die Forschung, die un- Die Zeit drängt. nem Bumerangsymbol, wurde von ei- term schnellen Profi trang handeln und Wie sehen unsere politischen Sze- nem 17-köpfi gen Team von Bundestags- die gegenseitige Jagd auf den Märkten narien in Plan B aus? Im Folgenden ei- abgeordneten und wissenschaftlichen nicht beenden wollen. Die Ressourcen ne sehr stark gekürzte Version des Plans Referentinnen und Referenten inner- werden verfressen, als ob es kein Mor- B, die auch als Downloadversion auf der halb eines Jahres erarbeitet. Die Debat- gen gäbe. Wir verpesten die Umwelt, als Website ist und demnächst als Broschü- te hat auf www.plan-b-mitmachen.de. existiere noch eine Erde. Doch es wird re erscheint. längst begonnen. Am 27. und 28. Okto- sich erst etwas ändern, wenn Menschen Energie: Millionen statt vier. Im Jahr ber 2012 treffen sich Politik, Aktivisten von politischen Vorschlägen begeistert 2050 … [läuft die] … Stromversorgung und Neugierige auf einer Konferenz in sind, wenn sie bei den Veränderungen … nicht mehr über Märkte. Die weitge- Berlin. Landwirte, Schülerinnen, Men- dabei sind und sie mitbestimmen. hend dezentrale und selbstorganisierte schen, die auf einen bezahlbaren öf- Die ökologische Frage ist keine der Erzeugung verteilt die Produktionsmit- fentlichen Nahverkehr angewiesen sind besseren technischen Innovationen, tel auf viele Millionen Köpfe. Die hoch und fi nden, dass gute Lebensmittel kein keine Frage der Vermarktung grünerer konzentrierten Erzeugungskapazitäten Vermögen kosten dürfen, haben sich in Lösungen, sie ist von Beginn an eine so- in großen Windparks in Nord- und Ost- die Online-Debatte eingemischt. Und ziale Frage und eine Frage von mehr De- see wie auch Teile der Stromspeicher in wir freuen uns auf Kommentare und Be- mokratie, von politischer Einmischung den Händen von Stadtwerkeverbünden gegnungen mit ganzen Energie-Tischen, und Teilhabe. stehen unter einem ständigen Legitima- S-Bahn-Rettern, EuropapolitikerInnen tionszwang. Denn die sich in den 2010er oder Biogasanlagenbetreibern. Wir wol- II. Wie konkret ist der Plan B? Jahren rasant verbreitenden Kommuna- len die Erfahrungen und Vorschläge an- lisierungskampagnen gegen die vier derer kennenlernen, von der Kritik und Bioenergiedörfer, das Erneuerbare großen Energiekonzerne blieben nicht dem Fachurteil von SolartechnikerIn- Energiegesetz, die Rekommunalisie- bei einem »Zurück zu den Stadtwerken« nen, Gebäudesanierern, Kitaerzieherin- rungskämpfe ums Wasser, um Ener- stehen. Unter dem Slogan »Energiede- nen und Pendlern lernen. gie und Verkehr – die ersten Zipfel des mokratie Jetzt!« entstanden ganz neue Wir haben die heutigen politischen Umbaus sind zu sehen. Selbst in Bran- Mitentscheidungsmodelle. Auseinandersetzungen in vier Zukunfts- denburg (Rot-Rot) tut sich mehr als un- Wichtig war außerdem der gesell- szenarien skizziert. Da ist auch Lese- ter Schwarz-Rot. Im Koalitionsvertrag ist schaftliche Konsens, der über Freikon- spaß dabei, obwohl es nun nicht gleich der Vorrang für die erneuerbaren Ener- tingente auch einkommensschwachen ein Science Fiction geworden ist. gien fest verankert, und der Einstieg hat Haushalten eine günstige Stromversor- Zuerst steht die einfachste Frage: auch tatsächlich begonnen. Wir sind gung garantiert. Schärfer stellte sich die Was ist denn eigentlich Plan A? Dar- sogar dort, wo die Kohle nicht nur po- soziale Frage bei der Umstellung der unter lässt sich wohl alles fassen, was litisch, sondern auch kulturell noch das Wärmeversorgung … Stationen beim die herrschende Politik gerade treibt: Leben bestimmt und DIE LINKE in Regie- Umbau waren das Kohleausstiegsge- © Konstanze Kriese (4) © Konstanze

SOZIAL-ÖKOLOGISCHER UMBAU DISPUT Juli 2012 26 setz und neue Formen regionaler Wirt- schen Luftverkehr und in die Nachbar- schaftspolitik, um sichere Ersatzarbeits- staaten zum Erliegen gebracht … plätze in den bislang von fossiler Ener- In den Dörfern und Städten haben gieerzeugung geprägten Regionen zu sich die Menschen den öffentlichen schaffen … Raum zurückerobert ... Industrie: Segelschiffe statt Hoch- Agrar: Wochenmarkt statt Weltmarkt. seetanker. Im Jahr 2050 hat sich die in- Im Jahr 2050 orientiert sich die Agrar- dustrielle Produktion von der Energie- wirtschaft nicht am Weltmarkt, sondern und Ressourcenverschwendung verab- am Wochenmarkt ... Regionale Kreisläu- schiedet. Die Verlagerung von »schmut- fe statt globale Irrwege tragen dazu bei, ziger« Produktion in andere Regionen die Erzeugung, Verarbeitung, Vermark- der Welt ist gestoppt. … Die Industrie ist tung und den Verbrauch von Lebensmit- nach wie vor ein wichtiges Standbein teln räumlich zusammenzubringen. Das der Wertschöpfung in Deutschland und spricht nicht gegen Europa als gemein- Europa, hat aber einen radikalen Wan- samen Markt, aber gegen unsinnige del durchlaufen. Möglich gemacht hat Transporte. Der Zusammenschluss und dies ein Mix aus politischer Rahmen- die Kooperation von BäuerInnen haben setzung und wirklicher wirtschaftsde- die Marktmacht der Handels- und Le- mokratischer Gestaltung … Genossen- bensmittelkonzerne stark begrenzt … schaften spielen eine wichtige Rolle. In Schlüssel für den sozial-ökologi- den Unternehmen werden Tarifl öhne ge- schen Umbau der Agrarpolitik ist der Zu- Auswirkungen auf unsere Erwerbsar- zahlt. Leiharbeit, Niedriglohn und pre- gang zu Boden. Im Jahr 2050 ist das Bo- beitswelt. Denn sind diese Perspekti- käre Beschäftigung gehören der Vergan- deneigentum in vielen Händen … ven erst einmal Teil der politischen Aus- genheit an. Der Arbeitsdruck hat sich einandersetzung, so dürfte es endlich verringert. Durch generelle Arbeitszeit- III. Geschlechtergerechter selbstverständlich werden, dass eine verkürzung gibt es keine Arbeitslosig- sozial-ökologischer Umbau, was Erwerbsarbeit in der Automobilindus- keit mehr und die Menschen haben so soll denn das nun wieder sein? trie nicht mehr wert sein kann als die viel mehr Zeit und Muße für private und Arbeit von Kitaerzieherinnen und Pfl e- gesellschaftlich sinnvolle Aktivitäten. Und natürlich gibt es noch Schwächen gekräften. Wir fordern schon lange die Mobilität für alle mit weniger Ver- im Plan B, wo wir nacharbeiten können deutliche Anhebung der Löhne für so- kehr: Im Jahr 2050 ist der Verkehr im und bestimmt auch Verbündete fi nden, genannte frauentypische Berufe in der Wesentlichen eine öffentliche Aufgabe wie zum Beispiel den Deutschen Frau- Care-Ökonomie. Und im Übrigen ist die geworden ... Das Grundrecht auf Mobi- enrat, der der grünen Ökonomie, die in Energiebilanz in diesen Berufsgruppen, lität ist allerdings nur etwas wert, wenn Rio, beim Weltklimagipfel, verhandelt wie in der Kultur, Bildung und Wissen- man/frau tatsächlich Zugang zu den werden sollte, harsche Kritiken entge- schaft, weitaus besser als in manch an- Transportmitteln hat. Das bedeutet ei- genbrachte. deren Wirtschaftszweigen. Also, um es nerseits physischer Zugang, also ohne Wir wollen nicht nur eine andere, ganz salopp zu sagen, wer tanzt, lehrt, Barrieren für Behinderte, für Eltern mit nachhaltige Produktionsweise und res- forscht und pfl egt, verbraucht zumeist Kinderwagen. Und man/frau muss sich sourcenschonende Technologien, so- weniger Energie als ein Gießereifachar- die Nutzung andererseits leisten kön- fern es um den Stoffwechselprozess beiter. nen. Deshalb ist der Nahverkehr sogar mit der Natur geht. Für uns geht es kon- Hinter der Forderung »Ein gutes Le- kostenlos nutzbar ... sequenter Weise auch um die Einbe- ben für alle« verbirgt sich ein riesiger Wenige (neue) Hochgeschwindig- ziehung der geleisteten Sorgearbeit in Neubewertungsprozess der gesam- keitsstrecken zwischen den großen Bal- die Bilanz der gesellschaftlichen Wert- ten gesellschaftlich erforderlichen Tä- lungsräumen sowie perfekte Verbindun- schöpfung. Dabei geht es nicht darum, tigkeiten, die unser aller Zusammen- gen zu Taktzeiten in den Haltepunkten alle Tätigkeiten zu bezahlen, es geht um leben regeln: der Erwerbsarbeit, der ins Nebennetz haben den innerdeut- die gerechte Verteilung. Das hat auch Sorgearbeit, der kulturellen und politi- schen Arbeit. In den politischen Ausei- nandersetzungen widerspiegelt sich ei- ne Wertedebatte im Kampf um eine radi- kale Arbeitszeitverkürzung bei gleicher Verteilung von bezahlter und unbezahl- ter Arbeit zwischen den Geschlechtern. In letzter Konsequenz geht es hier um eine Politik für die Wiedergewinnung von Zeit und Beteiligungsmöglichkeiten für alle. Denn sozial-ökologischen Um- bau geschlechtergerecht angehen, heißt demnach nicht weniger, als eine neuar- tige Zeitpolitik und eine große Werte- debatte um gerechte Ressourcenver- teilung anzuzetteln. Es sind unser aller Freiheitsgewinne, die hier freigeschau- felt werden.

Cornelia Möhring ist 1. Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion.

27 DISPUT Juli 2012 Verpulverte Gelder Wer braucht ein »Endlagersuch-Gesetz«? Von Jürgen Stopel

Wir reden über ein Gesetz, das es of- geschmiedet unter anderen von fol- kannt, dass die Strahlenbelastung am fi ziell noch gar nicht gibt, aber doch genden Personen und Institutionen: Zwischenlager Gorleben gegenüber wohl demnächst geben soll: das dem Vorjahr deutlich zugenommen »Endlagersuch-Gesetz«. Jedenfalls • Bruno Thomauske, Physiker und hat. Das niedersächsische Umweltmi- beschied das Bundesministerium für Atomlobbyist, von 1988 bis 2003 nisterium erklärte, dass an einer von Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- bei der Physikalisch-Technischen mehreren Messstellen der zulässi- cherheit Anfang Mai 2012 – da hieß Bundesanstalt (PTB) und beim Bun- ge Grenzwert für Neutronenstrahlung der Bundesumweltminister noch Dr. desamt für Strahlenschutz (BfS) für »fast erreicht« wurde. Norbert Röttgen – einem Antragstel- das Endlagerprojekt Gorleben ver- ler, dass ein Anspruch auf Zugang zu antwortlich. Er ist heute Lehrstuhl- »Endlagersuch-Gesetz« – diesen Informationen (Text des »End- inhaber für »nuklearen Brennstoff- Ab in die Tonne! lagersuch-Gesetzes«) nicht bestehe. kreislauf« an der RWTH Aachen, ge- »Derzeit finden lediglich zwischen sponsert von RWE. Wer die (hier nur knapp skizzierte) Vor- dem Bund und den Ländern Konsulta- • Gesellschaft für Reaktorsicherheit geschichte, in die übrigens seinerzeit tionsgespräche statt, auf deren Basis (GRS), auch die Physikerin und heutige Bun- ein Referentenentwurf für ein Stand- • Bundesanstalt für Geowissenschaf- deskanzlerin als dama- ortauswahlgesetz erarbeitet werden ten und Rohstoffe (BGR), lige Bundesumweltministerin involviert wird«, so das oben genannte Bundes- • DBE Technology GmbH, war, im Blick hat, der bekommt in etwa ministerium in einem Schreiben vom • Institut für Endlagerforschung der TU eine Vorstellung von den wahren Be- 4. Mai 2012. Selbstredend wurde DIE Clausthal, weggründen, die den ehemaligen Um- LINKE zu diesen Konsultationsgesprä- • international nuclear safety enginee- weltminister Norbert Röttgen bewogen chen nicht eingeladen. ring GmbH (NSE), alleiniger Gesell- haben, einen Referentenentwurf für ein Dass die Bundesregierung in die- schafter: Bruno Thomauske. Er soll »Endlagersuch-Gesetz« in Auftrag zu ge- ser Angelegenheit so »zurückhaltend« für ca. 807.000 Euro die wichtigsten ben. Die Gelder, die in diesem Zusam- agiert, hat wohl kaum etwas mit dem geologischen und Sicherheitsfragen menhang verpulvert wurden (und wer- »Schutz der ungehinderten Gesetzge- in Gorleben beantworten. den), könnten für andere Zwecke sinn- bung« und dem »(Schutz) der politi- • Karlsruher Institut für Technologie / voller ausgegeben werden. Röttgen wur- schen Gestaltungsfreiheit der Regie- Institut für Nukleare Entsorgung (KIT/ de bekanntlich am 16. Mai 2012 von der rung« zu tun, sondern vor allem mit INE), früher: Kernforschungszentrum Bundeskanzlerin entlassen (Folge des der Vorgeschichte: »Die Konzepte, die Karlsruhe (KfK). Es drängte die Regie- Debakels der CDU bei der Landtags- seit den siebziger Jahren für den Um- rung (in den 60er Jahren) dazu, Asse wahl in Nordrhein-Westfalen). Als sein gang mit radioaktivem Abfall verfolgt II als Atomklo zu nutzen. Nachfolger wurde am 22. Mai 2012 Peter wurden, sind gekennzeichnet von Ma- Altmaier ernannt. Anzeichen dafür, dass nipulation, politischer Opportunität, Interessant zu wissen, dass die Bun- Röttgens Nachfolger sich anschickt, ei- Geheimabsprachen mit der Atomwirt- desanstalt für Geowissenschaften und nen politischen Kurswechsel vorzube- schaft und Verantwortungslosigkeit Rohstoffe dem atomfreundlichen Bun- reiten, sind bisher nicht erkennbar. gegenüber der Bevölkerung und müs- deswirtschaftsministerium unterstellt sen als gescheitert angesehen wer- ist. Die Bundesanstalt soll »auf Basis Jürgen Stopel ist einer von drei Sprechern den.« (Aus einem Positionspapier der eigener Berichte, die Gorleben immer der Stadtteilgruppe Winterhude-Eppen- Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 28. für sicher erklärten, die Langzeitsicher- dorf-Hoheluft-Ost der LINKEN. März 2012) heit des Salzstocks (Gorleben) bewer- Werfen wir einen Blick auf das ten«. 1 Quelle: ausgestrahlt, Rundbrief 15, »Gorleben-Komplott«1: Dieses wurde Dabei wurde im August 2011 be- Winter 2011/12 © Thomas Herbell

Zehntausende Atomkraftgegner umzingelten am 18. September 2010 das Regierungsviertel in der Hauptstadt.

UMWELT DISPUT Juli 2012 28 © Gert Gampe

NACHBELICHTET

Von Arthur Paul Hier wurden un- – Biker Müssen Weg!« Ein Radfahrer an den Verfassungsschutz. Der ist aber schuldige Leihfahrräder von frevleri- könnte erwidern: »Nur so kommt man durch den Schutz der Neonazis über- scher Hand an unschuldigen Verkehrs- zur Arbeit oder ins Theater!« Die Tech- lastet und ringt nach dem Rücktritt sei- schildern aufgehängt! Vielleicht ein nik-Freaks könnten staunen: »Papier- ner Oberbefehlshaber um seine Exis- Protest gegen den neuen Bußgeldka- körbe als Stromquelle für Fahrräder tenzberechtigung. talog für Radfahrer? Vielleicht auch ein mit Hilfsmotor?« Die Grünen würden Da ein Leben ohne Schlapphüte Denkmal für über zwei Millionen Aus- fragen: »Ist das auch Bio-Strom?« Und zwar denkbar, aber in diesem Land leihen 2011? Das sind 40 Prozent An- die Roten würden meckern: »Dafür ha- nicht machbar wäre, muss ein Erfolg stieg mit allein 8.500 Bikes an 40 ICE- ben sie Geld, aber für Kitas, Rettungs- gegen linksextremistische Gewaltta- Bahnhöfen! wagen oder Theater reicht es nicht!« ten her. Wir schlagen folgende Maß- Wie auch immer – die Untat ist zu Das grenzt den mutmaßlichen Täter- nahmen vor: Beobachtung des Tator- verurteilen, denn jeder, der sich nun kreis ein: Wer der FDP nahe steht, fährt tes rund um die Uhr. Einschleusung eilig in den Sattel schwingen möch- Porsche. Die CSU hält sich an BMW, die von 20 V-Leuten in die örtlichen linken te, könnte sich den Arm auskugeln CDU an Mercedes, die SPD an VW und Gruppierungen. Vermeidung jeglicher oder beim Besteigen in Hängepositi- Audi. Die Piraten machen alles über Kooperation mit den 32 Landesäm- on senkrecht auf das Pfl aster stürzen. das Internet. Nur DIE LINKE vereint so tern der Aufpasser. Sofortige Vernich- Das muss geahndet werden! Also: Wer viele arme Schlucker, die sich nicht mal tung aller Hinweise, wenn die V-Leute war das? ein Fahrrad kaufen können. Damit geht von einer »Mutprobe unter besoffenen Ein Autofahrer könnte sagen: »BMW die Ermittlung vom Ordnungsamt sofort Neonazis« berichten!

29 DISPUT Juli 2012 Was muss sich ändern? Das Genossenschaftsgesetz muss dringend reformiert werden. Wer kann das machen? Wer ist daran interessiert? Wer ist dagegen? Von Sigurd Schulze

Im April-DISPUT wurden Probleme der Selbstverständlich hat der Vorstand die Wohnungsgenossenschaften erörtert. Verantwortung für eine qualifi zierte, ef- Es geht dabei um den Versorgungsauf- fektive und sozialverträgliche Entwick- trag, um die Rolle, welche die Genos- Richter © Stefan lung der Genossenschaft. Aber Verant- senschaften bei der Versorgung von Ar- wortung heißt in erster Linie Verant- beitern und Angestellten, von Arbeits- wortung gegenüber den Mitgliedern losen und Wohnungslosen, kurz von und ihrer Wohlfahrt. Jedoch dürfen die wenig begüterten Schichten der Bevöl- Grundsatzentscheidungen nicht Vor- kerung spielen können und müssen. Zu stand und Aufsichtsrat vorbehalten beobachten sind Mietpreissteigerun- bleiben. gen in den Genossenschaften, sowohl Der bestimmende Einfl uss der Ge- durch überzogene Modernisierung als Die neu gegründete Genossenschaft neralversammlung muss sich auch in auch durch sehr hohe Neubaumieten. »FairWohnen« bewirbt sich auch um 970 der direkten Wahl des Vorstands durch Das berührt unmittelbar die genossen- Wohnungen in Strausberg (Brandenburg). General- oder Vertreterversammlung schaftliche Demokratie. Welche Inte- dokumentieren. Das Gesetz lässt zu, ressen haben die Mitglieder und die hat dazu Vorschläge erarbeitet. Was dass die Satzung »eine andere Art der Mieter und wie können sie dafür sor- muss sich ändern? Bestellung oder Abberufung« vorse- gen, dass ihre Genossenschaft in ih- Das Wichtigste ist die Wiederherstel- hen kann, zum Beispiel durch den Auf- rem Interesse handelt? Natürlich wol- lung des Rechts der Generalversamm- sichtsrat. Das ist die gängige Praxis. len alle eine gut ausgestattete Woh- lung, der Versammlung der Mitglieder, Die Mitglieder haben da nicht mitzu- nung, aber die muss auch bezahlbar dem Vorstand geschäftspolitische Wei- reden. Die Ausnahme wurde zur Regel. sein. Die unteren Einkommen entwi- sungen erteilen zu dürfen (es wurde Das muss aus dem Gesetz gestrichen ckeln sich kaum und die Tarifabschlüs- 1973 in einer »Reform« gestrichen). Die werden. Hinein gehört hingegen, dass se der Gewerkschaften liegen häu- grundlegenden Entscheidungen in der die Gehälter und Vergütungen der fi g unter der Infl ationsrate. Das wirkt Genossenschaft müssen der General- Vorstandsmitglieder in der General- sich direkt aus auf Arbeitslosengeld versammlung vorbehalten bleiben. (In versammlung offenzulegen sind. Be- und Renten. Die Mieten aber steigen Genossenschaften mit mehr als 1.500 triebsgeheimnis oder »Datenschutz« schneller als der Preisindex, der sozia- Mitgliedern tritt in der Regel eine Vertre- dürfen da nicht gelten, denn die Vor- le Wohnungsbau wurde eingestellt. Es terversammlung an die Stelle der Gene- stände sind von den Mitgliedern als entstand ein krasser Mangel an preis- ralversammlung.) Das sind in den Woh- den Eigentümern treuhänderisch ein- wertem Wohnraum. Und wo die Genos- nungsgenossenschaften: gesetzt. Jene dürfen also erfahren, wo- senschaften ursprünglich mit niedrigen für ihr Geld ausgegeben wird. Die Stel- Mieten werben konnten, sieht es real • die Grundsätze der Vergabe von Woh- len der Vorstandsmitglieder sind öf- ganz anders aus. Auch in den Genos- nungen, fentlich auszuschreiben. senschaften ist die Mietentwicklung • die Grundsätze der Festlegung von Eine schöne Formel sagt: »Die Mit- das Hauptproblem, und gerade darauf Nutzungsgebühren oder Mieten, glieder sind die Genossenschaft«. Da- haben die Genossenschaftsmitglieder • Bau, Kauf oder Verkauf von Grundstü- mit das wirklich so ist, müssen die Mit- keinen Einfl uss. cken, Wohn- und Gewerbegebäuden, glieder bereits im Vorfeld an Beschlüs- Grund ist die fehlende Mitsprache • die Planung von Modernisierung und sen mitarbeiten können. Die neu der Mitglieder – eigentlich unlogisch, Instandsetzung und damit der Kosten gegründete Treuhandliegenschaftsge- denn die Genossen sind die kollektiven und Mieten, nossenschaft »FairWohnen« iG (siehe Eigentümer. Jedoch: Nach Paragraph 27 • die Beteiligung an großen Infrastruk- DISPUT 5/2012) wird zum Beispiel ei- des Genossenschaftsgesetzes »hat der turvorhaben der Städte und Gemein- ne Bewohner-Selbstverwaltung schaf- Vorstand die Genossenschaft in eige- den, fen. Ein Hauptbewohnerausschuss ner Verantwortung zu leiten«. Niemand • die Grundsätze der Vergabe von soll dem Vorstand Empfehlungen ge- darf ihm Vorschriften machen, auch Bau-, Planungs- und Projektierungs- ben und muss in grundsätzlichen Fra- nicht die Generalversammlung oder die leistungen – wichtig für die Nutzung gen der Wohnungsversorgung ange- Vertreterversammlung. Der Vorstand der Konkurrenz zwecks günstiger hört werden. Befolgt der Vorstand die kann handeln wie in einem Privatbe- Baupreise, Empfehlungen nicht, wird das Prob- trieb, und viele Vorstände verhalten • die Gründung von Tochtergesellschaf- lem in der Generalversammlung be- sich auch so. Das steht völlig im Ein- ten und die Auslagerung bestimmter handelt. klang mit dem Genossenschaftsgesetz. Leistungen. Damit soll vermieden Für Konfl ikte sieht das Gesetz vor, Im Prinzip sind die Genossenschaften werden, dass unkontrolliert Aufträge dass ein Zehntel der Mitglieder fordern undemokratisch verfasst, angesichts vergeben werden oder dass zu Billig- darf, die General- oder Vertreterver- der Probleme der Miet entwicklung ein löhnen gearbeitet bzw. die Tätigkeit sammlung einzuberufen und bestimm- untragbarer Zustand. Ihre Demokrati- der Tochtergesellschaften den Ent- te Probleme zu behandeln. In Genos- sierung ist dringend erforderlich. Die scheidungen der Generalversamm- senschaften mit 5.000, 10.000 oder Initiative »Genossenschaft von unten« lung entzogen wird. gar 22.000 Mitgliedern, die zum Teil

WOHNUNGSPOLITIK DISPUT Juli 2012 30 regional verstreut sind, ist das kaum ratene Mitglieder, weil es laut Muster- satzung zu erlassen, die die Vorstän- zu bewältigen. Der Vorschlag des Bun- satzung zum sofortigen Ausschluss de fast sklavisch übernehmen. Da dem desjustizministeriums, diese Schwelle und zum Verlust der Wohnung füh- Verband bestimmte Regeln des Geset- auf fünf Prozent oder 150 Mitglieder zu ren kann. zes nicht passen, lässt er sie einfach senken, wurde von den Verbänden zu • das Recht der Mitglieder auf Auskunft weg, zum Beispiel dass bestimmte Be- Fall gebracht. Dieser vernünftige Vor- des Vorstandes über Angelegenhei- schlüsse der Generalversammlung vor- schlag muss realisiert werden. ten der Genossenschaft, behalten bleiben oder dass die Gene- Vorgeschlagen werden weitere • das Recht der Mitglieder, die Mitglie- ralversammlung einberufen werden wichtige Änderungen: derzeitschrift aktiv für Beiträge zu kann, um die Vertreterversammlung nutzen und ihre Meinung unzensiert wieder abzuschaffen. Damit werden • In Vorstand und Aufsichtsrat dürfen zu äußern, gesetzliche Rechte der Mitglieder aus- nur Personen gewählt werden, die • die Zulassung der Presse zu General- gehebelt. Aus der Mustersatzung 2007 persönlich Mitglied der Genossen- und Vertreterversammlungen, wurde stillschweigend gestrichen, dass schaft sind. »Zur Vertretung befugte • die freie Wahl von Wirtschaftsprü- Mitglieder des Wahlvorstandes zu wäh- Personen«, das heißt Beauftragte von fern durch die Genossenschaft. Das len sind. Sie werden nun von Vorstand Banken, Planungsbüros, Anwaltsbü- befreit sie von der Abhängigkeit von und Aufsichtsrat ausgewählt. Es ist al- ros usw., dürfen nicht zugelassen den monopolartig organisierten Ver- so auch eine neue, demokratische werden. Eine Steuerung von außen bänden. Mustersatzung und -wahlordnung nö- untergräbt die genossenschaftliche tig. Demokratie. Die Unzulänglichkeiten des Genos- Das Genossenschaftsgesetz muss • Schutz der Mitglieder vor Willkür und senschaftsgesetzes werden noch po- dringend reformiert werden. Die Initi- Schikanen. Ins Gesetz gehört: Kritik tenziert durch die Mustersatzung des ative »Genossenschaft von unten« hat am Vorstand ist ebenso wenig ein Bundesverbandes deutscher Woh- dazu Vorschläge erarbeitet, die auf der Ausschließungsgrund wie der An- nungs- und Immobilienunternehmen. geplanten wohnungspolitischen Konfe- trag auf Eröffnung eines Insolvenz- Der Verband nimmt sich ohne gesetz- renz der LINKEN diskutiert werden kön- verfahrens. Letzteres trifft in Not ge- lichen Auftrag das Recht, eine Muster- nen.

ANZEIGE WIE MUSS EIN NEUES DEUTSCHLAND AUSSEHEN?

SO? SO? Foto: geldoderleben.blogsport.de Foto: Foto: geldoderleben.blogsport.de Foto:

Wohin geht die Reise, was ist wirklich wichtig? Macht oder Mut, Profit oder Protest?

Wer mitreden will, braucht eine Tageszeitung, die über den journalistischen Alltag hinausblickt. neues deutschland, die überregionale pluralistisch-linke Tageszeitung aus Berlin nimmt Sie mit auf die Reise zu mehr sozialer Gerechtigkeit, NEUES DESIGN demokratischer Kultur und Friedfertigkeit.

Jetzt testen: neues deutschland im neuen Design, 2 Wochen gratis, die Belieferung endet automatisch. 2 WOCHEN GRATIS 030/2978-1800 NEUES-DEUTSCHLAND.DE/ABO

31 DISPUT Juli 2012 Der Parteivorstand Gewählt auf dem Parteitag am 2. und 3. Juni in Göttingen

Jan van Aken

© Aris (22) geb. am 1.5.1961 in Reinbek (Schleswig-Holstein), geb. am 2. April 1971 in Hamburg, verheiratet, zwei verheiratet, drei Kinder Kinder, Studium der Erziehungswissenschaften, Biologe, 1997/98 und 2004/06 Campaigner bei Sozialwissenschaften, Geschichte Greenpeace, 2004/06 Biowaffeninspektor bei seit 2009 Bundestagsabgeordnete den Vereinten Nationen, seit 2009 Bundestags- 1994/99 Mitglied der SPD, 2004 Eintritt in die abgeordneter WASG, Mitglied des Geschäftsführenden WASG- seit 2007 Mitglied der LINKEN Vorstandes, seit Juni 2007 Mitglied des Geschäfts- seit 2012 stellvertretender Parteivorsitzender führenden Parteivorstandes der LINKEN www.jan-van-aken.de, [email protected] www.christinebuchholz.de, [email protected]

Ali Al Dailami Katharina Dahme geb. am 27.12.1981 in Sanaa (Jemen) geb. 1986 in Potsdam (Brandenburg) 2007/08 Mitglied des Landesvorstandes Hessen Studium der Politikwissenschaften der LINKEN, seit 2012 Sprecher der BAG Migration, 2003 Eintritt in die PDS und den Jugendverband Integration und Antirassismus [‘solid] seit 2008 Mitglied des Parteivorstandes seit 2008 Mitglied des Landesvorstandes der LIN- [email protected] KEN Brandenburg 2008/09 und 2010/12 Bundessprecherin der Linksjugend [‘solid] [email protected]

Judith Benda 24 Jahre geb. am 3.4.1950 in Frankfurt/Main (Hessen) abgeschlossenes Studium in Europawissen- Liedermacher, Autor, seit 2005 Bundestagsabge- schaften, aktiv in den Jugendstrukturen der Partei ordneter [email protected] 1998 nach 33 Jahren Mitgliedschaft Austritt aus der SPD, 1998 Eintritt in die PDS, 1999/2003 stell- vertretender PDS-Vorsitzender, 2004/10 Landes- vorsitzender der PDS bzw. der LINKEN in Nieder- sachsen, seit 2006 Bundesvorsitzender von Owus seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes [email protected]

Heinz Bierbaum Ruth Firmenich geb. am 5.12.1946 in Triberg (Baden-Württem- geboren in Köln berg), verheiratet, ein Kind, Diplom-Soziologe, Dr., Studium der Politikwissenschaft, Amerikanistik, Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Germanistik, Mitarbeiterin von PDS-Bundestags- für Technik und Wirtschaft Saarbrücken, seit 2009 abgeordneten und von im Eu- Abgeordneter im Saarländischen Landtag, 2004 ropaparlament, seit 2009 Leiterin des Bundes- Eintritt in die WASG tagsbüros von Sahra Wagenknecht seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes: 2010/12 ruth.fi [email protected] stellvertretender Parteivorsitzender, seit 2012 Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes [email protected]

Julia Bonk Wolfgang Gehrcke geb. am 29.4.1986 in Burg (Sachsen-Anhalt) geb. am 8.9.1943 in Reichau (Bayern), verheira- 2004/11 Studium der Neueren Geschichte und Po- tet, eine Tochter, Verwaltungslehre, Journalist, litikwissenschaft, Abschluss mit Magister Artium, 1998/2002 und seit 2005 Bundestagsabgeord- seit 2004 Abgeordnete im Sächsischen Landtag neter 2006 Eintritt in die Linkspartei.PDS 1961 Einritt in die KPD, 1968 Mitbegründer der Bundessprecherin der Emanzipatorischen Linken SDAJ (später Bundesvorsitzender) und Gründungs- www.julia-bonk.de, [email protected] mitglied der DKP, 1990 Austritt und Eintritt in PDS 1993/98 stellvertretender Vorsitzender, seit 2002 Mitglied des Vorstandes der PDS bzw. der LINKEN [email protected]

DOKUMENTIERT DISPUT Juli 2012 32 Stefanie Graf Claudia Jobst war Bundesgeschäftsführerin des Studierenden- geb. am 27.1.1985 in Radebeul (Sachsen) verbandes Die Linke.SDS Lehrerin für Geschichte und Geografi e seit 2008 Mitglied des Parteivorstandes 2002 Eintritt in die PDS, 2006/10 Jugendkoordina- [email protected] torin des Landesverbandes Sachsen seit 2003 Mitglied im Stadtrat Radebeul, seit 2006 Mitglied im Kreistag seit 2011 Mitglied des Landesvorstandes Sachsen [email protected]

Renate Harcke Katja Kipping geboren 1954 in Calbe (Sachsen-Anhalt) geb. am 18.1.1978 in Dresden (Sachsen) Diplomjuristin, Dozentin, Dr. jur., 1978 Eintritt in Magisterstudium der Slawistik/Amerikanistik/ die SED, seit 1990 Referentin der Landtagsfraktion Rechtswissenschaft, 1999/2005 Abgeordnete im in Brandenburg Sächsischen Landtag, seit 2005 Bundestagsab- 2002 Mitbegründerin und eine der Sprecher/in- geordnete nen der BAG »Ethnische Minderheiten« in der PDS 1998 Eintritt in die PDS, Mitherausgeberin des Ma- bzw. der LINKEN gazins »prager frühling«, seit 2003 stellvertreten- seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes de Parteivorsitzende der PDS und seit Juni 2007 [email protected] der LINKEN, seit 2012 Parteivorsitzende www.katja-kipping.de, [email protected]

Stefan Hartmann stellvertretender Landesvorsitzender der LINKEN geb. am 11.12.1972 in Neuwied (Rheinland-Pfalz) in Sachsen Studium der Soziologie, Politik und Frauenfor- seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes schung, Diplom-Soziologin [email protected] 2004/09 Abgeordnete im Sächsischen Landtag, seit 2009 Bundestagsabgeordnete 2006/07 Mitglied des Parteivorstandes der Links- partei.PDS, seit 2007 Mitglied des Parteivorstan- des der LINKEN: 2010/12 Bundesgeschäftsführe- rin, seit 2012 Stellvertretende Parteivorsitzende www.caren-lay.de, [email protected]

Steffen Harzer Klaus Lederer geb. am 28.8.1960, drei Kinder geb. am 21.3.1974 in Schwerin (Mecklenburg-Vor- Werkzeugmacher, Dipl.-Ing. (FH), Verwaltungsfach- pommern) wirt, seit 1996 Bürgermeister von Hildburghausen Jugendsozialarbeiter, Studium der Rechtswissen- (Thüringen), seit 1990 Abgeordneter im Kreistag, schaften, Dr. jur., Rechtsanwalt und Lehrbeauf- Mitglied des Landesvorstandes Thüringen der tragter, seit 2003 Mitglied im Abgeordnetenhaus LINKEN Berlin seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes Landesvorsitzender Berlin der Linkspartei.PDS [email protected] bzw. der LINKEN seit 2005 www.klaus-lederer.de [email protected]

Dominic Heilig Sabine Lösing geb. am 14.8.1978 in Berlin geb. am 30.11.1955 in Bad Godesberg (NRW) Studium der Politikwissenschaften Studium der Sozialwissenschaften, Kunstge- 2001 Eintritt in die PDS, 2004 Büroleiter der Euro- schichte, Volkswirtschaft, Diplom-Sozialwirtin, seit päischen Linken in Brüssel, freier Journalist, Autor 2009 Europaabgeordnete von Studien und Herausgeber von Büchern (u.a. seit 2004 Aufbau der WASG, u.a. Mitglied des ge- »Kriegsverrat – Vergangenheitspolitik in Deutsch- schäftsführenden Bundesvorstandes land«), Koordinator eines Arbeitskreises der Bun- 2007/09 und seit 2012 Mitglied des Pateivor- destagsfraktion standes www.dominic-heilig.de www.sabine-loesing.de [email protected] [email protected]

Matthias Höhn Simone Luedtke geb. am 19.8.1975 in Stolberg (Sachsen-Anhalt) geb. am 2.6.1971 in München (Bayern), verheira- Studium der Publizistik- und Kommunikationswis- tet, zwei Kinder senschaften und der Slawischen Philologie, seit Steuerfachgehilfi n, Betriebswirtin, Bilanzbuch- 2002 Abgeordneter im Landtag Sachsen-Anhalt halterin 1992 Eintritt in die PDS, 2005/12 Landesvorsitzen- seit 2008 Oberbürgermeisterin von Borna der Sachsen-Anhalt der PDS bzw. der LINKEN (Sachsen), 2001 Wahl in den Stadtrat seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes: seit 2010 1992 Eintritt in die PDS Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes, seit 2007 Mitglied des Landesvorstandes seit 2012 Bundesgeschäftsführer Sachsen der LINKEN [email protected] [email protected]

33 DISPUT Juli 2012 Wolfgang Methling Bernd Riexinger

© Aris (22) geb. am 9.9.1947 in Kavelstorf (Mecklenburg-Vor- geb. am 30.10.1955 in (Baden-Württem- pommern), verheiratet, zwei Kinder berg), lebt mit Lebensgefährtin in Rinderzüchter, Veterinärmediziner, Fachtierarzt für Bankkaufmann, seit 1991 Gewerkschaftssekre- Tierhygiene, Dr. sc. tär, ver.di-Geschäftsführer des Bezirkes Stuttgart, 2003/07 stellvertretender Vorsitzender der PDS 2003 einer der Initiatoren von Protesten gegen die 2006/11 Landtagsabgeordneter, 1998/2006 Um- weltminister in Mecklenburg-Vorpommern, seit 2007 einer der Landessprecher der WASG 2002/12 Sprecher der BAG Umwelt/Energie/Ver- bzw. der LINKEN Baden-Württemberg kehr, seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes www.bernd-riexinger.de [email protected] [email protected]

Irene Müller Ida Schillen geb. am 12.1.1955 in Görlitz (Sachsen) geb. am 22.4.1956 in Trier (Rheinland-Pfalz) Diplomlehrerin für Biologie und Chemie Dipl.-Ing. Stadt- und Regionalplanung / MBA Fi- 1986 Erblindung nanzmanagement, 1995/99 Mitglied des Abge- 1998/2002 und 2006/2011 Abgeordnete im Land- ordnetenhauses von Berlin (B ‘90/Die Grünen), tag Mecklenburg-Vorpommern 2001/08 Senatorin für Kultur, Schule und Sport seit 1991 Mitarbeit in der AG Selbstbestimmte in Rostock Behindertenpolitik 1990/99 Mitglied der Grünen seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes seit 2005 Mitglied der PDS bzw. der LINKEN [email protected] seit 2008 Mitglied des Parteivorstandes [email protected]

Thomas Nord Harald Schindel geb. am 19.10.1957 in Berlin, zwei Kinder geb. 1961 in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz), Maschinen- und Anlagenmonteur, Jugendklublei- verheiratet, zwei Kinder ter, Kulturwissenschaftler, hauptamtliche Funkti- Studium Marketing & International Business, tätig onen in FDJ und SED, seit 2009 Bundestagsabge- in Vertrieb und Marketing, Büroleiter der Parteivor- ordneter sitzenden Oskar Lafontaine und 2003/05 Landesgeschäftsführer, 2005/12 seit 2010 Dezernent der Stadt Saarbrücken Landesvorsitzender der PDS bzw. der LINKEN in 2005 Eintritt in die WASG Brandenburg seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes der [email protected] LINKEN [email protected]

Brigitte Ostmeyer Martin Schirdewan geb. am 2.3.1952 in Goslar (Niedersachsen) geb. 12.7.1975 in Berlin, ledig, eine Tochter Technische Assistentin, Informatikstudium, Soft- Studium der Politikwissenschaften, Diplom, ware-Entwicklerin, Betriebsratsmitglied, Studium Dr. rer.pol., seit 2006 Mitarbeiter bei der Bundes- in Politikwissenschaft, Soziologie, Rechtswissen- tagsfraktion, derzeit als Referent für Ostdeutsch- schaft. MA 2003 land 2004 Eintritt in die WASG ehrenamtlicher Redakteur der Zeitschrift »antifa« seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes der LIN- (VVN/BdA) KEN, seit 2012 Mitglied des Geschäftsführenden [email protected] Vorstandes [email protected]

Tobias Pfl üger Michael Schlecht geb. am 1.2.1965 in Stuttgart (Baden-Württembg.) geb. am 25.6.1951 in Hildesheim (Niedersachsen), Studium Politikwissenschaft und Empirische Kul- verheiratet, zwei Kinder turwissenschaft, 1996 Gründung der Informati- Drucker, Druck-Ingenieur, Studium Volkswirtschaft, onsstelle Militarisierung (IMI) e.V., 2000/02 Pro- bis 2001 in der Tarifpolitik der IG Druck und Papier motionsstipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, tätig, 2001/09 Chefvolkswirt beim ver.di-Bundes- 2004/09 Europaabgeordneter vorstand, seit 2009 Bundestagsabgeordneter seit 2008 Mitglied der LINKEN 1982/2005 SPD, 2005 WASG, seit 2007 Mitglied seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes des Vorstandes der LINKEN www.tobias-pfl ueger.de www.michael-schlecht-mdb.de, michael. tobias.pfl [email protected] [email protected]

Felix Pithan Katina Schubert geb. 1986 geb. am 28.12. 1961 in Heidelberg (Baden-Würt- 2002 Eintritt in PDS und [‘solid] temberg), Wohn- und Lebensgemeinschaft, Studi- seit 2006 Studium der Chemie um der Politischen Wissenschaft, Soziologie und 2011 AG Politische Bildung im Jugendverband, An- Volkswirtschaft, 2001 Eintritt in die PDS ti-Atom-Bewegung, Mitglied im BundessprecherIn- seit 2012 Landesgeschäftsführerin in Berlin nenrat der Linksjugend [‘solid] 2003/08 und seit 2010 Mitglied des Parteivor- [email protected] standes der Linkspartei.PDS bzw. der LINKEN: 2006/08 stellvertretende Parteivorsitzende, seit 2012 Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand [email protected]

DOKUMENTIERT DISPUT Juli 2012 34 Raju Sharma geb. am 28.7.1964 in Hamburg, verheiratet, zwei geb. am 31.5.1981 in Langen (Hessen) Kinder Studium der Politologie in Frankfurt am Main, einstufi ge Juristenausbildung in Hamburg und Wahlkreismitarbeiterin, seit 2008 Landtagsab- Bombay, Rechtsanwaltspraxis, seit 1990 im geordnete in Hessen (seit 2009 Fraktionsvorsit- schleswig-holsteinischen Landesdienst, seit 2009 zende) Bundestagsabgeordneter 2005 Gründungsmitglied der WASG und Mitglied 1992/05 SPD, 2005 Eintritt in die Linkspartei.PDS im Geschäftsführenden Landesvorstand Hessen Schleswig-Holstein, seit 2010 Mitglied des Partei- seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes der vorstandes und Bundesschatzmeister LINKEN www.raju-sharma.de, [email protected] [email protected]

Axel Troost Sabine Zimmermann geb. am 1.9.1954 in Hagen (Nordrhein-Westfalen), geb. am 30.12.1960 in Pasewalk (Mecklenburg-Vor- verheiratet, zwei Kinder pommern), verheiratet, zwei Kinder Studium der Volkswirtschaftslehre, Promotion, Anlagentechnikerin, Studium zur Baustofftechno- seit 1981 Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Alter- login, Technologin, seit 1992 beim DGB Sachsen native Wirtschaftspolitik, seit 2005 Bundestagsab- beschäftigt, seit 1997 gewählte Kreis- und ab 2001 geordneter, 2004 Mitbegründer der WASG, DGB-Regionsvorsitzende Vogtland-Zwickau, seit seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes der LIN- 2005 Bundestagsabgeordnete KEN, seit 2010 Mitglied des Geschäftsführenden [email protected] Vorstandes www.axel-troost.de, [email protected]

Sahra Wagenknecht Wolfgang Zimmermann geb. am 16.7.1969 in Jena (Thüringen) geb. am 14.12.1949 in Leichlingen (NRW) 1990/96 Studium der Philosophie und Neueren Diplom-Sozialarbeiter, seit 1975 in der LVR-Klinik Deutschen Literatur, 2004/09 Europaabgeordne- in Langenfeld beschäftigt, 1981/2010 Vorsitzender te, seit 2009 Bundestagsabgeordnete des Personalrates, 2010/12 Landtagsabgeordneter 1991/95 und 2000/07 Mitglied des Parteivorstan- (Fraktionsvorsitzender) des der PDS bzw. der Linkspartei.PDS, seit 2007 2005 Mitbegründer der WASG in NRW, 2005/10 Mitglied im Parteivorstand der LINKEN, seit 2010 Landessprecher der WASG bzw. der LINKEN stellvertretende Parteivorsitzende seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes www.sahra-wagenknecht.de www.wolfgang-zimmermann.org [email protected] [email protected]

Halina Wawzyniak Dagmar Zoschke geb. am 16.7.1973 in Königs Wusterhausen geb. am 15.5.1959 in Bitterfeld (Sachsen-Anhalt), (Brandenburg) lebt in fester Partnerschaft 1990 Eintritt in die PDS Diplomlehrerin für Geschichte und Pionierleiterin, Studium der Rechtswissenschaften in Berlin, freie staatlich anerkannte Erzieherin, seit 2011 Land- Anwältin, Justiziarin für die Bundestagsfraktion, tagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt, 1981 Eintritt seit 2009 Bundestagsabgeordnete in die SED, seit 1994 Stadträtin in Bitterfeld- seit 2007 Mitglied des Parteivorstandes der LIN- Wolfen, 1994 erstmals in den Kreistag von Anhalt- KEN, 2008/12 stellvertretende Parteivorsitzende Bitterfeld gewählt www.wawzyniak.de, halina.wawzyniak@die-lin- seit 2010 Mitglied des Vorstandes der LINKEN ke.de [email protected]

Florian Wilde geb. 25.4.1977 in Kiel Studium der Geschichts- und Politikwissenschaft, 2006/09 Promotionsstipendiat der Rosa-Luxem- burg-Stiftung, wissenschaftlicher Referent seit 2007 Mitglied im Sprecherrat der Historischen Kommission beim Parteivorstand der LINKEN, 2008/09 Mitglied im Bundesvorstand von Die Lin- ke.SDS, 2010 Bundesgeschäftsführer von Die Lin- ke.SDS. fl [email protected]

Sabine Wils geb. am 31.5.1959 in Aachen (NRW), verheiratet, drei Kinder, Hebamme, Studium der Chemie, Dip- lom-Chemikerin, 1989/97 beschäftigt im Techni- schen Umweltschutz, ab 1997 freigestellte Perso- nalratsvorsitzende, seit 2009 Europaabgeordnete Mitglied der DKP 1980/89, seit 1999 Mitglied in Auf seiner ersten Sitzung wählte der Parteivorstand der PDS bzw. der LINKEN, Mitglied im SprecherIn- am 24. Juni Christine Buchholz, Brigitte Ostmeyer, nenrat der AG Betrieb & Gewerkschaft seit 2010 Mitglied des Parteivorstandes Katina Schubert und Heinz Bierbaum in den Geschäfts- www.sabine-wils.eu, [email protected] führenden Parteivorstand.

35 DISPUT Juli 2012 © Erich Wehnert (5)

KULTUR DISPUT Juli 2012 36 Für Neugier und nen und Autoren da Unida (Spani- buntes Treiben sowie 60 Stände, en), des Branden- sorgten bei der darunter von der burger Netzwerkes fünften Aufl age Rifondacione Co- der Europäischen des Festes der Lin- munista (Italien), Linkspartei, von ken ca. 150 Musi- der KSCM Mittel- der Westsahara ker/innen, Künst- böhmen (Tschechi- und aus Chile (Cul- ler/innen, Autorin- en), der Izquier- trun).

37 DISPUT Juli 2012 PRESSEDIENST

ESM-Vertrag/Fiskalvertrag: Als einem Monat haben wir auf dem Göt- sehr ausführlich und gründlich wertete tinger Parteitag mit großer Mehrheit Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundes- Matthias Höhn zum Bundesgeschäfts- tagsfraktion, die mündliche Verhand- Treber © Dietmar führer gewählt. Zu den originären Auf- lung zu ESM-Vertrag und Fiskalvertrag gaben des Bundesgeschäftsführers vor dem Bundesverfassungsgericht gehört es, den Bundestagswahlkampf am 11. Juli: »Nach meiner Auffassung für DIE LINKE zu organisieren und zu spricht nichts gegen eine Einstweilige leiten. Matthias Höhn ist unser Bun- Anordnung, mit der dem Bundesprä- desgeschäftsführer und unser Wahl- sidenten die Ratifi zierung der Verträ- kampfl eiter. Darüber herrscht in der ge bis zu einer Entscheidung über die Parteiführung Einigkeit.« Organklage und die Verfassungsbe- schwerden untersagt wird. Die Einst- Bremen: Die Linksfaktion in der weilige Anordnung darf nur dann ab- Bremischen Bürgerschaft hat am 3. Ju- gelehnt werden, wenn beide Verträge – li turnusgemäß ihre beiden stellvertre- der ESM-Vertrag und der Fiskalvertrag – tenden Fraktionsvorsitzenden neu ge- offensichtlich grundgesetzgemäß sind. wählt: Claudia Bernhard und Peter Er- Davon kann im Ergebnis der Verhand- lanson. Fraktionsvorsitzende ist Kristi- lung keine Rede sein. na Vogt. Außerdem dürfen durch die Einst- weilige Anordnung keine schweren »Spekulation eindämmen« – Unter die- Rheinland-Pfalz: Auf seiner Sit- Nachteile entstehen. Die Bundesregie- se Forderung stellten Campact und attac zung am 3. Juli hat der Landesvorstand rung konnte solche nicht wirklich bele- eine Aktion am 17. Juni vor der Frankfur- einstimmig die Zeichnung von Genos- gen. Es wird nur vor den Reaktionen der ter Börse. senschaftsanteilen der TLG »FairWoh- Märkte gewarnt, wobei die Psyche der nen« beschlossen. »Auch für uns in Märkte keiner einschätzen konnte. Haushaltseinkommen nicht mehr als den westlichen Teilen der Republik Auf jeden Fall rechtfertigt ein Markt ein Drittel aufwenden müssen. ist es wichtig, dieses Projekt zu un- nicht grundgesetzwidrige Verträge, die terstützen. Die TLG ›FairWohnen‹ ver- die Rechte des Deutschen Bundestages, Saarland: Der Landesvorsitzende der deutlicht nur ein allgemeines Übel, des Bundesverfassungsgerichts, der Saar-Linken, Rolf Linsler, forderte am 8. nämlich dass in vielen Großstädten, Bundesländer, der Kommunen und un- Juli, dass alle Menschen einen Zugang auch in Rheinland-Pfalz, bezahlbarer serer Bevölkerung durchaus beachtlich zum Internet erhalten: »Auch Hartz-IV- Wohnraum knapp wird. Aus diesem einschränken. Immerhin gab es auch ei- Empfänger müssen ein Recht auf Inter- Grunde tritt der Landesverband Rhein- nen Kompromissvorschlag des Gerichts, net bekommen. Deshalb muss der Re- land-Pfalz im Namen seiner Mitglieder ihm bis zur Beurteilung wenigstens zwei gelsatz deutlich angehoben werden, bei«, betonte Landesvorsitzende Elke bis drei Monate zu belassen.« deshalb müssen Internetkosten auch Theisinger-Hinkel. extra eingerechnet werden. Schließlich Baden-Württemberg: Die Pläne sind gerade Langzeitarbeitslose etwa Nordrhein-Westfalen: Der Lan- von Ministerpräsident Kretschmann auf Jobsuche über das Internet oder desparteitag am 30. Juni und 1. Juli (Grüne), Lehrerstellen zu streichen, Online-Bewerbungen angewiesen.« in Münster wählte einen neuen zwan- wurden am 11. Juli von LINKE-Landes- zigköpfi gen Landesvorstand. An der sprecherin Sybille Stamm kritisiert: Meldegesetz: Zur Debatte um Spitze stehen die Wuppertaler Lehre- »Die Landesregierung kürzt auf Kosten das neue Bundesmeldegesetz erklärte rin Gunhild Böth und der Münsteraner der Kleinsten und der sozial Schwächs- Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn Diplom-Ingenieur Rüdiger Sagel. Ihre ten. Festzustellen ist: Eine Wende in am 7. Juli: »Schwarz-Gelb profi liert sich Stellvertreter/innen sind Cornelia Swil- der Bildungspolitk bleibt auch unter wieder einmal als Koalition des Bür- lus-Knöchel, Hans Günter sowie als Kretschmann aus«. gerrechtsabbaus. Das neue Bundes- Vertreter/innen des Jugendverbandes meldegesetz, besonders der Passus Azad Tarhan und Derya Kilic. Landes- Bayern I: Die bayerischen Bun- zur ›Melderegisterauskunft‹, ist eine geschäftsführer wurde Sascha Wagner, destagsabgeordneten , gesetzlich verankerte Absage an das Landesschatzmeisterin Christel Rajda. , Klaus Ernst und Eva grundlegende Bürgerrecht auf informa- Vor der Wahl wurde mit sehr großer Bulling-Schröter stellten am 10. Juli in tionelle Selbstbestimmung.« DIE LINKE Mehrheit der Leitantrag für die Arbeit München eine Petition für bezahlba- fordert die Bundesländer auf, das Ge- in den kommenden zwei Jahren ver- res Wohnen vor: Der Freistaat soll da- setz im Bundesrat zu stoppen. abschiedet. In den nächsten Monaten für sorgen, dass alle Bürgerinnen und wird die Verbesserung der Lebensbe- Bürger in einer angemessenen Woh- Wahlkampfleitung: Die Partei- dingungen der Menschen vor Ort im nung leben können, für die sie von ei- vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Mittelpunkt der Aktivitäten stehen. nem durchschnittlichen oder geringen Riexinger bekräftigten am 4. Juli: »Vor Auf Landesebene wird DIE LINKE wei-

DISPUT Juli 2012 38 DEMNÄCHST

ter Druck von links auf die SPD-Grüne Ältestenrat: Auf seiner Beratung Regierung machen. Wichtigste Aufga- am 28. Juni beschäftigte sich der Ältes- be für den neu gewählten Vorstand ist tenrat mit den Ergebnissen des Göttin- Jubiläen und Jahrestage der weitere Parteiaufbau in Nordrhein- ger Bundesparteitages. Das Gremium 19. Juli 1947 Westfalen. Dabei sollen ein solidari- stellte fest, dass die unterschiedlichen Erste Weltfestspiele der Jugend sches und konstruktives Miteinander Positionen, die vor und auf dem Partei- und Studenten in Prag für die gemeinsamen Ziele im Mittel- tag aufeinandergeprallt sind, mit den punkt stehen. Beschlüssen des Parteitages nicht ein- 19. Juli 1952 fach vom Tisch seien. »Der Ältestenrat Der Bundestag beschließt das Be- Niedersachsen: Am 30. Juni und will mit seinen Möglichkeiten auch triebsverfassungsgesetz. 1. Juli verabschiedete die Landesver- weiterhin dazu beitragen, dass die 22. Juli 2011 treterInnenversammlung in Hannover politischen Auseinandersetzungen in Anschläge in Oslo und Utoya die Landesliste für die Landtagswahl sachlicher Art und Weise und in soli- 23. Juli 1952 2013. Auf den ersten Plätzen stehen darischer Atmosphäre zum Nutzen für Vertrag zur Gründung der Europäi- Manfred Sohn, Ursula Weisser-Roelle, die Wirksamkeit der Gesamtpartei aus- schen Gemeinschaft für Kohle und Gülten Kelloglu, Hans-Henning Adler, getragen werden«, wird in einer Erklä- Stahl (Montanunion) tritt in Kraft. Marianne König, Patrick Humke, Kers- rung hervorgehoben. An der Beratung tin Rudek, , Pia Zimmer- nahm die Parteivorsitzende Katja Kip- Juli/August 1997 mann und Rüdiger Wohltmann. ping teil. Oder-Hochwasser 27. Juli Brandenburg I: Brandenburgs Bayern II: Die Ablehnung des XXX. Olympische Spiele in London rot-rote Landesregierung stimmte am Baus einer dritten Start- und Lande- (bis 12. August) beginnen. 29. Juni im Bundesrat dem europäi- bahn am Münchner Flughafen durch August 2002 schen Fiskalpakt nicht zu. Das Kabi- einen Bürgerentscheid am 17. Juni wur- Elbe-Hochwasser nett hatte beschlossen, sich bei der de durch LINKE-Landessprecherin Eva Abstimmung zu enthalten, teilte die Bulling-Schröter als eine Watschn für 12. August stellvertretende Regierungssprecherin Ministerpräsident Seehofer und für sei- Internationaler Tag der Jungend Gerlinde Krahnert mit. Grund sind die nen Herausforderer Ude gewertet: »Für 16. August 2002 unterschiedlichen Auffassungen der mich ist das ein weiteres Zeichen dafür, Hartz-Kommission legt Konzept Koalitionspartner. DIE LINKE betrach- dass viele Bürger/innen in Bayern poli- für »Moderne Dienstleistungen tet den Fiskalpakt als einen Eingriff in tische Veränderungen wollen, und das am Arbeitsmarkt« vor. Deutschlands Budgethoheit. gilt nicht nur für die Verkehrspolitik.« Termine Stiftung: 2011 bot die Rosa-Lu- Sachsen: Der Kleine Parteitag der xemburg-Stiftung bundesweit rund LINKEN nominierte am 16. Juni die Par- 21. Juli 2.500 Veranstaltungen mit insgesamt teivorsitzende Katja Kipping und den Außerordentlicher Landespartei- etwa 100.000 Teilnehmenden an. Das Fraktionsvorsitzenden im Sächsischen tag Sachsen-Anhalt, Magdeburg, geht aus dem am 28. Juni veröffent- Landtag, André Hahn, zur Doppelspitze Rogätzer Straße 8 lichten Jahresbericht hervor. »Uns geht für die Bundestagswahl. 23. Juli es als Stiftung um alternative Deutun- Sitzung Geschäftsführender gen von Krisen und um die Suche nach Brandenburg II: Einer der dienst- Parteivorstand transformatorischen Alternativen zu ältesten Bürgermeister Deutschlands, 23. Juli einem zunehmend instabilen kapita- der ehemalige Bürgermeister des Beginn Sommertour, Bernd listischen Modell«, unterstrich Heinz Spreewaldortes Burg, Martin Schmidt, Riexinger Vietze, Vorstandsvorsitzender der Stif- ist tot. Der 74-jährige LINKE-Politiker tung. Für die politische Bildung setz- starb am 14. Juni 2012 nach schwerer 28. Juli te die Stiftung im In- und Ausland im Krankheit. Martin Schmidt war bis Ende Fiesta de Solidaridad, Berlin- vorigen Jahr rund 42,5 Millionen Euro 2011 fast 40 Jahre Bürgermeister. (DIS- Lichtenberg (Parkaue) ein. Beschlossen wurde die Einrich- PUT stellte ihn in Heft 7/2005 vor.) 2. August tung neuer Büros in Ägypten für den Öffentliches Streitgespräch Katja nordafrikanischen Raum sowie in der Schleswig-Holstein: Klaus-Dieter Kipping – Bernd Schlömer Türkei. Die Vorbereitungen für Büros Brügmann führt den Landesverband (Bundesvorsitzender Piraten), in Tansania für Ostafrika und in den als Vorsitzender bis zum regulären Berlin-Prenzlauer Berg (Pfeffer- USA für die Arbeit sowohl in Nordame- Parteitag am 30. September. Das ent- berg) rika als auch bei der UNO wurden vor- schied der außerordentliche Parteitag 4. und 5. August angetrieben, so dass ihre offi zielle Er- am 10. Juni in Neumünster. Beratung des Parteivorstandes, öffnung noch im laufenden Jahr erfol- vorher Geschäftsführender Partei- gen kann. Zusammenstellung: Florian Müller vorstand

39 DISPUT Juli 2012 KOLUMNE Notwendig wie nie: DIE LINKE Glückwünsche zum 5. Geburtstag Von Christoph Butterwegge

eigenen Reihen dulden, muss vielmehr fi te zu steigern. Mittlerweile arbeiten gleichermaßen Offenheit, Toleranz und fast ein Viertel aller Beschäftigten im Diversität in der Alltagspraxis üben, Niedriglohnbereich, der zum Hauptein- so schwer das festgefügten Strömun- fallstor für die Armut avanciert ist. Eine © Wolfgang Schmidt © Wolfgang gen und Flügeln auch fallen mag. In solche Situation, in der gesellschafts- den vergangenen Monaten, die stark politische Weichenstellungen für Jahr- durch Querelen auf der Bundesebene zehnte erfolgen, braucht eine starke geprägt waren, hatte man eher den Ein- Gegenmacht, soll verhindert werden, druck, dass Machtansprüche einzelner dass demokratische und soziale Errun- Führungspersönlichkeiten und der von genschaften zunichte gemacht werden. ihnen repräsentierten Richtungsgrup- Die aktuellen Themen, etwa »Finanzkri- pierungen ohne Rücksicht auf die Par- se, Bankenrettung und Euro-Stabilisie- teiinteressen durchgesetzt werden soll- rung«, »Krisenmanagement der Bun- ten. Verstärkt durch die personalisier- desregierung«, »Fiskalpakt, Schulden- te, polemische und skandalorientierte bremsen und Entmachtung der Parla- Für eine politische Partei sind fünf Jah- Berichterstattung der Massenmedien, mente«, »Sozialstaatsentwicklung und re eine ziemlich kurze Zeitspanne. Des- bot DIE LINKE für Außenstehende wie Armut«, »Sicherung von Bürgerrechten wegen ist es gewiss noch zu früh, Bi- mich ein Bild der Zerrissenheit und und Demokratie« sowie »Klimawandel lanz zu ziehen. Resümierend lässt sich Orientierungslosigkeit, das durch den und Gewährleistung einer bezahlbaren jedoch feststellen, dass DIE LINKE be- Göttinger Parteitag (2./3. Juni 2012) an- Energieversorgung für alle«, verlangen reits große Erfolge feiern konnte, aber satzweise korrigiert wurde. überzeugende Alternativkonzepte der zuletzt auch schwere Rückschläge er- Die globale Finanz-, Wirtschafts- LINKEN. litten hat. Dabei denke ich vor allem und Währungskrise stellt eine histori- Noch nie waren DIE LINKE, ihr parla- an Wahlniederlagen und den Verlust sche Zäsur in der Entwicklung unserer mentarisches Wirken und ihr außerpar- mühsam errungener Parlamentssit- Gesellschaft dar. Die trotz der Krisen- lamentarisches Engagement für eine ze in zwei westlichen Bundesländern folgen und sozialen Verwerfungen fort- humane Gesellschaft, einen sozialen (Schleswig-Holstein und Nordrhein- bestehende neoliberale Hegemonie, Staat und ein friedliches Zusammen- Westfalen), die ein Symbol für die ge- das heißt die Meinungsführerschaft leben der Völker so nötig wie heute, samtdeutsche Repräsentanz der LIN- des Marktradikalismus, schreit förm- denn Europa steht vor epochalen He- KEN waren. lich nach einer kritischen Gegenöffent- rausforderungen. Seit die globale Fi- Wenn es der LINKEN nicht bald ge- lichkeit, zu welcher DIE LINKE einen nanzkrise in eine Weltwirtschafts- und lingt, die Aufbruchstimmung ihrer zentralen Beitrag leisten muss. Reich- Währungskrise übergegangen und die Gründungsphase zu erneuern, wird sie lich naiv wäre die Hoffnung, der Neoli- »Euro-Rettung« zum Hauptgegenstand bei der Bundestagswahl im September beralismus hätte seine Macht über das der schwarz-gelben Regierungspolitik 2013 marginalisiert und auf den Status Bewusstsein von Millionen Menschen avanciert ist, gerät die soziale Gerech- einer ostdeutschen Regionalpartei re- verloren, nur weil sie um ihr Erspartes tigkeit hierzulande immer mehr unter duziert. Bisher hat sie der notwendige fürchten und mit ihren Steuergeldern die Räder. Da weder SPD und Bündnis- Spagat, sowohl die von ihren Jobcen- ein Mal mehr die Zeche für Spekulan- grüne noch die meines Erachtens über- tern drangsalierten und schikanierten ten und Finanzjongleure zahlen müs- schätzte Piratenpartei gegenwärtig ei- Hartz-IV-Betroffenen politisch zu ver- sen. Da die ökonomische, soziale und ne konsequente Oppositionsarbeit ma- treten wie auch die vom sozialen Ab- politische Krise als Drohkulisse bzw. chen, brauchen wir mehr denn je eine stieg bedrohten Angehörigen der Mit- als Disziplinierungsinstrument fun- starke LINKE, auch wenn sich manche telschicht, fortschrittliche Intellektuel- giert, will derzeit keine für eine grund- Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände le und Kulturschaffende anzusprechen, legende Kurskorrektur nötige Protest- und andere Interessenvertreter der so- überfordert. Auch reichte der außerpar- stimmung aufkommen. zial Benachteiligten dessen leider noch lamentarische Druck bislang nicht aus, Unübersehbar sind Bemühungen immer nicht bewusst sind. um SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht bloß im Unternehmerlager, son- nach links zu drängen und auf parla- dern auch in der CDU/CSU/FDP-Koali- mentarischer Ebene für eine Koopera- tion, die weitere Entstaatlichung, so- tion mit der LINKEN zu gewinnen. ziale Entsicherung und Entrechtung Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrt Wenn man den Parteinamen DIE LIN- von ArbeitnehmerInnen, Erwerbslo- Politikwissenschaft und ist Mitglied der KE wählt und damit einen Monopolan- sen und RentnerInnen zugunsten ei- Forschungsstelle für interkulturelle Stu- spruch für die Linke insgesamt – ver- nes »schweinischen« statt des frühe- dien an der Universität zu Köln. 2012 standen als politische Grundrichtung ren »rheinischen Kapitalismus« vor- sind von ihm die Bücher »Armut in ei- oder als gesellschaftliches Lager hier anzutreiben. Transnationale Konzerne nem reichen Land« (Campus Verlag; 3. – erhebt, darf man weder persönliche schrecken nicht vor massivem Druck Aufl .) sowie »Krise und Zukunft des So- Eitelkeiten und Opportunismus noch auf die Belegschaften und Nötigung zialstaates« (VS – Verlag für Sozialwis- Sektierertum und Dogmatismus in den der Betriebsräte zurück, um ihre Pro- senschaften; 4. Aufl .) erschienen.

GASTBEITRAG DISPUT Juli 2012 40 Aufm Ego-Tipp Tor oder Experte? DIE LINKE tippte zur Fußball-Europameisterschaft. Einsichten eines Einsteigers Von Jaschin, 70 Punkte

Also, ich sag mal so: Zuhören ist meine ganz besondere Stärke. Und als meine neuen Vorsitzenden neulich gesagt ha- ben, wir wollen jetzt mal gut zuhören, hab ich mir spontan gesagt: Das hör ich wohl, da mach ich mit. Wer will schon im Abseits stehen und sich womöglich einen Anpfi ff einfangen? Noch dazu im Umfeld dieser Fußball-Europameister- schaft …?! DIE LINKE ließ da so ‘n Tipp-Spiel laufen. Im Internet. Mal wieder typisch: Internet! Uns älteren Zuhörerinnen und Zuhörern macht es dieses Medium nicht ganz leicht, weswegen ich meine Tipps lieber direkt im Karl-Liebknecht- Haus abgegeben hätte. Aber ein netter Kollege, mehr sag ich mal nicht, viel- leicht blüht ihm sonst noch was, hat mir behutsam, das heißt generatio- nenübergreifend, das ganze Drum und stark angepfi ffenen Kampagne, nichts ja, der eine hatte entweder ein sehr ge- Dran von dieser Tippserei beigebracht. zur Sache. Immerhin landete ich, bei- heimes Pseudonym gewählt oder gar Dass ich mich erst mal anmelden und nahe, im obersten Zehntel der 230 Tip- nicht. Und die andere endete als »Katja mir einen Namen bzw. Spitznamen perinnen und Tipper. Kipping« bescheiden inmitten der Tip- geben muss. Dass ich dann den Aus- Geschenkt. Es gab ja nicht mal drei perbasis (44 Punkte, Platz 103 und da- gang Spiel für Spiel, Viertelfi nale für Sachpreise. mit gerade mal sieben Ränge vor mei- Viertelfi nale, Halbfi nale für Halbfi nale Doch was durfte ich dafür beim Zu- nem Vater, im EM-Juni bekannt gewor- und erst danach fürs Finale vorhersa- hören und Zusehen nicht alles lernen den als »Hoge«). Auch Schatzmeister gen soll. Und zwar – Achtung, Schwie- von meiner Partei! Von wegen Namen Sharma (im Tipp: »Raju«) übte sich – rigkeit – vor jedem einzelnen Spielan- sind Schall und Qualm!? Namen sind das kommt gut an, zumindest bei den pfi ff! Außerdem wollte das Internet von Bekenntnisse. Namen sind Verpfl ich- vor ihm Platzierten – in norddeutscher mir wissen, aus welchem Land der Tor- tung. Frei nach dem Motto: Ein Blick Zurückhaltung: Platz 164, 31 Punkte schützenkönig (klingt ziemlich monar- ins Tipp-Namen-Buch, zwei Blicke ins und exakt punktgleich mit meiner Mut- chistisch-militaristisch!) kommen wird Partei-Leben. ter, »Jarka«). und wo die Bundesadlermannschaft Darum hört auf diese Namen: »Char- * landen wird und wer in den Gruppen A, lyM« und »GlitzerC«! Der LINKE-Ego-Tipp brachte im Übri- B, C und D punktmäßig das Sagen ha- Entschlüsselt diese Chiffren: »Sup- gen unmittelbar nach der Europameis- ben wird. Und all das – Achtung, wei- penhauser65«, »Pezi1980«, »Fritzi95«, terschaft ein Resultat von immenser in- tere Schwierigkeit – vor dem allerers- »Joschie99«! nerparteilicher Bedeutung hervor: Der ten Pfi ff! Vernehmt diese Signale: »BarRot«, Sepp Blatter (Nicht-Genosse) von die- Wer so was kann, sagte mir mei- »RedJosten«, »RoteSocke« (nicht Stut- ser FIFA (weder Strömung noch Zusam- ne innere Stimme, die/der müsste der zen?)! Und: »Dunkelrotseher«! menschluss) setzte aus gegebenen Partei auch die optimale taktische Linie Vergesst niemals nicht: »Kulturge- Anlässen nämlich ratzfatz durch, dass vorgeben können. Folglich machte ich nosse« (ließ sich leider schon frühzei- künftig technische Hilfsmittel anzeigen mit. Ich hörte zu, ich tippte ein und ich tig auswechseln), »Thaelmann1979« sollen können, ob ein Tor auch wirklich jubelte – nur mal so als ein Beispiel – und »Supergenosse«! ein Tor gewesen ist. gleich über das 1:1 der Polen und Grie- In einem simplen Zahlenspiel Und ein Selbsttor ein Selbsttor! chen im Eröffnungsspiel. Vier Punkte! scheint der geballte Ernst glühender Nachtigall, ich hör dir trapsen! Tolle Mehr ging nicht! Parteiauseinandersetzungen zu ste- Sache, hab ich mir zugehört, tolle Sa- Die ersten zehn Tage sahen mich cken, verstehe ich »Hinkebein« und che, weil wertvoll für das große lernen- in der Spitzengruppe, worauf das Tip- »Blutgraetsche« richtig. de LINKE-Team. Perfekt und ausbau- per-Team vom Karl-Liebknecht-Haus Zu meinem Favoriten qualifizier- fähig die Idee: ein kleines unverkenn- (die haben offensichtlich sonst nichts te sich – vier Wochen lang ganz oben bares Signalchen, das ertönt, wenn ir- zu tun) mich für seine Mannschaft ge- – »Bunkerberg«, nach dem Finale gendwo mal wieder so ein Selbsttor winnen wollte. – Ihr Interesse ließ bald auf Platz zwei, hinter »Sally«. Glück- droht. Ein Signalchen an Rednerpult nach. wunsch! und Interviewmikrofon … Mein Platz nach dem letzten Abpfi ff? Was unsere Vorsitzenden zugehört Mein letzter Tipp: Immer schön zu- Das tut hier, wie bei jeder anderen laut- und rein tippmäßig gesagt haben? Na hören!

41 DISPUT Juli 2012 FEUILLETON Unter Generalverdacht Vor 75 Jahren begann die »Deutsche Operation« des NKWD Von Wladislaw Hedeler und Inge Münz-Koenen

Auf der vom Arbeitskreis »Deutsche An- KPD-Spitze, die dem Terror entgangen NKWD war, ist Anlass genug, erneut tifaschisten im sowjetischen Exil« bei waren, haben nach 1945 als führen- auf die von der Historischen Kommissi- der VVN-BdA 2010 in Berlin organisier- de SED-Funktionäre das Verschweigen on beim Parteivorstand unterstützte In- ten Tagung »Das verordnete Schwei- und Vergessen mit zu verantworten.« itiative hinzuweisen und eine verbindli- gen« kam unter anderem der Vorschlag Auf der Tagung »Nach dem Schwei- che Antwort einzufordern. zur Sprache, eine Ta- fel am Karl-Lieb- knecht-Haus in Ber- lin anzubringen: »Eh- rendes Gedenken an

tausende deutscher Hedeler © Wladislaw Kommunisten und Antifaschisten, die in der Sowjetunion zwischen den 1930er und 1950er Jahren willkürlich verfolgt, entrechtet, in Straf- lager deportiert und ermordet wurden.« Im Dezember 2010 stellten wir einen entsprechenden An- trag beim Vorstand der Linkspartei. In der Begrün- dung heißt es un- ter anderem: »Der Grabanlage Nr. 4 auf dem Donskoje-Friedhof in Moskau – darunter für Hans Kippenberger. Arbeitskreis ist der Meinung, dass das Karl-Liebknecht-Haus, in dem von gen« 2011 konnte lediglich informiert Neue Forschungsergebnisse über 1926 bis 1933 das Zentralkomitee der werden, dass es auf diesen Antrag nur den Lebensweg von Deutschen, die in KPD seinen Sitz hatte, der angemesse- ausweichende oder hinhaltende Reak- die Mühlen der sogenannten Säuberun- ne Ort für eine solche längst überfällige tionen aus den Führungsetagen des gen gerieten – unter ihnen Hans Grimm, Würdigung ist. Dort haben Heinz Neu- Karl-Liebknecht-Hauses gegeben hat. Roberta Gropper, Willy Kerff und Bewoh- mann, Hugo Eberlein, Hermann Rem- Der bevorstehende 75. Jahrestag ner eines Leningrader Emigrantenhau- mele, Hans Kippenberger und andere des Beginns des »Großen Terrors« in ses – sind im »neuen deutschland« ver- gearbeitet, die in der Sowjetunion er- der UdSSR, dessen Bestandteil die öffentlicht worden. Die Beiträge der bei- mordet wurden. Andere Mitglieder der sogenannte Deutsche Operation des den Tagungen können in den Heften 148

NKWD: russ. Abkürzung für Volkskom- Großer Terror in der Sowjetunion: Von Gulag: russ. umgangssprachlich für missariat für innere Angelegenheiten. der Parteiführung konzipierte, vom Besserungsarbeitslager. Auf dem Hö- Hervorgegangen aus der 1917 gebil- NKWD umgesetzte Terrorkampagne hepunkt des Massenterrors 1937 und deten Außerordentlichen Kommissi- gegen das eigene Volk. Ein Zehntel der 1938 befanden sich in den Lagern des on (Tscheka) und deren Nachfolgerin 1937/1938 hingerichteten Opfer kamen NKWD über zwei Millionen Häftlinge. (O)GPU. Die politische Polizei über- aus der sowjetischen Elite, während die Von 1923 bis 1960 gab es in der UdSSR nahm die Vorbereitung und Durchfüh- große Mehrheit der Erschossenen und insgesamt 476 solcher Haftorte, die rung des von der Führung der KPdSU(B) in die Gulags Deportierten Arbeiter und unterschiedlich lange, zwischen einem beschlossenen »Großen Terrors«. Bauern waren. Der erste aller »opera- Jahr und dreißig Jahren, bestanden. tiven Befehle« des NKWD im Juli 1937 Bis Ende der 1950er Jahre wurden zwi- galt der Durchführung der »Deutschen schen 15 und 18 Millionen Häftlinge zu Operation«. Für die Verhaftungen, Ver- »Besserungsarbeit« in den Lagerkom- urteilung und Ermordung der Beschul- plexen mit ihren Tausenden Haupt- und digten hat es vom Politbüro bewilligte Nebenlagern verurteilt. Planvorgaben gegeben, die um jeden Preis zu erfüllen waren.

GESCHICHTE DISPUT Juli 2012 42 und 167 der Schriftenreihe »Pankower Esten, Finnen, Griechen, Harbiner, Ira- Gespräche« nachgelesen werden. Neu ner, Koreaner, Letten, Mazedonier, Po- Ich abonniere gegenüber früheren summarischen An- len und Rumänen folgten. Diese natio- gaben über Vernichtungspraktiken und nalen Operationen wurden immer wie- Opferzahlen sind zum einen die in einer der verlängert, den »Bitten der Basis«, jüngst erstellten Datenbank individuell die vorgegebenen Quoten für Verhaf- DISPUT nachweisbaren Lebens- und Sterbeda- tungen zu erhöhen, immer entspro- ten der Betroffenen, zum anderen ist chen. Stalin und sein Gefolge sahen in es die Größenordnung der »ethnischen allen Bürgern, die im Ausland gelebt Säuberungen«, deren Auftakt die »Deut- hatten, Träger einer »anderen, frem- sche Operation« war – eine nach außen den Lebensweise«, Multiplikatoren Name, Vorname gerichtete Dimension des staatlichen »nichtsowjetischer« Erfahrungen. Massenterrors. So konnten bisher 8.011 Für das Stalin-Regime, das eine Uni-

Namen von Deutschen ermittelt werden, fi zierung des gesellschaftlichen Lebens Straße, Hausnummer die sich zwischen in der Sowjetunion anstrebte, war dies 1936 und 1945 in der unannehmbar. In den Jahren des Ter-

UdSSR aufhielten. Da rors wurden vom NKWD in Butowo bei PLZ, Ort die biografi schen An- Moskau über 20.000, in Lewaschowo gaben oft unvollstän- bei Leningrad über 40.000 Menschen dig sind, geht die Su- erschossen und in Massengräbern ver- Ich bestelle ab sofort Exemplar(e) che ständig weiter. scharrt. Fast 800.000 Sowjetbürger der Zeitschrift DISPUT im Gemäß dem jetzigen wurden bis zum November 1938 von Stand der Recher- speziell eingerichteten Kommissionen Halbjahresabonnement zum Preis von chen sind im Laufe zu Todesstrafe oder Gulag verurteilt. 12,00 Euro inkl. Versandkosten der »Deutschen Ope- Die in Angriff genommene umfas- ration« vom 29. Juli sende »Säuberung« des Landes von Jahresabonnement zum Preis von 1937 bis 3. November allem Fremden erklärt auch die fortlau- 21,60 Euro inkl. Versandkosten 1938 1.761 Personen fende Präzisierung der zu Verhaftenden vom NKWD verhaftet im erwähnten Befehl über die deutsche und nutze den vorteilhaften Bankeinzug worden. Von den 997 Operation. Alle Deutschen, die auf der zwischen 1936 und Suche nach Arbeit, auf der Flucht vor 1945 zu Gulag verur- dem Naziterror, als angeworbene »Spe- teilten Deutschen wa- zialisten« oder Touristen ins Land ge- Geldinstitut ren es 1937/38 417. kommen waren, selbst Besucher der Von insgesamt 1.019 deutschen Konsulate – sie alle stan- zwischen 1936 und den unter Generalverdacht. Auch Fa- 1945 in der UdSSR er- milienmitglieder und Bekannte waren Bankleitzahl mordeten deutschen der Verfolgung ausgesetzt. Während Männern und Frauen der Feiern zum 20. Jahrestag der Okto- wurden im Verlauf der »Deutschen Ope- berrevolution forderte Stalin die Prakti- Kontonummer ration« 417 erschossen. zierung der Sippenhaft. Diese »Deutsche Operation«, deren Von den über 8.000 in der UdSSR oder Beginn in Stalins Kabinett im Kreml am lebenden Deutschen kamen nach 20. Juli 1937 beschlossen wurde, war 1945 über 1.200, meist Frauen und bitte um Rechnungslegung (gegen Bestandteil einer umfassenden, von Kinder, in die DDR. Diese heute er- Gebühr) an meine Adresse. der Parteiführung initiierten Vernich- wachsenen Kinder sind gegenüber ih- tungsaktion. Bereits am 25. Juli 1937 ren Eltern und den eigenen Kindern in lag der geheime Befehl mit der Num- der Pfl icht. Der Vorschlag des von ih- mer 00439 vor. Am 29. Juli 1937 sollten nen initiierten Arbeitskreises »Deut- Das Abonnement verlängert sich automatisch um den landesweit die Verhaftungen aller deut- sche Antifaschisten im sowjetischen angegebenen Zeitraum zum gültigen Bezugszeitraum, falls ich nicht 15 Tage (Poststempel) vor dessen Ablauf schen Staatsbürger, die in Rüstungsbe- Exil«, eine Gedenktafel am Karl-Lieb- schriftlich kündige. trieben und bei der Eisenbahn arbeite- knecht-Haus anzubringen, steht des- ten oder gearbeitet hatten, beginnen. halb nicht allein. Gemäß der ersten Planung hatten die Gegenwärtig bereiten wir eine Aus-

Organe vor Ort fünf Tage Zeit, um »Spi- stellung über fünfzehn unter Hitler und Datum, 1. Unterschrift one, Schädlinge und Diversanten« zu Stalin verfolgte Familien vor, die im konstruieren und die Fälle zur weite- nächsten Jahr in einigen Städten der Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich die Bestellung ren Bearbeitung an das Militärkollegi- Russischen Föderation und der Repub- innerhalb von 10 Tagen widerrufen kann. um des Obersten Gerichtes oder an die lik Kasachstan – Stationen auf den Le- Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Sonderberatung beim NKWD zu über- benswegen der aus Deutschland Ge- Widerrufs. geben. Diese extra für die Umsetzung fl ohenen – zu sehen sein wird. Für den des staatlich verordneten Terrors ge- 25. Juli, den 75. Jahrestag der »Deut- schaffenen außergerichtlichen Organe schen Operation«, ist eine öffentliche Datum, 2. Unterschrift fällten im Schnellverfahren die Urteile. Verlesung von meist unbekannten Na- Coupon bitte senden an: Parteivorstand DIE LINKE, Es blieb nicht bei der Verfolgung der men und Lebensdaten ihrer Opfer auf Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin. Deutschen. Vergleichbare Operationen dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin Bestellungen auch möglich unter: www.die-linke.de gegen Afghanen, Bulgaren, Chinesen, geplant.

43 DISPUT Juli 2012 BRIEFE

nen Ort, an dem viele Menschen vor- ob Lenin ein Vordenker, Vorgänger oder Stand beikommen? Dann haben wir es ein- gar Wegbereiter für Stalin war, kann … Die Ergebnisse der Landtagswahlen fach ausprobiert und unseren Stand rekonstruiert werden.« Diese Darstel- in Schleswig-Holstein und Nordrhein- sonnabends von 7 bis 9 Uhr vor einer lung, diese Sprache gehören in die Westfalen haben gezeigt, dass unse- Bäckerei aufgebaut – und siehe: Es Puzzleabteilung der Historiker. Das re Partei nicht mehr wie gewünscht im funktioniert. letzte Puzzle rundet das Bild ab, aber Fokus der Wähler steht und in den Me- Solche Aktionen regelmäßig zu tun, leider nur die Oberfl äche. dien nur Aufmerksamkeit durch Per- sollte uns auch von anderen Partei- Natürlich, jeder Mensch handelt un- sonaldebatten oder sinkende Umfra- en abheben, die sich eben nur in Zei- ter bestimmten historischen Bedingun- gewerte erfährt. Diese Entwicklungen, ten von Wahlkämpfen sehen lassen. gen; in diesem Rahmen auch mit Ver- langfristig absehbar, waren uns Anlass Wir wollen eine Partei zum »Anfassen« antwortung und der muss er sich stel- zu Überlegungen, wie wir unsere Basis- bleiben und nicht nur eine Wahlpartei. len. Zur Rolle der sogenannten großen arbeit verbessern können, um gestärkt Materialien für unsere Arbeit haben wir Männer haben unsere Altvorderen häu- in den Bundestagswahlkampf 2013 zu uns in der Kreis-, Landes- und Bundes- fi g Stellung bezogen. gehen. Die Basisgruppe Wilkau-Haß- geschäftsstelle besorgt. Kurzes Zitat aus Engels an Starken- lau (Sachsen) will regelmäßig (alle zwei So haben wir in diesem Jahr am 8. burg, London, 25. Januar 1894: »Daß Monate) mit ausgewählten Themen in März zum Wochenmarkt unseren ers- ein solcher und grade dieser zu dieser die Öffentlichkeit gehen. Als geeignete ten Infostand zum Internationalen Zeit in diesem gegebenen Lande auf- Form sehen wie hier nach wie vor Info- Frauentag durchgeführt und die Tradi- steht, ist natürlich reiner Zufall. Aber stände an gut frequentierten Orten an. tion wiederbelebt, rote Nelken an die streichen wir ihn weg, so ist Nachfra- Viele werden sich fragen, wo sollen wir Frauen zu verteilen. Unsere Genossen ge da für Ersatz, und dieser Ersatz fi n- einen Infostand aufstellen. Manchmal haben dabei nicht die Frauen verges- det sich, tant bien que mal, aber er fi n- gab es bei uns die Frage: Haben wir ei- sen, die ihrer Arbeit in den umliegen- det sich auf die Dauer. Daß Napoleon, den Geschäften, der Sparkasse und im grade dieser Korse, der Militärdikta- Rathaus nachgegangen sind. Auch das tor war, den die durch eignen Krieg er- kleine Präsent – ein LINKE-Kugelschrei- schöpfte französische Republik nötig Klaus wettet wieder ber mit der Aufschrift »Frauen sind (oft- machte, das war Zufall; daß aber in Er- mals) die bessere Hälfte! DIE LINKE«, mangelung eines Napoleon ein andrer Gewinnt Klaus Jann – der Wettinitiator gesponsert von einem unserer Genos- die Stelle ausgefüllt hätte, das ist be- aus Wülfrath, unter anderem zu den sen fand guten Anklang. wiesen dadurch, daß der Mann sich je- »Sparpaketen« – seine neueste Her- Wir werden eine solche Aktion auch desmal gefunden, sobald er nötig war: ausforderung? im kommenden Jahr im Programm ha- Cäsar, Augustus, Cromwell etc.« Klaus Jann will es bis Jahresende ben. Der nächste Infostand widmet Zum Weiterlesen empfehlt ihr Eu- schaffen, 100 Partnerschaftstreffen sich dem Thema »Mindestlohn«. Dar- gen Ruge: »In Zeiten des abnehmen- zwischen Ost und West zu initiieren. über hinaus schwebt uns ein Stamm- den Lichts«. Dieses Machwerk ist eine »Diese neue Wette«, teilt Klaus tisch mit UnternehmerInnen vor, Kon- billige Schmonzette, die den antisozia- Jann mit, »hat ihren Ausgangspunkt takte wurden dafür schon geknüpft. listischen Zeitgeist bedient, sprachlich auf dem Göttinger Parteitag der LIN- Wir hoffen, dass euch unsere Ba- auf unterem Niveau. KEN. Dort ging es hoch her – um die sisgruppe damit Mut macht für die Öf- Wer sich mal richtig vom subjektiven Frage, ob ›Ost‹ und ›West‹ in der LIN- fentlichkeitsarbeit auch außerhalb von Faktor in der Geschichte bewegen las- KEN überhaupt zusammen passen. Ich Wahlkämpfen, um so unsere Partei zu sen will, der lese von Walter (!) Ruge, sag’s mal laut: Wir haben gemeinsa- stärken. Wir würden uns freuen, von dem älteren Bruder von Wolfgang Ruge: me Ziele. Und das dürfen wir uns auch euch Anregungen zu bekommen. »Treibeis am Jenissei«. Unter der Knu- nicht kaputtreden lassen. Nein, mehr Steffi Müller, Mariengasse 9, te Stalins aufrechter Sozialist geblie- noch: Wir müssen deutlich zeigen, 08112 Wilkau-Haßlau ben zu sein, das macht Mut. Subjekt/ dass es ganz anders ist: Ost und West Objekt in der Geschichte, vertrackte Di- müssen zusammenrücken. Ganz kon- alektik, aber da muss man wohl durch kret!« Deshalb will er – mit Unterstüt- Dialektik auf dem Weg von der »Barbarei zum zung vieler – (mindestens) 100 Begeg- betr.: DISPUT 4/2012, »Gelungene Sozialismus«. nungen zwischen Basisgruppen, Orts- Entzauberung« Manfred Lesch, Frankfurt/Main und Kreisverbänden aus Ost und West Wer sein historisches Denken an He- organisieren (lassen). Die Wette läuft gel und Marx geschult hat, wird nichts seit dem 4. Juli. in der Geschichte verzaubern, denn Dank Ideen, Zusagen und Vorbereitun- dann braucht man auch nichts zu ent- Ich danke für die vielen Jahre »DIS- gen sind gefragt und können übermit- zaubern, gar eine »Gelungene (!) Ent- PUT« mit sachdienlichen Informationen telt werden an [email protected] zauberung«. und möchte euch sagen, dass die Aus- Weitere Einzelheiten unter www. »Das Nachdenken über die Frage, gabe Mai 2012 mit eine der besten war. linksdemokraten.de wer Stalin die Knute in die Hand gab, L. Görlitz, Meißen

DISPUT Juli 2012 44 Preußenschlag Mit der Kapitulation der SPD während des Staatsstreiches begann vor 80 Jahren die Endkrise der Weimarer Republik Von Ronald Friedmann

Wenige Monate nach der mit Unterstüt- halb geschäftsführend im Amt. Aller- in der Stunde der Gefahr werde ich das zung der SPD erfolgten Wiederwahl von dings fl üchtete Braun bereits Anfang Reichsbanner zur Hilfspolizei erklären Reichspräsident Paul von Hindenburg Juni 1932 in einen selbstgewährten und bewaffnen.« hatte sich im Sommer 1932 in den maß- unbefristeten Urlaub und überließ die Am 17. Juli 1932, dem »Blutsonn- geblichen rechtskonservativen Kreisen Amtsgeschäfte Innenminister Carl Se- tag«, kam es im damals noch preußi- die Auffassung durchgesetzt, dass es vering, der zwar in den vorangegange- schen Hamburger Stadtteil Altona bei für die SPD auf dem weiteren Weg zu nen Jahren – mit der Rückendeckung einem sogenannten Werbemarsch der einem autoritären und obrigkeitsstaat- seines Chefs – immer wieder Tatkraft SA zu einer von den Faschisten provo- lichen Regime in Deutschland, in dem und Entschlossenheit gezeigt hatte, zierten Straßenschlacht, bei der min- die Nazipartei Hitlers eine entschei- wenn es gegen die KPD und ihre Orga- destens 18 Menschen starben. Damit dende Rolle spielen sollte, keine Ver- nisationen ging, der jedoch weder wil- hatte die Reichsregierung in Berlin den wendung mehr gab. Denn der Führung lens und noch in der Lage war, sich der gewünschten Anlass, gegen die preußi- der SPD fi el es zunehmend schwerer, existenziellen Bedrohung entgegenzu- sche Regierung vorzugehen. ihre Mitgliedschaft und ihre Wähler auf stellen, der sich die Weimarer Republik Am 20. Juli 1932 wurde der preu- dem Kurs des »kleineren Übels« zu hal- gegenübersah. ßische Innenminister Severing in die ten, also eines Kurses, der zumindest Am 1. Juni 1932 wurde Franz von Pa- Reichskanzlei einbestellt. Um 10.00 ein Stillhalten gegenüber den immer pen auf Betreiben des Generals Kurt Uhr erklärte Reichskanzler von Papen, massiver werdenden Bestrebungen der von Schleicher, einem engen Vertrau- dass er die preußischen Regierungsge- herrschenden Kräfte bedeutete, die de- ten Hindenburgs, neuer Reichskanzler. schäfte übernommen habe und dass mokratischen und sozialen Rechte der Zu den ersten Maßnahmen seines vor- Braun und Severing abgesetzt seien. Weimarer Verfassung zu liquidieren. wiegend aus Adligen gebildeten »Kabi- Severing protestierte und verkündete netts der Barone« gehörte die Aufhe- vollmundig, er werde »nur der Gewalt Starke Positionen bung des erst im April 1932 verfügten weichen«. Doch Stunden später genüg- Verbotes der faschistischen SA: Um- te ein einziger Polizeioffi zier, Severing Die SPD verfügte insbesondere in Preu- gehend überzog eine neuen Welle der aus seinem Dienstzimmer zu eskortie- ßen, dem größten und wichtigsten Gewalt und des Terrors ganz Deutsch- ren. deutschen Teilstaat, in dem 60 Pro- land. Innerhalb weniger Wochen star- zent der Bevölkerung Deutschlands ben hunderte Menschen bei blutigen Vergebliches Warten lebten und sich große Teile der deut- Zusammenstößen, die von den deut- schen Wirtschaftskraft konzentrierten, schen Faschisten provoziert worden Überall in Deutschland warteten zahl- seit der Novemberrevolution 1918 über waren. lose einfache SPD-Mitglieder verzwei- starke Positionen: Aus der vormaligen Bereits am 14. Juli 1932 unterzeich- felt auf einen Aufruf ihrer Parteiführung Hochburg des deutschen Militarismus nete Reichspräsident von Hindenburg zum Generalstreik, wie er auch von der war im Verständnis der Zeitgenossen auf der Grundlage des Artikels 48 der KPD unmittelbar nach Bekanntwerden das »rote Preußen« geworden: Mit kur- Weimarer Verfassung eine Notverord- des »Preußenschlags« gefordert wor- zen Unterbrechungen stellte die SPD nung, mit der er Reichskanzler von Pa- den war. Doch die Führung der SPD wie- seit 1920 mit Otto Braun den Minister- pen zum Reichskommissar in Preußen gelte ab, man werde sich nicht »provo- präsidenten, der in einer sogenann- ernannte und ihn bevollmächtigte, Mi- zieren« lassen. Die SPD werde den Bo- ten Preußenkoalition gemeinsam mit nisterpräsident Braun und Innenmi- den der Verfassung nicht verlassen, der katholischen Zentrumspartei und nister Severing abzusetzen. Begrün- sondern sich an den Staatsgerichtshof der kleinen liberalen Demokratischen det wurde dieser Schritt mit der an- wenden, um eine »einstweilige Verfü- Partei regierte. Im gesamten preußi- geblichen Unfähigkeit der Regierung gung« gegen den Staatsstreich zu er- schen Staatsapparat saßen Mitglieder Braun, in Preußen Ordnung und Sicher- wirken. der SPD in Schlüsselpositionen. Und heit aufrechtzuerhalten. Ein Datum für Preußen wurde von der SPD-Füh- nicht nur das: Preußen verfügte über den Vollzug der Reichsexekution gegen rung faktisch kampfl os jenen Kräften den größten und bestorganisierten Po- Preußen wurde nicht festgesetzt, man überlassen, die Hitler an die Macht lizeiapparat, in Berlin und vielen ande- wartete auf einen geeigneten Anlass. bringen wollten. Innerhalb weniger Wo- ren großen Städten stellte die SPD den Noch am 9. Juni 1932, als erste Ge- chen wurde der gesamte preußische Polizeipräsidenten. rüchte über einen bevorstehenden Staatsapparat »gesäubert«: Tausende Allerdings hatten die Wahlen vom Schlag der Reichsregierung gegen SPD-Mitglieder wurden aus ihren Äm- April 1932 der Preußenkoalition eine Preußen auftauchten, hatte Ernst Heil- tern entfernt und durch »nationale« Be- klare Niederlage beschert: Während mann, der sozialdemokratische Frakti- amte ersetzt, die später auch Hitler be- KPD und Nazipartei deutlich an Stim- onsvorsitzende im Preußischen Land- reitwillig dienten. men gewannen, verloren die drei Re- tag erklärt: »Ich weigere mich, zuzuge- Nur zehn Monate später erhielt gierungsparteien ihre Mehrheit, so ben, dass Hindenburg je etwas Derar- Preußen wieder einen Ministerpräsi- dass eine erneute Regierungsbildung tiges tun würde.« Und Severing hatte denten. Der hieß Hermann Göring. Und unmöglich wurde. Das Kabinett von gegenüber besorgten Spitzenfunktio- Adolf Hitler war zu diesem Zeitpunkt Ministerpräsident Braun blieb des- nären der SPD getönt: »Seid gewiss, schon vier Monate Reichskanzler.

45 DISPUT Juli 2012 GESCHICHTE BÜCHER

1954 in Jerusalem geborene Schrift- ren Biografi en unterschiedliche Pers- Ungewöhnliche steller und Rundfunkmoderator David pektiven auf dieses zu dicke Buch« er- Bücher zum Hören Grossman hat diesen Roman 2003 zu öffnen. Natürlich ist es unmöglich, 750 schreiben begonnen. Drei Jahre spä- Seiten eines wissenschaftlichen Wer- ter wurde für ihn aus der Fiktion grau- kes in 54 bzw. auf der CD real 49 Mi- Die unendlichen Möglichkeiten, un- same Wirklichkeit, sein Sohn Uri starb nuten unterzubringen. Also, man kann terschiedliche Texte spielerisch umzu- in den letzten Tagen des Libanon-Krie- hier wirklich nicht eine Art Lesung aus setzen. Gehört von Ingrid Feix ges. diesem immer noch aktuellen Buch er- Das gleichnamige Hörspiel ist der warten. Man muss sich auf eine ziem- or drei Jahren erschien im Han- erfolgreiche Versuch, die Stimmung lich verrückte Collage aus Gesprächs- ser Verlag das Buch von David des Romans hörbar und nachempfi nd- fetzen, biografischen Vorstellungen, V Grossman »Eine Frau fl ieht vor bar zu machen. Sicher ist die ausge- Diskussionen, Erinnerungen, Zitaten, einer Nachricht«, und alle Feuilletons, zeichnete Besetzung zum Beispiel mit Lektüreeindrücken einstellen. Das von der taz bis zur FAZ, waren sich dar- Martina Gedeck als Ora schon ein Ga- reicht vom tragischen Überlebensbe- in einig, das ist ein großartiger Roman. rant dafür. Obwohl vor allem Monolo- richt bis zur albernen Attitüde beim Zi- Erzählt wird von Ora, die 16-jäh- ge bzw. Dialoge das Geschehen spie- tieren. rig während des Sechs-Tage-Krieges geln, vermittelt sich ein Eindruck von Verschiedene Akteure, unter ande- 1967 auf der Isolierstation eines isra- der alltäglichen Gefühlswelt einer is- ren ein blinder Plattensammler, eine elischen Krankenhauses Avram ken- raelischen Familie unserer Tage. Prostituierte, die mit Marx im Bücher- nenlernt, der ihr Mut macht. Außerdem Übrigens, auch mit Texten wie »Die- regal aufwuchs, ein Unternehmensbe- ist auch noch sein Freund Ilan da. Eine sen Krieg kann keiner gewinnen«, rater, der Millionäre abzockte, ein Ex- ungewöhnliche Freundschaft und Lie- »Das Gedächtnis der Haut« oder »Die spieler, eine Dolmetscherin … be verbindet die drei. Später, kurz vor Kraft zur Korrektur« hat sich Grossman Einer der Hauptmitwirkenden ist Ende des Militärdienstes von Avram nachlesbar gegen kriegerische Ausei- der Ökonom und freie Publizist Tho- und Ilan, muss einer von ihnen zu ei- nandersetzungen als Friedensaktivist mas Kuczynski, Sohn des marxisti- nem Kriegseinsatz. Sie losen aus, wer engagiert. schen Wirtschaftswissenschaftlers als erster zurück nach Jerusalem zu Ora Jürgen Kuczynski. Er erklärt, dass sein darf, es ist Ilan. Sein ganzes späteres David Grossman Wunschwarenhaus so organisiert sein Leben wird er sich dadurch schuldig an Eine Frau fl ieht vor müsste wie Marxens »Kapital«, in je- Avrams Schicksal fühlen. einer Nachricht dem Stockwerk würde genau dran- Auch Avram kehrt schließlich, ver- HörbuchHamburg/ stehen, was es dort gibt … Kuczynski wundet und gefoltert, auf einer Bah- NDRinfo bringt immer wieder »Das Kapital« ins re zurück, und nicht nur sein Körper, 3 CD, 203 min. Gespräch, immerhin arbeitet er – wie der wieder mühselig geheilt werden 14,99 Euro er mittendrin verrät – an einer Neu- wird, ist zerstört. Das Zusammenle- ausgabe des Marx‘schen Werkes. ben von Ora und Ilan und den zwei Wer sich ernsthaft mit dem Inhalt Söhnen Adam und Ofer ist geprägt beschäftigen möchte, für den bietet von Schuld und Angst. Wieder Jahre eniger um Gefühle als um die CD höchstens eine nette Ablen- später verlässt Ilan Ora und geht mit knallharte Theorie und ihre kung, und er kommt also um die ei- Adam ins Ausland. Bei der Mobilma- W Praxis geht es bei dem Hör- gentliche Lektüre nicht herum. Wenn chung Israels 2006 im Libanon-Krieg spielprojekt von Rimini Protokoll, wie dann der letzte Satz aus dem ersten meldet sich Ofer, Oras Jüngster, frei- sich ein Trio nennt, dessen Mitglieder Band des »Kapital« infrage gestellt willig zum Militär. Ora ahnt, als sie ihn Helgard Haug und Daniel Wetzel Au- wird, also seine Verständlichkeit nicht zur Sammelstelle bringt, dass sie ihn toren und Regisseure dieser Scheibe überzeugt, ist das Hörspiel zu Ende. nicht wiedersehen wird. Sie fl ieht vor sind. Bereits 2007 produziert, hat Hör- dieser Nachricht, indem sie mit Avram Die studierten Theaterwissenschaft- spielpark diesen Hörspielspaß mit durch Galiläa wandert und ihm die ler, Jahrgang 1969, leben und arbeiten Marx jetzt auf einer CD herausgege- Geschichte ihrer Familie und Freund- in Berlin und sind Protagonisten einer ben, die allerdings nur über Internet schaft erzählt … internationalen experimentellen Thea- (http://www.hoerspielpark.de/websi- David Grossman hat mit dieser terszene. te/titel/karl-marx) bestellbar ist. Geschichte nicht nur einen sehr ein- Ihre These, die große Analyse von dringlichen Antikriegsroman geschrie- Karl Marx habe »einen prominenten Karl Marx: ben, er hat auch sehr anschaulich ver- Platz im Kanon jener Bücher, die alle Das Kapital (2) Repro mittelt, wie sehr die Politik in dieser kennen und keiner gelesen hat«, reiz- Erster Band Kriegsregion bis ins intime Alltagsle- te sie zu dem abenteuerlichen Projekt. Hoerspielpark/ ben greift. Es ist ein Roman über die Beteiligt sind Leute, die aus unter- DLF/WDR ständige Angst der Mütter, die ihre schiedlichen Regionen Europas stam- 1 CD, 49 min. Söhne in den Krieg ziehen sehen. Der men und »in ihrer Sprache und mit ih- 12 Euro

DISPUT Juli 2012 46 ürde die Bevölkerung danach lich verantwortlich ist, weil die Regie- gefragt, was sie von Bankern rungen der Europäischen Union milliar- W und Spekulanten hielte, wür- denschwere Bankenrettungspakete ge- den diese nicht gut dabei wegkommen. schnürt, das Finanzsystem dereguliert Nicht wenige Menschen würden wohl und unverantwortliche Zockergeschäfte der Aussage zustimmen: »Nichts ist ge- zugelassen haben. Vor allem die rüde, fährlicher als der Einfl uss der Privatinte- von der EU aufoktroyierte Kürzungspo- ressen auf die öffentlichen Angelegen- litik in Griechenland und anderen Staa- heiten«. Diese Erkenntnis stammt von ten hat die wirtschaftliche Rezession dem schweizerisch-französischen Auf- dort dramatisch vertieft. klärer Jean-Jaques Rousseau und hat Trotz alledem hält die Bundesregie- auch nach über 250 Jahren nichts an rung an der absurden Vorstellung fest, Bedeutung eingebüßt. dass die Staatsschuldenkrise ursäch- Wenn Rousseau sagte, die »Staats- lich für die wirtschaftlichen Missstän- macht hilft dem Starken, den Schwa- de sei. Sie tut dies vor allem deshalb, chen zu unterdrücken, und die Tendenz weil sie auf diese Weise den Staat und aller Gesetze besteht darin, die Reichen seine Institutionen zu Sündenböcken gegen die Habenichtse zu begünsti- für das ganze Desaster machen kön- gen«, so denken wir heute insbeson- nen, die Machenschaften der Banken, dere an die Verschleuderung von Mil- Zocker und der von ihnen korrumpier- liardensummen zur Rettung von Ban- ten Politik sich hingegen bequem ver- ken und an die ver- schweigen lässt. Als scheinbar logische

logene Politik der Schlussfolgerung wird dann die Losung LINKE © DIE Gefährliche Kürzungsdiktate. Der »weniger Staat« präsentiert. Unter die- Privatinteressen gigantische Banken- ser Losung verstehen deren Verfechter rettungsschirm ESM allerdings weder sinkende staatliche und der Fiskalpakt Rüstungsausgaben noch Streichung sind das Projekt der staatlicher Subventionen für Dumping- Starken, der Banken- löhne. In beiden Fällen könnte tatsäch- und Finanzmafi a, zu- lich gespart werden. Würde die Bundes- Von Sahra Wagenknecht lasten der Schwa- regierung etwa einen fl ächendeckenden chen. Zu Letzteren gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von gehören die Bevölkerung in Griechen- zehn Euro einführen, dann könnte sie land, aber auch die europäischen Steu- erstens jedes Jahr rund zehn Milliarden erzahler, die abermals für die Zockerge- Euro an Hungerlohn-Subventionen spa- schäfte der Banken in Haftung genom- ren und sie würde zweitens die aggres- men werden sollen. sive Lohndumping-Strategie der Agen- Aufklärung im Geiste Rousseaus täte da 2010 beenden, die die anderen EU- auch heute wieder bitter not. Aber statt Staaten massiv unter Druck setzt, ih- Aufklärung über die Ursachen der öko- rerseits bei Löhnen und Gehältern zu nomischen Krise zu betreiben, serviert kürzen. Die Vokabeln »weniger Staat« die herrschende Politik alte und neue bedeuten nach dem Verständnis der Mythen. Statt ernsthaft Auswege aus Bundesregierung aber vielmehr Priva- der Krise zu diskutieren, folgt man dem tisierung öffentlichen Eigentums, Lohn- Credo »weiter so«: So folgt einem Kür- und Sozialkürzungen. zungsprogramm das nächste, und ei- Der jüngst im Bundestag beschlosse- nem Bankenrettungspaket schließt sich ne Fiskalpakt setzt den Kürzungswahn ein weiteres an. Echte alternative Ansät- fort. Über zwei Billionen Euro sollen die ze zur Krisenbewältigung werden dage- EU-Staaten aus ihren Haushalten her- gen von einer Allparteienkoalition aus aushacken: bei Gesundheit, bei Sozia- Union, FDP, Grüne und SPD blockiert. lem, bei Bildung und bei Renten. Sämt- Zu ihren beliebtesten Ammenmär- liche dieser Kürzungen könnten verhin- chen gehört die Behauptung, die staat- dert werden, wenn die Reichen und je- lichen Schuldenberge seien der eigent- ne endlich zur Kasse gebeten werden, liche Grund für die Krisensituation. So die von der Krise kräftig profi tiert haben. behauptete der Finanzminister Wolf- Armut und Reichtum klaffen zuneh- gang Schäuble, »dass eine der Haupt- mend auseinander. Es waren produk- ursachen – wenn nicht sogar die Haupt- tive Köpfe wie Rousseau, die bereits ursache – der Krise (…) die zu hohe Ver- im 18. Jahrhundert den unüberbrück- schuldung der öffentlichen Haushalte baren Arm-reich-Kontrast zum Thema auf der ganzen Welt ist«. Fakt ist aber, machten. »Kein Bürger darf so wohlha- dass die staatlichen Schulden erst seit bend sein, dass er einen anderen kau- dem Beginn des globalen Finanzcrashs fen könnte, und keiner so arm, dass er explodiert sind. Tatsächlich handelt es sich verkaufen müsse«, beschrieb Rous- sich weniger um eine Staatsschulden- seau seine Vision von einem gerechten krise als vielmehr um eine Bankenkrise, Gemeinwesen, die an Aktualität nichts die für die Schuldenexplosion wesent- verloren hat.

47 DISPUT Juli 2012 JULIKOLUMNE Auslese

Ngũgĩ wa Thiong’o

Herr der Krähen

Roman © A1 Verlag, München 2011 944 Seiten, 29,90 Euro ISBN 978–3–940666– 17–8

SEITE ACHTUNDVIERZIG