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2–2017

FÜR MITARBEITENDE

INTERVIEW Was will die Kirche in der Schule? Religions-

EINBLICKE „Heute haben wir Reli” unterricht Reportagen vor Ort

Foto: O. Dellit INHALT | EDITORIAL Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, THEMA ir bildeten eine Mini-Lern- 4 „Heute haben wir Reli” – Drei Reportagen gruppe im Religionsunter- 6 Interview: Was will die Kirche in der Schule? Wricht der Oberstufe, genau genommen waren wir nur zu dritt: Mein 8 Religionsunterricht für Konfessionslose? Schulfreund Martin und ich saßen in

9 Ohne feste Lehrpläne geht gar nichts den 1970er-Jahren zusammen mit dem medio.tv/Schauderna Foto: 10 Vier Pädagogen im Porträt Dekan des Kirchenkreises im Klassen- zimmer und sprachen über die ökume- 12 Zwei, die für die Landeskirche den Kontakt nische Bewegung. Der Pfarrer kannte zu den Studierenden suchen den Ökumenischen Rat der Kirchen aus 13 RPI: Auch Lehrer brauchen Bildung eigenem Erleben und konnte uns begeistern für die Idee einer 32 Medienpreis: weltweiten Gemeinschaft von christlichen Kirchen auf der Suche Künstlerischer Blick auf die Reformation nach Einheit. Wenn ich meinen Schulfreund wiedertreffe, erin- nern wir uns immer gern an diesen Religionsunterricht, der uns geprägt hat: Martin macht heute Religions- und Ethikbücher für LANDESKIRCHE einen renommierten Schulbuchverlag, und ich – das wissen Sie ja.

Guter Religionsunterricht kann nachhaltig wirken. Aber die 14 Grubenandacht: Zeiten vorbehaltloser Akzeptanz des Schulfachs „Reli“ sind längst Mit Barbara in der Tiefe des Berges vorbei, falls es sie je wirklich gegeben hat. An den Schulen hat 15 Bischof Hein berichtet über Reise Gott nichts verloren, sagen die Gegner eines konfessionellen Un- nach Syrien und in den Libanon terrichts. Das Fach müsse weg, weil kirchliche Privilegien in ei- 16 Rückmeldungen waren zum Teil aggressiv – nem neutralen Staat abgeschafft gehörten. So zu lesen in einem Interview mit Bischof Martin Hein Pro-und-Contra-Beitrag der Wochenzeitung DIE ZEIT Anfang des Jahres. Die Befürworter argumentieren, Religionsunterricht sei 18 Umfrage: Nachwuchsmangel im Ehrenamt wichtiger denn je, denn „Reli“ helfe den Schülern, sich selbst zu 18 Von Personen erkennen, die Welt zu verstehen und erfülle somit wie kein ande- 19 Evangelische Bank baut Kasseler Hauptsitz res Fach den ganzen Bildungsauftrag der Schule. für 30 Millionen Euro um 20 Von Drohungen, Pistolen und Flucht: Diese blick-Ausgabe versucht, die Praxis des evangelischen Der afghanische Journalist Rajabi erzählt Religionsunterrichts in Kurhessen-Waldeck in Augenschein zu nehmen. Zugegeben: natürlich nicht aus neutraler Warte, son- 21 Mit 17 auf der Straße: „Unsere Stimme“ hilft dern durch die kirchliche Brille. Aber machen Sie sich selbst ein jungen Frauen in Kirgistan Bild über ein Schulfach, auf das die Kirche nach dem Willen des 22 Kirchenerhaltungsfonds unterstützt Gesetzgebers maßgeblich Einfluss nehmen kann und soll, indem neun Gemeinden sie Lehrkräfte beruft und Inhalte mitbestimmt. Wir hoffen, dass 23 Kurhessen-Waldeck feiert das Reformations- unsere Reportagen, Porträts und Interviews einen Eindruck von jubiläum: Was bisher geschah (1) der Wirklichkeit des aktuellen evangelischen Religionsunterrichts an hessischen Schulen vermitteln.

SERVICE Lothar Simmank Redakteur blick in die kirche

24 Termine / Kirchenmusik 26 Kirche im Radio 27 Mitmachaktionen für die Fastenzeit 28 Buchtipps 31 Filmtipps

2 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 UMFRAGE | IMPRESSUM

Ihr Reli-Unterricht – an was erinnern Sie sich? Foto: privat Foto: Foto: privat Foto: privat Foto: Foto: privat Foto:

Ich bin im Religionsunterricht „Jesus war ein Revoluzzer!“ Leistungskurs Religion, An- Fernseher und elektronische mit Gott aufgewachsen. In der Ich erinnere mich genau, wie fang der 80er: Damals wurde Medien gab es nicht in der Grundschule ging es mal um unser Lehrer Herr Lindenthal für mich klar, dass ich Theo- Volksschule Ende der 50er- Tod und Sterben. Da sind wir das im Religionsunterricht logie studieren werde. Der Jahre. Unser Lehrer benutzte auf den Friedhof gegangen gesagt hat. Das hat für mich Lehrer hielt eine Art Ethikun- Scherenschnitte mit buntem und haben Grabsteine abge- das Bild von Jesus ganz ver- terricht über Sexualität, Dro- Pergamentpapier, die bibli- malt. Wir haben besprochen, ändert. Vorher war er für mich gen und Meditieren. Unter sche Szenen zeigten. Mich was die verschiedenen Zei- ganz abstrakt – „Gottes Sohn, den 15 Schülern waren nur hat beeindruckt, wie fein die chen darauf bedeuten und der Mensch geworden ist“. In eine Mitschülerin und ich ausgeschnitten waren. Über was bei einer Beerdigung diesem Unterricht wurde der gläubig. „Wie könnt ihr denn meinen Glauben habe ich vor passiert. Als Kind hatte ich ja Sohn Gottes für mich greifbar. an so was glauben?“, wurden allem in anderen Gruppen nicht viel mit dem Tod zu tun, Der Mensch Jesus war ganz wir gefragt. Da konnten wir gelernt, im Konfirmanden- außer im Reli-Unterricht, und nah an seinen Mitmenschen, nicht mit einer cleveren Ant- unterricht und bei den Pfad- da kindgerecht. Jetzt bin ich besonders bei den Armen wort überzeugen. Aber bei mir findern. Da hatte ich mehr in der Oberstufe, und wir dis- und Schwachen. Er hat feste selbst hat es „Klick“ gemacht: Spaß, und daran erinnere ich kutieren über den Glauben – Grundsätze hinterfragt. Das Ich muss über meinen Glau- mich besser als an den Schul- zurzeit die Frage, warum Gott zu erkennen, hat auch meinen ben ins Gespräch kommen, unterricht. Damals war das die Menschen leiden lässt. In Glauben geprägt: Ich habe ge- aber anders als in diesem Un- Verhältnis zum Lehrer auch der ganzen Schulzeit hat mich lernt, was Christsein bedeutet. terricht auf der Esoterik-Schie- anders als heutzutage – viel der Religionsunterricht immer Jesus nachzufolgen heißt, den ne. Ich habe mir vorgenom- strenger, als das zum Beispiel im Glauben bestärkt: früher, Menschen zu helfen, ganz be- men, wenn ich jemals selbst meine Enkelin erlebt. Wir hat- indem ich Gott gemalt habe – sonders den Armen und Ge- Religion unterrichte, dann mit ten großen Respekt, bei ihr ist heute, indem ich Gott denke. ächteten. christlichem Hintergrund. es fast kumpelhaft.

Anika Kraft (20), Bruchköbel, Sebastian Vogt (30), Schwalm- Kerstin Ries-Beuthert (52), Bernd Lehman (62), Wäch- jüngste Kirchenvorsteherin stadt, Referent für Kommuni- Bad Arolsen, Pfarrerin im tersbach, Kirchenvorsteher, der Gemeinde kation und Presse beim CVJM Waldeckschen Diakonissen- Hilfsküster, Chorleiter und Deutschland in haus Leiter des Männerkreises

IMPRESSUM

blick in die kirche erscheint sechsmal jährlich und Redaktion: Anschrift: wird an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen Lothar Simmank (Leitung) Heinrich-Wimmer-Straße 4 und Mitarbeiter der Landeskirche kostenlos verteilt. Telefon 0561 9307-127 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe Olaf Dellit [email protected] Direkt-Abonnement: Telefon 0561 9307-132 www.blick-in-die-kirche.de 12,50 Euro pro Jahr inklusive Zustellkosten Redaktionsbüro / Anzeigen: Gestaltung: Lothar Simmank Herausgeber: Andrea Langensiepen Layout-Konzept: Liebchen+Liebchen, Frankfurt am Main Landeskirchenamt der Evangelischen Telefon 0561 9307-152 Herstellung: GmbH, Fuldabrück Kirche von Kurhessen-Waldeck Daniela Denzin Auflage: 19.500 Exemplare Pfarrerin Petra Schwermann Telefon 0561 9307-128 Wilhelmshöher Allee 330 Fax 0561 9307-155 Mehr Informationen über die Evangelische Kirche 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe von Kurhessen-Waldeck unter www.ekkw.de

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 3 THEMA „Heute haben wir Reli”

Drei Reportagen aus dem Religionsunterricht in unterschiedlichen Schulformen

Bergpredigt als Aufruf halten sie für verzichtbar, unverständlich, unsere Relistunde ein jähes Ende“, sagt zur Mülltrennung im überholt? „Ist die Aufgabe so weit klar?“, Kornelia Brinkmann. Kartenständer, Topf- Gymnasium fragt Brinkmann und nimmt das Schwei- pflanzen und die Tafel bleiben zurück, als gen als Zustimmung. die Schüler den Klassenraum verlassen, eiße Wände, leere Pinnbretter, 20 Minuten Zeit, um in kleinen Grup- aber vielleicht haben sie ein Stückchen Kartenständer, mickrige Topf- pen über die Bergpredigt zu diskutieren. Bergpredigt mitgenommen. Wpflanzen, Tafel – man kann sich In vielen Ecken des Schulgebäudes wer- schönere Orte vorstellen, um über die den jetzt die Worte Jesu in das Jahr 2017 Bergpredigt zu sprechen. Doch Kornelia verlegt – wenn es denn gelingt. „Wörtlich Lebenstipps statt Brinkmann, Religionslehrerin an der Bad kann man das auf keinen Fall nehmen“, „Lagerfeuergeschichten” Arolser Christian-Rauch-Schule, muss den heißt es in einer Ecke. Anderswo wird über- in der Berufsschule Spagat zwischen der nüchternen Atmo- legt, ob man einen Aufruf zur Mülltren- sphäre und den visionären Worten der Bi- nung aus der Bergpredigt lesen könne. Ist raue Stühle, viele PC-Bildschirme, bel bewältigen. es besser, einer Schlägerei aus dem Weg zu in der Mitte ein langer Tisch. Zwei Brinkmann steht in Jeans, Pullover gehen („dem biete auch die andere Backe GMädchen und 13 Jungen, die meis- und Filz-Überwurf vor einer 12. Klasse und dar“), oder provoziert das erst recht? Und ten in Kapuzenjacken, manche mit Dö- steigt mit Franz Alts „Frieden ist möglich“ dann die Sache mit dem Auge, das zur ner und Getränkeflasche in den Händen, und der Idee ins Thema ein, man könne Sünde verleitet: „Ich habe jetzt echt keinen verteilen sich nach der großen Pause im die Gesellschaft mit der Bergpredigt ge- Bock, mir das rechte Auge rauszureißen“, EDV-Raum zum Religionsunterricht. Die stalten. Ob auch nur einer der 19 Schüler sagt eine Schülerin. Aber vielleicht ist das Lehrerin, Gabriele Siemon, ist jung und je etwas von Franz Alt gehört hat, bleibt auch gar nicht die richtige Herangehens- dynamisch und gibt den Ton vor: „Was unklar. Sie müsse im Religionsunterricht weise, überlegt ein anderer zu den Worte hatten wir zum Essen gesagt?” Gekicher. oft erst deutlich machen, dass Jesus tat- Jesu: „Stell dir mal vor, der Typ hat sich da Die Snacks verschwinden. „Und Getränke sächlich gelebt hat. Etliche Schüler würden voll Mühe mit gegeben, und wir machen weg vom Rechner!” Die Flaschen sinken ihn als eine Art Märchengestalt betrach- uns heute drüber lustig!“ auf den Schoß. Zwischen 18 und 26 Jahre ten: „Für viele hat Jesus denselben Stellen- Als die Gruppen ihre Ergebnisse prä- alt sind Siemons Schüler jetzt, im zweiten wert wie Rumpelstilzchen.“ sentieren, wird deutlich, wie unterschied- Lehrjahr als Lagerlogistiker, und zweimal Franz Alt und ein Exkurs zum Begriff lich man die Texte lesen kann. „Selig die Woche kommen sie an die Kasseler „christliches Abendland“ sind schnell erle- sind, die da Leid tragen, denn sie sollen Paul-Julius-von-Reuter-Schule. digt, während ein Schüler unauffällig in getröstet werden“ wird hier als Anregung Heute werden sie ihre Ergebnisse prä- einem Buch über Sportwissenschaft blät- interpretiert, das Gesundheitssystem zu sentieren aus der „Projektarbeit Religion” tert. Dann teilt Lehrerin Brinkmann die verbessern. Aber herausgelesen werden zum Thema „Versicherungen”. Ist das ein Schüler in Arbeitsgruppen auf. Ihr Auftrag: auch Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit, Gast- Reli-Thema? Gabriele Siemon erläutert das Die Bergpredigt für das Jahr 2017 retten. freundlichkeit. Konzept der Reuter-Schule. Auszubildende Was von den Worten der Bibel wollen sie Einen Schulgong gibt es in der Chris- absolvieren fachübergreifend Lernmodule, sich zum Maßstab nehmen, und wie? Was tian-Rauch-Schule nicht mehr. „Hier hat die sie mit dem neuen Lebensabschnitt

Die Bergpredigt für das Jahr 2017 retten – Kornelia Brinkmann (Mitte) unterrichtet Oberstufen-Schüler am Bad Arolser Gymnasium in Religion Fotos: O.Dellit Fotos:

4 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 THEMA Fotos: L. Simmank Fotos:

„Wir wünschen uns eine schöne Reli-Stunde!” – Grundschüler der Diemeltalschule in Willingen-Usseln mit ihrer Lehrerin Julia Becker (Mitte)

und ihrer Rolle in der Berufsausbildung Andere Menschen glücklich und sind frustiert: Keiner freut sich so konfrontieren – und Versicherungen gehö- machen – in Bullerbü und richtig über ihre Ideen und Anstrengun- ren nun mal zum Selbstständigwerden. Zu- in der Grundschule gen. Schließlich klappt es doch, und sie gleich soll dieser Ansatz das Klassenklima beglücken eine schwer erkrankte Klassen- verbessern und Vertrauen aufbauen. Was attet ihr Spaß in der Pause?” kameradin, die das Bett hüten muss, mit in anderen Halbjahren auf dem Lehrplan Lehrerin Julia Becker strahlt ihre Geschenken aus dem eigenen Besitz: Eine steht, klingt mehr nach „Reli”: Salafismus, HDrittklässler an, die mit roten Ge- Puppe und ein Märchenbuch kommen bei Geschlechterrollen, bedrohte Schöpfung, sichtern, Skihosen und Pantoffeln um sie der kleinen Märta bestens an. fairer Handel. Kam bereits oder kommt herum auf Holzbänken sitzen. 16 Diemel- „Habt ihr schon mal was von euch ver- alles noch dran ... talschulkinder strahlen zurück. Ein Ritual schenkt?”, fragt Frau Becker in die Runde. Das Klassenklima stimmt jedenfalls. beginnt, indem ein Mädchen die Kerze Die Schüler überlegen, melden sich und Sie könne heute nicht vortragen, sagt ei- in der Mitte anzündet und sich die Schü- zählen einige Dinge auf. Spielzeug bei der ne Schülerin, wegen Problemen mit ihrem ler mit den Händen auf der Schulter des Sammelaktion für das Waisenhaus in Ru- Handy. „Die lügt!”, spottet ihr Nachbar. Nachbarn eine schöne Reli-Stunde wün- mänien zum Beispiel oder das Frühstück, „Ich hau dir ein paar aufs Maul”, gibt sie schen. Alle werden still, es wird nur noch das Pascal beim letzten Skitag an Finja zurück. „So weit zur christlichen Nächsten- geflüstert. Denn: „Atmosphäre ist ganz gespendet hat. Oder die Nüsse, die Mika liebe”, fasst Gabriele Siemon zusammen. wichtig”, hat die Lehrerin dem Besucher immer von seiner Freundin kriegt, weil er Gelächter. schon vor Unterrichtsbeginn erklärt. die so gerne mag. Jonas opfert sich schließlich und re- Dann kommt Bewegung in die Grup- Gelbe Arbeitsblätter werden verteilt, feriert gekonnt zum Thema Rechtsschutz- pe: „Ich bin glücklich, weil es so viel ge- und an den Schulpulten wird nun eifrig versicherung. Auf einmal sind alle konzen- schneit hat”, sagt Klara und stellt einen gemalt und geschrieben: Wann, wie und triert. „Kann ja jederzeit sein, dass man kleinen Schornsteinfeger als Glücksbringer- womit habe ich andere Menschen glück- mal ‘ne Geldbuße zahlen muss”, sagt ei- Symbol neben die Kerze. „Ich wäre noch lich gemacht? Auf den Zetteln, die im ner. In der Pause erinnern sich die Schüler glücklicher, wenn Pascal da wäre”, sagt ein Anschluss an der Wandtafel präsentiert an früheren Religionsunterricht: „So über kleiner Junge mit Brille – und auch Frau werden, ist hier ein kleiner Teddybär mit Feiertage und Sterben – das bereitet einen Becker bedauert, dass heute vier Schüler Pflaster zu erkennen, dort ein rotbrauner ja nicht auf den Beruf vor.” „Man hat doch krank sind und deshalb fehlen. Trecker, ein Geschenkkarton – und natür- schon alles seit der Grundschule durchge- In Willingen-Usseln ist die Welt noch lich viel Text in Schönschrift. kaut.” „Bibel – das sind doch nur Lagerfeu- überschaubar: Insgesamt 81 Schülerinnen „Was sagt denn die Bibel zu unserem ergeschichten. Wer weiß, ob das stimmt?” und Schüler gehen in die vier Grundschul- Thema?”, fragt Frau Becker am Schluss Gabriele Siemon hört lächelnd zu. Of- klassen der „Zwergenschule”, die ihr päd- und steuert als Antwort selbst einen gel- fenheit und Vertrauen: Das zeigt sich hier. agogisches Konzept im Internet als „be- ben Zettel bei, den sie oben an der Tafel Die Schüler werden nachher auch die Re- wegungsorientiert, naturverbunden und befestigt: „Geben ist seliger als nehmen”, ferate respektvoll und freimütig beurteilen. lesefreundlich” beschreibt. Da passt es liest einer vor. „Das steht in der Apostel- Immer wertschätzend. Und mit viel Humor. gut, dass Frau Becker zum Buch greift und geschichte. Und was heißt das: seliger?” So auch als der letzte Vortragende, eine Geschichte aus Bullerbü vorliest – die „Netter oder besser”, übersetzt Klara und Uwe, älter und erfahrener als die ande- schwedische Dorfidylle Astrid Lindgrens erzählt gleich noch eine Geschichte dazu: ren, die Risikolebensversicherung erläutert. dürfte den Usseler Kindern nicht fremd „Wenn Mama ein Lächeln im Gesicht hat, „Von dieser Versicherung hat man selbst vorkommen. wenn ich ihr etwas schenke, dann weiß ich, nichts”, meint er. Und mit nachsichtigem Das Thema der Reli-Stunde ist schnell dass sie glücklich ist.” – Ende der Reli-Stun- Seitenblick zu Lehrerin und blick in die erfasst. Wie geht das: andere Menschen de und raus in den Upländer Schnee. l kirche-Reporterin: „Es sei denn, dass man glücklich machen? Die Bullerbü-Kinder Olaf Dellit, Anne-Kathrin Stöber, aufersteht ...” probieren erfolglos einige Aktionen aus Lothar Simmank

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 5 THEMA Was will die Kirche in der Schule? Interview mit Bildungsdezernentin Dr. Gudrun Neebe und Schulreferent Dr. Michael Dorhs über die Chancen und Grenzen des evangelischen Religionsunterrichts

Wir leben in einem säkularen Staat. Dorhs: Natürlich sind die Pfarrer und konfessionelle Kooperation zuzugehen, ? Was will die Kirche in der Schule? Lehrer, die evangelischen Religionsunter- und das jüngst erschienene Papier der Gudrun Neebe: Religionsunterricht richt erteilen, keine neutralen Wesen. Sie Deutschen katholischen Bischofskonferenz ist keine kirchliche Veranstaltung in der haben eine kirchliche Bevollmächtigung, unterstützt dies sehr. Schule, sondern ein ordentliches Lehrfach die „Vocatio”. Und sie unterrichten von – erteilt in gemeinsamer Verantwortung ihrer eigenen evangelischen Position her. Wie sieht die konfessionelle Koope- von Staat und Kirche. Wir sind als Kirche Das ist vom Gesetzgeber so gewollt, denn ? ration in der Praxis aus? präsent über Schulseelsorge, schulbezoge- wir haben ja nicht das Fach „Religion”, Neebe: In einigen Gesamtschulen gibt ne Jugendarbeit oder Schulgottesdienste. sondern es gibt Religionsunterricht nur in es Pilotprojekte: Besonders bei großen Aber es wäre ein Missverständnis, zu mei- konfessioneller Gestaltung. Lerngruppen bietet sich Team-Teaching nen, Religionsunterricht sei gleichbedeu- an – mit zwei Lehrkräften in der Klasse. tend mit „Kirche in der Schule”. Warum hält der Staat am konfessio- Oder es kann in Intervallen unterrichtet Michael Dorhs: Auch die EKD-Denk- ? nellen Religionsunterricht fest? werden, sodass sich evangelische und ka- schriften von 1994 und 2014 betonen, Dorhs: Im Grundgesetz ist das in Arti- tholische Lehrer abwechseln. Zu all dem dass der Religionsunterricht ein normales kel 7,3 so festgelegt, und in der hessischen ist aber entsprechende Fortbildung nötig, Schulfach ist, das sich vom Bildungsauf- Verfassung, Artikel 57, ebenfalls. Aber das damit die Lehrkräfte konfessionssensibel trag der Schule her versteht und einen ist natürlich nur die formale Begründung. unterrichten. Ganz neu in Hessen ist üb- wichtigen Beitrag in der multireligiösen Inhaltlich sage ich: Wenn man ein Inter- rigens eine Fortbildung für die Kooperati- Gesellschaft leisten kann. esse daran hat, dass Schüler im Rahmen on von evangelischem, katholischem und ihrer persönlichen Entwicklung urteilsfähig muslimischem Religionsunterricht. Trotzdem erhofft sich die Kirche werden und eine eigene Position entwi- ? doch etwas vom Religionsunterricht. ckeln, dann brauchen sie ein positionelles Funktioniert das gut? Neebe: Na klar: religiöse und ethische Gegenüber, um selbst einen klaren Stand- ? Dorhs: Die evangelische Kirche un- Bildung! Aber es ist eben keine Glaubens- punkt beziehen zu können. Das passiert in terstützt die Einführung eines bekenntnis- vermittlung, sondern es geht um Urteils- der Auseinandersetzung mit dem Lehrer, gebundenen islamischen Religionsunter- fähigkeit, Orientierung, um existenzielle der selbst eine Position vertritt. richts in hessischen Schulen. Denn er hilft Fragen. Der Staat räumt allen Religions- jungen Muslimen, sich mit ihren eigenen gemeinschaften gleiche Rechte ein. Des- Wäre nicht trotzdem ein christlich- Überzeugungen und denen der anderen wegen gibt es auch Ethik und islamischen ? ökumenischer Unterricht angesagt? kritisch auseinanderzusetzen, und das im Religionsunterricht. So kann man dem Neebe: Kirchen und Religionsgemein- Rahmen staatlich genehmigter Lehrpläne Vorurteil begegnen, Religionsunterricht schaften gibt es immer nur in bestimmten und im Gegenüber zu einer an einer deut- sei „Kirche in der Schule”. konfessionellen Ausprägungen. Und des- schen Universität ausgebildeten muslimi- wegen gibt es eben auch keinen allgemein schen Religionslehrkraft. Das ist für viele christlichen oder ökumenischen Religions- noch ungewohnt, aber es ist ein Lernpro- unterricht. Aber sehr wohl gibt es gelin- zess, der sich lohnt. Ich plädiere für Gelas- gende konfessionelle Kooperation. Die senheit und einen langen Atem. EKD-Denkschrift empfiehlt, stärker auf 3.000 Religionslehrer können ja nicht ein- ? fach unterrichten, was sie wollen. Lehrkräfte in der geben 12.000 Stunden evangeli- Wie weit reicht das Spektrum? EKKW schen Religionsunterricht im Jahr Neebe: Im Moment wird diskutiert, ob eine „Verreligionskundlichung” oder eine „Versachkundlichung” des Religionsunter- richts stattfindet. Ich halte beides nicht besuchen einen evangelischen Religi- für wünschenswert. Andererseits kann ich onsunterricht – dazu kommen 42.470 aus dem Religions- aber auch keinen Kon- Schüler ohne oder anderer Konfession 72 % firmandenunterricht machen. Die didakti- der 87.054 sche Frage, inwieweit religiöse Praxis im ev. Schüler Zahlenangaben: LKA/RPI Unterricht vorkommen kann, muss man

6 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 Fotos: medio.tv/Schauderna; privat „Schule undUnterricht” imLandeskirchenamt Pfarrer Dr. Michael Dorhs leitetdasReferat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck; fürdenBereich BildunginDezernentin zuständig Oberlandeskirchenrätin Dr. Neebe als Gudrun ist ? gerade in einer Zuzugs-Gesellschaft Auf- gerade ineinerZuzugs-Gesellschaft werden.müssen wirdialogfähiger Das ist zugeben. Und zweitens levante Antworten inBezugsetzen, umdannre- Botschaften und mit unserensene haben, aufspüren Fragen,- die Jugendliche oder auch Erwach ja doch nicht hingehe? Wir müssen die wenn ich mir eine Kirchen-Mitgliedschaft, sen Fragen Was auseinandersetze? bringt Wozu es gut, wenn ist ich mich mit religiö die Fragen wie auch Erwachsenen stellen: chungen zeigen, dasssich Jugendliche Religionsunterricht? zialkunde gehört, sollte auch dableiben. sollte gehört, zialkunde alles,waslern. Aber eherinPolitik oderSo- eine „Bringschuld“ gegenüber denSchü- dung. DahabendieUnterrichtenden auch lichen Tradition fürmich zurAllgemeinbil- - undderjüdisch-christ schen Geschichten die Auseinandersetzung mit bibli- gehört Allerdings Diagnostik. fe oderpränatale Sie nuranethische ThemenwieSterbehil- se Bildungextrem lebenspraktisch. Denken werden. tioniert gottesdienstlichen Veranstaltung umfunk nicht zueiner darf der Religionsunterricht religiösermente Praxis kennenlernen, aber gut reflektieren. Jugendliche müssenEle- ist religiöse Bildungextrem ten Herausforderungen fürden ten Herausforderungen diegröß- Wo sehenSieinZukunft Jüngste empirischeNeebe:- Jüngste Untersu Richtig verstanden, ist religiö ist - Richtig verstanden, Dorhs: »Richtig verstanden, lebenspraktisch.«

- - ? ist inFrankreichist vielstärker ausgeprägt zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen DieKonfrontationund Überzeugungen. ReligionenMenschen unterschiedlicher wirkungen aufdas Zusammenlebenvon Und religiöse Unbildung hatauch Aus- werdenlische Inhalte nicht verstanden. nicht mehr möglich. Anspielung auf bib Bildern oderinderLiteratur, vielfach ist frieren von religiösen Äußerungen, obin kleinen Rudimenten geschieht. DasDechif- dass religiöse Bildungnurnoch inganz verloren. beobachten, Siekönnen dort und damitauch indenSchulen, nichts Raum, mus, Religion hatimöffentlichen Laizis- herrscht man das studieren. Dort kann Gegenmodell zu unsfährt, solute mehrgäbe? onsunterricht decken werden. noch stärker Gemeinsamkeiten ent- künftig die katholische Kirche bewegt hatundwir Da bin ich sehr froh, dass sicherwähnt. fessionelle Kooperation haben wir bereits andere Religionen anzueignen.Diekon - es wichtig, sich ganz schlicht Wissen über und Respekt zulehren. Und natürlich ist gabe Akzeptanz desReligionsunterrichts: Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.” Übereinstimmung derReligionsgemeinschaften mitdenGrundsätzen wird in derReligionsunterricht Unbeschadet Aufsichtsrechtes desstaatlichen Lehrfach. Schulen mitAusnahme derbekenntnisfreien indenöffentlichen ist Schulen ordentliches „DerReligionsunterricht 7desGrundgesetzes Religion indie Schule? InArtikel steht: Gehört wenn esirgendwann keinen Religi- Welche Konsequenzen hättees, Dorhs: In Frankreich, wo man das ab indiekircheblick | - - ! ? raussetzungsärmer, damitmanauch kon- werden,viel flexiblerunterrichtet viel vo- Religion muss sehr Gestalt. veränderten Kirche. vielleicht doch mehr undkommt auch zur ven willspäter mitReligion Kontakt hatte, Und wer inderSchule schon malpositi- fahre ich relevante Dinge für mein Leben. geheißen werden undmitkriegen: Hierer machen kann. Sie müssen willkommen Kindern und Jugendlichen ein Angebot fessionslosen, aberdoch interessierten Andere beneidenunsumihn. dieser Raum nicht mehrexistieren würde. wennßer Verlust fürunsere Gesellschaft, ihnerfinden.Es wäreman müsste ein gro- nicht hätte,man denReligionsunterricht nis voneinander. Wenn Überspitzt gesagt: füreinanderVerständnis undauch Kennt- log- und einübenkann, Pluralitätsfähigkeit potenziell indemmanDia- einRaum ist, Einrichtung haben,weil daszumindest alsinstitutionelle den Religionsunterricht als beiuns.Wir können froh sein,dasswir Vielen Dank für das Gespräch. ● DankfürdasGespräch. Vielen Neebe: Ich denke schon, aberineiner unseren Schulen geben? Schulen unseren „Reli” noch an esin20Jahren Wird

FÜR MITARBEITENDE Fragen: OlafDellit Lothar Simmank, | 2–2017 THEMA 7 - Foto: G. Greiner THEMA Religionsunterricht für Konfessionslose? Ein Lernziel des Religionsunterrichts: Auch konfessionslose Schülerinnen und Schüler sollen sich das Denken, Fühlen und Handeln religiöser Menschen vorstellen können

iele Religionslehrerinnen und -leh- einen Trend, der sich in den kommenden unterricht zwar auf eine konkrete kulturelle rer in Hessen dürften sich bei der Jahren in allen Regionen und Schulformen Praxis bezogen, aber trotzdem kein Ort reli- VFrage, ob es auch einen Religions- Hessens fortsetzen und verstärken wird. giöser Erziehung und Sozialisation ist. Der unterricht für Konfessionslose geben sollte, Demoskopen gehen heute davon aus, dass konfessionelle Religionsunterricht ist auch verwundert die Augen reiben: Denn das im Jahr 2020 nur noch 50 Prozent aller dann kein Glaubens- oder Ethikunterricht, gemeinsame Lernen von evangelischen, Grundschulkinder einer der beiden Groß- wenn er sich mit Glaubensfragen und ethi- katholischen, islamischen und konfessi- kirchen angehören werden. schen Problemen in der Perspektive einer onslosen Schülerinnen und Schülern ge- Die zentrale Herausforderung für den bestimmten Religion oder Konfession be- hört schon lange zu ihrer Unterrichtsreali- Religionsunterricht besteht also darin, mit schäftigt. Der Religionsunterricht ähnelt tät, vor allem in den Ballungszentren und Schülerinnen und Schülern über eine reli- damit am ehesten dem Sprachunterricht. Großstädten. giöse Praxis ins Gespräch zu kommen, an Auch diesen gibt es nicht in allgemeinver- Erste Modellversuche zu einem kon- der sie nicht selbst partizipieren. gleichender, sondern nur in spezifischer fessionell-kooperativen Religionsunter- Dabei gilt auch für das gemeinsame Gestalt (als englischen, französischen, richt erscheinen daher vielen wie aus der Lernen mit Konfessionslosen die alte Faust- deutschen Sprachunterricht etc.). Zeit gefallen: Während sie schon lange regel, dass das Lernen stets vom Einfachen Wohin es führt, wenn Kindern und Ju- mit Muslimen und Konfessionslosen an zum Komplexen, vom Sichtbaren zum Un- gendlichen das Recht auf religiöse Sprach- ihren Schulen arbeiten, wird andernorts sichtbaren und vom Anschaulichen zum fähigkeit vorenthalten wird, lässt sich der- (wie in dem jüngsten Bildungspapier der zeit an Frankreich beobachten. Hier gibt es Deutschen Bischofskonferenz) die konfes- seit 1905 (von katholischen Privatschulen sionelle Kooperation als eine Möglichkeit »Die zentrale Heraus- abgesehen) keine religiösen Bildungsan- beschrieben, wenn die Situation vor Ort gebote an staatlichen Schulen, was den keine konfessionell homogenen Lerngrup- forderung für den Religions- Staat zunehmend vor massive Religions- pen mehr zulässt. unterricht besteht darin, und Integrationskonflikte stellt. Gerade An theologischen Fakultäten und pä- mit Schülern über eine Konfessionslosen gegenüber ist daher dagogischen Instituten ist demgegenüber religiöse Praxis ins Gespräch deutlich zu machen, dass es neben der das ökumenische und interreligiöse Lernen zu kommen, an der sie nicht bildungsfeindlichen Abschaffung religiö- schon seit ca. 20 Jahren ein zentrales The- ser Bildungsangebote und dem Beharren ma der Aus- und Fortbildung für das Pfarr- selbst partizipieren.« auf den Status quo einen zukunftsfähigen und Lehramt; das gemeinsame Lernen mit Mittelweg gibt: den der konfessionellen konfessionslosen Schülerinnen und Schü- Kooperation, der langfristig zu einer theo- lern, für das es bislang noch keinen griffi- Abstrakten verlaufen sollte: Warum ist logisch und pädagogisch begründeten gen Leitbegriff wie den der interreligiösen vielen Eltern wichtig, ihr Kind taufen zu Kooperation mit anderen religiösen und Bildung gibt, gilt aber auch hier noch als lassen? Was ändert sich am Selbst- und nichtreligiösen Lebensorientierungen zu ein Randthema. Weltverständnis, wenn Christen die politi- erweitern ist. ● David Käbisch sche Forderung nach Frieden und Gerech- 2020 nur noch 50 Prozent tigkeit als Fürbitte in einem Gottesdienst ZUR PERSON der Schüler Kirchenmitglieder? sprechen? Und wie stellt sich das „christ- Dr. theol. habil. David liche Abendland” in der Perspektive eines Käbisch (42) ist Professor Dabei sprechen die Zahlen aus der muslimischen Flüchtlings dar? für Religionspädagogik in Lehrer- und Schülerdatenbank (LUSD) des Solche Fragen erfordern Aufgabenfor- Frankfurt am Main. Er Hessischen Kultusministeriums schon seit mate, mit denen sich Schülerinnen und studierte Ev. Theologie in Jahren eine deutliche Sprache: Nur knapp Schüler das Denken, Fühlen und Handeln Leipzig, Jerusalem und die Hälfte der Schülerinnen und Schüler religiöser Menschen vorstellen können, oh- Cheltenham und arbeitete im evangelischen Religionsunterricht in ne dass damit die Erwartung einhergeht, nach der Promotion in Jena an der Uni Frankfurt gehören der evangelischen Kir- an einer bestimmten religiösen Praxis par- Marburg. Dort habilitierte er sich mit einer Arbeit zum gemeinsamen Lernen mit che an, wobei die Zahlen zwischen der tizipieren oder eine bestimmte Glaubens- Konfessionslosen. Er gehört dem Gymnasialen Oberstufe (70 Prozent) und perspektive übernehmen zu sollen. Vor al- Fachbeirat des RPI der EKKW und EKHN der Berufsschule (ca. 20 Prozent) erheb- lem konfessionslosen Eltern muss deutlich an, ist Mitglied der EKHN-Synode und lebt lich schwanken. Es handelt sich dabei um bleiben, dass der konfessionelle Religions- in Marburg.

8 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 THEMA Ohne feste Lehrpläne geht gar nichts Anita Hofmann und Jürgen Krompholz vom Schulamt Bebra über den Religionsunterricht

ie Staatlichen Schulämter überwa- chen auch den Religionsunterricht. DDarüber sprachen wir mit Amtslei- terin Anita Hofmann und ihrem Mitarbei- ter Jürgen Krompholz in Bebra.

Im Mathematikunterricht ist klar: ? 1+1 = 2. In der Religion gibt es kei- ne einfache Gleichung. Machen sich Eltern manchmal Sorgen darum, was ihren Kindern im Religionsunterricht vermittelt wird? Anita Hofmann: Anfragen zum Religions-

unterricht erreichen uns relativ selten. O. Dellit Foto: Sie haben den Religionsunterricht im Blick: Schulamtsleiterin Anita Hofmann und Jürgen Wer entscheidet denn, was dort un- Krompholz beim Interviewtermin im Schulamt in Bebra ? terrichtet wird? Der Staat, also Sie als Schulamt, oder die Kirche? Gibt es bei der Gestaltung der Lehr- müssen es mindestens acht Schüler für Hofmann: Es gibt, wie für alle Fächer, Cur- ? pläne einen Konflikt in der Frage der den Unterricht sein. ricula, die verbindlich sind. Es gibt aber Trennung von Staat und Kirche? auch einen Anteil an Eigengestaltungs- Hofmann: Als die jetzt gültigen Curricula Mal ganz plakativ gefragt: Wie lässt möglichkeiten. Die Lehrpläne werden vor- erstellt wurden, war die Kirche frühzeitig ? sich verhindern, dass in der Schule rangig vom Staat erstellt, aber im Beteili- eingebunden. Es gab auch Vorbehalte, Fundamentalisten ausgebildet werden? gungsverfahren ist die Kirche einbezogen. aber im Zusammenspiel mit den beiden Hofmann: Im Schulalltag sind grund- Jürgen Krompholz: Es gibt in den Curri- Kirchen ist intensiv daran gearbeitet wor- sätzlich Schulleiterinnen und Schulleiter cula Inhaltsfelder, die bewusst offen ge- den. Ich kann mich erinnern, dass die verpflichtet, die Qualität und die Recht- staltet sind. Die Schulen sind aufgefordert, Curricula für den Religionsunterricht die mäßigkeit des Unterrichts zu überprüfen. diese Freiräume zu füllen. Sie können bei- Bereiche waren, die die längste Zeit in An- Die Lehrkraft hat die Verpflichtung, sich spielsweise regional bezogene Themen spruch genommen haben. Da wurde über an Curricula und Dienstordnung zu halten. aufnehmen, zum Beispiel zur kirchenge- Grundfragen oft längere Zeit diskutiert. Krompholz: Neben der äußeren gibt es schichtlichen Situation einer Stadt. noch eine innere Aufsicht. Die kennt jeder Es ist kein Privileg der Kirchen, Re- Lehrer: Wenn die Kinder nach der Schule Was könnte so ein Inhaltsfeld sein? ? ligion zu unterrichten. Wer darf das nach Hause kommen, sind sie Thema am ? Krompholz: Bei kleineren Kindern etwa noch, und wie funktioniert das? Mittagstisch. Wenn jemand in radikalisie- „Ich und die Familie“, aber auch die klassi- Krompholz: Wir können das Beispiel des render Weise aufträte, käme das über El- schen Themen wie die Gottesfrage. Islamunterrichts nehmen. Da hat sich der tern als Rückmeldung an die Schulleitung. Staat zunächst bemüht, kompetente An- sprechpartner zu finden, und hat Ahma- Wie könnten oder müssten Sie dann ZU DEN PERSONEN diyya und DITIB gefunden. Mit von der ? einschreiten? Anita Hofmann (61, katholisch) ist islamischen Seite autorisierten Personen Krompholze: Wir müssten uns selbst ein Leiterin des Staatlichen Schulamts für werden dann so Dinge geklärt wie die in- Bild vom Unterricht verschaffen und natür- die Landkreise Hersfeld-Rotenburg und haltliche Abstimmung der Curricula oder lich mit der Lehrkraft ins Gespräch gehen Werra-Meißner. Sie ist verheiratet, hat drei Fragen der Lehrbefähigung. und sie mit den Vorwürfen konfrontieren. Kinder und sechs Enkelkinder. Hofmann Hofmann: Bevor Religionsunterricht gege- ist Vorsitzende der EKKW-Schulstiftung. ben werden kann, muss eine Vereinbarung Unter Umständen müsste es dann Jürgen Krompholz (57, evangelisch) ist im zwischen Staat und Religionsgemeinschaft ? ein Disziplinarverfahren geben? Schulamt für die Gymnasialbildung sowie geschlossen werden. Das hat zum Teil ei- Krompholz: Ja. für Religions- und Kirchenfragen zustän- nen sehr langen Vorlauf. So gab es schon dig. Er lebt in einer festen Beziehung und frühzeitig im Kultusministerium Gespräche Gab es solche Fälle in Ihrem Schul- hat zwei Kinder. Krompholz ist Kreissyno- daler und Mitglied der landeskirchlichen zum Islamunterricht, möglich ist er in Hes- ? amtsbezirk schon? Bildungskammer. sen aber erst seit vier Jahren. Außerdem Hofmann: Nein. ● Fragen: Olaf Dellit

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 9 THEMA Macher mit Kampfgeist und Beraterqualität Als „Bildungsminister der EKD“ gründete Dr. Jürgen Frank 125 evangelische Schulen

in guter Schulleiter hätte ich werden können”, der kirchlichen Bildungsarbeit wurde er schließlich lächelt Dr. Jürgen Frank (70). Man glaubt es 2000 berufen. Immer wieder ging es in dieser Zeit Edem klugen Pfarrer sofort, wenn er von sei- um das Thema Religionsunterricht. „Ich bin auf die- ner momentanen Beratertätigkeit in den Schulen sem Gebiet höchst kampfeserprobt.” Im Kirchenamt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck der EKD gehörte auch die Evangelische Schulstif- berichtet. Der ehemalige Oberkirchenrat, der bis tung zu seinem Bereich. Unter seinem Vorsitz wur- 2011 in Hannover die Bildungsabteilung der Evan- den bundesweit 125 konfessionelle Schulen neu gelischen Kirche in Deutschland leitete, ist auch im gegründet. „Ich habe von der Pike auf gelernt, wie Ruhestand ausgesprochen aktiv, teilt seinen reichen man Konzepte macht, damit evangelische Schulen Erfahrungsschatz mit anderen. Auf den Schul-Bau- funktionieren”, sagt Dr. Frank. stellen in Oberissigheim, Schmalkalden und Steina- priv. Foto: Wo konnte er beruflich am meisten bewegen? tal geht es immer wieder um Qualitätsentwicklung: Dr. Jürgen Frank Als Mitglied des Expertenkreises „Inklusive Bildung“ Wie können Organisation und Lehrbetrieb reibungs- der Deutschen UNESCO-Kommission, lautet die los laufen? Wie optimiert man das Profil einer evangelischen spontane Antwort. Frank ist der einzige Kirchenmann in diesem Schule? „Dr. Frank Consulting“ – so heißt seine Kasseler Firma – Gremium, das inklusive Bildung bundesweit stärken soll. „Inklu- weiß Rat, wenn Probleme im Bildungsmanagement zu lösen sind. sion bedeutet aus protestantischer Sicht die konsequente Umset- Als Gemeindepfarrer startete Frank 1978 beruflich in Fulda- zung der Überzeugung von der Gottebenbildlichkeit eines jeden tal-Ihringshausen, war danach Studienleiter am Predigerseminar Menschen”, sagt der Theologe. Und der Religionsunterricht? Wird in , bevor er 1991 die Leitung des Pädagogisch-Theo- es ihn in 20 Jahren noch an deutschen Schulen geben? „Eine logischen Instituts in Kassel (heute RPI) übernahm, wo er Lehrer Vernachlässigung der religiösen Bildung wäre eine schlechte Vor- und Pfarrer für den Religionsunterricht fortbildete. An die Spitze bereitung auf das Leben”, stellt Dr. Frank fest. ● Lothar Simmank

Mit Kindern philosophieren und theologisieren Die Studentin Juliane Hartung will als Religionslehrerin ein glaubhaftes Vorbild sein

as studierst du? Reli? Glaubst du da wirklich dran?” später mit jungen Christen verbrachte. Die ersten drei Semester Juliane Hartung, die 25-jährige angehende Gymnasial- begannen dann allerdings anders als gedacht: „Jeden Morgen Wlehrerin, hört solche skeptischen Fragen öfters. Das er- um acht erst mal Altgriechisch lernen ...” In Kassel jedoch, „wo zählt sie im Café in Kassels Studenten-Stadtteil Vorderer Westen. der Schwerpunkt auf Religionspädagogik und auf Gesprächen mit Für viele, sagt sie, sei ihr Studienfach „eine ganz andere Welt”, Kindern und Jugendlichen liegt”, ist Juliane Hartung gepackt von zum Beispiel wenn sie auf einem Festival Leute kennenlernt. Die ihrem Fach. Philosophieren und Theologisieren mit Kindern, das zierliche junge Frau sagt das lächelnd und ernsthaft zugleich. begeistert sie. Mit Kindern ins Gespräch zu kommen, die nicht In Hofgeismar geboren, in Trendelburg auf- religiös sozialisiert sind, ist ihr ein besonderes gewachsen mit zwei älteren Brüdern, lebt und Anliegen. „Sie müssen kritische Fragen stel- studiert sie nach einigen Theologie-Semestern len dürfen!” Vor allem aber möchte Juliane in Marburg und einem Erasmus-Jahr in Mad- Hartung, die demnächst mit ihrem Examen rid nun in Kassel. Derzeit absolviert sie ein beginnen wird, die Schüler ernst nehmen: Schulpraktikum und unterrichtet Elftklässler. „Damit das Thema Religion wieder eine Ernst- Auch ihre Mutter ist übrigens Religions- haftigkeit bekommt.” Ein glaubhaftes Vorbild lehrerin. War es da nur naheliegend, dass sie möchte sie sein, authentisch, und „für meinen dieses Fach wählte? „Ich wurde jedenfalls Glauben einstehen”. Man kann sie sich leb- schon als Kind christlich beeinflusst”, erinnert haft als mitreißende Lehrerin vorstellen. „Ich sich Juliane Hartung. Besonders das Pfarrer- möchte, dass auch Schüler anderer Konfessio- ehepaar ihrer Heimatgemeinde, das engagiert nen in meinem Unterricht sein können”, sagt Kinderbibeltage ausrichtete, hat sie beein- sie. Und freut sich auf kontroverse Diskussi- druckt. Von klein auf waren ihr „Kirche und onen: „Eine Riesenaufgabe, das unter einen Gemeinschaft” wichtig. Wie in den Sommer- Juliane Hartung studiert an der Hut zu kriegen.” ● lagern in Schweden oder Dänemark, die sie Uni Kassel Religionspädagogik Anne-Kathrin Stöber

10 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 THEMA „Ich will ihnen nichts überstülpen ...” Kathrin Bunse gibt Religionsunterricht am Berufsbildungswerk in Kassel

ls sie mit Kollegen aus dem Studienseminar würde gar nicht funktionieren.” Tiefgründig ver- vor einigen Jahren das Berufsbildungswerk laufen die Reli-Stunden dennoch. So möchten die A (BBW) in Bad Arolsen für einen „Schnup- jungen Leute häufig über den Tod sprechen. Viele pertag” besuchte, wusste Kathrin Bunse: „Das wä- hätten schon in frühen Jahren jemanden verloren. re was für mich.” An den Standorten Bad Arolsen „Sie suchen Antworten – was passiert nach dem und Kassel werden junge Menschen mit Körper- und Tod? Sie erzählen aus ihrem Leben, ihre wichtigen Lernbehinderungen, aber auch mit seelischen Be- Erfahrungen”, sagt die Lehrerin. „Das ist unglaub- einträchtigungen ausgebildet. Inzwischen arbeitet lich spannend.” Kürzlich wollten die Schüler über die dynamische 28-jährige Pädagogin bereits seit Salafismus diskutieren – Kathrin Bunse gestaltete knapp zwei Jahren am BBW in Kassel als Religi- ein Projekt zum Thema. ons- und Wirtschaftslehrerin. Sie selbst wurde früh Zensuren gibt es natürlich auch. Es werden durch ihren katholischen Vater sowie den Kinder- Kathrin Bunse Gruppen- und Einzelarbeiten beurteilt, die Schüler gottesdienst geprägt, den sie heute selbst mit einer legen Lern-Mappen an und halten am liebsten Refe- Freundin in der Heimatgemeinde hält. rate. Religiöse Vorbildung sei bei den meisten kaum vorhanden. Ihre Schüler in den Ausbildungsklassen Metall, Lagerwirt- Viele wissen nicht, ob sie getauft sind, diverse Konfessionen tref- schaft oder Holz sind 16 bis 30 Jahre alt, mehrheitlich Männer, fen hier aufeinander; etliche haben Migrationshintergrund oder sie kommen zum Beispiel von Förderschulen hierher. 90 Minuten familiäres Leid erfahren. Mancher sagt: „Ich glaube an nichts, Reli pro Woche – was läuft da? Zum Glück sei ihr der Lehrplan außer dass ich auferstehe”, berichtet Kathrin Bunse. Und schon „komplett freigestellt”, sagt Bunse. So orientert sie sich an den kann sich wieder eine spannende Diskussion entfalten. Dem- Wünschen und Bedürfnissen der Schüler und hat damit beste nächst stehen dann Fragen zur Organspende auf dem Stunden- Erfahrungen gemacht. „Ich will ihnen nichts überstülpen. Das plan – auf Wunsch der Klasse. ● Anne-Kathrin Stöber

Die Wegbegleiterin und der Sinn des Lebens Dr. Birgit Vollmar unterrichtet Religion an der Adolf-Reichwein-Schule in Marburg

eligiöses Vorwissen bei den Schülern? Dr. Birgit Vollmar die Gespräche und Diskussionen oft reflektierter als bei Jüngeren. schüttelt den Kopf: „Nichts.“ Wenn sie in einer Berufsschul- So lerne sie selbst immer noch dazu, sagt Vollmar. Rklasse vom verlorenen Sohn spreche, hätten vielleicht vier Oft sei wichtig, die Themen den angestrebten Berufen an- von 20 Schülern schon mal davon gehört. Die 35-Jährige ist seit zupassen, dann weckten sie auch Interesse. Wenn Biologisch- gut drei Jahren Lehrerin an der Adolf-Reichwein-Schule in Mar- Technische Assistenten später einmal in einem Genlabor arbei- burg, an der es sechs Bildungsgänge gibt – von der Berufsschule ten könnten, interessierten sie sich für Fragen der Bio-Ethik. Und bis zum beruflichen Gymnasium. Die Anforderungen und Bedürf- in Maurerklassen gelinge der Bezug zur Kirche oft über die Kir- nisse in den Zweigen seien sehr unterschied- chenarchitektur. In der Berufsschule sei der lich, sagt Vollmar, und gerade das findet sie Unterricht überkonfessionell und eher religi- reizvoll. onsvergleichend angelegt, da gehe es auch Nach ihrem Studium und der Doktorar- um Glück und die Frage nach dem Sinn des Foto: O. Dellit Foto: beit in Marburg – was drei Jahre ausschließ- Lebens. Wenn die Schüler in ihrem Alltag auf lich akademisches Arbeiten bedeutete – war Religion stießen, dann oft in einem negati- Birgit Vollmar klar, dass sie mit Kindern und ven Zusammenhang, etwa bei Islamismus. Jugendlichen arbeiten wollte. Es bereite ihr Dann sei es Aufgabe des Unterrichts, etwas Freude, die jungen Leute ein Stück auf ihrem gegen Klischees und Vorurteile anzubieten. Weg zu begleiten. Im Referendariat an der Im Beruflichen Gymnasium dagegen Alten Landesschule in Korbach unterrichtete gehe es viel theoretischer zu, zum Beispiel sie Schüler der Klassen 6 bis 10 in Religion, bei der Frage, wie sich die Kirche in Zukunft Ehtik und Geschichte. Nun, in Marburg, sind entwickeln wird. In fünf Bildungsgängen der die Schüler älter, in der Regel zwischen 16 Schule hat Dr. Birgit Vollmar schon unterrich- und 21. Die Pubertät, sagt die Lehrerin, hät- Vor der Adolf-Reichwein-Schule: tet, und es ist genau diese Vielfalt, die sie an ten sie also meist hinter sich, dadurch seien Religionslehrerin Dr. Birgit Vollmar ihrem Beruf liebt. ● Olaf Dellit

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 11 THEMA Fotos: O. Dellit Fotos: Sie halten Kontakt zu den Studierenden: Pfarrerin Maike Westhelle (links) in Marburg und Fabian Schmitz in Kassel kümmern sich um den theologischen Nachwuchs Zwei, die für die Landeskirche guten Kontakt zu den Studierenden suchen Maike Westhelle (Marburg) und Florian Schmitz (Kassel) knüpfen neue Verbindungen

aike Westhelle weiß, was guten den. Religionslehrer würden häufiger als liche Aufgabe wie die von Pfarrerin West- Religonsunterricht ausmacht. Oh- früher gebeten, Gottesdienste zu halten, helle in Marburg. Schmitz’ Stelle wurde auf Mne diesen – und die Jugendarbeit etwa zur Einschulung oder bei Trauerfällen Beschluss der Landessynode in Kassel neu des CVJM in Kassel – wäre sie nie Pfarrerin in der Schule. Eine wichtige Frage dabei geschaffen. geworden. Nun ist sie im Studienhaus der sei: Wie bete ich, wenn ich öffentlich bete? Er wolle bei den Studierenden den Landeskirche in Marburg für den Kontakt Das Angebot des Studienhauses ist Blick dafür schärfen, auch Vertreter der zu den Studierenden der Theologie und Re- nicht Teil des Studiums, sondern der Frei- Kirchen zu sein, sagt Schmitz. Dafür will er ligionspädagogik zuständig. zeit. „Wir konkurrieren mit Fußball, Bad- Angebote machen, oft in Kooperation mit Die Studierenden sollen durch die minton und Pilates, aber auch mit ande- der Evangelischen Studierendengemeinde Angebote des Hauses Kompetenzen er- ren religiösen Anbietern“, sagt Westhelle. in Kassel. werben können, die im Studium zu kurz Wichtig sei die Grundfrage: Wer bin kämen oder gar keine Rolle spielten. Drei Relilehrer – Zukunft der Kirche ich als Relilehrer? Die eigene Identität Bereiche nennt Westhelle: sei entscheidend, sagt Schmitz, denn es •Kommunikation: Wie bringt man das Doch es spreche sich auch herum, gehe nicht nur um Wissen, sondern auch rüber, was man zu sagen hat? Es gibt zum wenn das Studienhaus passgenaue Ange- um eine Position: „Relilehrer werden nicht Beispiel Workshops zur Spielpädagogik, bote für den Beruf macht. Dabei hat sie darum herumkommen, sich mit dem zu aber auch Veranstaltungen zur Frage, wie besonders auch die zukünftigen Lehrer im zeigen, von dem sie überzeugt sind.“ Die man in der Grundschule etwa Muslimen Auge, wohl aus eigener Erfahrung. Sie sei- Frage der eigenen Spiritualität habe an oder Zeugen Jehovas begegnet. en das Tor der Kirche zur Gesellschaft: „Ich der Universität kaum Raum, sagt Schmitz. •Hermeneutik: Was haben uns die bin fest davon überzeugt, dass die Reli-Leh- Thematisieren will er auch einen Kon- alten Texte der Bibel heute zu sagen? Es rer die Zukunft sind.“ flikt, den Florian Schmitz erst erkannt hat, geht um die Auslegung und darum, einen Florian Schmitz würde dem zweifellos als er schon Religionslehrer war. Zum ei- eigenen Standpunkt zu finden. Wichtig sei zustimmen. Vielfach kämen Jugendliche nen entstünden zu Schülern in diesem aber auch, ganz andere Auslegungen zu nur noch in der Schule mit religiösen In- Fach oft besonders persönliche Beziehun- akzeptieren: „Das ist für die jüngeren Stu- halten in Berührung, sagt der 36-Jährige. gen, gerade durch seelsorgerliche Themen. dierenden oft eine Herausforderung.“ Schmitz ist selbst Religionslehrer und seit Zum anderen habe er der Lehrer aber die •Spiritualität: Wie sieht mein eigener Anfang Februar mit einer halben Stelle Rolle desjenigen, der den Schüler bewer- Glaube aus, und wie lebe ich ihn? Westhel- „Studienleiter für die kirchliche Theologie- ten müsse. Auch da geht es um die Lehrer- le plant Werkstatt-Gottesdienste, die von studierendenförderung und -begleitung“. identität: „Wie finde ich meine Rolle?“ l Studierenden vorbereitet und gefeiert wer- Hinter dem sperrigen Titel steckt eine ähn- Olaf Dellit

12 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 THEMA Auch Lehrer brauchen Bildung Das gemeinsame Religionspädagogische Institut der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Evangelischen Foto: medio.tv/Schauderna Foto: Kirche in Hessen und Nassau (RPI) hat seinen Sitz in Marburg

ortbildung für Religionslehrer ist eine schaft eine Beauftragung hat. Und die besondere Herausforderung. Denn an- Lehrpläne können auch nicht einfach vom Fders als etwa im Fach Mathe sind die Staat umgesetzt werden, weil ein weltan- Lehrkräfte aller Schulformen herausgefor- schaulich neutraler Staat nicht bestimmen In der Bibilothek des RPI ist Fachliteratur und didak- dert, eigene (Glaubens-)Überzeugungen kann, was katholische, evangelische oder tisches Material zu finden: www.rpi-ekkw-ekhn.de zu reflektieren oder gar in den Unterricht muslimische Lerninhalte sind. Hier ist die einzubringen. Die eigene Identität ist ge- Mitverantwortung der Religionsgemein- fragt, wenn es um Fragen geht wie: Wofür schaften gefragt – ebenso wie im Bereich „Deutschlandweite bin ich eigentlich auf der Welt? Was trägt der Fort- und Weiterbildung.” mein Leben? Was gibt Sinn und Halt? Zu- Avantgarde” dem ändern sich die Voraussetzungen für Aktuelles Material anbieten Ökumenische Kooperation in der religiöse Bildung permanent – Beratung Grundaufgabe des Instituts sei es, den Religionspädagogik startet in Fulda und Begleitung tut hier not, um im Dialog Lehrern Werkzeuge und aktuelles Materi- mit den Schülern up to date zu bleiben. al an die Hand zu geben, um den Religi- ie gemeinsame kirchliche Verantwor- onsunterricht so zu gestalten, dass er für tung für die religiöse Schulbildung Service für Schulen und Lehrkräfte Dsteht im Mittelpunkt eines ökume- Seit zwei Jahren gibt nischen Pilotprojekts in Fulda: Bischof Dr. es das gemeinsame Re- »Religionsunterricht als Martin Hein und Bischof Heinz Josef Alger- ligionspädagogische In- Sachkundeunterricht macht missen segneten im Januar in Fulda das stitut (RPI) der beiden keinen Sinn.« neu gestaltete Haus der Religionspädago- hessischen evangelischen gik, in dem evangelische und katholische Landeskirchen. Eine Fusi- Pädagogen zusammen arbeiten. on, die sich bewährt hat, RPI-Direktor die Schüler relevant wird. Es soll vermittelt Hein bezeichnete das Haus, in dem die meint Direktor Uwe Mar- Uwe Martini werden, wie man die Welt verstehen und RPI-Regionalstelle Fulda und die Schulab- tini (58), denn der Service das Leben deuten kann. „Religionsunter- teilung des bischöflichen Generalvikariats für Schulen und Lehrkräfte habe sich be- richt als Sachkundeunterricht macht kei- stationiert sind, als „deutschlandweite reits verbessert. Der Standort Marburg für nen Sinn”, sagt Martini. Avantgarde”. die RPI-Zentrale in der Mitte Hessens und Ein Beispiel aus dem umfangreichen Die Vermittlung die neun Arbeitsstellen in den Regionen Fortbildungskatalog für Lehrer? „Zurzeit des Glaubens an seien ideal, denn „wir müssen mit den ein- geht es etwa um den Bereich Flucht und Schüler, die oft zelnen Schulsystemen arbeiten, und das Migration”, erläutert der RPI-Direktor. „Was eine erschrecken- geht nur, wenn wir vor Ort präsent sind”, ist, wenn ich in der Schule bei Flüchtlings- de Unkenntnis sagt Martini. Zwanzig kirchliche Studien- kindern Traumatisierungen feststelle? Das der eigenen Wur-

leiter sind daher übers Land verteilt – von ist eine große Befürchtung, die viele Lehr- zeln aufwiesen, LKA Foto: Kassel bis in den Odenwald, von Fulda bis kräfte haben. Da haben wir im letzten Jahr sei ein gemein- Haussegnung: Bischöfe nach Nassau und Mainz. Sie wollen für die eine breite Fortbildungsreihe aufgelegt, sames Anliegen Hein und Algermissen rund 10.000 Religionslehrer in Hessen da um Lehrerinnen und Lehrer in die Lage zu beider Kirchen. sein, ebenso wie für die 2.000 Gemeinde- versetzen, die Probleme zu erkennen und In dem Gebäude werden künftig Fort- und Schulpfarrer. entsprechend zu handeln.” bildungen für den Religionsunterricht ange- Warum gibt es die kirchliche Einrich- Und noch ein anderes Beispiel hat boten. Zu den gemeinsam verantworteten tung überhaupt? Müsste nicht eigentlich Martini parat: „2017 wird im Religionsun- Projekten gehört auch die Qualifikation das Land Hessen für die Ausbildung seiner terricht zum Thema Reformation gearbei- von Lehrkräften für die Erteilung von Re- Lehrer sorgen? „Der Staat delegiert das an tet. Im Jubiläumsjahr geht es nicht einfach ligionsunterricht in konfessioneller Koope- uns Kirchen”, erläutert Martini. „Das ent- nur um ein paar Playmobil-Luther-Figuren, ration. Die Bibliothek des Religionspädago- spricht dem Gesamtgerüst dessen, wie Reli- sondern in den Schulen soll darüber nach- gischen Zentrums und die Medienzentrale gionsunterricht überhaupt funktioniert: Es gedacht werden, welche Bedeutung die des Bistums verleihen zudem Bücher, Ma- kann niemand Religion unterrichten, der Reformation für heutige Menschen hat.” l terialien und Medien. l nicht von der jeweiligen Religionsgemein- Lothar Simmank

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 13 LANDESKIRCHE

Mit Barbara in der Tiefe des Berges Fotos: medio.tv/Schauderna Fotos:

s ist kalt an diesem Morgen, eiskalt. ziell für den Bergbau angepassten Texten – Die Andacht in der Tiefe des Berges Und es ist sehr früh, als sich Gäste sowie zum Abschluss das Steigerlied, ohne wird seit den 80er-Jahren ökumenisch ge- Eund Arbeiter auf dem Gelände des das bei Zusammenkünften von Bergleuten feiert, bei der Predigt wechseln sich die Kalibergwerks Neuhof-Ellers (Kirchenkreis gar nichts geht. Konfessionen ab. Die Feier selbst wird seit Fulda) versammeln. Zum Tag der Heiligen In einer Nische steht eine Figur der der Wiederaufnahme des Bergbaus im Ort Barbara, der Schutzpatronin der Bergleu- heiligen Barbara. Ist das nicht ein Wider- 1953 gehalten. Diesmal ist die evangeli- te, wird eine Andacht gefeiert – tief unter spruch, wenn Protestanten eine katholi- sche Pfarrerin Anke Mölleken Predigerin. der Erde. sche Heilige feiern? Nein, sagt Manfred Sie trägt einen schwarzen Helm mit einem Die Andacht beginnt um 6 Uhr, so Knieper, der viele Jahre lang Gemeinde- silbernen Kreuz und ist so in ihrer Funktion können die einen Bergleute nach ihrer pfarrer in Neuhof war: „Bergleute fragen gleich erkennbar. Mölleken spricht über 1. Schicht dabei sein, die anderen vor ihrer nicht nach der Konfession.“ Der Schutz Samuel 16,7: „Der Mensch sieht, was vor Schicht. Früh aufstehen mussten an die- der Arbeiter sei immer ein wichtiges An- Augen ist, aber Gott sieht das Herz an.” sem Tag auch die vielen Gäste aus Politik, liegen gewesen; „da ist es egal, wie man Nach der Andacht wird in einen an- Gesellschaft und Religion, darunter K+S- das namhaft macht“. Das Bewusstsein, ei- deren Teil des Bergwerks zum Frühstück Vorstandsvorsitzender Norbert Steiner. Alle nen gefährlichen Beruf auszuüben, habe eingeladen. Der Weg dorthin führt durch werden mit Helm und einem Selbstretter die Bergleute traditionell zusammenge- große Stollen, in denen Fackelträger auf- ausgestattet. Dieses Gerät kann Menschen schweißt, über die Grenzen von Religionen gereiht sind. Man kann erahnen, wie be- im Notfall für eine begrenzte Zeit mit Sau- hinweg. Zudem wird die Anrufung der Hei- ängstigend es ohne Licht wäre – einen hal- erstoff versorgen. ligen vom katholischen Pfarrer gesprochen. ben Kilometer unter der Oberfläche. Es ist Im Förderkorb, mit dem es in zwei Mi- Zwar sei der Bergbau heute nicht mehr so warm in der Tiefe, die dicken Winterjacken nuten auf 535 Meter Tiefe geht, spürt gefährlich wie früher, sagt Pfarrer Knieper, werden nicht gebraucht. man deutlich den Druck auf den Ohren. aber: „Das Gefühl des Ausgeliefertseins, So gestärkt, geht es zum Förderkorb. Unten angekommen, führt ein kurzer Fuß- die Dunkelheit und das Licht sind religiö- In zwei Minuten schnellt dieser nach oben weg in die Andachtshöhle mit eindrucks- se Grunderfahrungen.“ ans Tageslicht, in die Winterkälte. Und im- vollen Salzmaserungen an der Decke. Auf mer mit dem traditionellen Gruß der Berg- Bänken sitzen die etwa 300 Gäste, die Video zur Barbarafeier: www.youtube. leute: Glück auf! l Bergmannskapelle spielt Choräle – mit spe- com/watch?v=X9nCCTTnuRA Olaf Dellit

14 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 LANDESKIRCHE Bischof warnt nach Irak-Reise: „Die Christen fühlen sich schutzlos“ Delegation führte Gespräche mit hochrangigen Religionsvertretern und Politikern

ischof Prof. Martin Hein ist immer viel unterwegs. Aber diese ganz be- Bsondere Dienstreise führte den Bi- schof in ein Land im Bürgerkrieg – in den Irak. Eine Delegation des Weltkirchenrats, dem Hein angehört, besuchte die Haupt- stadt Bagdad sowie die kurdische Autono- mieregion im Norden. In Bagdad bekam Hein die angespann- te Sicherheitslage ganz direkt zu spüren: Bewaffnete auf Schritt und Tritt, Fahrten nur in gepanzerten Wagen, Sprengstoff- kontrollen am Hoteleingang. „Wem kann ich vertrauen?“ Diese Frage habe er sich dort oft gestellt, wenn der Wagen wieder an einem Checkpoint halten musste.

Die Delegation hatte ein straff orga- Council of Churches Jeffrey/World Paul Foto: nisiertes Programm voller Gesprächstermi- Hochrangige Gesprächspartner: Bischof Prof. Martin Hein und Karim Singari, Innenminister ne. Hochrangige Politiker wie der irakische der kurdischen Region im Nordirak Präsident Fudad Masum waren dabei, vor allem aber die Vertreter von religiösen vermindern, auch mit militärischer Gewalt, Da der Krieg in Syrien sehr stark in der Minderheiten im Land, aber auch Musli- denn mit diesen Menschen seien Verhand- Öffentlichkeit sei, bestehe die Gefahr, dass me. Für alle religiösen Minderheiten sei die lungen nicht möglich. Das habe auch eine das Leiden der Menschen im Irak verges- Lage seit der US-Invasion 2003 schlechter UN-Vertreterin im Irak gesagt. sen werde. Die Reise sei auch ein Signal geworden, bilanzierte Hein. Zunächst sei mehr Entwicklungshilfe gewesen: „Ihr seid nicht vergessen.“ notwendig, forderte der Bischof. Vieles Er könne gut verstehen, dass viele Nur noch 300.000 Christen im Land passiere bereits, auch von kirchlicher Sei- Menschen aus dem Irak flüchten woll- te, aber das Leben sei für die Menschen ten, sagte Hein weiter. Er selbst wisse seit Die Zahl der Christen im Zweistrom- im Irak teuer. Langfristig müsse es darum seinen Reisen in Krisengebiete vieles in land, zu dem mehrere biblische Stätten ge- gehen, Sicherheit und damit Vertrauen zu Deutschland noch mehr zu schätzen: Si- hören, habe sich seitdem von 1,6 Millionen schaffen: „Versöhnung gelingt nur, wenn cherheit, Freiheit, Wohlstand und die De- auf 300.000 Menschen reduziert. „Wenn gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist.“ mokratie. l Olaf Dellit das so weitergeht, gibt es in 20 Jahren im Einer der beein- Orient keine Christen mehr“, warnte der Bi- druckendsten Mo- schof. Die Christen fühlten sich schutzlos. mente der Reise sei Unter anderem besuchte Hein auch ein ein gemeinsames Lager, in das christliche Flüchtlinge aus Gebet gewesen, das Mossul vor dem IS geflohen sind. ein Vertreter der Hein wies auch darauf hin, dass der kurdischen Imame Großteil der dortigen Flüchtlinge Musli- zum Abschied ge- me seien. Die Spannungen zwischen den sprochen habe. Die- muslimischen Glaubensgruppen der Sun- ser habe um Verge- niten und der Schiiten seien dramatisch. bung für die Gewalt Einfache Antworten, wie man im Westen und um Segen für manchmal denke, gebe es nicht. Im Irak die Flüchtlinge ge- gebe es 66 unterschiedliche, bewaffnete beten: „Ich konnte

Milizen: „Die Lage ist ausgesprochen un- mich in diesem Ge- Hein Foto: übersichtlich.“ Es gelte, den Einfluss des bet des Imams wie- Barrieren gegen den Terror: Die Straßen, auf denen sich die Delega- so genannten Islamischen Staates (IS) zu derfinden.“ tion in Bagdad bewegte, sind stark gesichert

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 15 LANDESKIRCHE Rückmeldungen waren zum Teil aggressiv „Muslime, Christen und Juden beten zum selben Gott.“ Interview mit Bischof Prof. Dr. Martin Hein über seine These zum Verhältnis der Religionen und die Reaktionen darauf

Im Bischofsbericht vor der Landesyn- lischen Kirche – die Muslime nicht unter gen Reaktionen bis hin zu handfesten ? ode, in einem Zeitungsinterview und die Heiden subsumiert, sondern von Hä- Drohungen rechnen. Gab es das bei auch in einem Vortrag vor der EKD in retikern spricht. Häretiker sind aber die- Ihnen auch? Brüssel haben Sie die These vertreten: jenigen, die nicht an einen anderen Gott Hein: Nein. Die einzige brieflich ge- „Juden, Christen und Muslime beten zu glauben, sondern an denselben Gott, aber äußerte Hoffnung bestand darin, dass demselben Gott.” Dies hat Zustimmung auf irrige Weise. Damit ist die Frage nach mir ein Mühlstein um den Hals gehängt und heftigen Widerspruch provoziert. demselben Gott im Augsburgischen Be- werden solle, um mich zu versenken. Das Haben Sie damit gerechnet? kenntnis eindeutig entschieden. nehme ich nicht ernst. Bischof Prof. Martin Hein: Die zum Teil aggressiven Rückmeldungen haben Das ist auch eine theologisch an- Wie war die Resonanz rein zahlen- mich überrascht, weil ich den Eindruck ha- ? spruchsvolle Debatte. ? mäßig? be, sie beziehen sich auf etwas, was ich Hein: Es zeigt sich an dieser Stelle, Hein: Am Anfang war die Kritik sehr gar nicht gesagt habe. Dabei spielen Vor- dass theologische Argumentation an- heftig. Meine Position wurde vor allem im urteile eine nicht geringe Rolle. Ich habe spruchsvoll differenzieren muss. Ich habe evangelikalen Bereich öffentlich kritisiert. nie behauptet, dass der Islam, das Chris- mich mit meiner Aussage auf den engen Inzwischen ist es umgekehrt. Ich erhalte tentum und das Judentum identische Re- Gottesbegriff bezogen und gesagt, dass – auch aus den Reihen der Emeriti – viel ligionen seien. Ich habe nur gesagt: Nach wir hier eine Gemeinsamkeit haben. Dank und Zustimmung. Das Blatt hat sich meiner theologischen Erkenntnis handelt Mehr noch: Ich erwarte sogar von Mus- vollkommen gewendet. Die ursprüngliche es sich um denselben Gott, den alle drei limen, dass sie nicht bei dem Vorurteil ste- Erregungsatmosphäre ist einem Nachden- monotheistischen Religionen verehren. hen bleiben, wir Christen würden an drei ken gewichen. Aber gleich angefügt: Sie verehren ihn auf Götter glauben. Ich erwarte, dass ein ernst- Nicht nur Theologen stimmen mir zu, höchst unterschiedliche Weise. hafter Dialog versucht, die christliche Po- sondern auch Gemeindeglieder, die mir sition der Trinitätslehre nachzuvollziehen. schreiben: Wir sind Ihnen dankbar, dass Das wurde zum Teil als Angriff auf Sie versuchen, in der angespannten Situa- ? das Christentum gewertet. Wer sich in diesen Tagen öffentlich tion zwischen Christen und Muslimen die Hein: Ich stelle doch das Erlösungs- ? zum Islam äußert, muss mit hefti- Theologie als ein friedensstiftendes Poten- werk Jesu Christi wie auch die Berufung zial zu entdecken. Und wir Christen entde- Israels überhaupt nicht in Frage. Es ist ei- cken in dieser Diskussion die trinitarische ne ganz andere Ebene, mit der wir es zu Weite unseres Gottesbegriffes wieder.

tun haben. Ich versuche, in dem Bezug Greiner Foto: auf den gemeinsamen Gott die Menschen Kritiker sagen, Sie würden verfolg- guten Willens in allen drei Religionen an- ? ten Christen in muslimischen Län- zusprechen und zu mehr Gemeinsamkeit dern schaden. einzuladen. Hein: Der Vorwurf, ich würde den Christen in arabischen Ländern in den Rü- Welcher Kritik mussten Sie sich stel- cken fallen, ist absurd. Zum einen ist im ? len? Arabischen „Allah“ schlicht die Gottesbe- Hein: Mir ist unterstellt worden, ich zeichnung auch für Christen. Zum anderen: wolle das Christentum auflösen oder die Ich bin im Oktober 2016 in Syrien gewe- Bedeutung Jesu Christi, des Kreuzes und sen und im Januar 2017 aus dem Irak zu- seiner Auferstehung leugnen. Bis dahin, rückgekommen und habe mich genau mit dass mir ein Pfarrer unserer Landeskirche der Lage der Christen befasst. Mein Fazit: nahegelegt hat zurückzutreten, weil ich Wenn es so weitergeht, wird es dort in 20 nicht mehr auf dem Boden von Bibel und Jahren keine Christen mehr geben. Bekenntnis stünde. Mögliche Kritik habe Die Frage aber, wie Muslime mit Chris- ich vorher schon im Blick gehabt – aber ten umgehen und wie Christen bei uns in dieser Gestalt nicht. Eine kleine Pointe Eine ausführlichere Version des Interviews mit Muslimen, hat mit der Frage, ob wir ist, dass selbst das Augsburger Bekenntnis mit Bischof Hein finden Sie unter an denselben Gott glauben, zunächst ein- – also das Grundbekenntnis der Evange- www.blick-in-die-kirche.de mal nichts zu tun.

16 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 Foto: epd-bild Foto: LANDESKIRCHE

Christen und Muslime feiern gemeinsam: Einschulungsfeier in der Albert-Schweitzer-Grundschule in Hannover mit Pastorin Dorothee Blaf- fert und Imam Mohammed Ibrahim. Bischof Hein plädiert bei solchen Feiern für einzeln gesprochene Gebete der verschiedenen Religionen

Was folgern Sie daraus? den durch Christus in den Bund hineinge- Würden Sie auch einen Einschu- ? Hein: Ich habe mit muslimischen nommen, den Gott mit Israel geschlossen ? lungsgottesdienst in einer Moschee Vertretern – in Bagdad etwa mit dem Di- hat. Muslime sagen, sie könnten ohne das für denkbar halten? rektor der Religionsbehörde der Schiiten alles auskommen. Jesus sei zwar ein wich- Hein: Ich könnte es mir letzten Endes – über meine These gesprochen. Er teilt tiger Prophet, der letzte vor Mohammed, vorstellen, aber das hat dann mit den sie vollkommen. Es ist für ihn derselbe und Maria sei auch wichtig, aber im Grun- Mehrheits- und Minderheitsverhältnissen Gott, obwohl er vollkommen andere Kon- de brauchten sie das nur als Vorbereitung zu tun und es setzt immer voraus, dass der sequenzen daraus zieht. Wenn man sich auf die alleinige Offenbarung Gottes im christliche Part auch zur Geltung kommt. nicht bekämpft, sondern fragt: „Wie siehst Koran. Doch ohne das Christentum ist der Der Versuch ist ja, das Gemeinsame du das?“, dann ist das die Öffnung eines Islam nicht denkbar. zu betonen, aber das ist unter den ge- Dialogs. genwärtigen politischen Entscheidungen Bei einem Gespräch mit dem Rat der Also gibt es doch große Differenzen ausgesprochen schwierig. Wir haben es un- Imame in Erbil, Kurdistan, mündete das ? zwischen den Religionen? bestritten mit islamischem Terror zu tun. Gespräch in ein Gebet, zu dem uns der Hein: Die erste Person der Trinität Er kann sich nicht aus den Wurzeln des Imam einlud. Er bat um Vergebung für all steht bei allen außer Frage. Ich als Christ Islam begründen, aber er macht sich den das, was Muslime im Irak Christen antun. kann mich nicht frei machen von meiner Koran zunutze, um Unterdrückung, Diskri- Damit war für mich auch die theoretische eigenen Glaubenserfahrung. Natürlich minierung und terroristische Attacken zu Frage nach den Formen des Gebetes durch glaube ich an Christus. Die Frage ist, ob legitimieren. die Praxis eingeholt. Es war ein Gebet, zu die Offenbarung Gottes durch den Heili- dem er uns eingeladen hatte und das ich gen Geist nicht weiterreicht und auch je- Seit einigen Jahren gibt es auch von Anfang bis Ende mitbeten konnte. ne umfassen kann, die Christus leugnen, ? islamischen Religionsunterricht an und trotzdem vom Licht des Evangeliums den Schulen. Wie sehen Sie das? Ihre Kritiker halten vor allem die erfasst werden. Hein: Die beiden evangelischen Kir- ? Dreieinigkeit für einen nicht auf- chen in Hessen waren von Anfang an sehr zulösenden Gegensatz zwischen den Nehmen wir als Beispiel Einschu- dafür, dass ein konfessionell bestimmter Religionen. Wenn Gott Vater, Sohn und ? lungsgottesdienste, die religions- islamischer Religionsunterricht in Hessen Heiliger Geist ist, dann geht derselbe übergreifend gefeiert werden ... eingeführt wird. Ich finde es wichtig, dass Gott nicht ohne Jesus Christus? Hein: Unsere Kammer für Mission und nicht eine allgemeine Religions- oder Is- Hein: Natürlich nicht. Das wäre ja ge- Ökumene steht einem interreligiösen Ge- lamkunde unterrichtet wird, sondern dass radezu fatal, dann wären wir keine Chris- bet mit gemeinsamen Formulierungen, ein authentischer islamischer Unterricht ten. Aber die Offenbarung Gottes in Jesus die allen Religionen gemäß sind, eher zu- stattfindet. Und je besser die Lehrbücher Christus ist nicht die alleinige. Im jüdisch- rückhaltend gegenüber. Ein multireligiöses gestaltet sind, desto mehr trägt der Un- christlichen Dialog sind wir so weit gekom- Gebet ist da angemessener; das heißt, die terricht zur Kenntnis der anderen wie der men, sagen zu können: Gottes Offenba- einzelnen Vertreterinnen und Vertreter der eigenen Religion bei. l rung in der Tora ist für das Volk Israel die Religionen sprechen ein Gebet für sich in letztgültige und abschließende. Wir wer- einem gemeinsamen Gottesdienst. Fragen: Olaf Dellit, Lothar Simmank

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 17 LANDESKIRCHE

Hans-Günter-Pasche, langjähriger Leiter Umfrage: Von Personen der Kasseler Friedhofsverwaltung, ist am 1. November 2016 im Alter von 85 Jahren Nachwuchsmangel gestorben. Der gelernte Gärtner und stu- dierte Gartenbautechniker verwaltete von im Ehrenamt 1970 bis 1993 die 13 kirchlichen Friedhöfe in Kassel. Als engagiertes ehrenamtliches ehlender Nachwuchs im Ehrenamt ist Dr. Anne-Ruth Wellert Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Friedhof einer Umfrage zufolge das größte Pro- (41), Leiterin des Rechts- und Denkmal (AFD) setzte der ausgewie- Fblem evangelischer und katholischer referates, wird Dezer- sene Fachmann zudem Akzente für das Kirchengemeinden. Fast jeder Fünfte von nentin für Arbeits- und deutsche Friedhofswesen. Das Erschei- 1.000 befragten Gläubigen habe dies bei Schulrecht der Evangeli- nungsbild und die gestalterische Qualität der Frage nach den größten Problemen schen Kirche von Kurhes- der Grabstätten und Grabmale auf den

an erster Stelle genannt, heißt es in einer medio.tv/Schauderna Foto: sen-Waldeck. Der Rat der Friedhöfen war ihm ein leidenschaftliches nicht repräsentativen Umfrage der „Zeit“- Landeskirche berief sie zur Nachfolgerin Anliegen, so die AFD in einem Nachruf. Beilage „Christ & Welt“. von Oberlandeskirchenrat Rüdiger Joedt, Weitere 60 Prozent gaben demnach der zum 30. April in den Ruhestand treten Sven Hardegen arbeitet seit Mai 2016 an, die Freiwilligen ihrer Gemeinde seien wird. Als Dezernentin wird sie dem Kolle- als juristischer Referent im Evangelischen überlastet. Ein Mangel an Hauptamtlichen gium des Landeskirchenamtes und damit Büro in Wiesbaden. Jörn Dulige, Beauf- dagegen wurde erst an siebter Stelle ge- der Kirchenleitung angehören. tragter der evangelischen Kirchen in Hes- nannt. An der Umfrage nahmen den An- Wellert studierte Rechtswissenschaf- sen am Sitz der Landesregierung, wurde gaben zufolge zu etwa 36 Prozent haupt- ten in Göttingen und promovierte im Fach der Titel „Oberkirchenrat” verliehen. Ge- amtliche Kirchen-Mitarbeiter teil, knapp Staatskirchenrecht. Von 2004 bis 2012 tragen wird das Büro von den drei evan- 64 Prozent waren Ehrenamtliche. arbeitete sie als Juristin in verschiedenen gelischen Kirchen in Hessen: der Evan- Das zweitgrößte Problem der Ge- Funktionen im Kirchenrechtlichen Institut gelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, meinden seien Reformprozesse der Lan- der EKD und im EKD-Kirchenamt: So war der Evangelischen Kirche in Hessen und deskirchen und Bistümer, hieß es weiter. sie 2006 als Referentin für Menschen- Nassau sowie der Evangelischen Kirche im Die knappe Zeit der Ehren- und Haupt- rechtsfragen und von 2007 bis 2012 als Rheinland. Als weiterer Träger kommt die amtlichen werde durch die Umsetzung Referentin für Kirchenmitgliedschaftsrecht, Diakonie Hessen hinzu, die ebenfalls durch der Maßnahmen zusätzlich beansprucht, Internationales Recht und Menschenrech- einen neuen Mitarbeiter vertreten werden „obendrein mit Aufgaben, die sich den te tätig. Seit Mai 2012 leitete Wellert das soll. Angesichts zunehmender diakonischer Menschen nicht immer erschließen“. Rechtsreferat im Landeskirchenamt der und juristischer Fragestellungen gelte es, Evangelischen Kirche von Kurhessen-Wal- die Präsenz am Sitz der Landesregierung Reformprozesse und Überalterung deck. zu erweitern und fachkundig zu verstärken. Knapp 18 Prozent hätten angegeben, die Umsetzung der Reformprozesse fordere ihre Gemeinde derzeit am meisten heraus. Kassel: Größtes Diakonisches Werk An dritter Stelle stehe Überalterung: 16,8 Prozent der Teilnehmer gaben den Mangel in Kurhessen-Waldeck am Start an jungen Mitgliedern als größtes Problem an. Dieser Befund werde von Alt und Jung it dem Diakonischen Werk Region eines dreijährigen Beratungsprozesses. geteilt, das Problem sei überkonfessionell. Kassel hat zum Jahresbeginn das Herzstück der diakonischen Arbeit bleibe Auf den weiteren Plätzen folgten Mit- Mgrößte Diakonische Werk in der nach wie vor das Eintreten für Arme und gliederschwund, Verwaltungsaufwand, Evangelischen Kirche von Kurhessen-Wal- Schwache, betonte Bechtel. Geld und Personal. Als nachgeordnete deck seine Tätigkeit aufgenommen. Das Die Neuorganisation trage auch den Probleme gelten Inklusion, Kirchenschlie- aus der Fusion der beiden Diakonischen zurückgehenden Finanzen Rechnung. Der ßungen und politische Radikalisierung von Werke Kassel und Hofgeismar- jährliche Gesamtetat von 9,5 Millionen Gemeindegliedern. Auch die Politisierung entstandene Werk habe rund 200 haupt- Euro weise derzeit ein leichtes Defizit auf, der Kirchen in der Flüchtlingsdebatte se- amtliche Mitarbeiter, sagte Geschäftsfüh- das aber durch Rücklagen gedeckt werden hen nur wenige als Problem. Die Umfrage rer Gerd Bechtel. Das Werk sei in vier Kir- könne. 1,5 Millionen Euro kämen aus kirch- erfolgte laut „Christ & Welt“ über einen chenkreisen tätig und erreiche rund ein lichen Mitteln, die Arbeit einiger Bereiche Online-Fragebogen. Die Befragten aus Viertel aller Gemeindeglieder der EKKW. werde beispielsweise vom Landeswohl- ganz Deutschland waren zwischen 16 und In dem neuen Werk würden alle bis- fahrtsverband oder von den Pflegekassen 75 Jahre alt, zu 63 Prozent evangelisch, zu herigen Arbeitsverhältnisse fortgesetzt, refinanziert. In Zukunft müssten auch an- 25 Prozent katholisch und zu elf Prozent betonte der Wolfhager Dekan Gernot Ger- dere Finanzierungsquellen erschlossen wer- freikirchlich. l epd lach. Die neue Struktur sei das Ergebnis den. l epd

18 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 LANDESKIRCHE

Schließt eine Baulücke in der Kasseler Innenstadt: Das neue Zentralgebäude der Evangelischen Bank erweitert den bisherigen Standort Evangelische Bank baut Kasseler Hauptsitz für 30 Millionen Euro um

ie Evangelische Bank will ihren dahin bezogen werden. Der Umbau sowie auch die Einrichtung einer Caféteria und Hauptsitz in Kassel bis Ende 2019 die damit verbundene Zentralisierung wer- einer Kantine sei geplant. Ferner werde ein Dgrundlegend umbauen. Die zahl- de auch Auswirkungen auf das Personal kapellenartiger „Raum der Stille” geschaf- reichen Herausforderungen wie etwa das haben, kündigte Katzenmayer an. So sol- fen, der in die Schalterhalle hineinrage. Niedrigzinsumfeld und die Digitalisierung len in den kommenden fünf Jahren 39 der „Das Gebäude soll auch als Kirchenbank erforderten eine Zentralisierung der Akti- rund 500 Stellen bundesweit sozialverträg- erkennbar sein”, sagte Fröhlich. vitäten der Bank, sagte der Vorstandsvor- lich abgebaut werden. Zugleich würden in Bei dem Umbau solle viel Holz verwen- sitzende Thomas Katzenmayer bei der Vor- der Kasseler Zentrale aber 15 neue Stellen det werden, kündigte Architekt Alexander stellung der Pläne in Kassel. Zudem seien geschaffen. Reichel an. Die Fassade werde aus hellem die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr Nach dem Umbau solle das Gebäude Kalkstein sein, der 1950er-Jahre-Charakter zeitgemäß, zu klein und „eine energetische auch der Öffentlichkeit stärker zur Verfü- des neu integrierten Hauses, das in den Katastrophe”. Das aus den 1980er-Jahren gung stehen, kündigte der Generalbevoll- 1970er Jahren umgebaut wurde, wieder- stammende Gebäude solle bis auf das mächtigte, Joachim Fröhlich, an. So werde hergestellt. „Es wird ein nachhaltiges Ge- l Tragewerk entkernt und ein bisher vermie- es einen Veranstaltungsbereich geben, bäude werden”, sagte er. epd/Si ArchitektenReichel Grafiken: tetes, in unmittelbarer Nähe befindliches Haus aus den 1950er-Jahren nach einem Umbau mit dem neuen Baukörper verbun- den werden. Durch die Neuordnung wird am Stand- ort Seidlerstraße die bisherige Fläche des Hauptgebäudes auf rund 12.000 qm fast verdoppelt. „Diese zusätzlichen Flächen le- gen wir wie einen neuen Mantel um das alte Gebäude herum und formen damit die städtebauliche Figur“, erklärte Archi- tekt Alexander Reichel. Die Gesamtkosten des Umbaus bezifferte Katzenmayer auf insgesamt rund 30 Millionen Euro, davon 26 Millionen reine Baukosten. Gestartet werden solle der Umbau im dritten Quar- tal 2017, vorausgesetzt, ein in Aussicht befindliches Ausweichquartier könne bis Die gläserne Schalterhalle verbindet zwei Gebäudeteile und enthält einen „Raum der Stille”

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 19 LANDESKIRCHE Von Drohungen, Pistolen und Flucht: Der afghanische Journalist Rajabi erzählt Landeskirchen und Diakonie wenden sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan

ie Umstände sind Abdul Karim Rajabi etwas peinlich. Ein karger DTisch, Plastikstühle, kahle Wände. In seiner Heimat Afghanistan hätte er sicher einen Tee angeboten, doch Karim Rajabi sitzt jetzt auf dem Flur der Gemein- schaftsunterkunft in Sontra und erzählt von sich und von seinem Land. Der 24-jährige, so berichtet er, stand bereits kurz vor einer Abschiebung, doch seine Rechtsanwältin legte Widerspruch ein. Rajabi gilt als besonders gefährdet, weil er in Afghanistan sowohl für die Bun- deswehr als auch als Journalist gearbeitet hat. In der deutschen Politik gibt es zuneh-

mend Bestrebungen, nach Afghanistan ab- Rühl Fotos: zuschieben. Die evangelischen Kirchen so- Warten auf die Entscheidung: Abdul Karim Rajabi floh aus Afghanistan. In Sontra wartet er wie die Diakonie in Hessen sprechen sich nun, wie das Gericht über sein Schicksal befindet strikt dagegen aus. „Eine Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit nicht zumutbar“, suchte sein Glück in der Hauptstadt Kabul, den gebe es für Afghanen derzeit nicht, sagt Detlev Knoche, Leiter des Zentrums wo er für das Fernsehen arbeitete. berichtet er. „Für mich ist es hier nicht ein- Oekumene: „Die Sicherheitslage ist prekär fach“, sagt er. Er habe studiert und eine und unvorhersehbar.“ Falscher Alarm in Kabul Arbeit gehabt, sagt er. Ohne die Sorge um Prekär und unvorhersehbar – was sich seine Sicherheit wäre er wohl in Afghanis- hinter solchen Begriffen verbirgt, hat Ka- Eines Tages, so erzählt er, erreichte tan geblieben. Für den 24-Jährigen steht rim Rajabi selbst erfahren. Seine Berich- ihn nach der Arbeit ein Anruf auf dem fest: „Wer keine Probleme in Afghanistan te über die afghanische Armee und ihre Handy: Es habe einen Bombenanschlag hat, der kommt nicht nach Deutschland.“ Verbündeten seien oft positiv gewesen, gegeben. Der Journalist alarmierte seinen Und wenn er von Problemen spricht, erzählt er. Rajabi setzte auf die Zukunft. Kameramann und den Fahrer und machte meint er die Bedrohungen, die Bombenat- Den Taliban war das gar nicht recht. Raja- sich auf den Weg zur Redaktion – zu Fuß. tentate und die Schießereien. Probleme! bis Telefon klingelte. Er solle auf sich auf- Zwei Männer – einer auf jeder Straßensei- Er erzählt von einem Journalistenkollegen, passen, sagte der Anrufer. Eine typische te – fielen ihm auf: Wenn Rajabi schneller der verprügelt und in ein Auto gezerrt wur- Einschüchterungstaktik. ging, gingen sie auch schneller. Irgend- de. Probleme! Von einem Kameramann, Rajabi verließ seine Heimatprovinz wann kamen sie näher, doch ihm glückte der mehrere Pistolenkugeln abbekam. Von Balkh im Norden Afghanistans und ver- die Flucht in die Redaktion, wo immer fünf den Hazara, einer ethnischen Minderheit, Sicherheitsleute Dienst haben. Den Bom- die besonders gefährdet sei. Probleme! BUCHTIPP benanschlag, so stellte sich heraus, gab es Seit 2015, dem Jahr seines Abschiedes, Zu Afghanistan gibt es mittlerweise eine gar nicht. sei es noch schlimmer geworden. Rajabi ganze Reihe guter Bücher. Qais Akbar Karim Rajibi, der älteste Sohn der Fa- steht per Facebook und Whatsapp in Kon- Omar erzählt in „Die Festung der neun milie, entschloss sich zu gehen. Sein Va- takt mit seinen Eltern, seiner Schwester Türme“ von seiner Kindheit, Gewalt, ter, der einen Laden betreibt, verkaufte und seinem Bruder, der als Fotojournalist Kinderspielen, Flucht und Rückkehr. Das sein Haus, um die Flucht zu finanzieren. arbeitet. „Niemand weiß, ob er am Abend Buch ist wohl nur noch antiquarisch oder Mit dem Auto fuhr er nach Tadschikistan gesund nach Hause kommt“, beschreibt im englischen Original erhältlich. Die deut- und landete im September 2015 mit dem er die Grundstimmung. Sein Bruder, der sche Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel Flugzeug in Frankfurt. Seitdem hofft er, Fotograf, bekam auch schon Besuch: Ein zog mit 27 Jahren nach Kabul und blieb dass er in Deutschland bleiben darf. Raji- Vermummter bedrohte ihn. ein Jahr dort. Sie erzählt in 13 Geschichten davon, wie die Afghanen ihr Land und den bis Deutsch ist verständlich, könnte aber Zum Abschied legt Karim Rajabi die Krieg erleben: „Ausgerechnet Kabul“ (DVA, noch besser sein, wenn er ein Anrecht auf rechte Hand aufs Herz, wie es üblich ist in 256 Seiten; 17,99 Euro). einen weiteren Deutschkurs hätte. Doch seiner fernen Heimat. l Olaf Dellit

20 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 LANDESKIRCHE Mit 17 auf der Straße: „Unsere Stimme“ hilft jungen Frauen in Kirgistan Kurhessisches Gustav-Adolf-Werk unterstützt soziale Arbeit der Lutherischen Kirche

achabat war 17 Jahre alt, als sie plötzlich auf der Straße stand. Sie Mhatte weder einen Beruf erlernt noch gelernt, für sich selbst zu sorgen, nachdem sie aus dem staatlichen Kinder- heim in Kirgistan entlassen worden war. Doch Machabat (Name geändert) hatte Glück, die von der lutherischen Kirche gegründete Stiftung „Unsere Stimme“ in Bischkek nahm sie auf. Das Gustav-Adolf-Werk (GAW) Kurhes- sen-Waldeck pflegt seit zwei Jahrzehnten eine enge Partnerschaft zur Evangelisch- Lutherischen Kirche in Kirgistan (ELKK). Über diese Minderheitskirche im Vielvöl-

kerstaat Kirgistan soll Rühl Fotos: hier berichtet und exem- Zuhause auf Zeit: Die Stiftung „Unsere Stimme“ in Kirgistan kümmert sich um junge Frauen plarisch ein Projekt vorge- im Alter zwischen 16 und 25 Jahren stellt werden. 14 Gemeinden sind Seit 2012 besteht in Bischkek das Pro- Dazu waren sie mit zwei Mädchen im Par- über das ganze Land ver- jekt „Unsere Stimme“. Diese Einrichtung lament und sprachen mit Abgeordneten. Ainura streut. Eine der größten setzt sich für junge Frauen im Alter von 16 „Wir haben damit die Gesetzesänderung Ormonova existiert in der Haupt- bis 25 Jahren ein, die aus staatlichen Kin- bewirkt, nach der inzwischen jeder Volljäh- stadt Bischkek. Bischof derheimen entlassen werden. Dort finden rige in Kirgistan ein Recht auf Unterkunft der ELKK ist seit 2005 Alfred Eichholz. sie ein Zuhause auf Zeit. Ainura Ormono- hat. Unsere Stimme wird langsam lauter.“ Beim Blick in die „Schweiz Zentral- va, Leiterin der Einrichtung, berichtet: „Wir Das sozialdiakonische Engagement der asiens“, kann man staunen, was eine Min- nehmen die Mädchen bei uns auf, wenn lutherischen Kirche in Kirgistan insgesamt derheitskirche mit annähernd 1.000 Ge- sie aus den staatlichen Kinderheimen ent- wird in der Gesellschaft wahrgenommen. meindegliedern zu bewirken vermag. Die lassen werden. Sie haben keine Familie Davon berichtet immer wieder Bischof Al- ELKK versucht, die Herausforderungen und würden auf der Straße landen.“ fred Eichholz. So habe ein einflussreicher zu meistern: den Schwund an Gemeinde- Der Weg der Mädchen führe oftmals Moslem im Hinblick auf die diakonische gliedern infolge von Auswanderung, die in die Prostitution. „Wir können das zu ver- Arbeit der ELKK geäußert: „Diese Religion schwierige wirtschaftliche Lage und der hindern versuchen. Die Mädchen ergreifen ist eine gute Religion.“ Kampf um die Anerkennung als „Kirche“ dankbar die Chance, einen Beruf zu erler- Damit diese Arbeit auch weiter ge- im muslimisch geprägten Land. nen. Manche streben sogar ein Studium währleistet ist, setzen sich das Gustav- an. In unserer Einrichtung lernen die Mäd- Adolf-Werk Kurhessen-Waldeck und die INFOKASTEN chen den Weg in ein selbstständiges Le- Landeskirche von Kurhessen-Waldeck Die Frauenarbeit im GAW hat die sozial- ben. Jedes Jahr können wir zehn Mädchen gemeinsam ein. Seit 20 Jahren hat sich diakonische Arbeit der Evangelisch-Lutheri- bei uns aufnehmen.“ So wie Machabat. die Partnerschaft mit der ELKK bewährt. schen Kirche in Kirgistan als Jahresprojekt Bei allen positiven Einschätzungen Durch regelmäßige wechselseitige Delega- 2017 gewählt und bittet um Unterstüt- sieht Leiterin Ormonova die Einflussmög- tionsbesuche aus Kirgistan und Kurhessen- zung: Evangelische Bank eG lichkeiten der Stiftung auch kritisch: „Mit Waldeck bekommen die Gäste einen un- IBAN: DE 94 5206 0410 0000 8006 00 der Arbeit, die wir machen, ist das Gesamt- mittelbaren Eindruck, wie Gemeinde und Nach dem Kollektenplan unserer Landes- problem nicht gelöst. Es ist ebenso wich- Diakonie im jeweils anderen Land funkti- kirche ist die Kollekte in den Gottesdiens- tig, Gesetze zu ändern und diese durch- onieren. l ten am 12. März für die Stiftung „Unsere zusetzen.“ Zum Glück sei es ihnen bereits Stimme“ bestimmt. Weitere Informationen über die vielfältige gelungen, das Problem der ehemaligen Ulrike Kany, Arbeit des GAW Kurhessen-Waldeck unter: Waisenheimkinder in der Regierung und Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit www.gaw-kurhessen-waldeck.de in der Gesellschaft zum Thema zu machen. Gustav-Adolf-Werk Kurhessen-Waldeck

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 21 LANDESKIRCHE Wenn Menschen Engel schützen müssen Kirchenerhaltungsfonds gibt mehr als 400.000 Euro an neun Gemeinden

ngel schützen ja eigentlich das Irdische vor Schaden. In der Kirchengemeinde EOdensachsen ist es umgekehrt: Mehr als 100 Menschen sind da jetzt „Engels- retter“. Um Spenden zu sammeln, hat die Gemeinde Patenschaften für die Engel und Sterne vergeben, die an das Deckengewölbe der Kirche gemalt sind. Für die Sanierung hat man 37.000 Euro gesammelt – mehr als ein Drittel davon aus der „Engelsretter“- Aktion. Die landeskirchliche „Stiftung Kir- chenerhaltungsfonds” hat dieses Geld ver- doppelt. Genauso wie die Spenden, die acht weitere Gemeinden für die Innensanierung ihrer Kirchen gesammelt haben. Die Urkun- den haben die Gemeinden Ende Januar vom Siftungsvorsitzenden Andreas Fehr bekommen. „Aktion Engelsretter“: Diese Engel an der Kirchendecke in Odensachsen haben Paten bekommen Insgesamt haben die beteiligten Kir- chengemeinden 417.990 Euro Spenden ge- verteidigungskurs angeboten, dessen Teil- hieß es in der Dankesrede der Gemeinde sammelt. In Alheim-Oberellenbach wurde nahmebeiträge in die Aktion flossen. Die . Anders als in den vergangenen um die Spenden wortwörtlich gekämpft: 82.100 Euro aus dem Fonds sind bitter Jahren knackte 2016 keine Gemeinde die Der Sohn der Küsterin ist Europameister im nötig, denn nicht nur das Spendensam- 100.000-Euro-Marke. Die Kirchengemeinde Kampfsport „Esdo“ und hat einen Selbst- meln ist ein Kraftakt: Die Kirche wird mit Diemelsee kratzt zumindest daran: Für die Schrauben zusammengehalten, weil Turm Kirche in Adorf sammelte sie 96.500 Euro. und Schiff auseinanderdriften, eine Holz- Es gehe beim Kirchenerhaltungsfonds aber konstruktion muss den Chorbogen stützen, nicht um eine Rangliste, stellte Fehr klar. und das Gebälk in Dach und Turm musste Die Höhe der Spenden ist von der Gemein- wegen Schimmel und schlechter Reparatu- degröße abhängig. Deswegen waren viele ren schon ausgetauscht werden. der Dankesredner gerührt: Es habe sich ge- zeigt, wie wichtig die Kirche im Ort sei – Niedrigzins bringt weniger Geld schließlich kamen Spenden bis zu 270 Euro pro Gemeindemitglied zusammen. l Die Zahl der geförderten Projekte ist Götz Greiner zurückgegangen – vergangenes Jahr beka- men 13 Projekte insgesamt 756.600 Euro. KIRCHENERHALTUNGSFONDS Das liege an der Niedrigzinspolitik der Eu- opäischen Zentralbank, kommentierte der Neun Gemeinden bekamen Geld aus dem Vizepräsident Volker Knöppel, der auch im Fonds für ihre Kirchen: Stiftungsvorstand ist – der Stiftung fehlen • Alheim: 82.100 Euro die Gewinne aus den Zinsen, aus denen • Altendorf: 41.800 Euro Fotos: Gerhard Jost Gerhard Fotos: das Fördergeld komme. Der Kasseler Regie- • Buchen: 53.900 Euro Für den Innenraum ihrer Kirche hat die rungspräsident Walter Lübcke sagte in sei- • Diemelsee: 96.500 Euro Adorfer Gemeinde 96.500 Euro gesammelt nem Grußwort: „Wenn kirchliche Gebäude • Herrenbreitungen: 33.600 Euro • Niestetal: 40.000 Euro Unten: Details wurden liebevoll renoviert aufgegeben werden, ist das ein Zeichen für • Odensachsen: 37.000Euro schlechte Zeiten.Stiftungen erhalten Werte.“ • Schönstadt: 12.500 Euro Der Wert einer Förderung durch den Fonds • Wiesenfeld: 20.900 Euro zeigt sich bei den Gemeinden: „Als im Som- mer klar war, dass wir auf der Projektliste Stiftung Kirchenerhaltungsfonds: der Stiftung sind, hat das richtig motiviert, 0561 9378 217 www.kirchenerhaltungsfonds.de da ist nochmal viel Geld hereingekommen“,

22 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 LUTHER 2017

Kurhessen-Waldeck feiert das Reformationsjubiläum Was bisher geschah (1) Kleine Auswahl der Ereignisse in der EKKW

Europäischer Stationenweg in Schmalkalden Foto: K. Voigt Foto: Für den Kirchenkreis Schmalkalden war es ein ganz besonder Tag, als Anfang Dezember 2016 der blaue Luther-Truck zwischen den Fachwerkhäusern in der Altstadt parkte. Das Fahrzeug, das noch bis Mai durch 19 europäische Länder fährt und in 67 Orten Refor- mationsgeschichten sammelt, sowie die flankierenden Großveranstaltungen sorgten in Schmalkalden für eine überwältigende Resonanz: Insgesamt beschäftigten sich an diesem Fotos: L. Simmank Tag 3.500 Menschen mit Themen der Reformation. Neben über 1.000 Schülern, die bei Diskussionen und auf einer Reformations-Stadtrallye dabei waren, kamen 350 Besucher in den Truck. Die Krönung waren 2.000 Menschen auf dem „Klingenden Altmarkt”: Zusammen mit Kirchentags- Weltoffenes präsidentin Christina aus der Au und Bischof Martin Hein Ereignis sangen sie am Abend auf dem Platz Adventslieder. Das Reformationsjubiläum 2017 „Aktion Engelsretter“: Diese Engel an der Kirchendecke in Odensachsen haben Paten bekommen wird der Reformationsbotschaf- terin Margot Käßmann (Foto, Mitte) zufolge ein ökumenisches, weltoffenes und internationales Ereignis werden. Die Reformation Foto: medio.tv/Schauderna Foto: sei eine breite Bewegung gewesen, die alles verändert habe, auch die katholische Kirche, sagte Käßmann Anfang Dezember 2016 auf dem Adventsempfang der Evangelischen Kirche von Kurhessen- Waldeck. Die Protestanten gingen mit ausgestreckter Hand in das Jubilä- Wander- Foto: Stadt Marburg/H. Krause Stadt Marburg/H. Foto: umsjahr. „Uns verbindet mehr, als uns ausstellung trennt”, sagte Käßmann. Marburger Ökumenegespräch Um zwölf verschie- dene Frauen aus Zum 15. Marburger Ökumenegespräch begrüßte der Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies dem Mutterland der (Foto, r.) prominente Gäste in der Alten Aula der Universität: (v. l.) den Philosophen Prof. Kurt Reformation ging es Flasch, die Botschafterin am Heiligen Stuhl in Rom, Annette Schavan, und den protestantischen im Februar bei einer Pfarrer Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg. Im Jahr des Reformationsjubiläums, in dem sich Foto: O. Dellit Ausstellung im Kasseler vieles um die Person Martin Luthers dreht, sollte das Ökumenegespräch einen persönlichen Landeskirchenamt. „Patinnen” aus der Gegenwart Charakter tragen. Die Gäste nahmen Stellung zur Frage, inwieweit die christliche Sozialisation stellen dabei ihre „Ahnin” vor. Im April ist die ihren Werdegang und ihr gesellschaftliches Engagement beeinflusst hat. Ausstellung noch einmal in Eschwege zu sehen.

Martin Luther – aus besonderem Holz geschnitzt

Dialogtheater zwischen Mensch und Marionette erlebten 200 Besucher Ende Januar in der Marienkirche in Hanau. Roland Richter, Leiter des Hanauer Marionettentheaters, spielte Szenen aus dem Leben Martin Luthers mit einer 75 Zentimenter großen Marionette vor dem Altar. Gefühle und Gedanken des großen Theologen kamen dabei zur Sprache. Mithilfe weniger Requisiten wurden der Ablassstreit und der Thesenanschlag, der Reichstag zu Worms, das Leben auf der Wartburg und die Zeit als Re- formator in Wittenberg lebendig. Ansonsten blieb viel Raum für Fantasie auf der schwarzen Bühne, die durch die Dialoge und die musikalische Untermalung durch den Kantor der Marienkirche Christian Mause geweckt wurde. Das Stück schrieb die Kindergottesdienstbeauftragte für den Spren- Fotos: I. Fetzer Fotos: gel Hanau, Pfarrerin Ines Fetzer aus Maintal.

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 23 SERVICE

Veranstaltungsort: Evangelische Tagungs- Termine stätte Hofgeismar, Ansprechpartner: Sabi- ne Piotrowski-Dionysius › Mehr im Internet: www.ekkw.de 05671 881-126 www.akademie-hofgeismar.de SEMINARE ner Text. Der Ablass war eine theologisch eher abseitige Frage. Und doch ging von Deutschland – wie arm sind deine So gelingen Personalgespräche Luthers Thesen eine Bewegung aus, die Kinder? 21.–22.3. + 23.–24.10. | die Welt veränderte. Warum war das so? 8.–9.4. | Hofgeismar Hofgeismar Um was es Luther wirklich ging, erfährt Dem Problem der Kinder- und Jugend- Führungskräfte der Landeskirche sollen be- man nur, wenn man sich seinen Texten armut widmet sich diese Tagung in der fähigt werden, gelungene Personalentwick- widmet – mit Genauigkeit der eigenen Akademie Hofgeismar. Was macht Ar- lungsgespräche zu führen. Grundlage sind Lektüre und mit kundiger Hilfe. Vorausset- mut mit Kindern und Jugendlichen? Was die im Kirchlichen Amtsblatt Nr. 4/2012 zung für die Veranstaltung ist lediglich die sind die Ursachen? Welchen Beitrag kann veröffentlichten Unterlagen und Inhalte Bereitschaft zum interessierten Mitdenken. die Gesellschaft zur Überwindung der zum Thema. Bei den beiden Fortbildungen Veranstaltungsort: Evangelische Tagungs- Armut leisten? Thema soll auch die Ar- werden die Spezifika der kirchlichen Orga- stätte Hofgeismar, Ansprechpartner Anita mut alleinstehender Frauen und Männer nisationskultur für neue Mitarbeitende Kamutzki-Pape sein. Berücksichtigung finden juristisch- besonders berücksichtigt. Referentinnen 05671 881-108 leistungsrechtliche, gesellschaftliche und sind Gabriele Bartsch und Dorothee Mo- www.akademie-hofgeismar.de psychologische Gesichtspunkte. ser von der „mehrwert-Agentur für Soziales 05671 881-118 Lernen“ aus Stuttgart. Am ersten Tag dau- Frühstück bei Tiffany www.akademie-hofgeismar.de ert die Veranstaltung von 14 bis 18 Uhr, 24.–26.3. | Hofgeismar DIES & DAS am zweiten von 9 bis 16 Uhr. Am ersten Eine Ikone der Moderne hat Truman Ca- Abend besteht die Möglichkeit zum kolle- pote 1958 mit seinem Roman „Frühstück gialen Coaching zu Fragen aus der Praxis. bei Tiffany“ geschaffen. Entwaffnend Kochen wie in Bella Italia 05671 881-108 weltklug, unbekümmert bis zum Illegalen, 4.3. | Marburg www.akademie-hofgeismar.de progressiv in ihrer Sicht auf die Liebe, so Pikante Antipasti, eine würzige Suppe so- ist die Hauptfigur Holly Golightly. Capo- wie ein reizvolles Pasta- und Risottogericht, TAGUNGEN tes Anspielungen waren Hollywood 1961 raffinierte Gemüse- und Fischspeisen und zu viel. Audrey Hepburn als Holly verkör- ein traditionelles Dessert aus Italien wer- Begegnung mit Luthers 95 Thesen pert eher die Figur, wie man sie aus einer den in der Familienbildungsstätte Marburg 10.–12.3. | Hofgeismar klassischen Romanze kennt. Die Tagung zubereitet. Titel des Abends: Bella Italia. Luthers 95 Thesen über den Ablass, die nähert sich dem Thema in Auseinander- Kursort: Kreativraum + Küche der Evange- er 1517 an seinen Erzbischof sandte, sind setzung mit dem Roman, dem Film und lischen Familienbildungsstätte. 16.30 bis ein heute oft erwähnter, aber kaum gelese- der Inszenierung am Staatstheater Kassel. 20.30 Uhr, Kostenbeitrag 20 Euro plus ca. 12 Euro für Lebensmittel. 06421 175080 www.fbs-marburg.de Foto: fotolia Foto: Studientag: Männer und das Alter 9.3. | Kloster Germerode Unter dem Titel „Älter werden ist nichts für Feiglinge“ steht der Studientag für Männer im Kloster Germerode. Beim Äl- terwerden verändere sich vieles auf der körperlichen, mentalen und spirituellen Ebene, schreiben die Veranstalter. Die zweite Lebenshälfte sei in jedem Fall ei- ne Herausforderung. Am Vormittag geht es in einem Vortrag um Spiritualität und Männergesundheit; am Nachmittag folgen 4.3. Workshops. Die Teilnehmergebühr beträgt 20 Euro. Anmeldung bis 6.3. Marburg › Dies & das: Die Evangelische Familienbildungsstätte in Marburg lädt ein 0561 9378283 zum Kochkurs mit dem Thema „Bella Italia” www.kloster-germerode.de

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Diskussion über die Arbeitszeit 14.3. | Kassel Um Zeitpolitik aus Gewerkschaftssicht dreht sich eine Diskussionsveranstaltung im Evangelischen Forum Kassel am Lu- Christina MarxFoto: therplatz. Elke Hannack, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerk- schaftsbundes ist Referentin. Sie wird sich mit den durch technische Neuerungen ver- änderten Bedingungen in der Arbeitswelt beschäftigen. Die technische Mobilität er- mögliche neue, flexible Arbeitszeitmodelle, birgt aber auch Risiken. Beginn 18 Uhr. 0561 7036948 www.nordhessen.dgb.de/termine

Männersache: Zwischen 2.–9.4. Wirklichkeit und Wahrheit › Herbstein 17.3. | Kassel Reisen: Während einer Freizeit im Vogelsberg entdecken und erforschen Familien den erloschenen Vulkan Werden wir von den Medien manipuliert? Christoph Irion ist Journalist mit Leib und Seele. Seine Stationen: Fernsehjournalist der Gruppe mehr Freude – Spiel und Spaß rei. Die musikalische Leitung hat Christian bei SAT1, leitender Politik-Redakteur bei kommen auch nicht zu kurz. Sieben Stun- Mause. Das Konzert beginnt um 19 Uhr in der Berliner Tageszeitung, der Berliner den ab 24.4. montags 10.45 Uhr, Kathari- der Marienkirche. Morgenpost und der WELT, Chefredakteur na-von-Bora-Haus. 0174 2435696 des Reutlinger General-Anzeigers und jetzt 0561 15367 www.kantorei-hanau.de Geschäftsführer des Christlichen Medien- www.ev-fbs-kassel.de verbundes KEP. Irion ist Träger mehrerer Bachs Johannespassion Journalistenpreise. Er weiß also, wovon er REISEN 25.3. | Marburg spricht. Zum Vortrag für Männer gibt es Johann Sebastian Bachs Johannespassion einen rustikalen Imbiss. Veranstaltungsort: Familien erforschen den Vulkan ist in der Elisabethkirche zu erleben. Aus- Haus der Kirche. Beginn 19 Uhr. 2.–9.4. | Herbstein führende sind Hartmut Raatz (Christus- 0561 47473873 Den Vulkan erforschen, entdecken und worte), Ina Sidlaczek (Sopran), Meindert www.maennersache.info daran experimentieren. Der Vogelsberg Zwart (Altus), Mike Connaire (Tenor) und ist ein erloschener Vulkan. Bei der Freizeit Michael Roman (Bass). Das Ensemble So- Beisetzung geht es um die Fragen: Könnte er noch lamente Naturali spielt auf historischen am Kindergrabmal Hanau einmal ausbrechen? Wie entsteht ein Vul- Instrumenten. Es singen die Kantorei der 05.04.| Hanau kan? Mit Spiel und Spaß experimentieren Elisabethkirche sowie der Marburger Kin- Gemeinschaftliche Beisetzung für früh ver- und forschen die großen und kleinen Teil- derchor. Die Leitung hat Nils Kuppe. Das storbene Kinder aus den beiden Hanauer nehmer rund um das Thema Vulkanismus, Konzert beginnt um 18 Uhr in der Elisa- Krankenhäusern am Kindergrabmal auf bauen Modelle von Vulkanen, simulieren bethkirche. dem Hauptfriedhof Hanau. Der Trauerzug Ausbrüche und untersuchen Steine vulka- 06421 969131 beginnt um 15 Uhr an der Friedhofshalle. nischen Ursprungs. www.elisabethkirche.de Evangelische und katholische Seelsorgerin- 06643 7020 nen und Seelsorger begleiten die Bestat- www.vogelsbergdorf.de Große Messe in c-moll von Mozart tung. 26.3. | Kassel 06181 296-8270 KIRCHENMUSIK Die Kantorei der Kreuzkirche führt unter www.klinikseelsorge-hanau.de Leitung von Jochen Faulhammer die Große Motette in Marien Messe in c-moll von Wolfgang Amadeus So lassen sich Stürze vermeiden 11.3. | Hanau Mozart auf. Dabei wird sie vom Göttinger 24.4. | Kassel Auf dem Programm der Motette steht das Barockorchester begleitet, das die Auffüh- In diesem Kurs bauen die Teilnehmer nach Passionsoratorium „Der Tod Jesu“ von Carl rung mit der ebenfalls in c-moll verfassten dem Stubs-Konzept Bewegungssicherheit Heinrich Graun (1704–1759). Es spielt die Sinfonie von Joseph Martin Kraus („Mozart auf. Gleichgewicht, Koordination und Re- Capella FrancoForte auf historischen Inst- aus dem Odenwald“) ergänzt. Solisten sind aktion werden geschult. Gezielte Übungen rumenten, hinzu kommen Vokalsolisten so- Anna Palupski (Sopran), Natalia Pandazie- für mehr Kraft und Ausdauer machen in wie der Kammerchor der Hanauer Kanto- wa (Mezzosopran), Florian Brauer (Tenor)

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meinsam spielen und rund um die Welt zu Termine hören sind, unter anderen bereits in der Kirche Carnegie Hall in New York und im Leip- und ein noch unbekannter Bassist. Beginn ziger Gewandhaus. Eintritt: 17 Euro / im Radio um 17 Uhr in der Kreuzkirche Kassel erm. 12 Euro, Vorverkauf: Hoehlsche Buch- 0151 56353771 handlung HESSISCHER RUNDFUNK www.kantorei-kreuzkirche-kassel.de 06621 96578-0 www.hersfelder-kirchenmusik.de Morgenfeier hr2-kultur: So 7.30 Uhr Delikatessen in Blech 5.3. Claudia Rudolff, Felsberg 31.3. | Bad Hersfeld Kantatengottesdienst zu Luther 17.4. Sabine Kropf-Brandau, Bad Hersfeld Musikalische Delikatessen verspricht das und Bach Sonntagsgedanken hr1: So 7.45 Uhr Ensemble Harmonic Brass für sein Kon- 16.4. | 26.2. Hermann Trusheim, Hanau zert in der Stadtkirche Bad Hersfeld. Die In der Reihe „Luther, vertont von Bach“ 26.3. Norbert Mecke, Melsungen Blechbläser gestalten es gemeinsam mit erklingt im Gottesdienst ab 10 Uhr in 14.4. Hermann Trusheim, Hanau Bezirkskantor Sebastian Bethge, der Orgel der Winterkirche im Stephanushaus Ober- spielen wird. Auf dem Programm stehen kaufungen die Kantate „Christ lag in Zuspruch hr1: Mo–Fr ca. 5.48 Uhr, Eigenkompositionen und Werke ande- Todesbanden“, BWV 4. Beteiligt sind Vo- Sa ca. 7.10 Uhr rer Komponisten. Gemeinsam haben sie kalsolisten, die Kaufunger Kantorei, der Ju- 6. – 12.3. Kurt Grützner, Kassel eines: Sie haben etwas mit Essen und gendchor Kaufungen und das Collegium Trinken zu tun. In der Anregung ist von musicum Kaufungen unter der Leitung von Zuspruch hr2–kultur: Mo–Sa 6.30 Uhr schottischer Graupensuppe, Champagner Martin Baumann. 13. – 19.3. Carmen Jelinek, Kaufungen und Steaks die Rede. Harmonic Brass be- 05605 923982 10. – 16.4. Ute Zöllner, Kassel steht aus fünf Musikern, die seit 1991 ge- www.ev-kirche-oberkaufungen.de Übrigens hr4: Mo+Mi–Fr 17.45 Uhr, So 7.45 Uhr 6.3. – 12.3. Michael Becker, Kassel 3.4. – 9.4. Susanna Petig, Felsberg

hr4–Übrigens aktuell: Di 17.50 Uhr

Fotos: SteffenFotos: Sennewald 7.3. | 21.3. | 4.4. | 18.4. Michael Becker, Kassel

Moment mal hr3: Di+Do 18.15 Uhr, So 7.15 Uhr Himmel & Erde

hr-Info: So 6.05 und 10.30 Uhr Lebensfragen – Glaubensfragen

Dieter Wedel will ein Stück über den „Wut-Bürger” Die 67. Bad Hersfelder Festspiele Martin Luther auf die Bühne bringen dauern vom 23. Juni bis 20. HIT RADIO FFH August 2017 „Martin Luther – der Anschlag” So, 6 bis 9 Uhr „Kreuz und Quer“ – Das Magazin der Kirchen. Darin: 6.25 Uhr, Die Bad Hersfelder Festspiele 2017 eröffnen am 23. Juni mit der Uraufführung 7.25 Uhr, 8.25 Uhr kirchliche Nachrichten des Theaterstücks „Martin Luther – Der Anschlag”. Intendant Dieter Wedel will aus Deutschland, Hessen und Ihrer Region das Stück selbst inszenieren: „Die Besucher erwartet ein großes Spektakel über und „Bibel aktuell“ zwischen 8 und 9 Uhr; eine der widersprüchlichsten Figuren der deutschen Geschichte: ein Wut-Bürger, Mi, 21.54 Uhr: „Zwischen­töne“ ein sprachgewaltiger Übersetzer, ein unflätiger Pöbler, ein Rassist, einer der auf der Schwelle zur Neuzeit steht”, so Wedel. Luther werde von mehreren Darstellern RADIO BOB gespielt, Namen nannte er noch nicht. Wedel erinnerte daran, dass der Reformator auf der Rückkehr vom Wormser Reichs- So, 8 bis 10 Uhr: „Bobs Kirchenzeit“ – tag 1521 am Abend vor der Walpurgisnacht in Hersfeld trotz des Verbots des Kai- Beiträge zu Glaube, Kirche, Lebensfragen sers gepredigt habe. Martin Luther stehe für eine Zeitenwende. „Er hat die Tür zur Neuzeit aufgestoßen”, sagte Wedel. Der Titel „Der Anschlag” beziehe sich auf den Anschlag der 95 Thesen, aber auch auf Luthers „Anschlag” gegen Mohammed RADIO HARMONY und die Juden. So, 6 bis 9 Uhr: „Himmlisch“, das Kirchen- Der Kartenvorverkauf läuft: 06621 640200 www.bad-hersfelder-festspiele.de magazin; Mi, 19.30 Uhr: „Quergehört“

26 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 SERVICE Von Aschermittwoch bis Ostersonntag Mitmachaktionen für die Fastenzeit

Infos zur stundenlang! – auf die Briefträgerin gewartet habe. Nein, die Aktion Mails lese ich an der Ampel auf meinem Smartphone. Und ant- der EKD: worte noch auf dem Parkplatz vor dem Haus. Sofort! www. „7 Wochen Ohne“ möchte 2017 eine Kur der Entschleunigung 7wochen anbieten. Alles hat seine Zeit, verspricht uns der Prediger in der ohne.de Bibel (dazu Woche 1). Zeit für schwierige Entscheidungen, die kleinen und die großen (Woche 2). Zeit, den Menschen im ande- ren zu sehen, etwa in der Schlange im Supermarkt, auch wenn man es eilig hat. Und dort vielleicht ein Bibelwort neu verste- hen zu lernen: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Woche 4) – Zeit, wenn etwas schiefgeht, nicht gleich loszupoltern, sondern noch mal durchzuatmen. Statt den Zeigefinger mit der „Du bist schuld!“-Tirade aus- zufahren, lieber die ganze Hand ausstrecken, zuhören und ver- geben (Woche 5). Und: Nicht sofort aufgeben! Wenn es nicht mehr weitergeht, einmal Pause machen, eine Tasse Tee trinken, Sieben Wochen ohne Sofort nachdenken: Zeit, den Dingen und sich selber eine zweite Chance zu geben (dazu Woche 6). Den siebten Tag segnete der Schöpfer ugenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort! Was soll – und ruhte. Am Sonntag sind wir auch eingeladen, jede Woche: denn das? Genau: Pause. Und dann? Mal durchatmen. Gottes Zeit feiern – bevor es wieder Alltag, wieder spannend wird. A Die Ungeduld gilt als ein Symbol der Moderne. Man darf Mal nicht funktionieren, nicht Maschine sein, sondern Mensch vieles verlieren – nur nicht die Zeit. Gut also, dass ich meine Post (Woche 7). Greifen auch Sie zu: Augenblick mal! Sieben Wochen nicht mehr zu Hause am Tisch lesen muss, nachdem ich – gefühlt ohne Sofort! l Arnd Brummer

Sieben Wochen für das Klima

limaschutz und Fasten – was hat das miteinander zu tun? Eine gan- K ze Menge, findet Pfarrer Stefan Weiß, Klimaschutzmanager der Landes- kirche. Diese beteiligt sich 2017 erstmals am Klimafasten, ebenso wie sechs weitere Landeskirchen. Entstanden ist die Idee vor zwei Jahren in der westfälischen Kirche. Aber wie geht das nun? Auf der In- ternetseite der Aktion gibt es eine Reihe von Vorschlägen, wie man für den Klima- Eröffnungsgottesdienst zur Aktion mit Pröpstin Katrin Wienhold-Hocke am 5. März, 10 Uhr, in schutz fasten kann. Empfohlen wird dort, der Karlskirche Kassel und Klimafasten-Gottesdienst mit Stefan Weiß am 26. März, 10.30 Uhr, wochenweise vorzugehen. So kann man in der Neuen Johanneskirche Hanau. Infos: www.klimafasten.de in einer Woche „anders kochen“ und sich Gedanken über die Herkunft der Lebens- ein Elektrofahrrad ausprobieren oder so- aussehen. Auf der Internetseite gibt es mittel und zu den Folgen für die Umwelt gar anschaffen. Möglichkeiten gibt es vie- auch Anregungen und Material für Fasten- zu machen. Mit Resten kochen statt sie le, auch hier für das Klima etwas zu tun. gruppen, wie Filmtipps, Rezepte und an- wegzuwerfen, auch das ist eine Anregung. Weniger kaufen, weniger Energie ver- deres. Die Aktion „Fasten für Klimaschutz Eine Woche „anders unterwegs sein“ wenden, aber sich auch selbst Momente und Klimagerechtigkeit“ sei als Ergänzung ist ein weiteres Projekt. Dabei geht es um der Entschleunigung schenken und schließ- zu anderen Fastenaktion wie „Sieben Wo- das Auto. Strecken zu Fuß oder mit dem lich gemeinsam über Veränderungen nach- chen ohne“ gedacht, betonen die Initiato- Rad fahren, Fahrgemeinschaften bilden, denken – so könnte die Klima-Fastenzeit ren. l Olaf Dellit

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Neue Bücher Tipps der Redaktion blick in die kirche

Margot Käßmann/ Fabian Vogt: Luther für Martin Luther: Von den logische Kapriolen nicht: Gott Martin Rösel (Hg.): Eilige – Seine wichtigsten Juden und ihren Lügen. hat dem Haus David ein ewi- Die Bibel Martin Luthers Werke kurz und knackig. Neu bearbeitet und kom- ges Königtum verhießen; doch – Ein Buch und seine Edition Chrismon, Leipzig mentiert von Matthias das jüdische Königtum ist un- Geschichte. Ev. Verlags- 2016. 10,30 Euro Morgenstern. University tergegangen – für Luther der anstalt/Deutsche Bibel- Da hat sich Fabian Vogt, Press, Berlin 2016. Beweis, dass Jesus der messia- gesellschaft, Leipzig 2016. Pfarrer, Kabarettist und Au- 19,90 Euro nische König ist und Juden ver- 26,80 Euro tor, einiges vorgenommen: die Will man das wirklich le- blendete Lügner sind. Luther Wir haben aufmerksame wichtigsten Luther-Werke „kurz sen? Luther hat Fürchterliches erweist sich einmal mehr nicht Leser – und so erreichte die und knackig“ darzustellen, über Juden geschrieben und als Ausleger der Bibel, sondern Redaktion blick in die kirche zwölf Werke auf nicht einmal wie man mit ihnen, ihren Syn- als jemand, der Christus in die nach einem Bericht über die 100 Seiten (hinzu kommen Vor- agogen, Schriften und Lehrern biblischen Texte hineinlegt. Sei- revidierte Lutherbibel ein Le- wort und Einleitung). Geht das umgehen solle. Die EKD hat ne radikal christologische Lek- serbrief. Wir hätten ja geschrie- überhaupt, die 95 Thesen auf 2015 gut daran getan, sich von türe der hebräischen Bibel ist ben, dass Luther die Bibel nicht acht Seiten? Vogt weiß, dass er diesen Texten eindeutig zu di- mit Ursache seines Antisemitis- alleine übersetzt habe, sondern ein Wagnis eingeht. stanzieren. mus. Befremdlich auch Luthers im Team. Die Frage: Wer war in Wer Luthers Werke in- und Nun liegt eine kommen- durchgängige Sorge, Juden diesem Team? Die Antwort da- auswendig kennt, der mag an tierte Neuausgabe von Luthers wollten ihn und alle Christen rauf war dank dieses informa- der Auswahl, an der Gewich- letzter großer Judenschrift von zu Proselyten machen. tiven Buchs schnell gefunden – tung und an den Zusammen- 1543 vor. Matthias Morgen- Ob er, der kaum direkten es gibt einen eigenen Beitrag fassungen bei Vogt etwas aus- stern, Professor für Judaistik an Kontakt zu Juden hatte, ahnte, zu den Mitarbeitern und Bera- zusetzen haben. Wer aber auf der Universität Tübingen, hat dass sein Schriftverständnis so tern an der Lutherbibel. Dazu die Schnelle wissen möchte, den Text aus der Sprache des richtig doch nicht ist? Matthi- gehörten Philipp Melanchthon, was Luther geschrieben hat 16. Jahrhunderts ins Neuhoch- as Morgenstern kommentiert in Georg Spalatin und Matthäus und warum es so bahnbre- deutsche übertragen, durch- klugen Fußnoten Luthers Text Aurogallus. chend war, der wird hier bes- gängig kommentiert und mit aus judaistischer Perspektive. Zwölf Experten schaffen tens bedient. Kurz und knapp, einem kritischen Nachwort ver- Erwägungen zur Rezeption die- durch ihre Kapitel ein umfas- wie versprochen, aber auch sehen. Sie ermöglicht historisch ses Textes als ein „Dokument sendes Bild von Luthers Bi- unterhaltsam gibt der Autor und theologisch Interessierten, der Schande“ und ein ausführ- bel, betten sie aber auch in einen Einblick in die Gedan- selbst auf Spurensuche zu ge- liches Glossar runden die Aus- ihre Zeit und Kultur ein. Zum kenwelt des Reformators. hen: Wie konnte sich Luther so gabe ab. Nur in einem irrt der Abschluss berichtet Christoph Wer ins Detail gehen möch- versteigen? Gewiss, Luther war Herausgeber: Es ist nicht die Kähler von seinen Erfahrungen te, dem ist es unbenommen, von den antisemitischen Vorur- erste Neuausgabe des Textes mit der jüngsten Revision der die Originale nachzulesen. Wer teilen seiner Zeit geprägt. Doch nach dem Nationalsozialismus. Bibel. So leistet das von Mar- es aber eilig hat und trotzdem sein Antijudaismus ist Resultat Bereits vor einigen Jahren er- got Käßmann und Martin Rö- nicht ganz unbeleckt bleiben seiner Art, die Bibel zu lesen. schien er in einem abseitigen sel herausgegebene Werk, was möchte, wird hier fündig – und Zahlreiche alttestamentli- Verlag in kirchenfeindlicher es auf dem Titel verspricht, es sei es nur, um das Wissen – wie che Texte führt Luther an, die Absicht. Wer sich kritisch mit informiert umfassend über Lu- Vogt schreibt – „bei Stehpartys für ihn unstrittig beweisen, Luthers Judenschrift befassen thers Bibel, über das Buch und oder Empfängen“ einfließen zu dass Jesus der Messias ist und will, wird dankbar zu Morgen- seine Geschichte. l lassen. l dass jede jüdische Auslegung sterns Neuausgabe greifen. l Olaf Dellit Olaf Dellit fehlgeht. Dabei scheut er auch Reinhard Brand

28 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 SERVICE

Christian Nürnberger/ Michael Welker/ Heinrich Bedford-Strohm/ Daniel Twardowski: Petra Gerster/Irmela Michael Beintker/Albert Margot Käßmann (Hg.): Die von Marpurg und Schautz: Der rebellische de Lange (Hg.): Europa Die Welt verändern. die Welt Martin Luthers. Mönch, die entlaufene reformata. Reformations- Was uns der Glaube heute Illustriert von Vitali Kons- Nonne und der größte städte Europas und ihre zu sagen hat. Ev. Verlags- tantinov. Marburger Stadt- Bestseller aller Zeiten, Reformatoren. Ev. Ver- anstalt, Leipzig 2016. schriften zur Geschichte Martin Luther. lagsanstalt, Leipzig 2016. 22 Euro und Kultur, Bd. 106. Gabriel Verlag, 2016. 29,90 Euro Eine interessante Auswahl Rathaus-Verlag, Marburg 14,99 Euro 48 europäische Städte an Gesprächspartnern versam- 2016. 15,17 Euro Spannender Roman, Ge- dürfen als besondere Orte der melt dieses Buch, in dem Mar- Wie haben die Marburger schichtsbuch ohne erhobenen Reformation gelten: Von A wie got Käßmann und Heinrich zur Zeit Martin Luthers gelebt, Zeigefinger, detailreiche, klug Antwerpen bis Z wie Zürich Bedford-Strohm sich mit Promi- gearbeitet, gegessen, getrun- und witzig formulierte Biogra- sind sie in einem Buch aufge- nenten zu „Streitgesprächen“ ken und geliebt? Autor Daniel fie – all das vereint das Luther- führt, das sich als „Reiseführer treffen, wie es im Klappentext Twardowski alias Dr. Christoph buch des Publizisten Christian auf den Spuren der Reformati- heißt. Wobei Streitgespräch Becker, im Lutherjahr Kul- Nürnberger und seiner Frau, on in Europa” empfiehlt. Wird eher irreführend ist, denn rich- turamtsmitarbeiter für Refor- der Fernsehmoderatorin Petra dieser Anspruch erfüllt? Eher tig Streit gibt es bei den Treffen mation und Stadtgeschichte, Gerster. Der ausgefallene Ti- nicht. Denn wer die Gattung nicht. Aufschlussreich sind die weiß es und kann sein Wissen tel erinnert an Bestseller wie der Baedekers kennt, weiß, Gespräche mit den Journalis- unterhaltsam vermtteln. In der „Der Hundertjährige, der aus dass Reiseführer heute anders ten Dunja Hayali und Jakob Stadtschrift „Die von Marpurg dem Fenster stieg ...” und trifft aussehen müssen: Akademisch Augstein, mit den Theologen und die Welt Martin Luthers” den Inhalt: Es geht um Martin trockene Kirchengeschichts- Mouhand Korchide (islamisch, beschreibt er zum Beispiel das Luther, der mit dem Anschlag Texte, kombiniert mit Kup- Walter Homolka (jüdisch) und Religionsgespräch und dessen seiner 95 Thesen an die Wit- ferstichen, machen vielleicht dem Politiker Gregor Gysi aber abruptes Ende so: „Am Vormit- tenberger Kirchentür eine neue pensionierten Gymnasialleh- allemal. tag des 5. Oktober 1529 hielt Weltordnung einläutete, und rern Spaß, verlocken aber nicht In dieser Zeit der oft ver- Luther in der Schlosskapelle um seine Frau Katharin von erlebnishungrige Kulturtouris- gifteten Gesprächsatmosphä- noch eine Grundsatzpredigt, Bora (diesen Buchteil schrieb ten zu Ausflügen. Vier Dutzend re ist genau das so wohltu- dann verließ er die Stadt, in der Petra Gerster). „Der rebellische quirlige Städte zwischen Spani- end; dass es hier eben nicht die von Marpurg die plötzlich Mönch ...” wurde mit dem Emy- en, Estland, Schottland und Ru- um den Streit geht, sondern aufflackernde tödliche Epide- Sachbuchpreis für Kinder- und mänien hätten es verdient, als um den Diskurs, um Zuhören mie als Strafe Gottes dafür an- Jugendbücher Januar 2017 lebendige Orte gezeigt zu wer- und Abwägen, um Nachden- sahen, dass die scharfsinnigen ausgezeichnet. Dabei gilt: Gute den, in denen dermaleinst die ken und um Argumente und Theologen da oben über ihren Jugendbücher sind beste Lektü- Reformatoren wirkten, die aber um Neugier auf den anderen Köpfen zu keiner Einigung ge- re für jedes Alter. Nicht zuletzt heute auch aus anderen Grün- und seine Position. So wie bei kommen waren.” wegen Nürnbergers fast münd- den attraktive Reiseziele sind. Gregor Gysi, der erstmal wis- Auf kecke Art illustriert lichem Erzählstil: „Und so war Schauplätze der Reformation sen möchte, warum Heinrich wird die Marburger Heimatkun- nun erst einmal Wahlkampf können dabei durchaus span- Bedford-Strohm eigentlich ei- de aus dem 16. Jahrhundert in im Heiligen Römischen Reich, nend bleiben. Aber nicht so nen Doppelnamen trägt, das diesem wunderschön gestalte- und dabei ging es zu wie in der – denn Geschichtsbücher und „Bedford“ stammt von seiner ten Band von dem russischen FIFA und im IOC.” l Reiseführer sind eben nicht amerikanischen Ehefrau. l Grafiker Vitali Konstantinov.l Anne-Kathrin Stöber dasselbe. l Lothar Simmank Olaf Dellit Lothar Simmank

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Karl Waldeck (Hg.): Martin Arnold: Der Antje Vollmer: Die Peter Gbiorczyk: Alles ginge besser, Kirchenkreis Eschwege Neuwerkbewegung – Propst Wilhelm Wibbeling wenn man mehr ginge. und der Nationalsozialis- Zwischen Jugendbewe- (1891 bis 1966). Jugend- Vom Gehen – Wandern – mus. Einverständnis und gung und religiösem So- bewegter, reformierter Flanieren und Pilgern in Konfliktlinien zwischien zialismus. Herder Verlag, Theologe im „Zeitalter der nordhessischen Regi- Kirche, NSDAP und Staat. Freiburg 2016. 32 Euro der Extreme”. Shaker on. Euregio-Verlag, Kassel Ev. Medienverband, Kassel Zum ersten Mal veröffent- Verlag, Aachen 2016. 2016. 20 Euro 2016. 15 Euro licht Dr. Antje Vollmer, Pfarre- 39,80 Euro Querfeldein durch Nord- „Welch gutes Regiment im rin, Grünen-Politikerin und bis Zur Neuwerk-Gemeinschaft hessen – so gingen einige Au- Sinne Luthers besteht heute”, 2005 Vizepräsidentin des Bun- (s. Buchtipp Vollmer) hatte er toren in dem Sammelband. hieß es 1938 zum Gottesdienst destags, ihre gleichnamige Dis- eine große Nähe: Der spätere Querfeldein durch die Themen am Buß- und Bettag, eine Wo- sertation aus dem Jahr 1973. Hanauer Propst Wilhelm Wib- Wandern und Pilgern – so geht che nach der Reichspogrom- Angestoßen wurde die Veröf- beling ist in den 1920er-Jah- es in dem Buch. Es werden Pil- nacht. Kaum ein Funken Kritik fentlichung durch ihren Vor- ren ein Freund der Jugendbe- gertraditionen in verschiede- von der Kirche am Angriff auf trag bei der Versammlung der wegung. Das beschreibt sehr nen Religionen erklärt: Die für die Juden, stellt Martin Arnold Pfarrerinnen und Pfarrer des detailgenau Peter Gbiorcyzk jeden Moslem vorgeschriebe- fest; außer der Klage, dass Sprengels Hanau 2014 und in seiner Biographie des Pfar- ne Haddsch allen voran; aber dabei auch „Pfarrer von ver- durch einen gemeinsamen Be- rers, der drei Jahrzehnte lang zum Beispiel auch die Traditi- mummten Gestalten bedroht” such auf dem Bruderhof in San- in Langendiebach wirkte. Für on eines Indianerstamms in wurden. Typisch für die Zeit: nerz bei Schlüchtern. Hier war sein 770 Seiten starkes Buch der nordamerikanischen Prä- Wenn die evangelische Kir- 1920 in der Folge der großen hat der ehemalige Dekan in rie. Dann werden Pilger- und che Widerstand geleistet hat, Pfingsttreffen der Neuwerkbe- Hanau-Land eine Fülle von Da- Wandererlebnisse erzählt, wie dann vor allem um sich selber wegung in Schlüchtern der ers- ten zusammengetragen. die von Dieter Heim. Er ist als zu schützen. Das gelang mehr te Bruderhof entstanden. Von Der Autor bedient sich Jugendlicher im Ostseeküsten- oder weniger. Viele Religions- den Nazis vertrieben, kehrte nicht nur der vielfältigen pub- Schnee fast erfroren. Trocken lehrer waren in der NSDAP: In die Bruderhof-Gemeinschaft lizistischen Hinterlassenschaft geschriebene Texte dämpfen Wellingerode wurden die „9 2002 wieder an den Ort der von Wibbeling, sondern er hat den Lesefluss: Wissenschaftlich arischen Gebote” unterrichtet. Entstehung zurück. auch das Gespräch mit Zeitzeu- und detailreich werden die Ma- Das erste: „Ehret die Götter!” Anfang der 1970er-Jahre gen gesucht. Beschrieben wird lereien in der Wallfahrtskirche Dekan Arnold erzählt, wie konnte Vollmer noch viele le- zudem die Beziehungen zu in Gottsbüren analysiert. Zwar willkommen der Nationalsozia- bende Zeitzeugen besuchen prominenten Theologen seiner zeigt das Buch nicht auf, wa- lismus in der Kirche war. Aber und befragen. Ihre Dissertati- Zeit, die Wibbelling unterhielt rum alles besser ginge, wenn auch, wo sie den Glauben ver- on liest sich spannend und ist – von Barth bis Tillich oder Nie- man mehr ginge – wie es der teidigt hat. Und er nennt ver- ein wichtiges zeit- und kirchen- möller. Bischof Hein würdigt Buchtitel hoffen lässt – dafür einzelte Stimmen gegen die geschichtliches Dokument für das Buch im Vorwort als ein gibt es einen Überblick über Nazis. Das Beispiel des Kir- unsere Landeskirche. l Forschungsergebnis, das auch Pilger- und Wandermöglichkei- chenkreises Eschwege zeigt, Propst Bernd Böttner weitere Untersuchungen anre- ten in Nordhessen und darüber wie sich die Kirche im Dritten gen könne. „Die Aufarbeitung hinaus. Es erzählt, warum Men- Reich schuldig gemacht hat – Wer die Sannerz-Gemeinschaft der jüngsten Vergangenheit schen wandern und pilgern – interessant, egal wie verbun- kennenlernen will, kann sich fängt gerade erst an”, schreibt dort zu einem Besuch anmelden: und weckt die Lust, es ihnen den man mit der Region ist. l Hein. l Lindenstr. 13, 36391 Sinntal, gleichzutun. l Götz Greiner Götz Greiner Lothar Simmank T 06664 402498

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Neue Filme für den Religionsunterricht Ob Dokumentation, Reportage, Kurzspielfilm oder Kinospielfilm – mit Filmen werden Impulse gesetzt, Themen eingeführt, Sachverhalte veranschaulicht und Medienkompe- tenz entwickelt. Eine kleine Auswahl an Filmtipps der Evangelischen Medienzentrale

Spiel mit dem Tod – Die Tribute von Panem – Business as usual – Luther Fast N’Loud – Spiel mit dem Zuschauer. The Hunger Games. Der Prophet fliegt Die besten Luther-Clips Felix Müller, Deutschland Gary Ross, USA 2012, mit. Lenn Kudrjawizki, zur Reformation. 2007, 29 Min., 142 Min., Spielfilm Deutschland 2014, Matthias-Film (Hg.), Dokumentarfilm Der Film geht auf eine 10 Min., Kurzspielfilm Deutschland 2016, Auch wenn diese Produk- Romantrilogie der US-ameri- Ein kurzer Spielfilm zu 24 Min. (8 Clips) tion nicht mehr ganz neu ist, kanischen Schriftstellerin Su- Vorurteilen und Klischees, zu 2017 darf ein Filmtipp zum hat sie nichts an Aktualität ver- zanne Collins zurück. Seine Ge- Angst und Rassismus. Zu Be- Thema „Luther und die Refor- loren und zeigt im Einsatz bei schichte spielt in einer fernen ginn des Films besteigt Moinul, mation” nicht fehlen. Dieser Schülern immer noch Wirkung. Zukunft, in einem totalitären ein Mann mittleren Alters und DVD-Sampler enthält insge- Erzählt wird die Geschichte von Staat namens Panem. Hier gibt arabischer Herkunft mit Bart, samt acht Clips, von ernsthaft Oleg, einem jungen Russland- es ein reiches Kapitol, das die muslimischer Gebetskette und bis witzig, die sich mit der Re- deutschen, der sich auf einem ärmeren Distrikte „regiert“, aus- einem Koffer in der Hand, ein formation auseinandersetzen. verlassenen Kasernengelände beutet und unterdrückt. Alljähr- Flugzeug. Er wirkt nervös und Mal gerappt, mal animiert, an einer Art Live-Kriegsspiel lich werden die sogenannten betet unentwegt. Als sein Han- mal mit und mal ohne Worte mit scharfen Waffen beteiligt. „Hungerspiele“ abgehalten, ei- dy klingelt, wird es ihm vom vermitteln sie Grundlagen zur Ein Reportage-Team begleitet ne Art Gladiatorenspiel, medial misstrauischen Sitznachbarn Reformation. Eine ähnliche Oleg zum Spiel – das für ihn aufwendig inszeniert. Jeder der entrissen mit den Worten: „Du Zusammenstellung findet sich tödlich endet. Was der Zu- zwölf Distrikte muss einen Jun- sprengst uns hier nicht in die auf dem Onlinemedium „2017 schauer erst am Ende erfährt: gen und ein Mädchen zu den Luft.” Im Handy dann eine Vi- – Clips zur Reformation“. Die- Die ganze Dokumentation ist Spielen schicken. Nur einer der deonachricht von Moinuls Kin- ser Sampler enthält zusätzlich ein Fake. Jugendlichen darf die Arena le- dern, die ihm Mut zusprechen, den Film „Geschichte mit dem Filmemacher Felix Müller bend verlassen. um seine große Flugangst zu Playmobil-Luther: Reformation, zeigt, dass auch eine vermeint- Dass dieser Film recht be- überwinden. Auf der DVD ist einfach erklärt“. l lich authentische Berichterstat- kannt ist und auch schon im Begleitmaterial für den Einsatz Sabine Schröder tung niemals die Wirklichkeit Fernsehen ausgestrahlt wurde, im Unterricht vorhanden. l darstellt und Bilder immer mit ist in diesem Fall von Vorteil, einer Absicht verbunden sind. denn es ist davon auszugehen, EVANGELISCHE MEDIENZENTRALE KASSEL Im zweiten Teil des Films veran- dass die Schülerinnen und schaulicht er die verschiedenen Schüler ihn bereits gesehen Alle vorgestellten Filmtipps sind als DVD oder als Download- Manipulationstechniken. haben. Insofern kann man gut Medium in der Evangelischen Medienzentrale Kassel ausleihbar: Die DVD enthält medienpä- mit ausgewählten Szenen und Heinrich-Wimmer-Str. 4, 34131 Kassel, Öffnungszeiten: dagogisches Material, Hinter- mit Trailern arbeiten, ohne Montag – Donnerstag: 8:30–12:00 Uhr und 13:00–16:00 Uhr, grundinfos, Arbeitsblätter und den gesamten Film vorführen Freitag: 8:30–13:30 Uhr Unterrichtsentwürfe. Besonders zu müssen. Der DVD liegt aus- T 0561 9307-160, F 0561 9307-159 Medienportal (Recherche, Download, Bestellung): im Hinblick auf die aktuelle führliches Begleitmaterial für www.medienzentralen.de/ekkw Diskussion um Fake-News ein den Einsatz im Religionsunter- Facebook: https://www.facebook.com/ekkw.medienzentrale l l wichtiger Unterrichtsfilm. richt bei. www.ekkw.de/medienzentrale

blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2017 31 LANDESKIRCHE

Erik Schäfer: Neonleuchtschrift „O.T. (Anagramm #2)” – (Die Buchstaben des Namens „Martin Luther” in neu gemischter Reihenfolge) Künstlerischer Blick auf die Reformation ie Reformation neu ins Bild set- de mit ihrem Werk „Autoillumnescent“ zen – das war die Aufgabe für Dritte. Sie inszenierte Menschen, die Ddie Künstler, die sich um den wie ein Chor zusammenstehen, aber Kurhessischen Medienpreis 2016 be- auf ihre Smartphones und Tabletcom- worben haben. Absolventen der Kunst- puter starren. Die Spannung zwischen hochschule Kassel waren eingeladen, Kommunikation und Kontemplation Preisgekrönt: Eric Wefers „O.T. (Keine spitzen Kreuze ihre Werke einzureichen. überzeuge, so die Jury. erlaubt)“ gewann den 1. Preis Der mit 2.500 Euro dotierte erste Der Preis war vom Evangelischen Platz ging an Nicolas Wefers für seine Presseverband Kurhessen-Waldeck Fotoarbeit „O.T. (Keine spitzen Kreu- (EVP) ausgeschrieben worden. Er wird ze erlaubt)“. Die zusammengesackte seit 1995 vergeben und ging bisher aufblasbare Kirche auf dem Foto bie- an verschiedene Gattungen, darunter te viele Assoziationsmöglichkeiten für Internet-Seiten, Kinderbücher, Gemein- eine „Re-formierung der Kirche“, heißt debriefe und Handyfilme. Die Jury bil- es in der Begründung der Jury. deten Henriette Gallus (documenta Marvin Madheim wurde der zwei- 14), Joel Baumann (Kunsthochschule te Preis für sein Werk „Wilhelmshöher Kassel), Prof. Dr. Thomas Erne (Uni- Allee 330“ zugesprochen. Dafür baute versität Marburg), Dirk Schwarze (Pu- er den Kubus des Landeskirchenamts blizist), Christine Lang-Blieffert (EVP) in Kassel mit Klötzen nach und foto- und EKKW-Sprecherin Petra Schwer- grafierte diese. Olga Holzschuh wur- mann. l Olaf Dellit

Marvin Madeheim: „Wilhelmshöher Allee 330“, Pigmentdruck auf Alu-Dibond, 2. Preis Fotos: O. Dellit Fotos:

Olga Holzschuh: „Autoillumnescent“ (Detail), Robert Sturmhoevel: „Aufhorchen Kilian Bürger: „Vollendung Direktdruck” Digitaldruck auf Alu-Dibond, 3. Preis (Aufbruch)” – Aquarell auf Bütten auf gebürstetem Aluminium

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