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Amtsübergabe Kanzler Dr. Klaus Hembach verabschiedet sich UNIJOURNAL Zeitschrift der Universität Jahrgang 40/2014 Heft Nr. 1

Wissenschaftliche Ernte Alumni-Serie Publikationen des Sonderforschungsbereichs Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer Vizepräsidenten-Wahl Müller-Fürstenberger folgt auf Hill

Inhalt

Aus der Universität Forschung und Lehre

4 Kooperation mit der East China Normal University 29 Trierer Studentinnen untersuchen 4 Kunsthistorisches Geschenk für die Bibliothek ägyptisches Königsgrab 5 Georg Müller-Fürstenberger neuer Vizepräsident 30 Junge Menschen bringen Kenia voran 32 Wissenschaftler untersuchen Stollensystem 34 Untersuchung der Meereis-Produktion und Titelthema des Eistransports 35 Dissertationen 6 Kanzler Klaus Hembach nimmt Abschied 37 Neuerscheinungen

Fachbereiche, Fächer, Institute Personen und Preise

10 Germanistische Institute in Trier und 41 Berufungsnachrichten kooperieren 42 Alumni-Serie: 12 Senioren-Arbeitskreis auf Exkursion in Kenia Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer 14 Neue Anforderungen an Industrie-Kläranlagen 44 Professor Schäfer in Bewertungskommission gewählt 15 Das Italien des Wissens – Forschung, Entdeckung, 45 Prof. Jätzold: Innovation Ein Zeitzeuge afrikanischer Metamorphose 16 Ausstellung zu Harald Naegeli, dem „Sprayer von 47 Neu an der Uni: Jun.Prof. Dr. Matthias Neuenkirch Zürich“ und Prof. Dr. Christian Jansen 18 SZ-Korrespondent Matthias Kolb zum Amerika-Bild 48 Natalia Filatkina erhält Habilitationsstipendium der Deutschen 49 Höchste Auszeichnung des Landes 19 Symposium: für Claudine Moulin Theologie meets Gesundheitswissenschaft 49 Prof. Günther Heinemann zum Vorsitzenden berufen 20 Fachbereich IV: 614 Absolventen feierten 50 Thomas Grotum leitet AG Geschichte und EDV ihren Studienabschluss 50 Nachruf: Dr. Gerhard Seidenstücker 22 Tagung: „Soziologische Perspektiven auf Resilienz“

Schwerpunktthema Inhalt 24 Produktive interdisziplinäre Zusammenarbeit: Publikation aus Sonderforschungsbereich 600

UNIJOURNAL

Zeitschrift der Universität Trier

ISSN 1611-9487 Satz und Layout: Alexandra Moos, Technische Abteilung der Universität Trier Herausgeber: Der Präsident Redaktion: Peter Kuntz (verantwortlich) Druck: Kössinger AG Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des www.koessinger.de Herausgebers wieder. Die Redaktion behält sich vor, Texte der Autoren zu bearbeiten und zu kürzen. Titelbild: Auskunft zu den Anzeigenpreisen in der Pressestelle Kanzler Dr. Klaus Hembach oder unter: www.uni-trier.de/index.php?id=23495 Foto: Peter Kuntz Anschrift der Redaktion: Pressestelle der Universität Trier Sprachregelung 54286 Trier Um das layouterische Journal-Konzept der Zeitschrift einhalten zu können Telefon (06 51) 2 01 - 42 38/39 und um eine durchgängig bessere Lesbarkeit zu erreichen, wird in dem Uni- Telefax (06 51) 2 01 - 42 47 journal auf eine konsequente gendergerechte Schreibweise verzichtet. Die- E-Mail: [email protected] ses Vorgehen ist nicht als Missachtung der grundsätzlichen Motive und Ziele www.pressestelle.uni-trier.de zu verstehen, die mit sprachlicher Gleichbehandlung verbunden sind. 3 Kooperation mit der East China Normal University Erste Austauschvereinbarung mit einer Hochschule in Shanghai

Die Universität Trier hat ihr Netz von Partnerhochschulen auf Shanghai ausgedehnt. Ende November haben die Universität und der Fachbereich II Kooperationsvereinbarungen mit der East China Normal University (ECNU) unterzeichnet. Für den Studierendenaustausch stehen schon im kommenden Jahr jeweils zwei Studienplätze in Shanghai und Trier zur Verfügung – für Studierende aller Fachbereiche. An der ECNU werden auch Lehrver an - staltungen in Englisch angeboten.

fuzianischen Gelehrten Zhu Xi (1130-1200) reali- siert; Zhu Jieren selbst ist ein Nachfahre des Ge- lehrten. Eine neue Tagung zu Zhu Xi ist ebenfalls in Planung. Dr. Liu Huiru von der Trierer Sinologie steht in Verbindungen mit dem Literaturwissen- schaftler und Germanisten Prof. Dr. Fan Jin. Zudem läuft gerade ein neues Übersetzungsprojekt an: ein Buch über chinesische Kunstphilosophie. Die sehr guten Kontakte zum Hausverlag der East China Nor- mal University erleichtern es den Trierer Wissen- schaftlern, in China zu publizieren. Foto: Peter Kuntz Universitätspräsident Prof. Michael Jäckel (Mitte), Birgit Roser (Zweite von rechts) Trotz der Kontakte war Shanghai im Austausch- und Agnes Schindler (rechts, beide Akademisches Auslandsamt) empfingen die programm der Universität Trier bislang ein blinder Delegation der ECNU, der Vizepräsident Prof. Ren Youqun, Prof. Tan Fan (Dekan der Fakultät für Chinesische Sprache und Literatur), Dr. Zhou Yong (Abteilung für Fleck. Für den Austausch ergeben sich attraktive Internationalen Austausch) und Han Nan (Institut für globale chinesische Perspektiven. Die ECNU kann auf ein gutes Sprachlehrer-Ausbildung) angehörten. Ranking verweisen und hat ein ähnliches Fächerspektrum wie die Universität Trier mit einer ür die Universität Trier hat Sinologie-Professor stark geisteswissenschaftlichen Prägung. FChristian Soffel die Partnerschaft angebahnt. Weitere Informationen Seit vielen Jahren sind Wissenschaftler beider Hochschulen auf Mitarbeiterebene in Kontakt. So www.ecnu.edu.cn hat Professor Soffel gemeinsam mit Prof. Dr. Zhu → Jieren ein Publikationsprojekt über den großen kon- Kunsthistorisches Geschenk für die Bibliothek Die Universitätsbibliothek Trier hat eine Schenkung des international renommierten Mediävisten Prof. Dr. Dr. h.c. Robert Suckale () erhalten. Dieser Bücherbestand zur Bau- und Kunstgeschichte Mittel- und Osteuropas steht im Zusammenhang mit Suckales Beteiligung an Projekten des „Geisteswissenschaftlichen Zentrums für Ge- schichte und Kultur Osteuropas“ in (GWZO).

Foto: Markus Hilbich nlass für die Entscheidung, einen großen Teil seiner kunsthistorischen Bücherbe- Aus der Universität der Aus A stände der Trierer Universitätsbibliothek zu überlassen, ist die Lehr- und Forschungstä- tigkeit von Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke (Kunst- geschichte) an der Trierer Universität – hier vor allem seine Drittmittelprojekte, die die Künst- lersozialgeschichte Mittel- und Osteuropas zum Thema ha ben. Das Fach Kunstgeschichte ist erst seit 1979 an der 1970 neu gegründeten Univer- sität Trier vertreten. Naturgemäß können des- halb in dem Bereich der kunstwissenschaftlichen Prof. Dr. Bernd Nicolai (Bern) gratuliert im Namen der Gäste Prof. Dr. Dr. h.c. Robert Suckale zum 70. Geburtstag. Bestände der Universitätsbibliothek wichtige Er- gänzungen vorgenommen werden – die Lücken zu Mittel- und Osteuropa sind nun durch die Dr. Hildegard Müller, 4 großzügige Bücherstiftung kleiner geworden. Direktorin der Universitätsbibliothek Trier Georg Müller-Fürstenberger neuer Vizepräsident Einstimmige Wahl im Senat – Prof. Joachim Hills Amtszeit endet im April

Der Senat der Universität Trier hat in seiner Sitzung am 16. Januar den Volkswirt Prof. Dr. Georg Müller-Fürstenberger mit dem bestmöglichen Ergebnis zum neuen Vize - präsidenten für Forschung und Infrastruktur gewählt. Offensichtlich überzeugte der Kandidat mit der Vorstellung seiner Person und seinen Zielen und Grundgedanken zum Vize präsidentenamt alle Senatsmitglieder. Der Professor für Volkswirtschaftslehre ver- einigte in der Wahl alle 20 abgegebenen Stimmen auf sich.

eorg Müller-Fürstenberger hat an der Univer- Gsität Trier seit 2006 die Professur für Kom- munal- und Umweltökonomie inne und ge- hört der Forschungskommission des Senats an. Er löst im April Prof. Dr. Joachim Hill ab, dessen Amts- zeit nach vier Jahren endet. Weitere Kandidaten stan- den nicht zur Wahl. Unter anderem habe ihn die Ar- beit in der Forschungskommission für die Kandidatur motiviert. „Ich habe eine große Dynamik in der For- schung an der Universität erkennen können. Hier lässt sich gewiss einiges bewirken.“ Allerdings sei für ihn eine wichtige Voraussetzung, dass er auch als Vizepräsident selbst weiter forschen könne.

Nach der Neuordnung der Aufgabenverteilung im Präsidium wird Georg Müller-Fürstenberger als Vi- zepräsident für Angelegenheiten der Forschung und der Infrastruktur zuständig sein, somit unter ande- rem auch für das Zentrum für Informations-, Me- dien- und Kommunikationstechnologie (ZIMK) und die Universitätsbibliothek. Der angehende Vi- zepräsident empfahl in seiner Präsentation im Senat Foto: Peter Kuntz eine engere Kooperation zwischen den beiden zen- Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel gratulierte Prof. Dr. Georg Müller-Fürs- tenberger (links) zur Wahl. tralen Einrichtungen der Universität.

Im Bereich Forschung sieht Müller-Fürstenberger In den Außenbeziehungen der Universität versteht A seine Aufgabe darin, auf eine gute Infrastruktur an sich der kommende Vizepräsident als Lobbyarbei- us

der Universität hinzuwirken. „Forschung ist frei, das ter für die Forschung. Außerdem möchte er den Kon- d verträgt sich nicht mit einem Mikro-Management“, takt zu den Nachbar-Universitäten intensivieren. er bezog er Position. Er unterstütze die Freiheit und Peter Kuntz, Pressestelle U Vielfalt der Forschung, die in einem einzelnen Fach Zur Person ni ebenso wie in großen Verbünden betrieben werden ve könne, ohne daraus Wertigkeiten abzuleiten oder Hie- rarchien aufzubauen. Gleichwohl sollten Potenziale Georg Müller-Fürstenberger studierte Volkswirtschaftslehre an rs für Spitzenforschung gesichtet und gefördert werden, der Universität , wo er auch am Lehrstuhl für Wirt- itä schaftstheorie arbeitete und promovierte. 1995 wechselte er allerdings stets im Dialog mit den Beteiligten. t als Assistent in die Abteilung Angewandte Mikroökonomie der In der Akzentuierung der Forschung mahnte er, da- Universität Bern. In seiner Zeit als Oberassistent in Bern über- rauf zu achten, dass sich die Universität nicht zu nahm er die Vertretung einer Professur und verfasste seine Ha- einer reinen Lehr-Universität entwickele. Er werde bilitation. Im Schweizerischen Nationalfonds war er als „Prin- sich hüten, in der Evaluation „scharfe Instrumente“ cipal Investigator“ (PI) führender Wissenschaftler im anzuwenden. Gleichwohl solle intensiver beobach- Forschungsschwerpunkt „Klima, Klima und Wirtschaft“. An der tet werden, wie sich Forschungsprojekte entwickel- Universität Trier hat er seit 2006 die Professur für Volkswirt- ten und wohin sie führten. Interdisziplinarität sei ein schaftslehre insbesondere Kommunal- und Umweltökonomie zentraler Punkt und insbesondere dann von Erfolg inne. Er gehört zu den Professoren, die in den Wirtschaftswis- gekrönt, wenn die Beteiligten in ihren eigenen For- senschaften der Universität nach dem Ausscheiden von „Grün- schungsbereichen und Communities renommiert und der-Hochschullehrern“ den Generationswechsel gestalteten. gut vernetzt seien, so Müller-Fürstenberger. 5 Ein kollegialer „Baustellen“-Manager „Kanzler-Dämmerung“ an der Universität: Klaus Hembach geht in Ruhestand

Am 28. Februar endet die Amtszeit von Dr. Klaus Hembach als Kanzler der Universität. Als Nachfolgerin des in Ruhestand tretenden langjährigen Verwaltungschefs wird Dr. Ulrike Graßnick die Aufgaben übernehmen. Die Feier zur offiziellen Amtsübergabe wird am 20. Februar im Audimax der Universität stattfinden.

und der Übergangsnutzung als Studentenwohnheim entstanden dort Hörsäle, Lehrräume, Büros und La- bors. Als Vizekanzler war Klaus Hembach seit 1998 für die Koordination des Projekts zuständig. Im April 2003 wurde das neue Hörsaalzentrum einge- weiht und zugleich der Startschuss für den letzten Bauabschnitt auf Campus II gegeben, der 2006 ab- geschlossen wurde.

Ohne neue Gebäude war dem wachsenden Raum- bedarf nicht beizukommen. Dank der Finanzsprit- zen aus den Konjunkturprogrammen konnte das Se- minarraum-Gebäude P gebaut und im Oktober 2009 eingeweiht werden. Ein gutes Jahr später verließen die letzten Handwerker den Neubau des Gebäudes N, das den Bedarf an weiteren Lehrräumen, Büros n „Großbaustellen“ herrscht im Hochschul- und Labors linderte. Amanagement gemeinhin kein Mangel. Für die Amtszeit von Dr. Klaus Hembach als Ein weiterer Meilenstein war die Ende 2013 nach Kanzler der Universität gilt das nicht nur im über- mehr als drei Jahren abgeschlossene und mit einem tragenen Sinn. Schon die Frühphase seiner Tätig- finanziellen Aufwand von 5,1 Millionen Euro keit in der Hochschulleitung war von einer bedeu- durchgeführte Sanierung der Sporthallen und -an- tenden Baumaßnahme geprägt: Als Vizekanzler lagen der Universität. koordinierte er den Umbau des ehemaligen fran- zösischen Hospitals auf dem Petrisberg zum Cam- Insbesondere mit Blick auf problematische wirt- pus II der Universität. Es sollte nicht seine letzte schaftliche Rahmenbedingungen und die langen Pla- Universitätsbaustelle bleiben – im übertragenen wie nungs- und Realisierungsphasen in der Bauwirt- wörtlichen Sinn. schaft kann Kanzler Klaus Hembach im Bereich Hochschulbau auf eine beachtliche Bilanz verwei- Ein Rückblick auf die beherrschenden Themen sei- sen. Eine Vision ließ sich in seiner Amtszeit trotz ner Kanzlerschaft: zweier Anläufe allerdings nicht realisieren: ein For- schungsgebäude, in dem die Forschungsverbünde Hochschulbau auch räumlich hätten zusammengeführt werden kön- Titelthema nen. Hembach ist überzeugt, dass diese Maßnahme Der Hochschulbau sollte Klaus Hembachs ständi- neben der räumlichen Bündelung „auch die zentrale ger Begleiter bleiben, gekennzeichnet durch ein Ne- Lösung für unsere Raumprobleme gewesen wäre“. beneinander von Neubau und Sanierung. Während die nunmehr knapp 40 Jahre alten ersten Universi- In der von ihm konzipierten „Bauleitplanung 2020“ tätsgebäude der Renovierung, Sanierung und ener- hatte er als Ziele für die Phase von 2016 bis 2020 getischen Aufwertung bedurften, verlangte die stei- „Konsolidierung und Profilschärfung“ formuliert. gende Zahl der Studierenden und Mitarbeiter nach Dieser nach wie vor gültigen Aufgabenstellung zusätzlichen Räumen in neuen Gebäuden. wird sich nun seine Nachfolgerin Dr. Ulrike Graß- nick widmen müssen. Das für das Erscheinungsbild der Universität in die- ser Zeit prägendste Bauprojekt war aus technischer Personal- und Sicht ein Sanierungsfall, aus politischem Blick- Organisationsentwicklung winkel ein Konversionsprojekt. Die Rede ist von der Umgestaltung des früheren französischen Mi- Personalwesen und Organisationsstruktur waren litärhospitals „André Genet“ zum Campus II der weitere zentrale Themen in Klaus Hembachs Kanz- Universität. Nach der Übergabe des Gebäudes 1993 lerjahren. „Innerhalb der Verwaltung ging es darum, 6 die Versäulung der Abteilungen aufzubrechen und Neben der technischen, strukturellen und organi- die Kooperation untereinander zu intensivieren“, satorischen Weiterentwicklung der Verwaltungs- erläutert Hembach. Ein sichtbares Zeichen setzte einheiten sah es Klaus Hembach als eine Aufgabe er mit der Neustrukturierung der Abteilung für stu- an, „in der Verwaltung ein stärkeres Selbstver- dentische Angelegenheiten, in der die zuvor auf un- ständnis als Dienstleiter zu entwickeln“. Ein nicht terschiedliche Bereiche verteilten Aufgaben zur Be- zu unterschätzender Beitrag zu dieser Entwicklung treuung der Studierenden gebündelt wurden. war eine räumliche Veränderung. Im Jahr 2003 Institutionell verankert sind die Aufgaben der Per- zogen die meisten Abteilungen vom ehemaligen sonal- und Organisationsentwicklung (POE) in den Kloster Olewig auf den Campus um. „Manche Mit- Kanzler-Stabsstellen Personalentwicklung (inklu- arbeiter hatten in Olewig über Jahre keinen Kon- sive Weiterbildung) und Organisation/Betriebsab- takt zu Studierenden oder Kollegen. Die Präsenz läufe/Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. auf dem Campus und die Nähe zu den Studieren- den und den wissenschaftlichen Mitarbeitern hat Klaus Hembach hat einen „kooperativen Füh- maßgeblich zu einer Verbesserung des Dienstleis- rungsstil“ nicht nur postuliert, sondern praktiziert. tungscharakters beigetragen“, erinnert sich Klaus In Arbeitsgruppen und Konferenzen hat er Funkti- Hembach. Das Schlagwort „Kundennähe“ erhielt onsträger in die Diskussion und in Entscheidungs- eine neue Bedeutung. prozesse einbezogen. Auch die von ihm angesto- ßene Teilnahme am „Audit Familiengerechte Haushaltszyklen Hochschule“ wurde kollaborativ in einer aus Mit- arbeitern unterschiedlicher Bereiche zusammenge- Sparzwänge sind keine ausschließlich aktuelle Er- stellten Arbeitsgruppe vorbereitet. scheinung. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Abständen von fünf bis zehn Jahren immer Als der Kanzler im Juni 2002 in Berlin für die Uni- wieder die Situation eingestellt, dass sich die Hoch- versität Trier die Urkunde als bundesweit erste „fa- schulen nach der Decke strecken mussten“, blickt miliengerechte Hochschule“ entgegennahm, waren Klaus Hembach als Verantwortlicher für den Haus- damit Zielvereinbarungen verbunden, die für Stu- halt auf bewegte Amtsjahre zurück. Als Ursachen dierende und Mitarbeiter deutliche Qualitätsstei- für die diversen Schieflagen sieht er konjunkturelle gerungen nach sich zogen. Dazu zählten beispiels- Einbrüche oder Veränderungen im Stellenwert von weise die bessere Vereinbarkeit von Familienarbeit Wissenschaft und Forschung in der jeweiligen po- mit Prüfungsordnungen oder wissenschaftlicher litischen Umgebung. Qualifizierung, der Ausbau von Kinderbetreuung und familiengerechten Infrastrukturen, die Flexi- In Hembachs Amtsperiode musste die Universität bilisierung von Arbeitszeiten (Einführung von Trier bereits zwischen 2002 und 2005 ein größeres Ti

Gleitzeit) und Arbeitsort (Telearbeit) oder Erleich- Sparpaket schnüren. Die seit 2012 laufenden Spar- te terungen beim beruflichen Wiedereinstieg. Derzeit maßnahmen sind Folge von verschiedenen politi- lt laufen die Vorbereitungen auf den insgesamt be- schen Maßnahmen und Entwicklungen. Das Kern- he reits fünften Auditierungsprozess. problem der Hochschulfinanzierung, so Hembach, m

seien weniger Liquiditätsengpässe als ein hohes a In drei Befragungen wurde die Arbeitssituation der Planungsrisiko. Der wachsende Anteil der Finan- Mitarbeiter beleuchtet. Zuletzt führte die vom Kanz- zierung durch Programm-Mittel steigere die Un- ler geleitete Arbeitsgruppe POE im vergangenen wägbarkeiten in der Haushaltsplanung. Jahr eine Umfrage zur Arbeitssituation und -zufrie- denheit unter den wissenschaftlichen Mitarbeitern Strukturdebatten durch. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet. Die seit 2012 geführte und fortdauernde Struktur- Verwaltungsmodernisierung debatte verdeckt, dass strukturelle Neukonzeptio- nen schon in früheren Jahrzehnten an der Univer- Die Analyse von Geschäftsprozessen, Standardi- sität Diskussionsgegenstand waren. Sie fanden seit sierung von Abläufen und Verfahren oder Service- 1989 in unterschiedlichen Papieren zu Entwick- optimierung waren für den Kanzler und Verwal- lungsperspektiven ihren Niederschlag, zuletzt in tungschef weitere Dauerbaustellen. Modernisierung den durch den Hochschulrat begleiteten Entwick- und Anpassung an die Erfordernisse und Ansprü- lungsperspektiven 2020. „Häufig wird übersehen, che an eine moderne Verwaltung beschäftigten ihn dass die Universität zwischen 2004 und 2010 einen insbesondere in Zeiten wachsender Regulierung gravierenden Generationswechsel durchlief und von politischer und exekutiver Seite. daher erhebliche strukturelle Veränderungen meis- 7 tern musste. Innerhalb eines kurzen Zeitraums ging Vita Dr. Klaus Hembach rund die Hälfte der Hochschullehrer in Ruhestand oder wechselte zu anderen Universitäten. Ganze Der in Bergisch-Gladbach geborene Klaus Fächer mussten unter erheblichem Zeitaufwand Hembach studierte in Köln Volkswirtschaft, neu aufgebaut werden“, erinnert sich Klaus Hem- Soziologie und Politikwissenschaft und ab- bach. solvierte in ein Aufbaustudium in Regionalplanung und Regionalwissenschaft. Auslöser der aktuellen Strukturdebatte waren ab- 1976 kam er als wissenschaftlicher Mitarbei- sehbare Probleme in der Sicherung des Haushalts. ter in der VWL erstmals an die Universität Die Hochschulleitung war überzeugt, dass „die Trier. Von 1982 bis 1987 war er im Planungs- Universität ab 2014/2015 vor Engpässen stehen dezernat der Universität tätig, bevor er wird, die sie aus eigener Kraft kaum noch bewäl- 1987 als Referent des Fachbereichs IV und tigen kann“, so Präsident Michael Jäckel. Durch später als Controller an die Universität Trier ein Moratorium auf die Besetzung unbefristeter zurückkehrte. Von 2001 bis 2006 war er als Stellen erkauften sich Senat und Hochschulleitung Vizekanzler mit den Aufgaben des Kanzlers Zeit, um ohne Druck inhaltliche und organisatori- betraut. Nach dem Ende eines langwierigen sche Strukturen an der Universität auf den Prüf- Konkurrentenklage-Verfahrens wurde er im stand zu stellen und nachhaltige Kursveränderun- August 2006 vom damaligen Ministerpräsi- gen diskutieren und einleiten zu können. denten Kurt Beck zum Kanzler der Universi- tät Trier ernannt. Klaus Hembachs Amtszeit Als Beitrag zur Strukturdebatte forderte Kanzler endet am 28. Februar 2014. Hembach auch von der Verwaltung eine Debatte und Ideen-Findung ein. Die Verwaltung ist auch in der Zentralen Strukturkommission vertreten, die im Juli 2012 ihren ersten Zwischenbericht vorlegte. Auch in der Verwaltung finden die in der Zentra- len Strukturkommission erarbeiteten und im Feb- ruar 2013 vom Senat beschlossenen Maßnahmen Anwendung. Peter Kuntz, Pressestelle Spontan Klaus Hembach zu …: Geißbock „Ein Silberstreif am Horizont“ Fastnacht oder Karneval? „Beides Vergangenheit“ Anden 1 „Tief durchatmen“ Gärtner „Spät berufen“ Titelthema Raucherecke „Ohne Leidensdruck“ Anden 2 „Langsam auftauen“ Mensa-Lieblingsessen „Linsensuppe“ Tipps für Nachfolgerin „Ich werde mich hüten“ Schönster Flecken der Uni „Mittäglicher Rundgang um den See“

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Von der Partnerschaft profitieren beide Seiten Germanistische Institute in Trier und Xiamen kooperieren seit einem Jahr

Im Januar 2013 startete die Germanistische Institutspartnerschaft zwischen den Universitäten Trier und Xiamen. Schon nach dem ersten Jahr lässt sich festhalten, dass sich die Partnerschaft vorzüglich zum gegenseitigen Nutzen entwickelt hat. Sie ist zwar ein kleines, den Beteiligten aber sehr wichtiges und gut funktionierendes Beispiel für deutsch-chinesische Zusammenarbeit. Was wurde bisher erreicht?

Schwerpunkte der Partnerschaft ie Germanistische Institutspartnerschaft zwi- Dschen Trier und Xiamen startete im Januar 1. Austausch von Studierenden 2013 nicht voraussetzungslos. Im Kontext der Städtepartnerschaft und der Kooperation zwi- schen den beiden Universitäten begannen schon seit Zum Kern der Partnerschaft gehört der Studieren- 2009 Kontakte zwischen dem Germanistischen In- denaustausch wie die kontinuierliche Förderung stitut der Universität Xiamen und dem Fachteil leistungsstarker Studierender durch Semestersti- Deutsch als Fremdsprache (DaF) der Trierer Uni- pendien. Seit dem Wintersemester 2009/10 können versität zu wachsen. Gemeinsame Aktivitäten wie fünf chinesische Germanistikstudenten das dritte Studierendenaustausch, Teilnahme am Internatio- Studienjahr in Trier absolvieren. Die Förderung von nalen Ferienkurs und Teletutorien entwickelten sich Studierenden in dieser fortgeschrittenen Phase des und mündeten 2013 in einer durch den Deutschen Studiums hat sich überaus bewährt und ist zu einem Akademischen Austauschdienst (DAAD) geför- attraktiven Bestandteil des Xiamener BA-Studien- derten Germanistischen Institutspartnerschaft. gangs (3+1-Modell) geworden.

Im Zentrum dieser Partnerschaft stand und steht die Für die spezifischen Studienbedürfnisse haben die in enger Verbindung mit der Trierer Germanistik Projektverantwortlichen beider Seiten (Prof. Fang stattfindende Stärkung und Profilierung des ger- Huosheng, Prof. Peter Kühn und Dr. Renate Freu- manistischen Studiengangs an der Universität Xia- denberg-Findeisen) ein tragfähiges Curriculum er- men zu einem in seinen germanistischen Kernin- arbeitet. Obwohl der Studierendenaustausch erst halten Sprache-Literatur-Kultur substanziellen und seit vier Jahren stattfindet, sind schon jetzt erste po- sich an die Forschungslandschaft in Deutschland sitive Wirkungen erkennbar. So liegen die Xiame- anschließenden konkurrenzfähigen auslandsger- ner Germanistikstudierenden bei den landesweiten manistischen Studiengang. Prüfungen im ersten Drittel und besonders viele Austauschstudenten konnten für einen MA-Studi- Von der Institutspartnerschaft sollten Lehrkräfte wie engang angenommen werden oder interessante Studierende gleichermaßen profitieren. Deshalb Stellen auf dem Arbeitsmarkt finden. wurde von Anfang an ein besonderes Augenmerk 2. Forschungs- und Qualifizierungsaufenthalte auf die Intensivierung des Studierendenaustauschs chinesischer Hochschullehrer und Lehrkräfte und auf Forschungs- und Lehraufenthalte chinesi- scher und deutscher Hochschullehrer und Nach- Ein weiterer zentraler Aspekt der Institutspartner- wuchswissenschaftler gelegt. schaft ist der wissenschaftliche Austausch. So weil- Studierende aus Xiamen werden an der Universität Trier unter anderem von Hilfskraft Mona Teusch betreut. Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche,

Foto: Peter Kuntz 10 Juni und Juli 2013 für das zweite und dritte Studi- enjahr Grundlagen der Semantik und interkulturelle Semantik. Dr. Irina Gradinari, die ebenfalls im Juni und Juli 2013 in Xiamen weilte, wählte zwei kul- turwissenschaftlich-germanistische Schwerpunkte. Das Seminar von Dr. Renate Freudenberg-Findei- sen im September 2013 widmete sich der wissen- schaftlichen Haus- bzw. Abschlussarbeit. 4. Förderung von Studienaufenthalten deut- scher Studierender

2013 waren Andreas Osterbrink und Anna Rosen- baum als Austauschstudierende in Xiamen. Beide Im Rahmen des wissenschaftlichen Austauschs weilte im studieren Sinologie in Verbindung mit DaF und vergangenen Jahr der Literaturwissenschaftler Prof. Fang konnten somit in Xiamen ihr sinologisches Studium Huosheng in Trier. Dr. Renate Freudenberg-Findeisen leitet das Teletutorium und war bereits als Gastdozentin in Xiamen. durch Lehrveranstaltungen wie Sprachkurs vertie- fen als auch ein Fachpraktikum DaF am Germa- nistischen Institut absolvieren. ten im Sommer und Herbst 2013 Prof. Fang Huos- 5. Verstetigung des Teletutoriums zum wis- heng und Pang Ronghua, M.A. für mehrere Monate senschaftlichen Schreiben und Initiierung in Trier. Prof. Fang Huosheng ist kontrastiver Li- eines daraus hervorgehenden gemeinsamen teraturwissenschaftler und beschäftigt sich in sei- Forschungsvorhabens nen Forschungen, die Teil eines größeren fächer- übergreifenden Projekts an der Universität Xiamen zum Chinabild im Westen sind, mit dem Thema Neben den Lehrexporten stärkt auch das Teletuto- „Chinesische Elemente in der deutschen Literatur rium zum wissenschaftlichen Schreiben, das im in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Sommersemester 2013 bereits zum vierten Mal Perspektive der Krise und Rekonstruktion der west- durchgeführt wurde, die germanistische Ausbildung lichen Modernität“. Im Fokus stehen dabei Werke in Xiamen. Das Teletutorium ist Teil eines Blended von Hermann Hesse und Elias Canetti. Pang Rong- Learning Arrangements; die Kursorganisation er- hua ist Linguistin und bereitet ihr Promotionspro- folgt über die Lernplattform StudIP. jekt vor, das sich mit textlinguistischen und text- kulturellen Aspekten von Fachtextsorten im Zum Teletutorium gibt es an der Universität Trier deutsch-chinesischen Vergleich befasst. im Fachteil DaF seit etlichen Jahren eine wissen- schaftliche Begleitforschung, die sich zunächst me- 3. Gastlehraufenthalte von Trierer Wissen- thodisch-didaktischen Aspekten des e-vermittelten schaftlern an der Universität Xiamen Lehrens und Lernens gewidmet hat. Ein Ergebnis der bisherigen Tutorien ist auch ein sehr reiches Da- Ein außerordentlicher Stellenwert kommt in der tenmaterial an Lernertexten. Deshalb wird derzeit Partnerschaft auch den Gastlehraufenthalten von in Zusammenarbeit mit Xiamen wie der Sinologie Trierer Wissenschaftlern in Xiamen zu, können (Prof. Liang) und Linguistischen Datenverarbei- Fachbereiche, Fächer, Institute doch über diese Möglichkeit Kerninhalte im Xia- tung (Dr. Sven Naumann) ein gemeinsames For- mener Studiengang gestärkt und vertieft wie auch schungsvorhaben zu textkontrastiven und texter- Lücken gefüllt werden. Im ersten Jahr der Partner- werblichen Aspekten von Textmusterkompetenz schaft gab es Lehraufenthalte zur Linguistik, Neue- chinesischer Deutschlerner erarbeitet. ren deutschen Literatur und Deutsch als Fremd- Dr. Renate Freudenberg-Findeisen, sprache. So unterrichtete Kerstin Kuck, M.A. im Deutsch als Fremdsprache Studierende aus Xiamen zu Erwartungen, Zielen und Eindrücken Doktorandin Ronghua Pang zu ihren „Ich habe erwartet, dass das Studium in Erfahrungen Deutschland sehr schwer wird, weil ich vielleicht nicht alles verstehen kann.“ „Die Sinologen in Deutschland haben viel we n - iger sprachpraktische Kurse als die Deutschler ner in China. Es gibt auch di daktische Unterschiede „Ich war mir sicher, dass es an der Uni Trier bei den Seminaren. Die deutschen Studenten viel mehr Bücher geben wird, vor allem im arbeiten gleichzeitig wissenschaftlich, wenn sie Fach Germanistik. Und das ist auch so!“ Chinesisch lernen. In China kon zen trieren sich die Deutschlerner in den ersten vier Semestern „Der Arbeitsaufwand für die Seminare ist sehr nur auf die Sprache. hoch, denn man muss sehr viel Text Ich habe viele theoretische Ansätze in DaF vorbereiten und viel selbstständig lernen.“ kennengelernt und viele praktische Unter richts - ansätze gesehen, die ich gerne in China aus probieren möchte. 11 Die Vision vom besseren Leben Senioren-Arbeitskreis an der Universität auf Exkursion in Kenia

17 Personen haben sich nach Ostafrika aufgemacht, ein Senioren-Arbeitskreis an der Tri- erer Universität unter der Leitung des jetzt in der Politikwissenschaft wirkenden Lehr- beauftragten und Aktiv-Seniors Johannes Michael Nebe. Er hat nicht nur ein Studenten- Projekt in Nairobi mit Deutschen und Kenianern auf den Weg gebracht, sondern zeitgleich die Seniorengruppe formiert, sie in Themen-Vormittagen vorbereitet und mit den not- wendigen Informationen versorgt.

s holpert und poltert. Der Geländewagen ent- oder „Weg“ schon Euphemismen sind. Und in der Ewickelt sich zum Spürhund für Schlaglöcher Luft hängt der Verbrennungsgestank von Plastik- und schüttelt Insassen samt Fahrer gehörig müll. Nairobis Slums repräsentieren die Architek- durch. Das Durchschnittstempo liegt ungefähr bei tur der Hoffnungslosigkeit. 15 Stundenkilometern. Da tut sich Hektik im Schneckentempo auf, eine seltsame Verbindung aus Hat dieses Land eine Zukunft? Oder sind die zahl- europäischem Geschwindigkeitsdrang und der Mi- reichen fröhlichen Kinder gerade in den Slums nur schung von Gelassenheit und Improvisationstalent, die Beschäftigungslosen von morgen? Offensicht- die die Trierer Exkursionsteilnehmer in Afrika häu- lich ist die klassische Politik machtlos gegenüber figer erleben werden. dem fatalen Netz aus Armut, Elend, Gier und Kor- ruption – in diesem Land und vielleicht in ganz Die Trierer Gruppe war nicht interessiert an den Afrika. Und zweifellos ist einem Politiker, der die Klischees der Sandstrände mit dem immergleich- Wahlen mit ganz offen gekauften Stimmen ge- idyllischen Sonnenuntergang und alkoholischem winnt, keine effektive Bekämpfung von Miss- Cocktail. Es ging um die gelebte Realität in Kenia. brauchs- und Schattenwirtschaft zuzutrauen. Es Und die erwies sich als anstrengend, aber auch er- sind andere Personen und Einrichtungen, die Hoff- giebig für das gemeinsame europäische Selbstver- nungen wecken. ständnis. Was da so schüttelte, war keineswegs eine gottverlassene Dorfstraße, sondern die Ausfall- Zum Beispiel das „Green Belt Movement“ der straße von Nakuru, drittgrößte Stadt in Kenia, in 2011 verstorbenen Friedensnobelpreisträgerin Wan- der sich an die 600.000 Einwohner drängen. Für die gari Maathai. Sogar der ortskundige Fahrer muss hat die löchrige Straße nur einen Vorzug – auch die Touristenfahrzeuge fahren so langsam, dass sich gewissermaßen en passant ein Souvenir-Handel ab- schließen lässt.

Da stehen sie, gereiht am Straßenrand, mit ihren improvisierten Ständen, bieten an, was sich über- haupt verkaufen lässt – von Tomaten und Zwiebeln über teils selbst gebastelte, teils offenbar indus- trielle Schmuckstücke bis hin zu Mobiliar, bei dem Särge eine makabre Prominenz genießen. Ob der Verkauf wirklich etwas einbringt oder nur Ausdruck reiner Verzweiflung ist – welcher Besucher aus Europa kann das schon beurteilen.

Nairobi. Eine ganz normale Großstadt, sollte man meinen. Hochhäuser, mehrspurige Straßen, Super- märkte mit Wachpersonal, Hektik. Während auf dem Land viele herumstehen und offenbar auf Be- schäftigung warten, wirken die Menschen in den Straßen der Hauptstadt eilig, ja gehetzt. Das be- Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche, drängendste Problem ist in diesem Stadtbild aller- dings gar nicht präsent – Nairobis Slums. Da hau- sen 75 Prozent der Stadtbevölkerung auf gerade Fotos: Birgit Möller-Scherf mal fünf Prozent der Fläche. Sie hausen in herun- Kommt aus den Slums von Nairobi und engagiert sich jetzt tergekommenen Wellblech-Unterständen an stau- für die Menschen dort: John Wesonga Mang’eni. bigen Durchlässen bei denen die Begriffe „Straße“ 12 suchen, um den Sitz der Einrichtung an der Peri- pherie Nairobis zu finden. „Die Regierung mag uns nicht“, erklärt ein Mitarbeiter. Und fügt hinzu, dass sich Schulungsteilnehmerinnen oft nur nachts he- ranschleichen – aus Furcht vor Repressalien. Er- neuerung der bedrohten Natur und Bildung der Armen und Ärmsten – auf diesen Beinen steht das „Green Belt Movement“. Ob die Einrichtung damit tatsächlich etwas bewirkt oder vorläufig nur macht- los Zeichen setzt?

Aber selbst in den Slums ist nicht alle Hoffnung ver- loren. John Wesonga Mang‘eni hat sich aus dem Elend herausgearbeitet und schreibt jetzt bei Johan- nes Michael Nebe seine Masterarbeit an der Keny- Lachende Kinder, ungewisse Zukunft in den Slums von Nairobi. atta University. Er präsentiert mit Stolz, was sogar unter den schlimmsten Bedingungen möglich ist – Schule für die Kinder, einfache Beschäftigung für Masai Mara mit der überwältigenden Wildlife-Sze- die Arbeitslosen, Miteinander und Solidarität gerade nerie, der grünen Tee-Region um Kericho und den unter den Frauen. Der Kontrast ist frappierend: wäh- letzten Resten eines tropischen Regenwaldes des rend die Behausungen von der allerprimitivsten Kakamega Forest im Westen Kenias und der un- Sorte sind, leben darin erstaunlich gut aussehende, säglichen Armut in den Slums von Nairobi sind für saubere, teilweise adrett gekleidete Menschen. Und uns Deutsche schwer zu ertragen. Die unzähligen was sie den Gästen zum Kauf anbieten, würde auch Facetten zwischen Glanz und Elend wollen sich gar in Europa in die Rubrik „Kunsthandwerk“ fallen. nicht vertragen mit dem gewohnten Wohlleben bei Nein, sie wollen keine Almosen, erklären sie, son- uns zu Hause. dern geben und nehmen, einen Austausch auf Au- genhöhe. Und dann lachen sie, tanzen mit den Be- Unverständlich war für alle, warum es keine über- suchern. Und die Kinder nehmen die Fremden an die zeugende Politik in Kenia gibt, die sich am Wohl Hand und lassen sich ein Stück weit führen – viel- der breiten Bevölkerung ausrichtet und die Ju- leicht doch mit der Vision vom besseren Leben. gendarbeitslosigkeit hingenommen wird – immer- hin sind 80 Prozent der Bevölkerung unter 35 Jahre Es war hart und oft bedrückend, die Wirklichkeit alt, bildungshungrig und überwiegend arbeitslos Kenias zu erleben. Die Erkenntnisse daraus fallen und ohne Lebensperspektive. Hier wächst ein be- Fachbereiche, Fächer, Institute keineswegs einhellig aus. „Ich habe jetzt mehr Fra- drohliches Potenzial heran, dem die Regierung gen als Antworten”, sagt ein Teilnehmer. Die Ge- größte Aufmerksamkeit schenken müsste, sich je- gensätze zwischen der einzigartigen Natur der doch lediglich ihrer eigenen Stammesklientel ver- pflichtet fühlt. Arm und Reich driften so immer wei- ter auseinander, und eine Ver- söhnungspolitik zwischen den über 40 verschiedenen Ethnien ist kaum erkennbar. Angesichts dieser Situation eint die Exkursionsteilneh- mer die eine Hoffnung: Dass in Kenia bald echter Friede einkehrt und auch die jüngs- ten Terroranschläge das Land nicht weiter destabilisieren. Die herzlichen Menschen verdienen eine Wende zum Besseren. Dr. Martin Möller, Die Exkursionsteilnehmer am Äquator. Teilnehmer der Exkursion 13 Neue Anforderungen an Industrie-Kläranlagen Gesprächskreis des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht

Mittlerweile zum 25. Mal lud das im Jahr 2006 errichtete Institut für Deutsches und Eu- ropäisches Wasserwirtschaftsrecht an der Universität Trier zu einer Gesprächsrunde ein über aktuelle wasserrechtliche Fragen. Mit der Veranstaltungsreihe, die an wechselnden Orten im gesamten Bundesgebiet stattfindet, begleitet das Institut die Entwicklung des Wasserrechts am Beispiel ausgewählter aktueller Einzelthemen, die im Dialog von Wis- senschaft und Praxis erörtert werden.

m November 2013 widmete sich die Veranstal- Robert Weitz, Currenta GmbH & Co. OHG, die Itung der Neuordnung der Anforderungen an In- Standpunkte verschiedener Beteiligter zu hören. dustrie-Kläranlagen zwischen EU-Industrie- emissionenrichtlinie und novellierter prioritärer Der angeregten Diskussion über die neuen europa- Stoffliste, einem exemplarischen Kernthema des rechtlichen Anforderungen an die Beseitigung in- Konflikts zwischen Gewässerschutz und Gewäs- dustrieller Abwässer schloss sich ein kölsches Büf- ser nutzung. fet an, das nicht zuletzt der Vertiefung der Gespräche und Kontakte diente. Der kommende Auf freundliche Einladung der Kanzlei DLA Piper Gesprächskreis wird in Zusammenarbeit mit dem Köln trafen sich wieder über 50 interessierte Was- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und serrechtler aus Hochschulen, Behörden, Unterneh- Reaktorsicherheit eine Bestandsaufnahme nach den men, Kanzleien und Verbänden, um mit den Vor- ersten fünf Jahren des neuen Wasserhaushaltsge- trägen von Ministerialrat Hermann Spillecke, setzes unternehmen und im März 2014 in Umweltministerium Nordrhein-Westfalen, und Dr. stattfinden. Die Anforderungen des Europarechts an die Beseitigung von Industrieabwässern wurde angeregt diskutiert. Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche,

14 Italien des Wissens – Entdeckung und Innovation Migrationsliteratur, wirtschaftliche Exzellenz und Fachdidaktik prägten die „Settimana“

Dem Italien des Wissens widmete sich die “XIII Settimana della Lingua Italiana nel Mondo” vom 14. bis 17. November an der Universität Trier. Veranstalter war der Fachbe- reich II/Romanistik in Zusammenarbeit mit dem Theater und der Volkshochschule Trier, dem Verein Convivium (Luxemburg), der Kulturstiftung Claudi (Italien), dem Kulturverein Apriti Sesamo (Luxemburg) und dem Verein Marchigiani di Lussemburgo.

nter dem Rahmenthema der XIII Settimana partnerschaft wurde im vergangen Jahr durch eine U„L’Italia dei saperi – Das Italien des Erasmuspartnerschaft zwischen den Universitäten Wissens“ wurden Themen behandelt wie Trier und Macerata erweitert. Innovationen in der italienischsprachigen Migrati- onsliteratur und ihrer Erforschung; regionale wirt- In Form eines Runden Tisches, der von Hermann schaftliche Exzellenz am Beispiel der Region Kleber (Universität Trier) moderiert wurde, fand Marche sowie neuere Entwicklungen in der Fach- ein reger Austausch über die Innovationen in der didaktik des Italienischen an Schulen und Hoch - italienischen Fachdidaktik statt, mit Beiträgen von schulen, in der Weiterbildung und in der Er wach- Sabine Pfaffenholz (Pädagogisches Landesinstitut senenbildung. Die Vorträge hielten Wissenschaftler Rheinland-Pfalz für Lehrerfort- und Weiterbil- bzw. Autoren aus Italien (Università di Macerata: dung), Andrea Klinkner (Staatliches Studiensemi- Carla Carotenuto und Michaela Meschini; Univer- nar Trier), Benjamin Berend (Bildungswissen- sità di Urbino: Massimo Ciambotti), aus Deutsch- schaften Universität Trier) und Adriano Cristiano land (Universität Trier: Mara Onasch, Maria Luisa (Volkshochschule Trier und Sprachenzentrum der Caldognetto und Laura Campanale) sowie Luxem- Universität Trier). burg (Silvio Grilli). Ende und zugleich Höhepunkt der Veranstaltung Die Diskussionen im Anschluss an die Vorträge war die Vernissage der Ausstellung „Il canto della wurden von zahlreichen diskussionsfreudigen Teil- terra“ im Theater in Trier mit Werken der Künstler nehmern (Studierende der Universität Trier sowie Francesca Cataldi, Anna Esposito, Daniel Hees und Gäste aus Deutschland, Luxemburg, Frankreich Walter Kratner. Nur durch die reibungslose Zu- und Italien) nicht nur verfolgt, sondern auch aktiv sammenarbeit der Stiftung Claudi mit dem Theater gestaltet. Angesichts der erneuten Virulenz des Mi- Trier konnte diese Ausstellung realisiert werden, grationsproblems fand die Bestandsaufnahme und die bis zum 17. Dezember zu sehen war. Bewertung der italienischen Migrationsliteratur ein lebhaftes Echo. Die Präsentation der Region Mar- Die „Settimana della Lingua Italiana nel Mondo

che in Italien als Beispiel für eine regionale wirt- 2013“ wurde insgesamt von mehr als 160 Personen Fachbereiche, Fächer, Institute schaftliche Exzellenz war nicht nur ein interessan- aus der Großregion Trier besucht und bezeugt das tes wissenschaftliches Fallbeispiel, sondern erlangte steigende und rege Interesse an der italienischen durch die seit über 50 Jahren bestehende Städte- Sprache und Kultur, sowie den enormen wirt- partnerschaft zwischen Trier und Ascoli-Piceno schaftlichen und kulturellen Reichtum Italiens, ge- auch eine hiesige lokale Bedeutung. Die Städte- rade und wegen seiner großen Diversifikation. Foto: Dominik Kornadt

Ein Höhepunkt der „Settimana della Lingua Italiana nel Mondo 2013“ war die Ausstellung „Il canto della terra“ im Theater Trier, hier ein Foto von der Eröffnung.

15 „Die schönste für mich gemachte Ausstellung“ Harald Naegeli, der „Sprayer von Zürich“, zeigte sich begeistert

Studierende haben im Rahmen des Seminars „Street Art“ in Zusammenarbeit mit der Graphischen Sammlung des Fachs Kunstgeschichte der Universität Trier und der Euro- päischen Kunstakademie Trier eine ungewöhnliche Ausstellung realisiert. Sie zeigt Zeich- nungen und Radierungen des Künstlers Harald Naegeli, der als „Sprayer von Zürich“ bekannt wurde.

as Atelier gleicht einer Bühne – überall Mal- Künstler internationaler Bedeutung zusammenar- Dund Zeichenwerkzeuge, große und kleine beiten konnte. Dr. Anette Michels, Kustodin der Staffeleien, die sich an der Wand entlangrei- Graphischen Sammlung am Kunstgeschichtlichen hen, zahlreiche Mappen, Lampen und Strahler. Ha- Institut der Universität Tübingen, stellte den Kon- rald Naegeli empfängt uns mit einem Lachen und takt zu Harald Naegeli her. Sie begleitet dessen lädt zu Kaffee, Nüssen und Schokolade. Aufgeregt Werk seit langem und stellte das vollständige Ra- und neugierig versammeln wir uns um den Schwei- dierwerk des Künstlers aus den Jahren 1989 bis zer Künstler, der uns durch seine Werkstatt führt. 1998 aus dem Besitz der Graphischen Sammlung Mit Begeisterung lässt er uns am Entstehungspro- als Leihgabe für eine Ausstellung in der Kunsthalle zess seiner „Urwolken“ teilhaben, läuft von einer der Europäischen Kunstakademie zur Verfügung. Staffelei zur nächsten, erklärt und beschreibt. Plötz- lich öffnet er Schubladen, in denen sich noch mehr Unter Anleitung von Gabriele Lohberg und Dr. Ste- verbirgt. Tierzeichnungen, große und kleine Land- phan Brakensiek, Kustos der Graphischen Samm- schaften, Radierungen und Aquarelle. Es wird ein lung des Fachs Kunstgeschichte an der Universität langer Abend im Düsseldorfer Atelier, mit vielen Trier, wurde die Theorie zur Praxis. Vier Arbeits- Fragen, Erzählungen und dem Ausblick auf eine gruppen wurden gebildet, deren Themenfelder sich Ausstellung, die größer werden soll, als anfänglich in Vortrag, Öffentlichkeitsarbeit, Katalog und Aus- geplant. stellung unterteilen lassen. Mit der unermüdlichen Hilfe von Tutorin Claudia Klein fanden die Ar- Es ist ein besonderes Projekt das Studierende der beitsgruppen auch außerhalb des Seminars Gehör Kunstgeschichte an der Universität Trier im Rah- und tatkräftige Unterstützung. men des Seminars „Kunst im öffentlichen Raum – Street Art“ realisieren. Dr. Gabriele Lohberg, Lei- Gleich einem Sprung ins kalte Wasser galt es, bin- terin der Europäischen Kunstakademie, Trier, nennt nen kürzester Zeit einen Vortrag Harald Naegelis es einen „Glücksfall, dass das Seminar mit einem in der Europäischen Kunstakademie als Auftakt der

Vernissage in der Kunsthalle Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche,

16 im Januar folgenden Ausstellung zu planen und um- zusetzen. Der damit verbundene Besuch Naegelis in Trier wurde zu einem intensiven Erlebnis. Immer zur Hand ein großes Skizzenbuch, begleiteten die Studierenden Harald Naegeli beim Einfangen sei- ner Impressionen von , Dom, Liebfrau- enkirche oder Universitätsgelände. „Das gefällt mir, das zeichne ich“, erklärte er den Studierenden und ermunterte zu Fragen und Beobachtung. Schon jetzt erhofften sich die Studierenden mehr für die Aus- stellung: „Könnten wir nicht auch das Skizzenbuch bei der Ausstellung zeigen?“

Bei einem zweiten Besuch in seinem Atelier in Düsseldorf nahmen die Wünsche nach einer Aus- weitung des Konzepts Formen an. Auch sein Le- Blick in Naegelis Düsseldorfer Atelier. benswerk, die „Urwolke“, sollte die Ausstellung er- weitern, hinzu kamen kleine Landschaften, Tierzeichnungen und Impressionen. „Wie es euch macht wurde“, tönte es durch die Kunsthalle und gefällt“, schien hier das Motto, denn ohne große Harald Naegelis Worte wurden mit dem Erfolg der Mühen durften Mitglieder der Ausstellungsgruppe Ausstellungseröffnung am folgenden Abend bestä- unter zahlreichen Zeichnungen wählen. Mit be- tigt. sonderer Leidenschaft begeisterte sich Claudia Klein für die großen Landschaften und erhielt mit „Die Vernissage meiner Ausstellung auf der Euro- viel Überredungskunst eine Zusage. päischen Kunstakademie in Trier war für mich und für viele Freunde eine große Freude. Meine Ur- Eine Auswahl war getroffen und für den Katalog wolke wurde vorgestellt ebenso die Landschaft- blieb nur noch wenig Zeit. Tage mit Schreiben, und Tierzeichnungen sodann Tusch-/Kohlezeich- nungen. Ich gab eine Perfor- mance zusammen mit einem Percussionisten zum Besten, aber am Schluss wollte ich auf die Straße und zog eine lange rote Linie, das war das Beste überhaupt“, berichtete Harald Naegeli in seinen letz- ten Grüßen. Anna Leis, Studentin und Mitglied der AG Öffentlichkeitsarbeit Fachbereiche, Fächer, Institute

Harald Naegeli auf dem Uni-Campus.

Korrekturlesen, Überarbeiten und wieder Korri- gieren verlangten der Kataloggruppe und den Au- toren jede freie Minute ab. Mit viel Mühe entstand nach tagelanger Arbeit ein kleines Kunstwerk auf 162 Seiten. Weitere Informationen

Jetzt mussten Ideen der Gestaltung in der Kunst- Die Ausstellung „Harald Naegeli – Zeichnen der Europäischen Kunstakademie in die Tat im Raum“ ist noch bis zum 12. Februar 2014 umgesetzt werden. Die Ausstellungsgruppe entwarf in der Kunsthalle der Europäischen Kunst- Pläne, arrangierte, passepartourierte und rahmte. akademie (Aachener Straße 63, Trier) zu Vitrinen wurden organisiert und immer wieder um- sehen. gestellt. In der Gemeinschaft verlor man sich allzu oft in Diskussionen über Unstimmigkeiten, aber Öffnungszeiten: auch das gehörte dazu. Über allem wurde letztend- Dienstag–Sonntag, 11–17 Uhr, Eintritt frei lich mit Aufregung Harald Naegeli erwartet und www.eka-trier.de alle Sorgen verflogen mit seinem positiven Urteil. → „Die schönste Ausstellung, die jemals für mich ge- 17 „Ein Kontinent, der sich als Land tarnt” SZ-Korrespondent Matthias Kolb zum Amerika-Bild der Deutschen

Unter dem Titel „Unglaublich nah und doch schrecklich fern” stellte am 14. November der ehemalige USA-Korrespondent der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, Matthias Kolb, auf Einladung des Trierer Zentrums für Amerikastudien (TCAS) seine Ein- drücke und Erlebnisse während seines USA-Aufenthaltes vor. Der junge Journalist schaffte es, ein lebhaftes, spannendes und vor allem nuanciertes Porträt eines Landes und sei- ner Bewohner vorzustellen und betonte die Unterschiede in der kulturellen Wahrneh- mung auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Veranstaltung erfolgte im Rahmen der „Trierer Vorträge zu amerikanischer Kultur und Literatur“ des TCAS.

„Ein Kontinent, der sich als Land tarnt.” Diese Be- Amerikaner und die immer noch stark wirkenden schreibung der USA von Matthias Kolb, der 15 Mo- Folgen des 11. September. Somit sah sich Kolb mit nate in Amerika verbrachte und von dort ausgiebig der Herausforderung konfrontiert, eine kritische über die Präsidentschaftswahl 2012 berichtete, und anspruchsvolle Berichterstattung zu liefern, die sollte den Zuhörern im gefüllten Saal der Stadtbi- jedoch auch die Interessen und Bewertungs- bliothek Trier die Vielschichtigkeit und vor allem maßstäbe des deutschen Publikums im Blick be- die Komplexität des Landes verdeutlichen. Denn, hielt. Diese Maßstäbe unterscheiden sich maßgeb- so Kolb, viele Deutsche hätten ein oftmals sehr kli- lich vor allem in den zivilgesellschaftlichen scheehaftes Verständnis von amerikanischer Poli- Auffassungen von Begriffen und Konzepten wie tik und Kultur und keine genaue Vorstellung von Freiheit oder dem Wohlfahrtsstaat. Im Laufe seines den lokalen Unterschieden, Besonderheiten und Ei- Vortrags illustrierte Kolb diese Herausforderung genheiten dieses großen Landes. Daher bestimmen mit Ausschnitten aus seinen Artikeln und erläuterte, häufig oberflächliche Narrative die deutsche Be- aus welchen Gründen bestimmte Headlines oder richterstattung über die USA, z.B. wird oftmals ein- Themen ausgewählt und veröffentlicht wurden. seitig negativ über die Rolle der Republikaner be- richtet, ein direkter Parteienvergleich zwischen den Zum Abschluss betonte Kolb auch die positiven As- Parteien beider Länder angestellt obwohl politische pekte des Landes, die oft in einer deutschen Be- Parteien in den USA weitaus anders strukturiert richterstattung untergehen, die von amerikanisch sind als in Deutschland, oder das politische System geführten Kriegen, dem für viele Deutsche unver- der USA stark vereinfacht oder verallgemeinernd ständlichen Kampf um die Gesundheitsreform oder dargestellt. Aufgrund der Omnipräsenz amerikani- Debatten zum Waffenbesitz und aktuell zur NSA scher Kulturgüter und Nachrichten halten sich dominiert wird. Hierzu zählte er kulturelle Güter, zudem viele Leser selbst schon für Experten was die vor allem in Europa hohen Anklang finden die amerikanische Gesellschaft betrifft. Kolb gab (Musik, Film und Fernsehen, Kunst), aber auch die freimütig zu, dass auch er sich für einen guten Qualität der Hochschulen, die technologischen Ent- USA-Kenner hielt, bevor er in die USA reiste um wicklungen und ebenso die Medienentwicklung in- dort als erster Online-Auslandskorrespondent der nerhalb der USA. Amerika sei daher immer noch SZ exklusiv über den U.S.-Präsidentschaftswahl- das unangefochtene Zukunftslabor und amerikani- kampf und die Stimmung im Land zu berichten. sche Produkte und kulturelle Güter stoßen immer noch auf enormes Interesse auf der anderen Seite In den USA angekommen, bemerkte der Absolvent des Atlantiks. Kolb betonte, dass man auch diese der Deutschen Journalistenschule München jedoch Seite der USA als Korrespondent adäquat in seinen recht schnell, wie schwer es sein würde, differen- Berichten wiederspiegeln muss, schließlich sei man ziert über die USA zu berichten und dennoch den eine Mischung aus Übersetzer und Botschafter für deutschen Leser anzusprechen. Denn was laut Kolb ein Land. in Deutschland oft vernachlässigt oder missver- standen wird, sei die unglaubliche Größe des Lan- Die Veranstaltung erfolgte in Zusammenarbeit mit des, der sich dort rasant vollziehende gesellschaft- der Stadtbibliothek Trier und der Deutsch-Ameri- liche Wandel, die Bedeutung der Freiheit für kanischen Gesellschaft Trier. Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche,

18 Theologie meets Gesundheitswissenschaft Symposium des Zentrums für Gesundheitsökonomie zur Würde des Alters

Wie in den vergangenen Jahren organisierte das International Health Care Management Institute (IHCI) im November bereits zum siebten Mal und erstmals in Kooperation mit der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste das jährlich stattfindende ZfG-Symposium (Zentrum für Gesundheitsökonomie). Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung stand unter dem Oberthema „Gesundheitswissenschaftliche und theologische Aspekte der Würde des Alters“. Neben namhaften Vertretern der großen Weltreligionen konnten auch Wissenschaftler der Universität Trier sowie Mediziner und Vertreter der Ge- sundheitswirtschaft gewonnen werden. Rund 40 Teilnehmer aus Wissenschaft und Pra- xis verfolgten die Vorträge und diskutierten anschließend mit den Referenten.

Foto: Peter Junk usikalisch eröffnet wurde die Veranstaltung Mmit dem bekannten Lied von Dietrich Bon- hoeffer „Von guten Mächten wunderbar ge- borgen“. Prof. Dr. Andreas J. W. Goldschmidt, Vor- standsvorsitzender des ZfG, begleitete auf der E-Gitarre und schuf so ein verbindendes Leitmotiv für die Vorträge aus Religion und Ökonomie.

In der Abschlussdiskussion setzten sich Referenten und Publikum mit den Ergebnis- Nach einem Grußwort des Dekans des Fachbe- sen des Symposiums auseinander. reichs IV, Prof. Dr. Ekkehard Sachs, und einem Ge- leitwort des Präsidenten der Europäischen Akade- mie, das vom Dekan der Klasse Weltreligionen, Dr. Personal und oft nicht ausreichenden Finanzmitteln Elmar Kuhn, in Vertretung verlesen wurde, eröff- bestimmt. nete Dr. Kuhn den theologischen Teil des Sympo- siums. Sei Vortrag befasste sich mit der „Würde des Dr. Marco Gruß, Leiter der Klinik für Anästhesio- Alters oder Diktatur der Alten – eine ethische Grat- logie, operative Intensivmedizin und Schmerzthera- wanderung mit klaren Maximen“. Wie wird das pie des Klinikum Hanau GmbH, prangerte die Kluft Alter im Christentum, Islam und Buddhismus zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Sterbenden gesehen? Diese Frage beantworteten Prälat Dr. Her- an. Statt in Begleitung nahestehender Menschen, bert Hoffman als Vertreter der christlichen Reli- ohne Schmerzen und Angst müssten sie in ihren letz- gionen, Dr. M. Zouhair Halabi als Palliativmedizi- ten Tagen und Stunden häufig durch eine Hölle der ner und Mitglied des Zentralrats der Muslime in Einsamkeit auf der Intensivstation gehen und wür-

Deutschland und Dr. Barbara Krausnick, Psychi- den so darum gebracht, das nahende Lebensende zu Fachbereiche, Fächer, Institute aterin und Vertreterin des Kulturzentrums der Soka erkennen und anzunehmen. Gakkai International (SGI) Deutschland e.V. Könnte Künstliche Intelligenz Freiräume für mehr Hier zeigte sich übereinstimmend, dass das persönliche Zuwendung in der Medizin schaffen? menschliche Leben an sich in allen Religionen als Prof. Dr. Ingo Timm aus der Wirtschaftsinformatik wert- und würdevoll angesehen wird. Was der Islam der Universität Trier diskutierte in seinem Vortrag unter Respekt und Fürsorgepflicht alten Menschen die ethischen Dimensionen von entscheidungsun- gegenüber - unabhängig von Verwandtschaftsver- terstützenden Systemen für Mediziner. hältnis, Geisteszustand oder Religionszugehörig- keit - versteht, untermauert im Christentum Gene- Hermann-Josef Huggenberger, Bezirksgeschäfts- sis 1 mit der Aussage: der Mensch ist die Krone der führer der AOK Rheinland-Pfalz/, zeigte Schöpfung und Gottes Ebenbild – und das bis zu- sich abschließend zuversichtlich, dass trotz stei- letzt. Im Buddhismus wird das Leben durch den gender Kosten in der Gesundheitswirtschaft Lö- Tod nicht ausgelöscht, es wechselt lediglich seine sungen für eine angemessene Gesundheitsversor- Erscheinungsform und durchläuft erneut den ewi- gung aller gefunden werden können. gen Zyklus von Werden und Vergehen. Den Schlussakkord bildete eine spannende Ab- Im zweiten Teil des Symposiums diskutierten Wis- schlussdiskussion mit Referenten und Publikum. senschaftler aus Medizin, Ökonomie und Informa- So fand die positive Bilanz von Moderator Prof. Dr. tik Praxisbeispiele aus der Gesundheitswirtschaft. Georg Müller-Fürstenberger aus der Volkswirt- So unternahm Prof. Dr. Andreas Goldschmidt einen schaftslehre der Universität Trier allgemeine Zu- „Exkurs in die gesellschaftliche Realität des Ster- stimmung und weckte Vorfreude auf das nächste bens in Deutschland”. Das Sterben sei vielerorts ZfG-Symposium im November dieses Jahres. nach wie vor vom Mangel an gut ausgebildetem Dorothea Ziegler-Eisele, 19 Mitarbeiterin IHCI und ZfG 614 Absolventen feierten ihren Studienabschluss Fachbereich IV verlieh Schumpeter-Preis und Axel G. Schmidt-Preis

Der Fachbereich IV der Universität verabschiedete 614 Absolventen, die im Studienjahr 2012/13 ihren Abschluss erlangt hatten. Auf der zum 23. Mal ausgerichteten Absolven- tenfeier überreichte Dekan Prof. Dr. Ekkehard Sachs in einem festlichen Rahmen die Bachelor-, Master-, Diplom- und Magisterurkunden. Die Besten ihres Faches wurden mit einer Auszeichnung und einem Buchpreis bedacht.

Schumpeter, der sich intensiv mit den Themen Ka- pitalismus und Sozialismus auseinandersetzte und mit seiner Theorie der kreativen Zerstörung bekannt wurde. Michael Schiff überreichte die Ehrungen stellvertretend für den Stifter des Preises, die Deut- sche Bundesbank - Hauptverwaltung Rheinland- Pfalz und Saarland. Der erste Preis ging an Dr. Edith Olejnik (BWL) für ihre Arbeit mit dem Titel „SMEs‘ internationalisation patterns: descriptives, dynamics and determinants“. Dr. Karina Becker (Soziologie) wurde für ihre Arbeit mit dem Titel „Hybrid Participation. A Hinge between Individual Participation and Institutional Co-determination“ mit dem zweiten Preis ausgezeichnet.

Zum zweiten Mal erfolgte ebenfalls die Verleihung des Prof. Dr. Axel G. Schmidt-Preises für ganz- Michael Schiff von der Deutschen Bundesbank, Hauptverwaltung Rhein- heitliche Unternehmensführung in Gedenken an land-Pfalz und Saarland, überreichte die Schumpeter-Preise an Dr. Edith den Namensgeber, Gründer und langjährigen wis- Olejnik (rechts) und Dr. Karina Becker. senschaftlichen Leiter des Instituts für Mittel- standsökonomie der Universität Trier (Inmit). Als m Rahmen der Absolventenfeier wurde zum Vertreter des Inmit-Vorstandes übergab Prof. Dr. Ifünften Mal der Joseph A. Schumpeter-Preis ver- Rolf Weiber den Preis an Dr. Edith Olejnik (BWL) liehen. Der Preis erinnert an Volkswirt Joseph A. für ihre Dissertation.

Fotos: Dr. Hans Georg Eiben/Convention Pictures Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche,

20 Die Besten ihrer Studienfächer zeichnete Dekan Prof. Dr. Ekkehard Sachs (Mitte) aus (von links): Charlotte Articus, Markus Born, Sebastian Baltes, Mareike Dötsch, Achim Mees, Peter Pazen, Martin Schumann, Sebastian Weinand, Andreas Jung und Christian Fisch.

In der Absolventenrede richtete Jo Andrea Brüg- der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler der Uni- gemann, Masterabsolventin der Mathematik, opti- versität Trier erörterte einige Vorteile des Alumni- mistische und für die Zukunft motivierende Worte Netzwerkes, wie unter anderem den Erfahrungs- an ihre Mitstudenten. Uwe Roßmann vom Verein austausch, Kooperationen und die Kontaktpflege Auszeichnungen mit ehemaligen Kommilitonen. Dr. Klaus Hembach, Kanzler der Universität Trier, Im Fach Mathematik erhielt Markus Born und berichtete von seinen beruflichen Stationen an der im Fach VWL Charlotte Articus die Auszeich- Universität und den Entwicklungen an der Hoch- nung für den besten Diplomabschluss. Unter schule. Er richtete motivierende und für das zu- den besten Bachelorabsolventen wurde aus künftige private und berufliche Leben zuversicht- der VWL Sebastian Weinand als einziger An- lich stimmende Worte an die Studienabgänger. wesender geehrt. In den Masterstudiengän- gen wurden im Fach BWL Christian Fisch und Die Uni-Bigband SwingUniT begleitete die Veran- in Mathematik Achim Mees, Andreas Jung und staltung mit abwechslungsreichen Stücken musi- Martin Schumann geehrt. In der Informatik er- kalisch. An die Ehrungen und die Urkundenüber- hielt Sebastian Baltes, in der Wirtschaftsin- gabe schloss sich ein Umtrunk im Foyer an, formatik Peter Pazen und im Fach Medien- organisiert vom Dekanat des Fachbereichs, das mit und Kultursoziologie Mareike Dötsch eine Aus- seinen Helfern und Unterstützern zu einem her- zeichnung für die besten Masterabschlüsse. vorragenden Gelingen der Veranstaltung beitrug. Yvonne Horter, Hilfskraft im Dekanat Fachbereiche, Fächer, Institute

21 Foto: JJSTudio. Fotolia Zwischen Beharrung und innovativer Anpassung Zweitägige Konferenz „Soziologische Perspektiven auf Resilienz“

Unter dem Titel „Soziologische Perspektiven auf Resilienz – Theoretische und empirische Zugänge zu Resilienz in politischen und wirtschaftlichen Handlungsfeldern“ wurde am 5. und 6. Dezember 2013 an der Universität Trier eine Arbeitstagung der Sektionen „Politische Soziologie“ und „Wirtschaftssoziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) von Prof. Dr. Martin Endreß und Prof. Dr. Andrea Maurer veranstaltet. Die Tagung stand in Verbindung mit der gegenwärtig an der Universität Trier verfolgten Sonderforschungsbereich-Antragsinitiative 1157 zum Thema „Resilienz“.

ie Tagung widmete sich dem Konzept der so- hend von Parsons‘ klassischer Theorie das Phäno- Dzialen Resilienz, welches den Umgang mit men „disruptiven sozialen Wandels“ als ein zen- disruptiven Ereignissen im Spannungsfeld trales Element der Resilienzforschung. Dabei ging zwischen Beharrung und innovativer Anpassung er vor allem auf die Frage ein, welche Möglich- zur Bestandssicherung bedrohter sozialer Einhei- keiten und Herausforderungen darin bestehen, ein ten beschreibt. Eröffnet wurde sie mit einem Vor- solches Phänomen zu konzeptualisieren und iden- trag von Prof. Dr. Wolfgang Bonß (München). Er tifizierte eine handlungstheoretisch fundierte Mo- gab eine Übersicht über die Herkunft des Begriffs dellbildung als vorrangiges theoretisches Deside- der „Resilienz“, dessen Werdegang sowie über ver- rat. Im Anschluss zeichnete Daniel Lorenz (Berlin) schiedene Verbindungen zu verwandten Konzep- in seinem Vortrag „Soziale Resilienz in theoreti- ten. Einen eigenen Konzeptualisierungsvorschlag scher Hinsicht – Entwicklung und Anwendungen Fachbereiche, Fächer, Institute Fächer, Fachbereiche, stellte er mit der Unterscheidung zwischen „einfa- im Bereich sozialwissenschaftlicher Katastrophen- cher“ und „reflexiver“ Resilienz vor. forschung“ die Entwicklung eines Konzepts der „sozialen Resilienz“ nach und erörterte drei Typen Im ersten Forum der Tagung wurden theoretische von „Capacities“, welche soziale Resilienz cha- Zugänge zum Konzept der Resilienz erörtert. Prof. rakterisierten: Adaptive, Coping und Participative Dr. Michael Schmid (München) diskutierte ausge- Capacity. 22 Im zweiten Forum der Tagung wurden empirische Theorie der Resilienz. Abschließend widmete sich Resilienzanalysen vorgestellt. PD Dr. Gabriela Prof. Dr. Stefan Kaufmann (Freiburg) in seinem Christmann (Berlin/Erkner) zeigte in ihrem Vortrag Vortrag „Totale Krieger, Warlords, Terroristen, Ha- „Resilienz in Städten und Stadtquartieren“ am Bei- cker – Resilienz im Spiegel von Feindbestimmun- spiel dieser „Brenngläser gesellschaftlicher Unsi- gen“ der Frage, wie ein bislang relativ marginaler cherheiten“, welche unterschiedlichen Resilienz- Begriff wie der der Resilienz innerhalb kurzer Zeit strategien dort vorzufinden seien. Dies diskutierte zu einem paradigmatischen Konzept der Sicher- sie an verschiedenen empirischen Beispielen. Dabei heitsforschung werden konnte und ging verschie- konzipierte sie Vulnerabilität und Resilienz aus denen Herkünften, Verwendungskontexten und einer wissenssoziologischen Perspektive als soziale Weiterentwicklungen des Begriffs in den Bereichen Konstruktionen und unterstrich den prozessualen, der Sicherheitspolitik und -forschung nach. flexiblen Charakter von Bedrohungswahrnehmun- gen und vermeintlich normativ klar verortbaren Re- In der Abschlussdiskussion wurden zentrale silienzformen und -strategien sowie deren poten- Ergebnisse der Tagung mit Blick auf die (Weiter-) tielle Nebenfolgen. Entwicklung einer soziologischen bzw. sozialwis- senschaftlichen Theorie der Resilienz zusammen- Dr. Markus Keck (Göttingen) stellte nachfolgend gefasst. Insbesondere wurden dabei von Martin eine empirische Analyse zum Thema „Wirtschaf- Endreß (Trier) die folgenden Themenbereiche für ten im Kontext von Unsicherheit. Lebensmittel- die weitere Arbeit skizziert: handel und Resilienz in Dhaka, Bangladesch“ vor. (1) der Zusammenhang der Konzepte Resilienz und Er untersuchte die Frage, welche Modi von Resi- Vulnerabilität vor allem hinsichtlich der Frage lienz bei Händlern eines Lebensmittelmarkts in der sozialen Konstruktion und Zuschreibung der Dhaka in Anbetracht verschiedener Herausforde- jeweiligen Begriffe zu empirisch erhobenen rungen zu verzeichnen seien und unterschied dabei Praktiken und Strategien zwischen ‚taktischer‘, ‚strategischer‘ sowie ‚trans- formativer Resilienz‘. Zum Abschluss des ersten (2) die Rolle von Wissen und Nicht-Wissen Tages referierte Sebastian Nessel (Graz) zum (3) der Zusammenhang und die Differenzen zwi- Thema „Verbraucherorganisationen als Resilienz- schen den Polen der Erhaltung („Widerstän- und Störungsfaktor von Markterwartungen“. Er digkeit“) auf der einen Seite und der Transfor- zeigte am Beispiel von vier ausgewählten Ver- mation („Widerstandsfähigkeit“) auf der braucherorganisationen, wie diese jeweils mittels anderen Seite verschiedener Strategien Markterwartungen von Konsumenten und Unternehmen beeinflussten und (4) die Frage nach dem Surplus einer Resilienz- inwiefern diese Strategien sowohl als Resilienz- als perspektive Fachbereiche, Fächer, Institute auch als Vulnerabilitätsfaktoren verstanden werden (5) die Frage nach der Existenz von spezifisch so- müssten. zialen Resilienzressourcen Der zweite Tag der Tagung wurde mit einem drit- (6) die Notwendigkeit, die bislang dominant syste- ten Forum eröffnet, welches sich den Auslösern von mische Perspektive auf Resilienz durch eine Resilienzprozessen widmete. Prof. Dr. Oliver Ibert handlungstheoretisch informierte Perspektive und Dr. Suntje Schmidt (beide Berlin/Erkner) stell- zu ergänzen ten unter dem Titel „Vorsicht Sackgasse! Resilienz (7) die ideologiekritisch-machtanalytische Frage, auf volatilen Arbeitsmärkten am Beispiel von Mu- welche Vergesellschaftungs- und Subjektivie- sicaldarstellern“ eine empirische Studie über den rungsmodi mit dem Konzept der Resilienz ein- Umgang von Akteuren aus dem Musicalsektor mit hergehen bzw. in dieses eingewoben sind prekären Erwerbszusammenhängen vor. Insgesamt war die Tagung von äußerst intensiven Prof. Dr. Peter Imbusch () diskutierte im und produktiven Diskussionen und Gesprächen ge- Anschluss „Urbane Resilienz und Formen ende- prägt, die die Aktualität und Relevanz dieser For- mischer Gewalt“. Dabei differenzierte er verschie- schungsperspektive nachdrücklich dokumentierten. dene Ebenen der Resilienz und identifizierte aus- Dr. Benjamin Rampp, Mitarbeiter der blickhaft zukünftige Herausforderungen einer Professur für Allgemeine Soziologie erfolgversprechenden Weiterentwicklung einer

23 Produktive interdisziplinäre Zusammenarbeit

Der Sonderforschungsbereich (SFB) 600 „Fremdheit und Armut. Wandel der Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 2002 bis 2012 gefördert. In diesen Jahren fand eine intensive und produktive interdisziplinäre Zusammenarbeit statt, an der sich die Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Ethnologie, Germanistik, Soziologie, Rechts-, Medien- und Kunstwissenschaft sowie die Katholische Theolo- gie beteiligt haben.

remdheit und Armut sind in vielfältiger zung mit Untersuchungsgegenständen von der FWeise miteinander verwoben, weil Fremd- Antike bis zur Gegenwart konnte eine historisch- heit ein Armutsrisiko darstellen kann und vergleichende Typologie von Formen der Inklu- Armut beispielsweise in der Frühen Neuzeit sion/Exklusion erarbeitet werden, die aus der dazu führen konnte, dass man heimatlos wird. Auswertung so unterschiedlicher Quellen wie Für die Aushandlung der Grenzen von Zugehö- archäologischer Funde, Verwaltungstexten, eth- rigkeit, für die Schließung und Öffnung von Ge- nologischer Erhebungen, Parteiprogramme und sellschaften sowie für kollektive Selbstentwürfe literarischer Texte hervorgegangen ist. Darüber – und somit für das grundlegende Selbstver- hinaus entstanden theoretische Ansätze zur Kon- ständnis der Gesellschaften – war der Umgang zeptionalisierung des Wandels der Modi von In- mit Armen und Fremden durchgehend von ent- klusion/Exklusion von Armen und Fremden. scheidender Bedeutung. In der Auseinanderset-

Die Ernte des Sonderforschungsbereichs Gespräch zu einem zentralen Syntheseband – Weitere Publikationen angekündigt

bwohl die Förderzeit der untersuchten Praktiken, Gegenstände, Zeiten Odes Sonderforschungs- und Räume unverkürzt zur Geltung. Dadurch ent- bereichs abgelaufen steht ein ebenso aufschluss- wie spannungsreiches ist, wird ein Großteil der Ernte Verhältnis von Empirie und Theorie. in Form von Publikationen erst noch eingefahren. Wich- Die beiden Autoren Iulia-Karin Patrut und Herbert tige Ergebnisse aus der letzten Uerlings im Gespräch: Förderphase werden in den Wie ist der Synthese-Band entstanden? Jahren 2014 und 2015 er- scheinen. Dies gilt auch und Uerlings: Der SFB hatte bereits im Rahmen der gerade für die aufwändigen Beantragung der letzten Förderphase Synthese- projektübergreifenden Syn- vorhaben konzipiert. Der Arbeitskreis „Theorie thesen. Mit dem Sammelband der Inklusion/Exklusion“ hat sich dann von 2009 „Inklusion/Exklusion und bis 2012 regelmäßig getroffen und ganz unter- Kultur. Theoretische Perspek- schiedliche Theorie-Angebote diskutiert, von Ni- tiven und Fallstudien von der Antike bis zur Ge- klas Luhmanns Systemtheorie über die soziologi- genwart“ ist vor Kurzem eine der beiden zentralen sche Ungleichheitsforschung eines Robert Castel

Synthesepublikationen des Sonderforschungsbe- bis hin zur Postkolonialen Theorie und kulturwis-Foto: Stephan Garçon reichs erschienen. senschaftlichen Ansätzen, die sich Ein zentrales Paradigma der Sozial- mit Figuren der Schwerpunktthema und Kulturwissenschaften Grenze beschäfti- gen. Das Begriffspaar Inklusion/Exklusion ist zu einem Ist das nicht auch zentralen Paradigma der Sozial- und Kulturwis- manchmal kontro- senschaften geworden. Der Band geht, in Ausei- vers zugegangen? nandersetzung mit Luhmanns Systemtheorie, erstmals der These nach, dass gerade die Inklu- Patrut: Durchaus. sion/Exklusion von Fremden und Armen kultur- Das war aber auch konstitutiv sind. Fallstudien aus Geschichts-, Poli- so gewollt. Auf tik- und Literaturwissenschaft sowie Ethnologie diese Weise sind bringen in einer Perspektive langer Dauer von der Unzulänglichkeiten Prof. Dr. Herbert Uerlings. Antike bis zur Gegenwart Eigenart und Eigenlogik der Systemtheorie 24 und Stärken anderer Theorieangebote zur Sprache enthält einen programmatischen Beitrag von Prof. gekommen. Lutz Raphael, der ein Resümee zu Inklusion/Ex- klusion als Konzept in der Neueren und Neuesten Manchmal haben Theorie-Angebote nicht so recht Geschichte zieht. Die Stärken des Konzepts sieht zu Herangehensweisen und Methoden einzelner Lutz Raphael unter anderem darin, dass es keinen Fächer gepasst, genau an diesen Stellen sind dann geschlossenen geschichtstheoretischen Vorgriff allerdings interessante neue Theoriebausteine ent- darstellt, sondern vielmehr um ein Analyseinstru- standen, etwa als ‚Übersetzung‘ zwischen ver- ment sozialkonstruktivistischer Faktur, das sensi- schiedenen Schulen, die bislang kaum miteinan- bel ist für die Bedeutung neuer sozialer der vermittelt wurden. Dadurch wurde es möglich, Zwischenräume, Übergangszonen und Grenz- einen gemeinsamen theoretischen Bezugshorizont überschreitungen und für die Problemlagen der zu entwickeln, um den Wandel der Modi von In- Gruppen an den ‚Rändern‘ der Gesellschaft. klusion/Exklusion zu beschreiben. Dies steht na- Kann man das Begriffspaar Inklusion/Exklusion, turgemäß im produktiven Spannungsverhältnis mit das man mit modernen Gesellschaften und ak- dem Erkenntnisinteresse einzelner Fächer. Bei- tuellen Debatten verbindet, überhaupt auf frü- spiele dafür sind die Bedeutung der ‚preadaptive here Gesellschaften beziehen? advances‘ – eine Art Innovation im Bereich gesellschaftlicher Strukturen – im Umgang mit Patrut: Zu den Zielen des Arbeitskreises gehörte Fremden oder die gelungene Kombination un- von Anfang an, zu überprüfen, ob und wie das gleichheitstheoretischer und systemtheoretischer funktionieren kann. In Bezug auf das Mittelalter Theorieelemente in der Analyse der Inklusions-/ und die Frühe Neuzeit wurden bislang häufiger an- Exklusionsmodi in der Frühen Neuzeit. dere Theorieansätze aufgegriffen, etwa Max We- Handelt es sich demnach um einen reinen bers Konzept der Schließung. Wir haben diese An- Theorie-Band? sätze ständig mit bedacht, letzten Endes haben wir uns entschieden, uns an Niklas Luhmann abzuar- Patrut: Nein, im Gegenteil. Die meisten Aufsätze beiten – vor allem, weil seine Theorie als einzige schöpfen aus konkretem Material. So geht es in diachron angelegt ist: Laut Systemtheorie korres- den einzelnen Beiträgen beispielsweise um An- pondieren die Modi der Inklusion/Exklusion mit stalten für arme Geisteskranke in Schottland um den gesellschaftlichen Differenzierungsformen, 1900, um kirchliche Armenfürsorge im mittelal- von segmentären über stratifizierten bis hin zu

terlichen Italien oder um das gegenwärtige Selbst- funktional differenzierten Gesellschaften. So er- Foto: Verena Hoppe verständnis russ- folge etwa Inklusion in der ständischen Gesell- landdeutscher schaft qua Geburt in eine bestimmte Schicht und

Transmigranten. In Exklusion durch Verstöße gegen die schichtspezi- Schwerpunktthema allen Fällen wer- fischen (Kommunikations)Regeln. den (teils noch Und konnte diese Theorie bestätigt werden? unedierte) Quellen neu analysiert, die Patrut: Nein. Es war richtig, sie als Hintergrund- zuvor in der SFB- folie zu verwenden, es konnte aber gezeigt wer- eigenen digitalen den, dass die Prozesse der Inklusion/Exklusion Forschungsumge- eines sehr viel feingliedrigeren Instrumentariums bung FuD erfasst bedürfen, welches sich dann aber auch für eine und systematisiert übergreifende Analyse von Gesellschaft und Kul- wurden. Ausge- tur eignet. Die geschichtswissenschaftlichen Bei- PD Dr. Iulia-Karin Patrut. hend von den un- träge zeigen, dass die Inklusions-Exklusionspro- tersuchten Fallbei- zesse immer schon sehr viel komplexer waren als spielen entwickeln die Beiträge neue im systemtheoretischen Modell und mit sehr viel Theorieaspekte, die sich auf ein gemeinsames mehr Faktoren zusammenhingen, nicht allein mit Erkenntnisinteresse beziehen. der vorherrschenden Differenzierungsform -sofern Welche Fächer sind in dem Band besonders man Luhmanns Gesellschaftsbeschreibung über- stark vertreten? haupt akzeptiert. Die Ergebnisse des Bandes las- sen sogar die Überlegung zu, dass umgekehrt die Uerlings: Das größte Gewicht kommt den ge- vielfältigen Praktiken und Semantiken der Inklu- schichtswissenschaftlichen Aufsätzen zu, von der sion/Exklusion kulturgenerierend und gesell- Antike über Mittelalter und Frühe Neuzeit bis hin schaftsstrukturierend sind. zur Neueren und Neusten Geschichte. Der Band 25 Das Gemälde von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit (1594/ 95) von Hans Vredeman de Vries und Paul Vredeman de Vries zeigt, wie die gerechte Herrschaft in der linken Bildhälfte die arme Witwe mit ihren Kindern inkludiert, während die ungerechte die Armen abweist. Das Bild aus der Dan- ziger Sommerratsstube definiert also gute und gerechte Herrschaft über die praktizierten Formen der Inklusion/Exklusion.

Und wie kann man sich dies konkret vorstellen? Das klingt interessant. Womit beschäftigten sich die weiteren Beiträge? Uerlings: Es konnte gezeigt werden, dass bei- spielsweise in antiken Poleis die Notwendigkeit, Uerlings: Der Band enthält insgesamt 21 Beiträge, Fremde zu inkludieren, die Gesellschaft maßgeb- jeder einzelne leistet ein Stück eigene Theoriear- lich veränderte und neue Formen der Selbst- und beit ausgehend von konkreten Materialzusammen- Fremdbeschreibung hervorbrachte. Die weit ver- hängen. Wir können sie hier leider nicht alle er- breitete Praxis der Schenkung und Stiftung, die sich wähnen. Beispielhaft seien hier nur einige genannt: auch an Arme richtete, trug zur Selbstrepräsenta- Eine der gegenwartsbezogenen Fallstudien befasst tion und Stabilisierung der gesellschaftlichen Hie- sich aus ethnologischer Sicht mit internationalen rarchien bei. Netzwerken und Selbstentwürfen russlanddeutscher Transmigranten. Der Beitrag von Winfried Thaa Patrut: Im Mittelalter zeigt das hoch interessante und Markus Linden diskutiert die Reichweite von Beispiel der zum Christentum konvertierten Juden, Inklusion/Exklusion im Kontext politikwissen- wie prekär und aushandlungsbedürftig Inklusionen schaftlicher Theoriebildung und zwei weitere waren. Wären Prozesse der Inklusion/Exklusion auf Untersuchungen aus der Politikwissenschaft ana- ein starres Regelwerk zurückzuführen, müsste die lysieren die Inklusion/Exklusion von Armen in Par- formale Zugehörigkeit zum Christentum durch das teiprogrammen bzw. in städtischer Politik von Sakrament der Taufe einem Einschluss gleichkom- und Trier. Schwerpunktthema men. Die von Christoph Cluse ausgewerteten Quel- Damit haben Sie auch schon die Frage beant- len zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall war, son- wortet, ob auch Ergebnisse mit regionalem dern dass die Konvertiten, wie auch die Revertiten, Bezug vorliegen. Zum Abschluss: Was ist für Sie in eine schwierige und uneindeutige Lage gerieten, das wichtigste Ergebnis? die als inkludierende Exklusion beschrieben wer- den kann. Uerlings: Am wichtigsten war die Erfahrung, dass dieses interdisziplinäre Vorhaben hochgradig pro- duktiv war und wirklich Neues zutage gefördert hat. Und inhaltlich betrachtet, dass Inklusion/Exklusion tatsächlich konstitutiv für jede Kultur ist und es sich lohnt, dieses Konzept in den einzelnen Disziplinen zu verwenden. 26 Inklusion/Exklusion und Repräsentation

Beispielhaft wird hier der Zusammenhang von In- dere als eindeutig. Juden waren in dieser Zeit einer- klusion/Exklusion und Repräsentation vorgestellt, seits in wirtschaftliche, rechtliche und politische Pro- mit dem sich mehrere Beiträge befassen. zesse involviert, andererseits aufgrund ihres Glau- Repräsentation, Stigmatisierung, Erinnerung bens semantisch im Außen der christlichen Herrschaft verortet. Der Status als ‚Schutzjude‘ Die gesellschaftlichen Inklusions-/Exklusions-Prak- konnte prinzipiell jederzeit wieder aufgehoben wer- tiken greifen auf tradierte Semantiken und auf expo- den, ‚Ehre‘ konnte Juden zugestanden oder aberkannt nierte Darstellungen von Fremden und Armen in werden und von Fall zu Fall konnte es anders beur- (Teil-)Öffentlichkeiten zurück. Besonders anschau- teilt werden, ob sie dem Herrscher huldigen mussten lich wird dies im ‚Stigma‘: hier konvergieren Se- oder es umgekehrt keineswegs durften. Aus jüdischer mantiken, kollektive Repräsentationen und (öffent- Sicht blieben daher erfahrene Inklusionen stets labil liche) Praktiken der Ächtung bzw. der sakralen und prekär. Im Falle der Juden, die sich durch eine Auszeichnung. Dieses Thema hat viele aktuelle Be- Konversion zum Christentum gesellschaftliche In- züge, etwa zur Errichtung des 2012 eröffneten Denk- klusion erhofften, spricht Cristoph Cluse von einer mals für die während des Nationalsozialismus als ‚Zi- labilen narrativen Konstruktion der Identität als geuner‘ Verfolgten und Ermordeten, mit der sich der ‚Taufjude‘. Je nachdem, ob es darum ging, Reverti- Beitrag von Herbert Uerlings befasst. Schon 2006 ten als christliche Apostaten zu verfolgen oder christ- wurde beschlossen, dass das Mahnmal keine Inschrift lichen Neophyten die Zugehörigkeit zu verwehren, tragen solle. Das Stigma-Wort wurde ausgelassen, konnte die christliche Taufe als ‚unauslöschbarer um eine exkludierende Wirkung auszuschließen. Stempel‘ oder als hohle Parodie ausgelegt werden. Die janusköpfige Figur des ‚Taufjuden‘ blieb para- Das Denkmal, das der israelische Künstler Dani Ka- dox, da in ihr Sakrament der Taufe und das ‚Jüdisch- ravan in Berlin gestaltete, ist ein wichtiger Meilen- Sein‘ koexistieren. Konvertiten mussten für Christen stein, der nicht nur die Anerkennung des Völker- plausible Lebens-Erzählungen entwerfen; bessere In- mords an den Sinti und Roma im öffentlichen Raum klusionsmöglichkeiten ergaben sich durch die Auf- dokumentiert, sondern auch ein Bekenntnis zur In- nahme in einen Familienhaushalt, z.B. durch Heirat. klusion darstellt. Informationstafeln neben dem Zeichen der Inklusion/Exklusion Denkmal erörtern die Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma. Das Mahnmal besteht aus einem Die Theorie-Perspektive des SFB wirft auch neue kreisförmigen Wasserbecken, in dem das Wasser eine Lichter auf Klassiker wie Franz Kafkas Erzählfrag- dunkle Farbe annimmt. In der Mitte des Brunnens ment ‚Beim Bau der chinesischen Mauer‘, mit dem steigt täglich eine dreieckige Stele mit einer frisch sich Iulia Patrut beschäftigt hat. Dort geht es um ein geschnittenen Blume empor. Am Rand des Beckens Zeichen – die Mauer - das in immanenter und trans- ist das Gedicht Auschwitz von Santino Spinelli, der zendenter Hinsicht Inklusion in die Gemeinschaft selbst Roma ist, eingraviert: „Eingefallenes Gesicht/ und Abgrenzung von Fremden gewährleisten soll. erloschene Augen/ kalte Lippen/ Stille/ ein zerrisse- Ein solches Zeichen, so die Interpretation, kann es nes Herz/ ohne Atem/ ohne Worte/ keine Tränen“. jedoch nicht geben, zum einen weil das Kollektiv des Dass das Denkmal aber mit dem Stigma-Wort auch ‚Volks‘ eine Fiktion und die Abgrenzung von den Schwerpunktthema das Stigma selbst, den ‚Asozialitäts‘-Vorwurf, nicht Fremden bei näherem Hinsehen brüchig ist, zum an- thematisiert, erscheint, so Herbert Uerlings in seinem deren weil der dynamische Prozess der Inklusion/Ex- Beitrag, als problematisch. Ausgeblendet werde klusion nicht in einem Zeichen arretiert werden kann. damit jener Teil der NS-Geschichte, der bis heute – Kafkas Erzählung greift, so Iulia Patrut, frühe Schrif- im Alltagsdenken, in Literatur, Film und anderen Me- ten Martin Bubers auf und kommentiert sie ironisch, dien - fortwirke. Die Nicht-Thematisierung (zu- indem sie ihnen die Komplexität kultureller Prakti- gunsten einer weitgehenden Gleichsetzung von ken in der Gesellschaft entgegenstellt, die von Aus- Roma und Juden als Opfern) könne einen unfreiwil- handlungsprozessen, Widersprüchen, Ambivalenzen ligen Effekt erzeugen, den Uerlings auf die Formel und Ungewissheiten geprägt sind. Die Verknüpfung „erinnerndes Vergessen“ bringt. Wie die Betrachter von Transzendenz und Politik erweist sich als para- das ‚abwesende Stigma‘ interpretieren, ist jedenfalls doxes Inklusionsangebot, die Mauer bleibt nicht zu- ganz ungewiss, weil es nicht Teil des Gestalteten ist. fällig Stückwerk und nomadische Völker wandern Inklusion/Exklusion konvertierter Juden ungestört ein und aus. So gesehen, spricht sich der im Mittelalter und der Frühen Neuzeit Text für eine funktional differenzierte Betrachtung der Inklusions-/Exklusionsprozesse aus. Auch im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit war die Inklusion/Exklusion ‚interner Fremder‘ alles an-

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Studentinnen untersuchen ägyptisches Grab

Drei Ägyptologie-Studentinnen der Universität Trier haben die einzigartige Gelegenheit, in einem altägyptischen Pharaonengrab mitzuarbeiten. Gerade wurde das Ausgrabungs-Team zusammengestellt, das im Frühjahr an der Untersuchung der Königsbestattung des Chasechemui in Abydos/Ägypten teilnehmen wird.

Ausgrabung im Grab des Chasechemui. Im Hintergrund sind die überaus große Grabgrube sowie einige Kammern des Grabes sichtbar.

Foto: Heidi Köpp

r. Heidi Köpp-Junk, die seit 2010 als wis- sich und erfordert außer einer geschickten Zeichen- Dsenschaftliche Mitarbeiterin an der Universi- hand einige Übung. Zudem werden die Studentinnen tät Trier in der Ägyptologie tätig ist, über- „Vor Ort kann ich nicht nur die Geschichte Ägyptens, sondern nahm 2001 die Bearbeitung der Keramik des Grabes auch die gegenwärtige Kultur dieses Landes hautnah erleben. des Königs Chasechemui, an der die Studenten nun Ich hoffe, dass mir wieder viele spannende Keramikfunde an- mitarbeiten werden. Das studentische Team umfasst vertraut werden und ich meine zeichnerischen Fähigkeiten aus- Friederike Junge, die gerade ihre Magisterarbeit ver- bauen kann. Besonders freue ich mich auch auf die abydenische fasst und bereits zweimal in Abydos war. Alexandra Fels- und Wüstenlandschaft, die sich hervorragend für abenteu- Kireenko, die kürzlich ihre Bachelor-Arbeit been- erliche Wander- und Klettertouren eignet.” dete, und Katharina Mewes als jüngstes Mitglied der Studentin Friederike Junge, die bereits an einer Grabung teilnahm. Crew werden zum ersten Mal an einer ägyptischen Grabung teilnehmen. „Nachdem ich diese Kultur drei Jahre lang studiert habe, freue ich mich darauf, Farb- und Härteanalysen an der Keramik vornehmen. das Land bereisen zu dürfen und mich aktiv an der Darüber hinaus werden sie Heidi Köpp-Junk bei der Erforschung zu beteiligen. Es ist eine großartige Statistik unterstützen. Sie erfahren, wie man einzelne Chance, einen Teil dieser Kultur in Händen halten Scherben bestimmt und wie man die Formen und Ke-

zu dürfen“, blickt Alexandra Kireenko der For- ramikarten unterscheidet. Anschließend werden die Forschung und Lehre schungsreise erwartungsvoll entgegen. Funde gezählt und gewogen. Am Ende werden alle gezeichneten Objekte fotografiert. „Dass ich mich Die Studentinnen werden sich während des vierwö- hautnah mit den Stücken beschäftigen kann, die mich chigen Aufenthaltes mit der Keramik aus dem Grab so sehr interessieren, diese Möglichkeit erhält man beschäftigen und sie wissenschaftlich zeichnen. Das nur selten“, freut sich Studentin Katharina Mewes technische Zeichnen von Keramik ist eine Kunst für auf den Forschungsaufenthalt. Die Studentinnen sol- Foto: H. Reinstein len so geschult werden, dass sie nach der Grabungsteil- nahme selbst eigene Projekte übernehmen können.

Da keine Funde mit nach Deutschland genommen wer- den dürfen, gilt es, an der Gra- bungsstätte so viel wie mög- lich am Objekt zu arbeiten. Die wissenschaftliche Aus- wertung der Ausgrabung ob- liegt Heidi Köpp-Junk. Sie soll in einer Monographie in der vom Deutschen Archäolo- gischen Institut Kairo heraus- Das Trierer Grabungsteam für Abydos (von links): Alexandra Kireenko, Heidi Köpp- Junk, Friederike Junge und Katharina Mewes. gegebenen Reihe „Umm el- Qaab” erscheinen. 29 Junge Menschen bringen Kenia voran Trierer und einheimische Studierende erforschten Potentiale

Jeweils 15 Studierende der Universität Trier und der Kenyatta University forschten im Sommer 2013 gemeinsam in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. Die interkulturelle und interdisziplinäre Projektstudie hatte sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, wie und welche von der jungen Bevölkerung ins Leben gerufenen Initiativen „von unten“ zur lokalen und eigenen Verbesserung der Lebenssituation beitragen, welche Chancen sie freisetzen können, aber auch vor welchen Herausforderungen diese Initiativen stehen. Damit sind nicht nur kreative Geschäftsideen gemeint, sondern auch Tätigkeiten, die dazu beitragen, die Lebenssituation der „communities“ in den verschiedenen sozialen Bereichen zu verändern.

nsgesamt sieben motivierte Teams („Renewable auf die anstehende Reise, sondern waren bei vielen IEnergies”, „Technology Innovations”, „Talents aufkommenden Problemen mehr als hilfreich. in Arts and Sports”, „Environment and Slum-Up- grading”, „Peace Building and Governance”, In Kenia angekommen wurden die ersten Tage „Urban Agriculture” und „Education and Media”) damit verbracht, die Vorgehensweise für die kom- machten sich im Großstadtdschungel Nairobi auf menden Wochen zu definieren. Außerdem musste die Suche, die Potentiale und die Kreativität von man sich an die kulturellen und gesellschaftlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufzude- Gegebenheiten einer internationalen und hektischen cken mit dem Ziel, diese oftmals versteckten Akti- Metropole gewöhnen – eine Fahrt durch den zähen vitäten an die breite Öffentlichkeit zu tragen. Verkehr in einem der von ohrenbetäubender Musik beschallten Sammeltaxen, Matatus genannt, war Die Vorbereitungen für das Projekt verliefen im eine neuartige und gleichzeitig spannende Erfah- Rahmen eines wöchentlichen Begleitseminars im rung. Sommersemester 2013 unter der Leitung von Dr. Johannes Michael Nebe. Die zeitige Aufteilung der Nach kurzer Eingewöhnungszeit konnte das Projekt Teilnehmer in einzelne Projektgruppen ermöglichte beginnen. Die Vorgehensweise war in den meisten nicht nur die frühzeitige und notwendige Fokus- Gruppen ähnlich: In Interviews mit Vertretern der sierung auf ein spezifisches Teilgebiet, sondern gab einzelnen Organisationen wurde den Studierenden den Studierenden auch die Gelegenheit, ihre ke- schnell bewusst, dass deren tägliche Arbeit eine un- nianischen Kommilitonen mit Hilfe der sozialen glaubliche Willenskraft und Kreativität erfordert, um Medien besser kennenzulernen. Meistens wurde in mit den unzähligen Hürden zurechtzukommen. Die den Sitzungen vor allem über den laufenden Stand meisten Treffen fanden direkt vor Ort in einem der der Arbeit in den einzelnen Gruppen berichtet und vielen Armenviertel Nairobis statt. Kibera ist bei- das Fundraising, also die Finanzierung der Studie, spielsweise das zweitgrößte Slum des afrikanischen vorangetrieben. Teilnehmer des Workshops vor dem Konferenzraum. Die Suche nach themen- und projektspezifischen Organi- sationen und die damit ver- bundene Kontaktaufnahme per E-Mail gestalteten sich durch die große räumliche Distanz sowie die infrastruk-

Forschung und Lehre und Forschung turellen Realitäten vor Ort nicht immer einfach. Trotz- dem reagierten die Organisa- tionen in den meisten Fällen sehr positiv auf eine Anfrage für ein Treffen im September. Die unerschütterliche Moti- vation von Dr. Nebe und sein reicher Erfahrungsschatz machten die Studierenden nicht nur noch neugieriger 30 Kontinents, in dem Schätzungen zufolge zwischen Außerdem mussten sich 500.000 und 750.000 Menschen auf einem Areal von der anwesende Deputy 2,5 Quadratkilometern in kleinen Blechdachhütten Governor von Nairobi, zusammenleben. Jonathan Mueke, und an- dere prominente Keynote- Viele der dortigen Bewohner müssen mit einem Speaker den teils unange- Dollar oder gar weniger am Tag nicht nur sich nehmen Fragen stellen, selbst, sondern auch eine große Familie ernähren. warum zivilgesellschaftli- Jeder neue Morgen ist gleichbedeutend mit einem che Aktivitäten so wenig erneuten Ankämpfen gegen den drohenden Hunger finanzielle Hilfe erhielten. am Abend. Trotz der ärmlichen und menschenun- Allein aus diesem Grund würdigen Verhältnisse ist der Wille zur Verände- war der Workshop das rung greifbar und die entgegengebrachte Gast- Herzstück der wissen- freundschaft faszinierend. Die gesammelten schaftlichen Arbeit: Hier Eindrücke und zwischenmenschlichen Erlebnisse trafen Menschen entgegen- werden zweifelsfrei unvergesslich bleiben: Ju- gesetzter Gesellschafts- gendliche Theatergruppen versuchen mit geringen schichten aufeinander, die Mitteln den marginalisierten Bewohnern eine poli- sich im normalen Leben tische Stimme zu verleihen und gleichzeitig wert- niemals begegnen würden. volle Aufklärungsarbeit zu leisten. Sie luden die Organisationen bekamen Studierenden zu Proben ein. die Möglichkeit, die Pro- bleme und Lösungsansätze Andere Gruppen zeigen ihre selbst entwickelten ähnlicher Initiativen Recyclinganlagen, mit denen sie aus Müll energie- kennenzulernen. Wichtige Eine Aufführung der jungen Artistengruppe „Kibera Hamlets“ beim Besuch der Projektgruppe „Talents liefernde Briketts herstellen oder berichten über ihre Kontakte und verbindliche in Arts and Sports“. innovativen Ideen zur urbanen Landwirtschaft, die Vereinbarungen konnten einen essentiellen Beitrag zur Hungerbekämpfung für die Zukunft geknüpft darstellen. So zum Beispiel Sara Itambo, eine erst werden, welche das Netzwerk der zivilgesellschaft- 25-jährige Farmerin, die mit Leidenschaft und be- lichen Akteure engmaschiger werden lässt und das eindruckender Expertise auf kleinster Fläche im damit verbundene politische Gewicht anheben kann. Stadtteil Donholm sowohl arbeitsintensive Land- wirtschaft als auch Viehzucht betreibt. So unter- Erst wenn diese Anstrengungen der marginalisier- schiedlich die einzelnen Initiativen von ihren An- ten Gesellschaftsschichten, wenn ihre prekäre Le- satzpunkten auch sein mögen, sie alle verbindet, benssituation, ihr Fleiß und ihre vielfältigen Hür- Forschung und Lehre dass sie durch die kenianische Regierung eigent- den offen gelegt werden und neben dem lokalen lich wenig bis gar keine Unterstützung erhalten und auch der internationale Druck wächst, kann die po- deswegen selbst ausgereifte Strategien entwickeln litische Elite sich nicht mehr ihrer Verantwortung müssen um nachhaltig zu wirtschaften. entziehen. Doch dafür müssen die ehrgeizigen Pro- jekte, die Utopien und die kreativen Adern der lo- Der Höhepunkt des Aufenthalts war der abschlie- kalen Zivilgesellschaft erkannt und politisch ge- ßende Workshop, der von Dr. Johannes Michael fördert werden. Sie müssen als solche anerkannt, Nebe organisiert wurde. Viele Vertreter der be- respektiert und - vielleicht wichtiger - als reife suchten Organisationen waren dazu eingeladen, Ideen und Tätigkeiten gewürdigt werden. „Slums einen Tag lang über ihre individuellen und kollek- sind keine Schande, sondern eine Chance. Die tiven Herausforderungen zu diskutieren, aber auch Armut entfaltet eine Kreativität, von der wir Hel- die Möglichkeiten und das enorme Potential auf- fer nur lernen können.“ (Jacques Bugincourt) zuzeigen, welches sich hinter ihrem Schaffen ver- Andreas Boneberg und Jan-Peter Schulz birgt. Jede einzelne Projektgruppe veranschaulichte dazu in kurzen Präsentationen, welche Erfahrun- gen sie in den vorherigen Wochen gemacht hatten und versuchte Lösungen darzulegen, welche im An- schluss lebhaft diskutiert wurden.

31 Der Römerstollen braucht einen anderen Namen Wissenschaftler rücken eine mittelalterliche Tunnelanlage in ein neues Licht

Ein Römerstollen, der nicht von Römern gebaut wurde, und ein unscheinbarer Tunnel, der sich als eine nördlich der Alpen wohl einzigartige Anlage entpuppt: Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Historikern, Archäologen und Geoarchäologen der Universität Trier förderte bei der Erforschung des „Ulmener Römerstollens“ in der überraschende Erkenntnisse zutage.

ls zu Beginn des 13. Jahrhunderts Ritter jektstudie Licht in das sprichwörtliche Dunkel einer AHeinrich von Ulmen vom vierten Kreuzzug Stollenanlage zu bringen. Unter der Autobahn A 48 in seine Burg nach Ulmen in der Eifel zu- hindurchführend, verbindet die Anlage die beiden rückkehrte, brachte er von diesem Feldzug nicht mit Wasser gefüllten Eruptivkrater „Ulmener Maar“ nur die Staurothek eines der bedeutendsten Reli- und „Jungfernweiher“. quiare mittelalterlicher Kunst mit, sondern sicherte sich damit auch einen Platz in der Geschichte des In eine sehr interessante Geomorphologie aus vul- Erzstiftes Trier. Der weltberühmte Reliquienschrein kanischem Auswurfmaterial eingebettet, war die ist heute in seiner ganzen Pracht im Limburger Frage zu stellen, wie der Stollen in Funktion und Domschatzmuseum zu besichtigen. Daneben hat Baugeschichte verortet werden kann. Darüber hi- das Eifelstädtchen, das auch durch seine beiden naus interessierte die Wissenschaftler, ob das im- Vulkankrater bekannt geworden ist, eine weitere, posante Bauwerk mit anderen Zeitstellungen in bislang jedoch wenig beachtete „Kostbarkeit“ auf- Einklang gebracht werden kann - beispielsweise zuweisen. mit dem mittelalterlichen Landausbau der Eifel und der damit einhergehenden dynamischen Verbrei- In unmittelbarere Nähe der Ulmener Burganlage tung von Wassermühlen. befindet sich ein circa 130 Meter langer, zwischen 1,5 bis 4 Meter hoher Stollen. Selbst in Chroniken Wasserbauliche Maßnahmen dieser Größenord- wurde er bislang als „Römerstollen“ angesprochen, nung waren zuzeiten Heinrichs von Ulmen nichts obwohl der Beweis einer provinzialrömischen Da- Neues, bereits seit Jahrhunderten bekannt und mit- tierung nie erbracht worden ist. Die unbelegte Aus- telalterlichen Ingenieuren durchaus vertraut. Rö- sage fußt ausschließlich auf heute nicht mehr halt- mische Ingenieure hatten mit dem Bau von Was- baren Erkenntnissen aus dem 18. Jahrhundert. Die serleitungen zum Teil erhebliche Strecken eingehende Erforschung der Tunnelanlage war bis- überwunden. In der Eifel, an und Mittel- lang ein Desiderat und Anlass genug, mit einer Pro- rhein haben sie mehrere sogenannte „Qanate“ hin- terlassen, also unterirdische Tunnel, die in einer bestimmten Herstellungstechnik angelegt wurden, um Ansiedlungen, Militärstandorte oder auch ein- zelne „villae rusticae“ mit Frischwasser zu ver- sorgen.

Kanalisierender Wasserbau kann über das gesamte Frühmittelalter beobachtet werden. Da Mönche scheinbar als erste die Erforderlichkeit von Ver- sorgungskanälen in ihre Klausurbauten erkannten, dürften die Wurzeln von geschlossenen Wasser- und Rohrleitungssystemen spätmittelalterlicher Städte und Burgen mit sehr hoher Wahrscheinlich- Forschung und Lehre und Forschung keit in der Frischwasserversorgung von Klosteran- lagen zu suchen sein. Genau in diesem Zusam- menhang ergibt sich zum Tunnel in Ulmen eine nahezu zeitgleiche Parallele in der unweit entfern- ten Benediktinerabtei Maria Laach. Dort wurde zwischen 1152 und 1170 ein mehr als 800 Meter

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe am Eingang des mit Beton eingefassten Tunnelmundes des Nordtunnels. 32 langer Tunnel zur Regulierung des Laacher Sees, einem weiteren vulkanischen Auswurfkrater, ge- baut. Wie die Ulmener Anlage nivelliert dieser was- serführende Tunnel noch heute den Wasserspiegel des Kratersees.

Die Aufgabe der Forscher lautete nun – auch an- gesichts der hinreichend bekannten römischen Eifel-Besiedlung – nach weiteren Parallelen und Bausignifikanzen zu forschen, die mit dem Ulme- ner Bauwerk verglichen werden konnten. So war es für die interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus His- torikern, Archäologen und Geoarchäologen eine spannende Überraschung, dass im Zuge der Re- cherchen ein zweites, 190 Meter langes Stollen- bauwerk erschlossen werden konnte. Es steht in un- Die Gruppe im Berg. mittelbarem Funktionszusammenhang mit dem ersten und stellt eine Weiterführung des ersten Stol- lens dar. Zur Unterscheidung wird dieses Bauwerk gleiche zuzulassen und ist zum anderen in der Re- nun als „südlicher Tunnel“ bezeichnet. gion singulär.

Dieser zweite, ebenfalls künstlich angelegte und Obwohl die Forschungen nach wie vor andauern stark wasserführende Stollen von etwa 1,6 Meter und noch einige Fragen unbeantwortet sind, lässt Höhe ist oberirdisch kaum mehr wahrnehmbar. Nur sich bereits Folgendes festhalten: Bei den beiden ein unscheinbarer Einlauf unterhalb der Burgan- Ulmener Stollen handelt es sich um eine seltene lage, die er fast zentral unterquert, weist in Höhe wasserwirtschaftliche Großanlage. Mit an Sicher- des Maar-Wasserspiegels auf das Bauwerk hin. In heit grenzender Wahrscheinlichkeit ist sie wegen unmittelbarer Verlängerung zum „nördlichen“ Stol- fehlender Bausignifikanzen nicht spätantik, son- len stellt der Tunnel eine Weiterleitung dar, die dern kann in eine der hochmittelalterlichen Aus- heute am Ortsrand, unter der Bebauung unsichtbar, bauphasen der Ulmener Burg datiert werden. Somit in die kommunale Kanalisation eingeleitet wird. erhält der sogenannte „Römerstollen“ eine völlig Eine Korrelation zum erstgenannten Stollen ist bis- neue Perspektive und einige Passagen der Ulmener lang nicht erkannt worden und steht nun aber völ- Chronik sind neu zu schreiben. Der Bestimmungs- lig außer Zweifel. Baugleiche Anlagen sind bisher zweck der Stollen scheint im Zusammenhang mit Forschung und Lehre nördlich der Alpen nicht bekannt geworden. Das mittelalterlichem Mühlenbetrieb und damit einher- Bauwerk scheint zum einen keine direkten Ver- gehender Wasserregulierung zu liegen. In diesem Punkt dauern die Archiv- und Bauforschungsre- Hintergrund cherchen der Projektgruppe noch an.

Das Projekt und die Projektgruppe Die Studie dient nicht nur der Reputation der Uni- versität Trier, sondern auch als Beispiel dafür, dass Der interdisziplinären Arbeitsgruppe, die von sich Forschung und Lehre ausgezeichnet fassbar Peter Pfeiffer geleitet wird, gehören Helfe- machen und kombinieren lassen. rich Roth, Christopher Hoffmann, Gwendo- Peter Pfeiffer M.A., lyn Kloppenburg, André de Wall, Julian Geiß, Doktorand an der Professur für Mittelalterliche Desirée Jörg und Yvonne Gryzla an. Unter- Geschichte und Historische Hilfswissenschaften stützt wird das Projekt in finanzieller und administrativer Hinsicht durch Verbandsge- meinde und Stadtverwaltung Ulmen sowie die „Gesundland GmbH“ als tou- Kontakt ristischem Träger der Eifel. Es ist beabsich- tigt, die Forschungsergebnisse vor ihrer Pu- Peter Pfeiffer M.A. blikation in Form einer Präsentation der Tel. 0651/201-2170 Öffentlichkeit zugänglich zu machen. [email protected] → 33 Meereis-Produktion und Eistransport Umweltmeteorologie setzt langjährige Kooperation mit Russland fort

Das Fach Umweltmeteorologie an der Universität Trier führt seit 2007 Kooperationspro- jekte mit Russland durch. Diese Kooperation kann in den kommenden drei Jahren (2013- 2016) im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts für Wissenschaftlich-Technische Zusammenarbeit (WTZ) zwischen Deutschland und Russland fortgesetzt werden.

Foto: Günther Heinemann Schmelzendes Meer - eis in der Arktis. n dem Verbundprojekt „WTZ RUS: System Lap- Schwerpunkte des Teilprojekts des Fachs Umwelt- Itev-See Transdrift“ arbeiten Wissenschaftler aus meteorologie liegen in der Beschreibung der Dy- Deutschland (GEOMAR , Universität Kiel, namik und der Quantifizierung der Eisbildungs- Helmholtz-Zentrum AWI , Akademie prozesse, ihrer Parametrisierung in Modellen und der Wissenschaften , Universität Trier) und der Untersuchung von Wechselwirkungsprozessen aus Russland (Institut für Arktis und Antarktisfor- im System Atmosphäre-Meereis-Ozean. Hier ste- schung St. Petersburg, Universität St. Petersburg, hen Polynjen und Eisrinnen im Fokus. Eine Polynja Lena-Delta-Reservat Tiksi, Akademie der Wissen- (Mehrzahl: Polynjen) ist eine offene Wasserfläche schaften Moskau und St. Petersburg) zusammen. Die oder dünne Meereisschicht im Meereis, die häufig Arbeiten der Universität Trier werden mit etwa im Küstenbereich der Laptev-See entsteht und meh- 820.000 Euro gefördert. Im Zentrum der Untersu- rere tausend Quadratkilometer groß sein kann. chungen stehen die Prozesse der Meereis-Produk- Damit sind insbesondere im Winter intensive At- tion und des Eistransports in der sibirischen Laptev- mosphären-Ozean-Wechselwirkungen verbunden. See und in der transpolaren Meereis-Drift. Dies Eisrinnen sind dagegen schmale (1 Kilometer) aber erfolgt mit experimentellen Ansätzen, mit hoch auf- oft sehr lange (100 Kilometer und mehr) Brüche im gelöster Atmosphäre-Ozean-Meereis-Modellierung Meereis. Beide Phänomene werden bisher in Kli- und mit Fernerkundungsmethoden. mamodellen nicht oder nur unzureichend darge- stellt. Der Klimawandel wird in der Arktis besonders deut- lich beobachtet. Die Eisfläche des Nordpolarmeers Die Hauptziele des Teilprojektes sind: hat sich in den vergangenen 30 Jahren im Sommer Forschung und Lehre und Forschung l um etwa 40 Prozent verringert, beim Eisvolumen be- Langzeitbeobachtung der pan-arktischen Dy- trägt die Abnahme sogar rund 75 Prozent. Damit ver- namik von Polynjen und Eisrinnen. l bunden sind Veränderungen der atmosphärischen Verbesserung des Verständnisses und der Quan- Zirkulation und der Ozeanzirkulation, insbesondere tifizierung von Eisrinnen- und Polynja prozessen im Gebiet der sogenannten Transpolardrift. Hier wird für den rezenten Klimawandel. l Meereis von den Küsten Sibiriens über den Nordpol Gewinnung von Referenzdatensätzen zur Veri- hinweg nach Spitzbergen transportiert. Die Fram- fikation von Modellierungs- und Fernerkun- straße zwischen Spitzbergen und Grönland stellt die dungsmethoden. l Region mit dem größten Eisexport aus der Arktis dar. Gesamtanalyse der Wechselwirkungen der Somit umfasst die transpolare Drift die Gebiete der Polynja- und Eisrinnendynamik mit dem arkti- Eisproduktion, des Eistransports und des Eisexports. schen Klimasystem. 34 Die Teilprojektziele sollen mit den Methoden von mulation des Systems Meereis-Ozean-Atmosphäre Fernerkundung, Modellierung und Feldexperi- erfolgt mit einem regionalen Klimamodell und menten bearbeitet werden. Dies erfolgt im Verbund einem Meereis-Ozean-Modell. Diese umfangrei- mit den deutschen und russischen Partnern. Im Be- chen Rechnungen werden zur Zeit beim Deutschen reich der experimentellen Untersuchungen sind eine Klimarechenzentrum (DKRZ) in durch- Flugzeug-Messkampagne im Gebiet der Framstraße geführt, in Zukunft soll dafür auch ein neuer Rech- im März 2014, die Teilnahme an zwei Schiffsex- ner-Cluster im Fachbereich VI der Universität Trier peditionen in die Arktis (Barents-See im März benutzt werden. 2014, Framstraße im Mai 2014) sowie mehrmona- tige Messungen am internationalen Observatorium Kontakt in Tiksi (Russland) ab Herbst 2014 vorgesehen. Günther Heinemann Bei der Fernerkundung von Meereis wird ein inte- Umweltmeteorologie, Fachbereich VI grierter Ansatz mit Modell- und Fernerkundungs- [email protected] → daten für die Untersuchung der Meereisdynamik in Tel. 0651/201-4623 den arktischen Schelfregionen, der zentralen Ark- tis und der Framstraße verfolgt. Die numerische Si-

Neuerscheinungen

Oliver Berli - Martin Endreß (Hg.) gleichheit in vorwiegend theore- Wissen und soziale Ungleichheit tisch-konzeptioneller Perspektive /: Juventa (Edition diskutiert. Der zweite Abschnitt Soziologie) 2013, 420 S. vereint Beiträge, die sich empi- risch mit dem Verhältnis von In der Tradition der Wissensso- neuen und alten sozialen Un- ziologie bildet die Untersuchung gleichheiten unter Bedingungen der sozialen Ungleichverteilung des Internets (digitale Ungleich- Forschung und Lehre von Wissen ein zentrales For- heit) auseinandersetzen. Die Kör- schungsthema. Im Vordergrund perlichkeit sozialer Ungleichheit des Interesses standen dabei zu- bildet das verbindende Element meist Fragen der sozialen Vertei- der anschließenden Beiträge, in lung und der Ungleichheit des denen Fragen behandelt werden, Wissens oder der Strukturen der wie Ungleichheit verkörpert wird, Wissensproduktion in differen- welche Folgen Deutungsmacht zierten Gesellschaften. Mit der über Körper haben kann und wie Konzentration auf die soziale Un- unter der Bedingung körperlicher gleichverteilung von Wissen Kopräsenz an Wissensungleich- wurde aber nur vereinzelt eine verteilungen gearbeitet werden Ungleichheit zum Gegenstand Einsicht in die Relevanz dieser kann. Der vierte Abschnitt wid- haben. Verteilungskonstellationen für die met sich dem – neben dem Wis- Die Herausgeber verbinden mit Reproduktion sozialer Ungleich- senschaftssystem – zentralen in- dem vorliegenden, aus einer Ta- heit verbunden. Dieser Frage stitutionellen Handlungskontext: gung an der Universität Trier her- geht der vorliegende Band nach. (schulischen) Bildungsprozessen vorgegangenen Band die Hoff- Systematisch nimmt er das Rah- und der Reproduktion von Un- nung, damit weitere Schritte zur menthema über fünf Fokussie- gleichheit. Der abschließende Konturierung einer ungleich- rungen in den Blick: Im ersten fünfte Abschnitt versammelt Bei- heitsanalytisch angelegten Wis- Abschnitt werden zentrale Fragen träge, die symbolische und so- senssoziologie präsentieren zu nach der Deutung sozialer Un- ziale Grenzziehungen sozialer können. 35 Dieter Baum mathematisches Fundament Grundlagen der Warteschlangen- gestellt. Ein fünftes Kapitel be- theorie handelt klassische Markov- und Springer-Spektrum, September Semi-Markov-Modelle, die Pha- 2013 senmethode, Markov-additive ISBN 978-3-642-39631-1 Ankunftsprozesse, das BMAP/ G/1-System und Matrix-geome- Das Buch präsentiert die Grund- trische Verteilungen. Kapitel 6 ist lagen der stochastischen Model- räumlichen Ankunftsprozessen lierung: Maßtheorie, Wahr- vom Typ BMAP gewidmet (Mo- scheinlichkeitstheorie, Theorie dellierung zeitlich variierender stochastischer Prozesse und und flächenhaft verteilter Be- Markov-Theorie in ihrer natürli- dienanforderungen mittels zufäl- chen Aufbaufolge (Kapitel 1–4). liger Punktfelder); Gegenstand Damit — und ergänzt durch des letzten Kapitels sind Rever- einen Anhang zu wichtigen Be- sibilitäts- und Balance-Eigen- griffsbildungen der allgemeinen schaften klassischer Warte- Topologie — werden die we- schlangennetze. dellierung etwa in den Fächern sentlichen Aussagen der Warte- Geeignet für Lehre und Studium Mathematik, Informatik oder schlangentheorie auf ein solides zum Thema stochastische Mo- technische Kommunikation.

Martin Wengeler/Alexander Ziem sich spätestens seit 1973 – der so- (Hg.) genannten Ölkrise – bis zur Fi- Sprachliche Konstruktionen von nanz- und Eurokrise der letzten Krisen. Interdisziplinäre Perspek- Jahre wie ein roter Faden durch tiven auf ein fortwährend aktuel- die (Diskurs-)Geschichte der Bun- les Phänomen desrepublik Deutschland. Sie Ute Hempen Verlag 2013 haben die neuere (Sprach-)Ge- schichte durchgehend und nach- Im März 2012 fand im Robert haltig geprägt, und sie prägen sie Schuman-Haus in Trier eine von immer noch. Die zu prüfende Leit- der Fritz-Thyssen-Stiftung geför- these, der der Sammelband nach- derte internationale Arbeitstagung geht, lautet: „Krisen“ sind mit zu dem von der Deutschen For- sprachlichen und anderen semio- schungsgemeinschaft am Fachbe- tischen (z.B. Fotografien, Infogra- reich II in der Germanistischen Lin- fiken) Mitteln hergestellte „Tatsa- guistik geförderten Projekt chen“. Sie werden öffentlich „Sprachliche Konstruktionen so- verhandelt und diskutiert und fun- zial- und wirtschaftspolitischer Kri- gieren dabei auch als unumstöß- werden, werden soziologische, sen in der BRD von 1973 bis liche „Fakten“ oder als Rechtferti- wirtschaftsgeschichtliche, politik- heute“ statt. Ende letzten Jahres gungsinstanzen für politische und medienwissenschaftliche ist nun im Ute Hempen Verlag in Entscheidungen. Ausgehend von Pers pektiven einbezogen. der Reihe „Sprache – Politik – Ge- unterschiedlichen methodischen Mit einem Schwerpunkt auf der sellschaft“ ein Sammelband er- Zugängen werden in diesem Band „Finanzkrise“ 2008/2009 stehen

Forschung und Lehre und Forschung schienen, der die Vorträge der Ta- aus verschiedenen disziplinären verschiedene sozialpolitische und gung dokumentiert. Im Blickwinkeln analytische Verfah- wirtschaftliche „Krisen“ im the- Mittelpunkt der Tagung wie des rensweisen vorgestellt, mit denen matischen Mittelpunkt der in die- neuen Buches stehen Sprach- und das jeweilige kollektive Wissen sem Band versammelten Beiträge. Medienanalysen, die stärker als über verschiedene „Wirtschafts- Je nach Fachdisziplin und Frage- „traditionelle“ disziplinäre Be- krisen“ erforscht werden kann. stellung wählen die Beiträge zwar trachtungen von gesellschaftlichen Neben diskurslinguistischen Me- unterschiedliche empirische Zu- „Krisen“ auf die Art und Weise der thoden, bei denen (Schlüssel- gänge zur analytischen Beschrei- Konstruktion oder Konstitution )Wörter, (konzeptuelle) Meta- bung, der Hauptfokus liegt jedoch sozialer „Gegenstände“ zielen. phern, Kollektivsymbole oder auf massenmedialen Darstellun- Wirtschaftskrisen-Diskurse ziehen Argumentationsmuster untersucht gen von „Krisen“. 36 Felbeck, Christine/Klump, Andre/ verstanden. Ein verbindendes Ele- Kramer, Johannes (Hg.) ment ist bspw. der den Kulturen America Romana: Perspektiven der America Romana gemeinsame transarealer Vernetzungen. Erinnerungsraum an die nicht sel- America Romana 5: ten gewalttätige koloniale und Studien zu Sprachen, Literaturen postkoloniale Geschichte. Diese und Kulturen der romanischen transareale Vernetzung kommt Länder Amerikas nicht umhin, die sogenannte Neue a.M., 2013, 204 Seiten, mit der Alten Welt in Bezug zu ISBN: 978-3-631-64598-7 setzen: Sprachliche Gemeinsam- keiten verlangen die Kontextuali- Im Sommersemester 2012 wid- sierung mit Europa. Andererseits mete sich eine Ringvorlesung der soll gerade auch die jeweilige ei- Universität Trier erneut dem he- genständige Dynamik und/oder misphärischen Verflechtungsraum Rückstrahlkraft der Areale der der America Romana. Das gastge- America Romana betont werden. bende Trierer America Romana Außerdem schlagen sich die durch Centrum (ARC) verfolgte so seinen die Globalisierung veränderten Le- transkulturellen Ansatz, Ge mein - bensbedingungen anhand viel- zwischen Sprach-, Literatur- und samkeiten und Wechselbeziehun- schichtiger Migrationsphänomene Kulturwissenschaften aufzuheben. gen zwischen den Sprachen, sowohl innerhalb der America Ro- Die Beiträge des Bandes verleihen Literaturen und Kulturen der ro- mana als auch zwischen ihr und dem so skizzierten Konzept einer manischen Areale der westlichen Europa nieder. Das große sprach- transarealen America Romana Hemisphäre zu erhellen. liche, literarische und kulturelle weitere Konturen und stellen Die America Romana wird hier Innovationspotential der America schließlich dessen Anschlussfä- trotz ihrer evidenten Vielschich- Romana erfordert es des Weite- higkeit und Vernetzungspotential tigkeit als Einheit in der Vielheit ren, die traditionelle Abgrenzung heraus.

Matthias Lehmann und Sammler ein wichtiges Hilfs- Naturstudien – Nachlaß – Nach- mittel. Die Nachlassakte enthält ruhm. Die Nachlaßakte des Land- als zweite Überraschung das Pro- schaftsmalers Ernst Fries (1801- tokoll der Nachlassversteigerung 1833) von 295 Positionen im Dezember

330 Seiten DIN A4 mit Register 1833 mit den Namen der Käufer Forschung und Lehre und mit 250 Abbildungen. und der erzielten Preise. Ladenpreis 48 Euro Nachlassverzeichnis und -verstei- Die aufgefundene Nachlassakte gerung sind nicht nur zu Fries un- von Ernst Fries deckte mit dem erwartete Funde sondern darüber Verzeichnis von 1.200 Zeichnun- hinaus zur Landschaftsmalerei in gen und Aquarellen ein bislang der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht erahnt umfangreiches Le- seltene Quellen. benswerk auf. Angesichts der Die Betonung „Landschaftsma- etwa 600 im Werkkatalog von ler“ hat ihren Grund: das seit Sigrid Wechssler (2000) nachge- 1790 üblich gewordene Naturstu- wiesenen Arbeiten auf Papier dium führte mit den Studien zu wird deutlich, dass die andere umfangreichen Nachlässen. Sie Abschnitte vorzuschalten: den Hälfte verschollen ist. Aus dem wiederum sind eine der Quellen ersten über die Landschaftsma- Nachlass-Inventar werden über des Nachruhmes. Dieser Zusam- lerei nach 1790 ausgehend vom 400 bislang unbekannte Bildtitel menhang begründet den Buchti- Naturstudium und den zweiten veröffentlicht und Hinweise ge- tel: „Naturstudien – Nachlass – über das Schicksal von Künstler- geben für das Einordnen wieder- Nachruhm“. Daher ist es nur fol- nachlässen im Hinblick auf die je- aufgefundener, auch unbeschrif- gerichtig, der Auswertung der weils erste Monographie. teter Arbeiten. Mithin für Händler Nachlassakte von Ernst Fries zwei

37 Antoni, C.H., Friedrich, P., Haun- sie ein, um die Anforderungen schild, A., Josten, M., Meyer, R. der Bereiche Arbeit, Lernen und (Hrsg.) Privatleben zu vereinbaren? In Work-Learn-Life-Balance in der dem neu erschienenen Buch Wissensarbeit. Herausforderun- „Work-Learn-Life-Balance in der gen, Erfolgsfaktoren und Gestal- Wissensarbeit. Herausforderun- tungshilfen für die betriebliche gen, Erfolgsfaktoren und Gestal- Praxis. tungshilfen für die betriebliche : Springer VS. (2014). Praxis“ werden die Ursachen und Folgen einer Work-Learn-Life- Welche spezifischen Belastungen (Im)Balance (WLLB) dargestellt erleben verschiedene Typen von und Gestaltungsansätze auf indi- Wissensarbeitern? Auf welche vidueller, Team- und Unterneh- Ressourcen können sie zurück- mensebene aufgezeigt. Hierzu greifen? Wie ziehen sie die Gren- werden neu entwickelte und mit zen zwischen Berufs- und Privat- Unternehmen erprobte WLLB-In- leben? Welche Strategien setzen strumente vorgestellt.

Lutz, Wolfgang & Knox, Sarah (eds.) Quantitative and Qualitative Methods in Psychotherapy Re- search Routledge, Taylor & Francis Group, London, Dezember 2013, 448 S. ISBN: 978-0-415-82070-7 Forschung und Lehre und Forschung

38 Dissertationen

Mathematik Philosophie Trier, 2013, Verlag Dr. Kova, Ham- burg, 2013 Tobias Lorson Marco Nogara Titel: Hadamard convolution op- Moral begründen oder erklären? Insgesamt nahmen 51 Männer erators on spaces of holomorphic Zum Begriff der ethischen Ge- und 124 Frauen mit komorbider functions wissheit Adipositas während ihrer psy- 20.12.2013 2010 chosomatischen Reha-Maßnahme an der vorliegenden Studie teil, Das über ein Faltungsintegral de- Begründen ist jene Praxis, durch 92 Probanden wurden dabei finierte Hadamardprodukt zweier die man sich der Wahrheit eines einer ergänzenden interdiszipli- holomorpher Funktionen ist eine Satzes vergewissert. Die Selbst- nären Adipositasgruppe zugeord- Verallgemeinerung des Hada- verständlichkeit, mit der wir be- net. Während der Reha-Maß- mardprodukts von Po tenz reihen, stimmte Handlungen durchfüh- nahme konnten sie eine welches durch punkt weise Mul- ren, zeigt, welche Sätze wir für signifikante Abnahme des BMIs tiplikation ihrer Koeffizienten ent- (selbstverständlich) wahr halten. und der Fettmasse erreichen und steht. Es werden ein Assoziativi- Solange diese Sätze der Praxis während des Katamnesezeit- tätsgesetz für dieses Produkt des Begründens zugrunde liegen, raums den BMI weiter reduzieren. formuliert und eine Klasse von gibt es für eine Vergewisserung Sportliche Aktivitäten wurden daraus abgeleiteten Faltungs- (auch eine Infragestellung) in vermehrt in den Alltag integriert, operatoren untersucht. Dabei Bezug auf die Wahrheit solcher im Fragebogen zum Essverhalten werden die transponierten Ope- Selbstverständlichkeiten keinen zeigte sich eine verbesserte Kon- ratoren berechnet und systema- Platz. Moralphilosophie ist daher trolle und geringere Störbarkeit tische Untersuchungen zum Kern nicht in der Lage, moralische des Essverhaltens. und zum Bild solcher Operatoren Selbstverständlichkeiten zu be- angestellt. Die Ergebnisse werden gründen. Ihre Funktion in Bezug auf die Approximation holomor- auf solche Gewissheiten ist, sie Marie Christina Zahn pher Funktionen durch Lücken- zu erklären und zu verteidigen. Untersuchung der Wirksamkeit polynome angewandt. und der elektrophysiologischen Korrelate therapeutischer Mi- Politikwissenschaft krointerventionen – Eine klini- Roland Stoffel sche EEG-Studie Structural Optimization of Cou- Simon Musekamp Trier, 2013 pled Problems Kohärenz zwischen Migrations- Die Untersuchung der Wirkungs- 17.12.2013 und Entwicklungspolitik Forschung und Lehre 2012 mechanismen von Psychotherapie In der Industrie ist die effiziente Die Dissertation untersucht, ist eine wichtige Fragestellung der Verwendung von Konstruktions- warum nur bestimmte Vorschläge Psychotherapieforschung. Ziel der material sowohl aufgrund von der internationalen Debatte über Studie ist es, die Wirkungsweise wirtschaftlichen als auch ökolo- Verbindungen zwischen Migrati- zweier Mikrointerventionen zur gischen Aspekten sehr wichtig. ons- und Entwicklungspolitik in Emotionsregulation und zur pro- Gegenstand der Dissertation ist staatliches Handeln in Deutsch- gressiven Relaxation und die die mathematische Analyse ver- land und Frankreich umgesetzt damit einhergehenden Verände- schiedener Optimierungsmetho- wurden. Die Arbeit kommt zu rungen auf psychometrischer und den zur automatischen Berech- dem Ergebnis, dass dafür vor elektrokortikaler Ebene zu unter- nung effizienter Strukturen sowie allem innerstaatliche politische suchen. Hierzu wurde eine unbe- deren Anwendung auf indus- Entscheidungsprozesse und we- handelte klinische Stichprobe trielle, drei-dimensionale Pro- niger sachlich-inhaltliche Gründe (N=65) vor und nach einer psy- bleme mit gekoppelten multi- maßgeblich waren. chotherapeutischen Intervention physikalischen Systemen. Dabei anhand eines spezifischen EEG- wird für die Strukturoptimierung Paradigmas untersucht. Die Er- sowohl klassische Formoptimie- Psychologie gebnisse geben sowohl Hinweise rung mit Gitterdeformation als auf differentielle als auch unspe- auch freie Topologieoptimierung Svenja zifische Effekte der beiden Tech- in Kombination mit der Level Set Ergänzende Adipositastherapie niken. Methode betrachtet. im stationären Setting

39 Psychobiologie Auslösen eines Cortisolimpulses Käufer ein Schadensersatzan- mit Hilfe „Trier Social Stress Test“ spruch zu. Diese zunächst ein- Christian Deuter konnten wir Expressionsimpulse deutige gesetzliche Regelung The startle response in psy- von Cotisol-Zielgenen beobachten. wird jedoch beim in der Praxis ty- chophysiological research: mod- Cortisolausschüttungen in Abhän- pischen Kauf vom Warenhändler ulating effects of contextual pa- gigkeit von Antizipation, Stress in ihr Gegenteil verkehrt. Der Wa- rameters und Nahrungspräsentation waren renhändler soll für Herstellungs- gleichermaßen fähig, die Expres- fehler nicht auf Schadensersatz Der Schreckreflex ist eine defen- sion der Zielgene auszulösen. haften, weil er diese nicht zu ver- sive Reaktion des Organismus, treten hat. Der Käufer muss sich welche den Körper vor der Einwir- an den Hersteller wenden, den kung einer direkten, physischen Rechtswissenschaft eine deliktsrechtliche Haftung Bedrohung schützen soll. Obwohl trifft. Die Arbeit untersucht, ob der Reflex neuronal einfach ver- Mathias Juchem die geltende Rechtslage wirt- schaltet ist, wird er beim Men- Angehörigengeschäfte im Steuer- schaftlich angemessen ist und schen von höheren mentalen Pro- und Steuerstrafrecht welche Lösung aus rechtsökono- zessen wie Emotionalität und Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher, mischer Sicht interessengerecht Aufmerksamkeit beeinflusst. Im Konstanz wäre. Umkehrschluss kann die Erfassung Prof. Dr. Volker Krey des Reflexes als indirektes Maß Trier 2013, Erich Schmidt Verlag, für diese Prozesse Verwendung Berlin 2013 Promotionen: Soziologie finden. In dieser Arbeit konnte der Einfluss von Stress bzw. der At- Rechtsgeschäfte zwischen Ange- Oliver Berli traktivität eines Partners auf die hörigen sind weit verbreitet und Die Liebe zur Musik und ihre Schreckreaktion sowie der Einfluss bergen ein großes Steuergestal- Grenzen. Musik als Mittel der von Schreckreizen auf Blickbewe- tungspotenzial. Mathias Juchem Distinktion und Gegenstand der gungen gezeigt werden. geht anhand von Miet-, Arbeits- Legitimation und Darlehensverträgen der Frage Prof. Dr. Martin Endreß, nach, warum trotz steuerlicher Prof. Dr. Julia Reuter Slavena Trifonova Ablehnung jener Geschäfte straf- Ultradiane und Stress-induzierte rechtliche Konsequenzen häufig Felix Bode Glucocorticoidpulsatilität und ausbleiben. Interdisziplinär ange- Beurteilung und Wertung rich- deren Rolle in der Kinetik der legt setzt sich die Arbeit kritisch terlicher Entscheidungen durch Immun- und Transkriptionsant- mit der aktuellen steuerlichen Polizeibeamte. Eine empirische wort und strafrechtlichen Situation Untersuchung am Beispiel ju- 2013 auseinander, entwickelt eigene gendlicher Mehrfach- und Inten- Prüfungsmaßstäbe und liefert sivtäterkriminalität Cortisol wird – sowohl induziert hierauf aufbauend konkrete Lö- Prof. Dr. Martin Endreß, als auch regulär – pulsatil sezer- sungsvorschläge für die Praxis. Prof. Dr. Julia Reuter niert. Um die Cortisolpulsatilität zu untersuchen, wurden zeitliche Benjamin Rampp Speichelcortisolprofile dekonvo- Jan-Alexander Lange Die Sicherheit der Gesellschaft in liert, um präzise und zuverlässige Die Schadensersatzhaftung des der Gesellschaft der Sicherheit. pulsatile Sekretions- und Elimi- Warenhändlers bei Herstellungs- Sicherheitspraktiken und ihre Ne- nierungsmodelle zu entwickeln. fehlern – Eine rechtsökonomische benfolgen für das Phänomen des Forschung und Lehre und Forschung Diese Modelle erlauben es, eine Analyse Vetrauens Cortisol-induzierte bimodale und Prof. Dr. Arnd Arnold, Dipl.Volks- Prof. Dr. Martin Endreß, stark zeitlich verzögerte Umvertei- wirt Prof. Dr. Andrea Maurer lung von T-Lymphozyten und na- Prof. Dr. Hans-Friedrich-Müller, türlichen Killerzellen nachzuwei- LL.M. sen. Dies weist darauf hin, dass Kiel und Trier 2013, Verlag Dr. die HPA-Achse Umverteilungs- Kova, Hamburg 2014 schübe von Immunzellen des an- geborenen oder des erworbenen Liefert ein Verkäufer eine man- Immunsystems koordiniert. Nach gelhafte Sache, so steht dem

40 Berufungsnachrichten

Rufe an die Universität Trier Rufe an die Universität Trier Rufe an die Universität Trier angenommen erhalten abgelehnt

Franziska Bergmann, wissen- Dr. Maren Zeller, wissenschaftli- Dr. Annette Guckelberger, Univer- schaftliche Mitarbeiterin an der che Mitarbeiterin an der Univer- sitätsprofessorin an der Universi- Universität -Essen: Ruf sität : Ruf auf eine Ju- tät des Saarlandes: Ruf auf die W auf eine Juniorprofessur für Gen- niorprofessur für Sozialpädagogik 3-Professur für das Fach „Öffent- der-Forschung im Fachbereich II. im Fachbereich I. liches Recht, insbesondere Um- weltrecht“ im Fachbereich V. Dr. Katrin Mühlfeld, Assistant Pro- fessor an der Universität Utrecht, Rufe an andere Niederlande: Ruf auf die W 3-Pro- Universitäten erhalten fessur für das Fach Betriebswirt- schaftslehre, mit Schwerpunkten Dr. Dirk Rustemeyer, Universi- Management, Organisation, Per- tätsprofessor im Fachbereich I, sonal im Fachbereich IV. Pädagogik: Ruf an die Universi- tät der Bundeswehr in München. Prof. Dr. Andreas Regelsberger, Gastprofessor an der Western Mi- chigan University in Kalamazoo, USA: Ruf auf die W 3-Professur für Japanologie im Fachbereich II. Personen und Preise

41 „Ich habe keine Karriere geplant“ Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer studierte in Trier Jura und Politik

Ihre Studienfächer Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft vermitteln den Eindruck einer gezielten Berufsvorbereitung auf eine politische Karriere. So zielgerichtet wie das Studium, das sie in Saarbrücken und an der Universität Trier absolvierte, und der schnelle Aufstieg in Partei und Landespolitik vermuten lassen, konzipierte Annegret Kramp-Kar- renbauer ihre Berufsplanung aber nicht. Hätte ihr die „Lehrerschwemme“ nicht den Weg ins Lehramt verbaut, würde sie heute möglicherweise vor einer Schulklasse statt dem saarländischen Landtag reden. In jungen Jahren auf kommunaler Ebene in die Politik ein- gestiegen, nahm ihre Karriere eine rasante Fahrt auf. Als erste saarländische Minister- präsidentin ist sie auch in der Bundespolitik gefragt und gut vernetzt. Frau Kramp-Karrenbauer, die Homepage der saarländischen CDU beschreibt Sie als eine „Saarländerin aus Überzeugung“. So gesehen: War die Zeit an der Uni Trier für Sie ein gefühl- tes Auslandsstudium?

Nein. Dazu gab es dort zu viele saarländische Mit- studenten. Was auf der Homepage ebenfalls über Sie zu lesen ist: „Sie ist nah an den Menschen dran und kennt ihre Sorgen und Nöte.“ Wie leben Sie diese Bürgernähe im politischen Geschäft und im privaten Alltag?

Bürgernähe ist kein künstliches Konzept. Entwe- der man ist es oder nicht. Ich lebe ein völlig nor- males Privatleben wie jeder andere auch – mit Ein- kauf im örtlichen Supermarkt, Sport treiben etc. Die Staatskanzlei steht den Menschen offen, sei es in Bürgersprechstunden bei mir oder durch den - land-Dialog in jedem Landkreis. Über Sorgen und Nöte finanzieller Natur klagen jetzt auch die Hochschulen in Ihrem Bundesland. Wird die Enttäuschung auf Hochschulseite da- durch gesteigert, dass Sie saarländische Bil- dungsministerin und Vorsitzende der Kultusmi- nisterkonferenz waren – mithin die Probleme der Hochschulen bestens kennen?

Die saarländische Landesregierung garantiert den deren Bundesländern sieht keine Selbstverständ- Hochschulen im Land bis 2020 einen festen Haus- lichkeit. Die Hochschulen haben Planungssicher- halt. Das ist für ein Haushaltsnotlageland ein enor- heit. Das ist ein großes Pfund, was auch nicht be- mer Kraftakt und wenn man Entwicklungen in an- stritten wird.

Personen und Preise und Personen Mein Studium Erste Vorlesung: 8 oder 14 Uhr? 8 Uhr Lieblingsessen in der Mensa? Ehrlich? Wenn’s ging, gar nicht. Studibude oder Hotel Mama? Bude Viez oder Bier? Bier Uni-Dresscode: Hosenanzug oder Sweat-Shirt? Sweat-Shirt -Uni oder Universität Trier? Uni Trier GEZ-Zahler oder Schwarzseher? GEZ-Zahler

42 Meine Universität Mein „Stilles Örtchen“ Bibliothek Mein „Da-bin-ich-nie-gewesen“-Ort Büro des Präsidenten Meine „Gute Seele“ Mitstudenten Mein „No Go“ — Mein Lieblingsdozent Prof. Knut Amelung Meine härteste Prüfung Die letzte mündliche Prüfung (Öffentliches Recht) wenige Wochen vor der Geburt meiner Tochter Mein schönster Moment Der erfolgreiche Abschluss des Studiums

Wie schätzen Sie die Ausstattung und Leis- Was fasziniert Sie an Politik? tungsfähigkeit der Hochschulen bundesweit ein? Etwas gestalten und Probleme lösen zu können in Wir haben im Koalitionsvertrag auf Bundesebene einem sehr komplexen Umfeld. ja vereinbart, dass der Bund sich zu den Ländern Sie haben sich schon während Ihres Studiums gerade auch in der Grundfinanzierung der Hoch- kommunalpolitisch engagiert. Hat Ihnen das schulen engagieren wird. Hier ist die gemeinsame Studium konkrete Anregungen oder Hilfestel- Kraftanstrengung von Bund und den Ländern ab- lungen für Ihre Arbeit als Stadträtin geliefert? solut notwendig. Ihre Vita liest sich wie eine zielstrebige Karrie- Es hat mir die Grundlage für selbstständiges Ar- replanung: Mit 19 CDU-Mitglied, drei Jahre spä- beiten und das Erarbeiten von Themen gegeben. ter Stadträtin, Beigeordnete, mit 36 Jahren Bun- Und die Erkenntnis, dass politikwissenschaftliche destagsabgeordnete, dann Landtagsmitglied Theorie nicht immer mit politischer Praxis über- und Ministerin. Hatten Sie nie einen anderen Be- einstimmt. rufswunsch als Politikerin? Haben Sie sich durch das Studium gut auf Ihre politische Karriere vorbereitet gefühlt Wenn ich kein Abitur gemacht hätte, wäre ich Heb- amme geworden. Und nach dem Abitur wollte ich Im oben beschriebenen Sinne: Ja. eigentlich Lehrerin werden. Damals gab es aber Von welchem Ihrer beiden Studienfächer – Poli- eine ‚Lehrerschwemme‘. Also deshalb Politikwis- tikwissenschaft oder Öffentliches Recht – profi- senschaft. Im Übrigen habe ich keine Karriere ge- tieren Sie im Berufsalltag mehr? plant. Viele glückliche Zufälle haben mir dabei ge- holfen. Von beiden und der damit verbundenen wissen- schaftlichen Grundausbildung gleichermaßen. Personen und Preise Zur Person

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karren- später wurde sie als Ministerin für Inneres bauer ist im Saarland verwurzelt. 1962 wurde und Sport vereidigt. Im August 2011 wählte sie in Völklingen geboren und besuchte dort der Landtag Annegret Kramp-Karrenbauer als das Gymnasium. Dem Abitur folgte ein Magis- Nachfolgerin des zum Bundesverfassungsge- ter-Studium der Rechtswissenschaft und Poli- richt gewechselten Peter Müller zur Minister- tikwissenschaft an den Universitäten in Saar- präsidentin. Nach dem Bruch der Jamaika-Ko- brücken und Trier. Sie trat 1981, neun Jahre vor alition erreichte sie bei den Neuwahlen als ihrem Studienabschluss, in die CDU ein und Spitzenkandidatin mit der CDU mit 35,2 Pro- gehörte drei Jahre später dem Stadtrat ihrer zent ein deutlich besseres Ergebnis als prog- Heimatstadt Püttlingen an. Als Vorsitzende des nostiziert. Als Ministerpräsidentin führt sie seit CDU-Stadtverbandes und später Beigeordnete Mai 2012 zum zweiten Mal das Bundesland, sammelte sie weitere kommunalpolitische Er- nun in einer Großen Koalition. Dem CDU-Bun- fahrungen, die sie schon bald in die Bundes- despräsidium gehört sie seit 2011 an. Die politik führten. Im März 1998 rückte sie für jüngsten Verhandlungen zur Bildung der Gro- Klaus Töpfer acht Monate lang in den Bun- ßen Koalition auf Bundesebene gestaltete sie destag nach. Ein Jahr später übernahm sie als in der „Großen Runde“ mit. Annegret Kramp- Landtagsabgeordnete auch die parlamentari- Karenbauer ist mit einem Bergbauingenieur sche Geschäftsführung ihrer Fraktion. Ein Jahr verheiratet und Mutter dreier Kinder.

43 Sie waren erste Innenministerin in Deutschland, die Universitäten des Saarlandes und Trier an- sind erste Ministerpräsidentin und diensterfah- gehören? renste Ministerin im Saarland und ihr Ehemann hat sich zu Hause um die drei Kinder geküm- Die Universität der Großregion hat ein großes Po- mert, während Sie Karriere machten: Vor dem tenzial, das noch viel besser genutzt werden muss. Hintergrund, dass Sie aus konservativen Fami- Zu oft stehen alltägliche Dinge wie beispielsweise lienverhältnissen stammen und eine konserva- mangelnde Verkehrsverbindungen einem wirklich tive Partei vertreten leben Sie ein überraschend grenzüberschreitendem Studium im Weg. modernes Frauen- und Familienbild. Zu guter Letzt sind unsere Studierenden neu- gierig, welche Tipps ihnen eine Ministerpräsi- Ich habe einen modernen und pragmatischen Mann, dentin für ihr Studium und den Berufsweg mit- der das mitgetragen hat. Und ich habe die feste geben kann. Überzeugung, dass Frauen alles erreichen können sollten, was sie wollen. Man sollte das tun, was einem Freude bereitet – In der Grenzlage des haben gute Be- aber auch in weniger guten Zeiten nie den Glauben ziehungen zu den Nachbarn einen hohen Stel- verlieren. Ganz nach dem Motto: Wäre es einfach, lenwert. Welches Entwicklungspotenzial räumen könnte es jeder. Sie der Universität der Großregion ein, der auch Die Fragen stellte Peter Kuntz

Professor Schäfer in die Bewertungskommission gewählt Althistoriker gehört Gremium des Römisch-Germanischen Zentralmuseums an

hristoph Schäfer, Professor für Alte Ge- Cschichte an der Universität Trier, wurde am 6. November zum Mitglied der „Ständigen Bewertungskommission“ des Römisch-Germa- nischen Zentralmuseums (RGZM) in Mainz ge- wählt. Die Ständige Bewertungskommission nimmt am RGZM die Rolle eines wissenschaft- lichen Beirats ein. Sie ist für die Weiterent- wicklung und das Forschungsprogramm von eminenter Bedeutung. Das RGZM ist eine international tätige For- schungseinrichtung für Archäologie. Auf der Grundlage aller verfügbaren Quellen wird der Mensch in seinem natürlichen und kulturellen keit: Moderne Forschung und Bildungsauftrag Umfeld von den Anfängen der Menschheit bis sind hier eng miteinander verbunden. Die Un- ins Mittelalter erforscht. Im Jahre 1852 gegrün- tersuchungen beruhen auf jahrtausendealten Ar- det, ist das RGZM seit 1870 eine Stiftung des chiven und schaffen damit einen historischen

Personen und Preise und Personen öffentlichen Rechts mit Sitz in Mainz und wei- Referenzrahmen, der zum besseren Verständnis teren Standorten in und (Rhein- der Grundlagen unserer Gesellschaft beiträgt, land-Pfalz). Träger der Stiftung sind das Land indem z. B. langfristige Verhaltensmuster sicht- Rheinland-Pfalz und die Stadt Mainz. Seit 1977 bar werden. So werden Bezüge zu aktuellen Dis- wird das RGZM von Bund und Ländern ge- kursen hergestellt. meinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz finan- Die Forschungen des RGZM greifen über tradi- ziert, seit 2002 ist es Mitglied der Leibniz-Ge- tionelle Fachgrenzen hinaus; sie verbinden Geis- meinschaft. tes- und Naturwissenschaften in einem interdis- Als Forschungsmuseum der Leibniz-Gemein- ziplinären Ansatz und überwinden damit schaft ist das RGZM zugleich ein Ort der Wis- Grenzen unterschiedlicher Wissenschaftskultu- senschaft und des Dialoges mit der Öffentlich- ren. 44 Neu an der Uni Jahre 2010 mit dem Promotionspreis punkt beschäftigt er sich mit den Jun. Prof. Dr. der Philipps-Universität geldpolitischen Entscheidungsträ- Matthias Neuenkirch ausgezeichnet. In dieser Zeit ver- gern selbst und zeigt, dass z.B. die W1-Juniorprofessur für brachte er drei Monate (2010) bzw. Erfahrung, aber auch der persönliche einen Monat (2013) als Gastforscher Hintergrund, geldpolitische Ent- Em pirische Wirtschaftsfor- am Viessmann European Research scheidungen beeinflussen können. schung Centre an der Wilfrid Laurier Uni- Matthias Neuenkirchs Arbeiten sind versity in Waterloo, Kanada. Im Win- in referierten internationalen Fach- Matthias Neuen- tersemester 2012/13 und Sommerse- zeitschriften der Volkswirtschafts- kirch wurde 1981 mester 2013 vertrat er den Lehrstuhl lehre, so zum Beispiel im Journal of in Offenbach/ für Wirtschaftswissenschaften/Ma- Banking and Finance oder im Eu- Main geboren. kroökonomie an der RWTH , ropean Journal of Political Eco- Nach Abitur und ehe er zum Wintersemester 2013/14 nomy, publiziert. An der Universi- Zivildienst stu- den Ruf an die Universität Trier an- tät Trier möchte er seine dierte er von 2001 nahm. Matthias Neuenkirch ist ver- Forschungsschwerpunkte in Zu- bis 2006 Volks- heiratet und hat einen Sohn. sammenarbeit mit den Kollegen der wirtschaftslehre an der Phi lipps-Uni- Matthias Neuenkirchs Forschung ist Volkswirtschaftslehre und Betriebs- versität Marburg. Von 2006 bis 2013 empirischer Natur und thematisch wirtschaftslehre weiter ausbauen war er, ebenfalls an der Philipps-Uni- den Gebieten Geldpolitik, Finanz- und vertiefen. versität Marburg, als wissenschaftli- märkte und politische Ökonomie zu- In der Lehre freut Matthias Neuen- cher Mitarbeiter und PostDoc in der zuordnen. So untersucht er insbe- kirch sich darauf, die methodische Arbeitsgruppe Makroökonomie von sondere die Wirksamkeit von Ausbildung am Fachbereich IV zu Prof. Dr. Bernd Hayo beschäftigt. Kommunikation als zusätzliches verstärken, insbesondere durch Seine Diss ertation zum Thema „Stu- Werkzeug in der geldpolitischen Lehr veranstaltungen im Bereich der dies on U.S. and Canadian Central Strategie von Zentralbanken. In anwendungsbezogenen Ökonome- Bank Communication“ wurde im einem weiteren Forschungsschwer- trie.

Neu an der Uni eine Gastprofessur, mit der regelmä- dieser Studie ist der Trierer Ludwig Prof. Dr. Christian Jansen ßig im Sommersemester eine italie- Simon. Nach der Habilitation hat W3-Professur für Neuere nische Historikerin (oder auch Hi- Jansen in Konstanz, , Bo- Geschichte (Schwerpunkt storiker) nach Trier geholt werden chum, an der TU Berlin gelehrt, soll, um zusätzliche Lehrveranstal- bevor er 2012 nach Münster berufen 19. Jahrhundert) tungen anzubieten und den Kontakt wurde. Zwischendurch war er als zu italienischen Universitäten zu stär- Gastprofessor an der Hebrew Uni- Von einer ken. Außerdem will Christian Jansen versity Jerusalem. W2-Profes- regelmäßig „Italientage“ veranstal- Die zehn Bücher, die Jansen veröf- Personen und Preise sur an der ten, die mit Vorträgen, Unterhaltsa- fentlicht hat, beschäftigen sich u. a. Universität mem und Kulinarischem Lust auf die mit Nationalismus und Nationsbil- M ü n s t e r Beschäftigung mit der italienischen dung, mit der Geschichte der Alex- wechselte Christian Jansen zum Win- Geschichte machen sollen. ander von Humboldt-Stiftung, mit tersemester auf die Professur für die Jansen hat in Heidelberg Geschichte dem „Volksdeutschen Selbstschutz“ Geschichte des langen 19. Jahrhun- und Mathematik studiert, nach dem 1939/40 im besetzten Polen oder mit derts. Er beschäftigt sich nicht nur ersten Staatsexamen mehrere Jahre Gründerzeit und Nationsbildung in mit der deutschen Geschichte von der in einem Druckerkollektiv gearbeitet Deutschland 1849-1871. Dieser Epo- Aufklärung bis zum Nationalsozia- und sich anschließend in seiner Dis- che gilt auch eine Edition von Brie- lismus (gelegentlich auch darüber sertation mit dem politischen Ver- fen deutscher Liberaler und Demo- hinaus wie dieses Semester in einem halten von Hochschullehrern vom kraten. Neben der italienischen Seminar zu den Filmen der DEFA). Ersten Weltkrieg bis zum Dritten Geschichte wird der Aufbau eines In- Sein zweiter Schwerpunkt ist die Reich beschäftigt. Seit 1989 war er ternetportals, das das Auffinden und neuere Geschichte Italiens von der an der Ruhr-Universität As- die Benutzung von Briefen des 19. Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die sistent von Hans Mommsen und hat Jahrhunderts erleichtern soll, zu den Gegenwart. sich dort 1998 mit einer Arbeit über Schwerpunkten der Tätigkeit von Den Italienbezug in Forschung und den Beitrag der Achtundvierziger zur Jansen in Trier gehören. Lehre an der Universität Trier zu stär- weiteren Entwicklung Deutschlands Näheres zu den Publikationen, Pro- ken ist eines seiner erklärten Vorha- nach dem Scheitern der Revolution jekten in Forschung und Lehre auf ben für die nächsten Jahre. Zu seinen von 1848/49 bis zur Reichsgründung der Homepage http://www.uni- Berufungszusagen gehören Mittel für habilitiert. Einer der Protagonisten trier.de/index.php?id=5196 45 Ein Zeitzeuge afrikanischer Metamorphose Prof. Jätzold: Erfahrungen, Erlebnisse, Erkenntnisse aus 50 Forschungsjahren

Kaum ein anderer Geograph in Deutschland erlebte eine so breite Zeitspanne afrikani- scher Geschichte wie der emeritierte Trierer Professor Dr. Ralph Jätzold, der für die Wis- senschaft, aber vor allem für Afrika lebt. Nun hat er seine Erlebnisse in einem kleinen Buch niedergeschrieben – Geschichten über die letzten deutschen Farmer Ostafrikas, die Euphorie der Unabhängigkeit afrikanischer Staaten und die großen Veränderungen in Kenia und Tansania.

Afrika unserer Träume! Sonnenuntergang am rofessor Dr. Ralph Jätzold vertrat zunächst, von che agrarische Nutzung. Tansania wurde sozialistisch, Turkanasee im wilden Tübingen kommend, den Lehrstuhl für Biogeo- und somit verschlechterten sich für ihn die Arbeits- Norden Kenias. P graphie an der Universität des Saarlandes, bevor bedingungen in diesem Staat. Es folgten fruchtbare er als einer der so genannten „Gründungsprofesso- Forschungsjahre in dem nördlich angrenzenden ren“ 1971 an die Universität Trier wechselte; dort lei- Kenia, und eines der erfolgreichsten Projekte, das von tete er das Fach Kultur- und Regionalgeographie. der damaligen Gesellschaft für Technischen Zusam- Sein Leben gilt der Forschung und der Lehre an den menarbeit (GTZ; heute Gesellschaft für International Universitäten, seine Leidenschaft widmet er Afrika. Zusammenarbeit, GIZ) gefördert wurde, nahm sei- In 47 Reisen lernte er vor allem den Osten Afrikas nen Lauf: Das „Farm Management Handbook of kennen. Kenya“ – oder die „Grüne Bibel“ – wie viele Kenia- ner das von 1979 bis 1984 erstellte dreibändige Werk Bei seiner ersten Reise als junger Wissenschaftler im nennen. Die gedruckten Exemplare dieser Studie lie- Jahr 1963 erreichte er nach einer mehrwöchigen gen heute in den Ministerien, Hoch- und Fachschu- Reise mit dem Dampfschiff schließlich die Küsten- len, Forschungsinstituten und regionalen Agrarbüros stadt Daressalam in Tanga- und geben wichtige Handlungsanweisungen zu Bo- njika, heute Tansania. Jät- denbeschaffenheit, Klimaregime sowie Kulturpflan- zold begann seine Arbeiten zenanbau und Viehhaltung. Daraus lässt sich eine op- auf einem Kontinent mit timale, nachhaltige agrarische Nutzung in der weiten Landschaften, flie- entsprechenden Region ableiten. Nach diesen Hand- henden Horizonten und lungsanweisungen bewirtschaften heute viele Mil-

Personen und Preise und Personen einem Gefühl unendlicher lionen Bauern ihre Felder. Freiheit. Diese Arbeit hat enorme Auswirkungen auf die Nach- Als einer der wenigen welt und ist eine der wegweisenden Studien, die im Agrarexperten, die damals Fachgebiet der Geographie an der Universität Trier in dieser Region tätig entstanden sind. Eine zweite, von 2002 bis 2013 völ- waren, erstellte er die ers- lig neu bearbeitete Auflage liegt seit Sommer diesen ten Karten über die mögli- Jahres in sieben gedruckten Bänden sowie digitalen Datenträgern mit einem umfangreichen Kartenwerk vor. Es ist ein Lebenswerk, an dem Jätzold und seine Prof. Jätzold beim Signieren. Kollegen Professor Dr. Berthold Hornetz (Universi- tät Trier) und kenianische Wissenschaftler von der 46 Kenyatta University Nairobi (Professor Dr. Chris A. Shisanya) sowie des kenianischen Agrarministeriums (u.a. Zachariah Mairura, MSc.), der GIZ und anderer Organisationen über mehrere Dekaden gearbeitet haben. Heute werden solche langfristigen For- schungsarbeiten (ohne kurzfristig publizierbare Er- gebnisse) in der deutschen Wissenschaftslandschaft kaum noch finanziert; die Ergebnisse von Jätzold und Kollegen zeigen aber allzu deutlich, wie wertvoll das Forschen ohne Zeitdruck ist, denn: Oberflächlichkeit und Geschwindigkeit ist mit Sicherheit der Feind jeg- lichen wissenschaftlichen Tiefsinns.

Professor Jätzold brachte in den letzten Monaten einen wichtigen Teil seines Lebens zu Papier – mit dem Titel „Inside Africa – ewiger Kontinent meiner Sehnsucht; Erfahrungen – Erlebnisse, Erkenntnisse, Als Agrarexperte war Prof. Jätzold ein gefragter Gesprächspartner. Erwartungen“. In dem Buch steckt ein unglaublicher Fundus an Wissen aus den Bereichen Geographie, Geschichte, Politik, Gesellschaft. Jätzold beschreibt korridore, Eisenbahnstrecken, Autobahnen und Öl- eine Zeitreise voller Ambivalenzen. Das Afrika, wie pipelines nach Südsudan und Äthiopien werden den wir es aus manchen Büchern und Filmen kennen, ist noch unberührten Norden Kenias erschließen. Die vorüber – wir sind im „Diesseits von Afrika“ ange- Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Entwick- kommen. Und wenige Dekaden nach Jätzolds erster lung in solchen Ländern, doch gleichzeitig das Fest- Ankunft in Daressalam sucht man meist vergebens halten an der Ursprünglichkeit zieht sich durch Jät- die menschenleeren Savannen. Die Herausforderung zolds Buch und ist ein nachvollziehbares, ist, afrikanische Länder so zu sehen, wie sie heute wohlbekanntes Gefühl – zumindest für Menschen, sind, und sie nicht zu naiven Filmkulissen zu redu- die in afrikanischen Ländern arbeiten; ein Gefühl von zieren. Afrika ist vielseitig und das ursprüngliche Ge- Begeisterung und Hoffnung, aber auch von Wehmut sicht Kenias wandelt sich rapide durch umfangreiche und Enttäuschung. Infrastrukturprogramme. Diese Großprojekte passen meist eher weniger in das antiquierte, verklärte Afri- Ralph Jätzold hat am 5. Dezember, dem Vorabend kabild. seines 80. Geburtstages, im Rahmen der Veranstal- tungsreihe der „Geographischen Gesellschaft Trier Personen und Preise So werden in Kürze im noch wilden Norden Kenias (GGT)“ an der Universität aus seinem Buch vor im Rahmen des „Lake Turkana Wind Power Project“ knapp 200 Personen, die von ganz Europa angereist über 365 Windräder in den afrikanischen Himmel waren, gelesen. Ein sehr gelungenes Buch und ein ragen, die insgesamt 300 Megawatt Strom erzeugen anregender Abend über einen facettenreichen Konti- (etwa 20 Prozent der gesamten Strommenge Kenias). nent und ein ebenso facettenreiches Leben. Der im Bau befindliche neue Tiefseewasserhafen an Jan Christian Habel, der kenianischen Nordküste nahe der alten Stadt Berthold Hornetz, Mike Teucher Lamu (der fünfmal größer als der von Mombasa sein wird) soll Start- bzw. Endpunkt des „Lamu Port South Die Autoren Sudan Ethiopia Transport Corridor (LAPSSET)“ wer- den und die bislang beschauliche Küste bei Lamu in PD Dr. Jan Christian Habel promovierte und ha- ein Industrie-Eldorado umwandeln - neue Transport- bilitierte an der Universität Trier und arbeitet an der Technischen Universität München/Wei- Buchhinweis henstephan. Er forscht u.a. in Ostafrika im Be- reich Biodiversität und Naturschutz. Prof. Dr. Ralph Jätzold, „Inside Africa – ewiger Konti- Berthold Hornetz und Dipl.-Biogeograph Mike nent meiner Sehnsucht – Erfahrungen – Er- Teucher lehren und forschen im Fachbereich lebnisse, Erkenntnisse, Erwartungen“; Geo- VI/Geowissenschaften, Abteilung für Biogeo- graphische Gesellschaft Trier, ISBN: 3 – 921 graphie sowie Kartographie, und leiten das – 599 – 59 – 8 (Preis: 17,50 Euro) Ostafrika-Archiv der Biogeographie.

47 Natalia Filatkina erhält ein Habilitationsstipendium Die Nachwuchswissenschaftlerin erforscht „Historisch formelhafte Sprache“

Dr. Natalia Filatkina ist bei der Jahresfeier der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz mit einem Stipendium der Walter und Sibylle Kalkhof-Rose-Stiftung ausgezeichnet worden. Die Stipendien werden an besonders qualifizierte Nachwuchs- wissenschaftler verliehen und dienen der Förderung und des Abschlusses von Habilita- tionen. Die Stipendiaten werden ein Jahr lang mit einer Gesamtsumme von 18.000 Euro gefördert.

atalia Filatkina kam im NOktober 2003 als wis- senschaftliche Assis- tentin im Fachteil Ältere Deutsche Philologie an die Universität Trier (Prof. Dr. Claudine Moulin). Derzeit vertritt sie eine Professur an der Universität Düsseldorf und arbeitet an ihrem Habili- tationsprojekt „Historische formelhafte Sprache. Theore- tische Grundlagen und Me- thoden ihrer Erforschung“. Natalia Filatkina studierte Foto: Akademie der Wissenschaften und der Literatur I Mainz Germanistik, Anglistik, Päda- Natalia Filatkina nahm die Glückwünsche von Stipendium-Stifterin Sybille Kalkhof- gogik und interkulturelle Rose, Universitätspräsident Prof. Michael Jäckel und Prof. Claudine Moulin (von links) Kommunikation in Moskau, entgegen. Berlin und . 2003 promovierte sie in Bamberg und nahm im gleichen Jahr eine Tätigkeit als wis- schaftlichen Forschungszentrum (HKFZ) Trier. senschaftliche Assistentin im Fachteil Ältere Deut- 2006 erhielt sie den renommierten Sofja Kovalevs- sche Philologie an der Universität Trier auf. Seit kaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung. Es 2007 leitete sie die Nachwuchsforschergruppe „His- folgten weitere Auszeichnungen und 2010 die torische Formelhafte Sprache und Traditionen des Aufnahme in die Exzellenzdatenbank „Academia- Formulierens (HiFoS)” und war von 2008 bis 2010 Net.de”. Seit 2007 ist sie gewähltes Mitglied des zuständig für die Koordination des wissenschaftli- Hochschulrats der Universität Trier und wirkt in chen Nachwuchses im Historisch-Kulturwissen- Kommissionen des Senats mit. Personen und Preise und Personen

48 Höchste Auszeichnung für Claudine Moulin Dreyer: „Kompetenzzentrum in internationale Spitzenforschung geführt“

rof. Dr. Claudine Moulin, seit 2003 Professo- führung der Universi- Prin an der Universität Trier und Wissenschaft- tät der Großregion, liche Leiterin des Kompetenzzentrums für das die Geschichte elektronische Erschließungs- und Publikationsver- des Mittelalters als fahren in den Geisteswissenschaften, ist mit dem Fundament der Euro- Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz aus- päischen Gemein- gezeichnet worden. Sie habe das Kompetenzzen- schaft betrachte. Wis- trum an der Universität Trier in den vergangenen senschaftler aus der zehn Jahren in die internationale Spitzenforschung Großregion machen geführt und zu einem bevorzugten Partner der deut- hier ihre Quellen und schen Akademien der Wissenschaften entwickelt, ihr Knowhow einer sagte Ministerpräsidentin bei der Ver- breiten Öffentlichkeit leihung. Elf Frauen und Männer wurden im De- zugänglich. zember im Festsaal der Staatskanzlei in Mainz aus- gezeichnet. Der Landesverdienst- orden würdige zudem Claudine Moulins Einsatz für die Großregion rei- Claudine Moulins che weit über den beruflichen Kernbereich hinaus: zahlreiche nationale Das Engagement erstrecke sich auf Forschungs- und internationale Foto: Reiner Voß/Bildergalerie rlp projekte mit der Universität Luxemburg und die Kontakte, mit denen Im Festsaal der Mainzer Staatskanzlei überreichte Mi- Gründung und Leitung der Forschungsstelle für sie die Forschung in nisterpräsidentin Malu Dreyer den Verdienstorden des Sprachen und Literaturen Luxemburgs an der Uni- der historischen Lin- Landes an Prof. Dr. Claudine Moulin (links). versität Trier. Darüber hinaus sei sie für den Dia- guistik des Deut- lektwörterbuchverbund verantwortlich, der viele schen und in den so Dialekte der Großregion erfasse, hieß es in der Be- genannten e-Humanities vorangetrieben habe. gründung weiter. Damit habe sie auch dem Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz in diesem Forschungsfeld inter- Hervorgehoben wurde ein Projekt über mittelalter- nationale Bedeutung verliehen. liche Archivalien in der Großregion unter Feder- Personen und Preise Prof. Günther Heinemann zum Vorsitzenden berufen Umweltmeteorologe leitet deutsche Abteilung des Komitees für Polarforschung

Das Präsidium der Deutschen For- Das deutsche National- Dschungsgemeinschaft hat Prof. Dr. Gün- komitee – zuvor Landes- ther Heinemann für drei Jahre zum Mit- ausschuss – plant und glied des Scientific Committee on Antartic koordiniert deutsche Research/International Arctic Science Commit- Hochschulforschung auf tee (SCAR/IASC) berufen. Darüber hinaus dem Gebiet der Polarfor- wurde der Professor für Umweltmeteorologie im schung in Kooperation Fachbereich VI der Universität Trier zum Vor- mit Alfred-Wegener-In- sitzenden des Nationalkomitees ernannt. SCAR stitut und betreffenden und IASC sind Organisationen, die wissen- Bundeseinrichtungen. schaftliche Forschung in der Antarktis initiieren, fördern und koordinieren. Weitere Informationen über die Organisationen: www. scar.org und www.iasc.info

49 Thomas Grotum leitet AG Geschichte und EDV Mitglieder wählten Trierer Historiker bei der Jahrestagung zum Vorsitzenden

r. Thomas Grotum, wissenschaftlicher DMitarbeiter des Fachs Geschichte an der Universität Trier mit einem Forschungs- schwerpunkt in der historisch-kulturwissen- schaftlichen Datenverarbeitung, ist auf der 20. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Ge- schichte und EDV (AGE) in Marburg zum Vor- sitzenden gewählt worden. Die 1993 als deut- sche Sektion der Internationalen Association for History and Computing (AHC) gegründete Ver- Zum 20-jährigen Bestehen legt die AGE in ihrer einigung hat sich die Förderung des kritisch-re- Schriftenreihe einen Sammelband vor, in dem flektierten EDV-Einsatzes in Forschung und Vereinsmitglieder sowohl eine Rückschau auf Lehre in den Geschichtswissenschaften zum Ziel die rasante Entwicklung der digitalen Ge- gesetzt. Ihr gehören derzeit etwa 100 Mitglieder schichtswissenschaft, die starken Auswirkungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an. auf die universitäre Lehre im Fach Geschichte Die AGE vereint erfahrene und jüngere Forscher als auch einen Ausblick auf Themen der histori- aus allen Teilgebieten der Geschichtswissen- schen Fachinformatik bieten (http://www.com- schaften sowie deren Nachbardisziplinen. Eines putus-druck.com/press/neuerscheinungen/20- ihrer Anliegen ist der intensive Erfahrungsaus- jahre-arbeitsgemeinschaft-geschichte-und-edv/). tausch, um die „Wiedererfindung des Rades“ zu vermeiden, die angesichts der immer kürzeren Weitere Informationen Abfolge neuer IT-Generationen in vielen Berei- chen zu beobachten ist. Thomas Grotum war be- www.age-net.de reits Anfang der 1990er Jahre aktiv an der Grün- → dung der AGE beteiligt.

Nachruf

Die Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Trier trauert um ihren ehemaligen Mitarbeiter

Dr. Gerhard Seidenstücker *25.05.1946 †04.01.2014

Mit tiefer Betroffenheit nehmen wir Abschied von Dr. Seidenstücker, der Anfang Januar 2014 Personen und Preise und Personen nach kurzer schwerer Krankheit verstarb. Mit seiner Leidenschaft und beeindruckenden Be- lesenheit spornte er Kollegen und Studierende stets aufs Neue zu Reflexion und Wissens- erweiterung an.

Wir werden das Andenken an Dr. Gerhard Seidenstücker stets in dankbarer Erinnerung behalten.

Die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung

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