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WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT Fachzeitschrift Des Sanitätsdienstes Der Bundeswehr Mitteilungen Der Deutschen Gesellschaft Für Wehrmedizin Und Wehrpharmazie E

WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT Fachzeitschrift Des Sanitätsdienstes Der Bundeswehr Mitteilungen Der Deutschen Gesellschaft Für Wehrmedizin Und Wehrpharmazie E

SANITÄTSDIENST

63. Jahrgang – Heft 8 – 1. August 2019

WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT Fachzeitschrift des Sanitätsdienstes der Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V.

Editorial Inhaltsverzeichnis Heft 8/63. Jahrgang – August 2019

Editorial Port M 257

Medizinischer ABC-Schutz Popp T, Siebenwirth C

Verehrte Leserinnen und Leser, 23. Medizinische A-Schutz-Tagung „ConRad 2019“ 258 diese Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift (WMM) Majewski M, Nestler K, Veit DA, Diekmeyer B, Waldeck S, Port M, Becker BV befasst sich in einem ersten Schwerpunkt mit dem „Medizini- schen A-Schutz“. Bereits in der Ausgabe 01/2019 wurde die Detection of incorporated radioactive shrapnels Entwicklung einer neuen genexpressionsbasierten Diagnostik- after the explosion of a Radiological Dispersal methode – ausgezeichnet mit dem Paul Schürmann-Preis 2018 Device in radiological emergency diagnostics 264 der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrphar- Abend M, Stricklin D, Flaig N, Port M mazie e. V. – vorgestellt, die sich zur Früherkennung der häma- Developing a CompRadRisk (CRRis) tologischen akuten Strahlenkrankheit eignet. Mit der bundesweit NATO App for improved risk communication einmaligen Kernkompetenz des Instituts für Radiobiologie der of radiation exposures – actual status – 266 Bundeswehr im Medizinischen A-Schutz als deutsche Ressour- ce im Response Assistance Network der internationalen Atom- Yan TT, Lin GY, Wang MJ, Lamkowski A, Port M, energiebehörde befasste sich eine weitere Arbeit. Rump A In diesem Jahr fand mit mehr als 200 teilnehmenden inter- Pharmacological treatment of inhalation nationalen Expertinnen und Experten zum 23. Mal die inter- injury after nuclear or radiological incidents: nationale Konferenz „ConRad – Global Conference on Radia- The Chinese and German approach 268 tion Topics – Preparedness, Response, Protection and Research” an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in Einsatz- und Katastrophenmedizin München statt, über die ausführlich berichtet wird. Ein Highlight Richter C, Markoff S der Tagung war die Sitzung „Living in contaminated areas“. Taktische Verwundeten-Versorgung und Erfahrungen und Forschungsergebnisse zu Menschen, die in evidenzbasierte Leitlinien – ein Spannungsfeld? 270 radioaktiv kontaminierten Gebieten leben, wurden aus erster Hand vorgestellt – über Umweltdaten, Forschungen zu Folge- Iversen MF, Veit C erkrankungen bis hin zur Diskussion soziopsychologischer Gewährleistung intensivmedizinischer Auswirkungen. Die „ConRad 2019“ repräsentierte – höchst Versorgungsqualität und –quantität in aktuell und relevant für den militärischen Bereich wie für die künftigen Einsatzszenarien durch nicht zivile Seite – den Stand der Forschung im medizinischen intensivmedizinisch spezialisiertes Personal 275 Strahlenunfallmanagement und Strahlenschutz sowie in der Strahlenbiologie/-physik und Strahlenmedizin. Sie leistet damit Digitalisierung einen unverzichtbaren, elementaren Beitrag für die internatio- Berger AS nale Forschungskooperation mit dem Ziel, Soldaten und Zivil- bevölkerung vor den Wirkungen nuklearer und radiobiologi- San-Netz – eine Leistungsbeurteilung: scher Gefahren zu schützen. Kurzanalyse der zentralen Netzwerk- Zwei Beiträge dieser Ausgabe der WMM diskutieren das ak- und Ausbildungsplattform für den tuelle Fähigkeitsspektrum des Sanitätsdienstes der Bundes- Sanitätsdienst der Bundeswehr 280 wehr in der Role-1 bzw. die Ausbildung der Einsatz-Ersthelfer Schneidereit L und geben Denkanstöße für die Weiterentwicklung der sani- Digitale Ausbildung: Woher - Wohin - Wie? 285 tätsdienstlichen Einsatzversorgung. Sie stehen dabei im Kon- text zum Workshop „Weiterentwicklung der Rettungskette“, Zahnmedizdin der vom 24.-27. Juni 2019 in Koblenz stattfand und über den ebenfalls berichtet wird. Rödiger J Mit Artikeln zum San-Netz und zur digitalen Ausbildungsunter- Zahnärztliche Chirurgie im Fokus 290 stützung wird erstmals dem Thema „Digitalisierung“ in der WMM eine eigene Rubrik gewidmet. Damit wird der auch durch Aus dem Sanitätsdienst 291 den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr immer Internationale Zusammenarbeit 294 wieder betonten Bedeutung der Digitalisierung für alle Prozes- Buchvorstellung 295 se der Gesundheitsversorgung Rechnung getragen werden. Mitteilungen der DGWMP e. V. 296 Ein Beitrag zum neuen Layout der WMM zeigt, dass auch diese Fachzeitschrift den Schritt in die Digitalisierung tun wird. Titelbild Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe. Personal des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr, München, trainiert die Suche nach Strahlenquellen auf der Canadian Force Ihr Base Suffield in Cypress County, Alberta. Das Sammeln eigener Prof. Dr. Matthias Port Erfahrungen in „kontaminierter“ Umgebung ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Versorgung von Strahlenopfern im Ernstfall. Leiter des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr, München (Bild: Bundeswehr/InstRadBioBw)

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„CONRAD 2019“ – KONGRESSBERICHT 23. Medizinische A-Schutz-Tagung „Preparedness, Response, Protection and Research“

Tanja Popp*, Christian Siebenwirth*

Zur 23. Medizinischen A-Schutz-Tagung, die vom 14. bis für die engagierte Arbeit dessen Teams, dem es zum 16. Mai 2019 an der Sanitätsakademie der Bundeswehr wiederholten Male gelungen sei, eine derart gut besuch- in München stattfand, hatten mehr als 200 Experten1 aus te und international hochkarätig besetzte Tagung zu or- 31 Nationen den Weg in die bayerische Landeshaupt- ganisieren. Im Anschluss übergab er das Rednerpult an stadt gefunden. Prof. Dr. Johann Wilhelm Weidringer, den Vorsitzen- Die „ConRad 2019“ (Global Conference on Radiation den der bayrischen Landesärztekammer. Dieser stellte Topics – Preparedness, Response, Protection and Re- bei seinem Grußwort die gute Verbindung zwischen der search), zu der wie in der Vergangenheit das Institut für bayrischen Ärztekammer und dem InstRadBioBw beson- Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) eingela- ders heraus – unterstrichen durch die Übergabe einer den hatte, fokussierte auf den internationalen, umfassen- Ehrennadel an Prof. Dr. Port. den zivilen wie militärischen Austausch im Bereich des Bei der Einführung in die Tagung gab Oberstarzt Prof. medizinischen radionuklearen Notfallschutzes. Dr. Port seiner Freude über die große internationale Re- Die Teilnehmenden konnten im Rahmen von 64 wissen- sonanz Ausdruck. Darüber hinaus begrüßte er ganz be- schaftlichen Vorträgen und 46 Posterpräsentationen so- sonders die an der Konferenz teilnehmenden Studieren- wie beim Konferenzdinner einen intensiven fachlichen den des internationalen Masterkurses „Radiation Biology“ Austausch pfl egen und wissenschaftliche Netzwerke der TU München: „Ihre Anwesenheit hier zeigt uns, dass auf- und ausbauen. Sie begierig darauf sind als neue Generation, unseren Fachbereich mit weiter zu entwickeln!“ Kongresseröffnung Mit dem Hinweis, dass die diesjährige Konferenz auch unter dem Motto „ConRad goes green“ stehe, bat er um Dr. Hans-Ulrich Holtherm, Direktor Wehr- Unterstützung für diese Initiative, indem er die Anwesen- medizinische Wissenschaft und Fähigkeitsentwicklung den aufforderte, den für die Tagung entworfenen wieder- Sanitätsdienst, hieß die Teilnehmer willkommen und verwendbaren Kaffeebecher zu den Pausen mitzubrin- dankte abschließend Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port gen, um Plastikmüll zu vermeiden. Abschließend wünschte er den Teilnehmenden eine spannende und * Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München erfolgreiche Tagung. Bei einer kurzen Pause vor Beginn 1 In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit z. T. auf des wissenschaftlichen Teils fanden sich die Teilnehmen- eine geschlechtsbezogene Formulierung verzichtet. Gemeint sind je- doch stets beide Geschlechter. den zum obligatorischen Gruppenfoto zusammen.

© Bundeswehr/Julia Langer

Unter strahlend weiß-blauem Himmel fanden sich die Teilnehmenden der ConRad 2019 im Innenhof der Sanitätsakademie zum Gruppenfoto ein.

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Key Session „Living in contaminated areas“ mit hoher Hintergrundstrahlung leben. Er betonte, dass bei der Interpretation von Studien, wie sie für Indien und Besonderes Augenmerk erhielt die Vortragsreihe zum China durchgeführt wurden, Vorsicht geboten sei, da Leben in kontaminierten Gebieten, was z. B. große Teile diese teils nur unzureichend charakterisiert seien. Ins- Weißrusslands (20 %) betrifft, die durch den Unfall in besondere indirekte Effekte, die beispielsweise durch Tschernobyl kontaminiert wurden. Dabei stellte Dr. Anne einen veränderten Lebensstil hervorgerufen werden, Nisbet (Großbritannien) die momentan von der Inter- müssen zukünftig durch geeignete Biomarker und mole- nationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) empfoh- kulargenetische Studien von den direkten Effekten der lenen Strahlenexpositionsreferenzwerte vor und be- Strahlung abgegrenzt werden, war die Quintessenz aus leuchtete deren Grundlage. Dr. Florian Gering dem Vortrag von Dr. Peter Scholz-Kreisel (Mainz). In (Oberschleißheim) zeigte, wie seine Arbeitsgruppe aus Bezug auf die psychosozialen Belange der betroffenen Strahlendosismessungen in der Umwelt individuelle Bevölkerung, zeigte der Reaktorunfall in Fukushima im Dosisabschätzungen und das damit verbundene Ge- Jahre 2011 auf, wie wichtig es ist, dass sowohl die Men- sundheitsrisiko berechnet. schen vor Ort als auch medizinische Fachkräfte und Be- Einen Überblick über die aktuelle Situation der Bevölke- hörden in die Entwicklung von lokalen Lösungen mitein- rung in Weißrussland und deren Bemühungen die Auf- bezogen werden (Prof. Shunichi Yamashita, Japan). nahme von Radionukliden aus den kontaminierten Böden Dabei gilt dieses nicht nur für die Akutphase. Auch im zu minimieren, gab Prof. Victor Averyn (Weißrussland). Anschluss ist die Risikokommunikation entscheidend, um Dr. Kasper Andersson (Dänemark) ergänzte dieses im Zuge der Gesundheitsüberwachung Unsicherheiten ideal mit seiner Zusammenfassung von Dekontamina- bei den Bürgern zu reduzieren und diese beim Umgang tionsmethoden von Böden und Häusern und deren mit den Konsequenzen eines radiobiologischen Unfalls Effektivität. Er zeigte auf, dass oft das Bewusstsein dafür, zu unterstützen (Christiane Pölzl-Viol, Oberschleiß- welche Methoden ihren Aufwand rechtfertigen, und wei- heim). tere Aufklärung gefördert werden müssen. In diesem Zu- sammenhang berichtete Dr. Thierry Schneider (Frank- Konferenzdinner reich) von den Projekten ETHOS und CORE, bei denen lokale Interessenvertreter in kontaminierten Gebieten Am Abend des ersten Kongresstages fand das traditio- einbezogen werden, um protektive Maßnahmen effektiv nelle Konferenzdinner statt. Als Ort war eine Lokalität in und nachhaltig umzusetzen. Abschließend wurde von Weihenstephan – seit 1040 bestehende älteste Brauerei Prof. Carmel Mothersill (Kanada) daran erinnert, dass der Welt – in Freising gewählt worden. Bei bayrischen neben dem Menschen auch die Natur von Strahlung be- Schmankerln wurde über die bereits gehörten Vorträge troffen ist und durch Exposition im Niederdosisbereich diskutiert und man hatte die Gelegenheit, sich mit Kolle- z. B. die biologische Vielfalt beeinfl usst werden kann. ginnen und Kollegen in geselliger Runde über Fachliches Prof. Hajo Zeeb (Bremen) berichtete über Studien zu auszutauschen. gesundheitlichen Risiken für Menschen, die in Gebieten Key Session 2: “Latest development in radiation preparedness” © Bundeswehr/Michael Abend

Die Thematik um die neuesten Entwicklungen in der Strahlennotfallvorsorge eröffnete den zweiten Tag. Dr. Adayabalam S. Balajee (USA) berichtete dabei von den Fortschritten beim Radiation Emergency Assistance Cen- ter/Training Site (REAC/TS), biodosimetrische Methoden zu automatisieren und z. B. durch Nutzung neuer biolo- gischer Endpunkte wie „Premature Chromosome Con- densation“ zu beschleunigen. Damit soll bei einem radio- logischen/nuklearen Ereignis die zu erwartend hohe Anzahl an Betroffenen (bis zu mehreren tausend) mög- lichst zeitnah auf ihre mögliche Strahlenexposition unter- sucht werden können. Dr. Nick Dainiak (USA) befasste sich daraufhin mit nötigen Wegen der Vernetzung von lokalen, nationalen und inter- nationalen Kompetenzen zur Gewährleistung von schnel- ler Triage, Transport und Behandlung von Verletzten. Das Leben in radioaktiv kontaminierten Regionen stand im Mittel- Der von Oberstarzt Prof. Michael Abend (München) punkt der ersten Key Session. vorgestellte Ansatz zur schnellen Triage überspringt die

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Dosisrekonstruktion und stuft über Genexpression direkt den Schweregrad des akuten Strahlensyndroms ein. Abend geht damit einen direkteren Weg als die bisheri- gen biodosimetrischen Ansätze. Ähnlich geht dabei Dr. Paul Okunieff (USA) vor, der jedoch zirkulierende zell- freie DNA (cfDNA) für die Vorhersage der gastrointesti- nalen Toxizität nutzt. Die bei diesen Methoden automa- tisch berücksichtigte Strahlensensitivität von Individuen kann vielleicht bald über die Messung der genetischen Instabilität oder DNA-Reparatur vorhergesagt werden (Prof. Christian Streffer, Essen). Auf dem Gebiet der medizinischen Gegenmaßnahmen bestätigt das schon als Radikalfänger bekannte Vitamin C seine positive Wirkung in Mäusen bei Einnahme vor und nach einer Ganzkörperbestrahlung (Dr. Manabu Kinoshita, Japan). Aber auch die neuen aus mesenchy- malen Stammzellen gewonnenen extrazellulären Vesikel stellen sich zur Linderung des hämatopoetischen Syn- droms (Priv.-Doz. Dr. Diane Riccobono, Frankreich) als erfolgsversprechend dar. Zur Unterstützung der Entscheidungsfi ndung ermöglicht eine neue Modellierungssoftware die Abschätzung der © Bundeswehr/Christian Siebenwirth Verbreitung von Radionukliden durch eine schmutzige Regionale biodosimetrische Netzwerke stellte Dr. Oestreicher vom Bombe in urbanem Umfeld mit einem minimalen Raster Bundesamt für Strahlenschutz in Oberschleißheim den Teilnehmen- von bis zu 5 m (Dr. Kathrin Folger, Oberschleißheim). den vor.

Strahlenschutz In diesem Teil der Session wurden aktuelle Erkenntnisse sich eine Diskussion zur Genauigkeit von biologischer und Erfahrungen auf dem Gebiet des Strahlenschutzes Dosisrekonstruktion nach einem kritischen Unfall mit ein- behandelt. Neben einem Erfahrungsbericht zu, um Ber- hergehender Neutronenexposition an (Éric Grégoire, lin auftretenden, mit I-125 gezinkten Spielkarten (Dr. Frankreich). Abschließend stellte Prof. Oleg Belyakov Emily A. Kroeger, Oberschleißheim) wurden regionale (Österreich) das neue Biodosimetrie/Radiobiologie Labor und internationale biodosimetrische Netzwerke mit ihren der IAEA vor, dessen Auftrag, neben der Validierung von Fähigkeiten (Dr. Ursula Oestreicher, Oberschleißheim) neuen Biomarkern und Techniken, die Harmonisierung und die Ergebnisse einer Genexpressionsstudie an mit von biodosimetrischen Anwendungen in der klinischen I-131 behandelten Neuroblastom-Patienten (Prof. Praxis ist. Matthew A. Coleman, USA) vorgestellt. Letztere erlaubt eine Einteilung der Patienten in die Gruppen 0 Gy und Medizinische Strahlennotfallvorsorge >2 Gy 72 h nach Bestrahlung. Abgeschlossen wurde der Die Vorträge zum letzten Tagesordnungspunkt „Medizi- Abschnitt mit der Vorstellung des Entwicklungstands nische Strahlennotfallvorsorge“ eröffnete Prof. William eines neuen Medikaments zur Behandlung des akuten F. Blakely (USA) mit einem Update zu den biodosimet- Strahlensyndroms (Dr. Maciej T. Czajkowski, Berlin) und rischen Aktivitäten des U.S. AFFRI (Armed Forces Ra- der Problematik der Einstufung des Strahlenrisikos mit diobiology Institut) zur Erhöhung des Durchsatzes an internationalen und nationalen Standards am Beispiel Probenanalysen. Prof. Ann Barry Flood (USA) verglich medizinischer Anwendungen in Russland (Dr. Vladimir die Effektivität verschiedener Biomarker bei Triage und Kasheev, Russland). der Entscheidung für die richtige medizinische Behand- lung. Auf dieser Grundlage wurde ein Vergleichsmodell Strahlenunfallmanagement der biodosimetrischen Methoden unter Einbeziehung Neue und teilweise schon im Feld getestete Werkzeuge ihrer Stärken, zeitlichen Aufwands, Opferzahlen und wei- wie SEED, einem handlichen Simulationsprogramm zur terer Einfl ussfaktoren entwickelt, das den Nutzen von Dosisrekonstruktion in der Umgebung eines Strahlen- spezifi schen Biomarkern kritischer Organe bei Triage unfalls (Dr. Fabrice Entine, Frankreich), oder Techniken besonders hervorhebt. zur schnellen Messung von ionisierender Strahlung mit- Als mögliche Methode zur organspezifi schen Dosisbe- tels unbemannter Kleinfl ugzeuge (Dr. Stefan Neumaier, stimmung stellte Prof. Harold M. Swartz (USA) die Braunschweig) bildeten den Schwerpunkt der Vorträge EPR-Methode (electron paramagnetic resonance) vor zum Thema Strahlenunfallmanagement. Daran schloss und präsentierte dazu Messungen an Finger- und Zehen-

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gen zur Identifi kation spezifi scher Biomarker berichtet. So konnten im Plasma von ganzkörper-bestrahlten Pa- tienten, die an Leukämie erkrankt waren, vielverspre- chende Kandidaten zur Verwendung als biologische Marker mittels Massenspektrometrie herausgefi ltert wer- den, die sich im Moment in der Validierung befi nden (Dr. Aleŝ Tichý, Tschechien). Veränderungen im Genex- pressionsmuster von Arbeitern, die bei der Absicherung der Atomruine in Tschernobyl tätig waren, konnte Prof. Dimitry Bazyka (Urkaine) nachweisen. In einem nicht- menschlichen Primatenmodell war eine miRNA-Signatur zu erkennen, die strahlungsspezifi sch induziert zu sein scheint und möglicherweise zukünftig auch als Prädik- tionsmarker eingesetzt werden kann (Prof. Vijay K. Singh, USA).

© Bundeswehr/Christian Siebenwirth

Prof. Blakely gab ein Update zu den Aktivitäten des U.S. ARRI auf dem Gebiet der Biodosimetrie.

nägeln. Dr. Paul Schofi eld (Großbritannien) stellte die Datenbank STORE als sichere Plattform zur Datenlage- rung und zum Datenaustausch, z. B. für biodosimetrische Daten innerhalb des RENEB-Konsortiums2 bei einem Notfallszenario vor. Der Verlauf einer akuten Strahlen- krankheit nach Ganzköperbestrahlung im Hasenmodell stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Isabel L. Jackson (USA). Dr. Vadim I. Krivokrysenko (USA) stellte als medizini- sches Gegenmittel für die akute Strahlenkrankheit einen TLR5-Agonisten vor, bevor Dr. David L. Bolduc (USA) © Bundeswehr/Christian Siebenwirth mit seinem Vortrag zu einem auf METROPOL basieren- den Kategorisierungsalgorithmus zur Triage des hämato- Prof. Singh referierte zu potenziellen strahlungsspezifi schen Prädik- tionsmarkern. poetischen akuten Strahlensyndroms am Pavianmodel den zweiten langen, aber hochinformativen, Konferenz- tag beendete. Die anschließende Vortragsreihe beschäftigte sich mit strahlenbedingten Erkrankungen. Dabei gab Dr. Omid Key Session 2: “Latest Azimzadeh (München) einen Überblick über 10 Jahre development in radiation preparedness” (Teil 2) Forschung an kardiovaskulären Erkrankungen nach Strahleneinwirkung. Er wies darauf hin zu bedenken, Gesundheitliche Folgen von Strahlung und medizi- dass die langjährige Forschung in diesem Bereich immer nische Gegenmaßnahmen wieder gezeigt habe, dass die Erkrankungen nicht immer Der letzte Tag der Konferenz begann mit Vorträgen zu durch die klassischen Paradigmen der Strahlenbiologie den neusten Forschungsergebnissen zu strahlenindu- erklärt werden können und daher die Suche nach neuen zierten gesundheitlichen Folgen und zum aktuellen Stand Markern noch intensiver zu verfolgen sei. Eine weitere der entsprechenden medizinischen Gegenmaßnahmen. häufi ge Folge von Bestrahlung stellt die Kataraktbildung Zunächst wurde über Erfolge im Rahmen der Bestrebun- dar. Neue Untersuchungen im Mausmodell zeigten, dass insbesondere jüngere Linsen von einer Eintrübung be- 2 RENEB = Realising the European Network of Biodosimetry troffen waren (Dr. Daniel Pawliczek, München), so dass

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gerade bei jungen Patienten eine engmaschige augen- deutlich, wie aufwändig und kostenintensiv die Räumung, ärztliche Untersuchung nach Strahlentherapie zu emp- Dekontamination und Wiederinbetriebnahme einer sol- fehlen ist. Die Sitzung wurde durch einen Beitrag zur chen Betriebsstätte ist. Im Anschluss berichtete Ober- verbesserten Detektion eines biochemischen Rückfalls Dr. Patrick Ostheim (München) über die Ent- des Prostatakarzinoms mittels 68Gallium-PSMA PET/CT wicklung einer neuen diagnostischen Methode zum abgerundet ( Dr. Manuela Hoffmann, Ko- Nachweis einer Radionuklidinkorporation. Hierbei wurde blenz). in Blutproben von Patienten, die bereits einer Bestrah- lung mit Ra-233 unterzogen wurden, mittels „Next Ge- Auswirkungen von Strahlung in niedrigen Dosen neration Sequencing“-Technologie nach veränderten Die darauffolgende Vortragsserie eröffnete Prof. Ravil Genexpressionsmustern gesucht. Erfolgversprechende M. Takhauov (Russland) mit einem Bericht zur Risiko- „Gen-Kandidaten“ zur Bestätigung einer Ra-223 Inkor- bewertung der Entwicklung einer Tumorerkrankung in poration werden derzeit validiert. einer Kohorte von Arbeitern eines sibirischen Kernkraft- Überdies sind Patienten heutzutage immer häufi ger wie- werkes. Dabei stellte man fest, dass Raucher einem si- derholt applizierten niedrigen Strahlendosen im Rahmen gnifi kant höheren Risiko ausgesetzt waren als Nicht-Rau- verschiedener diagnostischer Verfahren ausgesetzt. Da- cher. Im Anschluss folgte ein Vortrag über die innovative, her versucht man die Auswirkungen auf zellulärer Ebene hoch sensitive Möglichkeit der Unterscheidung von α- besser zu verstehen, indem spezifi sch strahleninduzier- und β-Strahlern mittels geometrischer Analyse der te Genexpressionssignaturen in peripheren Blutzellen DNA-Foci (Prof. Harry Scherthan, München). Prof. und Exosomen gesucht werden ( Dr. Sibylle I. Ziegler (München) schloss die Sitzung mit der Hanns Leonard Kaatsch, München). Neben der Bio- Vorstellung eines neu gestarteten Projekts, in dem mit dosimetrie ist auch die Medikamentenentwicklung ein Hilfe von molekularen Tracern Bereiche mit starker Pro- stark beforschtes Gebiet. Auf der Suche nach potenten liferation oder apoptotischer Aktivität dargestellt werden. Wirkstoffen konnte das Triterpenoid Bardoxolon mit anti- Das Verfahren soll zukünftig als nicht-invasive Methode oxidativer Wirkung als vielversprechendes Radioprotek- zur Dosisbestimmung beitragen. tivum identifi ziert werden (Stabsapotheker d. R. Corne- lius Hermann, München). Radiobiologie und Strahlungsphysik Die Vortragsreihe zur Strahlenbiologie und Strahlenphy- Postersession sik gab der überaus erfolgreichen Tagung einen würdigen Abschluss. Der eindrückliche Bericht einer Firma aus der Neben den Vortragssitzungen lud die Posterausstellung Altlasten- und Strahlenschutzbranche über einen indus- zum engeren wissenschaftlichen Austausch ein. Hier triellen Unfall mit einer Se-75 Quelle, bei dem es zur konnten auch die Studierenden des Masterstudienganges Kontamination von großen Teilen eines Gebäudekom- Radiobiologie der Technischen Universität München plexes kam, machte allen Teilnehmenden noch einmal (TUM) ihre Arbeiten vorstellen. Besonders für den Nach-

© Bundeswehr/Christian Siebenwirth © Bundeswehr/Tanja Popp

Prof. Ziegler trug zu Untersuchungen mit molekularen Tracern vor, Bardoxolon als ein vielversprechendes Radioprotektivum stand im mit deren Hilfe zukünftig nicht-invasive Dosisbestimmungen möglich Mittelpunkt des Vortrags von Stabsapotheker d. R. Herrmann. sein sollen.

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Auch bei der ConRad 2019 war die Posterausstellung eine wichtige Kommunikations- und Diskussionsplattform. Hier stellt Oberstabsarzt Dr. Becker die Er- gebnisse seiner Arbeiten zur De- tektion radioaktiver Metallsplitter im Gewebe mittels unterschiedli- cher bildgebender Verfahren vor. Das Poster wird als Kurzbeitrag in dieser Ausgabe vorgestellt.

© Bundeswehr/Julia Langer

wuchs war ConRad 2019 damit eine ausgezeichnete Ge- Interessent zum „Hands on“ und zur Diskussion nieder- legenheit, auch persönlich fachliche Kontakte in die „eta- ließ. blierte“ internationale Scientifi c Community zu knüpfen. Beispielhaft sind Extended Abstracts von 3 Postern, die Das Spektrum der dargebotenen wissenschaftlichen In- mit Beteiligung deutscher Autoren erstellt wurden, auf formationen reichte von der Qualitätssicherung bei Strah- den folgenden Seiten abgedruckt. lenmessgeräten über Genexpressionsmessungen nach Bestrahlungen mit hohem oder niedrigen linearen Ener- Verabschiedung und Ausblick gietransfer (Hoch- und Niedrig-LET-Bestrahlung), Mes- sungen von Translokationen bei französischen Militär- Zum Ende der Konferenz richtete Herr Oberstarzt Prof. angestellten bis hin zu der Vorstellung des österreichischen Dr. Port noch einmal das Wort an das Auditorium. Er medizinischen Notfallaktionsplans. Für eine willkomme- stellte heraus, dass auf dieser Konferenz wieder einmal ne Abwechslung sorgte dabei die lebendige Vorstellung mit höchster Aktualität und Relevanz für den militärischen eines selbstgebauten Strahlendetektors mit zugehörigen Bereich wie für die zivile Seite der Stand der Forschung Testquellen durch Prof. Dr. Henning von Philipsborn auf den Gebieten des medizinischen Strahlenunfallma- (Regensburg), an dessen Tisch sich der ein oder andere nagements und des Strahlenschutzes sowie aus den Bereichen Strahlenbiologie/-physik und Strahlenmedizin dargeboten wurde. Er konstatierte, dass Veranstaltungen wie die ConRad einen unverzichtbaren, elementaren Bei- trag für die internationale Kooperation der Forschung leisten, getragen von dem gemeinsamen Ziel, Soldaten und Zivilbevölkerung vor den Wirkungen nuklearer und radiobiologischer Gefahren zu schützen. In zwei Jahren wird mit der ConRad 2021 die 24. Medi- zinische A-Schutz-Tagung stattfi nden. Zu dieser lud Oberstarzt Prof. Dr. Port schon jetzt alle Anwesenden ein.

Die Abstracts der ConRad 2019 stehen auf den folgen- den URL zum Download zur Verfügung: • www. sanitätsdienst-bundeswehr.de (Menü: Service -> Wehrmedizinischen Monatsschrift) • www.wehrmed.de (Menü: Institute). © Bundeswehr/Julia Langer

Prof. Dr. Henning von Philipsborn (Regensburg, rechts im Bild) Für die Verfasser demonstrierte einen selbstgebauten Strahlendetektor – eine willkom- Oberregierungsrätin Dr. Tanja Popp mene Gelegenheit zum „Hands on“ und zur fachlichen Diskussion für Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München den einen oder anderen Konferenzteilnehmer. E.Mail: [email protected]

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”ConRad 2019“ – AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE Detection of incorporated radioactive shrapnels after the explosion of a Radiological Dispersal Device in radiological emergency diagnostics

Matthäus Majewski*, Kai Nestler#, Daniel A. Veit#, Birte Diekmeyer#, Stephan Waldeck#, Matthias Port*, Benjamin V. Becker*

Introduction Material and Methods

The threat of a terroristic attack with a Radiological Di- We placed two different Cs137 sources and several spersal Device is imminent and comes along with an non-radioactive fragments representing sham control immense challenge especially regarding medical treat- samples within a human spine phantom. Standard emer- ment of combined injuries with incorporated radioactive gency imaging procedures were performed including fragments [1,2,3]. In such scenarios the identifi cation and plane radiography and different CT scans (64 row, 384 surgical exploration of radioactive fragments is a row dual energy, 320 row w/o iterative metal artifact re- issue to prevent further radiation induced effects like duction), respectively. Eight radiologists were blinded wound healing disorders, onset of acute radiation syn- towards the results and asked to identify the radioactive drome, and as a late effect cancer [4,5]. However, in a fragments within the provided images. usual emergency setting it is unclear how this task can be achieved. Within this study we evaluated the feasibi- Results and Discussion lity of different radiological methods to identify and loca- te an incorporated radioactive fragment. For both sources correct identifi cation was rather low (15.63 %). Furthermore, none of the questioned radiolo-

*Bundeswehr Institute of Radiobiology affi liated to Ulm University, Munich gists (N = 0) stated that they were able to identify the #Bundeswehr Central Hospital, Koblenz radioactive shrapnel distinctly. Positive predictive value

Fig. 1: Depicted are Cs137 sources in axial orientation (arrow, A-D) and matching sham controls (E-H) scanned with different CT scanners and proto- cols, respectively. Cs137 source was placed in quadrant 4 and showed sham control in quadrant 5 (Setup 1).

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Fig. 2: Cs137 sealed in plastic in axial orientation (arrow/asterisk, A-D) and matching sham controls (E-H) scanned with different CT scanners and protocols, respec- tively. Cs137 source was placed in quadrant 4 and showed sham control in quadrant 1 (Setup 2).

was accordingly low (15.63 %). Asked whether they 3. Rump A, Becker BV, Eder S, Lamkowski A, Abend M, Port M: Medical management of victims contaminated with radionuclides after a “dirty would recommend another modality for the detection of bomb” attack. medical research 2018; 5(1): 27. radioactive fragments, most participants recommended scintigraphic techniques rather than CT or plain radio- 4. Jacobson LK, Johnson MB, Dedhia RD, Niknam-Bienia S, Wong AK: Impaired wound healing after radiation therapy: A systematic graphy (26.67 % vs. 6.67 %). Other modalities like ultra- review of pathogenesis and treatment. JPRAS Open [12]; 13: 92-105. sound or MRI were not considered to be feasible. Inte- restingly, discrimination of utilized radioactive shrapnel 5. Sokolnikov ME, Gilbert ES, Preston DL, et al.: Lung, liver and bone cancer mortality in Mayak workers. Int J cancer [Internet]. 2008 Aug within a SPECT scanner also failed (data not shown). 15 [cited 2018 Nov 12]; 123(4): 905-911.

Identifi cation and discrimination of incorporated radio- active fragments by standard radiological procedures prior to surgical exploration was not promising for the utilized setup within this study. Nevertheless, procedures Manuscript data which can achieve this aim are direly needed in the case Citation of a terroristic attack with a radiological dispersal device Majewski M, Nestler K, Veit DA, Diekmeyer B, Waldeck and should be available in an emergency department. S, Port M, Becker BV: Detection of incorporated radio- Therefore, concepts including identifi cation of incorpora- active shrapnels after the explosion of a Radiological ted radioactive material, e.g. a portal scanner for the Dispersal Device in radiological emergency diagnostics. primary assessment within an emergency department, WMM 2019; 63(8): 264-265. and a focused discrimination, e.g. by using a more spe- cialized device during a second assessment or surgery, For the Authors could be promising and should be further evaluated. Major (MC) Dr. Benjamin V. Becker Bundeswehr Central Hospital Koblenz References Department for Radiology and Neuroradiology

1. Kuna P, Hon Z, Patočka J: How Serious Is Threat of Radiological Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz Terrorism? Acta Medica (Hradec Kral Czech Republic) [Internet]. E-Mail: [email protected] 2009 [cited 2018 Nov 12]; 52(3): 85-89. 2. Shin H, Kim J: Development of realistic RDD scenarios and their ConRad 2019 poster presentation in Munich, radiological consequence analyses. Appl Radiat Isot [Internet]. 2009 May 13th to 16th, 2019 Jul 1 [cited 2018 Nov 12];67(7-8): 1516-1520.

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Developing a CompRadRisk (CRRis) NATO App for improved risk communication of radiation exposures – actual status –

Michael Abend§, Daniela Stricklin*, Nicole Flaig#, Matthias Port§

NATO STO The Group

The Human Factors and Medicine (HFM) Panel of the The NATO STO HFM 291 RTG on “Ionizing Radiation NATO Science and Technology Organization (STO) pro- Bioeffects and Countermeasures” represents a group of vides the science and technology base for optimizing scientist from military and civilian academic and scientifi c health, human protection, well being and performance of institutions working in the fi eld of radiobiology. Among the human in operational environments with considera- other tasks, the RTG intends to extend their work on risk tion of affordability. This is accomplished by exchange of estimation and communication to bridge the gap in ap- information, collaborative experiments and shared fi eld propriate judgement of radiation exposure health trials. risks. The group has no explicit psychological background, Starting in the early nineties several STO HFM research but an expertise in radiobiology and risk assessment. task Groups (RTG), workshops and symposia were fo- cusing on “Ionizing Radiation Bioeffects”. STO HFM 291 The task (general) RTG was predecessed by HFM 222 RTG; their report was published in April 2018 (see also www.sto.nato,int). The group believes that as one of the essential fi rst steps By implementing HFM 291 RTG the research in this fi eld in risk communication it is required to put radiation risk will be continued. into perspective. The group does not intend to pro- vide risk estimates based on radiation exposures. Radiation risk requires a weight in comparison to already known risks. What we envision is to convert/Compare * Headquarter Department of Energy, Washington DC, USA Radiation exposure Risks # Applied Research Associates, Inc., Virginia, USA (CompRadRisk, CRRis, § Bundeswehr Institute of Radiobiology affi liated to the University of Ulm, NATO App) with daily life risks such as cigarette smoking, Munich, driving a car, etc.

Fig. 1: Screenshots of the so called “RadioRisk” software.

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compares exposure estimates to other risks based on up-to-date guidelines (BEIR VII) and peer-reviewed re- search. However, risk equivalency examples are some- times questionable from a practical point of view and user must have a known pre-recorded value for their historical exposure, or a personal dosimeter (see Figure 1).

X-RayRisk ...... allows users to track their imaging history and estima- te their personal cancer risk based on BEIR VII, 2006. Additional comparison to other exposure groups (pilots) and risk of death from other sources such as driving are provided as a list, but a conversion of radiation exposure into these other sources of risk is not provided (see Fi- gure 2).

RadRat ...... represents a radiation risk assessment tool for lifetime cancer risk projection. Uses organ-specifi c dose estima- tes according to age at exposure and sex. Reported life- time risks are based on risk models from the 2006 report Fig. 2: Screenshots of the so called “X-RayRisk” © angiocalc LLC soft- of the National Academies of Sciences’ BEIR VII Com- ware (www.xrayrisk.com) mittee and models developed by the NCI.

Other approaches ...... to summarize and document exposures are also on CRRis – a draft the market (e.g. DoseMonitorTM, http://www.dosemoni- tor.com/, 2010; RadiationPassport, http://www.tidalpool. What is it for (purpose)? ca/radiationpassport/ 2018; GammaPix: Gamma Radia- CRRis ... tion Detector, http://gammapix.com; RadioactivityCoun- • ... is a fi rst step to communicate radiation risk, ter, www.hotray-info.de/html/radioa_ios.html. • ... converts dose into daily life risk equivalent (e.g. dri- ving car, smoking), The next step will be to .... • ... focuses primarily on LLR, but also looks at high doses (ARS), and ... develop a draft CRRis following the features shown • ... works as an interface to “Citizen Science. above and improving mitigation, ease-of-comparison features (“closer to home” and graphical presentations) CRRis customers will be as well as using easy understandable and clear phrases. • soldiers after occupational radiation exposure, • military decision makers, Manuscript data • all patients after medical diagnostic/therapeutic expo- sures, and Citation • civilians living in contaminated areas. Abend M, Stricklin D, Flaig N, Port M: Developing a CompRadRisk (CRRis) NATO App for improved risk What is it not for? communication of radiation exposures – actual status –. WMM 2019; 63(8): 266-267. CRRis will ... • ... provide no dose estimation, For the Authors • ... not estimate tumor risk estimation, and (MC) Prof. Dr. Michael Abend • ... not convert a scenario into a dose estimate. Bundeswehr Institute of Radiobiology affi liated to the University of Ulm What is already „on the market“: Neuherberg Str. 11, 80937 München the highlights in short E-Mail: [email protected]

RadioRisk Software ... ConRad 2019 poster presentation in Munich, ... provides a cumulative exposure comparisons from May 13th to 16th, 2019 different sources, quantifi es lifetime extra cancer risk and

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Pharmacological treatment of inhalation injury after nuclear or radiological incidents: The Chinese and German approach1

Tian-Tian Yan*, Guo-An Lin*, Min-Jie Wang*, Andreas Lamkowski#, Matthias Port#, Alexis Rump#

The complexity of fi re smoke 1. Administration of 100 %O2 2. Binding CN- and releaving the respiratory chain (Met- Inhalation injury is often associated with burns and signifi - Hb-forming agents or hydroxocobalamine for direct cantly increases morbidity and mortality. The composition binding) of fi re smoke is very complex and depends on the burning 3. Speeding up CN- metabolism (sodium thiosulfate) material, the availability of oxygen, the temperature and chemical reactions between the constituents. Moreover, fi re smoke composition varies over time. The main toxic components of fi re smoke are carbon monoxide, hydro- gen cyanide and irritants. In the case of an incident in a nuclear power plant or recycling facility associated with fi re, smoke may also contain radioactive material. Medical treatment may vary in different countries. We examined and compared the therapeutic approaches and the drugs/antidotes available and mainly used in treating inhalation injury victims in China and Germany. The treat- ment of burns or acute radiation sickness by external irradiation was not considered.

Smoke compounds Fig. 1: Action mechanisms of Met-Hb-forming agents and thiosulfate in cyanide intoxications Carbon monoxide (CO) CO is formed by incomplete oxidation of carbon. It has a Irritants high affi nity for hemoglobin and binds Hb 200-300 times Various combustion products may be produced with dif- stronger than O (Hb-O + CO -> Hb-CO + O Hb-CO 2 2 2). fering penetration capacities depending mainly on solu- cannot bind and transport O . The O transport capacity 2 2 bility, but also on their concentration. of blood is reduced leading to cellular asphyxia. By dissolving in water, these products form corrosive acids or alkalis that will damage the cell linings of the airway. Therapy Immediate supply of O and speeding up the elimination 2 Therapy of Hb-CO is essential (administration of 100 % O at am- 2 Therapy of airway irritations by smoke compounds is bient pressure, 1 bar, 760 mmHg). If available, hyperbar- conducted symptomaticaly: ic oxygenation can be conducted. • Inhalative or systemic steroids are not used systemat- Hydrogen cyanide (HCN) icaly for the prevention of toxic lung edema (negative HCN is formed by combustion of nitrogen-containing effect on the outcome in burn patients) coumpounds. CN- inhibits the mitochondrial respiratory • Steroids may however be given e.g. in case of larynge- chain leading to cellular asphyxia. al edema, bronchospasm, etc.

Therapy • Fiberoptic diagnosis of airway injury at hospital admis- Therapy of CN- intoxication consists of 3 components sion and bronchial hygiene (at the same time removal (see fi gure 1): of radioactive particulates) may be required.

1For full article see: • Respiratory support is given as needed: Oxygen, inva- Yan TT et al.: Pharmacological treatment of inhalation injury after nuclear sive or non-invasive ventilation. or radiological incidents: The Chinese and Germanapproach. MildMed- Res 2019 Mar 31; 36(1): 10. (DOI: 10.1186/s40779-019-0200-2) • Adjunct drug therapy as used for respiratory insuffi cien- * Military Burn Center, 159th (990th) Hospital of the People’s Liberation Army, Zhumadian, China cy (e.g. antibiotics in case of infections, etc.) may be # Bundeswehr Institute of Radiobiology affi liated to Ulm University, Munich required.

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Radionuclide(s) The incorporated nuclides depend on the facility dam- aged and/or the kind of accident. In most cases the ra- diological dose by radionuclide incorporation is not suit- ed to cause an acute radiation sickness, but long term stochastic health effects must be expected. Therapy Goal of each therapy is the decorporation of the radio- nuclide(s). Effi cacy decreases if treatment initiation is delayed.

The time slot for a highly effi cacious decorporation treat- ment depends on the nuclide, the physicho-chemical Fig. 3: Treatment priorities are the same in China as in Germany. properties of the compounds involved and the invasion pathway and lies in a range of hours to several days (see fi gure 2). Treatment in China and Germany

„Treat fi rst, what kills fi rst“ is the principle of each therapy. Treatment priorities depending on the onset time of toxic effects of different smoke compounds are shown in fi g- ure 3.

Conclusion

General therapeutic strategies for treatment of victims from inhalation injury are very similar in China and Germany. The choice of antidotes for the treatment of cyanide in- toxication shows the main differences: DMAP as methe- moglobin-generating compound in Germany vs. sodium nitrite in China and no use of hydroxocobalamine in China (Table 1). Fig. 2: Effi cacy of decorporation treatment is depending on the time from incorporation to treatment. In case of a contamination of fi re smoke with radionu- clide(s), dosage of Ca(DTPA) for decorporation treatment Table 1: Antidotes used in China and Germany against toxic com- pounds of fi re smoke including radioactivity in China is lower (Germany: 1 g/day; China: initially 0.1- 0.5 g/day followed by 0.1 g/day). Poison Antidotes

Manuscript data Citation 100 % O2 100 % O2 Yan TT, Lin GY, Wang MJ, Lamkowski A, Port M, Rump Carbon Hyperbaric oxyge- Hyperbaric oxyge- A: Pharmacological treatment of inhalation injury after monoxide nation (if possible) nation (if possible) nuclear or radiological incidents: The Chinese and Ger- Dimethylamino- man approach. WMM 2019; 63(8): 268-269. Sodium nitrite phenol / Hydroxo- Cyanide Sodium thiosulfate cobalamine For the authors Sodium thiosulfate (MC) Asst. Prof. Dr. Alexis Rump No systematic ste- No systematic ste- Bundeswehr Institute of Radiobiology affi liated to the Irritans roid administration roid administration University of Ulm Neuherberg Str. 11, 80937 München Stable iodine Stable iodine E-Mail: [email protected] Radionu- Ca(DTPA) (lower Ca(DTPA) cilde(s) dosage) Prussian Blue ConRad 2019 poster presentation in Munich, Prussian Blue May 13th to 16th, 2019

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AUSBILDUNG ZUM „COMBAT FIRST RESPONDER“ Taktische Verwundeten-Versorgung und evidenzbasierte Leitlinien – ein Spannungsfeld?

Clemens Richter*, Stefan Markoff#

Zusammenfassung Versorgungsstrategien einfach kombinieren lassen und welche Konfl ikte dabei auftreten könnten, soll anhand Im Rahmen der zunehmenden terroristischen Bedro- von einigen ausgewählten Beispielen in diesem Beitrag hungen im In- und Ausland werden Mitarbeiter unter- betrachtet werden. schiedlichster Behörden in die Lage versetzt, lebens- rettende Maßnahmen unter zeitkritischen, zum Teil Hintergrund lebensbedrohlichen Bedingungen, durchführen zu müssen. Einige Soldaten der Bundeswehr sind in der besonderen Die Ausbildungsinhalte und rechtlichen Rahmenbedin- Situation, sowohl zum Notfallsanitäter als auch auf dem gungen ziviler Rettungsdienstmitarbeiter unterscheiden Gebiet der Taktischen Verwundeten-Versorgung (TVV) sich teilweise erheblich von denen der taktischen Ret- ausgebildet worden zu sein. Beide Versorgungsstrate- ter, obwohl die trainierten Pathophysiologien (Schuss-, gien basieren auf Leitlinien, welche von Fachgesellschaf- Stich- Sprengverletzungen) sehr ähnlich sind. Während ten herausgegeben wurden. Im Bereich des deutschen die Ausbildung des hauptamtlichen Rettungsdienstper- Rettungsdienstsystems ist die federführend von der sonals in sehr klare rechtliche und inhaltliche Vorgaben Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU) gefasst ist, existieren diese für den Bereich der tak- herausgegebene S3 Polytraumaleitlinie, die auf dem tischen Medizin nur bedingt. Konsens von mehr als 20 Fachgesellschaften beruht, Ein Vergleich beider „Ausbildungssysteme“ zeigt unter- neben den Leitlinien des European Resuscitation Council schiedliche, zum Teil gegensätzliche Empfehlungen, (ERC) eines der bekanntesten Beispiele. die für den Notfallpatienten unter Umständen fatale Folgen haben können. Der Herausgeber der TVV Leitlinien in Deutschland ist die Tactical Rescue & Emergency Medicine Assoociation Schlüsselwörter: Taktische Verwundeten-Versorgung, e. V. (TREMA). Deren Leitlinien basieren im Wesent- TREMA, CoTCCC, Chestseal lichen auf den TCCC Leitlinien des Committee of Tactical Keywords: tactical combat casualty care, TREMA, Combat Casualty Care (CoTCCC) [12]. CoTCCC, chestseal

Die TCCC-Leitlinien unterscheiden zwischen den Phasen „care under fi re“ (Versorgung unter Beschuss), „tactical Einleitung fi eld care“ (Versorgung in teil sicherem Bereich) und „tactical evacuation care“ (Versorgung während des „Expertise Transfer from Military Medical Service“ fordert Transports). Die Phase „care under fi re“ besteht so lange, Professor Carli im Jahre 2017 in einem Lancet-Artikel, wie Helfer bzw. Patienten unmittelbar gefährdet sind. im Nachgang zu den Terroranschlägen von Paris [3]. Unter Beschuss erfolgt keine umfassende notfallmedizi- nische Versorgung; hier liegt der Fokus auf dem Gewin- Diese Forderung wird auf der Webseite der Arbeitsge- nen der Feuerüberlegenheit und der Rettung in eine meinschaft (AG) „Taktische Medizin“, der Deutschen Ge- sichere Deckung. Lediglich einfache, schnell durchzu- sellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) führende Maßnahmen zur Kontrolle lebensbedrohlicher zitiert und macht, neben der grundsätzlichen Existenz Blutungen (z. B. Anlage eines Tourniquets) oder zur Ver- dieser AG deutlich, dass die Versorgungsstrategien kri- meidung einer Atemwegsverlegung (z. B. Seitenlage) tisch kranker Patienten – in den Bereichen der Taktischen haben ihre Berechtigung. Verwundeten-Versorgung und des zivilen Rettungsdiens- tes – versuchen, sich immer mehr anzunähern und von- Sobald eine Deckung erreicht wird, in der eine Bedro- einander zu lernen [1]. Die Frage, ob sich diese beiden hung nicht mehr unmittelbar gegeben ist, geht die Ver- sorgung in die Phase „tactical fi eld care“ über. Den Be- * Ärztlicher Dienst der Bundesdienststellen, Berlin # Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- sonderheiten der Überwachung und Behandlung medizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin während des Transports von Patienten trägt die Leitlinie

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mit den Vorgaben zur Phase „tactical evacuation care“ Leitlinien zugrunde gelegt werden, ein hochgradiges Rechnung [8]. Spannungsfeld für die Trainingsteilnehmer ergeben. An zwei Beispielen soll dieses verdeutlicht werden: Unterschiedliche Anforderungen Bei genauerer Betrachtung der Rahmenbedingungen Atemwegsmanagement (gesetzliche Grundlage, Ausbildungsformat und Kompe- Die Abbildungen 1 und 2 zeigen das Vorgehen beim tenzen) fallen bereits erhebliche Unterschiede zwischen Atemwegsmanagement entsprechend der in Deutsch- zivilen und taktischen Anforderungen an das tätige Per- land gültigen S3-Leitlinie der DGAI für den Rettungs- sonal auf. dienst und der TREMA-Leitlinie. Beide empfehlen zum überwiegenden Teil ähnliche Maßnahmen und Eskala- In Deutschland ist mit dem Notfallsanitätergesetz vom tionsstufen, teilweise allerdings in verschiedener Reihen- Mai 2013 klar geregelt, dass nach einer Vollzeitausbil- folge und mit der Ausnahme der Maskenbeatmung, die dung von 3 Jahren ein Notfallsanitäter u. a. invasive und in den Leitlinien der TREMA keine Rolle spielt. Bei beiden damit ansonsten grundsätzlich ärztliche Maßnahmen Vorgehensweisen werden u. a. hochinvasive Maßnah- durchführen sowie bestimmte Medikamente verabrei- men wie die endotracheale Intubation und die Koniotomie chen darf, um eine Verschlechterung der Situation des zur Atemwegssicherung empfohlen. Patienten zu verhindern [2]. Dazu gehören u. a. das An- legen eines i.v./i.o. Zugangs, die Anwendung extraglotti- Wie bereits beschrieben, basieren die TREMA-Leitlinien scher Atemwegshilfen, die Thoraxpunktion und die Ver- auf den Leitlinien des CoTCCC, dennoch weichen sie im abreichung von Ketaminen und Opiaten unter Punkt Atemwegsmanagement von den TCCC Leitlinien bestimmten Bedingungen. Der „Ärztliche Leiter Rettungs- ab. TCCC empfi ehlt folgende Maßnahmen [7]: dienst“ trägt dabei die Verantwortung der Qualitäts- kontrolle und legt den genauen Rahmen des Maßnah- • Kopf überstrecken, menkataloges fest. • Kinn anheben, • Nasopharyngealtubus, Sowohl die Bundeswehr als auch einige deutsche Be- • extraglottische Atemwegshilfe, hörden und Spezialkräfte bilden Personal nach den Leit- • Koniotomie. linien der TREMA und des CoTCCC aus. Es gibt dabei zahlreiche Ausbildungsformate, deren Umfang von we- Die Leitlinien der TREMA (Abbildung 1) empfehlen bei nigen Tagen, z. B. TCCC-MP (Tactical Combat Casualty einem bewusstlosen Patienten mit Mittelgesichts- oder Care for Medical Personnel), bis hin zu mehreren Atemwegstrauma folgende Maßnahmen [12]: Wochen, z. B. beim Combat First Responder (CFR) Bravo oder Ersthelfer Bravo Bundeswehr, reicht. Ein kla- • stabile Seitenlage, rer Zusammenhang zwischen Ausbildungsumfang und • Intubation (Narkose), den empfohlenen Maßnahmen wird von Seiten der • Koniotomie, TREMA nicht formuliert. Ein CFR Bravo der Bundeswehr • supraglottische Atemwegshilfe. darf beispielsweise nach einer dreiwöchigen Ausbildung dieselben Maßnahmen wie ein Notfallsanitäter durch- Zusammenfassend weicht die Empfehlung der TREMA führen, wobei zusätzlich die Koniotomie und das Legen im Punkt Atemwegsmanagement also nicht nur von der einer Thoraxdrainage Bestandteile der Ausbildung sind. Empfehlung der DGAI/ Polytraumaleitlinie (Abbildung 2) ab, sondern auch von der ihr zugrunde liegenden TCCC In einigen deutschen Behörden werden die Mitarbeiter Leitlinie. in Krisenregionen alle zwei Jahre für eine Woche ent- sprechend der TREMA-Leitlinien ausgebildet. Inhalte des Offene Thoraxverletzungen Grund- und Aufbaulehrgangs sind neben den Basismaß- Die Empfehlungen zur Versorgung offener Thoraxverlet- nahmen u. a. i.v./i.o. Zugang die Entlastungspunktion und zungen unterscheiden sich erheblich voneinander. TCCC die Koniotomie. Laut Fußnote 1 der TREMA-Leitlinien und TREMA empfehlen u. a. einen sofortigen luftdichten erfolgt die Durchführung der empfohlenen Maßnahmen Verschluss einer offenen Thoraxverletzung mit Hilfe eines in eigener Verantwortung und in Abhängigkeit der er- Okklusionsverbandes (Chestseal). Falls möglich, soll ein lernten und beherrschten Fähigkeiten [12]. ventiliertes Chestseal verwendet werden. Ist dies nicht zur Hand, wird ein nicht ventiliertes Chestseal empfohlen Spannungsfeld Leitlinie(n) [7, 12]. Im Falle eines sich aufbauenden Spannungspneu- mothorax und unter der Voraussetzung, der Anwender Bei der Ausbildung auf dem Gebiet der Taktischen Ver- erkennt diesen, werden die Entfernung des Chestseals wundeten-Versorgung kann sich aus den teilweise unter- und eine Entlastungspunktion empfohlen – wobei erwähnt schiedlichen Vorgehensweisen, die in verschiedenen sei, dass in den Polytraumaleitlinien die Misserfolgsrate

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Abb 1.: Algorithmus zum Atemwegsmanagement Verwundeter gem. Leitlinien der TREMA [12, S. 7]

der Entlastungspunktion mit bis zu 58 % angegeben wird militärischen Medizin“ ohne entsprechende Qualitäts- [5]. Vor diesem Hintergrund stellt sich uns die Frage, ob kontrollen in den zivilen Rettungsdienst integriert wird. die Anwendung eines Chestseals die potenziell lebens- Es bleibt unbestritten, dass im Einzelfall Soldaten und bedrohlichen Komplikationen rechtfertigt. Angehörige bestimmter Behörden in Bereichen ihren Auf- trag erfüllen, in denen kurz- und mittelfristig keine klini- Die Leitlinien des ERC weisen ausdrücklich darauf hin, sche oder ärztliche Versorgung erreichbar ist. Unstrittig dass eine offene Thoraxverletzung keinesfalls luftdicht ist dabei, dass die Ersthelfer, welche in o.g. Gebieten verschlossen werden darf, aufgrund der lebensbedroh- eingesetzt sind, speziell auch unter taktischen Gesichts- lichen Komplikation eines Spannungspneumothorax [6]. punkten ausgebildet werden müssen. Was allerdings Die empfohlene Vorgehensweise ist, wie auch in den kritisch hinterfragt werden sollte, ist die Tatsache, dass WHO Leitlinien [9] und im ATLS-Ausbildungsformat [10], der Zustand des Patienten durch die Komplikation einer ein nicht luftdicht verschließender Dreiseitenverband mit durchgeführten Maßnahme unter Umständen erheblich einer nicht klebenden Wundaufl age oder zumindest ein verschlechtert und er sogar in Lebensgefahr gebracht steriles Abdecken. werden könnte.

Folgerungen Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn eine offene Tho- raxverletzung entsprechend der TREMA-Leitlinien mit In der Zusammenschau der vorgestellten Fakten erge- einem Chestseal abgeklebt wird und der Patient darauf- ben sich aus Sicht der Autoren durchaus potenziell hin einen Spannungspneumothorax entwickelt, welcher hochgradige Spannungsfelder, wenn die „Expertise der vom Ersthelfer nicht erkannt wird oder bei dem die Ent-

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Abb. 2: Algorithmus zum prähospitalen Atemwegsmanagement gem. S1 Leitlinie der DGAI [4, S. 71]

lastungspunktion nicht erfolgreich ist. Ein anderes Bei- Ausbildung, Erfahrung und Übung, Maßnahmen in einer spiel ist die aufgrund mangelnder Erfahrung, Übung und Leitlinie empfohlen bekommt. Ziel ist es in jedem Fall, Ausbildung falsch gestellte Indikation zur Koniotomie dem Patienten auch tatsächlich zu helfen und nicht zu- oder Intubation, was den Patienten potenziell lebens- sätzlich durch inadäquat durchgeführte Maßnahmen in bedrohlichen Komplikationen (Blutung, Fehlintubationen, Gefahr zu bringen. Das gilt vor allem dann, wenn in der Laryngospasmus) aussetzt kurzen Ausbildungszeit das Training der Basismaßnah- Selbstverständlich bestehen diese Gefahren sowohl in men (z. B. Blutstillung) aufgrund der Vermittlung invasiver der TVV als auch im zivilen Rettungsdienst. Die Anfor- Maßnahmen zu kurz kommt. derungsprofi le an die Durchführenden sind jedoch qua- litativ unterschiedlich. So ist die Forderung im zivilen Ein weiteres Spannungsfeld auf diesem Gebiet besteht Rettungsdienst, dass der dreijährig ausgebildete Notfall- in der Frage, warum in der Taktischen Medizin überhaupt sanitäter unter den Vorgaben eines „Ärztlichen Leiters von den zivilen Leitlinien und Rahmenbedingungen ab- Rettungsdienst“ bestimmte Maßnahmen durchführt. gewichen wird. Im Ergebnis bekommt ein Soldat der Hiervon divergieren die Anforderungen an den „takti- Bundeswehr in einem 3 Wochen dauernden Lehrgang schen Retter“, der alle 2 Jahre für 1 - 3 Wochen trainiert quasi dieselben und sogar noch weitere hochinvasiven wird und im Anschluss dann eigenverantwortlich ent- Maßnahmen vermittelt, wie ein Notfallsanitäter während scheidet, welche Maßnahmen er sich zutraut und der einer 3-jährigen Ausbildung. diese dann in der Konsequenz auch durchführt. Hier muss kritisch hinterfragt werden, in welchem Um- Im Internetauftritt der TREMA wird explizit daraufhin ge- fang ein „taktischer“ Ersthelfer, in Abhängigkeit seiner wiesen, dass das korrekte Abarbeiten ziviler Algorithmen

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zu einer Verschlechterung des Zustands des Patienten Literatur und der eigenen Lage führen kann [11]. Aus Sicht der Autoren muss diese Aussage sehr differenziert betrach- 1. Arbeitsgruppe Taktische Medizin – Wissenschaftliche Arbeitskreis Notfallmedizin der DGAI: Arbeitsgruppe Taktische Medizin. ; letzter gen zu erleichtern und zu beschleunigen sowie Abläufe Aufruf 12. Juni 2019. zu standardisieren, um limitierte Ressourcen sinnvoll 2. Bundesministerium Bundesamt der Justiz und für Verbraucher- einzusetzen. Nicht das korrekte Abarbeiten eines Algo- schutz: Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Not- rithmus verschlechtert die Situation, sondern möglicher- fallsanitäters (Notfallsanitätergesetz – NotSanG) vom 22. Mai 2013. ; letzter Aufruf 13. März 2019. krete Indikation hierfür. 3. Carli P et. al.: The French surgical services after the Paris and Nice terrorist attacks: what have we learnt? The Lancet 2017; 390: 2735 Es ist unstrittig, dass in taktischen und Gefechtssituatio- - 2738. nen bestimmte Algorithmen nicht komplett und sofort 4. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: abgearbeitet werden können und die Maßnahmen an die AWMF-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“, Stand: jeweilige Situation und Bedrohung angepasst werden 26. Februar 2019. ; letzter Aufruf 11. Juni 2019. kein Grund dafür sein, komplett neue Algorithmen aufzu- 5. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie:. S3-Leitlinie Polytrau- stellen, um sich mutmaßlich von der zivilen Rettungs- ma / Schwerverletzten – Behandlung, Stand 1. Juli 2016. ; letzter Aufruf 1. März logie des traumatisierten Körpers in einer taktischen 2019. Situation nicht von der in anderen Situationen unter- 6. European Resuscitation Council (ERC): Guidelines for Resuscitation scheidet. 2015 Section 9. First Aid. ; letzter Aufruf 12. Juni 2019.

Die Autoren möchten an dieser Stelle ausdrücklich allen 7. National Association of Emergency Medical Technicians (NAEMT): taktischen Ersthelfern danken, die mit ihrem Wissen und TCCC Guidelines for Medical Personnel, Stand: 1. August 2018. ihren Kompetenzen verantwortungsvoll umgehen. ; letzter Aufruf 1. März 2019. Kernaussagen 8. Neitzel C: Versorgung von Notfallpatienten in Bedrohungslagen. Notfall Rettungsmed. 2018; 21: 560 - 567.

9. Reynolds T, Roddie N, Tenner A, Geduld H [editors]: Breathing Die Vorbereitung auf Einsatzszenarien, in denen Skill Station: Management of open Pneumothorax (Sucking Chest eine zeitgerechte sanitätsdienstliche Versorgung Wound). World Health Organisation and the International Commit- nicht immer sichergestellt werden kann, erfordert tee of the Red Cross. Basic Emergency Care. 2018, : S. 157; letzter Aufruf 12. Juni 2019. dung von taktischen Ersthelfern. 10. S. Schulz-Drost S. T. Hauer T, P. Mörsdorf P, G. Matthes G: Thorax: B-Problem, in Flohé et al. [Hrsg] Schwerverletztenversorgung; Georg Thieme Verlag KG 2018: 84. Es existieren verschiedene Ausbildungsformate im Bereich der taktischen Notfallmedizin, die teilweise 11. TREMA e. V. Startseite. ; letzter Auf- ruf 12. Juni 2019. unterschiedliche Algorithmen vermitteln und deren Leitlinien von denen der zivilen Rettungsmedizin 12. TREMA e. V.: Leitlinien der TREMA e. V. für Taktische Verwundeten Versorgung Version 3.0 von Oktober 2018.

Es sollte kritisch hinterfragt werden, ob es im Rah- Manuskriptdaten men der oftmals sehr begrenzten Ausbildungszeit Zitierweise sinnvoll ist, Maßnahmen zu empfehlen und zu trai- Richter R, Markoff S: Taktische Verwundeten-Versor- nieren, durch die der Zustand des Patienten poten- gung und evidenzbasierte Leitlinien – ein Spannungs- ziell verschlechtert werden kann. feld? WMM 2019; 63(8): 270-274.

Die Notwendigkeit, für die taktische Notfallmedi- Für die Verfasser zin neue und von S3-Leitlinien (höchstes Niveau Oberstabsarzt Clemens Richter eines wissenschaftlichen Konsensus) abweichen- Ärztlicher Dienst der Bundesdienststellen de Empfehlungen aufzustellen, sollte ebenfalls dif- Ida-von-Arnim-Str. 3 - 5, 10115 Berlin ferenziert betrachtet werden. E-Mail: [email protected]

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FORWARD COMBAT CRITICAL CARE Gewährleistung intensivmedizinischer Versorgungsqualität und -quantität in künftigen Einsatzszenarien durch nicht intensivmedizinisch spezialisiertes Personal1

Maja Florentine Iversen*, Carsten Veit*

Zusammenfassung Einleitung Das initiale Überleben schwerst verwundeter Patienten Die sanitätsdienstliche Versorgung im Einsatz ist durch in militärischen Konfl ikten ist in den letzten 20 Jahren, den Grundsatz geprägt, dass die präklinische Behand- insbesondere durch konsequent verbesserte präklini- lung, der qualifi zierte Patiententransport und die akute sche Blutungskontrolle und Verkürzung der Transport- innerklinische Versorgung, ergebnisgleich zu einer in- zeiten bis zur ersten klinischen Versorgung, erheblich ländischen, nicht-einsatz assoziierten Behandlung, füh- wahrscheinlicher geworden. Die initiale Überlebensrate ren soll. Dabei sind die etablierten Versorgungsstufen konnte von 2-8 % auf mehr als 40 % gesteigert werden. (Role 1-4) entsprechend des medizinisch-zeitlichen Fort- gangs der Patientenbehandlung gestaffelt [7]. 1 Dies resultiert in einer deutlich höheren Anzahl von chirurgisch zu versorgenden Patienten. Deren Behand- Gleichzeitig konnten in den letzten 20 Jahren durch die lung erfordert damit auch eine größere Kapazität für die Etablierung und konsequente Anwendung der Tactical intensivmedizinische Versorgung. Dadurch kann sich Combat Casualty Care (TCCC) Grundsätze im prähos- der spezialisierte Intensivmediziner in dieser Phase als pitalen Setting, die Zahlen der vermeidbaren Todesfälle Mangelressource erweisen. vor Erreichen einer weiterführenden Versorgungseinheit signifi kant gesenkt werden [2]. Die dadurch ganz erheb- In Abhängigkeit von den Transportmöglichkeiten in eine lich reduzierten Mortalitätszahlen zeigen, dass schwer- Role 2-Einrichtung muss damit gerechnet werden, dass verletzte Patienten nicht mehr vor Erreichen einer ersten das medizinisch komplexe Patientenklientel der post- oder auch weiterführenden (prä)klinischen Versorgung akut Phase ggf. länger in einer Role 1-Behandlungs- versterben. Dieses impliziert allerdings auch die Notwen- einrichtung verbleiben muss. Das hier eingesetzte Per- digkeit, sich im weiteren Verlauf vor Ort bereits auf der sonal (SanStOffz Arzt Rettungsmedizin/Notfallsanitäter/ Behandlungsebene 1 mit komplexen und intensivmedi- Rettungsassistenten) verfügt i.d. R. nicht über eine zinisch anspruchsvollen Krankheitsszenarien auseinan- Ausbildung zum Intensivmediziner. derzusetzen, um den im Rahmen der Rettung und ersten notfallmedizinischen Behandlung erzielten initialen Erfolg Deshalb wird in diesem Beitrag vorgestellt, wie mittels aufrechterhalten zu können [9]. vereinfachter pragmatischer Behandlungsbündel und durch ein entsprechendes Schulungskonzept auch der In diesem Zusammenhang muss von einem potenziell medizinische „Generalist“ befähigt werden kann, die deutlich längeren Verbleib der erstversorgten schwer initiale Versorgungsqualität, auch bei prolongierter Be- verwundeten Patienten/Soldaten auf der Behandlungs- handlung in einer Role 1-Einrichtung, aufrecht zu er- ebene 1 ausgegangen werden [10]. Frühere Einsätze halten und so das Überleben der Patienten zu sichern. haben dabei gezeigt, dass bei eingeschränkten Trans- Ziel eines hierzu konzipierten Ausbildungscurriculums portmöglichkeiten (z. B. Lufttransportbeschränkungen ist es, kurz bis mittelfristig Allgemein- und Rettungs- wegen Wetter oder Luftlage) oder raschen Ver ände- mediziner zur Durchführung vorübergehend notwendi- rungen im medizinischen Zustand des Patienten ein ger Intensivtherapie zu befähigen. Der Start eines der- zügiges Verbringen in die nächsthöhere Kompetenz- artigen Trainings ist für das erste Quartal 2020 am und Versorgungsstufe (Role 2 oder 3) nicht immer zeit- Bundeswehrkrankenhaus Hamburg vorgesehen. nah entsprechend des Evakuierungsprotokolls erfolgen

Schlüsselwörter: Intensivmedizin – Einsatz – Militär- konfl ikt- taktische Verwundetenversorgung- postakut 1 In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit z. T. auf Therapie eine geschlechtsbezogene Formulierung verzichtet. Gemeint sind je- doch stets beide Geschlechter. Keywords: forward combat critical care – military con- fl ict- prolonged tactical fi eld care- intensive care * Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie

WMM 2019 – 63(8) 275 EINSATZ- UND KATASTROPHENMEDIZIN

kann [8]. Dies verlagert bzw. verlängert die hoch- • Lunge (Beatmungsoptimierung, Umgang mit Oxygenie- spezialisierte intensivmedizinische Behandlungs- rungsstörungen), notwendigkeit in das unmittelbare Einsatzgeschehen • Herz (Schockbekämpfung, Katecholamintherapie), (Role 1). • Sepsis, • Leber (Gerinnung), Forward Combat Critical Care als Alternative? • ZNS (Sedierung), • Niere, Natürlich ließe sich aus dem einleitend gesagten die • Behandlung metabolischer Störungen, grundsätzliche Notwendigkeit eines signifi kanten perso- • Trauma und nellen und strukturellen Aufwuchses intensivmedizini- • Evaluation des „kritischen Patienten“ ohne erweitertes scher Versorgungskapazitäten ableiten. Spezialisiertes technisches Monitoring. intensivmedizinisches Personal als Mangelressource im gesamten Gesundheitswesen steht für diese Aufgabe In jedem dieser Themenkomplexe wird kurz auf Basis- absehbar nicht zur Verfügung. Es gilt deshalb, nach ge- physiologie und zu erwartenden Pathophysiologie ein- eigneten Alternativen zu suchen. gegangen sowie ein sogenanntes „Hot Topic“-Thema umfassender bearbeitet. Im Anschluss werden Maßnah- Ressourcenorientiert sehen wir es hier aber als elemen- men zur Diagnostik, die die beschränkten technischen tare Chance an, diese potenzielle Fähigkeitslücke mit Möglichkeiten in der Behandlungsebene 1 berücksichti- dem nachfolgend vorgestellten Konzept zu verringern. gen, vorgestellt, durch standardisierte Behandlungsalgo- Hierbei soll nicht-spezialisiertes medizinisches Personal rithmen ergänzt und eingeübt. Außerdem wird sich ein dazu befähigt werden, im Rahmen von vereinfachten, weiterer Abschnitt mit sogenannten „Mythen und Fakten“ praxisorientierten sogenannten “ready- to-use Treatment befassen, um möglicherweise vorexistierende fachliche Bundles“, das Outcome des zu versorgenden Patienten Fehlannahmen oder gängige intensivmedizinische „Fett- positiv zu unterstützen und eine lückenlose vereinfachte näpfchen“ zu beseitigen. Dabei liegen die Schwerpunkte intensivmedizinische Behandlung auch bei verzögertem auf Evidenz und größtmöglicher Praxisnähe, wodurch Abtransport und Abwesenheit von hochqualifi zierten In- ein fundierter Behandlungskorridor geschaffen werden tensivmedizinern zu gewährleisten. Wir haben für dieses soll. Konzept den Arbeitsbegriff „Forward Combat Critical Care“ gewählt. Didaktische Umsetzung

Analog zur Etablierung des Konzeptes „Ersthelfer B“, wo In der Erwachsenenbildung gibt es eine Vielzahl prakti- nicht-medizinisches Personal in der Gefechtssituation kabler Ausbildungsmethoden und Lehrinstrumente. Der lebensrettende medizinische Maßnahmen durchführt jeweilige Lerneffekt wird dabei sowohl durch verschiede- und so zum guten primären Überleben essenziell bei- ne Parameter (z. B. Gruppengröße, Lernfähigkeit und trägt, soll hier durch nicht-intensivmedizinisches Perso- Motivation) als auch Faktoren wie die Trainingsinfrastruk- nal mittels der Anwendung standardisierter Behandlungs- tur bestimmt. algorithmen der primäre Überlebenserfolg auch unter Wir halten einen integrierten Lernansatz (das sogenann- den ungünstigen Rahmenbedingungen in einer Ge- te „Blended Learning“) als Kombination aus Präsenzver- fechtszone bis zur Übergabe an intensivmedizinisches anstaltung und e-Learning/Selbststudium/Kompendium Fachpersonal gesichert werden. für sinnvoll. Die Qualität eines hochwertigen „Blended Learning“-Konzepts“ zeichnet sich aus durch: Einsatzrelevante Inhalte „Intensivmedizin“ Der Spezialisierungsbereich Intensivmedizin im zivilen • ein durchgängiges, über alle Phasen des Lernprozess Gesundheitswesen erfordert eine langjährige Ausbildung gehendes Curriculum, und viel Erfahrung. Dazu gehören zum Beispiel das Er- • die Wahl einer Publikationsform, welche die Stärken kennen und Behandeln verschiedener schwerer Störun- der jeweiligen Phase voll zur Geltung bringt, und gen des kardiopulmonalen Systems, Indikationsstellung • ein Programm, das dem Lernenden möglichst viel Frei- einer differenzierten Katecholamintherapie inklusive der raum bei Lerntempo, Lernstil und Eingangskanal ein- Messgrößen des großen und kleinen Kreislaufs und die räumt [14]. Therapieplanung komplexer intensivmedizinischer Pa- tienten, genauso wie die sichere Indikationsstellung und Zielgruppe des Trainings ist sanitätsdienstliches (zu- Umsetzung von Intubation und invasiver Beatmung. Wir nächst nur ärztliches) Personal mit wenig oder ganz ohne haben aus diesem umfassenden fachlichen Spektrum intensivmedizinische Vorausbildung, das sein Wissen folgende Themenschwerpunkte als besonders relevant und seine Handlungsfähigkeit in Hinsicht auf eine abseh- für ein einsatzorientiertes Fortbildungsprogramm und bare Einsatzentsendung erweitern möchte. Langfristig Training identifi ziert: ist hier durchaus eine mandatorische Ausbildungsergän-

276 WMM 2019 – 63(8) EINSATZ- UND KATASTROPHENMEDIZIN

Beispiele aus dem Modul „Lunge“ Abb.1: Herleitung der alveolären Gasgleichung- physiologische Grundlagen „Lunge“

Abb. 2: Einleitung und Defi nition ARDS – Hot Topic ARDS (aus Themenschwerpunkt „Lunge“, Grafi k nach [12])

Abb. 3: Therapeutische Optionen ARDS (aus Themenschwerpunkt „Lunge“, Grafi k nach [4])

WMM 2019 – 63(8) 277 EINSATZ- UND KATASTROPHENMEDIZIN

Abb.4: Mythen und Fakten zu ARDS (aus Themenschwerpunkt „Lunge“)

Abb. 5: Exemplarische Darstel- lung einer Bauchlagerung unter Idealbedingungen und reduzier- ten Ressourcen (aus Kernthema „Lunge“ – Hot Topic ARDS; Fotos; M. Iversen, Hamburg).

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zung vorstellbar, um so die zu erwartende Bedarfslücke Literatur von Rettungsmedizinern mit Intensivmedizinbefähigung verringern zu können. 1. Ärztekammer Hamburg Logbuch ZWB Intensivmedizin entspre- chend der WBO mit Inkrafttreten 22.08.2005. Zunächst ist ein zweitägiger Theorieunterricht als Prä- senzphase geplant. Diese Einstiegsmethode ist am Bun- 2. Butler FK et al: Tactical Combat Casualty Care and Wilderness Me- deswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg im Rahmen dicine: Advancing Trauma Care in Austere Environments, Emerg Med Clin North Am 2017; 35(2): 391-407. des Trainings von Ärzten, die in einem beweglichen Arzt- trupp (BAT) eingesetzt werden sollen, bereits seit Jahren 3. Calvalcanti AB et al : Effect of lung recruitment and titrated positive etabliert. Dabei werden die Grundlagen des Themas und end expiratory pressure (PEEP) vs low PEEP on mortality in Patients with acute respiratory distress syndrome: a randomized clinical trial. die Bedeutung dieses Ausbildungskonzeptes erläutert JAMA 2017; 318: 1335-1345. werden. Darauf aufbauend werden die zuvor defi nierten 4. Ferguson ND: the Berlin defi nition of ARDS: an expanded rationale, Themenschwerpunkte und die daraus abzuleitenden justifi cation and supplementary material. Intensive Care Med 2012; Treatment-Bundles modulweise bearbeitet. Anschlie- 38: 1573. ßend folgt ein praktischer Konsolidierungstag im intensiv- 5. Grensemann J et al: Oxygen treatment in intensive care and emer- medizinischen Livesetting, unterstützt durch Simulation gency medicine. Dtsch Arztebl. Int. 2018; 115: 455-462. und Skill-Training in Form einer Stationsausbildung. Er- gänzt wird dieses Konzept durch die Erstellung eines 6. Guerin C et al: Prone positioning in severe acute respiratory distress syndrome. NEJM 2013; 368: 2159-2168. „Bundle Booklet“, welches den Teilnehmenden die Mög- lichkeit geben soll, Lerninhalte zu rekapitulieren, zu ver- 7. Henning, Uwe: Sanitätsdienst-Bundeswehr.de/Sanitätsdienstliche tiefen oder direkt in der Praxis einsetzen zu können. Einsatzgrundsätze. ; Ziel ist es, die Teilnehmenden zu befähigen erweiterte letzter Aufruf: 17. Juni 2019. und komplexe Behandlungskonzepte in einfacher und outcome-orientierter Weise anzuwenden. Insbesondere 8. Hooper TJ et al: Implementation and execution of military forward resuscitation programs. Shock 2014; 41 Suppl. 1: 90-97. vor dem Hintergrund militärisch robuster und logistisch komplexer Einsatzszenarien sowie einer potenziell pro- 9. Howard JT et al: Use of Combat Casualty Care Data to assess the longierten post-akut Behandlungsphase vor Ort. Des US military trauma system during the Afghanistan and Iraq confl icts 2001-2017. JAMA Surg 2019. doi: 10.1001/jamasurg.2019.0151. Weiteren sollen einfache, sicher reproduzierbare prakti- [Epub ahead of print]. sche Fähigkeiten erlernt werden, die die Bewertung des 10. Keenan S et al: Beyond the “Golden Hour”. Wilderness Environ Med Behandlungserfolgs geräteunabhängig machen. Dabei 2017; 28(2S): S135-S139. wird auch die Übertragung der intensivmedizinischen Prinzipien in die militärischen Szenarien vor Ort thema- 11. Moss M et al: Early neuromuscular blockade in the acute respiratory distress syndrome. NEJM 2019; 380(21): 2061-2063. tisiert. Beispiele (Schwerpunkt „Lunge“) aus dem kursbegleiten- 12. Ranieri VM et al: Acute respiratory distress syndrome: the Berlin den Booklet des Ausbildungsprogramms fi nden sich auf Defi nition. JAMA 2012; 307(23): 2526-2533. den vorhergehenden Seiten. Die inhaltliche Erarbeitung 13. S3-Leitlinie Invasive Beatmung. ; zeit im Finalisierungsstadium, Trainingssetting und Book- letzter Aufruf: 17. Juni 2019. let werden noch im Jahr 2019 fi nalisiert. Ein erstes Pilot- 14. Wiepcke C: Computergestützte Lernkonzepte und deren Evaluation training am BwKrhs Hamburg ist für das erste Quartal in der Weiterbildung: Blended Learning zur Förderung von Gender 2020 vorgesehen. Mainstreaming (Studien zur Erwachsenenbildung). Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2006.

Kernaussagen Manuskriptdaten Es ist mit einem längeren Verbleib intensivmedizi- Zitierweise nisch anspruchsvoller Patienten im Versorgungs- Iversen MF, Veit C: Gewährleistung intensivmedizini- bereich der Role-1 zu rechnen. scher Versorgungsqualität und –quantität in künftigen Spezialisierte Intensivmedizin droht dabei zur Man- Einsatzszenarien durch nicht intensivmedizinisch spe- gelressource werden. zialisiertes Personal. WMM2019; 63(8): 275-279. Ein Lösungsansatz kann in der die curricularen Für die Verfasser Kompetenzerweiterung des primär nicht intensiv- Flottillenarzt Dr. Maja Florentine Iversen medizinisch ausgbildetenen Personals bestehen. Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Klinik für Anäs- Im Rahmen eines erweiterten modularen Kurs- thesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie konzeptes „BAT-Kurs“ wird diese Möglichkeit am Lesserstrasse 180, 22049 Hamburg BwKrhs Hamburg entwickelt und erprobt. E-mail: [email protected]

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SAN-NETZ – EINE LEISTUNGSBEURTEILUNG Kurzanalyse der zentralen Netzwerk- und Ausbildungsplattform für den Sanitätsdienst der Bundeswehr

Alexandra Shirin Berger*

Zusammenfassung zentrale Netzwerk- und Ausbildungsplattform für die An- gehörigen des Sanitätsdiensts der Bundeswehr. Im Ge- Das San-Netz, die zentrale Netzwerk- und Ausbildungs- gensatz zum bundeswehreigenen Intranet erlaubt es zu- plattform für den Sanitätsdienst der Bundeswehr, ist gelassenen Anwendern genau diese geräteunabhängige eine innovative Entwicklung. Es zeigt die schnelle An- Nutzung über das Internet und ermöglicht folglich auch passungsfähigkeit der Truppe an neue Herausforderun- einen fachlichen Austausch auf Dienstreisen oder vom gen, in diesem Fall an das wachsende Informations- Homeoffi ce aus. Das User-Interface ist entsprechend an zeitalter. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr gehört mit mobile Endgeräte angepasst („full responsive“). diesem Angebot zu den Vorreitern in der Arbeitswelt. In dem folgenden Beitrag werden Akzeptanz und Attrak- Der Nutzen dieses Netzwerks ist vielfältig. Das „Wiki“ tivität des San-Netzes untersucht und die Möglichkeiten des San-Netzes ist eine Sammlung von Beiträgen zu dieses interaktiven Tools herausgearbeitet. verschiedensten Bereichen. Wissen kann von allen Mit- Um den Ansprüchen, die aus der zunehmenden Digi- gliedern dokumentiert, geprüft und überarbeitet werden. talisierung von Kommunikations- und Arbeitsprozessen Ein fachlicher Austausch ist im geschützten Raum mög- in Großunternehmen wie der Bundewehr erwachsen, lich. Es können Gruppen erstellt werden, die als vielfäl- gerecht zu werden, ist ein methodischer sowie lücken- tiger Kompetenzpool fungieren. Hier werden Beiträge loser Evaluationsprozess unabdingbar. Die nachfolgen- gemeinschaftlich erstellt, verschiedenes Wissen zusam- de Kurzanalyse zeigt dabei nur eine Momentaufnahme, mengeführt und die Korrektheit der Informationen von da die Schnelllebigkeit von digitalen Diensten bei der der gesamten Gruppe validiert. „Generation Y“ bzw. der nachkommenden „Generation Z“ keine präzisen Voraussagen ermöglicht. Durch das Erstellen des eigenen Profi ls hat man die Möglichkeit, seine Kompetenzen und Interessen darzu- Schlüsselwörter: San-Netz, Evaluation, Digitalisie- stellen. Ein solches Expertennetzwerk sorgt für Wissens- rung, Fernausbildung, Netzwerk und Ausbildungsplatt- transfer und gegenseitigen Erfahrungsaustausch. In ei- form nem speziell geschaffenen Chat-Feature können Keywords: San-Netz, evaluation, digitization, e-lear- Abstimmungen und Diskussionen stattfi nden; in Echtzeit ning, network and training platform und ortsunabhängig.

Die Standortprofi le bieten Informationen und Ansprech- Einführung partner vor Ort, sodass vor einer Versetzung die für den Benutzer wichtigen Informationen unkompliziert einge- „Die Globalisierung sowie der technologische und de- holt werden können. Im Bereich Veranstaltungsdoku- mografi sche Wandel sind die großen Herausforderun- mentation können Termine eingetragen und auch Teil- gen, vor denen Unternehmen und Mitarbeitende heute nehmerlisten erstellt werden. stehen. Notwendige Produktivitätssteigerungen verlan- gen neue Formen der Organisation, der Vernetzung, Der E-Campus bietet den San-Netz-Nutzern zahlreiche der Kollaboration und Partizipation.“ Varianten der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Es besteht (Christian Böhler et al., 2013 [1]) die Möglichkeit der Literaturrecherche in der virtuellen Bibliothek, einem kostenfreien Zugriff auf zahlreiche Orts- und geräteunabhängige Kommunikation bei gleich- Fachzeitschriften und Fachbücher. Des Weiteren besteht zeitigem Schutz der Inhalte vor dem Zugriff durch unbe- die Option Fachliteratur unkompliziert zu bestellen. Es fugte Dritte werden immer mehr zum Standard im Bereich sind derzeit mehr als 1,5 Milliarden bibliographischer moderner Unternehmen, insbesondere auf dem Gebiet Daten verfügbar. der Ausbildung. In diesem Kontext ist das San-Netz eine

* Sanitätsversorgungszentrum Feldkirchen des Sanitätsunterstützungs- DynaMed Plus ist eine englischsprachige Datenbank zu zentrums Kümmersbruck Erkrankungen – von Medizinern für Mediziner. Diese

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Datenbank wird täglich aktualisiert und erlaubt dem Be- Diese Kurzanalyse zeigt nur eine Momentaufnahme, da nutzer rasch an die neusten Informationen über Diagno- die Schnelllebigkeit von digitalen Diensten bei der Gene- sen, Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten zu kom- ration Y (im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten men. Ein epidemiologisches Programm steht mit 1990er Jahren geborenen) bzw. der nachfolgenden Ge- GIDEON (Global Infectious Disease and Epidemiological neration Z keine genauen Voraussagen ermöglicht. Network) bereit. Ein virtuelles Fortbildungskonzept spe- ziell für die Gesundheits- und Krankenpfl ege (Certifi ed Probleme bei der Evaluation Nursing Education – CNE) steht mit CNE.online zur Ver- Das Webanalytik-Werkzeug Matomo zählt nur diejenigen fügung. Es besteht die Möglichkeit CNE-Fortbildungs- Nutzer, die weder durch Add-ons noch durch Browser- punkte zu erwerben; diese dienen dem Nachweis über einstellungen die „Do Not Track“-Funktion eingestellt geleistete Fortbildungen. ILIAS ist eine Lernplattform, die haben. Do Not Track steht für „nicht verfolgen“. Dieses verschiedene Kurse zur selbstständigen Weiterbildung HTTP-Header-Feld signalisiert einer Website oder Web- bietet. anwendung den Wunsch, kein Nutzungsprofi l des Be- suchers zu erstellen [3]. Die „Virtuelle Klinik“ ist ein internetbasiertes Lern- und Informationssystem für die medizinische Aus- und Wei- Auch die Auswirkung von AdBlockern auf die Ergebnisse terbildung. Hier werden reale bzw. realistische zivile und der Webanlaytik ist nicht zu vernachlässigen, da diese einsatzrelevante Fallbeispiele bearbeitet. Es besteht die immer häufi ger im Einsatz sind. Laut PageFair-Studie Möglichkeit, im Lernmodus zu trainieren oder auch im (2017) wuchs die AdBlock-Nutzung global um 30 % und CME-Modus zu arbeiten. Letzterer ermöglicht es, beläuft sich mittlerweile auf 18% der schweizer Online- CME-Punkte zu erwerben, die dem Nachweis der Fort- nutzer. In Deutschland sind es 29% [8]. bildung dienen. Diese „Continuing Medical Educa tion“- Punkte sind seit 2004 gem. Gesetz zur Modernisierung Außerdem werden diejenigen Nutzer, die sich direkt bei der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) für Fach- dem jeweiligen Dienst einloggen – wie es z. B. bei CNE. ärzte verpfl ichtend. Der Dienst eRef schafft Zugang zu online notwendig ist – nicht gezählt. verschiedenen E-Journals und E-Books des Thieme- Daraus ergibt sich, dass die Angaben zu den verschie- Verlags aller relevanten Fachrichtungen. Dieses Wis- denen Diensten durch die jeweiligen Anbieter weitaus sensportal des Thieme-Verlags unterstützt beim Befun- genauer sind. Da allerdings jeder Anbieter unterschied- den, Recherchieren sowie in der Aus-, Fort- und liche Erhebungsmethoden wählt, lassen sich die Anga- Weiter bildung. Auch hier ist es möglich CME-Punkte zu ben nur schlecht bis gar nicht miteinander vergleichen. erwerben. Ergebnisse Abgerundet wird der E-Campus durch die PromoBörse. Hier können sowohl Promotionsangebote als auch Pro- Im Folgenden werden die Ergebnisse der Auswertungen motionsgesuche eingestellt werden. Es ist somit – un- tabellarisch und – soweit sinnvoll – grafi sch dargestellt. abhängig vom Standort – eine erste Kontaktaufnahme Tabelle 1 und Abbildung 1 geben einen Überblick über der Beteiligten möglich. die Nutzergruppen mit Stand Dezember 2018, Tabelle 2

Ziel der Arbeit Tab. 1: Anzahl aller aktiven Nutzer, Ziel dieser Arbeit ist es, Akzeptanz und Attraktivität des aufgeschlüsselt nach Nutzergruppen San-Netzes seitens der User des San-Netzes zu erfas- (Datenbasis: Erhebung durch San-Netz-Team). sen und die Möglichkeiten dieses interaktiven Tools Nutzergruppe Anzahl heraus zuarbeiten. SanOA 2094 Material und Methoden SanStOffz 2236

Für die Arbeit sind Nutzerstatistiken ausgewertet worden, Angehörige SanDst 742 die im Dezember 2018 vom San-Netz-Team bereitgestellt (ohne Offz) wurden. Die Erhebung der Zahlenangaben erfolgte mit- Externe Nutzer 138 tels der Open-Source-Webanalytik-Plattform Matomo. Interne Statistiken der Firma EBSCO (Virtuelle Bibliothek, Reservisten 38 eRef, Gideon) und des Thieme-Verlags (eRef, CNE.on- Sonstige* 437 line) wurden durch das San-Netz Team eingearbeitet. Des Weiteren stellt die Firma CompuGroup Medical aktive aktiv (insgesamt) 5685

Deutschland AG (Virtuelle Klinik) ihre Nutzerstatistik zur * ohne Angabe von Dienstgrad oder Truppenzugehörigkeit Verfügung.

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Tab. 3: Benutzeranmeldungen/Logins bzw. Anzahl der Sessions, Suchklicks und/oder inhaltliche Zugriffe im E-Campus (in Klammern Angabe der Datenquelle)

E-Campus Dienst 09/2018 11/2017 11/2018 - - Aktivität 11/2018 11/2018 Virtuelle Bibliothek (EBSCO) Sessions 2 562 6 056 24 017 Such Klicks 4 399 11 144 74 922 eRef (Thieme) Sessions 3471 9215 31 119 Zugriffe 31 900 7 7116 268 244

Abb. 1: San-Netz-Nutzer nach Gruppen (Grafi k aus Tabelle 1) CNE.online (Thieme) Zugriffe 2 774 7 805 36 980 Tab. 2: Interaktionen im San-Netz, dargestellt DynaMed Plus (EBSCO) über verschiedene Zeiträume; nach Daten des San-Netz-Teams 09/2018 11/2017 Sessions 157 497 2 426 Interaktion 11/2018 - - GIDEON (EBSCO) 11/2018 11/2018 Sessions 38 130 776 Registrierung eines 83 269 1092 Virtuelle Klinik (Compogroup Mecical Deutschland) neuen Mitglieds Logins 203 482 1 484 Mitglieder Logins – 1764 2817 3965 eindeutig* PromoBörse (San-Netz-Team, erhoben mit Matomo) Mitglieder Logins – Logins 515 1 109 1 746 5278 14770 39341 insgesamt** Neuer Inhalt 232 799 3426 Tab. 4: Inanspruchnahme der E-Campus-Dienstes (Daten des San- Geänderter Inhalt 302 1080 3880 Netz-Teams, erhoben mit Matomo)

* Das Log-in wird in einem bestimmten Zeitraum nur einmal gezählt, 09/2018 11/2017 unabhängig davon, wie oft das Mitglied sich einloggt. E-Campus Dienst 11/2018 - - ** Das Log-in wird jedes Mal gezählt. 11/2018 11/2018 Virtuelle Bibliothek 878 2 744 11 078 gibt Aufschluss über die Aktivitäten im San-Netz. Diese wurden für verschiedene Zeiträume (ein Monat, drei Mo- eRef 1 192 3 483 11 513 nate und dreizehn Monate) angegeben. CNE.online 47 96 421 Tabelle 3 schlüsselt die Benutzeranmeldungen/Logins DynaMed Plus 15 43 252 bzw. die Anzahl der Sessions, Such-Klicks oder inhalt- liche Zugriffe im E-Campus auf. Die Angaben stammen, GIDEON 11 30 185 soweit vorhanden, vom jeweiligen Anbieter. Virtuelle Klinik 76 181 682

In Tabelle 4 sind die Aktivitäten im E-Campus aufge- PromoBörse 515 1 109 1 746 schlüsselt, ebenfalls über verschiedene Zeitspannen. Diese Daten wurden mit dem Webanalytik-Werkzeug Matomo erhoben. San-Netz. Das San-Netz ist kein Intranet, sondern eine Diskussion zentrale Netzwerk- und Ausbildungsplattform für den Sanitätsdienst der Bundeswehr, die auch über private Von den mehr als 20 0000 aktiven Soldaten im Sanitäts- Endgeräte erreichbar ist. Es ist sicher; es dürfen Doku- dienst der Bundeswehr nutzen bereits etwa 30 % das mente bis zur Einstufung „Offen“ eingestellt werden.

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„San-Netz“ - Instrument gegen die „Schatten-IT“ Im Gegensatz dazu stehen GIDEON und DynaMed Plus, sie bilden das Schlusslicht und werden relativ selten ge- Die Nutzerstatistik (Tabelle 1) zeigt, dass vor allem Sani- nutzt, was aber vor allem daran liegen kann, dass es sich tätsoffi ziere (SanStOffz) und Sanitätsoffi zieranwärter hierbei um sehr spezialisierte englischsprachige Dienste (SanOA) dieses Tool nutzen. Der durchschnittliche SanOA, handelt. Trotz der im Vergleich geringeren Nutzung ist der sich im Studium befi ndet, hat in der Regel keinen Zu- es wichtig, diese Dienste präventiv vorzuhalten, da diese gang zu dienstlichen Arbeitsplatzrechnern oder Laptops. eine große Einsatzrelevanz haben. Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern keine offenen Kom- munikations- und Kollaborationsinstrumente zur Verfü- Das CNE.online-Programm wird von der Zielgruppe der gung stellen, weichen die Mitarbeiter auf die Nutzungen Mitarbeiter der Gesundheits- und Krankenpfl ege gut an- alternativer Systeme aus [6]. In vielen Unternehmen hat genommen. Jedoch ist die Dienstgradgruppe der SanS- sich daher die Nutzung einer sogenannten »Schatten-IT« tOffz am Stärksten vertreten. Die Anzahl der Mitglieder, etabliert. Externe soziale Medien (z. B. Facebook, Whats- die nicht in diese Gruppe fallen, ist mit 742 Nutzern noch App) werden fest in die internen Prozesse integriert und im Wachsen begriffen. Des Weiteren ist zu beachten, für diese genutzt. Das hat zur Folge, dass interne Arbeits- dass es bei diesem Dienst notwendig ist, ein eigenes prozesse mit externen Anbietern bearbeitet werden und Nutzerkonto direkt beim Anbieter zu erstellen. So ist es Firmendaten auf fremden Servern liegen [2]. danach nicht mehr erforderlich, den Dienst über das San- Netz aufzurufen. Dieses Problem umgeht der Sanitätsdienst mit dem San- Netz, mit dem zunächst einmal die Stammeinheit auf Monitoring mit Hindernissen dienstlichem Wege den Kontakt und den Infor mationsfl uss zu den SanOA gewährleisten kann. Aber auch zahlreiche Das Problem dieser Daten beschreibt Jonas Wendler in andere Angehörige des Sanitätsdiensts sind mittlerweile seinem Artikel „Auswirkung von AdBlocker und «Do Not Nutzer des San-Netzes, wenn auch noch in deutlich ge- Track» auf Google Analytics & Co“ sehr gut. Er gibt an, ringerem Maße als bei den SanOA. dass bei einer Beachtung der Do-Not-Track-Einstellung durch ein Webanalytik-Werkzeug eine Abweichung von In den letzten 13 Monaten gab es 1 092 neue Registrie- knapp 20 % zustande kommen kann [8]. Das Tool Mato- rungen. Insgesamt haben sich die 5 685 User (Stand mo beachtet diese Einstellung. Dies deckt sich mit der Dezember 2018) in 13 Monaten 39 341 mal eingeloggt, oben gemachten Aussage, dass circa 29 % der Deut- 3 426 neue Inhalte geteilt und 3 880 Inhalte geändert schen diese Einstellung nutzen. Eine Abweichung von (siehe auch Tabelle 2). etwa 20-30 % ist nicht aussagekräftig und als eindeutiges Mittel zum Monitoring nicht geeignet.

„Darüber hinaus geht es aber auch darum, durch bes- Bei einem Blick auf die Daten der Anbieter ändert sich seren, »lebendigeren« Austausch offene Ideenentwick- das oben genannte Verhältnis. Betrachtet man nur die lung anzuregen und Kreativität zu fördern. Eine […] Zahlen, so liegt CNE.online an der Spitze, es folgen eRef häufi g benutzte Formulierung hierzu ist, dass das »Si- und die virtuelle Bibliothek. DynaMed Plus, die Promo- lo-Denken« überwunden werden soll, was bedeutet, Börse und die virtuelle Klinik bilden das Mittelfeld, dass das eigene Wissen, die eigenen Ideen geteilt wer- Schlusslicht ist Gideon. den sollen, über die eigene Abteilung, das eigene Pro- jekt hinweg. Im Unternehmen bestehendes Wissen soll Allerdings ist hier die Vergleichbarkeit nicht gegeben. Der dadurch nicht nur besser auffi ndbar gemacht werden, Thieme-Verlag zählt für den Dienst CNE.online alle in- sondern auch besser vernetzt, gebündelt und sinnvoll haltlichen Aufrufe mit der Rahmenbedingung, dass der kombiniert werden.“ Nutzer sich direkt beim Anbieter registriert. Dadurch ent- (Tanja Carstensen, 2016 [2]) steht eine enorme Diskrepanz zwischen den 36 980 Zu- griffen, die Thieme zählt, und den 421 Logins, die durch Schaut man auf die Daten, die vom San-Netz-Team mit Matomo erhoben wurden. Ein weiteres Problem ist, dass dem Web-Anlayse-Tool Matomo erhoben wurden, lässt weder die Firmen EBSCO oder CompuGroup Medical sich folgendes feststellen: Deutschland AG noch der Thieme-Verlag Sessions, Such-Klicks bzw. Nutzerstatistik eindeutig defi niert. Die Die Dienste des E-Campus werden sehr unterschiedlich Evaluation eines solchen Systems ist somit nur sehr be- häufi g genutzt, vor allem eRef und die virtuelle Bibliothek dingt möglich. liegen hoch im Kurs. Auch die PromoBörse wird oft ge- nutzt. Die virtuelle Klinik liegt im Mittelfeld, wobei diese Trotz des erschwerten Evaluationsprozesses, der noch vor allem von Studierenden der Humanmedizin in den lange nicht ausgereift ist, lässt sich feststellen, dass sich höheren Semestern und von Ärzten genutzt wird. das San-Netz im Wachstum befi ndet und die Inhalte von

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den registrierten Mitgliedern gut angenommen werden. „Am Ende bleibt die nicht neue Erkenntnis, dass man Der Sanitätsdienst der Bundeswehr gehört mit diesem gerade bei innovativen und neuen Ansätzen naturge- Angebot zu den Vorreitern in der Arbeitswelt in Bezug mäß auf keine langjährige Erfahrung zurückgreifen auf das Fördern virtueller Teams. Nach Angaben von kann.“ Bitkom, dem Verband der deutschen Informations- und (Armin Trost, 2010 [7]) Telekommunikationsbranche, nutzten 2014 gerade ein- mal 13 Prozent aller in einer Studie befragten Unterneh- men bereits ein internes soziales Netzwerk. Literatur Seit mit dem »Web 2.0« bzw. »Social Media« zudem soziale Netzwerke, Weblogs, Wikis und Plattformen an 1. Böhler C, Lienhardt C, Robes J et.al.: Webbasiertes Lernen in Unter- nehmen – Entscheider/innen, Zielgruppen, Lernformen und Erfolgs- Bedeutung gewonnen haben, werden Social-Media-Ap- faktoren. In: Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. 2013, plikationen auch für die unternehmensinterne Nutzung 166-173. ; letzter Aufruf 12. Dezember 2018. Chance, die Kommunikation und den Wissensfl uss in 2. Carstensen T: Social Media in der Arbeitswelt. Herausforderung für einem Unternehmen sichtbar zu machen und zu be- Beschäftigte und Mitbestimmung. Hans-Böckler-Stiftung 2016; Bd. schleunigen [6]. Insbesondere mit Blick auf solche Chan- 184.Verlag, 2016. ; letzter Aufruf 12. Dezember 2018. cen sollte weiter daran gearbeitet werden ein passendes Instrument zur sach- und fachgerechten Bewertung zu 3. Do Not Track Begriffserklärung und Defi nition. Seo-Analyse.com implementieren. 2019; (2019). ; letzter Aufruf 3. März 2019.

Fazit 4. Dunn-Cavalty M: Der Cyberspace wird zum politischen Schlachtfeld. NZZ 2016; < https://www.nzz.ch/international/amerika/russische- angriffe-auf-us-wahlen-der-cyberspace-wird-zum-politischen- Das San-Netz ist eine innovative Entwicklung des Sani- schlachtfeld-ld.123689>; letzter Abruf 12. Dezember 2018. tätsdiensts der Bundeswehr. Es steht für die schnelle 5. Ekelmann M: Adblocker – Ihre Auswirkungen und wie zielführend Anpassungsfähigkeit der Truppe an neue Herausforde- mit ihnen umgegangen werden kann. The Reach Group 2018; rungen, in diesem Fall an das wachsende Informations- ; letzter Aufruf 3. März 2019. an den Nutzerbedarf ist allerdings ein lückenloses und klares Monitoring unabdingbar. Hierzu müssen Daten 6. Stocker A, Mayer H: Unternehmen und soziale Medien – wie passt methodisch und überprüfbar erhoben und systematisch das zusammen? Elektrotechnik & Informationstechnik 2012;, 129(2): 72-75. dokumentiert werden. 7. Trost A: Personalentwicklung 2.0. Lernen und Talententwicklung Mit dem San-Netz verfügt der Sanitätsdienst nicht nur in Zeiten von Social Media und Generation Y. Whitepaper, Hoch- schule Furtwangen 2010; ; letzter Aufruf 12. Dezember 2018. Teams, sondern auch über eine sinnvolle und effektive Abwehrstrategie gegen die „Schatten IT“, welche gerade 8. Wendler, J. Auswirkung von AdBlocker und «Do Not Track» auf Google Analytics & Co. Your Position AG 2017; ; letzter Aufruf 3. März 2019.

„Im Gegensatz zu der euroatlantischen Sichtweise, die den Cyberkrieg eng als zerstörerische Attacken auf Computersysteme und kritische Infrastrukturen defi - Manuskriptdaten niert, geht Russland das Thema ganzheitlich an: Neben Zitierweise Informationssystemen sind der Mensch und seine Mei- Berger S: San-Netz – eine Leistungsbeurteilung: Kurz- nung das wichtigste Ziel seiner Informationskriege.“ analyse der zentralen Netzwerk- und Ausbildungsplatt- (Myriam Dunn-Cavelty, 2016 [4]) form für den Sanitätsdienst der Bundeswehr. WMM 2019; 63(8): 280-284. Die weitere Pfl ege, Aktualisierung und Weiterentwicklung sind demnach unerlässlich. Ein weiterer Anstieg der Nut- Verfasser zerzahlen ist zu erwarten, da das Angebot für alle Dienst- Oberstabsarzt Dr. med. dent. Alexandra Shirin Berger gradgruppen interessant ist. Wichtig bleibt allerdings, Sanitätsversorgungszentrum Feldkirchen dieses Angebot zielgerichtet zu bewerben und die Attrak- Zahnarztgruppe Bogen tivität weiter herauszuarbeiten. Ein passendes Instru- Bayerwaldstraße 36, 94327 Bogen ment zur sach- und fachgerechten Bewertung muss E-Mail: [email protected] implementiert werden.

284 WMM 2019 – 63(8) DIGITALISIERUNG

DIGITALISIERUNG IN DER AUSBILDUNG Digitale Ausbildung: Woher – Wohin – Wie?

Lars Schneidereit*

Zusammenfassung selbst untersucht und Projekte des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vorgestellt, wie sie beim Symposium in Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung und Damp vorgetragen wurden. in der Ausbildung verzeichnet ein hochdynamisches Wachstum. Dabei wird der kontinuierlich wachsende Fragen zur digitalen Ausbildung Trainingsbedarf – bei etwa gleichbleibendem Anteil an Präsenztrainings – in erster Linie durch zeitgemäße Die digitale Ausbildung hat zwei völlig unterschiedliche virtuelle, in ein soziales Expertennetzwerk eingebettete, Betrachtungsfelder, die sich in den beiden nachfolgend Trainingsangebote zu decken sein. aufgeworfenen Fragestellungen widerspiegeln. Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung schrei- tet mit hohem Tempo voran und ist bei ihrer Gestaltung Was bedeutet die Digitalisierung für die Ausbildung? auf Kompetenzen angewiesen, die in klassischen Aus- Diese Frage fokussiert auf die bestehende Ausbildung bildungs- und Verwendungsreihen des Sanitätsdiens- und darauf, wie die Digitalisierung die Präsenzausbildung tes kaum vorhanden sind. beeinfl usst bzw. wie neue virtuelle Ausbildungsprozesse Die in enger Kooperation zwischen der Sanitätsakade- wachsen. Dabei entsteht eine neue Verteilung zwischen mie der Bundeswehr und der Universität der Bundes- Präsenz- und Fernausbildung, bei der die Präsenzantei- wehr realisierten Projekte zeigen Möglichkeiten auf, le stagnieren und virtuelle Anteile mit sozialer Vernetzung wegweisende Zukunftstechnologien für die Gesund- zusätzlichen Raum einnehmen. Die Ausbildung muss heitsversorgung in der Bundeswehr nutzbar zu machen. hierbei auch die wachsende Komplexität und höhere Am Beispiel der Projekte „San-Netz“, „Virtuelle Klinik“ Spezialisierung in vielen Bereichen des Sanitätsdienstes und „SanTrain“ werden Ideen und Vorgehensweisen berücksichtigen. bei der jeweiligen Projektentwicklung vorgestellt und weitere Entwicklungspotenziale – z. B. Integration von Um wachsenden Trainingsbedarfen gerecht zu werden, Künstlicher Intelligenz – diskutiert. wird auch ein Umdenken in der Lehre unvermeidbar sein. Schlüsselwörter: Digitalisierung, Gesundheitsversor- Aneignung von Vorratswissen wird in den Hintergrund gung, Ausbildung, Simulation, Virtualisierung, Fernaus- treten, da Informationen in einer digitalisierten Welt nur bildung, soziale Medien, Künstliche Intelligenz einen Mausklick entfernt liegen. Des Weiteren wird davon Keywords: digitization, health care, training, simulati- ausgegangen, dass bei allen bevorstehenden Transfor- on, virtualization, e-learning, blended learning, social mationsprozessen in der Ausbildung der Umfang der media, artifi cial intelligence Präsenzausbildung insgesamt auf einem ähnlichen Ni- veau wie heute bleibt. Zeitgemäße virtuelle Trainingsan- gebote, eingebettet in ein soziales Expertennetzwerk, Einleitung werden bedarfsgerecht weiterwachsen. Das von der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin Die Transformation der Ausbildung erfordert nicht nur und Wehrpharmazie e. V. im März 2019 in Damp durch- eine Anschubinvestition. Im Zuge der Digitalisierung von geführte Symposium „Ambulantes Gesundheitssystem Ausbildungsprozessen werden moderne Technologien der Bundeswehr“ legte seinen Schwerpunkt auf den The- für den Sanitätsdienst erschlossen. Der Einsatz dieser menkomplex „Digitalisierung in der Medizin“. Dabei nah- Technologien erfordert jedoch auch neue methodische men Vorträge, die sich mit dem Gebiet der Aus-, Fort- und Kompetenzen und erzeugt somit neue Ausbildungsbe- Weiterbildung in der Medizin befassten, einen breiten darfe. Die Transformationsprozesse in der Ausbildung Raum ein. sind für einen innovationstragenden Sanitätsdienst not- In diesem Beitrag werden die Wechselwirkungen zwi- wendig und erfordern zukünftig dauerhaft adäquate Res- schen der „Digitalisierung des Gesundheitswesens“ und sourcen an Material, Personal und Haushaltsmitteln. der Ausbildung auf der einen und der „Digitalisierung der Die Einführung der Digitalisierung in die Ausbildung ist Ausbildung“ im Gesundheitswesen für die Ausbildung aber auch notwendig, um das Potenzial der Künstlichen Intelligenz (KI) verstärkt nutzen zu können. Dabei ist die * Sanitätsakademie der Bundeswehr, München digitale Datenspeicherung von Lernfortschritt oder

WMM 2019 – 63(8) 285 DIGITALISIERUNG

Abb. 1: Das „Wiki“ (Screenshot) ist ein Teil des E-Campus im San-Netz. Es ist Nachschlage- werk und Kommunikationsplatt- form zugleich.

© Bundeswehr/San-Netz

Nutzerverhalten der erste Schritt. In weiteren Schritten der Digitalisierung ist auf Kompetenzen angewiesen, die werden Daten bearbeitet, analysiert und verknüpft und einerseits in der Bundeswehr kaum generierbar sind und es entstehen neue intelligente Dienste wie adaptive andererseits über teure Dienstleistungen nur einge- Steuerung des Lernfortschritts oder Recommender-Sys- schränkt beauftragt werden können. teme (Empfehlungsdienste) bei der Inhaltssuche auf Das ist ein Dilemma für das es kurzfristig durchaus Lö- sanitätsdienstlichen Ausbildungsplattformen. So wird sungen gibt, die an der Sanitätsakademie der Bundes- Ausbildung zukünftig vernetzter und intelligenter. wehr gelebt werden. So wird im Folgenden anhand dreier Projekte das „woher – wohin – wie?“ der digitalen Was bedeutet die Digitalisierung der Ausbildung exemplarisch beschrieben. Gesundheitsversorgung für die Ausbildung? Diese Frage fokussiert auf Digitalisierungsprozesse der Projektbeispiele innovationsgetragenen Gesundheitsversorgung, die als erstes einer adäquaten Ausbildung bedürfen. So ist z. B. Das Projekt „San-Netz“ die Patientensimulationsausbildung für mehr Patienten- Das „San-Netz“ startete als Initiative des Führungstabes sicherheit in weiten Teilen des Sanitätsdienstes ein be- des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (BMVg Fü San II reits etablierter neuer Standard. Dazu bedarf es nicht nur 3) im September 2010 mit einem Auftrag an das damali- der Bereitstellung funktionsfähiger Patientensimulatoren, ge Sanitätsamt der Bundeswehr, eine Betreuungsplatt- sondern auch standardisierter, kompetenzorientierter form für Sanitätsoffi zieranwärter/-innen (SanOA) zu im- Ausbildung, um die moderne Ausbildungstechnik metho- plementieren. disch effi zient anwenden zu können. Bis heute ist aus dem San-Netz die zentrale Austausch- Dynamik erfordert Gestaltung und Ausbildungsplattform für den Sanitätsdienst der Bun- Beide vorstehend aufgeworfenen Fragen sind hochrele- deswehr geworden. Etwa 6 000 Nutzer greifen im San- vant, da die Ausbildung alle Digitalisierungsprozesse von Netz auf soziale Medien, ein Wiki, Fachgruppen und Anfang an begleiten sollte. Hinzu kommt, dass die Digi- einen E-Campus zu (Abbildung 1). Dabei verfügt die talisierung in der Gesundheitsversorgung und in der Aus- Kommandeurin der SanAkBw als heutige Betreiberin des bildung bereits hochdynamisches Wachstum verzeich- San-Netzes mit der Abteilung C (Zentrales Ausbildungs- net. Die Digitalisierung ist gefühlt gnadenlos, denn sie management/Technologiegestützte Ausbildung) über ein schafft Transparenz, hat enorme Dynamik und macht agiles Projektmanagement, welches in enger Koopera- keine Pause. Die Digitalisierung wartet nicht auf tradier- tion mit dem Leiter der Forschungsgruppe Kooperations- te Entscheidungsprozesse. Die notwendige Gestaltung systeme der Universität der Bundeswehr (UniBw) Mün-

286 WMM 2019 – 63(8) DIGITALISIERUNG

chen, Prof. Dr. Michael Koch, und den sanitätsdienstlichen dienpraktika, Bachelor- und Masterarbeiten von Studie- Dienststellen das San-Netz auf der Basis der folgenden renden der UniBw M betreut oder Kooperationen gelebt 6 Erfolgsfaktoren realisiert und weiterentwickelt: werden. So wuchs und wächst Personal aus Spezialisie- rungen im Studium in Fachexpertenverwendungen des 1. „Bring your own device“, Ausbildungsmanagements der SanAkBw. 2. „Single-sign on“, 3. mit 2-3 Klicks zu den Zielinhalten, Im Ausbildungsmanagement der SanAkBw wiederum 4. Bandbreitenoptimierung, wurde sollorganisatorisch dezentral von Kommando Sa- 5. Symbiose von E-Campus und sozialen Medien sowie nitätsdienst der Bundewehr (Kdo SanDstBw) die Kon- 6. überwiegend nutzergenerierte Inhalte zeption für Betrieb, Pfl ege und Weiterentwicklung des San-Netzes im Sinne einer Anfangsbefähigung abgebil- Diese Faktoren wurden Grundlage für die gute Perfor- det. Die hierarchische Einbettung regelte der Inspekteur mance des San-Netzes. Die Entscheidung für die Imple- des Sanitätsdienstes der Bw durch die Implementierung mentierung dieser Erfolgsfaktoren ließen sich in keiner einer Arbeitsgruppe „Innovationsmanagement“, die vom Projektphase aus Vorhandenem ableiten, sondern ba- Unterabteilungsleiter IX im Kdo SanDstBw geleitet wird sieren auf Empfehlungen erfahrener Fachexperten, der und der das Direktorat Ausbildung und Lehre Gesund- frühzeitigen Partizipation der San-Netz-Community und heitsversorgung der SanAkBw mit einer gleichnamigen auf jährlichen Evaluationen durch die Forschungsgruppe Unterarbeitsgruppe zuarbeitet. Die Geschäftsprozesse Kooperationssysteme der UniBw München. Entschei- sind in der Bereichsvorschrift C1-227/0-4000 „Techno- dungen über die weiteren Entwicklungsschritte wurden logiegestützte Ausbildung im Zentralen Sanitätsdienst auf der Grundlage dieser jährlichen Evaluationsberichte der Bundeswehr“ geregelt. getroffen, Beraterdienstleistungen wurden nicht in An- spruch genommen. Das Projekt „Virtuelle Klinik“ Diesem Projekt liegt ein im zivilen Bereich genutztes Personalwirtschaftlich konnten für das Projektmanage- Produkt zugrunde. So werden im Hörsaal der virtuellen ment Fachexperten generiert werden, indem durch das Klinik beispielsweise die häufi gsten europäischen Er- Ausbildungsmanagement der SanAkBw regelmäßig Stu- krankungen als Fallbeispiele für medizinische Hand-

© Bundeswehr/San-Netz

Abb. 2: Screenshot einer „Spielszene“ aus der Virtuellen Klinik: Anonymisierte reale Behandlungsfälle gewährleisten authentische Szenare.

WMM 2019 – 63(8) 287 DIGITALISIERUNG

lungstrainings von der Anamnese über Diagnostik, The- dere der Fakultät Informatik sowie einem externen rapie bis ins Recall verfügbar gemacht. Darauf setzen in Spieleentwickler zusammen. Bei SanTrain handelt es Kooperation mit den Bundeswehrkrankenhäusern sich um ein „Serious Game“, was bedeutet, dass hier (BwKrhs´ern) Hamburg und Berlin entstandene einsatz- nicht der Unterhaltungsaspekt des Computerspiels im relevante Fallbeispiele auf, um die einsatzmedizinische Vordergrund steht, wenngleich er als wichtiges Element Handlungskompetenz zu fördern (Abbildung 2). So wer- für die Motivation der Teilnehmenden, SanTrain zu spie- den zurzeit neben bestehenden „Einsatzkliniken“ (z. B. len, fungiert. Stattdessen ist der Aspekt des Lernerleb- Gynäkologie für den Truppenarzt im Einsatz oder Tropen- nisses im Fokus, also die Vermittlung von Inhalten und klinik) auch eine Psychiatrie und ein Einsatzlazarett ent- Kompetenzen. wickelt. Über die Einsatzmedizin hinaus sollen auch Fälle für den SanTrain vereint taktische Elemente und das medizini- Truppenarztalltag im Rahmen der Regionalen Sanitäts- sche Wissen bei der Verwundetenversorgung. Die Usa- dienstlichen Versorgung in der Virtuellen Klinik zur Ver- bility ist dabei vergleichbar mit weit verbreiteten zivilen fügung gestellt werden. Spieleanwendungen. Durch ein detailliertes Physiologie- modell werden Verwundungen und Behandlungen im Das Projekt „SanTrain“ Spiel realitätsnah simuliert. Beim Projekt „SanTrain“ (Abbildung 3) wird das große Potenzial von Computerspielen in den Kontext der takti- SanTrain ist aktuell in Form eines umfangreichen 3D- schen Verwundetenversorgung übertragen. Dabei arbei- Demonstrators spielbar. Enthalten sind – wie in einem tet die SanAkBw eng mit der UniBw München, insbeson- klassischen Videospiel – mehrere Level und Szenarien,

Abb. 3: Screenshots von «Spielszenen» aus SanTrain: Das obere Bild zeigt eine taktische Lage, in der ein Verwundeter zu bergen ist. Anschließend wird die Verwundetenversorgung virtuell trainiert (unteres Bild). Realitätsnähe wird durch ein integriertes Physiologiemodell gewährleistet.

© Bundeswehr/SanAkBw

288 WMM 2019 – 63(8) DIGITALISIERUNG

wobei Wert auf das Erstellen realistischer Bilder in Bezug ses von Zukunftstechnologien. auf Taktik und Verwundungen gelegt wurde. Die Simula- Es fehlt nicht an Ideen, Lösungen und gewinnbarem Per- tion von physiologisch realistischen Verläufen bei Ver- sonal. Folgerichtig geht es jetzt darum, gewonnene Fach- wundungen und Behandlungen sind durch das erwähn- experten weiter an den Sanitätsdienst zu binden und zu te Physiologiemodell in die Simulation eingebettet. Die fördern und weitere an einer sanitätsdienstlichen Ver- Fachexpertise dafür wird durch das BwKrhs Ulm beige- wendung interessierte Fachexperten neu zu gewinnen. steuert. So können schnell wachsende Digitalisierungsprojekte Weiterhin wurden prototypisch mehrere mobile Spiele durchhaltefähig und weitere Digitalisierungspotenziale entwickelt, die sich mit bestimmten Aspekten der takti- nutzbar gemacht werden. Auch können Multiplikatoren schen Verwundetenversorgung beschäftigen. So werden für neue Projektmanagementzellen und Forschungssek- beim „Einsatzersthelfer Bravo“-Quiz Wissensfragen zu tionen mobilisiert werden, um sanitätsdienstliche eigene Ausrüstung und Behandlungen gestellt. Bei dem Spiel Kernkompetenzen in der Digitalisierung weiter aufzu- „Rucksack-Ninja“ muss der Soldat/die Soldatin schnellst- bauen. Der Sanitätsdienst könnte so mit Innovationen möglich seine/ihre Ausrüstungsgegenstände als Einsatz- zukunftssicher und unabhängiger von externen Dienst- ersthelfer Bravo korrekt einsortieren. leistungen gemacht werden.

Weitere Ziele im Projekt sind: Kernaussagen • Evaluierung des spielbaren Desktop-Demonstrators mit Überführung in den Regelbetrieb und • Die Dynamik der Digitalisierung in der Gesund- heitsversorgung und in der Ausbildung erfordert • Evaluierung des spielbaren Smartphone Demonstrators Fachexperten, die diesen Prozess für den Sani- mit Überführung in den Regelbetrieb. tätsdienst der Bundeswehr gestalten.

Im Zuge von zahlreichen Projektevaluationen in der „Erst- • Wachsender Trainingsbedarf kann bei einem helfer Bravo“-Ausbildung in der Truppe werden diese gleichbleibenden Anteil an Präsenzausbildung Demonstratoren nicht nur evaluiert, sondern Teile bereits durch virtuelle Ausbildungsanteile mit gleichzei- in der Ausbildung nutzbar gemacht. Sie können so z. B. tiger sozialer Vernetzung gedeckt werden. für interaktive Lageeinführungen in Patientensimulations- trainings genutzt werden. • Die multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Sanitätsakademie der Bundeswehr und der Fazit und Ausblick Universität der Bundeswehr München hat die Realisierung erfolgreicher Projekte (z. B. San-Netz, Die in zahlreichen Projekten gewachsene Zusammen- SanTrain) ermöglicht. arbeit zwischen der Sanitätsakademie der Bundeswehr und der UniBw München wurde inzwischen weiter ver- • Der weitere Erfolg der bestehenden Digitalisie- tieft. So zeichneten der Inspekteur des Sanitätsdienstes rungsprojekte und die Nutzung sich abzeichnen- der Bundeswehr und die Präsidentin der UniBw München der riesiger weiterer Potenziale erfordert entspre- am 29. März 2019 in München eine Kooperationsverein- chend der Dynamik der Entwicklung kontinuierliche barung zur Vertiefung der Zusammenarbeit. Zukünftig strukturelle und organisatorische Anpassungen. sollen die aus der Projektarbeit zwischen SanAkBw und UniBw München gewachsenen interdisziplinären Wis- senschaftlerkompetenzen an die Bundeswehr gebunden Literatur beim Verfasser und so für den gesamten Sanitätsdienst nutzbar werden. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zeichnet Manuskriptdaten sich hier eine hohe Nachfrage nach Informatikern ab. Zitierweise Aber auch Geschäftsprozesse, Mediendidaktik, Mensch- Schneidereit L: Digitale Ausbildung: Woher – Wohin – Computer-Interaktion, Modellbildung und Simulation so- Wie? WMM 2019, 63(8): 285-289. wie viele verwandte Bereiche erfreuen sich einer stei- genden Nachfrage. Verfasser Oberfeldarzt Dr. Lars Schneidereit Zukünftig geht es auch darum, die Potenziale von KI für Sanitätsakademie der Bundeswehr die Ausbildung, die am Anfang der Digitalisierung stehen Abteilung C sollte, nutzbar zu machen. Hierzu bedarf es auf Arbeits- Neuherbergstr. 11, 80937 München ebene gut ausgebildeten Personals und auf Entscheider- E-Mail: [email protected] ebene der Erweiterung des grundlegenden Verständnis-

WMM 2019 – 63(8) 289 ZAHNMEDIZIN

ZAHNÄRZTLICHE CHIRURGIE IM FOKUS Bundeswehrkrankenhaus Berlin lud zur Fortbildung ein

Zum festen Bestandteil des fachlichen Austausches ge- hören mittlerweile die zahnärztlichen Fortbildungsver- anstaltungen, die die Abteilung XXIII (Zahnmedizin) des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs´s) zweimal jährlich organisiert. Der Einladung zur „Zahnärztlichen Frühjahrs- fortbildung“ am 10. April 2019 waren 28 Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem Einzugsgebiet Berlin und den Zuständigkeitsbereichen der angrenzenden Sanitäts- unterstützungszentren gefolgt, darunter auch wieder einige ehemalige Sanitätsstabsoffi ziere (Zahnarzt), die die Gelegenheit zur Kontaktpfl ege zu den „Aktiven“ gern nutzten.

Vor Rezessionsdeckung sollte der Zustand therapieassoziierter Ge- Für die Gestaltung des fachlichen Programms wurden webe und die Rezessionsursache geklärt werden. Referenten aus der zivilen Praxis und dem Sanitätsdienst (Abbildung aus dem Vortrag von Oberfeldarzt Dr. Kühlhorn) der Bundeswehr gewonnen, um einerseits aktuelle zahnmedizinische Entwicklungen vorzustellen und zu Zahnmedizinische Vorträge diskutieren sowie andererseits den „zahnärztlichen Re- servisten“ ein Update zu den sanitätsdienstlichen Her- Thematisch lag der Schwerpunkt auf unterschiedlichen ausforderungen der Neuausrichtung der Bundeswehr zu Teilbereichen der zahnärztlichen Chirurgie. Der Vortrags- präsentieren. Diese Aufgabe hatte Stabsarzt Ramon teil wurde durch Dr. Detlev Hildebrandt, Leiter des Den- Roßnick aus dem BwKrhs Berlin übernommen, der mit talforums Berlin und niedergelassener Zahnarzt und seiner Präsentation zu diesem Thema im Vortragsteil der Oralchirurg, eröffnet. Er stellte seine praktischen Erfah- Veranstaltung bei den Teilnehmenden auf großes Inte- rungen mit der Sofortimplantation von patientenspezifi - resse stieß. schen anatomischen Implantaten (Titan-Keramik-Hybrid, Replicate) vor. Das einleitende Grußwort richtete der stellvertretende Kommandeur des BwKrhs Berlin, Oberstarzt Dr. Oberfeldarzt Dr. Christoph Kühlhorn aus dem Sani- Christian Zechel, an die Teilnehmenden. Er gab seiner tätsversorgungszentrum Delitzsch referierte zur neuen Freude darüber Ausdruck, dass es wieder gelungen war, Klassifi zierung in der Parodontologie sowie zu Technik ein fachlich anspruchsvolles und attraktives Fortbildungs- und Möglichkeiten der Rezessionsdeckung. programm auf die Beine zu stellen. Zum Abschluss der Fortbildung durften sich die Gäste über den Vortrag des Biologen Dr. Benno Buchbinder (botiss medical AG, Berlin) freuen, welcher einen Über- blick zu den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten tie- rischer und humaner Ersatzgewebe in der zahnärztlichen Chirurgie gab.

Fazit und Ausblick

Das Fazit der Vortragenden und Teilnehmenden fi el durchweg positiv aus und ist für die Organisatoren Moti- vation, dieses Format mit der notwendigen Unterstützung weiter anzubieten. Die zweite Veranstaltung des laufen- den Jahres befi ndet sich bereits in Planung und wird am 4. September 2019 stattfi nden.

Das Replicate ist bei strenger Indikationsstellung eine vielverspre- chende Alternative zum konventionellen Titan-Sofortimplantat. Oberfeldarzt Dr. Jan Rödiger (Abbildung aus dem Vortrag von Dr. Hildebrandt) Bundeswehrkrankenhaus Berlin E-Mail: [email protected]

290 WMM 2019 – 63(8) AUS DEM SANITÄTSDIENST

WEITERENTWICKLUNG IM SANITÄTSDIENST Sanitätsdienstliche Unterstützung zukunftssicher gestalten: Workshop „Weiterentwicklung der Rettungskette“ in Koblenz

Überprüfung und Weiterentwicklung vorhandener Fähig- bis 27. Juni 2019 beim Kdo SanDstBw in Koblenz statt- keiten sind ein kontinuierlicher Prozess auch im Sanitäts- fand, war ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung dienst. Die Re-Fokussierung der Bundeswehr auf die der sanitätsdienstlichen Fähigkeiten. Aufgaben Landes- und Bündnisverteidigung erfordert deshalb auch eine umfassende System- und Bestands- Breite Basis für die Weiterentwicklung analyse und beinhaltet letztlich Anpassungen in der ge- samten bisherigen Rettungskette. Die Planungen hierzu Unter Leitung des Abteilungsleiters A Kdo SanDstBw wurden in Koblenz durch die Abteilung A des Komman- kamen Vertreter der Fähigkeitskommandos, die - dos Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) und Generalärzte der Teilstreitkäfte/Organisationsberei- vom 24. bis 27. Juni 2019 im Rahmen eines Workshops che, Vertreter der Bundeswehrkrankenhäuser und aller vorangetrieben. Konsiliargruppen sowie Angehörige der Fachunterabtei- lungen des Kdo SanDstBw zusammen, um in Unterar- Hintergrund beitsgruppen approbationsübergreifend und interdiszipli- när die sanitätsdienstliche Unterstützung in den Bereichen Die Wandlung des sicherheitspolitischen Umfelds in den „Role 1-3“, „Role 4“, „Transportorganisation“ und „Militä- vergangenen fünf bis sechs Jahren hat neue Bedrohun- rische Grundsatzorganisation“ zu beraten. gen entstehen lassen und solche, die vermeintlich der Vergangenheit angehörten, haben wieder neu an Be- Die Teilnehmenden waren sich darin einig, dass die be- deutung gewonnen. Besonders der Aufgabenbereich stehenden Herausforderungen zugleich eine Chance Landes- und Bündnisverteidigung stellt die Bundeswehr sind, die sanitätsdienstliche Versorgung insgesamt zu und damit den Sanitätsdienst der Bundeswehr vor erheb- analysieren, zu bewerten und dann – wo erforderlich – liche Herausforderungen. konzeptionell zu überarbeiten und daraus notwendige Das Kdo SanDstBw hat früh – u. a. mit der Arbeitsgruppe Maßnahmen abzuleiten. Gemeinsames Verständnis und (AG) Re-Fokussierung und seit dem IV. Quartal 2018 mit gemeinsame Kommunikationsstrategie wurden erzielt der AG Fähigkeitsprofi l Bundeswehr (AG FPBw) – damit und besprochen. Die „Schwarmintelligenz“ der Beteilig- begonnen, die Rahmenbindungen und konzeptionellen ten für eine weitere zielgerichtete Arbeit konnte erfolg- Grundlagen zu schaffen, um auf diese neuen Heraus- reich genutzt werden. forderungen adäquat und vor allem zeitgerecht reagieren zu können. Der Workshop „Rettungskette“, der vom 24. „Wir sind ein deutliches Stück weitergekommen“ …

... laute das einhellige Fazit. Bei maximal engen Zeitlinien müssen Ergebnisse bis Ende dieses Jahres vorliegen. Nur so kann der Sanitätsdienst mit den Vorgaben und der aktuellen Planungsgeschwindigkeit des Bundesmi- nisteriums der Verteidigung Schritt halten und Planungs- prozesse aktiv mitgestalten. Das Wissen darum war mehr als Ansporn für die an der Veranstaltung Teilnehmenden. Mit dem Workshop „Weiterentwicklung der Rettungsket- te“ wurden eine weitere wichtige Grundlage und Anknüpf- punkte geschaffen für das Erstellen der konzeptionellen Dokumente und Dachdokumente – wie die Fachstrategie und das Fachkonzept Gesundheitsversorgung Bundes- wehr sowie die fachliche Leitlinie zur sanitätsdienstlichen Versorgung in der Bundeswehr.

© Bundeswehr/Christoph Berndt Oberstarzt Dr. Johannes Backus Breitgefächerte Expertise aus Klinik, Praxis und Führung brachte der Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Workshop „Weiterentwicklung der Rettungskette“ vom 24. bis 26. Abteilung A – Abteilungsleiter Juni 2019 in Koblenz zusammen. E-Mail: [email protected]

WMM 2019 – 63(8) 291 AUS DEM SANITÄTSDIENST

DIE ZEICHEN STEHEN AUF VERÄNDERUNG Wehrmedizinische Monatsschrift im neuen „Corporate Design“

„Die Zeichen stehen auf Veränderung“ – mit diesen Wor- großzügigeren und für das Auge viel gefälligeren Ge- ten wird das im April 2019 erschienene Corporate Design staltung Gefallen fi ndet. Handbuch der Bundeswehr eingeleitet, das dem Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bun- Teamwork und Interdisziplinarität gefragt deswehr (PIZ SanDstBw), dem Beta-Verlag und der Schriftleitung der Wehrmedizinischen Monatsschrift Der Erfolg hat viele Väter – dieses trifft auch für das Er- (WMM) Anfang Mai 2019 vorlag. Auch die WMM war stellen der WMM im neuen Design uneingeschränkt zu. danach zukünftig in diesem Layout zu gestalten. Erste Vorarbeiten wurden von Seiten des Herausgebers, Beim Durchblättern des fast 90 Seiten starken Design- des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Handbuchs kamen dem „WMM-Team“ Zweifel an der geleistet. In seinem Auftrag erarbeitete das Team um Realisierbarkeit – zumal nur knapp 4 Wochen Zeit bis zum Matthias Wern beim PIZ SanDstBw erste Druckbeginn der Juli- Ausgabe waren. Konnte eine Fach- grundlegende Eckelemente. Dazu gehörten z. B. das zeitschrift mit Design-Elementen erstellt werden, die mit Layout der Titelseite und des Impressums, die Gestaltung zahlreichen Optionen auf den ersten Blick auf Broschü- von Kopf- und Fußzeilen usw. ren-, Flyer und Plakaterstellung ausgerichtet war? Nach inhaltlicher Fertigstellung der für die Juliausgabe Das Unternehmen gelang, die Juli-Ausgabe der WMM vorgesehenen Fachbeiträge durch die Schriftleitung er- ging im neuen Design pünktlich am 10. Juni in den Druck. folgte durch Susanne Hellinger (PIC Crossmedia Die Gestaltungselemente des Corporate Design hatten GmbH, Langenfeld) die Erstellung des Satzbildes. Frau sich auch für die Publikation wissenschaftlicher Artikel in Hellinger erstellt seit vielen Jahren für den Beta-Verlag, einer Fachzeitschrift als geeignet erwiesen. Erste Rück- der als Auftragnehmer der Bundeswehr die WMM verlegt, meldungen aus der Leserschaft zeigen, dass das „neue die Druckvorstufe der Zeitschrift. Sie ist für den Schrift- Produkt“ überwiegend positiv aufgenommen wurde und leiter die Ansprechpartnerin beim „Satz“ aller Beiträge. insbesondere die bessere Lesbarkeit aufgrund einer Eine Reihe von grundsätzlichen Überlegungen (z. B. Ta-

292 WMM 2019 – 63(8) AUS DEM SANITÄTSDIENST

„Runder Tisch“ der Verantwort- lichen für die „WMM“ beim Beta-Verlag in Bonn: Heike Lange, Peter Geschwill, Susanne Hellinger, Thorsten Menzel, Oberstarzt a.D. Dr. Mees, Oberstarzt Dr. Niggemeier- Groben und Hauptmann Wern (von rechts).

© Bundeswehr/Michael Laymann bellenfarben, Farbgebung der Manuskriptdaten, Bildgrö- WMM auf wenige Elemente zurück und setzt diese ge- ßen und -hintergründe usw.) wurden dabei gemeinsam zielt ein, entsteht innerhalb der Marke „Bundeswehr“ ein direkt am Bildschirm erstellt, getestet, verworfen, neu Medienprodukt „Sanitätsdienst“ mit einem eigenen hohen erstellt und schließlich ausgewählt. Wiedererkennungswert. Beispielhaft gewährleistet die- Eine Besonderheit bei der Erstellung dieser ersten Aus- ses die Farbe „Sanitätsrot“, die in der WMM als Schrift- gabe der WMM im neuen Corporate Design der Bundes- farbe für Überschriften und – mit unterschiedlichem De- wehr war die Möglichkeit der unmittelbaren, professionel- ckungsgrad – als Hintergrund für Basisinformationen len Beratung durch Jörg Uwe Pauli vom Presse- und (z. B. Impressum, Manuskriptdaten) eingesetzt wird. Informationsstab im Bundesministerium der Verteidigung. Sicher wird noch die eine oder andere Optimierung er- Er ist u. a. im Referat 3 „Arbeitgebermarke Bundeswehr, folgen. Hierbei würden Herausgeber, Verleger und Re- Social Media“, mit der Erarbeitung und Umsetzung des daktion auch gern auf die Wünsche der Leserschaft ein- Corporate Design betraut. Die Zusammenarbeit zwischen gehen. Anregungen und Kritik sind seitens der ihm, dem Team von Hauptmann Wern in Koblenz, der Schriftleitung dazu herzlich willkommen. Schriftleitung sowie Thorsten Menzel und Peter E-Mail : [email protected] Geschwill vom Beta-Verlag, die für die verlagsseitige Fertigstellung der WMM verantwortlich sind, gestaltete Zukunft: Digitalisierung sich völlig problemlos. Herr Pauli beantwortete alle Fra- gen in kürzester Zeit telefonisch oder per Mail und gab Die Zukunft moderner Medien geht in Richtung digitale immer wieder nützliche Tipps aus seinem reichen journa- Publikationsformen. Diesem Weg wird sich auch die listischen Erfahrungsschatz – kurzum: Die Zusammen- WMM nicht verschließen. Bereits im März 2019 wurde arbeit entwickelte sich zu einer erfolgreichen „Symbiose“ hierzu im Rahmen eines Symposiums zum Thema Digi- von wehrmedizinischer und medialer Fachexpertise. talisierung der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Damp ein erster Prototyp des Erstes Fazit „E-Paper WMM“ vorgestellt. Geplant ist, dieses mit glei- chem Inhalt und darüberhinausgehenden ergänzenden Am Freitag, den 5. Juli 2019, trafen sich die Verantwort- Elementen (z. B. Bildergalerie, Videoclips, aktiven Links lichen für die WMM auf Einladung von Heike Lange, der usw.) jeweils zeitgleich mit der Druckversion erscheinen Geschäftsführerin des Beta-Verlages, zu einer Bespre- zu lassen. chung in Bonn. Die Erfahrungen mit der Erstellung der Das E-Paper soll plattformunabhängig (PC, Tablet, ersten beiden Ausgaben der WMM im Corporate Design Smartphone, alle Betriebssysteme und Browsertypen) wurden dabei ausgetauscht und mit der Leiterin des PIZ „lesbar“ sein und ergänzende interaktive Elemente ent- SanDstBw, Oberstarzt Dr. Angelika Niggemeier- halten. Bei der Gestaltung wird das Corporate Design Groben, diskutiert. Übereinstimmend stellten die Anwe- der Bundeswehr die Grundlage bilden. senden fest, dass das Corporate Design der Bundeswehr Das gesamte Team hinter der WMM freut sich darauf, eine mächtige und weitestgehend allen Bedürfnissen gemeinsam diesen Weg in die Zukunft zu gestalten. moderner Mediengestaltung gerecht werdende Werk- zeugpalette zur Verfügung stellt, die einen hohen Wieder- Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees erkennungswert der „Marke Bundeswehr“ gewährleistet. Schritfl eiter Wehrmedizinische Monatsschrift Greift man für das Erstellen einer Fachzeitschrift wie der E-Mail: [email protected]

WMM 2019 – 63(8) 293 INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT

COMBINED AID 2019

Combined Aid 2019 Vom 3. bis 17. Juli 2019 fand in Feldkirchen bei Straubing eine gemeinsame Übung der Sanitätsdienste der Bundeswehr und der Chine sischen Volksbefreiungsarmee statt. Es war nach 2016 bereits das zweite Mal, dass deutsche und chinesische Sanitätssoldatinnen und -soldaten im Rahmen der Übungsserie Combined Aid miteinander trainierten. Die Übungsserie Combined Aid ist einzigartig in der militärischen Zusammenarbeit beider Staaten und schafft die Voraussetzungen, um in einem gemeinsamen UN-Einsatzszenario sanitätsdienstlich interagieren können. Eine ausführliche Berichterstattung zum Übungsverlauf und zu wesentlichen fachlichen Erkenntnissen erfolgt zu einem späteren Zeit- punkt in dieser Zeitschrift. (Bilder: Bundeswehr/Dirk Bannert)

294 WMM 2019 – 63(8) BUCHVORSTELLUNG

RISIKO FATIGUE U.S. Navy identifi ziert Fatigue als wesentliche Unfallursache

Reinhard Stark*

Am 2. November 2017 erschien im United States Depart- ment of the Navy ein umfassender Prüfbericht zu Schiffs- unfällen der US-Flotte, welchen der Kommandeur des Flottenkommandos, Admiral Phil Davidson, federführend erstellt und am 26. Oktober der US-amerikanischen Ma- rineführung vorgelegt hatte. Der Bericht wurde in der Folge auch öffentlich zugänglich gemacht. Anlass für diese selbstkritische Auseinandersetzung mit der Fehlerkultur in der US Navy waren mehrere schwer- wiegende Unfälle von US-Kriegsschiffen. So war es allein im Jahre 2017 zu drei Kollisionen und einem Aufl aufen auf Grund mit insgesamt 17 Toten sowie zahlreichen Schwerverletzten gekommen. Die umfassende Überprü- fung sollte systembedingte Fehler aufdecken und Maß- nahmen zu deren Vermeidung aufzeigen. Das Pentagon hatte sich mit dem Untersuchungsauftrag selbstverpfl ich- verfügte zwar über einen „physiologischen“ zirkadianen tet, Empfehlungen der Berichterstatter zu akzeptieren Schichtplan. Leider wurde dieser aber durch die tägliche und alle Anstrengungen zu unternehmen, derartige tra- Schiffsroutine nicht unterstützt. So wurden beispielswei- gische Unfälle zukünftig zu verhindern. se vor der Kollision die Mahlzeiten zu Zeiten gereicht, die dem zirkadianen Rhythmus widersprachen. Fatigue als (beitragende) Unfallursache Aus den Erkenntnissen des Berichts fordern die jüngsten Auf den ersten Blick scheint die Vermeidung von Schiffs- US Navy-Leitlinien eine Verfeinerung des Fatigue-Ma- unfällen kein eigentliches wehrmedizinisches Thema zu nagements und eine Ausweitung dieser Vorschriften auf sein; detailliert betrachtet ergibt sich aber durchaus ein alle Kriegsschiffe. So wird die Erstellung von zirkadianen relevanter Zusammenhang: Der Prüfbericht beschreibt Schichtplänen empfohlen; zudem sollte sichergestellt wiederholt Fatigue als zumindest beitragende Unfallursa- werden, dass nach Schichtende keine weiteren dienst- che und gibt so für präventivmedizinische Überlegungen bezogenen Tätigkeiten anfallen und die Schiffsroutine in und Maßnahmen wertvolle Hinweise. den Wachplan integriert ist.

Crew-Ermüdung, auch infolge eines ineffektiven Müdig- Fazit keits- und Ruhe-Managements, wurde als wesentlicher beitragender Faktor bei allen vier untersuchten Ereig- Es ist beeindruckend, wie offen und selbstkritisch die nissen identifi ziert. Verkürzte Schlafzeiten ergaben sich Führung der US Navy die Faktoren, die zu den Schiffs- aus einer retrospektiven Befragung der Marinesoldaten unfällen geführt haben, aufgearbeitet und konsekutive der an den Unfällen beteiligten USS Fitzgerald und der Forderungen für die US-Kriegsschifffahrt abgeleitet hat. USS John S. McCain. Crewmitglieder der USS John S. Der offen zugängliche Bericht befasst sich zwar mit dem McCain gaben an, dass die von ihnen empfundene Er- Problembereich „Fatigue“ im maritimen Sektor, Bewer- müdung, teilweise sogar Erschöpfung, die Arbeitsmoral tung und Empfehlungen lassen sich aber auf den über- senkte. Ihr Schiff verwendete zum Zeitpunkt der Kollisio- müdeten Soldaten per se übertragen – man denke nur nen keinen statischen, zirkadianen (24-Stunden) Schicht- an Fahr- und Steuerpersonal oder solches mit monoto- plan. nen Tätigkeiten, z.B. im Wach- und Kontrolldienst. Er kann allen Sanitätsoffi zieren, die präventivmedizinische Im Falle der USS Antietam wurden müdigkeitsassoziier- Beratungsaufgaben erfüllen, als Hintergrundinformation te Leistungseinbußen durch den Schichtplanwechsel von empfohlen werden. Land- auf Seeroutine genannt. Die USS Lake Champlain

* Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark Klinik für Neurologie E-Mail: [email protected]

WMM 2019 – 63(8) 295 MITTEILUNGEN DER DGWMP e. V.

Geburtstage September 2019

Wir gratulieren zum 80. Geburtstag und älter: Rüdiger Heuermann, Oberfeldapotheker Ingolstädter Landstraße 102 Dr. med. dent. Paul Friedrich Knees 85748 Garching bei München 27.09.1916 Bogenstraße 104, 22869 Schenefeld 04.09.1937 Ernst Schubert, Generalapotheker a. D. Dr. rer. nat. Eckart Koch, Flottenapotheker d. R. Steinert 11, 72505 Krauchenwies 28.09.1937 Postfach 2903, 24028 Kiel 04.09.1938

Friedrich Seil, Oberfeldapotheker a. D. Dr. med. Herbert Roos, Flottillenarzt a. D. Am Lichterkopf 12, 56112 Lahnstein 29.09.1938 Augustenstraße 76, 80333 München 04.09.1929

Dr. med. vet. Peter Witzmann, Stabsveterinär d. R. Wir gratulieren zum 75. Geburtstag Vogelherdweg 20 70771 Leinfelden-Echterdingen 05.09.1939 Dr. med. dent. Fritz W. Emig, Flottillenarzt d. R. Darmstädter Straße 34, 64380 Roßdorf 05.09.1944 Dr. med. Ulrich Neeb, z. S. d. R. Kastanienallee 24, 31224 Peine 09.09.1938 Gerhard Brinks, Hauptmann a. D. An der Düne 46, 25997 Hörnum 11.09.1944 Dr. med. Laszlo Németh, Obstgarten 28, 78465 Konstanz 11.09.1937 Dr. med. Axel Zimmerlinkat, Oberstarzt a. D. Adlergestell 741/7, 12527 Berlin 13.09.1944 Dr. med. Theodor Röse, Oberstarzt a. D. Hummerichs Bitze 3, 53229 Bonn 15.09.1936 Wir gratulieren zum 70. Geburtstag: Dr. med. dent. Dieter Nordholz, Admiralarzt a. D. Dornierstraße 5 Dr. med. Kurt Bernhard Nakath 26160 Bad Zwischenahn 17.09.1926 a. D. Am Johannisberg 70 Dr. med. Klaus Rusch, d. R. 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler 09.09.1949 Kurfürstenstraße 2, 32423 Minden 18.09.1938

Eckehard Hagen, Fregattenkapitän d. R. Josef Trimborn, Oberfeldapotheker a. D. Wagnerstraße 100, 21682 Stade 18.09.1949 Kloster-Deutz-Straße 7, 53489 Sinzig 18.09.1939

Dr. rer. medic. Werner Richter, a. D. Dr. med. Peter Lichtblau, Stabsarzt d. R. Arndts Hufen 6, 04349 Leipzig 21.09.1934 Kapellenweg 8, 31655 Stadthagen 27.09.1949

Die Veröffentlichung erfolgt ausschließlich aufgrund vorliegender Einverständniserklärung gemäß der EU-Daten- schutz-Grundverordnung (DSGVO) vom 25. Mai 2018.

Wehrmedizinische Monatsschrift – Impressum (ISSN 0043 - 2156)

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Herausgeber: Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Auftrag des Inspek- teurs/der Inspekteurin des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Von-Kuhl-Straße 50, 56070 Koblenz, Telefon: +49 261 896 13210, E-Mail: pizsanitaetsdienst@ bundeswehr.org

Wissenschaftliche Beratung: Die Begutachtung von Original- und Übersichtsarbeiten sowie Kasuistiken im Rahmen des Peer-Review-Verfahrens erfolgt durch in dem Fachgebiet des jeweiligen Beitrags wissenschaftlich ausgewiesene Expertinnen und/oder Experten, die – dem Einzelfall entsprechend – in Ab- stimmung zwischen Redaktion und Herausgeber ausgewählt und beauftragt werden.

Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstraße 43, 53125 Bonn, Telefon +49 228 91937 10, Telefax +49 228 91937 23, E-Mail: [email protected]; Geschäftsleitung: Heike Lange; Objektleitung: Peter Geschwill; Produktionsleitung: Thorsten Menzel. Druckvorstufe: PIC Crossmedia GmbH, Langenfeld. Druck: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), Zentraldruckerei Köln/ Bonn. Rechtliche Hinweise: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Dieses gilt insbesondere für Vervielfältigun- gen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V., Bereichsgruppe OST oenne enn Miteinander gestalten Voneinander lernen Oberstarzt d.R.Dr. JörgHammer Admiralarzt Dr. KnutReuter WISSENSCHAFTLICHE LEITUNG Generalarzt Dr. Andreas Hölscher TAGUNGSPRÄSIDENT

50. für Wehrmedizin& Wehrpharmazie e. V. KONGRESSHALLE amZooLeipzig 10. -12.Oktober 2019 Die Zivil-MilitärischeZusammenarbeit im Sanitätsdienstder Bundeswehr

Kongress der DeutschenGesellschaft Weitere Informationen / Anmeldung zumKongress:www.dgwmp.de

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