Plenarprotokoll 19/183

Deutscher

Stenografischer Bericht

183. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Inhalt:

Wahl der Abgeordneten , Kay Fritz Güntzler (CDU/CSU) ...... 22951 D Gottschalk, Jan Ralf Nolte und Martin (FDP) ...... 22953 C Hohmann als Schriftführer ...... 22943 A Änderungen der Tagesordnung ...... 22943 B (DIE LINKE) ...... 22954 A Absetzung der Tagesordnungspunkte 18 b und (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . 22954 D 33 s ...... 22943 B (SPD) ...... 22955 D (CDU/CSU) ...... 22956 C Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Tagesordnungspunkt 10: Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 Antrag der Abgeordneten René Springer, und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Dr. , , wei- Risiken und zur Stärkung der Proportiona- terer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: lität im Bankensektor (Risikoreduzierungs- Inländische Arbeitskräfte zuerst – Falsche gesetz – RiG) Weichenstellungen des Fachkräfteeinwan- Drucksache 19/22786 ...... 22943 B derungsgesetzes rückgängig machen , Bundesminister BMF ...... 22943 C Drucksache 19/23132 ...... 22957 D Dr. (AfD) ...... 22944 C René Springer (AfD) ...... 22957 D (CDU/CSU) ...... 22945 B Dr. (CDU/CSU) ...... 22958 D Dr. (FDP) ...... 22946 B (FDP) ...... 22960 A Jörg Cezanne (DIE LINKE) ...... 22947 A Dr. (SPD) ...... 22961 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . 22947 C (DIE LINKE) ...... 22962 C (SPD) ...... 22948 B (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 22963 A Sepp Müller (CDU/CSU) ...... 22949 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . 22964 A René Springer (AfD) ...... 22964 C Tagesordnungspunkt 27: Dr. (AfD) ...... 22965 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuer- (SPD) ...... 22966 B gesetzes 2020 (Jahressteuergesetz 2020 – Gökay Akbulut (DIE LINKE) ...... 22967 C JStG 2020) Drucksache 19/22850 ...... 22950 A (CDU/CSU) ...... 22968 A Ingrid Arndt-Brauer (SPD) ...... 22950 B (SPD) ...... 22969 A (AfD) ...... 22951 A Dr. (CDU/CSU) ...... 22970 A VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. , Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Tagesordnungspunkt 16: (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 23053 A – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU) ...... 23053 D brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Jürgen Braun (AfD) ...... 23054 C Änderung des Bundeswahlgesetzes Drucksachen 19/22504, 19/23187 ...... 23041 C (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 23055 C – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten , Tobias Jürgen Braun (AfD) ...... 23056 B Matthias Peterka, , weiteren (SPD) ...... 23057 A Abgeordneten und der Fraktion der AfD Bijan Djir-Sarai (FDP) ...... 23057 C eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Zaklin Nastic (DIE LINKE) ...... 23058 C Drucksachen 19/22894, 19/23187 ...... 23041 C (Chemnitz) (CDU/CSU) ...... 23059 B – Zweite und dritte Beratung des von den Dr. (SPD) ...... 23060 A Fraktionen der FDP, DIE LINKE und Sebastian Brehm (CDU/CSU) ...... 23060 D BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Bundeswahlgesetzes Tagesordnungspunkt 17: Drucksachen 19/14672, 19/23187 ...... 23041 C a) Zweite und dritte Beratung des von der (CDU/CSU) ...... 23041 D Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Albrecht Glaser (AfD) ...... 23043 B eines Gesetzes zur Revision der Europä- Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) ...... 23044 B ischen Sozialcharta vom 3. Mai 1996 Drucksachen 19/20976, 19/23182 ...... 23064 B (FDP) ...... 23046 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des (DIE LINKE) ...... 23047 C Ausschusses für Arbeit und Soziales Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten DIE GRÜNEN) ...... 23048 B Norbert Kleinwächter, , Stephan Brandner, weiterer Abgeordne- Marco Bülow (fraktionslos) ...... 23049 B ter und der Fraktion der AfD: Sozialpo- (fraktionslos) ...... 23049 D litik ist eine nationale Aufgabe – Die (CDU/CSU) ...... 23050 B Europäische Sozialcharta kündigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Namentliche Abstimmung ...... 23052 B Sichert, René Springer, Jürgen Pohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ergebnis ...... 23061 C der AfD: Keine Ratifikation des Fakultativprotokolls zum VN-Sozial- pakt Tagesordnungspunkt 18: – zu dem Antrag der Abgeordneten a) Antrag der Abgeordneten Omid Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Nouripour, , Claudia , weiterer Abgeordne- Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter ter und der Fraktion DIE LINKE: Für und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ein Ja zur Revidierten Europäischen NEN: Iran – Menschenrechtsverletzun- Sozialcharta gen verurteilen und völkerrechtliche – zu dem Antrag der Abgeordneten Verpflichtungen konsequent einfordern , Heike Hänsel, Susanne Drucksache 19/22561 ...... 23052 D Ferschl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kollektivbe- in Verbindung mit schwerden zur besseren Überwa- chung der Europäischen Sozialcharta Zusatzpunkt 6: ermöglichen – Zusatzprotokoll unter- zeichnen und ratifizieren Antrag der Abgeordneten Bijan Djir-Sarai, Drucksachen 19/22520, 19/22927, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios 19/22123, 19/22124, 19/23182 ...... 23064 D Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Dagmar (Wetzlar) (SPD) ...... 23064 D Fraktion der FDP: Deutschlands Einsatz für Menschenrechte im Iran erhöhen – Men- (AfD) ...... 23065 D schenrechtsverletzungen durch das irani- (CDU/CSU) ...... 23066 B sche Regime entschieden verurteilen und ahnden Carl-Julius Cronenberg (FDP) ...... 23067 B Drucksache 19/23117 ...... 23052 D Andrej Hunko (DIE LINKE) ...... 23067 D VIII Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Tagesordnungspunkt 24: (SPD) ...... 23114 C Erste Beratung des von der Bundesregierung Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) ...... 23115 A eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2021 Anlage 5 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2021) Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Drucksache 19/22861 ...... 23101 C (SPD) zu der namentlichen Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) ...... 23101 C Abstimmung über (AfD) ...... 23102 D – den von den Fraktionen der CDU/CSU (FDP) ...... 23103 C und SPD eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundes- wahlgesetzes Tagesordnungspunkt 25: und zu den Abstimmungen über Erste Beratung des von der Bundesregierung – den von den Abgeordneten Albrecht eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Glaser, Tobias Matthias Peterka, Jochen Anpassung der Kostenvorschriften im Be- Haug, weiteren Abgeordneten und der reich der Entsorgung radioaktiver Abfälle Fraktion der AfD eingebrachten Entwurf sowie zur Änderung weiterer Vorschriften eines … Gesetzes zur Änderung des Bun- Drucksache 19/22779 ...... 23104 B deswahlgesetzes sowie Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 23104 B – den von den Fraktionen FDP, DIE LINKE Dr. Rainer Kraft (AfD) ...... 23105 C und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines … Gesetzes zur Nächste Sitzung ...... 23106 D Änderung des Bundeswahlgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) ...... 23115 B

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete ...... 23113 A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Anlage 2 Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Änderungsantrag der Abgeordneten Mario Energiewirtschaftsgesetzes zur marktgestütz- Mieruch, Dr. und ten Beschaffung von Systemdienstleistungen (alle fraktionslos) zu dem Gesetzentwurf der (Tagesordnungspunkt 23) ...... 23115 D Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Ent- Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . 23115 D wurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bun- (DIE LINKE) ...... 23116 B deswahlgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) ...... 23113 C Anlage 7 Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung Rüdiger Kruse, Dr. Christoph Ploß, Christoph des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermö- de Vries und () gens für das Jahr 2021 (ERP-Wirtschaftsplan- (alle CDU/CSU) zu der namentlichen Abstim- gesetz 2021) mung über den von den Fraktionen der (Tagesordnungspunkt 24) ...... 23116 D CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundes- Dr. (CDU/CSU) ...... 23116 D wahlgesetzes (SPD) ...... 23117 B (Tagesordnungspunkt 16) ...... 23114 A (DIE LINKE) ...... 23118 A Claudia Müller (BÜNDNIS 90/ Anlage 4 DIE GRÜNEN) ...... 23118 C Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Anlage 8 Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung Bundeswahlgesetzes des von der Bundesregierung eingebrachten (Tagesordnungspunkt 16) ...... 23114 C Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23041

Dr. h. c. (Univ Kyiv) (A) Zu dem, was ich hier vom Kollegen Kekeritz von den Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: (C) Grünen gehört habe, kann ich Ihnen als Entwicklungs- – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- hilfepolitiker nur sagen: Das, was Sie vorhaben, ist ein tionen der CDU/CSU und SPD eingebrach- Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rung des Bundeswahlgesetzes NEN]: Natürlich!) Drucksache 19/22504 Wenn Sie die Wirtschaft in Deutschland nicht stärken, – Zweite und dritte Beratung des von den Ab- werden Sie auch keine Finanzmittel für die Entwick- geordneten Albrecht Glaser, Tobias Matthias lungshilfe in Drittstaaten geben können. Ohne dass die Peterka, Jochen Haug, weiteren Abgeordne- deutsche Wirtschaft stark bleibt, ist die Entwicklungshil- ten und der Fraktion der AfD eingebrachten fe nicht möglich, meine Damen und Herren. Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung (Beifall bei der CDU/CSU – Marianne des Bundeswahlgesetzes Schieder [SPD]: Da muss man sich aber auch Drucksache 19/22894 an Menschenrechte halten!) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- Deswegen ist das völlig falsch, was Sie hier darstellen. tionen der FDP, DIE LINKE und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des NEN]: Das Gleiche haben Sie beim Lieferket- Bundeswahlgesetzes tengesetz auch gesagt!) Drucksache 19/14672 – Ja, meine Damen und Herren, Sie können Ihre Ideologie haben, wie Sie wollen. Eins und eins ist zwei und nicht Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- drei und nicht fünf und nicht sonst etwas. Sie müssen schusses für Inneres und Heimat (4. Aus- ganz klar sehen, dass hier die Grundlagen für unseren schuss) Wirtschaftsstandort nicht vernachlässigt werden können. Drucksache 19/23187 Ich habe an unseren Koalitionspartner die Bitte: Las- Über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU sen Sie sich davon überzeugen, dass der Soli für Kapital- und SPD werden wir später namentlich abstimmen. gesellschaften falsch ist, dass es diese Modernisierung Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten des Unternehmensteuerrechts geben muss. Ich gebe die beschlossen. Hoffnung nicht auf, dass dies letzten Endes doch noch (B) stattfindet. Wir werden nicht nachgeben, weil es dringlich Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege (D) ist – für die Arbeitsplätze, für die Zukunft unseres Wirt- Michael Frieser für die CDU/CSU-Fraktion. schaftsstandorts. (Beifall bei der CDU/CSU) Herzlichen Dank. Michael Frieser (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ich kann nicht mehr zählen, die wievielte Rede das zum Vizepräsidentin : Thema Wahlrecht ist. Aber wir kommen heute zu einem Ich schließe die Aussprache. Abschluss. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das glau- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Mehr- ben auch nur Sie! Jetzt geht es erst richtig los!) seitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkom- Dieser Abschluss gefällt nicht jedem. mensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Aber ich will noch mal grundsätzlich anfangen. Das Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. deutsche Wahlrecht ist unserer Verfassung, aber vor Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- allem der staatlichen Ordnung geschuldet, empfehlung auf Drucksache 19/23163, den Gesetzent- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE wurf der Bundesregierung auf Drucksache 19/20979 GRÜNEN]: Ja, das zukünftige aber auch! – anzunehmen. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das Zweite Beratung deutsche Wahlrecht wird jetzt zum bayerischen Wahlrecht! Das ist die Wahrheit!) und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Für also föderalen Elementen wie auch nationalen Elemen- diejenigen, die etwas irritiert sind: Wir stimmen heute ten. An dieses Gleichgewicht beim Wahlrecht, zu dem über ein Vertragsgesetz ab. – Mit Ja stimmen die Koali- man sich am Ende durchgerungen hat, tionsfraktionen und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dage- ( [DIE LINKE]: Wird der gen? – Niemand. Wer enthält sich? – Das sind die Frak- Bundestag kleiner?) tionen der AfD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen sollten wir keine Axt anlegen. der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion ange- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE nommen. GRÜNEN]: Nicht „man“, sondern Sie!) 23042 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Michael Frieser (A) Deshalb sollte ein Kompromiss, der in den letzten Jahren Wir versuchen durch die Dämpfung im ersten Zuteilungs- (C) durch die Wahlreformkommission beim Präsidenten, schritt, der übrigens nicht unsere Erfindung ist, sondern aber auch durch viele Diskussionen gefunden wurde, der eine Reaktion auf das Wahlrecht ist, bei dem die nicht so schlechtgeredet werden, wie er ist. Union, die SPD, die Grünen und die FDP dabei waren, am System zu schrauben. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: „Nicht so schlechtgeredet werden, wie er ist“? Doch! Dieses Wahlrecht können wir aufgrund dessen, was Der ist schlecht!) uns das Verfassungsgericht vorgegeben hat, heute nicht einfach ändern. Er muss nicht jedem gefallen. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das will (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auch niemand!) NEN]: Ist ja schon ein Gang zurückgeschal- Das bedeutet, wir müssen diesen mit Blick auf die Ver- tet! – Lachen und weitere Zurufe von der teilung auf Regionen im Land notwendigen ersten Zutei- FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lungsschritt erhalten. Daran mangelt es bei Ihrem Ent- – Erheiterung und Lärm waren noch nie ein Indiz für wurf. Eine Dämpfung ist aber unser Ansinnen. Sachkenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren. In zweiter Linie ist die Frage zu beantworten: Können Vielleicht hören wir mal zu! wir sehr maßvoll die Zahl der Direktmandate verringern, um den Spread bei den abgegebenen Stimmen im Ver- (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich hältniswahlrecht bei den Direktmandaten zu reduzieren? [DIE LINKE]: Und die Sachverständigen!) Dagegen gibt es natürlich Vorbehalte. Ich habe es schon Die entscheidende Grundlage ist, dass wir die födera- gesagt: Der wesentliche Grundsatz beim Thema Direkt- len Elemente, die nationalen Elemente, das grund- mandate ist nun mal der direkte Kontakt zu den Bürgern. sätzliche Prinzip der Verhältniswahl, aber auch der Ich halte niemandem vor, dass er keinen Kontakt zu den Direktmandate nicht wesentlich antasten. Bürgern hätte. (Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt! – (Manuel Höferlin [FDP]: Als ob wir den nicht Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Es passiert hätten! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: also nichts!) Es gibt keine Abgeordneten erster und zweiter Klasse! Sie wissen das ganz genau!) Es ist Auftrag der Verfassung, dass es hier zu einem Aus- Aber ein wesentliches Element unserer Verfassung ist – gleich kommt. das ist der entscheidende Punkt –, dass ein Direktmandat (B) Wir als Koalition legen Ihnen einen Kompromiss vor. auch ein Teil der repräsentativen Demokratie ist. (D) (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der ist (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Murks!) Lambsdorff [FDP]: Reiner CSU-Egoismus! Null Patriotismus! – Britta Haßelmann Ich darf sagen: Große Bereitschaft der Opposition, sich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So peinlich! darüber zu unterhalten, habe ich bisher noch nicht Ich würde unter der Tür durchkriechen!) gespürt, Insofern, glaube ich, sind wir gut beraten, das maßvoll (Widerspruch bei der FDP, der LINKEN und zu tun, es durch die Dämpfung des ersten Zuteilungs- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schrittes überhaupt erst sinnvoll zu machen und eben nicht die blanke Axt zu schwingen. obwohl es genug Ansätze dazu gegeben hätte. Nächster Punkt. Sie werden noch wahnsinnig viele (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Genau so! Rich- Ausführungen zum Thema „ausgleichslose Überhang- tig! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das ist mandate“ hören. Was haben wir uns in diesem Land an doch auch großer Murks! Unglaublich!) Gefälligkeitsgutachten über die Frage, was das bedeutet, zumuten müssen. Der Kompromiss läuft darauf hinaus, dass wir einen Ver- such unternehmen, an mehreren Stellschrauben zu dre- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hen. NEN]: Es wäre mir so peinlich! Ich würde unter den Teppich kriechen!) (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Sie sind doch ein Illusionist!) Die Katastrophe scheint zu nahen, weil drei ausgleichs- lose Überhangmandate da sind. Das bedeutet in erster Linie, das Wahlrecht in seinen (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Eine der Grundsätzen zu belassen und nicht mit der Axt willkür- schwächsten Reden seit Langem!) lich viele Direktmandate wegzuschlagen. Am Ende des Tages ist das wesentliche Element dieser Wahl, den direk- Selbst das Verfassungsgericht sagt, dass man ten Kontakt des Bürgers, der Wählerin, des Wählers vor (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Wollen Ort zu ermöglichen. Sie überhaupt etwas ändern?) (Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth etwa in Höhe einer halben Fraktion dieses Bundestages [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: damit leben kann, dass Mandate unausgeglichen bleiben. Den haben wir auch!) Warum? Weil es ein konstitutives Element ist. Auf der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23043

Michael Frieser (A) einen Seite stehen die Direktmandate, die im Grunde die hat ein kluger Mensch gesagt; (C) Rechnung für das Problem des Ausgleichs zahlen sollen, (Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Besser das auf der Seite des Verhältniswahlrechts entsteht. Inso- als Leuten Macht zu geben, die keinen Verstand fern ist es wirklich ein sehr mäßiger, sehr geringfügiger haben!) Eingriff, denn die Macht dominiert den politischen Prozess. Das (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: „Sehr Drama Wahlrechtsreform in dieser Legislaturperiode ist mäßiger Gesetzentwurf“ wollten Sie sagen!) beredter Beleg hierfür. Die ausgefallene Wahlrechtsre- der sich proportional noch nicht mal auswirkt. form ist symptomatisch für das gesamte Regierungshan- deln seit 2017: keine Reform. Glauben Sie doch diesen Unsinn nicht über die Berech- nungen, die im Augenblick angestellt werden. Wenn wir Drei Jahre haben die Regierungsparteien erfolgreich das alles so leicht berechnen könnten, jede Reform verhindert, und das jetzt zusammengenagel- te Stückwerk ist keine Reform. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die haben sich alle verrechnet! Nur die CSU kann rech- (Beifall bei der AfD) nen! Nur in Bayern kann man Mathe! – Zurufe Der Verhinderungshebel war stets der Mythos um das vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Direktmandat. Obwohl insbesondere die Union nichts dann hätten wir das in der Wahlreformkommission getan. mit direkter Demokratie anfangen kann, Der Bundeswahlleiter – zufällig jemand im Land, der was (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) davon versteht – sagt Ihnen, dass alles Hochgerechnete, erklärt sie das Direktmandat zum demokratischen Kult- Skalierte gegenstand – also pure Taktik. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wie funktioniert das Direktmandat? Während die FDP NEN]: Sie hätten gar nichts gemacht! Sie zum Beispiel für ein Listenmandat 70 000 Stimmen benö- waren für was ganz anderes!) tigt, benötigt die CDU für ein Direktmandat nur keine wirkliche Auskunft darüber geben kann, wie die 35 000 Stimmen. Wenn es sich bei dem CDU-Mandat Zusammensetzung des Deutschen Bundestages aussieht. um ein Überhangmandat handelt und die gleichen Wähler mit der Zweitstimme die CDU wählen, haben sie ein Deshalb – getragen vom gemeinsamen Willen in der doppeltes Stimmgewicht, und da sie das Direktmandat Koalition, diesen Bundestag nicht über ein Ziel hinaus- zum halben Stimmzahlpreis erhalten hat, haben sie sogar schießen zu lassen, ihn nicht in irgendeiner Art und Weise ein dreifaches Stimmgewicht. unkontrolliert anwachsen zu lassen – (B) (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie (D) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie mit den Rechenkünsten Kämmerer von NEN]: Es hilft alles nichts!) werden konnten, ist mir echt ein Rät- haben wir uns zusammengefunden, um eine moderate, in sel!) zwei Schritten aufgesetzte Reform anzustoßen. Ein professoraler Gutachter schreibt: „Diese … Direkt- (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Sie ver- mandate sind also diejenigen Mandate … hinter denen stecken Ihren Egoismus hinter Karlsruhe! Das die mit Abstand geringste Anzahl von Wählern steht“. – ist alles!) So viel zu dem Mythos! Wir laden immer noch ein, sich diesem Ansinnen anzu- (Beifall bei der AfD) schließen, statt irgendwelchen Ideen, die am Ende min- Der Teufel steckt in der relativen Mehrheit, die aus- destens verfassungstechnisch fragwürdig sind, hinterher- reicht, um ein Direktmandat zu gewinnen. Als es in zulaufen. Deutschland nur drei Parteien gab – in den 50er-Jahren Herzlichen Dank. bis etwa in die 80er-Jahre – und nur zwei davon Direkt- mandate erwerben konnten, war alles anders. Damals (Beifall bei der CDU/CSU – Philipp Amthor hatte jeder erfolgreiche Direktbewerber eine einfache [CDU/CSU]: Sehr gute Rede! – Britta Mehrheit. Heute gilt das nur noch für 13 Direktmandate, Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: und 60 Prozent der Direktmandate wurden mit weniger Es hilft alles nichts! Es wird Ihnen nicht gelin- als 40 Prozent der Wahlkreisstimmen vergeben, also gen!) gegen eine Mehrheit der Wahlkreiswähler von 60 Pro- zent. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Heveling lässt medial verbreiten, durch Das Wort hat der Abgeordnete Albrecht Glaser für die den Vorschlag der Koalition würde der nächste Bundes- AfD-Fraktion. tag eine merkliche Dämpfung des Wachstums erfahren. (Beifall bei der AfD) (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Sehr gut!) Eine Dämpfung des Wachstums, nicht eine Größ- Albrecht Glaser (AfD): enreduktion! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Ich zitiere die Sachverständigen. Einer der Sachver- Herren! Wer die Macht hat, braucht keinen Verstand, ständigen schreibt: „Nach aktueller Umfragelage … (Beifall bei Abgeordneten der AfD) könnte der vorliegende Gesetzentwurf … zu einer Bun- 23044 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Albrecht Glaser (A) destagsgröße von bis zu 750 Mandaten führen“. Ein Wir wollen eine Reform haben, die wirksam, verfas- (C) anderer erklärt, dass er bereits eine Wette abgeschlossen sungssicher und verfassungstreu ist und sich harmonisch hat, dass der Bundestag 2021 nach der Regierungsnovelle ins Gefüge unseres Rechts und unserer Gesetze einfügt. mehr Sitze haben wird als der heutige. Ein dritter (Manuel Höferlin [FDP]: Warum habt ihr dann schreibt: „Der Gesetzentwurf ist auf ganzer Linie als keinen Vorschlag?) gescheitert zu betrachten“. Eine sehr renommierte vierte Gutachterin schreibt: „Der vorliegende Gesetzentwurf Über das Ob haben wir hier in diesem Haus keine unterliegt an mehreren Stellen … verfassungsrechtlichen Diskussion mehr, über das Wie streiten wir allerdings Bedenken“. Noch klarer resümiert ein Kollege: „Eine trefflich. weitere Verfolgung des vorliegenden Gesetzentwurfes (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kann … nicht empfohlen werden …“. NEN]: Dafür haben wir auch einen Grund!) In dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes Die drei Oppositionsfraktionen aus FDP, Grünen und von vor zwei Tagen steht drin, das negative Stimmge- Linke sowie die AfD und auch wir als Regierungsfraktio- wicht drohe auch wieder, und es sei überhaupt gar nicht nen haben jeweils eine eigene Lösung. rechenbar, weil schon die Gesetzesformulierung gar nicht Bei allem Getöse und gekünsteltem Aufregen rechenbar sei. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Da ist Einen solchen Totalverriss einer Gesetzesnovelle nichts gekünstelt! Sorry! Nein! – Claudia durch Sachverständige habe ich – und vielleicht viele Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- andere auch – während der letzten drei Jahre nicht erlebt. NEN]: Da ist nichts gekünstelt!) (Beifall bei der AfD) und auch bei allem schauspielerischen Talent Was tun? Ein professoraler Sachverständiger führt aus: (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Wer die personalisierte Verhältniswahl beibehalten will – GRÜNEN]: Oh!) und das wollen eigentlich alle –, der muss das Anrecht auf wünsche ich mir eine strukturierte Betrachtung hier in ein Bundestagsmandat von Bewerbern, hinter denen nur diesem Hause. Lassen Sie uns das mal versuchen. eine deutliche Minderheit der Wähler eines Wahlkreises (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der steht, einschränken. CDU/CSU) Damit sind wir beim beigefügten Gesetzentwurf der Was ist das Ziel? Das Ziel ist, die Verkleinerung des AfD. Der AfD-Vorschlag löst alle Probleme. Nach ihm Deutschen Bundestages – gemessen an der Zahl von heu- gibt es keine Überhang- und keine Ausgleichsmandate (B) te – herbeizuführen. (D) mehr, alle Wahlkreise bleiben erhalten, und der Bundes- tag hat, wie im Gesetz schon heute festgelegt, 598 Man- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Er wird ja date. noch größer!) Nebenbei – Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Dabei verschweigen Sie, dass es ferner präzise darum Satz – geht es auch um viel Geld. Rund 200 Millionen geht, die Sollgröße einzuhalten. Einsparung für die nächste Legislaturperiode sind (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE gegenüber der Schuldenpolitik zwar nur ein Tropfen auf GRÜNEN]: Was?) den heißen Stein, für das politische Ansehen unserer Es geht darum, die Dämpfung der Selbstvergrößerung Demokratie jedoch ein Meilenstein. herbeizuführen. ( [CDU/CSU]: Darüber Dabei verkennen Sie völlig – damit komme ich zum machen Sie sich Sorgen?) zweiten Aspekt – die Rahmenbedingungen, und Sie tun so, als wenn das einfach wäre. Sie verkennen die Rah- Herzlichen Dank. menbedingungen und sind nicht bereit, diese zu würdi- (Beifall bei der AfD) gen. Der verengte Spielraum aufgrund dieser Rahmen- bedingungen entsteht, weil wir das personalisierte Verhältniswahlrecht nicht antasten wollen. Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Özdemir das (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Wort. CDU/CSU) Wir respektieren die Verfassungsrechtsprechung, (Beifall bei der SPD) (Konstantin Kuhle [FDP]: Schön wäre es!)

Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): die Sie einfach unter den Tisch kehren. Sie sagen: Man Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und kann ein Gesetz machen; dann kann das Bundesverfas- Kollegen! Heute entscheiden wir endlich. Wir haben oft sungsgericht gegebenenfalls ein neues Urteil sprechen. – genug darüber gesprochen und debattiert, ob der Bundes- So einfach geht es dann auch nicht bei unserem Rechts- tag zu groß ist. Wenn es eine einfache Lösung geben staatsverhältnis. würde, dann hätten wir alle, glaube ich, auch leicht einen (Beifall bei der SPD – Claudia Roth [Augs- Konsens gefunden und uns einvernehmlich daran beteili- burg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So gen können. machen Sie es doch die ganze Zeit!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23045

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) Das Entstehen von Überhangmandaten durch eine wollen wir auf jeden Fall kürzen. – Meine Fraktion hat (C) Unterdeckung von Zweitstimmen und dessen Ausgleich: statuiert: Wir wollen bei den Direktgewählten nicht kür- Diese Ausprägung von Recht und Gesetz, meine lieben zen. – Hier hatten wir ja Schützenhilfe, die ich nicht Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ist Aus- erwartet habe: fluss der Erfolgswertgleichheit und der Erfolgschancen- gleichheit. Das hat zur Folge, dass jede Stimme, die eine (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Wählerin oder ein Wähler abgibt, am Ende des Tages GRÜNEN]: Von der CSU!) auch die Sitzzuteilung auf diesen Plätzen hier zu beein- von der CSU; das hat mich auch ein bisschen gewundert. flussen hat. Das sind wir den Wählerinnen und Wählern Streckenweise habe ich auch gedacht: Machen wir gerade draußen schuldig, und das kehren Sie unter den Tisch. vielleicht was falsch? (Beifall bei der SPD – Claudia Roth [Augs- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das burg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben haben wir dann zwischendrin allerdings auch Sie gerade geschauspielert?) mal bei euch gedacht!) Die Mechanismen und die Berechnungen mögen kom- Wir als SPD sind aber auf dem richtigen Weg gewesen, pliziert sein, aber all diese Verrenkungen machen wir als und die CSU hat sich dazugesellt. Große Koalition, damit keine Stimme für einen direkt gewählten Abgeordneten oder eine direkt gewählte (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Abgeordnete und keine Stimme für Listenmandate unter Der Machbarkeit eines gemeinsamen Vorschlages war den Tisch fällt. Es geht um die Machbarkeit. damit der Boden entzogen, wenn der Wille dazu über- Die Opposition aus Grünen, FDP und Linke hat sich haupt jemals da war. Wenn die einen sagen: „Nicht bei der Diskussion mit einem eigenen Vorschlag entzogen der Liste“, die anderen sagen: „Nicht bei den Direktge- und sich teilweise auch in – – wählten“, und wieder andere sagen: „Aber auf keinen Fall bei den Überhangmandaten“, dann stelle ich mir die Fra- (Lachen bei der FDP, der LINKEN und dem ge, wie wir überhaupt zu einer Lösung kommen sollen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde gerne mal all den Kollegen von den Opposi- Jetzt reicht es aber!) tionsfraktionen hier im Bundestag einen Multiple- – Ich erkläre Ihnen das. Ich hoffe, das kriege ich auf Choice-Test – das würde mir schon völlig reichen – geben meine Redezeit obendrauf. und sagen: Erklären Sie bitte Ihren Wählerinnen und Wählern zu Hause doch mal, wie ein Wahlergebnis am (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Ende des Tages in eine Sitzzuteilung mündet und wie (B) GRÜNEN]: Nein, Sie kriegen gar nichts Überhangmandate entstehen. – Auf die Ergebnisse wäre (D) drauf!) ich gespannt. Ich erkläre Ihnen das: Sie haben sich der Diskussion (Dr. [AfD]: Ganz schön arro- dadurch – – gant! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE (Michael Frieser [CDU/CSU]: Noch mal wie- GRÜNEN]: Erst erklären wir den Wählern, derholen! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Sie was die SPD für ein Wahlprogramm hat!) haben es nicht gehört! – Claudia Roth [Augs- Wir haben ein Ergebnis vorgelegt und einen Gesetz- burg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der entwurf auf den Tisch gelegt, über den heute abgestimmt letzten Sitzung vor der Sommerpause! – Wei- wird. Wir begnügen uns nicht mit der Feststellung, dass tere Zurufe) alles so kompliziert sei. Wir lassen uns nicht von dem Vorwurf treiben, dass es ein Blähbundestag ist. Wir lassen Vizepräsidentin Petra Pau: uns auch nicht von dem Vorwurf treiben, dass wir als Überwiegend hat der Kollege Özdemir das Wort. Bundestag maßlos wären und dass er so viel kosten wür- de. Unsere Demokratie darf auch was kosten. Das kann (Beifall bei Abgeordneten der SPD) man auch draußen gegenüber den Wählerinnen und Wäh- lern offen vertreten, finde ich. Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): Ich erkläre Ihnen das: Sie haben sich der Diskussion (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten entzogen, indem Sie einen Vorschlag auf den Tisch gelegt der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: Das haben, der überhaupt nicht mit der Diskussion kompati- ist typisch SPD!) bel ist, die wir in diesem Haus oder in der Kommission Es ist an uns, verbindlich und verlässlich den Bürgern führen. Jetzt seien Sie doch bitte nicht so scheinheilig! die Größe des Deutschen Bundestages zu erklären: wie (Konstantin Kuhle [FDP]: Man muss ja nicht sie zustande kommt, wo wir eingreifen, welche Stell- alles mitmachen, was die Union sagt, so wie die schrauben wir nutzen und auch, welche Stellschrauben SPD!) wir nicht zu nutzen gewillt sind. Sie sagen: Man kann alles machen, aber auf keinen Fall Wir haben ein gestuftes Verfahren vorgelegt – das ist bei den Listenmandaten kürzen; das machen wir mal mehrmals gesagt worden –: Ausgleich bei Überhangman- schön bei den Direktmandaten. Das ist auch nicht schön. – daten erst ab dem dritten Mandat, interne Verrechnung Bei der CDU hieß es dann: Wir machen das so nicht mit, von Wahlkreismandaten und Listenmandaten. Zur über- aber bei den Direktgewählten oder bei den Wahlkreisen nächsten Bundestagswahl, wann immer sie auch stattfin- 23046 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) det – ob vorgezogen oder nicht; selbst dafür haben wir Deswegen ist Ihre Reform objektiv ungeeignet, auf das (C) Vorkehrungen getroffen –, gibt es 280 Wahlkreise, und drängende Problem eines XXL-Bundestages zu antwor- eine Reformkommission wird ins Gesetz aufgenommen. ten. Ihre Vorlage ist ein absoluter Schuss in den Ofen, und Sie sollten sie lieber zurückziehen, als sie heute hier zur Uns als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen Abstimmung zu stellen, meine Damen und Herren. sind die Parität und das Wahlalter ab 16 besonders wich- tig. Das sind Punkte, über die wir diskutieren wollen. Wir (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem wollen diese Punkte auch in diesem Hause würdigen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- endlich zu einer Entscheidung bringen. ordneten der AfD) Dass das Ganze objektiv nicht dazu führt, dass der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nächste Deutsche Bundestag kleiner wird, haben alle der CDU/CSU) Expertinnen und Experten in der Anhörung am Montag Das Gesetz gewinnt keinen Schönheitspreis. bestätigt. (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Stimmt doch (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Ganz nicht!) sicher nicht! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Überhaupt keinen Preis! Gar keinen Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bun- Preis!) destages hat es bestätigt. Deswegen müssen Sie anerken- nen, dass das hier kein sinnvoller Vorschlag ist, meine Es gewinnt keinen Preis für einfache Sprache. Nicht jeder Damen und Herren. Und das liegt in erster Linie daran, Satz gefällt jedem der Verhandelnden, und auch mich dass der entscheidende Hebel für die Verringerung der persönlich befriedigt nicht jeder einzelne Satz in diesem Größe des Deutschen Bundestages in der nächsten Legis- Gesetzentwurf. laturperiode von Ihnen erst 2025 ins Werk gesetzt wird, und das ist die Verringerung der Wahlkreiszahl. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist das einzig Gute, was Sie bisher gesagt haben!) Es liegt aber heute ein Entwurf von FDP, Grünen und Linkspartei vor, der genau das vorsieht: eine Verringe- Aber genau deshalb, wenn man diese Analyse für sich rung der Wahlkreiszahl für die nächste Bundestagswahl. trifft, muss es doch eine ehrliche Lösung sein, weil sie Damit könnten wir vor die Bürgerinnen und Bürger treten den geringsten Schaden anrichtet und weil sie wirksam, und sicherstellen, dass der Bundestag sich bei der nächs- verbindlich und verständlich ist. Jeder, der ein Interesse ten Bundestagswahl schon selber reformiert hat, meine daran hätte, überhaupt eine Lösung herbeizuführen, wür- Damen und Herren. de das erkennen und dieser Aussage zustimmen. (B) (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (D) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte für DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der meine Fraktion um Zustimmung. LINKEN) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt werden manche von Ihnen sagen: Wie soll das denn gehen? Die Wahl findet ja schon im September 2021 statt. – Ja, meine Damen und Herren, da müssen die Vizepräsidentin Petra Pau: Bürgerinnen und Bürger aber auch wissen, dass Sie diese Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die Situation bewusst herbeigeführt haben, FDP-Fraktion. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten GRÜNEN]: Genau!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weil Sie es den Sommer über verschleppt haben, (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Konstantin Kuhle (FDP): DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem LINKEN) ersten Tag dieser Legislaturperiode ist doch klar, dass weil Sie mit Absicht abgewartet haben, bis die ersten dieses Parlament eine Entscheidung treffen muss. Ent- Aufstellungsversammlungen beginnen, um dann zu weder wir verändern das geltende Wahlrecht und der sagen: Die Reduzierung der Wahlkreiszahl können wir nächste Deutsche Bundestag wird kleiner, oder wir lassen aber erst 2025 machen. – Das ist schäbig, meine Damen das Wahlrecht so, wie es ist, und laufen Gefahr, dass der und Herren, und das trägt nicht dazu bei, dass das Anse- nächste Deutsche Bundestag noch größer wird. hen dieses Parlaments steigt, sondern es trägt eher dazu Das, was Sie jetzt hier vorhaben, hätten sich aber wohl bei, dass das Ansehen dieses Parlaments abnimmt. nicht mal die hartgesottenen Wahlrechtsberichterstatter (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ aus den Fraktionen vorstellen können; denn Sie wollen DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der das Wahlrecht verändern, und der nächste Deutsche Bun- LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff destag wird trotzdem größer. [FDP]: Ein Skandal, was sie hier veranstalten!) (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Das Wahlrecht zur Bundestagswahl kann schon heute BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- von Wahlrechtsexpertinnen und -experten kaum erklärt ordneten der AfD) werden. Sie müssen doch einsehen, dass die rechtliche Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23047

Konstantin Kuhle (A) Grundlage für die Zusammensetzung der Volksvertretung (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (C) auch etwas damit zu tun hat, wie die Legitimation der DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Volksvertretung in der Bevölkerung aussieht. LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- CSU]: Das war jetzt nicht so überzeugend! – NIS 90/DIE GRÜNEN]) Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, fand ich schon! Alle Argumente waren da!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Kuhle, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- Vizepräsidentin Petra Pau: kung des Abgeordneten Glaser? Das Wort hat der Kollege Friedrich Straetmanns für die Fraktion Die Linke. Konstantin Kuhle (FDP): Ich würde gerne im Zusammenhang vortragen. – Mei- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ne Damen und Herren, statt hier einen Akt der Verein- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) fachung auf den Weg zu bringen, machen Sie unter dem Applaus der SPD auch noch eine Extrawurst für CDU Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): und CSU fertig. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem nen und Kollegen! Abseits einer politischen Bewertung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Gesetzentwurfes muss sich unsere Arbeit hier im Bundestag daran messen lassen, ob sie zwei Kriterien Sie braten eine Extrawurst für die Union: Bonusmandate erfüllt. Erstens: Sind die Gesetze verfassungskonform? für CDU und CSU, die verfassungsrechtlich umstritten Und zweitens: Lösen sie das Problem, vor dem wir ste- sind, die kein Mensch erklären kann und bei denen am hen? Ende eine Verzerrung des Wählerwillens im Deutschen Bundestag herauskommt. Für den Koalitionsgesetzentwurf zur Wahlrechtsre- form lassen sich beide Fragen mit Nein beantworten, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Das kann nicht das Ergebnis dieser Wahlrechtsreform GRÜNEN) sein, die wir uns hier gemeinsam am Anfang der Legisla- turperiode vorgenommen haben. und das sehen nicht nur meine Fraktion und ich so. Das mussten Sie sich in der Anhörung am Montag von sechs (B) (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ der sieben Sachverständigen anhören. Selbst der Sachver- (D) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der ständige der SPD fand kaum etwas Positives über den LINKEN) vorgelegten Gesetzentwurf anzumerken. Wir werden heute gegen den Entwurf von CDU/CSU (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Peinlich!) und SPD stimmen, weil er objektiv ungeeignet ist, den Bundestag zu verkleinern, weil er verfassungsrechtliche Die Kritikpunkte wogen hingegen schwer und waren Fragen aufwirft, die völlig ungeklärt sind, und weil wir zahlreich. uns gewünscht hätten, dass man das hier gemeinsam – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wenn Regierung und Opposition – im Konsens auf den Weg Sie sich schon ausgewiesene Experten mit Expertise ein- bringt. laden, dann machen Sie was daraus, und stimmen Sie (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das diesem Unsinn hier nicht zu! hat man ja gemerkt!) (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem Ich will noch eine abschließende Bemerkung machen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Völlige Einigkeit bestand bei allen Sachverständigen, Vizepräsidentin Petra Pau: dass Ihr Entwurf absolut sein Ziel verfehlt. Der Bundes- Kollege Kuhle, es ist nichts mehr mit Zusammenfas- tag wird nach Ihrem Wahlrechtsreförmchen und mit der sung. Ihre Redezeit ist zu Ende. Zahlengrundlage aller aktuellen Umfragen noch deutlich weiter wachsen, auf über 800 Abgeordnete. In der Schule nennt man so etwas Themaverfehlung, und man Konstantin Kuhle (FDP): bekommt – in Ihrem Fall völlig zu Recht – die Note Es wäre schön gewesen, wenn sich dieser Bundestag in „ungenügend“. Zeiten von Pandemie und Wirtschaftskrise nicht nur mit sich selbst beschäftigt, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Sondern auch mal wieder mit der FDP!) Es bestanden bis vor Kurzem die ungeschriebenen Gesetze, dass für das Wahlrecht breite Zustimmung sondern wenn in Zeiten, in denen das Land den Gürtel gesucht wird und dass das Wahlrecht Sache des Parla- enger schnallen muss, auch das Parlament den Gürtel ments ist. Mit beiden Grundsätzen haben Sie gebrochen, enger schnallt. Sie verhindern das, und dagegen stimmen als Sie die Eckpunkte des Wahlrechtsreförmchens in der wir. Klüngelrunde Koalitionsausschuss festgelegt haben. Vielen Dank. Dem gehören mehrere Personen an, die nicht im Bundes- 23048 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Friedrich Straetmanns (A) tag sitzen. Die waren es sogar, die die Einigung verkün- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (C) den durften. Über Inhalte wollten Sie dann mit uns nicht bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- einmal mehr reden. Das ist einfach nur arrogant. ordneten der AfD) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Als Zweites. Für diejenigen, die die Einbringung des NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Gesetzentwurfs nicht mitgekriegt haben, meine Damen ten der FDP) und Herren: Heute gab es schon mal eine kleine Ände- Die Sachverständigen in der Anhörung am Montag rung. Haben Sie das bemerkt? Heute wird vom Kollegen unterschieden sich insbesondere darin, an wie vielen Stel- Frieser nur noch darum gebeten, den Gesetzentwurf bitte len sie Ihren Gesetzentwurf für verfassungswidrig hiel- nicht so schlechtzureden. ten. Manche stellten auf das vom Bundesverfassungsge- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Nein, richt in der Vergangenheit bereits eindeutig abgeurteilte das haben Sie falsch verstanden! – Philipp negative Stimmgewicht ab, das durch Ihren Vorschlag Amthor [CDU/CSU]: Nein!) nun wieder auftreten könnte. Andere griffen die drei nicht ausgeglichenen Überhangmandate auf, die sich nur mit Am 18. September hörte sich das Ganze noch anders an. einer enormen Verkürzung der vergangenen Rechtspre- Da hieß es, diese Reform solle sich als eine der besten chung des Bundesverfassungsgerichts begründen ließen. erweisen, Kaum ein Sachverständiger hielt so eine Auslegung für (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das juristisch vertretbar. Wieder andere betonten, dass das stimmt natürlich weiterhin!) Gesetz handwerklich so schlecht gemacht sei, dass es dem Grundsatz der Normenbestimmtheit nicht genügen die in letzter Zeit auf den Weg gebracht wurden. würde. Dass Sie formal wie inhaltlich so mit dem Wahl- (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) recht umgehen, das unmittelbar unser demokratisches Zusammenleben regelt, ist absolut unter jeder Würde. Man überschlug sich förmlich. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Herr Frieser war nicht in der Anhörung, NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- ten der FDP) (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Er hat es schon verstanden gehabt!) Mal völlig unabhängig von der verfassungsrechtlichen Bewertung: Selbst der Sachverständige der Union sieht sonst hätte er wahrscheinlich mitbekommen, meine die Stimmgewichtsgleichheit durch Ihren Vorschlag ver- Damen und Herren, wie dieser Gesetzentwurf verrissen letzt. Wir können es nicht hinnehmen, dass durch Ihren wurde, und zwar unisono. Bis auf einen Sachverständi- (B) Vorschlag hinsichtlich der Bundestagsgröße Stimmen in gen haben alle Expertinnen und Experten diesen Gesetz- (D) bestimmten Bundesländern mehr wert sind, weil sie nicht entwurf verrissen: Das Gesetz ist verfassungsrechtlich mit anderen Bundesländern verrechnet werden. Genauso „prekär“; das Gesetz, das Verrückte macht; ein Schleu- wenig ist es hinnehmbar, dass große Parteien gegenüber dertrauma bei der Berechnung; das Gesetz schadet der kleinen Parteien bevorzugt werden. So funktioniert Akzeptanz unseres Wahlrechts usw., usf. – Herr Frieser, Demokratie nicht. Wir werden Ihren Gesetzentwurf das haben Sie sich erspart, aber mitgekriegt haben Sie es ablehnen, da er große Teile der Wählerinnen und Wähler anscheinend doch, sonst hätten Sie das so nicht relati- aufgrund ihres Wohnortes benachteiligt. viert. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- KEN) ten der FDP) Meine Damen und Herren, die Kritik am Entwurf des Wahlgesetzes ist vernichtend. Der Gesetzentwurf ist Vizepräsidentin Petra Pau: schlecht. Er ist eine Zumutung. Der Entwurf ist hand- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die werklich grottenschlecht. Auch das, meine Damen und Kollegin Britta Haßelmann das Wort. Herren, bringen Sie noch nicht mal zustande. Inhaltlich ist er völlig ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern. Es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wird keinen Dämpfungseffekt geben! Sagen Sie doch den Bürgerinnen und Bürgern mal, dass Sie in diesem Thema Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): überhaupt nicht handlungsfähig sind und alles Schein Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- statt Sein ist, meine Damen und Herren. ren! Wie kann man als SPD hier so einen Beitrag bringen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Durch Nach- bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- denken!) ordneten der AfD) Ich habe den Eindruck, Ihnen ist nicht mehr zu helfen. Sie Sie brechen mit dem Wahlgrundsatz des Vollausg- verabschieden sich mit dieser Wahlrechtsreform von dem leichs. Damit stellen Sie das personalisierte Verhältnis- Erfolgswert Gleichheit und vom Wahlgrundsatz des Voll- wahlrecht infrage. Es hat keinen Dämpfungseffekt. ausgleiches. Ich frage Sie mal: Geht es Ihnen eigentlich so gut, das hier so schönzureden, meine Damen und Her- (Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE] ren? meldet sich zu einer Zwischenfrage) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23049

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: ich weiß ja, wie Anhörungen funktionieren –: Da stellt (C) Kollegin Haßelmann, gestatten Sie eine Zwischenfra- man eigentlich nur Leute hin, die die eigene Meinung ge? vertreten. Aber selbst da passiert es, dass die Mehrheit eindeutig sagt: Das ist eben nicht die Reform, die uns Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): weiterbringt. Das ist nicht die Reform, die demokratisch Ich lasse keine Fragen zu. – Es hat keinen Dämpfungs- ist und die diesem Haus zugutekommen wird, sondern es effekt. Mit dieser Wahlrechtsreform sind Sie kläglich ist genau das, was wir nicht machen sollen. – Aber Sie gescheitert. Und das Verrückte ist: Draußen merkt man beharren auf Ihrer Reform. Da frage ich mich: Warum das. Erzählen Sie doch den Leuten nicht einen vom Pferd, macht man Anhörungen und Kommissionen mit Exper- meine Damen und Herren! tinnen und Experten, wenn man am Ende nicht auf das hört, was die dort sagen, sondern bei seiner Meinung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bleibt, egal wie falsch sie ist? bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der AfD – Stefan Müller [Erlangen] (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der LIN- [CDU/CSU]: Das ist genau das, was ihr vor- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- habt: Abschaffung der Wahlkreise!) NEN) Für diese Flickschusterei tragen Union und SPD ge- Ja, es gibt Themen wie zum Beispiel dieses hier, bei meinsam Verantwortung. Das Schlimme ist: Sie sorgen dem sowieso jeder nach sich selbst guckt und bei dem sich nicht um die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bun- natürlich die Parteitaktik das Ende der Fahnenstange vor- destages. Ihnen sind die Frage der Akzeptanz in der gibt. Es gibt andere Themen, etwa Lobbyismus oder Bevölkerung und die Frage des Ansehens und des Ver- Wahlalter, was angesprochen worden ist. Auch ich denke, trauens in Politik offenkundig ganz egal, dass wir eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre brau- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ihr chen. wollt die Wahlkreise abschaffen! Diese anderen Themen sind ebenfalls besonders wich- sonst hätten Sie so was hier nicht vorgelegt, meine tig. Ich glaube, dass der Bundestag da nie zu einer beson- Damen und Herren. ders guten Einigung kommt. Solche Themen muss man (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auslagern. Ich glaube, wir brauchen so was wie eine Bür- bei der FDP und der LINKEN – Stefan Müller gerinnen- und Bürgerversammlung, in der Menschen [Erlangen] [CDU/CSU]: Ihr wollt die abschaf- zum Beispiel darüber urteilen, wie dieser Bundestag aus- fen! Unehrlich seid ihr! So schaut es aus!) sieht, in der sie auch zu Schlussfolgerungen kommen. (B) Diese werden schlauer, weiser und fortschrittlicher sein (D) als das, was die GroKo hier zustande bekommen hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Marco Bülow. Ich glaube, das ist das, was wir in Zukunft brauchen. Dann haben wir wieder einen Fortschritt in der Politik. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dann wird der Bundestag darüber entscheiden und viel- leicht weiser entscheiden als aufgrund der Parteitaktik, Marco Bülow (fraktionslos): die die GroKo hier vorgegeben hat. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist leider ein Schauspiel, das für diese Vielen Dank. Regierungszeit schon ein bisschen typisch ist, aber leider auch immer mehr fürs Parlament – das ist das Problem, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) das dann alle mitzutragen haben –: Drei Jahre – drei Jahre! – haben Sie gebraucht, um diese noch nicht mal Vizepräsidentin Petra Pau: in Ansätzen wirksame Reform des Bundestages auf den Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum Aufruf der Tisch zu legen. Drei Jahre Diskussionen! namentlichen Abstimmung dauert es noch einige Minu- Es war ja klar: Irgendwann wird wieder gewählt. Der ten. Daher bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, noch Tag stand eigentlich fest. Drei Jahre haben Sie gebraucht, auf ihren Plätzen zu bleiben. Sie haben nachher für die um eine Reform zu machen, die keine Reform ist, son- Teilnahme an der namentlichen Abstimmung in der West- dern mit der der Bundestag weiter wächst, weshalb man lobby wieder 30 Minuten zur Verfügung. dann noch mal zu einer Reform kommen muss. Wer weiß, Das Wort hat nun der Abgeordnete Mario Mieruch. ob Sie beim nächsten Mal dazu in der Lage sind. Genau das ist es, was Menschen von Politik abschreckt. Genau das ist es, womit man Menschen von Mario Mieruch (fraktionslos): Politik wegtreibt, obwohl man sie eigentlich anziehen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! müsste. Genau das funktioniert damit eben nicht! Demokratie lebt von Vielfalt und von breiter aktiver Beteiligung. Eine Sperrklausel sorgt regelmäßig dafür, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- dass gültige Stimmen einer Bundestagswahl keine SES 90/DIE GRÜNEN) Berücksichtigung finden. Auch unser Bundesverfas- Ich will auch das noch mal sagen – das ist heute ein sungsgericht zweifelt die Konformität der seit Jahren paarmal gesagt worden –: Da gibt es eine Anhörung mit bestehenden Fünfprozenthürde erheblich an und hat mit Expertinnen und Experten. Man macht das eigentlich so – der Festschreibung einer Hürde von 3 Prozent zu den 23050 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Mario Mieruch (A) Europawahlen eine der heutigen gesellschaftlichen wie Deutschen Bundestag einzieht. Das sind die Erfolge die- (C) auch politischen Entwicklung angemessene Regelung ser Koalition und dieses Vorschlages, liebe Kolleginnen erlassen. und Kollegen. (Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt doch (Beifall bei der CDU/CSU) nicht!) Wenn Sie sagen, das sei ein Erfolg von CDU/CSU und Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsge- SPD, so kann ich nur das wiederholen, was ich in der richts Hans-Jürgen Papier, der Berliner Rechtswissen- ersten Lesung gesagt habe: Sieger dieser Reform ist nur schaftler Ulrich Battis oder auch der Grünenpolitiker einer: die Demokratie in Deutschland, liebe Kolleginnen Hans-Christian Ströbele plädieren schon lange für eine und Kollegen; denn sie ist weiter bürgernah ausgestaltet. solche Absenkung und begründen dies mit unserer (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf gewachsenen und stabilen Demokratie. Dass sie damit Lambsdorff [FDP]: Sie würden keine Wette richtigliegen und die Furcht vor Weimarer Verhältnissen eingehen, dass der Bundestag kleiner wird! völlig unbegründet ist, beweist dieses Haus, der 19. Bun- Sie würden keine Wette eingehen!) destag, gleich selbst: Auch mit derzeit sechs fraktions- losen Abgeordneten ist eine Regierungsbildung problem- Ich sage Ihnen dann auch: Man kann an unserem Vor- los möglich gewesen, und der Parlamentsbetrieb läuft schlag Kritik üben und sagen: Das personalisierte Ver- einwandfrei. hältniswahlrecht, das wir haben, hat auch Schwächen. – Das stimmt. Eine dieser Schwächen Meine Damen und Herren, im Rahmen unserer EU- Ratspräsidentschaft wäre eine entsprechende Änderung (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die CSU der vorliegenden Anträge nicht nur eine Angleichung ist eine dieser Schwächen!) der Rechtsnorm, sondern Deutschland würde zusätzlich ist – und das ist dem Ausgleich von Erst- und Zweit- zu seiner Vorreiterrolle in Klimaschutz und Energiewen- stimme geschuldet –: Man kann vor der Bundestagswahl de auch ein wichtiges europäisches Zeichen zur Förde- nicht genau voraussagen, wie viele Abgeordnete der rung von mehr Demokratie setzen. Weil das Ganze nur Deutsche Bundestag haben wird. einen einzigen Satz betrifft, haben wir den entsprechen- den Änderungsantrag vorbereitet, und ich möchte ihn (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ja, jetzt gerne der Präsidentin geben. auf einmal!) Das liegt im System, und ich kann Ihnen auch sagen: Wir (Abg. Mario Mieruch [fraktionslos] überreicht haben einmal sogar einen Systemwechsel diskutiert. Sie Vizepräsidentin Petra Pau ein Schriftstück) hätten mit dem echten Zweistimmenwahlrecht, mit dem (B) (D) Vielen Dank. Grabenwahlrecht, die Zahl genau festlegen können. Das wollten Sie nicht. Das gehört hier zur Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Abgeordnete Philipp Amthor für die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) CDU/CSU-Fraktion. Diesen Mangel lasse ich noch durchgehen, aber nicht die (Beifall bei der CDU/CSU) anderen Dinge, die Sie uns hier vorwerfen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Haben Sie Philipp Amthor (CDU/CSU): Aktienoptionen bekommen?) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dann höre ich immer, die Erfolgswertgleichheit sei Auch wenn die Opposition uns das Gegenteil sagen woll- nicht gegeben. Frau Haßelmann trägt ja immer leiden- te: Was lange währt, wird endlich gut. schaftlich vor, eine Stimme aus sei nicht so viel wert wie eine Stimme aus Altötting. (Lachen bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- LINKEN) NEN]: So ist es! – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das habe ich gesagt! Genau!) Und die monatelange, jahrelange Diskussion um die Ver- kleinerung des Bundestages wird heute beendet, liebe Ich sage Ihnen: Das ist Unsinn. – Die ist sogar so viel wert Kolleginnen und Kollegen. wie eine Stimme aus Ueckermünde. Denn wir haben es geschafft, dass die Erfolgswertgleichheit gesichert ist (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) durch den bundesweiten Proporz. Trotz aller Kritik will ich Ihnen noch mal sagen, was (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Erfolge dieses Gesetzentwurfes sind, damit das hier NEN]: Nein, das stimmt nicht!) nicht in Vergessenheit gerät. Wir dämpfen erstens die Darauf kommt es an. Das haben wir in der Anhörung Größe des Deutschen Bundestages. Wir haben zweitens – gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen. anders als Sie – ein verfassungskonformes Modell dafür gefunden. Wir tun das drittens nicht auf Kosten der Wahl- (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann kreise. Wir begrenzen viertens den uferlosen Ausgleich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist von Überhangmandaten. Fünftens. Wir schaffen es, dass nicht so! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: derjenige, der ein Direktmandat gewinnt, auch in den Immerhin waren Sie in der Anhörung!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23051

Philipp Amthor (A) Zum Vorwurf der Unbestimmtheit. Dann heißt es (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der (C) immer: Ja, unser Wahlrecht ist zu kompliziert; es ist zu LINKEN sowie des Abg. Alexander Graf unbestimmt. Lambsdorff [FDP]) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Und deswegen sehen wir auch einer verfassungsrechtli- NEN]: Na, dann erklären Sie doch mal das chen Überprüfung entspannt entgegen. modifizierte Sitzkontingent-Verfahren!) (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Haben Sie Ich sage Ihnen: Das ist verfassungsrechtlich ganz kleines für den Schwachsinn Aktienoptionen bekom- Karo. Klar, man kann sagen: Unser Wahlrecht ist jetzt men? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE nicht sonderlich unkompliziert, GRÜNEN]: Ist das überheblich, Herr Amthor!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dann will ich Ihnen noch sagen: Die Kirsche auf der NEN]: Erklären Sie das doch mal!) Sahne war dann Ihre Bemerkung, Herr Straetmanns, in der Innenausschussdebatte. aber wir machen jetzt aus zwei Rechenschritten vier Rechenschritte; wir haben eine neue Norm mit fünf Sät- (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Ja!) zen. Ich glaube, das kann man alles nachvollziehen. Da Sie haben gesagt – das fand ich besonders schön –, Sie sollten wir uns hier nichts vormachen, liebe Kolleginnen könnten gar nicht nachvollziehen, dass die SPD und Kollegen. zustimmt; (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das ist [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Mensch auch so!) kann das nachvollziehen! Das konnten noch nicht mal die Gutachter!) denn – ich zitiere das – für die SPD fällt dabei doch gar nichts ab. Dann der Vorwurf, dass man davon redet, unsere drei ausgleichslosen Überhangmandate seien Bonusmandate. (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Eben!) Das finde ich wirklich besonders unverschämt. Das sind Da kann ich Ihnen nur eines sagen: Das unterscheidet keine Bonusmandate. unsere Regierungskoalition von der Opposition. Uns (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geht es um die Sache. NEN]: Natürlich! Das ist ein Geschenk an Sie!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Das klingt so, als würde man die in der Lotterie oder beim neten der SPD – Widerspruch bei der LIN- Glücksspiel gewinnen. KEN) (B) (D) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Und Sie haben sich als Beutegemeinschaft gesehen, NEN]: Ja, so ist es!) (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Mein Die bekommt man nicht durch Glücksspiel Gott!) die in dieser Wahlrechtsdebatte versucht hat, sich am (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Büfett der Mandate zu bedienen, NEN]: Drei oder fünf, mal auch sieben Sitze!) (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das tun und nicht durch einen Bonus, sondern dadurch, dass Sie gerade! Unverschämtheit!) Menschen in einem Wahlkreis diesen Kandidaten wählen als direkten Wahlkreissieger. einseitig für die Listenmandate. Darauf haben wir uns nicht eingelassen. Wir haben stattdessen ein faires, ein (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf verfassungskonformes Modell gefunden, Lambsdorff [FDP]: 70 Prozent in Ihrem Wahl- kreis haben Sie nicht gewählt, Herr Amthor! (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ich sage: 70 Prozent haben Sie nicht gewählt!) Philipp, der Uneigennützige! Das ist ganz was Neues!) Das sind keine Bonusmandate; da sind Wähler; das ist Wählerwillen. und dem werden wir heute aus voller Überzeugung zu- stimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dann habe ich das Argument gehört, ja, diese Anhö- rung sei so katastrophal gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Ihnen das (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht peinlich ist, Herr Amthor! – Stefan NEN]: Das war sie auch!) Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr gute Sieben Sachverständige haben gesagt: Das ist ein schlim- Rede! – Zuruf von der AfD: Die Pause ist Ihnen mer Gesetzentwurf. nicht bekommen!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das war auch so!) Vizepräsidentin Petra Pau: Da kann ich Ihnen sagen: Es gibt einen alten schönen Ich schließe die Aussprache. Grundsatz, der heißt: Iudex non calculat. Und das heißt: Ich habe jetzt mehrere Bitten zu vermitteln. Erstens. Ein Urteil entsteht nicht durch die Summe von vorgeb- Bitte bilden Sie keine Gruppen hinter den letzten Sitz- rachten Argumenten, sondern durch deren Qualität. Und reihen. Nehmen Sie noch freie Plätze, die dafür vorge- die ist auf unserer Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen. sehen sind, ein. Diejenigen, die keinen Platz im Plenar- 23052 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Vizepräsidentin Petra Pau (A) saal finden, müssten diesen dann bitte verlassen. Gleich- Drucksache 19/23187, den Gesetzentwurf der Fraktion (C) zeitig bitte ich diejenigen, die sitzen, darum, nicht aufzu- der AfD auf Drucksache 19/22894 abzulehnen. Ich bitte stehen, weil wir jetzt zu Abstimmungen kommen. Sie diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, haben dann genügend Zeit, um an der namentlichen um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Abstimmung teilzunehmen. hält sich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit Ich frage: Braucht noch eine Kollegin, ein Kollege den den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Frak- Änderungsantrag der Abgeordneten Mario Mieruch, tion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/ Dr. Frauke Petry und Uwe Kamann, um hier an den wei- Die Grünen gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abge- teren Verhandlungen teilzunehmen? Dann mache sie, er lehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die sich jetzt bitte bemerkbar. – Das ist nicht der Fall. weitere Beratung. Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ge- der Fraktionen der FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die setzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes. Grünen zur Änderung des Bundeswahlgesetzes. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt unter Buch- Dazu liegt uns ein Änderungsantrag der eben genann- stabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 1) ten Abgeordneten vor. Den müssen wir zuerst abstim- 19/23187, den Gesetzentwurf der Fraktionen der FDP, men. Ich frage also: Wer stimmt für diesen Änderungs- Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache antrag? – Das sind sichtbar die Antragsteller. Wer stimmt 19/14672 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Änderungs- setzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – antrag mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stim- Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- men der Antragsteller abgelehnt. entwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Zu den jetzt folgenden Abstimmungen liegen mir Koalitionsfraktionen und der AfD-Fraktion gegen die Erklärungen gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung Stimmen der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und vor. Entsprechend unseren Regeln werden sie natürlich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit Bestandteil des Protokolls unserer Verhandlungen.2) entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Bera- tung. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 a sowie den 19/23187, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ Zusatzpunkt 6 auf: CSU und SPD auf Drucksache 19/22504 anzunehmen. 18 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen Omid Nouripour, Margarete Bause, Claudia (B) wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und (D) Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenom- Iran – Menschenrechtsverletzungen ver- men. urteilen und völkerrechtliche Verpflich- tungen konsequent einfordern Dritte Beratung Drucksache 19/22561 und Schlussabstimmung. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Unmittelbar nach Eröffnung der namentlichen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Abstimmung stimmen wir über zwei weitere Gesetzent- Auswärtiger Ausschuss würfe ab. Deshalb bitte ich Sie, hier im Plenarsaal zu ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bijan bleiben, bis wir diese Abstimmungen vollzogen haben. Djir-Sarai, Alexander Graf Lambsdorff, Für die Stimmabgabe in der Westlobby haben Sie nach , weiterer Abgeordneter und Eröffnung der Abstimmung 30 Minuten Zeit. Bitte gehen der Fraktion der FDP Sie nicht alle gleichzeitig zur Abstimmung. Denken Sie an die Pflicht zum Tragen der Mund-Nase-Bedeckung, Deutschlands Einsatz für Menschenrechte im und halten Sie die Sicherheitsabstände ein. Um dies zu Iran erhöhen – Menschenrechtsverletzungen erleichtern, setzen wir heute acht Urnen ein. Ich bitte die durch das iranische Regime entschieden ver- Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze einzu- urteilen und ahnden nehmen. – Das ist der Fall. Ich eröffne die namentliche Drucksache 19/23117 Abstimmung. Die Abstimmungsurnen werden um 18.38 Uhr geschlossen. Das bevorstehende Ende der na- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) mentlichen Abstimmung wird Ihnen rechtzeitig bekannt Auswärtiger Ausschuss gegeben.3) Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf beschlossen. der Fraktion der AfD zur Änderung des Bundeswahlge- setzes. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt Ich warte noch einen Moment, bis alle Teilnehmenden unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf einen Sitzplatz gefunden haben. – Ich bitte darum, Platz zu nehmen, wenn Sie an den Beratungen weiter teilhaben möchten, und die notwendige Aufmerksamkeit herzustel- 1) Anlage 2 2) Anlagen 3 bis 5 len. Dazu gehört bitte auch, dass sich die Gesprächsgrup- 3) Ergebnis Seite 23061 C pen vielleicht außerhalb des Saales versammeln. – Nach- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 202023061

Sebastian Brehm (A) bedroht, die unmittelbar vollstreckt werden soll. Sie sit- Deswegen wollen wir heute von diesem Bundestag aus (C) zen im Gefängnis Evin in Teheran. Und Evin ist nicht ein Zeichen gegen die Todesstrafe weltweit und insbeson- irgendein Gefängnis. Evin ist das Symbol für brutale dere im Iran setzen, gegen die massiven Menschenrechts- politische Unterdrückung, für Folter, massenhafte Todes- verletzungen im Iran. Wir fordern die Freilassung der urteile und Hinrichtungen. Dafür gibt es in dem Gefäng- politisch Inhaftierten, die Freilassung von Nasrin Sotu- niskomplex, in dem Tausende meist politische Häftlinge deh und die Freilassung ihrer Mitstreiter und Mitstreiter- sitzen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen innen. weggesperrt werden, auch gleich einen Gerichtssaal und (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP einen Hinrichtungsplatz. Evin ist das iranische Symbol und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für Horror. Lassen sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier In Evin sitzt auch die Anwältin Nasrin Sotudeh, die aus weiter aufmerksam machen und den mutigen Menschen Protest gegen die Zustände in den iranischen Gefängnis- im Iran beistehen. Wir stehen an Ihrer Seite! Wir lassen sen, gerade in der Zeit von Corona, in den Hungerstreik Sie nicht alleine! getreten ist. Sie hat als Rechtsanwältin die Richterin und Herzlichen Dank. Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi verteidigt und viele inhaftierte Menschen in der Todeszelle, genauso (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP wie der Anwalt und Träger des Internationalen Nürnber- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ger Menschenrechtspreises Abdolfattah Soltani, der Gott sei Dank nach sieben Jahren Haft, übrigens fast aus- Vizepräsidentin Petra Pau: schließlich in Einzelhaft, im Jahr 2018 entlassen wurde, Ich schließe die Aussprache. weil wir gemeinsam auf seinen Fall aufmerksam gemacht haben und zusammen geholfen haben, ihn freizubekom- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf men. Nasrin Sotudeh wurde in diesem Jahr für ihr Enga- den Drucksachen 19/22561 und 19/23117 an die in der gement mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Im Iran wird sie für dieses Engagement mit 33 Jahren Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht Haft und 148 Peitschenhieben bestraft. der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschlagen. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand, kein Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Regime in dieser Welt, hat das Recht, über das Leben Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen anderer zu entscheiden. der CDU/CSU und SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, Drucksachen (B) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP 19/22504 und 19/23187, bekannt: abgegebene Stimmen (D) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie 651. Mit Ja haben gestimmt 362 Abgeordnete, mit Nein bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Jutta haben gestimmt 281 Abgeordnete, und 8 haben sich ent- Krellmann [DIE LINKE]) halten. Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 651; Dr. Hans-Peter Friedrich Frank Heinrich (Chemnitz) davon (Hof) Mark Helfrich ja: 362 Michael Frieser nein: 281 Hans-Joachim Fuchtel enthalten: 8 Michael Brand (Fulda) Ingo Gädechens Marc Henrichmann Dr. Ja Dr. CDU/CSU Ursula Groden-Kranich Dr. Hermann Gröhe Dr. Sebastian Brehm Alexander Hoffmann Klaus-Dieter Gröhler Norbert Maria Altenkamp Michael Grosse-Brömer Dr. Dr. Astrid Grotelüschen Philipp Amthor Hans-Jürgen Irmer Peter Aumer Monika Grütters Dorothee Bär Fritz Güntzler Thomas Bareiß Marie-Luise Dött Hansjörg Durz (Börde) Hermann Färber Jürgen Hardt Dr. Stefan Kaufmann Dr. André Berghegger Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Michael Kießling Dr. Dr. 23062 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

(A) (C) Dr. Gabriele Hiller-Ohm Peter Weiß Alexander Radwan (Emmendingen) Frank Junge Carsten Körber Alois Rainer Sabine Weiss () Alexander Krauß Dr. Dr. Günter Krings Annette Widmann-Mauz Dr. Roy Kühne Johannes Röring Bettina Margarethe Cansel Kiziltepe Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Dr. Norbert Röttgen Wiesmann Andreas G. Lämmel Klaus-Peter Willsch Erwin Rüddel Elisabeth Winkelmeier- Dr. Bärbel Kofler Becker Ulrich Lange Daniela Kolbe Dr. -Emre Anita Schäfer (Saalstadt) Christian Lange (Backnang) Dr. Dr. Matthias Zimmer Dr. Andreas Lenz Dr. Christian Schmidt (Fürth) Helge Lindh Andrea Lindholz Dr. SPD Kirsten Lühmann Dr. Nadine Schön Ingrid Arndt-Brauer Nikolas Löbel Dr. Klaus-Peter Schulze Dr. Dr. Jan-Marco Luczak (Weil am Rhein) Dr. Dr. Sören Bartol Siemtje Möller Bettina Müller Dr. Thomas de Maizière Dr. () Detlef Müller (Chemnitz) (B) Dr. Michelle Müntefering (D) Dr. Björn Simon Leni Breymaier Dr. Rolf Mützenich Dr. Karl-Heinz Brunner Hans-Georg von der Marwitz Dr. Lars Castellucci Josephine Ortleb (Altötting) Mahmut Özdemir Dr. Dr. Dr. Daniela De Ridder (Duisburg) Dr. Dr. Aydan Özoğuz (Rostock) Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach Dr. Dr. Mathias Middelberg (Minden) Christian Frhr. von Stetten Karsten Möring Dr. Dr. Dr. Axel Müller Mechthild Rawert Dr. Dr. Gerd Müller Dr. Sönke Rix Sepp Müller Dr. Hermann-Josef Carsten Müller Tebroke (Braunschweig) Hans-Jürgen Thies Angelika Glöckner Dr. Stefan Müller (Erlangen) René Röspel Dr. Dr. Dr. Michael Groß Susann Rüthrich Bernd Rützel Dr. Volker Ullrich Rita Hagl-Kehl Florian Oßner Axel Schäfer (Bochum) (Kleinsaara) Dr. Johann David Dr. Dr. Wadephul (Aachen) Dr. Barbara Hendricks (Wetzlar) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23063

(A) (Erfurt) Sandra Bubendorfer-Licht (C) Johannes Schraps Dr. Michael Schrodi Dr. Heiko Heßenkemper Dr. Florian Toncar Carl-Julius Cronenberg Dr. Nicole Höchst Britta Katharina Dassler (Spandau) Bijan Djir-Sarai Johannes Vogel (Olpe) Dr. Bruno Hollnagel Christian Dürr Leif-Erik Holm Dr. Rita Schwarzelühr-Sutter Daniel Föst Dr. DIE LINKE Martina Stamm-Fibich Sonja Amalie Steffen Norbert Kleinwächter Gökay Akbulut Enrico Komning Katrin Helling-Plahr Jörn König Markus Herbrand Dr. Steffen Kotré Matthias W. Birkwald Dr. Rainer Kraft -Förster Markus Töns Rüdiger Lucassen Dr. Carsten Träger Manuel Höferlin Dr. Christoph Hoffmann Dr. Birke Bull-Bischoff Marja-Liisa Völlers Dr. Jörg Cezanne Dirk Vöpel Dr. Birgit Malsack- Sevim Dağdelen Winkemann Fabio De Masi Dr. Dr. Dr. Anke Domscheit-Berg Gülistan Yüksel Hansjörg Müller Volker Münz Susanne Ferschl Sebastian Münzenmaier Dr. Jens Zimmermann Dr. Lukas Köhler Jan Ralf Nolte Dr. Dr. André Hahn Nein (B) Tobias Matthias Peterka Konstantin Kuhle Heike Hänsel (D) AfD Paul Viktor Podolay Matthias Höhn Alexander Graf Dr. Bernd Baumann Andrej Hunko Lambsdorff Marc Bernhard Martin Erwin Renner Dr. Roman Johannes Reusch Ulrike Schielke-Ziesing Stephan Brandner (Heilbronn) Jörg Schneider Marcus Bühl Matthias Büttner Dr. Jürgen Martens Martin Sichert Ralph Lenkert Dr. Gottfried Curio Alexander Müller René Springer Roman Müller-Böhm Dr. Gesine Lötzsch Frank Müller-Rosentritt Dr. Thomas Lutze Berengar Elsner von Dr. Dr. Gronow (Lausitz) Dr. Dr. Matthias Nölke Cornelia Möhring Dr. Christian Wirth Dr. Dr. h. c. Thomas Zaklin Nastic Sattelberger Dr. Alexander S. Neu Dr. Götz Frömming FDP Frank Schäffler Petra Pau Dr. Grigorios Aggelidis Dr. Sören Pellmann Albrecht Glaser Matthias Seestern-Pauly Christine Aschenberg- Kay Gottschalk Dugnus Tobias Pflüger Armin-Paulus Hampel Dr. Mariana Iris Harder- Bettina Stark-Watzinger Kühnel Dr. Jens Eva-Maria Schreiber Dr. Roland Hartwig (Rhein-Neckar) Dr. Jochen Haug Linda Teuteberg Helin Udo Theodor Hemmelgarn (Südpfalz) Michael Theurer Friedrich Straetmanns 23064 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

(A) Dr. Dr. Fraktionslos (C) Britta Haßelmann Omid Nouripour Marco Bülow Alexander Ulrich Dr. Bettina Hoffmann Dr. Cem Özdemir Andreas Wagner Filiz Polat Mario Mieruch Tabea Rößner Dr. Frauke Petry BÜNDNIS 90/ Dr. Kirsten Kappert- Claudia Roth (Augsburg) DIE GRÜNEN Gonther Dr. Uwe Kekeritz Enthalten Corinna Rüffer CDU/CSU Sven-Christian Kindler Sylvia Kotting-Uhl Margarete Bause Dr. Rüdiger Kruse Dr. Stefan Schmidt Stephan Kühn () Dr. Christoph Ploß Charlotte Schneidewind- Dr. Christian Kühn (Tübingen) Hartnagel Dr. Wolfgang Schäuble Renate Künast Kordula Schulz-Asche Markus Kurth Dr. Dr. Wolfgang Strengmann- Ekin Deligöz Kuhn Sven Lehmann Marcus Weinberg Katharina Dröge (Hamburg) Dr. Jürgen Trittin Dr. Dr. Fraktionslos Claudia Müller Katrin Göring-Eckardt Beate Müller-Gemmeke Beate Walter-Rosenheimer Dr. Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt.

– zu dem Antrag der Abgeordneten Susanne Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf: Ferschl, Matthias W. Birkwald, Sylvia (B) Gabelmann, weiterer Abgeordneter und (D) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- der Fraktion DIE LINKE desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Revision der Europäischen Für ein Ja zur Revidierten Europä- Sozialcharta vom 3. Mai 1996 ischen Sozialcharta Drucksache 19/20976 – zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Susanne Ferschl, Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- weiterer Abgeordneter und der Fraktion schusses für Arbeit und Soziales (11. Aus- DIE LINKE schuss) Kollektivbeschwerden zur besseren Drucksache 19/23182 Überwachung der Europäischen Sozial- charta ermöglichen – Zusatzprotokoll b) Beratung der Beschlussempfehlung und des unterzeichnen und ratifizieren Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- Drucksachen 19/22520, 19/22927, ziales (11. Ausschuss) 19/22123, 19/22124, 19/23182 – zu dem Antrag der Abgeordneten Norbert Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Kleinwächter, Marc Bernhard, Stephan beschlossen. Brandner, weiterer Abgeordneter und der Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Fraktion der AfD Dagmar Schmidt, SPD-Fraktion. Sozialpolitik ist eine nationale Aufga- (Beifall bei der SPD) be – Die Europäische Sozialcharta kün- digen Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD): – zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Sichert, René Springer, Jürgen Pohl, wei- Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europä- terer Abgeordneter und der Fraktion der ische Sozialcharta ist schon ziemlich alt. Bereits 1961 AfD ergänzte der Europarat mit ihr die Menschenrechtskon- vention um Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Keine Ratifikation des Fakultativproto- nehmer, Rechte wie das Recht auf Arbeit, das Ziel der kolls zum VN-Sozialpakt Vollbeschäftigung oder das Vereinigungsrecht und das Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23113

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Bas, Bärbel SPD Zimmermann (Zwickau), DIE LINKE Sabine Beutin, Lorenz Gösta DIE LINKE Zimmermann, Pia DIE LINKE Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Gebhart, Dr. Thomas CDU/CSU * aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Gottberg, Wilhelm von AfD Anlage 2 Kaczmarek, Oliver SPD Kamann, Uwe fraktionslos Änderungsantrag Kartes, Torbjörn CDU/CSU der Abgeordneten Mario Mieruch, Dr. Frauke Petry und Uwe Kamann (alle fraktionslos) zu dem Klinge, Dr. Marcel FDP Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Drucksache 19/22504) zum Entwurf eines Maas, Heiko SPD … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Mackensen, Isabel* SPD (Tagesordnungspunkt 16) Martin, Dorothee SPD A. Problem Nüßlein, Dr. Georg CDU/CSU Demokratie lebt von Vielfalt und hoher aktiver Beteili- gung. Eine Sperrklausel sorgt dafür, dass gültige Stim- Oehme, Ulrich AfD men unberücksichtigt bleiben, siehe z. B. 2013 zur Bun- (B) destagswahl mit fast 16 %. (D) Paschke, Markus SPD B. Lösung Pasemann, Frank AfD Die Sperrklausel wird europarechtskonform auf 3 % Patzelt, Martin CDU/CSU abgesenkt und der Gewinn schon eines Direktmandates bildet den direkten Willen der Bürger im entsprechenden Pohl, Jürgen AfD Wahlkreis eindeutig ab. Remmers, Ingrid DIE LINKE C. Alternativen Roth (Heringen), Michael SPD Keine. Scheer, Dr. Nina SPD C. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand Die Änderungen des Bundeswahlgesetzes haben keine Schmidt, Uwe SPD Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand zur Folge. Siebert, Bernd CDU/CSU D. Erfüllungsaufwand Steinke, Kersten DIE LINKE Durch die Änderung des Bundeswahlgesetzes fallen Kos- ten insoweit an, als die Software des Bundeswahlleiters Strack-Zimmermann, FDP zur IT-unterstützten Ermittlung des Wahlergebnisses an Dr. Marie-Agnes das neue Verfahren der Mandatszuteilung angepasst wer- Strenz, Karin CDU/CSU den muss. Weiler, Albert H. CDU/CSU Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Weinberg, Harald DIE LINKE vom … Werner, Katrin DIE LINKE Der Bundestag wolle beschließen: Wiese, Dirk SPD Artikel 1 Änderung des Bundeswahlgesetzes 23114 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

(A) Das Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntma- gen Wahlen könnten diese Auswirkungen auch andere (C) chung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), das Parteien und Bundesländer treffen. Die Stimmen, die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Juni 2020 eine Partei in einem Bundesland bekommen hat, würden (BGBl. I S. 1409) geändert worden ist, wird wie folgt unter Umständen deutlich weniger zählen als die Stim- geändert: men, die die gleiche Partei in einem anderen Bundesland 1. § 6 Absatz 3 Satz 1 wird wie folgt geändert: erhält. Damit würde der Erfolgswert einer Stimme für die CDU zwischen den Ländern extrem abweichen. Aus mei- „Bei Verteilung der Sitze auf die Landeslisten werden ner Sicht wird damit das sogenannte Regionalprinzip ver- nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 3 Prozent letzt. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstim- men erhalten oder in einem Wahlkreis einen Sitz Ich werde mich bei der Abstimmung zum vorgelegten errungen haben.“ Gesetzentwurf aus diesem Grund enthalten. Artikel 2 Inkrafttreten Anlage 4 (1) Dieses Gesetz tritt nach Verkündung in Kraft. Erklärungen nach § 31 GO Begründung: zu der namentlichen Abstimmung über den von Die Anpassung bildet gültige Wählerstimmen besser ab den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- und fördert Demokratie und Teilhabe. brachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) Anlage 3

Erklärung nach § 31 GO Cansel Kiziltepe (SPD): Als Abgeordnete und Sozialdemokratin ist es meine feste Überzeugung, dass der Abgeordneten Rüdiger Kruse, Dr. Christoph die Gleichstellung der Geschlechter eine Grund- Ploß, Christoph de Vries und Marcus Weinberg bedingung unserer Demokratie ist. (Hamburg) (alle CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der Aufgrund von Veränderungen des Wahlverhaltens und CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines der Parteienlandschaft hat der Deutsche Bundestag nach … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes der Bundestagswahl im Jahr 2017 eine Größe von (B) 709 Abgeordneten erreicht. Es ist nicht auszuschließen, (D) (Tagesordnungspunkt 16) dass sich die Sitzzahl bei der nächsten Bundestagswahl Nach den allgemeingültigen Wahlgrundsätzen werden unter Beibehaltung des geltenden Wahlrechts weiter die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach Arti- erhöht. Eine weitere Erhöhung könnte den Bundestag kel 38 des Grundgesetzes in allgemeiner, unmittelbarer, jedoch an die Grenze seiner Arbeits- und Funktionsfähig- freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Zu den Prin- keit führen. Dem wirkt der nun vorliegende Kompromiss zipien gehört, dass man mit der Erststimme der Persön- zur Wahlrechtsänderung entgegen. lichkeitswahl Rechnung trägt (Wahlkreisstimme) und der Neben der Herausforderung, das Wahlrecht so zu Wähler mit der Zweitstimme eine jeweilige Landespartei gestalten, dass die Funktionsfähigkeit unserer Demo- unterstützt. Dahinter steht neben den Grundsätzen der kratie weiterhin gewährleistet ist, besteht eine weitere Verhältniswahl und der Persönlichkeitswahl auch der wichtige und dringliche Herausforderung. Diese ist nicht Grundsatz einer regionalen Repräsentanz. weniger fundamental für unsere parlamentarische Demo- Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des kratie und ein gleichberechtigtes Zusammenleben. Die Wahlrechts wird dieses Prinzip meines Erachtens verän- Gleichstellung der Geschlechter und der entsprechende dert. Die teilweise Anrechnung der Mandate, die einer staatliche Handlungsauftrag in Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Partei über das Zweitstimmenergebnis in einem Bundes- unseres Grundgesetzes sind ebenfalls denknotwendige land als Ausgleich für die in einem anderen Bundesland Voraussetzung unseres demokratischen Zusammenle- gewonnenen Wahlkreismandate abgezogen werden, führt bens. zu einer Ungleichgewichtung der erhaltenen Stimmen. Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag hat einen Dadurch kann es aus meiner Sicht zu gravierenden historischen Tiefstand erreicht. Parteiinterne Quoten Schieflagen kommen, wenn man in einem Bundesland und freiwillige Selbstverpflichtungen weniger Parteien doppelt so viele Stimmen braucht, um einen Kandidaten reichen nicht aus. Vielmehr brauchen wir gesetzliche in den Bundestag zu entsenden, wie in einem anderen Regelungen im Wahlrecht, die die verfassungswidrige Bundesland. Dieses wirkt sich auf den Grundsatz der Unterrepräsentation von Frauen im Parlament beenden. Gleichheit der Stimme aus. Der Übergangsvorschlag zur Wahlrechtsreform der Am Beispiel der Stadt Hamburg und der derzeitigen SPD-Bundestagsfraktion beinhaltete als einziger Vor- Auswirkungen auf die CDU-Mandate ist dieses deutlich schlag zur aktuellen Wahlrechtsänderung eine Regelung zu erkennen. Ein Landeslistenplatz in Hamburg würde zur paritätischen Listenbesetzung. Leider konnte dieser bei einem weitgehend identischen Erst -und Zweitstim- Vorschlag noch keine Mehrheit finden. Ich setze mich menergebnis heute doppelt so viele Wählerstimmen jedoch weiterhin für ein paritätisches Wahlrecht ein, das erfordern wie ein Mandat in Brandenburg. Bei zukünfti- nicht nur für die Listen, sondern auch für die Wahlkreise Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23115

(A) die Unterrepräsentation von Frauen beendet. Mit der Ein- Diese fortdauernde, strukturelle Benachteiligung von (C) setzung einer Reformkommission gehen wir jedoch einen Frauen in der Politik muss endlich überwunden werden. wichtigen Schritt in Richtung Parität. Die Kommission Sowohl unser Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 2, Satz 2) soll Maßnahmen empfehlen, um eine gleichberechtige als auch internationale Übereinkommen wie die Frauen- Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag rechtskonvention der Vereinten Nationen (CEDAW) ver- zu erreichen. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf die- langen, bestehende Benachteiligungen von Frauen zu sem Wege ein Paritätsgesetz, das breite Akzeptanz findet, beseitigen. Fakt ist – und die gegenwärtige Coronakrise auf den Weg bringen können, um über 100 Jahre nach der zeigt es erneut wie im Brennglas –: Die Krisenbewälti- Einführung des Frauenwahlrechts, auch echte Gleichstel- gung sowie Fortschritte zu wichtigen Zukunftsthemen, lung beim passiven Wahlrecht gewährleisten zu können. wie der digitalen Transformation, dem Klimaschutz oder der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, Aus den oben dargelegten Gründen werde ich für den werden nur gelingen und demokratisch entschieden, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahl- wenn Frauen ihre Perspektiven gleichberechtigt einbrin- gesetzes stimmen. gen und mitgestalten können. Ich bin für die Verankerung der Parität im Wahlrecht Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bei der für Listen- und Direktmandate. Gleiches fordern gleich- Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des stellungsorientierte Frauen und Männer aus berufs-, so- Bundeswahlgesetzes (Bundestagsdrucksache 19/22504) zial-, gesellschafts- und frauenrechtspolitischen Verbän- enthalte ich mich. den, aus Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, Sport, Die vorgesehenen Maßnahmen sind zu der dringend Kultur, Medien und Wirtschaft aus allen Regionen notwendigen Reform kaum geeignet und reichen nicht Deutschlands. aus. Fakt ist, dass in vielen europäischen Mitgliedstaaten Paritätsregelungen bereits erfolgreich angewandt wer- den, zum Beispiel in Frankreich, Belgien, Spanien, Por- Anlage 5 tugal, Irland, Polen und Slowenien. Diesen guten Bei- spielen ist zu folgen. Dem Deutschen Bundestag ist ein Erklärung nach § 31 GO Paritätsgesetz vorzulegen. Mehr Frauen in den Bundes- der Abgeordneten Mechthild Rawert (SPD) zu der tag – 50 : 50 ist das Ziel. namentlichen Abstimmung über

(B) – den von den Fraktionen der CDU/CSU und Anlage 6 (D) SPD eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Zu Protokoll gegebene Reden und zur Beratung des von der Bundesregierung einge- zu den Abstimmungen über brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung – den von den Abgeordneten Albrecht Glaser, des Energiewirtschaftsgesetzes zur marktgestütz- Tobias Matthias Peterka, Jochen Haug, weite- ten Beschaffung von Systemdienstleistungen ren Abgeordneten und der Fraktion der AfD (Tagesordnungspunkt 23) eingebrachten Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Noch leisten konventionelle Erzeugungsanlagen einen wesent- – den von den Fraktionen FDP, DIE LINKE und lichen Beitrag zu den Systemdienstleistungen. Erneuer- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten bare Energien übernehmen diese Rolle aber zunehmend Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des und übernehmen mehr und mehr Verantwortung für das Bundeswahlgesetzes Gesamtsystem. Deutschland verfügt über die drittgrößten Kapazitäten an Erneuerbaren weltweit – nur die bei (Tagesordnungspunkt 16) Weitem einwohnerstärkeren USA und China liegen vor Nach der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag sank der uns. Wenn man das pro Kopf betrachtet, dann sind wir Frauenanteil unter den Abgeordneten von 37,3 Prozent mit großem Abstand absoluter Spitzenreiter: Im letzten auf 30,7 Prozent. In jedem deutschen Parlament stellen Jahr entfielen 1,4 Kilowatt an Erneuerbaren-Kapazitäten Männer die Mehrheit – mehr als 100 Jahre nach Einfüh- auf jeden Bundesbürger. Der weltweite Durchschnitt liegt rung des Frauenwahlrechts ist das beschämend. hier bei 0,2 Kilowatt, der EU-weite bei 0,7 Kilowatt. Leider liegt bisher weder ein zwischen den Koalitions- Im Gegensatz zu Konventionellen sind die Erneuerba- fraktionen abgestimmter noch von den Oppositionsfrak- ren in der Regel aber an das Verteilnetz angeschlossen tionen vorgelegter Vorschlag vor, der eine paritätische und über Leistungselektronik mit dem Stromnetz verbun- Vertretung von Frauen und Männern schon bei der nächs- den. Daraus ergeben sich andere Eigenschaften und ten Bundestagswahl 2021 sicherstellt. So wird eine histo- Anforderungen für SDL-Produkte und den Netzbetrieb. rische Chance verpasst. Darüber hinaus schafft die Digitalisierung natürlich neue