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1 FLEISCHATLAS Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2016

DEUTSCHLAND REGIONAL

3. Auflage 2

IMPRESSUM

Der FLEISCHATLAS 2016 – DEUTSCHLAND REGIONAL ist ein Kooperationsprojekt der Landesstiftungen der Heinrich-Böll-Stiftung, des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung.

Inhaltliche Leitung: Christine Chemnitz

Projektmanagement: Dietmar Bartz Art Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Dokumentation und Schlussredaktion: Infotext

Mit Originalbeiträgen von Clara Beck, Reinhild Benning, Christine Chemnitz, Andrea Eiter, Michael Finger, Dorothea Frederking, Andreas Greiner, Mona Hosseini, Helmut Klüter, Christine Lind, Udo Lorenz, Leonie Meder, Jasmin Mittag, Arndt Müller, Pia Niehues, Christine Pohl, Tobias Reichert, Mathias Richter, Alrun Schleiff, Marcel Sebastian, Ulrich Steinsiepe, Jan Urhahn, Elisabeth Waizenegger, Katrin Wenz und Franziska Wolters

V. i. S. d. P.: Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung 3. Auflage, September 2016

Druck: Druckerei Arnold, Großbeeren Klimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier (Innenteil) und 60 % Recyclingpapier (Umschlag).

Dieses Werk steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ (CC BY-SA 3.0 DE). Der Text der Lizenz ist unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode abrufbar. Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ nachzulesen.

BESTELL- UND DOWNLOAD-ADRESSEN

Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de/fleischatlas Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Versand, Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, www.bund.net INNENTITEL 3

FLEISCHATLAS

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

3. Auflage 2016 4

INHALT

02 IMPRESSUM 16 SCHLESWIG-HOLSTEIN MIT WEIDEN UND WIESEN FÜR 06 VORWORT WASSER-, TIER- UND BODENSCHUTZ Je mehr die Weidewirtschaft zurückgeht, 50 ÜBER UNS umso gefährdeter sind die charakteristischen Knicklandschaften. Hecken und Baumreihen reduzieren die Winderosion, doch die Mais- monokulturen brauchen Platz – und verderben obendrein die Gewässer.

18 MECKLENBURG-VORPOMMERN WO DIE MEGASTÄLLE STEHEN 08 DER GROSSE STRUKTURWANDEL Die Massentierhaltung zeigt Folgen. Nitrate Viehhaltung und Fleischproduktion im Boden, Ammoniak in der Luft, kaum in Deutschland ändern sich schnell. Fast neue Arbeitsplätze – doch die Landes- überall geben Betriebe auf. Doch die regierung fördert unverdrossen weiter. Erzeugung steigt, und bei gleichbleibendem Verbrauch nehmen die Exporte zu. 20 , , BERLIN GUTE NAHRUNG FÜR DIE STADT 10 ES IST NOCH NICHT VORBEI Die Stadtstaaten stellen für Biohöfe Seit 2012 wurden viele neue Anlagen für mit Fleisch-, Milch- oder Eiererzeugung Masthähnchen und Schweine beantragt einen großen Absatzmarkt dar. und genehmigt – trotz Umweltbelastung, Zahlreiche Initiativen arbeiten daran, Tierwohldiskussion und Überproduktion. die urbane Kundschaft mit der Die Zentren bilden Niedersachsen und regionalen Produktion zu vernetzen. Nordrhein-Westfalen. 22 NIEDERSACHSEN 12 MINDESTLOHN FÜR MINDEST-IMAGE IM HEIMATLAND DER MASTBETRIEBE Schlechter Ruf, öffentlicher Druck und  Die Ernährungsindustrie verlangt politische Maßnahmen verändern die große Betriebe – und bekommt sie Fleischbranche – langsam. Doch die Arbeit auch. Nicht nur große Stallanlagen, wird nicht weniger hart, und die sondern auch die Produktion von Rumänen und Bulgaren werden ihre Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais ausbeuterischen Vermittler nicht los. prägt die Landschaft.

14 KAMPF UM DIE CHEMISCHE KEULE 24 SACHSEN-ANHALT  Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel LEBEN IM STILLSTAND mit weltweitem Milliarden-Umsatz. Das Bundesland meldet erste Erfolge im Nebenwirkung: Es macht Pflanzen resistent, Kampf gegen die grausame und wenig die es eigentlich zerstören soll. Ob bekannte Sauenhaltung zur Ferkelzucht. die Agrochemikalie auch Krebs verursachen Mehr als ein Drittel ihres Lebens stehen kann – darüber streiten in der EU die Tiere fast unbeweglich in engen Kästen die Fachleute mit ungleichen Waffen. und Körben. Das soll sich jetzt ändern.

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26 36 RHEINLAND-PFALZ AUF SAND GEBAUT WO DIE KLEINEN DOMINIEREN Die Landesregierung setzt auf immer Historisch bedingt, dominieren mehr Mastbetriebe. Doch der Widerstand hier kleinräumige Strukturen. Die Politik formiert sich. Bürgerinitiativen betreiben fördert Öko- und schonenende bereits ein Volksbegehren – und erwarten konventionelle Landwirtschaft – und die schon den Volksentscheid. Menschen wehren sich gegen Großställe.

28 NORDRHEIN-WESTFALEN 38 SAARLAND MENSCHEN, TIERE, IMMISSIONEN WENIG TIERE, ABER GENUG MILCH Zwischen Rur und Weser leiden Noch immer wird der Agrarsektor von Böden und Gewässer, durch die Tiermast bäuerlichen Betrieben geprägt. Die belastet. Die Schweinehaltung industrielle Fleischproduktion ist dominiert in Westfalen, Mais als Futtermittel vergleichsweise gering. Stattdessen werden wächst im Rheinland. Hinzu viele tierische Lebensmittel importiert. kommen die Soja-Importe aus Übersee. 40 BADEN-WÜRTTEMBERG 30 HESSEN KLASSE STATT MASSE WENN BENACHTEILIGTE GEBIETE Viele Betriebe setzen auf möglichst DIE NATUR BEVORTEILEN hochwertige regionale tierische So karg das Land im Norden ist – seine Erzeugnisse – vom Fleisch über die Milchbauern sind experimentierfreudig. Milch bis zum Honig. Neue Doch die Geflügelwirtschaft expandiert. Kennzeichnungen und Labels Und wo ein Schlachthof wächst, kommen entstehen und sollen die Kauf- auch die Mäster. entscheidungen erleichtern.

32 THÜRINGEN 42 BAYERN IM LAND DER BRATWURST DIE KLEINE ALTERNATIVE ZUM Ohne Schweinefleisch gäbe es die namen- GROSSEN SCHLACHTHOF Von Nord nach geschützte Wurstspezialität nicht. Doch Wer Fleisch – auch Öko-Ware – immer wieder kommt es zu Schweinemast- verzehrt, muss das Töten von Tieren Süd: 20 Themen Skandalen. Der Antibiotika-Verbrauch akzeptieren. Großschlachthöfe und 60 Grafiken ist hoch, und eine Tierwohl-Strategie stehen in der Kritik. Doch es geht über alle 16 der Landesregierung existiert bisher nur auch dezentral. Bauern im Allgäu Bundesländer als Absichtserklärung. wollen es mit der mobilen Schlachtbox vormachen. 34 SACHSEN BOOM DER BROILER 44 KREIS FÜR KREIS, LAND FÜR LAND Nirgends sonst in Deutschland sind die Tierdichten, Essgewohnheiten, Hühnerhaltungen so konzentriert. Futtermittel, Grünland und Bioflächen Einige Betriebe dominieren den Markt, für die kleineren bleiben nur geringe 48 AUTORINNEN UND AUTOREN, Anteile. Neufeudale Zustände haben sich QUELLEN VON TEXTEN, KARTEN herausgebildet. UND DATEN

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VORWORT

mmer mehr Menschen möchten Schlachtereien und Köche haben das wissen, wie ihre Lebensmittel Ziel, möglichst viele Teile vom Tier I und vor allem das Fleisch, das sie zu verwerten. Sie erwecken so fast essen, hergestellt werden. Das ist vergessene Gerichte wie Kutteln, gut so. Sie stellen sich Fragen nach den Blutwurst oder Zunge zu neuem Leben. Auswirkungen der Fleischproduktion Und noch ein Trend: Bauern, auf Umwelt und Gesundheit. Sie Schlachter und Start-up-Unternehmen wollen wissen, ob es bei der Futter- schließen sich zusammen, um Fleisch mittel- und Fleischproduktion von Tieren aus Freilandhaltung und aus faire und gerechte Arbeits- und der Region zu vermarkten, denn Lebensbedingungen gibt und wie die Nachfrage nach solchen Produkten die Tiere, von denen Fleisch und ist groß. Wurst stammen, gehalten werden. Mehr als 80 Prozent der Deutschen leichzeitig kämpfen in vielen sind – laut einer Umfrage des Orten der Republik Landwirtschaftsministeriums von G Bürgerinitiativen gegen März 2015 – bereit, höhere Preise Massentierhaltung. Sie waren in den für Fleisch und Wurst zu zahlen, wenn letzten Jahren durchaus in der sie dadurch zu besseren Haltungs- Lage, einige riesige Mastbetriebe zu bedingungen der Tiere beitragen. verhindern. In Brandenburg Nicht mehr die Preise allein bestimmen wurde sogar ein Volksbegehren gegen die Kaufentscheidungen, und immer Massentierhaltung gestartet. mehr Menschen in Deutschland reduzieren ihren Fleischkonsum. Eines haben all diese Initiativen gemeinsam: sie wertschätzen eine Das ermutigt viele unterschiedliche bäuerliche Landwirtschaft, die Initiativen, Organisationen und zu einer vielfältigen Ernährung Unternehmen, stärker für eine beiträgt, den Boden erhält und das nachhaltige Form der Tierhaltung Klima schützt. Die lebendige und des Fleischkonsums einzutreten. ländliche Räume erhalten will und Weniger ist mehr, so lautet die Devise – für die ein achtsamer Umgang mit dafür in guter Qualität und zu fairen Tieren von besonderer Bedeutung Preisen. Bauern, Bäuerinnen und ist. Zudem bleibt mit einer solchen Konsument/innen gründen gemeinsam Landwirtschaft die lokale und globale Produktionsgemeinschaften im Gerechtigkeit nicht auf der Strecke. Rahmen der solidarischen Landwirt- Nur mehr schaft. Züchter erhalten die Dieser positive gesellschaftliche Auf- Druck auf die alten Tierrassen. Handwerkliche bruch steht jedoch im diametralen Fleischindustrie verändert die Strukturen

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Gegensatz zu der Entwicklung des hat sich die Debatte um die Haltung Kauf- industriellen Fleischsektors in von Sauen, die noch immer einen entscheidungen Deutschland, denn es werden immer Teil ihres Lebens qualvoll in werden nicht mehr neue Megaställe genehmigt. Die engen Kastenständen verbringen nur vom Preis Bundesregierung und die Fleisch- müssen, neu entfacht und endlich bestimmt industrie setzen tatsächlich auf eine zu einer kritischen Debatte in Ausweitung der Fleischproduktion Deutschland geführt. In Niedersachsen und eine immer stärkere Export- und Mecklenburg-Vorpommern orientierung. Immer mehr Schweine dürfen ab 2017 in der Geflügelhaltung und Hühner finden deshalb aus keine Schnäbel und in Nordrhein- deutschen Landen ihren Weg auf Westfalen den Schweinen nicht mehr den Weltmarkt, während die die Ringelschwänze gekürzt werden. Bürgerinnen und Bürger neue Wege Beides war jahrelang gängige Praxis, des nachhaltigen Konsums suchen. da sich die Tiere aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen sonst iese Gegensätze möchte der häufig verletzen. Fleischatlas Regional aufzeigen. D Er wirft den Blick in die ll diese ersten Schritte hätte es deutschen Bundesländer und zeigt ohne den öffentlichen Druck beispielhaft, wie die gesellschaftlichen A auf die Fleischwirtschaft Ansprüche und die Realität der nicht gegeben. Der Fleischatlas Regional Tierproduktion oftmals auseinander- liefert Daten und Fakten, die helfen, klaffen. Immer mehr mittlere und dass der politische Druck auf kleine Betriebe geben die Tierhaltung die Bundes- und Landesregierungen auf, während neue Megaställe weiter wächst und eine grundlegende bewilligt werden – Nitratbelastung der Trendumkehr eingeleitet wird. Böden, prekäre Arbeitsbedingungen Der Wandel in der Tierhaltung ist und Verstöße gegen das Tierschutz- keine Bedrohung für den Berufsstand, recht inklusive. Aber der Atlas zeigt sondern eine Chance für eine auch, dass es Möglichkeiten der zukunftsorientierte bäuerliche Land- politischen Gestaltung gibt. So hat wirtschaft. beispielsweise Sachsen-Anhalt im letzten Jahr als erstes Bundesland einem der größten Sauenhalter der Republik die Haltung der Tiere verboten, nachdem gravierende Barbara Unmüßig Hubert Weiger Verstöße gegen den Tierschutz Heinrich-Böll-Stiftung Bund für Umwelt und bekannt geworden waren. Dadurch Naturschutz Deutschland

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DER GROSSE STRUKTURWANDEL

Viehhaltung und Fleischproduktion in Deutschland ändern sich schnell. Fast überall geben Betriebe auf. Doch die Erzeugung steigt, und bei gleichbleibendem Verbrauch nehmen die Exporte zu.

n Geld gemessen, ist die Landwirtschaft in gleichzeitig möglich sind. Bauernhöfe, auf denen Deutschland nur noch wenig bedeutend. Ge- mehrere Tierarten gehalten werden, werden da- I meinsam mit Fischerei und Forstwirtschaft mit immer mehr zur Ausnahme. macht sie weniger als ein Prozent der gesamten Während die Erzeugung von Geflügelfleisch Wirtschaftsleistung aus und beschäftigt gerade in Deutschland seit 1994 um mehr als drei Viertel einmal 1,5 Prozent der Erwerbstätigen. Die Tier- gestiegen ist, ging nach Angaben des Statistischen haltung ist ihr wichtigster Produktionszweig. Von Bundesamtes die Zahl der Betriebe, die Masthüh- den über 50 Milliarden Euro, die die deutschen ner halten, um 95 Prozent von knapp 70.000 auf Landwirte und Landwirtinnen erwirtschaften, 4.500 zurück. Bei der Schweinefleischerzeugung Bauernhöfe entfallen etwa 11 Milliarden Euro auf die Milch- ergibt sich ein ähnliches Bild: Nahm die Produk- mit mehreren erzeugung, 7,5 Milliarden Euro auf Schwei- tion in den letzten zwanzig Jahren um fast die nefleisch, 4 Milliarden Euro auf Rind- und Hälfte zu, sank die Zahl der Betriebe um fast 90 Tierarten werden Kalbfleisch und etwa 2,3 Milliarden Euro auf Prozent auf etwa 27.000. 1994 gab es noch mehr immer mehr Geflügelfleisch. Die Erzeugung von Geflügel- Schweinehalter als Milchviehbetriebe in Deutsch- zur Ausnahme und Schweinefleisch ist in den letzten zehn Jah- land. Heute sind es fast dreimal mehr Milchbetrie- ren stark angestiegen. be als Schweineerzeuger, obwohl auch fast zwei Der deutliche Zuwachs der Erzeugung ging Drittel die Milcherzeugung aufgegeben haben. mit einem drastischen Strukturwandel einher. Die Milcherzeugung nahm wegen der bis Ap- Mithilfe neuer Produktionsmethoden wie Melk- ril 2015 geltenden Quotenregelung nur um etwa maschinen, automatisierter Fütterung oder Stäl- 15 Prozent zu. Die Milchquote wurde 1984 einge- len mit Spaltenböden, die das Ausmisten unnötig führt, um Überproduktion, Preisverfall und Struk- machen, können mehr Tiere mit weniger Arbeits- turwandel zu begrenzen. Jedem europäischen kräften versorgt werden. Gleichzeitig steigt die Mitgliedsland stand eine feste Produktionsquote Fleischmenge pro Tier durch Züchtung und inten- für Milch zu. In Deutschland wurde diese Quote sivere Fütterung. Nur so sehen viele Familienbe- auf die einzelnen milcherzeugenden Betriebe triebe, die immer noch den größten Teil der deut- verteilt. Wenn ein Betrieb mehr als die ihm zur schen Landwirte stellen, eine Möglichkeit, ihre Verfügung stehende Menge produzierte, musste Produktion fortzuführen. Die neuen Methoden er eine zusätzliche Abgabe zahlen. Am 31. März erfordern in der Regel beträchtliche Investitionen 2015 ist die Milchquote ausgelaufen, die Produk- in Maschinen und Gebäude. Dies führt einerseits tion steigt. Seitdem sinkt der Preis stetig. dazu, dass Betriebe, die sich das nicht leisten kön- Während die Erzeugung von Fleisch und Milch nen, ausscheiden. Andererseits fördert es die Spe- in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen zialisierung in der Landwirtschaft, da große Inves- hat, blieb der Verbrauch relativ konstant oder titionen meist nicht in mehreren Betriebszweigen wuchs deutlich langsamer als zuvor. 1994 impor- tierte Deutschland noch mehr Schweine- und Ge- flügelfleisch als es exportierte. Durch den Produk- tionsanstieg ist mittlerweile ein Exportüberschuss IMMER MEHR PRODUKTION 972 bei allen Fleischarten entstanden. Die Importe

Erzeugung tierischer Nahrungsmittel in Deutschland, DESTATIS / in 1.000 Tonnen und Veränderung in Prozent legten ebenfalls zu, allerdings langsamer als die Exporte. Bei Milch besteht seit Langem ein Aus- 1994 2004 2014 fuhrüberschuss, der in den letzten Jahren leicht Indexwerte (1994 = 100) angestiegen ist, nachdem mit Blick auf das Ende 548 der Milchquote die zulässige Produktionsmenge 5.507 REGIONAL FLEISCHATLAS angehoben wurde. Die Exporte in Länder außerhalb der EU finden 28.607 32.200 4.239 28.453 3.744 342 überwiegend in Form von standardisierten Pro- dukten wie Milchpulver, Schweinehälften und ge- 113 113 147 160 284 frorenen Hühnerteilen (Keulen oder Flügel) statt. 100 99 100 100 Damit diese Waren wettbewerbsfähig sind, müs- sen die Erzeugerpreise auf dem Niveau des Welt- marktes liegen. Um dies zu erreichen, setzen die Milch Schweinefleisch Hühnerfleisch meisten Betriebe auf Größenwachstum, um durch Rationalisierung die Kosten zu senken. Dies ist ein

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DIE KLEINEN VERSCHWINDEN

Rückgang von Tierhaltungen in bäuerlichen Betrieben, Flächenländer, 2013/15 gegenüber 2001 * DESTATIS /

-1.700 -600 -3.000

+600 Schweinehaltungen REGIONAL FLEISCHATLAS -13.800

-900 -1.000 -10.500

+1.000 Rinderhaltungen -9.600 +1.000 -1.400 -1.500 -6.800 +2.500 -11.300 +1.500 -3.100 -4.600 Hühnerhaltungen -2.800 -200 -27.800 -200 -16.500 -32.600 -1.400 -600 -12.100

-6.200

1 -500 -1.100 3 2 4 5 7 6 8 Zahl der Tierhaltungen -6.300 9 12 -1.400 10 11 -2.450 Abnahme +3.927 Zunahme -1.000 13 14 16 -4.400 15

-2.700 aufgegebene Betriebe, Neugründungen, 1 Schleswig-Holstein 9 Nordrhein-Westfalen in Prozent in Prozent 2 Mecklenburg-Vorpommern 10 Hessen -200 3 Hamburg 11 Thüringen -20 bis -40 20 bis 40 -7.800 4 Bremen 12 Sachsen -40 bis -60 40 bis 60 5 Niedersachsen 13 Rheinland-Pfalz -10.600 6 Sachsen-Anhalt 14 Saarland -60 bis -80 7 Berlin 15 Baden-Württemberg über -80 Stadtstaaten 8 Brandenburg 16 Bayern

* Mehrfachnennungen durch Betriebe mit verschiedenen Tierhaltungen möglich. Letzte Zählung von Rinder-/Schweinehaltungen: 2015, letzte Veröffentlichung Schweinehaltungen Saarland: 2013. Letzte Zählung von Hühnerhaltungen einschl. Legehennen: 2013.

weiterer Treiber des Strukturwandels und lässt Der Zukauf von Futtermitteln hat bei der Zu- den Betrieben kaum Spielraum, um in Tier- und nahme der Fleischproduktion eine Schlüsselbe- Umweltschutz zu investieren. deutung. Sojaschrot als wichtige Futterkompo- Die europäischen Exporte sind dabei immer nente für die intensive Fleischerzeugung ist das weniger von unmittelbarer staatlicher Unterstüt- wichtigste Agrarimportprodukt für die EU und zung abhängig. Die EU zahlt seit einigen Jahren Deutschland. 80 bis 90 Prozent des in Deutschland keine direkten Exportsubventionen mehr. Der verfütterten Sojaschrots geht in die Fleischerzeu- Großteil der Hilfsgelder wird als von der Produk- gung, der Rest in die Milchproduktion. Mit der Wer in tion unabhängige Flächenprämien in Höhe von zunehmenden Fleischerzeugung haben auch etwa 300 Euro pro Hektar gezahlt. Sie ermögli- die Sojaschrotimporte zugenommen – in den Größe investiert, chen es den Landwirten, zu Preisen zu verkaufen, letzten 20 Jahren um über ein Drittel auf über kann das nur für die nicht die vollen Produktionskosten decken. 4,5 Millionen Tonnen. eine Tierart Sie sind für die verschiedenen Erzeugnisse Die europäischen Sojaimporte kommen tun aber unterschiedlich relevant. Die Hühnermast ganz überwiegend aus Südamerika, vor allem findet meist „flächenlos“ statt. Die Betriebe bau- Brasilien und Argentinien sowie Paraguay. Dort en das Futter nicht mehr auf eigenen Flächen an, werden jetzt vor allem die Savannen gerodet, um sondern kaufen es überwiegend zu. Von den Flä- neue Flächen für den Sojaanbau zu schaffen. So chenprämien profitieren sie nur indirekt. Auch steht der Fleischverzehr hier in einem direkten die Schweineerzeugung entwickelt sich in diese Gegensatz zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Richtung. Lateinamerika.

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ES IST NOCH NICHT VORBEI

Seit 2012 wurden viele neue Anlagen für Masthähnchen und Schweine beantragt und genehmigt – trotz Umweltbelastung, Tierwohldiskussion und Überproduktion. Die Zentren bilden Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

roße Tierhaltungsanlagen sind in Deutsch- unbestimmt“ sei. Auch aus Bayern liegen keine land genehmigungspflichtig. Seit 1974 re- Daten vor. G gelt das Bundes-Immissionsschutzgesetz Dennoch: Nachweislich wurden bundesweit (BImSchG) westdeutsch und seit 1990 bundesweit für Schweine mindestens 720.000 neue Plätze einheitlich, unter welchen Bedingungen Tierhal- beantragt, davon mindestens 420.000 für Mast- tungsanlagen betrieben werden können. Ziel des schweine. Für Geflügel sind Anträge über min- immissionsschutzrechtlichen Verfahrens ist der destens 10,8 Millionen Plätze belegt, darunter Schutz der Menschen und der Umwelt sowie der mindestens 6,65 Millionen für die Mast, überwie- Menschen, die in den genehmigungspflichtigen gend von Hähnchen. Trotz einiger Lücken ist er- Ställen arbeiten. kennbar, dass die Intensivierung vor allem in den Informationen über die geplanten Stallneu- Regionen weitergeht, in denen schon heute viel bauten sind in den meisten Bundesländern nicht zu viele Tiere gehalten werden und die Grundwas- frei zugänglich. Lediglich Sachsen-Anhalt infor- serqualität durch die hohe Nitratbelastung bereits miert regelmäßig über Anträge für Mastanlagen. schlecht ist. Aufgrund dieser Informationslücke hat der Für die Schweinehaltung bieten Nordrhein- Neue Anlagen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutsch- Westfalen und Niedersachsen die bedeutendsten werden nicht mehr land (BUND) nach dem Umweltinformations- Standorte für die neuen Anlagen. Der Kreis Vechta, so leicht genehmigt gesetz Angaben zu den Tierhaltungsanlagen an Cloppenburg grenzend, bleibt die Toplage für – der Widerstand abgefragt. Die Daten kommen teils von den die Schweineindustrie. Im Jahr 2010 gab es dort wächst zuständigen Landesministerien, teils von den knapp 800 Schweinemastbetriebe mit insgesamt Landkreisen, bei denen die Anträge eingereicht 1,06 Millionen Tierplätzen. Allein 2013 und 2014 werden müssen. In einigen Kreisen konnten we- sind dort über 87.000 neue Plätze genehmigt wor- gen der hohen Bearbeitungskosten keine Daten den – mehr als in ganz Schleswig-Holstein oder erhoben werden, andere stellten keine Informa- Hessen. Ähnlich sieht es auch im niedersächsi- tionen zur Verfügung. Ausgerechnet der nie- schen Emsland aus. Dort wurden zwischen 2013 dersächsische Landkreis Cloppenburg, einer der und 2015 weitere 38.000 Schweineplätze geneh- wichtigsten Standorte für die deutsche Fleisch- migt, und zusätzliche knapp 12.000 Plätze sind be- produktion, sperrte sich, weil die Anfrage „zu antragt – mehr als in ganz Brandenburg. In NRW sind mindestens 50.000 neue Plätze beantragt. In Wirklichkeit sind die Zahlen weitaus höher, weil etwa 70 weitere Anlagen beantragt wurden, bei LANGSAMES ABNEHMEN BVDF /

denen die Platzzahlen aus den Landkreisen nicht Fleischverbrauch und -verzehr Verbrauch Verzehr je Kopf der Bevölkerung, in Kilogramm* Rind, Kalb an das Landesministerium gemeldet wurden. Schwein Naturgemäß werden die Megaanlagen der Geflügel Hähnchenmast für wesentlich höhere Platzzahlen 54,6 53,6 53,4 ausgelegt als für Schweine – im niedersächsischen 53,0 REGIONAL FLEISCHATLAS Emsland ist zum Beispiel eine Anlage für 320.000 Hähnchen genehmigt. Auch in anderen Regio- nen, in denen es bereits viele solcher Ställe gibt, 39,4 38,7 38,5 38,2 kommen weitere hinzu. Innerhalb der letzten 20 Jahre ist die Zahl der genehmigungspflichtigen Plätze für Mastgeflügel in Brandenburg von 6,8 auf 11,8 Millionen gestiegen – und alleine in Bran- denburg wurden seit 2012 zusätzliche fast 1,2 Mil- 19,0 19,0 19,4 19,5 lionen Mastplätze beantragt. In Sachsen wurden etwa 710.000 und in Sach- 13,1 13,2 13,1 12,9 11,3 11,3 11,5 11,5 sen-Anhalt fast 850.000 Plätze beantragt. Solche 9,0 9,1 9,0 8,9 Zahlen sind jedoch nicht als absoluter Zuwachs zu sehen, sondern drücken den Strukturwandel aus. 2011 2012 2013 2014 Denn immer mehr kleine Betriebe schließen oder

*2014 vorläufig. Verbrauch: Nahrung, Verfütterung an Tiere, industrielle Verwertung, Verluste, einschließlich Knochen. geben ihre Tierhaltungen auf, die sich dafür auf Verzehr: Nahrung; darin sind etwa 4,3 Kilogramm Fleisch- und Wurstabfälle im Endverbrauch enthalten. immer weniger, aber größere Agrarunternehmen konzentrieren.

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MEGASTÄLLE IN SICHT Nachgewiesene Zahl der Tierplätze, für die von 2012 bis 2015 Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beantragt wurden, nach Flächenländern und Produktionsrichtung FLEISCHATLAS REGIONAL / BUND / REGIONAL FLEISCHATLAS 61.838 Mastschweine 407.000 Mastgefl ügeltiere 745.880 Mastgefl ügeltiere 7.789 Sauen 41.734 Ferkel 35.685 Mastschweine 2.900 Sauen 17.136 Ferkel Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern

1.974.073 Masthähnchen 420.539 Gefl ügel 19.110 Puten 1.197.516 Masthähnchen 59.900 Puten

Niedersachsen

151.117 Mastschweine 836.199 Masthähnchen Brandenburg* 3.045 Sauen 12.290 Puten 19.656 Ferkel 12.729 Mastschweine 53.203 Mastschweine 3.235 Sauen 10.235 Sauen 6.240 Ferkel 35.494 Ferkel 729.919 Mastgefl ügeltiere 51.436 Puten Sachsen-Anhalt Nordrhein-Wesfalen Sachsen Thüringen 49.832 Mastschweine 2.983 Sauen Hessen 33.377 Ferkel 13.858 Mastschweine 33.500 Puten 17.099 Sauen 7.000 Gänse 39.900 Masthähnchen 91.296 Ferkel

733 Mastschweine 20.979 Mastschweine 261 Sauen 2.366 Sauen 2.820 Ferkel 700 Ferkel 714.478 Mastgefl ügeltiere

68.420 Puten Bayern: keine Angaben

Baden-Württemberg 19.932 Mastschweine 3.115 Sauen

* inklusive Änderungsanträge bei unklarer Ausgangszahl

Beschaulicher als im Norden und Osten geht es wirtschaft bisher noch stärker von bäuerlichen in den südlicheren Bundesländern zu. In Baden- Betrieben geprägt. Insgesamt sind die Anlagen Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, wo meist etwas kleiner ausgelegt als in den Jahren die Tierdichte ohnehin geringer ist, wird seltener zuvor. Denn die Genehmigungsverfahren sind auf Megamastanlagen gesetzt. In Hessen wurde schwieriger geworden, und vielerorts regt sich eine Anlage mit etwa 40.000 Masthähnchen bean- Widerstand. BUND-Gruppen allein stoppten im tragt, doch ist dies ein Einzelfall. Dort ist die Land- Jahr 2014 rund 30 Megamastanlagen.

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MINDESTLOHN FÜR MINDEST-IMAGE

Schlechter Ruf, öffentlicher Druck und politische Maßnahmen verändern die Fleischbranche – langsam. Doch die Arbeit wird nicht weniger hart, und die Rumänen und Bulgaren werden ihre ausbeuterischen Vermittler nicht los.

ie Fleischproduktion war früher ein Hand- land verteilt, denn jeder große Fleischkonzern, werk, in dem gute Löhne gezahlt wurden. aber auch so manch kleiner Betrieb, arbeitet mit D Doch heute hat die Branche einen derart den Subunternehmen. schlechten Ruf, dass ein Arbeitskräftemangel be- Aufgrund des Lohngefälles zwischen den EU- steht, der mit deutschen Arbeitnehmern aus dem Staaten lohnt sich die harte Arbeit. Zumindest Umland der Schlachthöfe kaum zu decken ist. Von hoffen das die meisten. In der Regel lassen sie ihre 9.500 Auszubildenden im Jahr 2000 sank die Zahl Familien zurück und bleiben selten länger als im Fleischereigewerbe auf 3.700 im Jahr 2014. zwei Jahre in Deutschland, manchmal nur einige Heute ist die Fleischwirtschaft in Deutschland Monate. Die Fluktuation ist hoch. Ein Subunter- ein Geschäft, das von schlechten Arbeits- und nehmer kann sich auf vielen Wegen an ihnen be- Lohnverhältnissen bestimmt ist. Unter den 30.000 reichern: indem er sie in überbelegten Mietwoh- Beschäftigten, die hier schlachten und zerlegen, nungen unterbringt, die sich in den ländlichen sind ein Drittel Südosteuropäer, schätzt die Ge- Gegenden nahe ihrer Arbeitsplätze befinden, werkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). sowie durch überhöhte Mieten und Fahrkos- Der größte Teil stammt aus Rumänien und Bulga- ten für den Transport zur Arbeit, die direkt vom rien, viele auch aus Polen, Ungarn, der Slowakei Lohn abgezogen werden. Und Arbeiter beklagen, und Tschechien. dass sie ihre Ausrüstung selbst bezahlen müssen. Deren Entsendung in Schlachthöfe und An solchen Praktiken ändert auch der Mindest- Fleischverarbeitungsbetriebe war bis zur Einfüh- lohn wenig. rung des Mindestlohns für die Vermittler aus- Die Entsendearbeiter haben kaum Chancen, gesprochen lukrativ. Löhne zwischen fünf und sich gegen arbeitsrechtliche Verstöße zu wehren. Die Arbeit der acht Euro waren normal, aber auch Fälle von Dies liegt unter anderem an der intransparenten Löhnen unter fünf Euro wurden bekannt. Über Buchführung der Subunternehmer. Aber auch Gewerkschaft ist Subunternehmer wurden sie zur Arbeit nach sonst wird getrickst: Firmennetze werden auf- mühsam – und Deutschland geschickt, waren aber offiziell in gezogen, aufgelöst und neu gegründet. Hinzu ihr fehlt politische ihren Herkunftsländern angestellt. Da die Ent- kommen die Sprachbarrieren, verschleppte Zeit Unterstützung sendearbeiter offiziell in Deutschland nicht in und mangelnde Ressourcen der Behörden. Auch einem arbeitsvertraglichen Verhältnis standen, eine Klage ist für die Werkvertragsnehmer häufig entfielen auch die Sozialabgaben. Sie mussten in nicht sinnvoll. Das Risiko, bei verlorenen Prozes- den Herkunftsländern durch die Subunterneh- sen die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, mer gezahlt werden, doch das unterblieb häufig, ist für die meisten Arbeitnehmer nicht akzeptabel. oder es passierte nur teilweise. Zudem brauchen selbst kleine Prozesse meist Mo- Die Konzerne der Fleischbranche haben im nate. Viele potenzielle Kläger sind dann längst an Oktober 2015 verkündet, bis Mitte 2016 die Ent- einem andern Standort oder in der Heimat. Ent- sendung völlig durch sozialversicherungspflich- sprechend schwer haben es die Gewerkschaften, tige Werkverträge zu ersetzen. Der Mindestlohn Verstöße zu melden. Dabei beklagt die NGG, nicht und öffentlicher Druck haben dazu geführt, dass genug Rückhalt aus der Politik zu erhalten. Außer- viele Subunternehmen nun in Deutschland ansäs- dem müssen Belegschaften organisiert werden, sig sind und ihre Arbeiter an deutsche Schlachthö- die häufig nur ein bis zwei Jahre oder kürzer in fe vermitteln. Doch viele bereits per Werkvertrag den Betrieben bleiben, also kaum für langfristige Beschäftigte klagen nun, dass ihnen Lohn vorent- Arbeitskämpfe zu motivieren sind. Zudem haben halten wird und die Abrechnungen von Lohnne- viele Entsendearbeiter aufgrund der starken Ab- benkosten und Sozialabgaben durch die Subun- hängigkeit Angst, sich kritisch zu äußern oder gar ternehmer betrügerisch sind. zu engagieren. Bei dem rentablen Geschäft mit In der Fleischverarbeitung, die in der Produk- den Entsendearbeitern geht es für die verstrickten tionskette auf das Schlachten und Zerlegen folgt, Firmen um Millionenbeträge. sind offiziell 80.000 Personen beschäftigt. Nach Allerdings wandelt sich die Branche. Man- Angaben der NGG sind es sogar mehr als 140.000. che Fleischkonzerne versuchen, den Imagescha- Auch hier kommen viele Arbeitskräfte aus Südost- den der letzten Jahre zu korrigieren. Doch auch und Ostmitteleuropa hinzu. Ihre Zahl ist selbst für wenn die gravierendsten Mängel beseitigt sind, Brancheninsider nicht zu schätzen. Die Einsatzorte bleibt die Arbeit in der Fleischbranche eine kör- der Arbeiter und Arbeiterinnen – hier sind auch perlich wie psychisch herausfordernde Arbeit mit viele Frauen beschäftigt – sind in ganz Deutsch- schlechten Arbeitsbedindungen und Löhnen.

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TOTE TIERE AM KETTENZUG Schlachtungen nach Fleischkonzernen und Bundesländern, 2014 AFZ, DESTATIS AFZ, / 68,0 Mio. € Schlachtung der je zehn größten Verarbeiter von Rindern, Schweinen und Geflügel, mit Firmensitz, 1,7 Mio. Frisch- 80.000 Schlachtzahlen (Rinder, Schweine) oder Umsatz (Geflügel) Böseler Geflügel Goldschmaus Claus 92.000 Firmensitz Standard- REGIONAL FLEISCHATLAS 1,4 Mio. 800 Mio. € Fleisch 2,3 Mrd. € Teterower BMR Sprehe-Gruppe 550 Mio. € Fleisch Rinder Geflügel Schlachthof Schweine Geflügel in Euro Garrel Plukon Teterow Deutschland 1,5 Mio. 160.000 2,6 Mio. Westerstede PHW-Gruppe Vogler- Bahlmann Fleisch Danish 64,0 Mio. € Luckau Oldenburg Crown Lorup Garrel Rechterfeld Die Säulenhöhen 1,0 Mrd. € Fleisch Steinfelder entsprechen Lindern Premium Essen/O. Visbeck 75.000 700 Mio. € dem Umsatz. Rothkötter- Geflügel Meppen Steinfeld Gruppe Heidemark Steinemann Die Säulenhöhen 250.000 25 Mio. Schöppingen für Schlachtungen Dissen Haldensleben 255.000 2,5 Mio. stehen im 1,5 Mio. Ostbevern Verhältnis 1:10:100. Tummel Münster Rheda-Wiedenbrück Gausepohl Delbrück Qualitäts- 166 Mio. € fleisch Düsseldorf 131 Mio. € Gewerbliche Schlachtung von Tieren in- und ausländischer Vossko 17,0 Mio. 8,9 Mio. Herkunft in Schlachthöfen nach Bundesländern 405.000 Borgmeier 797.000 110 Mio. € kein Schlachthof 7,7 Mio. Tönnies- Vion Food Heinrich Gruppe 350.000 Nölke 262.000 Westfleisch 500.000 349,1 Mio. 230.000 1,0 Mio. 131.000 Wittlich Schleswig-Holstein 440.000 Simon Wittlich 19,0 Mio. Mecklenburg- Vorpommern 70.000 790.000 1,1 Mio. Bremen 36.000 303.000

554.000 Brandenburg Birkenfeld 19,4 Mio. 1,8 Mio. Niedersachsen 3.600 4,7 Mio. Müller-Gruppe Emmendingen 681.000 34,6 Mio. Sachsen-Anhalt 28.000 484.000 1,0 Mio. 158.000 76.000 11.000 128.000 Hessen Färber Sachsen Nordrhein-Westfalen Thüringen 1,2 Mio. 64.000 36.700 Rheinland-Pfalz 77,2 Mio. 1.900 8.300 261,1 Mio. 5,0 Mio. 734.000 Saarland Die amtliche Statistik erfasst die Geflügelschlachtungen 445.000 5,2 Mio. 10 Bundesländer vollständig, veröffentlicht aber für sieben Flächenländer 2,9 Mio. und drei Stadtstaaten mit je weniger als sechs Geflügel- schlachtern die Zahlen nicht. Damit sollen Rückschlüsse Bayern auf einzelne Unternehmen verhindert werden. Etwa ein Baden-Württemberg Drittel aller gewerblichen Geflügelschlachtungen ist somit nicht geografisch eindeutig darstellbar.

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KAMPF UM DIE CHEMISCHE KEULE

Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel mit weltweitem Milliarden- Umsatz. Nebenwirkung: Es macht Pflanzen resistent, die es eigentlich zerstören soll. Ob die Agrochemikalie auch Krebs verursachen kann – darüber streiten in der EU die Fachleute mit ungleichen Waffen.

twa 80 Prozent der Deutschen meinen, dass Wirkstoff Glyphosat. Der Wirkstoff ist ein Breit- Pestizide in Lebensmitteln eines der größten bandherbizid und tötet alle Pflan- E Risiken für unsere Nahrung sind. Das ist ei- zen – bis auf die gentechnisch veränderten. Ver- nes der Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie, kauft werden weltweit jährlich mehr als 720.000 die schon im Jahr 2008 vom Bundesministerium Tonnen Glyphosat. Der Marktwert liegt bei ge- für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher- schätzten 5,5 Milliarden Dollar, die geschätzte schutz veröffentlicht wurde. Dennoch steigt in Wachstumsrate bei über sieben Prozent. Nur die Deutschland Jahr für Jahr der Einsatz von Pestizi- Der weltweite Hunger auf Fleisch ist einer der gentechnisch den, um gegen Pilze, Ackerkräuter, Schädlinge, großen Treiber für dieses Geschäft. Denn die als Nager und vieles mehr vorzugehen. Zwischen Futtermittel verwendeten gentechnisch verän- veränderten Pflanzen 2004 und 2014 hat sich die Menge der verkauf- derten Sojapflanzen sind gegen den Wirkstoff re- sollen das Herbizid ten Wirkstoffe (ohne Kohlendioxid) von etwa sistent. Damit kann er vor der Aussaat eingesetzt überleben 30.000 auf 35.000 Tonnen erhöht. Der Indust- werden, um die Felder vom Unkraut zu befreien, rieverband Agrar berichtete vom Geschäftsjahr und während des Aufwuchses, um unerwünsch- 2014, dass die agrochemischen Unternehmen mit te Ackerkräuter fernzuhalten. Je mehr Fleisch die 1,6 Milliarden Euro das dritte Mal in Folge ihren Menschen essen, desto mehr gentechnisch ver- Umsatz steigern konnten. ändertes Soja wird als Futtermittel angebaut, und Am stärksten steigt in Deutschland und welt- desto mehr Glyphosat kommt zum Einsatz. weit der Verbrauch von Unkrautbekämpfungs- Daher wird Glyphosat meist in Südamerika mitteln und von dessen am meisten verwendeten und den USA angewendet. In Argentinien hat sich der Verbrauch von Wirkstoffen, die Unkräuter vernichten, in den letzten zehn Jahren mehr als verzehnfacht – von 19.300 auf 212.300 Tonnen. PFLANZEN, DIE SICH NICHT MEHR VERNICHTEN LASSEN Wieder ist der am meisten verwendete Wirkstoff Glyphosat-resistente Pflanzen, gemeldete Fälle weltweit Glyphosat. Das Mittel wird aus Flugzeugen auf die 32 Sonchus oleraceus, Gemüse-Gänsedistel Felder gespritzt, und der Wind verweht einen Teil

30 Bromus rubens, Fuchsschwanz-Trespe Chloris elata des Giftes. Ärzte und Zivilgesellschaft klagen, dass Brachiaria eruciformis dort Hautausschläge, Atemwegserkrankungen 28 Amaranthus hybr syn quitensis, Ausgebreiteter Amaranth Bindes pilosa und Krebs in erhöhtem Maß auftreten. 26 Amarnntus spinpsis, Malabarspinat In Deutschland wird Glyphosat auf etwa 40 Bromus diandrus, Großährige Trespe Prozent der Ackerflächen verwendet. In den 1990- 24 Leptochloa virgata ern stieg der Verbrauch stark an. In den letzten Raphanus raphanistrum, Acker-Rettich Jahren wurden kontinierlich zwischen 5.000 22 Poa annua, Einjähriges Rispengras Chloris truncata und 6.000 Tonnen des Wirkstoffs eingesetzt. Der 20 Conyza sumatrensis, Weißliches Berufkraut Marktanteil dieses Wirkstoffes an allen verkauf- Urochloa panicoides ten Herbiziden liegt bei 30 bis 40 Prozent. 18 Lolium perenne, Deutsches Weidelgras Cynodon hirsutus In der Europäischen Union fand 2015 eine Kochia scoparia, Besen-Radmelde 16 Bewertung von Glyphosat statt. Alle in der EU zu- Echinocloa colona,Schamahirse gelassenen Wirkstoffe müssen dieses Verfahren 14 Digitaria insularis Amaranthus tuberculatus regelmäßig durchlaufen, um die gesundheitliche Amaranthus palmeri, 12 Palmer Fuchsschwanz Unbedenklichkeit des Mittels feststellen zu lassen Sorghum halepense, Guineakorn und es in der europäischen Landwirtschaft ver- 10 Hedyotis verticillata Parthenium hysterophorus wenden zu dürfen. Im Oktober 2015 beendete die 8 Ambrosia trifida, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Ambrosia artemisiifolia, Dreiblättriges Traubenkraut Beifußblättriges Traubenkraut (EFSA) das Verfahren mit der Aussage, Glyphosat 6 Conyza bonariensis Plantago lanceolata, sei als unbedenklich für die menschliche Gesund-

Südamerikanisches Berufkraut WEEDSCIENCE.ORG / Spitzwegerich 4 Lolium perenne ssp. multiflorum, heit und als nicht Krebs erregend einzuschät- Conyza canadensis, Italienisches Raygras zen. Die endgültige Entscheidung darüber, ob 2 Kanadisches Eleusine indic, Indische Fingerhirse Glyphosat auf der Liste der erlaubten Mittel Berufkraut Lolium rigidum, Steif-Lolch 0 bleibt, trifft die EU-Kommission im nächsten Jahr. 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015

FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS Die Bewertung der EFSA ist dabei eine wichtige Grundlage.

14 FLEISCHATLAS 2016 15

FALSCHE HOFFNUNG AUF DAS ENDE DES „UNKRAUTS“ Europäische Länder mit Herbizid-resistenten Pfl anzen, gemeldete Fälle, Stand: 2014 9 Norwegen 9 Schweden

27 WEEDSCIENCE.ORG / REGIONAL FLEISCHATLAS Großbritannien 1 Niederlande 9 Dänemark 1 Litauen Irland 8 22 21 Polen Belgien 32 Deutschland 18 Tschechien Österreich

15 5 1 Ungarn 45 Schweiz 1 Frankreich Slowenien 8 Rumänien 5 Italien 4 Bulgarien Portugal 34 Spanien 30 17 10 Türkei

Griechenland Zypern 2

Um einschätzen zu können, wie sich Glyphosat Der Unbedenklichkeitsbefund des deutschen auf die menschliche Gesundheit in Europa aus- BfR stützt sich großteils auf Forschungen der In- wirkt, hatte die EFSA das Bundesinstitut für Risiko- dustrie. Das ist nicht unüblich – kaum sonst je- bewertung (BfR) mit einer Untersuchung beauf- mand hat so genaue Einblicke in die Auswirkun- tragt. Das BfR wertete in einer Metastudie mehr gen der jeweiligen Wirkstoffe wie die Industrie als 1000 Studien aus – Ergebnis: „nicht krebserre- selbst. Zugleich liegt dort das Problem: Nur dieje- gend“. Einige Monate später aber veröffentlichte nigen, die ein explizites ökonomisches Interesse die Internationale Krebsforschungsagentur IARC, an der Unbedenklichkeit eines Wirkstoffs haben, die zur Weltgesundheitsorganisation gehört, können dies wissenschaftlich be- oder widerle- einen eigenen Bericht. Auch die IARC wertet vor- gen. Zumal einige Studien, die in die Bewertung 40 Prozent handene Studien und Literatur aus – Ergebnis: einfl ossen, von den Firmen nicht oder nur zum „wahrscheinlich krebserregend“. Teil veröffentlicht wurden und sich damit völ- der deutschen Seitdem streiten sich die Fachleute und ihre lig der öffentlichen Diskussion entziehen. Äcker werden jeweiligen Unterstützer. Man wirft sich vor, un- Die EFSA hat sich der Bewertung des BfR mit Glyphosat wissenschaftlich gearbeitet zu haben, Ergebnisse angeschlossen. Dennoch fordern in einem of- behandelt über- oder unterzuinterpretieren und wichtige fenen Brief mehr als 100 internationale Wissen- Ergebnisse nicht in die Bewertung einbezogen zu schaftler den EU-Kommissar für Gesundheit und haben. Es geht um den Aufbau von wissenschaft- Lebensmittelsicherheit auf, dieser Bewertung lichen Experimenten und die Art ihrer Auswer- nicht zu folgen und Glyphosat im nächsten Jahr tung, mehr noch: um fehlende Transparenz, öf- nicht wieder zuzulassen. Denn es ist nicht zu über- fentliche Kontrolle und Demokratie im Agrar- und prüfen, ob das BfR oder die IARC recht hat – weil Ernährungssektor, in dem sich viele Big Player Firmengeheimnisse in den BfR-Bericht einfl ossen, tummeln. wird er nicht veröffentlicht.

FLEISCHATLAS 2016 15 16 SCHLESWIG HOLSTEIN

MIT WEIDEN UND WIESEN FÜR WASSER-, TIER- UND BODENSCHUTZ

SCHLESWIG-HOLSTEIN: Je mehr die Weidewirtschaft zurückgeht, umso gefährdeter sind die charakteristischen Knicklandschaften. Hecken und Baumreihen reduzieren die Winderosion, doch die Maismonokulturen brauchen Platz – und verderben obendrein die Gewässer.

chleswig-Holstein ist als überwiegend verdoppelt. Zwar säen einige Betriebe in einzel- flaches Land bekannt. Seine Böden unter- nen Orten inzwischen wieder Dauergrünland S scheiden sich in die Marschen entlang von ein, aber der Trend bleibt besorgniserregend. In Elbe und Nordsee, die Geest als Streifen in der weitaus mehr Regionen nämlich, auch in solchen Mitte und das Hügelland zur Ostsee hin. Agrarbe- mit großem Erosionsrisiko, füttern inzwischen triebe nutzen von der knapp eine Million Hektar viele Betriebe Kühe, Schweine und Geflügel zu- landwirtschaftlicher Fläche gut zwei Drittel als nehmend mit Mais und Importsoja anstelle von Ackerland und den Rest als Wiesen und Weiden, Gras. die den Boden das ganze Jahr über mit Pflanzen Negativ hat sich auch ausgewirkt, dass der bedecken und so vor Erosion schützen. Strom aus Biogasanlagen zu stabilen Preisen ver- Bodenverlust durch Wind ist in Schleswig-Hol- gütet wird, auch wenn die Energie aus Maismo- stein lange schon ein großes Problem. Ursprüng- nokulturen stammt. Zwar hat die letzte Novelle lich haben Wälder großflächig dafür gesorgt, dass des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den Zuwachs die Erde nicht verweht wird. Doch seit dem Mittel- neuer Biogasanlagen auf Maisbasis praktisch be- alter wurde der Wald abgeholzt oder mit Tieren endet. Doch da waren die Auswirkungen auf die beweidet, sodass er keine Chance hatte, nachzu- Böden bereits zu erkennen. Weil für Milch, Fleisch wachsen. Der häufig starke Wind trug fruchtbare und erst recht für Produkte aus Ökolandbau keine Erde davon und legte Sandschichten – manchmal Festpreise galten, konnten Biogasbetriebe zeit- in Dünenstärke – an anderen Orten ab. weilig mehr Pachtgeld und auch höhere Kaufprei- Die Geestböden sind mit ihrer dünnen Krume se für Agrarflächen bieten. über sandigem Boden besonders empfindlich. Auch die Anwohnerschaft, die Tourismusbran- Die Gülle Überweidung konnte die Flächen zerstören, che und Umweltschutzorganisationen begannen, verdirbt Nord- wenn die Grasnarbe ausgerissen wurde. Als sich über Maiswüsten zu empören und die Knicks Äcker genutzte Flächen konnten abgetragen zu retten. Hinzu kommt: Mais begünstigt Über- und Ostsee. Und werden, wenn die umbrochenen Felder zu lan- düngung, Nitratbelastungen im Grundwasser, die Lage bessert ge dem Wind ausgesetzt waren. Schnell droh- einen rasanten Artenverlust und wiederum stei- sich nicht ten Not und Abwanderung. Doch nach und gende Bodenerosion. Aktuell sinkt der Maisanbau nach entwickelten die Bewohnerinnen und Be- in Schleswig-Holstein leicht – um 3 Prozent 2014 wohner Methoden, um den Bodenschutz zu ver- und geschätzte 5 Prozent 2015. Doch noch im- bessern. Sie legten Knicks und Wallhecken an und mer sind es über 165.000 Hektar. Bei der Verwer- prägten mit ihnen eine neue Kulturlandschaft. tung sinkt der Biogasanteil und liegt aktuell bei Die heute so charakteristischen Pflanzungen 47 Prozent. Die Mehrheit der Flächen produziert sind im späten 18. Jahrhundert angelegt worden also inzwischen für die Tröge der industriellen und dienten auch als Weidebegrenzungen für Massentierhaltung. Eine Weidehaltung mit Maß das Vieh. Anfang der 1950er-Jahre legten Bauern kann stattdessen ebenso ökologisch sinnvoll zum planmäßig Windschutzhecken an, die mit ange- Bodenschutz beitragen wie eine Biogasanlage, die passten Pflanzenarten selbst im laublosen Winter zum Beispiel Kleegras zu Strom und Wärme verar- noch eine Dichte erzielen, die bis heute den Wind beitet. bremst und Erosion verhindert. Auch Wiesen und Die Intensivtierhaltung zählt zu den Hauptur- Weiden schützen vor Bodenverlust durch Wind. sachen für die Belastungen in den Gewässern des So wundert es nicht, dass mit 316.000 Hektar fast nördlichsten Bundeslandes – und damit auch in ein Drittel der Agrarfläche Schleswig-Holsteins als den Meeren vor seinen Küsten. Der Grad der Schä- Dauergrünland genutzt wird. digung ist alarmierend: 15,9 Prozent der Wasser- Doch es ist auf verschiedene Weise von indus- körper im Ostseeküstenbereich und 3,6 Prozent trieller Tierhaltung bedroht. Ställe ersetzen die der Wasserkörper im Küstenbereich der Nordsee Weiden für Milch- und Mastvieh, Weiden wer- sind bereits in – nach amtlicher Terminologie den zu Äckern umgepflügt. In einigen Regionen – „schlechtem“ Zustand. Mit der EU-Wasserrah- der Geest hat sich die Ackerfläche in weniger als menrichtlinie aus dem Jahr 2000 haben sich alle zwanzig Jahren von einem Viertel auf die Hälfte Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis 2015 alle Grund-

16 FLEISCHATLAS 2016 SCHLESWIG HOLSTEIN 17

SAND – AUS DEM BODEN IN DIE LUFT Facetten der Erosion in Schleswig-Holstein* Flensburg

Schleswig-Flensburg Topografi e – Naturräume und politische Gliederung nach Kreisen Rendsburg-Eckernförde Marsch Kiel Hohe Geest Nordfriesland Vorgeest

Hügelland UBA LLUR, STATISTIK-NORD.DE, / REGIONAL FLEISCHATLAS Plön Ostholstein Binnendünen Dithmarschen Neumünster

Segeberg

Lübeck Steinburg

Bodenerosion – Gefahr durch Auswehung Pinneberg stark gering Stormarn

Nordfriesische Lecker erhöht keine (Abspülung Marsch Geest Herzogtum Lauenburg Schleswiger mäßig durch Regen und Vorgeest Gewässer) Bredsteet- Husumer Geest

Eiderstedter Marsch Eider-Treene- Agrarstruktur – Anbaufl äche für Silomais in Prozent Niederung der Ackerfl äche und Wasserverunreinigung

unter 1 bis 25 Heide-Itzehoer-Geest 25 bis 50 Holsteinische Vorgeest 50 bis 75 über 75 Wasserqualität Barmstedt-Kisdorfer Geest schlecht Hamburger unbefriedigend RIng mäßig gut Lauenburger Geest

Dauergründland sowie Äcker für den Maisanbau, in 1.000 Hektar

478 467 485 403 Dauergrünland Silomais 314 316

79 176 181 40 49 5

1970 1980 1990 2000 2010 2013 * alle Darstellungen ohne Helgoland

wasservorkommen, das Wasser der Flüsse, der Umweltaufl agen abgesenkt wurden, wird das Ziel Seen und Küstengewässer der Nord- und Ostsee verfehlt. Die Bundesregierung zieht daraus jedoch in einen „guten“ ökologischen Zustand zu über- nicht die Konsequenz, der industriellen Landwirt- führen. Da die industrielle Tierhaltung und der in- schaft klare, bundesweit einheitliche Grenzen zu tensive Ackerbau mit synthetischen Düngern und setzen, sondern zielt auf eine Verlängerung der Pestiziden seither aber zugenommen haben und Frist bis 2027.

FLEISCHATLAS 2016 17 18

WO DIE MEGASTÄLLE STEHEN

MECKLENBURG-VORPOMMERN: Die Massentierhaltung zeigt Folgen. Nitrate im Boden, Ammoniak in der Luft, kaum neue Arbeitsplätze – doch die Landesregierung fördert unverdrossen weiter.

nzersiedelte Landschaften, eine lange Ost- gemästet, in drei Nachbarorten zusammen noch seeküste, kulturell interessante Städte, dazu einmal 216.000 Tiere. Ein weiteres Zentrum der in- U zahlreiche Nationalparks und Biosphären- dustriellen Tierhaltung befindet sich in Banzkow reservate – diese Mischung lockt Jahr für Jahr Hun- südlich von Schwerin. Hier stehen vier Legehen- derttausende Besucherinnen und Besucher in den nenanlagen für insgesamt 479.950 Hühner. Nordosten Deutschlands. Einen großen Teil seiner Die Massentierhaltung auf engstem Raum Attraktivität bezieht Mecklenburg-Vorpommern wirkt sich negativ auf die Tiere, aber auch auf die aus der Vielfalt seiner Äcker, Wiesen und Weiden Umwelt aus. So tragen gewaltige Mengen an Gülle mit Bauminseln, Hecken und Kleingewässern. Die und der Ammoniakausstoß der Anlagen dazu bei, landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst rund 63 Böden, Biotope, Grundwasser, Seen, Flüsse und Prozent der Landesfläche. Küstengewässer permanent mit Nitrat zu über- Die weit weniger idyllische Seite der Land- düngen. Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern wirtschaft bilden die sehr großen, an wenigen mittlerweile auf neun Prozent der Landwirt- Standorten konzentrierten Nutztierbestände. schaftsfläche ökologischer Landbau betrieben Zuschüsse Zwar werden in anderen Bundesländern in wird, ist das Grundwasser stark gefährdet: An fast absoluten Zahlen noch weit mehr Nutztiere jeder fünften der 260 Messstellen im Land wird für den Stallbau gehalten. Die Mast- und Zuchtanlagen in der zulässige Grenzwert von 50 Milligramm je Li- gehen meist an Mecklenburg-Vorpommern gehören jedoch ter überschritten. konventionelle zu den größten Deutschlands. Über zwei In der Schweinemast- und Sauenanlage in Los- Betriebe Drittel aller Schweine entfielen 2014 auf Be- ten bei Bad Kleinen, eine der größten Anlagen in triebe mit über 5.000 Tieren. Im Landesdurch- Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutsch- schnitt sind es 4.700 Tiere je Betrieb. Selbst der land, stehen 34.400 Schweine. Bei voller Auslas- Durchschnittswert von 1.280 Tieren pro Betrieb tung können hier jährlich bis zu 100 Millionen im „Schweineland“ Niedersachsen wird deutlich Liter Gülle anfallen. Diese gewaltige Menge muss übertroffen. auf Äckern und Grünland verteilt werden. Dass Eine der größten Ferkelfabriken Europas, die inzwischen ein Teil der Gülle in einer Biogasanla- Anlage bei Alt Tellin im Landkreis Vorpommern- ge in Energie umgewandelt wird, ändert nichts Greifswald, hat seit dem Jahr 2013 Platz für 10.458 an der Tatsache, dass der Nitratgehalt des Grund- Muttersauen mit jährlich ungefähr 250.000 Fer- wassers um die Ortschaft Losten herum seit vielen keln. In der im gleichen Landkreis gelegenen Jahren den Grenzwert überschreitet – aktuell um Rindermastanlage Ferdinandshof stehen 18.000 mehr als das Vierfache. Tiere. In Vorpommern-Rügen ist es Geflügel: In Dies ist allerdings keine neue Entwicklung. Bassin bei Grimmen werden 966.000 Hähnchen Bereits in der DDR lag hier ein Zentrum der indus-

MILLIONEN TIERE FÜR DEN FLEISCHKONSUM Nutzvieh in den sechs Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns, 2014 STATA MV, HBS MV HBS MV, STATA

200.000 200.000 3.500.000 / Rinder Schweine Geflügel

175.000 175.000 3.000.000

150.000 150.000 2.500.000 125.000 125.000

2.000.000 REGIONAL FLEISCHATLAS 100.000 100.000 1.500.000 75.000 75.000 1.000.000 50.000 50.000

25.000 25.000 500.000

0 0 0

Mecklenb. Seenplatte Landkr. Rostock Vorpommern-Rügen Nordwestmecklenburg Vorpommern-Greifswald Ludwigslust-Parchim

18 FLEISCHATLAS 2016 19

GROSSVIEH, GÜLLE UND GESTANK Das stechend riechende Gas Ammoniak ist in Behördlich gemeldete Ammoniak-Emissionen aus Anlagen der Intensivtierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg-Vorpommern der Luftschadstoff nur Betriebe ab 10 Tonnen/Jahr, 2012, und größte Tierhalter, 2014 Nummer eins. Es entsteht beim Abbau von Harn- stoff und Eiweiß in Exkrementen von Nutztieren. Rund zwei Millionen Tonnen werden jährlich in 60 bis 140 Tonnen Stralsund Mecklenburg-Vorpommern aus Anlagen der Rinder Intensivtierhaltung freigesetzt. Hohe Ammoniak- 20 bis 50 Tonnen Vorpommern-Rügen Schweine emissionen führen zur Versauerung von Böden, zur 10 bis 19 Tonnen Gefl ügel Überdüngung des Grundwassers und fördern die Bildung von gesundheitsschädlichem Feinstaub. MV HBS UBA, / REGIONAL FLEISCHATLAS Rostock 13 2 Greifswald 14

11 Wismar Güstrow Nordwestmecklenburg 16 10 8 4 Landkreis Rostock 9 5 Vorpommern-Greifswald 21 18 19 1 3 Neubrandenburg 17 Mecklenburgische Seenplatte 7 15 12 Parchim 6

Ludwigslust-Parchim 20

Schweinemastanlagen Hähnchenmast 4 24.000 Tierzucht Gut Losten 13 966.000 Gefl ügelhof Möckern, Bassin 5 18.540 SMA Todendorf 14 830.790 Mecklenburger Broiler-Farm, Dorf Jörnstorf 6 15 Drei größte Tierhaltungen 16.590 SMA Alt Zachun, Besendorf 390.000 WeHaFri-Gefl ügelmast, Tramm nach Produktionsrichtungen Sauenanlagen Legehennen und Zahl ihrer Tierplätze 7 19.140 Görtz Kublank 16 255.360 Wimex, Groß Stieten 8 10.458 Schweinezucht Alt Tellin 17 251.700 Gutshof-Ei Banzkow (Wimex) 9 10.385 Tierzucht Gut Losten 18 235.774 Friedländer Imm.- u. Beteil.ges., Friedland Rindermast Schweinemast- und Sauenanlagen Junghennen 1 18.470 Agrar GmbH Gut Ferdinandshof 10 19.058 Schweineproduktion Brenkenhof, Medow 19 329.984 wie 18 2 4.500 Mühlenhof Agrar, Rethwisch 11 11.935 Gut Bothmer Elmenhorst-Scheibler, Elmenhorst 20 78.000 Hof Gräpkenteich 3 2.500 Agrargesellschaft Hohen Wangelin 12 10.794 Quickhof, Herzberg/Woeten 21 46.400 Landw.betr. D. Böckermann, Bergfeld

triellen Tierproduktion. Die deutsche Einheit, die Stallbaus bezuschusst – und dies vor allem im kon- Neuordnung der Agrarbetriebe sowie ungünstige ventionellen Bereich. Im Jahr 2010 fl ossen allein Marktbedingungen führten zu einer Halbierung 12,7 Millionen Euro in Stallgebäude der Schwei- der Nutztierbestände. Politische Entscheidungen ne- und Gefl ügelhaltung. sollten diese Entwicklungen stoppen. So beschloss Die mehrheitlich in Landesbesitz befi ndliche die damalige Regierungskoalition aus SPD und Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH PDS im Jahr 1999, Landesfl ächen nur noch an organisierte bei etlichen Großstallbauvorhaben Landwirtschaftsbetriebe zu verpachten, wenn die Fördermittel aus dem AFP und übernahm die diese in Tierhaltungsanlagen investieren. Planungsverfahren, so zum Beispiel für zwei be- Der beabsichtigte Zuwachs an Arbeitsplätzen nachbarte Gefl ügelmastanlagen bei Klein Da- Das Land blieb jedoch aus, denn heutige Nutztierställe mit berkow im Landkreis Mecklenburgische Seen- ist permanent Tausenden Tieren sind in weiten Teilen automa- platte mit jeweils 200.000 Mastplätzen. Erst im überdüngt; vielerorts tisiert und brauchen wenig Personal. Trotzdem Jahr 2012 passte die Landesregierung ihre För- setzten die Landesregierungen aus SPD und CDU derkriterien an und setzte auf etwas mehr Tier- ist das Grundwasser ab 2006 die Förderung der industriellen Tierhal- schutz und ökologische Tierhaltung. Trotzdem stark belastet tung fort. Erhebliche Fördermittel aus dem soge- werden Stallneubauten in der konventionellen nannten Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) Gefl ügel- oder Schweinehaltung unter bestimm- fl ossen in zahlreiche Großställe. Das AFP ist als ten Umständen weiterhin gefördert. deutschlandweites Förderinstrument seit 1997 in Ein Ende der Förderung von Massentierhal- den neuen Bundesländern verfügbar. Zwischen tung ist nicht in Sicht. Immer weniger Tierhalter, 2007 und 2011 wurden damit in Mecklenburg- dafür eine hohe Konzentration von Nutztieren in Vorpommern 935 Agrarunternehmen mit knapp immer größeren Anlagen – das ist der Trend in 98 Millionen Euro insbesondere im Bereich des Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaft.

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GUTE NAHRUNG FÜR DIE STADT

HAMBURG, BREMEN, BERLIN: Die Stadtstaaten stellen für Biohöfe mit Fleisch-, Milch- oder Eiererzeugung einen großen Absatzmarkt dar. Zahlreiche Initiativen arbeiten daran, die urbane Kundschaft mit der regionalen Produktion zu vernetzen.

n Städten wurde traditionell mehr Fleisch gastronomischen Angeboten. Auch wenn bislang gegessen als auf dem Land. Denn wer urban nur 15 bis 20 Prozent der Biolebensmittel aus dem I wohnt, verdient durchschnittlich mehr Geld, Brandenburger Umland nach Berlin kommen, ist isst anders und mehr – vor allem tierische Produk- die Hauptstadtregion doch bemerkenswert inno- te. Doch heute scheint sich dieses Verhältnis um- vativ. Es gibt zahlreiche Initiativen und Projekte, zukehren. In der Schweiz zum Beispiel essen 46 die mit gutem Beispiel vorangehen und bei der Er- Prozent der Landbevölkerung an fünf oder mehr zeugung von Fleisch auf Umweltschutz, Tierwohl, Tagen pro Woche Fleisch – in der Stadt sind es nur direkte Beziehungen zwischen den Erzeuger/in- 32 Prozent. In den deutschen Stadtstaaten liegen nen und Verbraucher/innen und die Stärkung re- die monatlichen Ausgaben für Fleisch und Wurst gionaler Wirtschaftskreisläufe setzen. Viele kleine unter denen in den Flächenländern. In den Gleich mehrere Initiativen bieten die Möglich- großen Städten steigt die Zahl der Vegetarier/ keit, online zu bestellen und dabei auf anonymes Erzeuger sind innen und Veganer/innen. Einer Untersu- Massenfleisch zu verzichten. Der Versandhandel auf die Großstädte chung zufolge ernährten sich 2010 bundes- „Meine kleine Farm“ versieht die Produkte mit als Absatzmarkt weit bereits 1,6 Prozent der Bevölkerung ve- Fotos der Tiere, aus denen sie hergestellt sind: angewiesen getarisch, in Berlin waren es mit drei Prozent im Freiland artgerecht gehalten und von Betrie- fast doppelt so viele. Seither haben diese Zahlen ben im Berliner Umland. Auch „MyCow“ setzt auf deutlich zugenommen. Tierwohl und arbeitet mit Höfen in Brandenburg Bremen, das sich seit Kurzem „BioStadt“ nennt, und Mecklenburg-Vorpommern. Bestellt werden unterstützt schon seit Anfang 2010 den Veggi- können nur Pakete, die alle Teile der Kuh ent- day und kombiniert Ernährung mit Klimazielen: halten – denn Kühe bestehen eben nicht nur aus Donnerstags wird in vielen Bremer Haushalten, Steaks. Schulen, Kantinen und Restaurants ohne Fleisch Von den meisten Onlineanbietern werden die gekocht. Wenn 550.000 Menschen 52 Tage im bestellten Fleischprodukte direkt nach Hause ge- Jahr vegetarisch äßen, so die Initiatoren der Akti- liefert. Bestellt werden kann also auch vom Land

on, würde der Atmosphäre eine jährliche CO2-Be- aus – doch das Gros der Kundschaft kommt aus lastung von 40.000 Pkws pro Jahr erspart, rund 15 Berlin. Bei der „Food Assembly“ kann Fleisch eben- Prozent des Bremer Bestandes. falls ohne Umwege und Zwischenhändler/innen Der Biotrend ist besonders in Berlin sichtbar, bei Erzeuger/innen aus der Region geordert wer- auch beim Fleischkonsum. Nirgendwo in Europa den. Geliefert wird einmal pro Woche an eine von ist er stärker als in der Bundeshauptstadt – mit sechzehn Abholstellen in Berlin, wo sich Erzeuger/ 120 Bioläden, Bioabteilungen in ansonsten kon- innen und Verbraucher/innen zur Übergabe der ventionellen Supermärkten sowie unzähligen Ware persönlich treffen. In Berlin wie in Hamburg

HÖHERE PREISE FÜR DAS TIERWOHL BMEL / Bereitschaft und Grenzen, für Fleisch aus artgerechter Produktion mehr zu zahlen Allgemeine positive Äußerung gegenüber Spezielle Zahlungsbereitschaft für 250 Gramm Kotelett einem Preisaufschlag für mehr Tierwohl, mit einem Tierwohl-Label, Analyse 2015, in Prozent und Euro Meinungsumfrage 2015, in Prozent 100 Normalpreis (2,50 Euro) 90

doppelter Preis (5,00 Euro, REGIONAL FLEISCHATLAS 80 typisch für Bioprodukte) 3 2 70,2 Bereitschaft 70 Anteil Personen, die den 15 hoch 60 angegebenen Preis bezahlen würden Anteil Personen, die diesen eher hoch 50 43 eher gering Preis oder mehr bezahlen würden 40 35,2 überhaupt keine 30 36 weiß nicht, 20 15,8 keine Angabe 10 6,3 0 2,50 2,65 2,75 2,85 2,99 3,20 3,60 4,00 5,00 6,50 7,90 11,00 2,60 2,70 2,80 2,90 3,00 3,50 3,90 4,50 6,00 7,00 9,99 12,99

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WENIG VIEH UND KLEINE FLÄCHEN

Stadtstaaten im Überblick: Zahl der Nutz- und Schlachttiere sowie Anbauflächen der Ökobetriebe DESTATIS /

200 Bremerhaven Rinderhaltung, Bestand 2015 Geflügelhaltung, Bestand 2013 400

Schlachtzahlen, 2014 400 REGIONAL FLEISCHATLAS Rinder Schweine 6.259 419 Schafe und Lämmer Pferde 620 Hamburg 931 Ökolandbau 2013, in Hektar 2.500 792.006 Ackerbau Futterbau sonstige

Bremen

Anteil der Flächen im 1.111 100 Ökolandbau an der 210 10.187 Berlin gesamten Agrarfläche, 2013, in Prozent 200 731 3.800 600 9,2

100 Stadtstaaten

78.341 900 6,3

15 km Deutschland

und Bremen dienen auch die Wochenmärkte als deutsch „Ernährungsräte“, gebildet. Im angel- Einkaufsmöglichkeit. An Weser und Elbe bietet sächsischen Raum gibt es sie etwa in New York, To- „Cuxland Pur“ Wurst- und Fleischwaren aus eige- ronto, London und Bristol; in Berlin befindet sich ne Schlachtung von Tieren an, die der Familien- einer im Aufbau. Solche Ernährungsräte vernet- betrieb von Biobauern und -bäuerinnen aus der zen Stadt und Land und formulieren Visionen und Region bezieht. Forderungen für eine zukunftsfähige Ernährung Eine weitere Alternative zum Fleisch aus Mas- und Landwirtschaft. Durch die Vielzahl der Betei- sentierhaltung ist die „Solidarische Landwirt- ligten können sie sich auch zu einer Plattform für schaft“ (SoLaWi). In ihr verpflichten sich die Ver- die alternative Fleischerzeugung entwickeln. braucher/innen, über einen längeren Zeitraum an einen Hof in der Region feste Beiträge zu zah- len. Sie erhalten dafür einen bestimmten Anteil EIN INDIKATOR FÜR STÄDTISCHE NACHFRAGE der dort erzeugten Nahrungsmittel. Mit SoLaWis Zahl der Verkaufsstellen für Neuland*-Fleischprodukte, nach Stadtstaaten und können Erzeuger/innen weitgehend unabhängig Flächenländern, sowie Einwohnerzahlen im Vergleich von Marktzwängen und Subventionen wirtschaf- Berlin Hamburg Bremen Flächenländer NEULAND-FLEISCH.DE / ten, das Wohl der Tiere beachten und Ressourcen schonen. Verbraucher/innen wiederum wissen 1,8 0,7 Verkaufsstellen, Einwohner, 3,5 genau, wo und wie ihre Nahrungsmittel erzeugt Anzahl in Millionen werden. Neben Gemüse erzeugen einige SoLa- 38 Wis auch Fleisch, so auf dem Kattendorfer Hof bei FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS Hamburg. In dieser nach Demeter-Richtlinien ar- 147 80,5 beitenden Betriebsgemeinschaft erhalten die Mit- 76 glieder jede Woche ihren Ernteanteil an Gemüse, 20 74,5 Milch- und Milchprodukten und eben auch an 13 Fleisch und Fleischwaren.

Um ein breites Spektrum an Akteuren des * Siegel für „Qualitätsfleisch aus besonders artgerechter und umweltschonender Tierhaltung“ (Eigendarstellung), Ernährungssystems zusammenzubringen, ha- Kriterien weniger strikt als für das EU-Bio-Siegel. ben sich mancherorts „Food Policy Councils“, zu

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IM HEIMATLAND DER MASTBETRIEBE

NIEDERSACHSEN: Die Ernährungsindustrie verlangt große Betriebe – und bekommt sie auch. Nicht nur große Stallanlagen, sondern auch die Produktion von Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais prägt die Landschaft.

n Niedersachsen liegen nur 15,5 Prozent der genannten Heidekartoffeln. In den an Grünland Flächen, die in Deutschland landwirtschaftlich reichen küstennahen Gebieten wie Wesermarsch I genutzt werden. Und doch gilt Niedersach- und Ostfriesland wird vor allem Milch erzeugt. sen als Agrarland Nummer eins. Die Ausbeute In der Weser-Ems-Region liegt das Zentrum macht’s, und dies vor allem bei der Erzeugung der niedersächsischen Fleischproduktion. Hier tierischer Produkte. Zwei Drittel aller Masthühner werden die meisten der fast 65 Millionen Mast- und -hähne, fast 40 Prozent der Legehennen, aber hühner und 9 Millionen Schweine gehalten. Für auch mehr als 45 Prozent aller in Deutschland er- den Arbeitsmarkt ist die Tierhaltung besonders In Wietze zeugten Kartoffeln kommen aus Niedersachsen. in den Kreisen Cloppenburg, Oldenburg und bei steht Die Produktionsleistung hat in den letzten Emsland von erheblicher Bedeutung. Die Arbeits- 20 Jahren fast zu einer Vervierfachung der Aus- losenquote von unter fünf Prozent im Landkreis der größte euro- fuhr von Gütern der Ernährungsindustrie aus Vechta geht auch auf die dortige Ernährungsin- päische Gefl ügel- Niedersachsen geführt. Die Landwirtschaft ist dustrie zurück. schlachthof breit aufgestellt und hat sich je nach Region auf Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist verschiedene Produkte spezialisiert. Der Süden derweil stark zurückgegangen. Von rund 210.000 um Hannover, Hildesheim und Göttingen verfügt Höfen im Jahr 1960 werden heute nur noch unge- über Böden, die gut für den Anbau von Getreide, fähr 38.000 bewirtschaftet. Aktuell schrumpft die Raps und Zuckerrüben geeignet sind. Im Heide- Zahl der Betriebe, die weniger als hundert Hektar gebiet mit seinen leichten Böden wachsen die so- bewirtschaften; nur darüber steigt sie. Immer we-

GÜLLEEXPORT AUS WESER-EMS 1 Aurich Überregionaler Abtransport aus den Ställen Westniedersachsens*, 2 Wittmund Wirtschaftsjahr 3 Friesland 17 4 Wilhelmshaven 2013/14, 18 5 Emden in 1.000 Tonnen 2 3 4 6 Leer Region Lüneburg 7 Ammerland 1 8 Wesermarsch 9 Oldenburg Stadt

5 Hafen Brake 10 Emsland NDS LWK / REGIONAL FLEISCHATLAS 21 11 Cloppenburg 8 22 12 Oldenburg 19 20 6 7 13 Grafschaft Bentheim 9 14 Osnabrück 15 Vechta 16 Osnabrück Stadt Region Weser-Ems 28 490 26 12 17 Cuxhaven 10 11 25 18 Stade 23 24 19 Osterholz Kerngebiet der 20 Rotenburg 29 21 Harburg Massentierhaltung 27 22 Lüneburg und Gülleproduktion Region Hannover 23 Verden 15 24 Heidekreis 30 37 25 Uelzen 14 26 Lüchow-Dannenberg 13 31 27 Celle

38 28 Delmenhorst 29 Diepholz 30 Nienburg/Weser 32 33 16 39 40 31 Hannover 850 32 Schaumburg 41 33 Peine 42 34 Hameln-Pyrmont 34 41 35 Hildesheim Exportierte Gülle und Gärreste 35 36 Holzminden 43 37 Gifhorn Region 38 Wolfsburg 36 39 Braunschweig 760 40 Helmstedt 480 41 Wolfenbüttel aus anderen 44 45 42 Salzgitter 2.280 180 43 Goslar Regionen * enthält auch andere Bundesländer, aus der Region 44 Northeim Niedersachsens Gärreste aus 45 am Ausland Weser-Ems 46 Biogasanlagen 46 Göttingen

22 FLEISCHATLAS 2016 23 3N /

ENERGIE FRISST LAND Entwicklung der Anbauflächen für Mais in Niedersachsen, nach hauptsächlicher Verwendung, in 1.000 Hektar

700 Energiemais (Biogasanlagen) Silomais (Futtermittel) 600 Körnermais (Futter- oder Nahrungsmittel) FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS

500

400

300

200

100

0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 (Prognose)

niger Landwirte und Landwirtinnen halten Tiere, die Energiegewinnung eingesetzt. So wurden doch steigt die Anzahl der Tiere pro Betrieb. Ur- bislang jährlich große Flächen für den Maisan- sachen dieser Entwicklung sind die betriebswirt- bau genutzt, oft durch Flächenumwandlung von schaftlichen Größenvorteile. Die Agrarunterneh- Grünland. Seit 2015 ist dies zwar offiziell stark ein- men können zum Beispiel Betriebsmittel billiger geschränkt, aber es gibt Schlupflöcher. einkaufen, und die Bodenbearbeitung großer, Nicht die Pflanze Mais ist dabei das Problem, zusammenhängender Flächen ist effizienter. Ver- sondern ihr Anbau in Monokultur. Die starke Dün- stärkt werden diese allgemeinen Trends durch die gung mit Gülle belastet Böden und Gewässer. Mo- aktiven Forderungen der Ernährungsindustrie nokulturen verringern die landschaftliche Vielfalt nach Uniformität und Mindestmengen bei der und damit auch den Lebensraum für Wildtiere. Anlieferung. Das führt zu höheren Mindestmen- Der heimische Anbau von Futtermitteln reicht da- gen bei den Mastbeständen. Die Förderung der bei nicht aus, um die rund 360 Millionen Masttie- EU durch ihre Flächenprämien begünstigt diesen re – Rinder, Schweine, Geflügel – satt zu machen. Unter fünf Prozess noch. Denn wer viele Flächen bewirtschaf- Brake, ein kleiner Ort an der Weser, beher- Prozent Arbeitslose tet, erhält deswegen auch viel Geld. bergt Europas führenden Importhafen für Fut- Das Ergebnis: In Ackerbauregionen wie Süd- termittel – weiteres Wachstum ist geplant. Der im Kreis Vechta – niedersachsen wachsen die Betriebsgrößen, in größte Teil der fast sieben Millionen Tonnen die Fleischindustrie Regionen mit Fleischproduktion die Tierbestände Sojaprodukte, die jährlich nach Deutschland expandiert – und die Ställe werden immer größer. Die nieder- importiert werden, gelangt über Brake in die sächsische Schweinefleischproduktion übersteigt Futtertröge der Massentierhaltung in der Weser- bereits seit 2005 den heimischen Verbrauch. In- Ems-Region. Auch Sojabohnen werden in Mo- zwischen werden Fleisch und Fleischwaren in nokultur angebaut. Der Hunger der niedersäch- rund 125 Länder weltweit exportiert. Es entstehen sischen Tiere belastet daher nicht nur die eigene neue Verarbeitungsanlagen, etwa die der Cel- Natur, sondern auch die in den anderen Ländern, ler Land Frischgeflügel GmbH. Sie gehört zur im aus denen ihr Futter kommt. Emsland ansässigen Rothkötter Unternehmens- gruppe. An ihrem Standort Wietze ging 2011 der größte Geflügelschlachthof Europas in Betrieb

LANGSAM GEHT’S VORAN SLU / – mit einer genehmigten Schlachtkapazität von Fortschritte in der niedersächsischen Landwirtschaftspolitik über 400.000 Tieren täglich und mit Zulieferern, die über Hunderte von Quadratkilometern ver- 2013: Für Großställe werden Abluftreinigungsanlagen vorgeschrieben, etwa für Schweinemastanlagen ab 2.000 Tieren. Damit werden die gesundheitlichen Auswirkungen streut sind. der Intensivhaltung auf Anwohnerinnen und Anwohner verringert. Tiere brauchen Nahrung. Die Maispflanze ist FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS wegen ihres hohen Flächenertrags bei Futter- 2013: Bei einer Neuanlage von Ställen werden Keimschutzgutachten Pflicht. Sie gilt mittelbetrieben beliebt. Zusätzlich verträgt sie ab einer bestimmten Größe, etwa bei Hühnern ab 30.000 Tieren pro Betrieb. eine großzügige Düngung mit Gülle, die es im Masttierland Niedersachsen im Überfluss gibt: Im Ab 2016: Nach dem Niedersächsischen Tierschutzplan wird das Schnabelkürzen bei Legehennen endgültig verboten. Die Züchtung von Masthühnern soll auf eine Weser-Ems-Raum und insbesondere in den Land- verbesserte Gesamtvitalität ausgerichtet und das routinemäßige Kupieren von kreisen Cloppenburg, Emsland und Vechta fehlen Schwänzen bei Schweinen gestoppt werden. nach dem Nährstoffbericht 2014 allein 65.000 Hektar, um den Phosphorüberschuss in Gülle und Im Gesetzgebungsverfahren: Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände. Die Organisationen dürfen bei Verstößen gegen Gärresten fachgerecht auszubringen. das Tierschutzrecht vor Gericht gehen. Zeitgleich zur steigenden Nachfrage nach Futtermitteln wird Mais vielfach als Biomasse für

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LEBEN IM STILLSTAND

SACHSEN-ANHALT: Das Bundesland meldet erste Erfolge im Kampf gegen die grausame und wenig bekannte Sauenhaltung zur Ferkelzucht. Mehr als ein Drittel ihres Lebens stehen die Tiere fast unbeweglich in engen Kästen und Körben. Das soll sich jetzt ändern.

m November 2014 sprach der Landkreis Je- teten Bereiche der Tierhaltung: die Sauenhaltung richower Land in Sachsen-Anhalt ein bun- beziehungsweise sogenannte Ferkelproduktion. I desweit geltendes Schweinehaltungs- und Eine Zuchtsau wirft bis zu zweieinhalb Mal pro Betreuungsverbot gegen die Person des Schwei- Jahr durchschnittlich 35 Ferkel, von denen rund nezüchters Adrianus Straathof aus. Im Janu- 30 überleben. Mit der Begründung, die Träch- ar 2015 folgte auch ein Tierhaltungs- und Be- tigkeit nach der Besamung möglichst optimal treuungsverbot gegen den Sauen haltenden zu gestalten, muss die Sau vier Wochen nach der Straathof-Betrieb Glava GmbH in Gladau im Besamung im Kastenstand bleiben. Vor dem Ab- Jerichower Land. Dramatische und anhaltende ferkeln muss die Sau erneut in einen Käfi g, den Verbote der tierschutzrechtliche Verstöße wie zu enge Kas- „Ferkelschutzkorb“, um ihre Jungen nicht zu er- Schweinehaltung tenstände, nicht ausreichendes Trinkwasser drücken. So verbringt sie einschließlich der Zeit und nicht behandelte Verletzungen hatten im Deckzentrum rund fünf Monate im Jahr in en- gegen so große bei den Tieren zu Schmerzen und Leid geführt. ger und monotoner Einzelhaltung. Züchter sind bisher Das Verbot gegen einen Schweinehalter in die- Im Fall Straathof waren die Kastenstände im einzigartig ser Größenordnung war und ist in Deutschland Deckzentrum nicht so beschaffen, dass die Sau- einzigartig. Die Straathof-Unternehmensgruppe en in Seitenlage ungehindert und verletzungs- produziert deutschlandweit 1,2 Millionen Ferkel frei ihre Beine ausstrecken konnten, so wie es pro Jahr. Der Bestand in Gladau mit rund 70.000 die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ver- Tieren musste im August 2015 aufgelöst werden. langt. Die Schweine mussten ihre Beine entweder Der Standort wird allerdings inzwischen erneut angewinkelt an den Körper drücken oder unter zur Fleischproduktion genutzt. den Gitterstäben hindurch in den Kastenstand Durch diese Fälle wuchs die Aufmerksamkeit der Nachbarsau ausstrecken, sodass sich die Sau- für einen der grausamsten und zu wenig beach- en gegenseitig traten. Auch kam es zu Verletzun- gen. Enthüllungen über andere Anlagen in Sach- sen-Anhalt – etwa die der Gut Klein Wanzleben Schweinezucht im Landkreis Börde oder in den EIN SCHWEINELEBEN Ställen der Saza GmbH in Großkayna im Saale- Sauenhaltung und Ferkelproduktion im Kastenstand kreis – zeigen, dass Missstände in der Sauenhal- Eingezwängt tung keine Einzelfälle sind. Zur künstlichen Besamung Das lässt sich auch darauf zurückführen, dass – erstmals mit sieben die Kontrollen der Anlagen häufi g ungenügend Monaten – kommt die Sau im Deckzentrum in einen sind. Es gibt zu wenige Kontrolleure, und es ist FLEISCHATLAS REGIONAL / STOCKMAR / REGIONAL FLEISCHATLAS Metallkäfi g. Zuchtsäue sind nur zu einleuchtend, dass bei manchen Kreisbe- ungefähr 114 Tage trächtig. hörden gerade gegenüber wirtschaftlich wichti- gen Großbetrieben eine gewisse Nachsicht herr- schen kann. Die rechtliche Grundlage zu den Warten dicht an dicht Kastenständen ist eigentlich eindeutig. Doch die Vier Wochen lang stehen, liegen kontrollierenden Behörden bezogen sich auf ein und fressen sie auf Spalten- Handbuch, in dem ein Mindestmaß von 70 Zen- böden, ohne sich drehen zu können und sind beschäftigungs- timetern Breite für die Kastenstände empfohlen los. Selbst der Freigang wird. Unzulässigerweise wurde die Empfehlung zum Saubermachen entfällt. des Handbuchs als fester Wert interpretiert. Dabei kann sich eine Sau, die höher als 70 Zentimeter ist, in einem Kastenstand mit ebendieser Breite nicht Umzug zum Abferkeln ausstrecken. Die Tiere sind naturgemäß unter- Eine Woche vor dem Abferkeln schiedlich groß und benötigen unterschiedlich muss das Muttertier in den breite Kastenstände. Aus diesem Grund hatte der „Ferkelschutzkorb“. Es kann dort kaum mehr als säugen – Landtag auf Betreiben der Bündnisgrünen im Juli mit der Begründung, so weniger 2014 Initiativen beschlossen, um die qualvolle Ferkel zu erdrücken. Enge in Kastenständen zu beenden. Inzwischen ist mit der falschen Auslegung zur Breite von Kastenständen Schluss. Denn im

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SCHWEINEZUCHT IN SACHSEN-ANHALT Tierbestand, darin Zahl der Zuchtsauen sowie Betriebe mit Zuchtschweinen nach Landkreisen, Stand: 3. November 2014

8.200 12.400

Altmarkkreis Salzwedel Stendal Schweine insgesamt 0 / keine Angaben* bis 50.000 50.000 bis 100.000 STATISTIK.SACHSEN-ANHALT.DE / REGIONAL FLEISCHATLAS 100.000 bis 150.000 150.000 bis 200.000 über 200.000 40.400

Jerichower Land 23.000

Zahl der Zuchtsauen Börde Dessau-Roßlau Betriebe mit Zuchtschweinen Magdeburg 100 (Sauen und Eber) 10.800 Harz

1.000 Wittenberg

16.700

Anhalt-Bitterfeld Salzlandkreis (Saale) 6.000 6.800 Mansfeld-Südharz 14.900 Saalekreis 12.000

Burgenlandkreis * Stadtkreise: keine Schweinehaltung oder Zahlen nicht veröffentlicht; Magdeburg und Halle: keine Betriebe mit Zuchtschweinen

November 2015 hat das Oberverwaltungsgericht Besamung eingesetzt. Tierschutzorganisationen Magdeburg entschieden, dass die Tierschutz- und Grüne fordern, sie komplett abzuschaffen. Nutztierhaltungsverordnung im Wortsinn ohne Neue Regelungen zur artgerechten Haltung von Interpretationsspielräume umgesetzt werden Nutztieren wie mehr Platz im Stall, Auslauf- und Kastenstände muss. Diese Entscheidung wird bundesweit weg- Weidegebot, ausreichend Beschäftigungsma- weisend sein und bedeutet einen Durchbruch für terial und das ausnahmslose Verbot des Kupie- müssen komplett mehr Tierschutz. rens von Körperteilen müssen rechtlich veran- abgeschafft werden: Es wird sich zukünftig in deutschen Sauenhal- kert werden. Die Tiere brauchen tungen viel ändern, und die Tiere werden mehr Würde eine verbindliche Kennzeichnung mehr Platz Platz bekommen – wenigstens das. Das wird wirt- zu den Tierhaltungsbedingungen – so wie seit schaftliche Folgen haben und hoffentlich ein rund zehn Jahren bei den Eiern – bei allen tieri- weiterer Schritt zur Abkehr von der industriellen schen Lebensmitteln eingeführt, könnten sich die Tierhaltung sein. Ausgehend von der Debatte in Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst für Sachsen-Anhalt wird mittlerweile bundesweit mehr Tierschutz entscheiden. Wenn eine infor- über Kastenstände in Deckzentren diskutiert, und mierte Kundschaft bereit ist, dafür höhere Preise in der Praxis werden diese zum Teil breiter, ganz zu bezahlen, entsteht bei den Erzeugern ein wirt- abgebaut oder nur noch wenige Tage nach der schaftlicher Anreiz für Verbesserungen.

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AUF SAND GEBAUT

BRANDENBURG: Die Landesregierung setzt auf immer mehr Mastbetriebe. Doch der Widerstand formiert sich. Bürgerinitiativen betreiben bereits ein Volksbegehren – und erwarten schon den Volksentscheid.

leisch wird in Brandenburg groß geschrie- zenplätzen: Bei der Rinderhaltung stand das Land ben. Wer im Restaurant ein fleischloses Ge- 2010 mit durchschnittlich 216 Tieren pro Betrieb F richt verzehren möchte, muss sich häufig auf Platz zwei hinter Mecklenburg-Vorpommern mit „Gemüse- und Sättigungsbeilage“ begnügen. (263/Bundesschnitt: 87), bei der Schweinehaltung Vegetarische Gerichte sind am ehesten in touris- mit 1.125 auf Platz drei (Bundesschnitt: 459) und Investoren tischen Regionen wie Potsdam, Rheinsberg oder bei der Hühnerhaltung mit 7.853 Tieren auf Platz dem Spreewald zu finden – die meisten Einhei- vier (Bundesschnitt: 2.132). aus dem Westen mischen wollen Fleisch. Während der Rinderbestand seit 2005 na- flüchten vor höheren Das kommt auch in Brandenburg überwie- hezu konstant blieb und die Zahl der Schweine Umweltauflagen gend aus Mastanlagen. Auf den knapp 30.000 schwankt, boomt die Produktion von Hähnchen daheim Quadratkilometern Landesfläche werden zwar (Broilern). Zwischen 2010 und 2013 stieg sie um nicht überdurchschnittlich viele Nutztiere ge- 21 Prozent. Seien es Milchkühe, Zuchtferkel oder halten – die Tierdichte liegt knapp bei der Hälfte Legehennen – zu den insgesamt 14 Millionen Tie- des bundesweiten Durchschnitts –, doch bei den ren, die in Brandenburg in 664 Nutztieranlagen Betriebsgrößen und damit bei der Massentierhal- gehalten werden, sollen in den kommenden Jah- tung liegt Brandenburg bundesweit auf den Spit- ren noch einige hinzukommen. Ende 2014 waren 18 neue Anlagen bereits genehmigt, zwölf wei- tere beantragt. Vor allem die Hähnchenmast, wo es derzeit rund 6,6 Millionen Plätze gibt, boomt.

GROSSE HERDEN KLEINER TIERE LELF / Im Potsdamer Landwirtschaftsministerium wird Anzahl von Rindern, Schweinen und Geflügel in Brandenburg 10.694.000 in naher Zukunft ein Anstieg auf acht Millionen Rind Schwein Geflügel Mastplätze erwartet. 9.518.000 Die Landesregierung aus SPD und Linken un- terstützt die Entwicklung. Brandenburg brauche FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS 7.454.000 mehr Nutztiere, findet Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), ein gelernter Agrarwissenschaftler. Die Böden der märkischen Streusandbüchse seien schlecht und die Arbeitsplätze würden gebraucht. Woidke weiß sich dabei mit dem Landesbauern- verband einig: Mit Ackerbau alleine könnten die 804.000 799.000 851.000 Landwirte nicht überleben. 575.000 570.000 568.000 Entgegen kommt der Politik, dass Investoren aus den Niederlanden, aber auch aus Niedersach- 2005 2010 2014 (Geflügel 2013) sen, neue Produktionsstandorte in Ostdeutsch- land suchen. Denn in ihren Heimatregionen werden die Umweltauflagen verschärft. Zudem sind riesige Schlachthöfe entstanden, die jetzt

SCHLACHTBOOM MIT BROILERN UND PUTEN LELF / ausgelastet werden müssen. So investiert der Ge- Brandenburgische Fleischproduktion nach Geflügelarten, in 1.000 Tonnen flügelproduzent Rothkötter aus dem niedersäch- 52,5 sischen Meppen in eine Hähnchenmastanlage mit Broiler, Puten 380.000 Plätzen in Wittstock (Ostprignitz-Rup- Schlachthennen Enten 43,5 pin), um Überkapazitäten in seinem Schlachthof FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS in Wietze bei Celle abzubauen. Der niederlän- 34,9 disch-belgische Fleischkonzern Plukon betreibt 33,4 große Schlachthöfe in Brenz (Landkreis Ludwigs- 27,8 lust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern) und 22,9 24,2 in Storkow (Landkreis Oder-Spree), zu dessen Aus- lastung neue Mastanlagen gebraucht werden. 15,6 13,3 Eng verbunden mit Plukon ist etwa das niederlän- dische Unternehmen Agrifirm, das in der Prignitz- gemeinde Gumtow zwei Hähnchenmastanlagen 2005 2010 2013 mit insgesamt 400.000 Mastplätzen bauen will. Zwei Vollarbeitsplätze sollen dadurch entstehen.

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MASSENTIERHALTUNG – FLÄCHENDECKEND BUND / Vorhandene und genehmigte Nutztieranlagen in Brandenburg, Stand: Oktober 2013 Ostprignitz-Ruppin Oberhavel Prignitz FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS Uckermark

Barnim

Märkisch-Oderland

Havelland

Potsdam-Mittelmark

Oder-Spree Dahme-Spreewald

Teltow-Fläming Rind (Mast/Zucht) und Milchvieh Schwein (Mast/Zucht) Huhn (Mast/Zucht) und Legehennen Ente (Mast/Zucht) Elbe-Elster Truthahn (Mast/Zucht) Spree-Neiße

Oberspreewald-Lausitz

Die neuen Der landesweit größte Schweinemastbetrieb hat sich das Aktionsbündnis Agrarwende Ber- mit insgesamt 62.000 Tieren steht in Tornitz bei lin-Brandenburg gegründet. Mit einer Volks- Großschlachthöfe Vetschau im südbrandenburgischen Landkreis initiative gegen Massentierhaltung mit 34.000 sind nicht ausgelastet Oberspreewald-Lausitz. Das Unternehmen Bolart Unterschriften ist das Bündnis im Landtag ab- und brauchen GmbH, das dort 160 Leute beschäftigt, will den geblitzt. Nun versucht sie, die Landesregierung Zulieferer Betrieb auf knapp 80.000 Plätze erweitern. Unge- über ein Volksbegehren zum Handeln zu bewe- fähr genauso viele Tiere wollte ursprünglich der gen. 80.000 Unterschriften sind dafür erforder- niederländische Unternehmer Harry van Gen- lich. Gelingt dies und lehnt das Parlament erneut nip in der Gemeinde Haßleben in der Uckermark ab, kommt es zur Volksabstimmung. schlachtreif mästen. Doch ein Teil der Anwohner wehrte sich. Denn der Ort weiß, was Massentier- haltung bedeuten kann. Von 1978 bis 1991 stand WEIT ÜBER DEM BUNDES-NIVEAU dort eine der größten Schweinemastanlagen der Deutschland

Durchschnittliche Anzahl von Tieren je Betrieb, 2010 DESTATIS / DDR mit 136.000 Tieren. Die Böden waren von Brandenburg Gülle, Desinfektionsmitteln und Medikamenten- resten verseucht, die Seen in der Umgebung kipp- 216 Rinder ten um. Die ganze Gegend stank. 87 Das Dorf war gespalten, als die Pläne des Nie- FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS derländers bekannt wurden. Die einen hofften 2.132 auf neue Jobs, die anderen fürchteten um ihre Gesundheit. Eine Bürgerinitiative versuchte das 459 Schweine Hühner Vorhaben zu verhindern. Nicht ganz vergeblich: Die Landesbehörden genehmigten nur eine ver- kleinerte Anlage mit 36.000 Mastplätzen. Zehn Arbeitsplätze sollen entstehen. 1.125 Widerstand gegen Massentierhaltung regt sich mittlerweile im ganzen Land. Bürgerinitiati- 7.853 ven versuchen die Projekte zu verhindern. 2014

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MENSCHEN, TIERE, IMMISSIONEN

NORDRHEIN-WESTFALEN: Zwischen Rur und Weser leiden Böden und Gewässer, durch die Tiermast belastet. Die Schweinehaltung dominiert in Westfalen, Mais als Futtermittel wächst im Rheinland. Hinzu kommen die Soja-Importe aus Übersee.

ordrhein-Westfalen ist neben den Stadt- Bestandteile von Kraftfutter, werden aber selten staaten das deutsche Bundesland mit der auf heimischen Böden angebaut. Soja wächst be- N höchsten Bevölkerungsdichte. 17,6 Millio- sonders gut in warmen Gegenden. In NRW wer- nen Menschen leben hier auf 3,4 Millionen Hekt- den daher wegen ihres günstigeren Klimas die ar. Die Hälfte dieser Fläche wird für den Anbau von Flächen entlang des Rheins sowie in der Köln- pflanzlichen Lebens- und Futtermitteln oder für Aachener Bucht zum Anbau bevorzugt. Doch Viehhaltung, zur Gewinnung von Fleisch, Milch selbst hier können nur Sojasorten kultiviert wer- und Eiern genutzt. Besonders hoch ist der Anteil den, die sich für vergleichsweise niedrige Tem- der Intensivtierhaltung im Münsterland und in peraturen eignen, etwa die Sorten „Merlin“ oder Teilen des Niederrheins. Hinzu kommt, dass mit „Sultana“. Sie bringen einen im Vergleich unter- „Tönnies“ und „Westfleisch“ zwei der größten durchschnittlichen Ertrag. Hohe Transportkosten In NRW deutschen Schlachtbetriebe in Nordrhein-West- entfallen dann zwar, aber die Arbeitskraft kostet ist die halbe falen zu finden sind. in Deutschland oftmals mehr als in außereuropä- Die hier produzierten Lebensmittel ernäh- ischen Ländern. Landwirtschaft auf ren auch andere Teile Deutschlands, Europas Die Folge: Heimische Ernten können nicht mit Fleischerzeugung und der Welt. Umgekehrt müssen Lebensmit- den Preisen und Erträgen von importiertem Soja ausgerichtet tel importiert werden, um die Bürgerinnen und konkurrieren. NRW bleibt vorerst stark auf den Bürger im Bundesland zu versorgen. Um den Import von Eiweißpflanzen für das Kraftfutter Konsum von Nahrung und anderen Agrarpro- angewiesen. Top-Lieferanten dafür sind Argen- dukten in NRW zu decken, bedarf es derzeit 5,4 tinien, Brasilien und die USA. Vor allem in den la- Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Das teinamerikanischen Ländern hat der Soja-Export ist etwa das 1,6-Fache der gesamten Landesfläche problematische Folgen für die Bevölkerung. Die und 3,7-mal so viel Fläche, wie sich in NRW für die hohe Nachfrage treibt die Flächenpreise in die landwirtschaftliche Nutzung eignet. Höhe. Statt Nahrungsmittel für die eigene Bevöl- Um zu möglichst geringen Kosten zu produ- kerung anzubauen, werden die Landwirte dazu zieren, vergrößern Mastbetriebe zunehmend ih- verlockt, Futtermittel für den lohnenswerteren ren Viehbestand. In NRW, wo etwa die Hälfte des Export anzupflanzen. Grundnahrungsmittel wer- landwirtschaftlichen Produktionswertes durch den teurer; das trifft besonders die einkommens- Nutztierhaltung erzielt wird, ist dieser Trend be- schwachen Bevölkerungsschichten. Immer mehr sonders gut zu beobachten. Die kleinen Tierbe- Flächen werden in Äcker umgewandelt: Was stände nehmen ab. vorher Regenwald oder Weideland war, wird zur Bei der intensiven Tierhaltung setzen die Ag- Soja-Monokultur. rarunternehmen in großem Umfang Kraftfutter In NRW ist Wasserverunreinigung durch in- ein. Eiweißreiche Pflanzen wie Soja sind wichtige tensive Masttierhaltung und den damit verbun-

ÖKOLANDWIRTSCHAFT IN NORDRHEIN-WESTFALEN Entwicklung und Vergleiche Ökoflächen 2014, in 1.000 Hektar LWK NW, AMI NW, LWK / Ökolandbau, Betriebe und Flächen 54 70 71 135 214 80 Flächen, in 1.000 Hektar 2.000 Unternehmen 1.800 Ökoanteile 70 in Prozent Nordrhein-Westfalen 1.600 60 15 1.400 REGIONAL FLEISCHATLAS 50 12 Niedersachsen 1.200 Rheinland-Pfalz Bayern

40 1.000 9

800 30 6 Brandenburg 600 20 3 400 10 0 200 0 0 –3 Agrarbetriebe Agrarflächen Zu-/Abnahme der Agrarflächen 2014 zu 2013 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013

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BÖDEN MIT LANGEM GEDÄCHTNIS – UND MASSENWEISE BORSTENVIEH 1 Borken Belastung des Grundwassers 2007–2012, in Nordrhein-Westfalen, 2 Steinfurt vor allem durch Gülle aus Massentierhaltung, Mineraldünger und Gärreste aus Biogasanlagen 3 Coesfeld 4 Münster LWK NW, LWZ, WWF LWZ, NW, LWK / 5 Warendorf guter Zustand Die Schweinemast- und 6 Recklinghausen schlechter Zustand Nitratüberschussgebiete 7 Bottrop decken sich in NRW 8 Gelsenkirchen (über 50 Milligramm Nitrat 12 je Liter Wasser) weiträumig. Linksrheinische 9 Gütersloh Weser 10 2 Flächen sind von Locker- sedimenten durchzogen; 11 Herford

11 REGIONAL FLEISCHATLAS 12 Minden-Lübbecke sie enthalten weniger 13 Lippe Bakterien, die Nitrate auf 14 Paderborn 10 13 dem Weg nach unten ab- 9 15 Höxter 4 1 bauen könnten. So geraten 3 Ems 16 Kleve Nährstoffe dort leichter ins 5 17 Wesel Rhein Grundwasser. 18 Duisburg 19 Oberhausen 16 15 20 Mülheim an der Ruhr 6 35 14 21 Essen 17 Lippe 7 Emscher 22 Viersen 8 31 34 36 23 Krefeld Niers 33 19 24 Düsseldorf 32 18 21 25 Mettmann 20 Ruhr 26 Mönchengladbach 37 38 23 27 Rhein-Kreis Neuss 25 22 39 40 Coesfeld 1.255 28 Solingen 24 29 29 Wuppertal 30 26 28 30 Remscheid 27 Wupper 41 31 Herne Rhein 46 32 Bochum 43 48 49 33 Dortmund 45 47 44 42 34 Unna 35 Hamm 53 36 Soest Sieg 37 Ennepe-Ruhr-Kreis Rur 50 38 Hagen 52 39 Märkischer Kreis 40 Hochsauerlandkreis Erft 41 Olpe 42 Siegen-Wittgenstein 51 43 Heinsberg 44 Düren 45 Rhein-Erft-Kreis 46 Leverkusen 47 Köln Schweine je 100 Hektar unter 200 oder keine Angaben 48 Rheinisch-Bergischer Kreis 49 Oberbergischer Kreis Agrarfläche in den Kreisen 200 bis 500 50 Aachen Nordrhein-Westfalens 500 bis 1.000 51 Euskirchen über 1.000 52 Bonn 53 Rhein-Sieg-Kreis

denen Eintrag von überschüssigen Nährstoffen Dies bedeutet einen stetigen Zufluss von in den Umweltkreislauf ein besonderes Problem. Nährstoffen aus anderen Ländern. In einer funk- 13,9 % der Messpunkte melden einen zu hohen tionierenden Kreislaufwirtschaft könnte die ni- Nitratwert. Dadurch gelten 40 % der Grundwasser- trathaltige Gülle auf den umliegenden Äckern körper NRWs als chemisch im schlechten Zustand. als natürlicher Dünger eingesetzt werden. In der Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie aus Massentierhaltung in NRW entsteht jedoch mehr dem Jahr 2000 verpflichtet alle EU-Länder, ihre Gülle, als der Boden aufnehmen kann. Gewässer bis 2015 unter den Toleranzwert von 50 Da Transporte und Lagerung teuer und die Die Mäster Milligramm Nitrat pro Liter zu bringen. Doch bis Einhaltung der Düngevorschriften schwer zu heute werden in einigen Teilen NRWs Spitzenwer- kontrollieren sind, bringen Landwirte zu viel decken nicht nur te von 300 Milligramm pro Liter, also die sechsfa- Gülle auf die Äcker aus. Das überschüssige Nit- den Eigenbedarf im che Toleranzmenge, gemessen. rat, das die Anbaupflanzen nicht mehr aufneh- Land – der Export Die intensive Masttierhaltung in weiten Teilen men können, sickert ins Grundwasser, sammelt boomt des Bundeslandes ist hierfür eine Hauptursache. sich im Boden, in Lebensmitteln und schließlich 2014 produzierten die hiesigen Landwirte mehr im menschlichen Körper an. Dort können Bakteri- als 1,8 Millionen Tonnen Schweinefleisch, so viel en es in das giftige Nitrit umwandeln, das im Ver- wie in keinem anderen Bundesland. Um den in- dacht steht, ein erhöhtes Krebsrisiko darzustellen. und ausländischen Fleischbedarf zu decken, hat Im Ökolandbau ist der Nährstoffüberschuss Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren durch- weitaus geringer als in der konventionellen schnittlich 18 Prozent mehr Schweinefleisch her- Landwirtschaft. Mitverantwortlich dafür ist die gestellt als verbraucht. Und um das Exportniveau geringere Anzahl Vieh pro Fläche, die ein Betrieb zu halten, werden entsprechende Soja- und Ge- bewirtschaftet. So fällt nicht mehr Mist an, als die treidelieferungen nötig. umliegenden Äcker benötigen.

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WENN BENACHTEILIGTE GEBIETE DIE NATUR BEVORTEILEN

HESSEN: So karg das Land im Norden ist – seine Milchbauern sind experimentierfreudig. Doch die Geflügelwirtschaft expandiert. Und wo ein Schlachthof wächst, kommen auch die Mäster.

essen ist ein grünes Land. Anteilig gibt es von 6,3 Prozent. Drei Viertel der hessischen Öko- dort mehr Wiesen und Weiden als in vielen bauernhöfe liegen in sogenannten „benachteilig- H anderen Bundesländern. Solches Dauer- ten Gebieten“, in denen steile Hänge, felsige oder grünland, eines der artenreichsten Biotopformen steinreiche und zugleich nährstoffarme Böden innerhalb der Landwirtschaft, umfasst in Hessen oder ein extremes Klima oder gleich alles zusam- stabile 37 Prozent der gesamten landwirtschaft- men für nur spärliche Erträge sorgen. Die Gebie- lich genutzten Fläche. Im Schnitt aller Bundeslän- te umfassen über 200.000 Hektar Grünland und der beträgt der Anteil des Grünlands nur gut ein rund 100.000 Hektar Ackerland und spielen eine Viertel, Tendenz abnehmend. wichtige Rolle beim Artenschutz. Bauern sollen Das Gras des ökologisch wertvollen Grün- nach EU-Recht einen Ausgleich erhalten, wenn landes dient als Futter für Nutzvieh, um daraus sie unter diesen erschwerten Bedingungen wirt- Fleisch, Wurst oder Milch zu erzeugen. Indem schaften. In Hessen beträgt dieser Ausgleich meist Prämien die hessische Landesregierung Bauern fördert, zwischen 35 und 115 Euro je Hektar und Jahr. Das sollen die die ihre Tiere auf der Weide halten, schützt sie ist mehr als in anderen Bundesländern, doch er- auch den Lebensraum für zahlreiche Wiesen- heblich weniger, als etwa ein Getreidebauer in ei- Landwirtschaft im brüterarten. Bauernhöfe können in Hessen ner günstigen Lage an Mehrertrag erwirtschaften rauen Bergland eine Förderung bis zu 75 Prozent der Investiti- kann. Beim Anteil der ausgesprochen „ertragsar- erhalten onssumme erhalten, wenn sie zugleich mit ei- men Gebiete“ an der gesamten Agrarfläche liegt nem neuen Stall auch Weideflächen schaffen. Es Hessen mit seinem Bergland, der Rhön und dem ist allerdings nicht alles gut: Ebenfalls fördert die Vogelsberg bundesweit gleich auf dem zweiten Regierung den Bau konventioneller Ställe ohne Rang hinter Baden-Württemberg mit der kargen Tierschutzleistungen und ohne Auslauf immer Schwäbischen Alb. noch mit bis zu 20 Prozent. Und wer geringfügig Die raue Natur ist nur ein Grund, warum ge- mehr Tierschutz bietet als gesetzlich zwingend, rade in diesen oftmals landschaftlich besonders kann 40 Prozent der Stallbaukosten vom Staat för- schönen Regionen viele Bauernhöfe aufgeben dern lassen. und mit ihnen auch die Kühe von der Weide ver- Felder und Wiesen erstrecken sich in Hessen schwinden. Kühe gehören zu den Wiederkäuern, über weitgehend kleinräumige Landschaften die optimale Grasverwerter sind. Viele alte Rassen zwischen Hügeln, Wäldern und Hecken. Zwölf kommen auch mit dem Klima der Berge zurecht. Prozent aller Agrarflächen werden ökologisch Doch Milchpreise um 28 Cent je Liter im Herbst bewirtschaftet, deutlich über dem Bundesschnitt 2015 decken kaum die Hälfte der durchschnittli- chen Erzeugungskosten und zerstören auf Dau- er die bäuerlichen Existenzen. Die „marginalen“ Betriebe sterben als erste. Die konventionellen MILCH REGIONAL Paderborn Niedersachsen Molkereien setzen auf wachsende Milchpulver- Zulieferer der Upländer Bauernmolkerei, 2015 exporte, für die es in China eine gewaltige Nach- frage gibt, und haben dazu in den letzten Jahren BAUERNMOLKEREI.DE / Firmensitz in neue Pulvertürme investiert. Der Haken: Ferti- Willingen Kassel 1 Betrieb im Ort ges Milchpulver wird auch nur mit 36 Cent je Kilo 2 Betriebe gehandelt, und dafür sind sechs bis sieben Liter 3 und mehr Milch erforderlich. Betriebe Die Wachstums- und Exportpläne der deut- Siegen REGIONAL FLEISCHATLAS Hessen schen Milchkonzerne bieten demnach auch lang- Nordrhein- fristig keine Überlebenschance für Bauernhöfe. Westfalen Thüringen Biobauern genießen dagegen Heimvorteile. Bei stabiler Inlandsnachfrage erzielten sie im Herbst Gießen Fulda Rheinland- 2015 im Schnitt 47 Cent je Liter. Im nordhessischen Pfalz Willingen-Usseln liegt zudem ein ungewöhnli- ches Unternehmen: die Upländer Bauernmol- kerei, die hessenweit einzige reine Biomolkerei.

30 FLEISCHATLAS 2016 31

WO IN HESSEN GESCHLACHTET WIRD Gewerbliche und Hausschlachtungen nach Landkreisen und kreisfreien Städten, nach Zahl der Tiere, 2014 Schweine

unter 1.000 2 HESSEN STATISTIK /

Rinder 1.000–9.999 3 unter 1.000 10.000–50.000 über 50.000 1.000–1.999 2 4 2.000–3.999 keine 1 Schlachtungen über 5.000 3 Schwalm-Eder-Kreis 56.000 REGIONAL FLEISCHATLAS keine 5 Schlachtungen 4 1 6 8 5

6 10 9 7 8 11 Fulda 107.000

10 9 12 7 14 11 13 Fulda 6.500 15

12 16 14 18 19 20 17 8 Marburg-Biedenkopf 13 15 22 9 Vogelsbergkreis 10 Lahn-Dill-Kreis 21 16 11 Gießen 18 19 23 24 17 20 12 Limburg-Weilburg 13 Hochtaunuskreis 22 14 Wetteraukreis 26 21 25 15 Main-Kinzig-Kreis 23 24 16 Rheingau-Taunus-Kreis Hessen und Bayern im Vergleich: 17 Wiesbaden Landkreise mit den meisten 18 Main-Taunus-Kreis 26 25 19 Frankfurt am Main 25 Schlachtungen, 1 Waldeck-Frankenberg 20 Offenbach am Main Odenwaldkreis 5.100 proportionale Darstellung 2 Kassel 21 Groß-Gerau 3 Kassel (Stadt) 22 Offenbach 4 Werra-Meißner-Kreis 23 Darmstadt 25 Passau Mühldorf a. Inn 5 Schwalm-Eder-Kreis 24 Darmstadt-Dieburg 6 Hersfeld-Rotenburg 25 Bergstraße Fulda Fulda 7 Fulda 26 Odenwaldkreis

Als Antwort auf Milchkrisen und die wachsende über 30 Prozent der Grundwasserkörper in Hessen Marktmacht von immer weniger Molkereikonzer- einen Belastungsgrad von 25 Milligramm Nitrat nen nahmen 1996 mehrere Privat- und Geschäfts- pro Liter Wasser auf. Jedes siebte Grundwasservor- leute sowie Aktive aus Umwelt- und Naturschutz, kommen liegt über 50 Milligramm, ist damit nicht vor allem aber 18 Biolandwirtinnen und -landwir- mehr für den menschlichen Verzehr geeignet und te eine kurz zuvor stillgelegte Anlage wieder in muss mit sauberem Wasser gemischt werden, da- Betrieb. Die Zahl der Zulieferer ist bis 2015 auf 120 mit es wieder trinkbar ist. Betriebe in 100 Kilometern Umkreis gestiegen, in dem auch das Hauptabsatzgebiet liegt. Die Pro- duktion besteht inzwischen zur einen Hälfte aus SAFTIGE WEIDEN, KARGE HÖHEN Trinkmilch und zur anderen aus veredelten Milch- Die drei Bundesländer mit dem größten und die zwei mit dem niedrigsten Anteil produkten wie Butter, Käse und Joghurt. von Dauergrünland, 2015, in 1.000 Hektar Indes expandiert das gewerbliche Schlachten. Dauergrünland Der niederländische Fleischkonzern Plukon, der restliche Agrarfläche in Deutschland jährlich rund 100 Millionen Hähn- 583 288 chen verarbeitet, betreibt in Gudensberg bei Kas- 38 40 884 484 sel den größten hessischen Geflügelschlachthof. Dort sollen statt heute 85.000 künftig 125.000 Tie- Saarland Baden-Würtemberg Hessen re pro Tag zerlegt werden. Die Folge: Mastbetriebe wollen sich in der Umgebung ansiedeln, um Trans- DESTATIS / portkosten zu sparen. Andererseits schließen sich 261 170 auch Verbraucherinnen und Verbraucher immer 1.080 1.003 häufiger zu Bürgerinitiativen zusammen. Denn solche Projekte bedeuten eine deutliche, dauer- Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt

hafte Geruchsbelästigung und eine zusätzliche REGIONAL FLEISCHATLAS Nitratlast für die Gewässer. Schon heute weisen

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IM LAND DER BRATWURST

THÜRINGEN: Ohne Schweinefleisch gäbe es die namengeschützte Wurstspezialität nicht. Doch immer wieder kommt es zu Schweinemast- Skandalen. Der Antibiotika-Verbrauch ist hoch, und eine Tierwohl-Strategie der Landesregierung existiert bisher nur als Absichtserklärung.

ergestellt in Thüringen, 15 bis 20 Zentime- Skandale der letzten Jahre gezeigt. Ein Bericht des ter lang, umhüllt von engem Naturdarm, Thüringer Sozialministeriums zeigte auf, dass im H schon von Luther und Goethe geschätzt: – mittlerweile geschlossenen – Schlachthof Jena die Thüringer Bratwurst. Ihr Name mit der Her- bereits von 2010 bis 2012 die Betäubungsanlage kunftsangabe ist seit 2004 EU-geschützt. Bis 2011 defekt war, sodass rund ein Viertel aller Tiere ihre war sogar noch vorgeschrieben, dass ihre Rohstof- Zerlegung bewusst miterlebte. Im Zentrum der In- fe, vor allem Schweinefleisch, zu mindestens 51 tensivtierhaltung, dem Saale-Holzland-Kreis, be- Prozent aus der Region stammen. Dass die Thürin- wiesen im Jahr 2013 Video- und Bildaufnahmen ger Bevölkerung ihre Wurst liebt, ist offensicht- der Organisation Animal Rights Watch, dass der lich und die Vorliebe für Fleisch- und Wurstwaren Zuchtbetrieb Gut Thiemendorf Heideland GmbH im bundesweiten Vergleich mit am höchsten. Die & Co. KG seine Sauen und ihre Ferkel in zu kleinen Ökobetriebe in hiesigen Landwirte decken mit den von ihnen Kastenständen hielt. Oder 2014: In der Mörsdorfer produzierten 85.000 Tonnen Schweinefleisch Agrar GmbH fiel die Belüftungsanlage eines Stalls Thüringen halten nur rund 75 Prozent des Verbrauchs im Lande. aus, und 2.000 Schweine verendeten. meist Rinder, weil die Mangel braucht trotzdem niemand zu fürch- Wenn Tiere nicht gesund bleiben, werden sie Pacht für Weiden ten – der Rest kommt aus den Bundesländern zum Kostenfaktor. Um dem entgegenzuwirken, niedriger ist mit Überschussproduktion. greifen Landwirte und deren Tierärzte auf Anti- In Thüringen stiegen die Schweinebestände biotika zurück. Gelangen selbst geringe Mengen in den Betrieben zwischen 2010 und 2013 um acht davon über das Fleisch in den menschlichen Kör- Prozent auf rund 830.000 Tiere insgesamt. Den per, können sie zu Antibiotika-Resistenzen füh- stärksten Zuwachs gab es bei den Ferkeln – die ren, die im Krankheitsfall Lebensgefahr bedeuten. Zuchtsauen werfen heute durchschnittlich fünf 2012 erhielten die Tierärzte in den Postleitzahlen- Tiere mehr als noch vor zehn Jahren. Gleichzei- bereichen 99 und 07, das heißt in der östlichen tig gaben rund 200 Einzelbetriebe die Schweine- Hälfte Thüringens, rund 10 bis 30 Tonnen Antibio- haltung auf. Inzwischen leben 76 Prozent aller tika, sagt eine ungenaue Statistik. Schweine in Ställen mit mehr als 5.000 Artgenos- Seit 2014 ist die Erfassung schärfer und in die sen. In der Hühnermast werden sogar 99 Prozent Betriebe verlegt. Bei vielen thüringischen Betrie- aller Masthühner und Puten in spezialisierten ben liegt der Antibiotika-Verbrauch deutlich über Mastbetrieben gehalten. Der Konzentrationspro- dem Bundesdurchschnitt. Von 381 meldepflich- zess auf immer weniger und immer größere Un- tigen Betrieben müssen 12,5 Prozent nach den ternehmen und Ställe ist noch nicht beendet. Ursachen suchen und mit dem Tierarzt Abhilfe Industrielle Tierhaltung ist keineswegs ein Ga- schaffen. 14,5 Prozent sind sogar verpflichtet, rant für Tierwohl. Das haben die Schweinemast- einen schriftlichen Maßnahmenkatalog zu er-

ÄCKER LOCKEN INVESTOREN

Jahrespachten für landwirtschaftliche Betriebe und Preise für Agrarland in Thüringen, in Euro pro Hektar TLL TLS, /

180 9.000 Agrarflächen insgesamt Kaufwerte für Flächen 160 Ackerland in landwirtschaftlicher Nutzung 8.000 Dauergrünland (mit Weiden) 140 7.000 FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS 120 6.000

100 5.000

80 4.000

60 3.000

40 2.000

20 1.000

0 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2010 2013 2014

32 FLEISCHATLAS 2016 33

WO DIE TURBO-MÄSTER SITZEN TLT, TLL TLT,

Verteilung der genehmigungspflichtigen / Mastzunahme in Thüringen, konventionellen Schweineställe in Gramm pro Tag und -bestände in Thüringen Nordhausen auf die Landkreise und Städte, 807 828 Stand: 2014 752 Kyffhäuserkreis FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS

Eichsfeld 2007 2010 2013 Sömmerda Unstrut-Hainich-Kreis

Weimarer Land Altenburger Land

1 Anlage Eisenach Erfurt Weimar Gera Jena Gotha Saale-Holzland-Kreis Wartburgkreis Greiz

Ilm-Kreis

Suhl Saalfeld-Rudolstadt

Schmalkalden-Meiningen Anzahl der Schweine Saale-Orla-Kreis keine/bis unter 10.000 10.000 bis unter 30.000 Sonneberg 30.000 bis unter 60.000 80.000 bis 90.000 Hildburghausen

stellen, der von der zuständigen Behörde geprüft der konventionellen Landwirtschaft konzentrie- wird. ren sich die Agrarflächen auf wenige Betriebe. Im Die seit 2014 amtierende rot-rot-grüne Lan- Jahr 2013 bewirtschafteten sieben Prozent der Solvente desregierung will gemeinsam mit den zuständi- Agrarbetriebe mehr als die Hälfte aller Flächen. Agrarfirmen gen Verbänden eine Tierwohlstrategie entwickeln Und die Betriebsgrößen nehmen weiter zu. Vor und auch auf diese Weise den Antibiotika-Einsatz allem Nebenerwerbslandwirte geben auf. Ver- schnappen Jung- reduzieren. Allerdings ist es bisher bei Absichtsbe- suche von Junglandwirten, solche Flächen zu landwirten die kundungen geblieben. Und es fehlen Hinweise da- erwerben, scheitern meist – die großen, durch- Flächen weg rauf, dass bald auch auf das Kupieren der Schwei- rationalisierten Agrarunternehmen zahlen bes- neschwänze verzichtet oder landwirtschaftliches ser. Von 2008 bis 2014 haben sich in Thüringen Personal in Sachen Tierwohl fortgebildet wird. die Hektarpreise verdoppelt. Und was ist mit einer Thüringer Bratwurst von „glücklichen“ Schweinen? Die rund 165 Öko- betriebe im Lande halten 4,8 Prozent des Tierbe-

THÜRINGENS LANGSAMER FORTSCHRITT TLL / stands. Von den 756.000 Schweinen im Jahr 2010 Anteil der Ökobetriebe nach Zahl und Fläche, Land und Bund im Vergleich, in Prozent waren es 15.600. In Ökobetrieben werden aller- 10 dings meist Rinder gehalten. Denn der ökologi- sche Landbau konzentriert sich in Thüringen auf Anzahl der Ökobetriebe, Anteil an allen Agrarbetrieben „wirtschaftlich schwache“ Grünlandgebiete – mit 8 Thüringen REGIONAL FLEISCHATLAS niedrigeren Pachtzinsen. Deutschland Insgesamt unterscheidet sich die Struktur der 6 Landwirtschaft in Thüringen wie überall im Osten wesentlich von der in den alten Bundesländern. 4 Als Nachfolger der Landwirtschaftlichen Produk- tionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR grün- Ökoflächen, Anteil an allen Agrarflächen 2 deten sich auch hier große landwirtschaftliche Thüringen Verbünde. 54,1 Prozent der nach Ökokriterien Deutschland bewirtschafteten Flächen entfallen auf Genos- 0 senschaften, GmbHs oder Aktiengesellschaften – 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 bundesweit sind es lediglich 18,1 Prozent. Auch in

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BOOM DER BROILER

SACHSEN: Nirgends sonst in Deutschland sind die Hühnerhaltungen so konzentriert. Einige Betriebe dominieren den Markt, für die kleineren bleiben nur geringe Anteile. Neufeudale Zustände haben sich herausgebildet.

it 10,8 Millionen Hühnern lag Sachsen im Anzahl übergroßer Betriebe gegenüber, die mehr Jahr 2013 in der Geflügelhaltung an vier- als zwei Drittel – und im Fall der Geflügelhaltung M ter Stelle unter allen 16 Bundesländern mehr als 95 Prozent – auf sich vereinen. Solche und an erster unter den ostdeutschen. Ihre Zahl Verteilungen, die auch auf andere ostdeutsche hat sich seit 1996 fast verdoppelt. Mit einem sol- Bundesländer zutreffen, werden als neufeudal chen Wachstum übertrifft die Hühnerzucht die charakterisiert. Schweinezucht bei Weitem. 2014 gab es in Sach- Innerhalb Sachsens ist die Verteilung jedoch sen 646.000 Schweine, zwölf Prozent mehr als ungleichmäßig. Dabei weist der Süden Sachsens 1995. Der Rinderbestand schrumpfte hingegen die größten und der Osten des Landes die niedrigs- seit 1995 um 21 Prozent auf 505.000 Tiere. ten Dichten auf. Die Hühnerhaltung hat jedoch im 1999 gab es in Sachsen 2.200 Betriebe mit Landkreis Nordsachsen ihr Optimum: Hier leben 6,1 Millionen Hühnern, im Durchschnitt mit ge- 6,4 Millionen Tiere oder 59 Prozent des gesamten nau 2.766 Hühnern je Betrieb. Seither ist die Zahl Landesbestandes. Mit dem Erzgebirgskreis und der Betriebe um über ein Drittel auf etwa 1.600 Meißen gibt es nur noch zwei weitere Kreise mit Immer Ärger zurückgegangen – doch mit im Schnitt 6.771 mehr als einer Million Hühnern. Sechs der zehn Tieren. Das sind 2,4-mal mehr als 1999. Dieser Landkreise liegen mit ihren Beständen unter in Niedersachsen – drastische Konzentrationsprozess begünstigt 500.000 Tieren. da wechseln die agrarindustrielle Strukturen. Im Jahr 2013 Auch das Wachstum der Bestände ist regional Hühnerbarone lieber wurden in Sachsen-Anhalt und Sachsen 98,8 ungleich verteilt. Nach der Agrarstrukturerhe- nach Sachsen beziehungsweise 98 Prozent der Geflügelbe- bung kam der Kreis Mittelsachsen im Jahr 2010 auf stände (einschließlich Puten, Enten und Trut- etwa 91.000 Hühner. Drei Jahre später, also 2013, hühner) in agrarindustriellen Anlagen gehalten. wurden 651.300 angegeben – eine Versiebenfa- Mit fast 9,7 Millionen Tieren wurden 87 Prozent chung der Bestände. Der absolute Zuwachs von der insgesamt 11,1 Millionen Geflügeltiere in we- 560.000 Tieren wurde nur noch von Nordsachsen niger als 50 Riesenanlagen mit Beständen über und dem Erzgebirgskreis übertroffen, allerdings 50.000 gehalten. Am anderen Ende teilten sich von einem höheren Ausgangsniveau. In diesem die etwa 1.400 „kleinen“ Halter (mit bis zu 12.500 Zeitraum ist die Zahl der Betriebe in Nordsachsen Tieren), also 82,4 Prozent aller Betriebe, insgesamt nur unwesentlich gestiegen, sodass die Tierzahl 1,6 Prozent der Geflügelbestände. pro Betrieb mit 64.200 Hühnern den sächsischen Diese Struktur ähnelt derjenigen in der Durchschnittswert von 6.771 Hühnern um ein Schweinehaltung und auch der in der Verteilung Vielfaches übertrifft. der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Eine relativ Als agrarindustrieller Extremfall gilt in große Zahl kleiner Betriebe mit geringen Anteilen Deutschland der niedersächsische Landkreis an Flächen oder Tieren steht einer sehr kleinen Vechta. Doch selbst da kam der durchschnittliche

HÜHNERBESTÄNDE IN SACHSEN KLÜTER

in Millionen Tieren, nach Produktionsrichtung, zu den jeweils gültigen Erfassungsgrenzen (ohne Betriebe mit nicht meldepflichtigen kleineren Beständen) /

12 Masthühner 10 Junghennen Legehennen FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS 8

6

4

2

0 März 1990 Mai 1991 Dez. 1992 Dez. 1994 Dez. 1996 Mai 1999 Mai 2001 Mai 2003 Mai 2005 Mai 2007 März 2010 März 2013

34 FLEISCHATLAS 2016 35

VIEHBESATZ IN SACHSEN Nutztierdichte und Hühnerhaltung, nach Landkreisen, 2013 6.420.000 Nordsachsen00

Hühner 1.093.000 291.000 SACHSEN STLA / REGIONAL FLEISCHATLAS Leipzig 152.000 Görlitz00 Großvieheinheiten (GV)* je 100 Hektar Landkreis Leipzig00 Bautzen00 landwirtschaftlich Meißen00 genutzter Fläche 244.000 651.000 Dresden unter 50 50 bis unter 60 Mittelsachsen00 über 60 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge00 Chemnitz 113.000 28.000

Zwickau00 Anteil der Hühner nach Landkreisen Nordsachsen Erzgebirgskreis00 Erzgebirgskreis 395.000 Meißen Mittelsachsen Vogtlandkreis00 1.443.000 Vogtlandkreis 10.830.000 Görlitz Landkreis Leipzig Bautzen Zwickau Sächsische Schweiz- * Umrechnungsschlüssel zum Vergleich verschiedener Nutztiere nach Gewicht, z. B. Rinder ab 2 Jahre: 1,0 GV, Zuchtsau: 0,3 GV, Gefl ügel: 0,004 GV Osterzgebirge

Hühner haltende Betrieb im Jahr 2014 auf „nur“ bundeseinheitliche regionale Belastungsgren- 18.793 Tiere, also auf knapp ein Drittel des nord- zen festgelegt werden, die für die Genehmigung sächsischen Werts. Zwar hat der Kreis Vechta mit aller weiteren agrarindustriellen Investitionen 13,9 Millionen Hühnern doppelt so viel wie Nord- zu berücksichtigen sind. Im Rahmen von Raum- sachsen, doch verteilen sich die Tiere in Vechta auf ordnungsverfahren müssen sie für die übrige 740 Betriebe. Wirtschaft und die Bevölkerung transparent ge- Die Zuliefer- und Abnehmerkonzerne für die macht werden. Dabei müssen alle einschlägigen Hühnerhaltung sind in den beiden Landkreisen Faktoren, die das Tierwohl bestimmen, bundes- fast identisch. Das heißt, dass die agrarindust- weit einheitlich geregelt, erfasst und offengelegt riellen Strukturen, die in Niedersachsen immer werden. schärferen Kontrollen und politisch organisier- tem Widerstand ausgesetzt sind, nach Sachsen ausweichen. Die Betriebsstrukturen, die jetzt in NEUFEUDALE KONZENTRATION DER SÄCHSISCHEN GEFLÜGELHALTER Sachsen aufgebaut werden, sind noch größer und Verteilung der Tiere nach Betriebsgrößen, 2013 umweltschädlicher als im Landkreis Vechta. Nord- sachsen, Erzgebirge und Mittelsachsen impor- Tiere pro Betrieb tieren damit auch die Probleme des Landkreises über 50.000 25.000–50.000 Vechta: übermäßige Ammoniakimmissionen in 12.500–25.000 der Luft, übermäßige Nitratimmissionen in Boden unter 12.500 9.700.000 und Gewässer, Tierseuchengefahr, überhöhten

Antibiotikaeinsatz, Belastung der Umwelt mit de- KLÜTER DESTATIS, / REGIONAL FLEISCHATLAS ren Rückständen und Verdrängung einer tieran- gepassten Gefl ügelhaltung. 500.000 Diese Prozesse können dann beherrscht und gesteuert werden, wenn das Monitoring, die Ge- nehmigung, die Neueinrichtung und die Kontrol- 700.000 le von agrarindustriellen Mastviehanlagen einer Bundesbehörde übertragen und regelmäßig von 200.000 ihr berichtet werden. Auf dieser Basis müssen

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WO DIE KLEINEN DOMINIEREN

RHEINLAND-PFALZ: Historisch bedingt, dominieren hier kleinräumige Strukturen. Die Politik fördert Öko- und schonenende konventionelle Landwirtschaft – und die Menschen wehren sich gegen Großställe.

heinland-Pfalz, heißt es, ist das Land der Re- sich durch milde Winter, gemäßigte Sommer und ben und Rüben. Hier findet das Leben über- hohe Niederschlagsmengen aus. Einige Regionen R wiegend im ländlichen Raum statt. Nur 16 zählen zu den wärmsten in Deutschland, während Prozent der Fläche ist urban. Landwirtschaftlich andere ein raues Klima aufweisen. Aufgrund von dominiert der Wein-, Obst- und Gemüseanbau, re- Klima und Bodenbeschaffenheit ist für die Land- gional auch der Anbau von Zuckerrüben. Fleisch- wirte der Anbau von Wein, Obst und Gemüse mit produktion und tierische Erzeugnisse haben ihrer hohen Wertschöpfung besonders attraktiv, dadurch eine weitaus geringere wirtschaftliche während die Herstellung tierischer Erzeugnisse Bedeutung als bundesweit. mit höherem Aufwand verbunden ist. Die Seehä- Die Produktion tierischer Erzeugnisse hat fen für den Import von Futtermitteln sind weit ent- sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. fernt. Und die Landschaft ist für eine auf Fleischex- Noch in den 1960er-Jahren wurde ein großer Teil port angelegte Produktion zu kleinräumig; lange Obwohl sie der Tiere in mittleren und kleinen Herden ge- war sie dafür auch zu wenig durch Verkehrswege halten. Geschlachtet und gewurstet wurde am erschlossen. gefördert werden, Hof oder in nahe gelegenen Schlachtereien. Kleinbäuerliche Strukturen lassen sich auch sind Kleinbetriebe Bundesweit ist heute die industrielle Tier- und historisch erklären. In Rheinland-Pfalz galt bei in ihrer Existenz Fleischproduktion ein profitabler Wirtschafts- Erbschaften die Realteilung statt des Anerben- bedroht zweig. Geflügel und Schweine werden dabei rechts. Nicht der älteste Sohn übernahm automa- eher in Fabriken als auf Bauernhöfen „produ- tisch den Hof, sondern der Familienbesitz wurde ziert“. Während sich aber in anderen Bundeslän- unter den nächsten Erben aufgeteilt. Dadurch dern immer noch eine Expansion der Tierhaltung, entstanden immer kleinere Parzellen. Dies er- insbesondere bei den problematischen Intensiv- schwert noch heute den Aufkauf größerer Flächen anlagen, abzeichnet, ist Rheinland-Pfalz nach wie für eine industrielle Landwirtschaft. vor von kleinbäuerlichen Strukturen geprägt. Es Das Ministerium für Landwirtschaft, Ernäh- existiert hier praktisch keine Massentierhaltung. rung, Weinbau und Forsten in Rheinland-Pfalz Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie liegen so- hat zudem einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit wohl in der geografischen Lage und Struktur des auf die Förderung ökologischer und schonen- Bundeslandes, haben aber auch historischen Ur- der konventioneller Landwirtschaft gelegt. Dies sprung. Nicht zuletzt bemüht sich auch die Landes- kommt insbesondere kleinen Betrieben zugute. politik um den Erhalt kleinbäuerlicher Betriebe. So erhalten Betriebe, die auf Ökolandbau umstel- Die Fläche von Rheinland-Pfalz besteht zu len ebenso eine jährliche Prämie wie solche, die über 42 Prozent aus Wald und zu 41,7 Prozent aus mit Fruchtfolge anbauen. Die Folge: Der Ökoland- landwirtschaftlicher Fläche, die sich auf zahlrei- bau ist in den letzten vier Jahren um fast die Hälfte che Hügel und Täler erstreckt. Das Klima zeichnet gestiegen und nimmt mittlerweile 7,4 Prozent der

RHEINLAND-PFALZ: WEINGÄRTEN STATT TIERFABRIKEN Produktionswert der landwirtschaftlichen Erzeugung, Vieh haltende Betriebe, durchschnittliche Tierbestände 2012, in Prozent März 2013, in Prozent pro Betrieb, 2010, Stück

2,2 3,7 DESTATIS RPL, STALA /

6,3 5,9 87 2.132 38 Rinder 16,6 30,2 17,0 62 69 Hühner Rheinland-Pfalz Deutschland Rheinland-Pfalz

18,7 42,2 REGIONAL FLEISCHATLAS 16,6 29,1 11,6 70 30 929 Deutschland 459 Wein/-most sonstige pflanzliche Produkte Schweine Gemüse tierische Erzeugnisse Getreide landwirtschaftliche Betriebe mit Viehhaltung 208 Deutschland Dienstleistungen Betriebe ohne Viehhaltung Rheinland-Pfalz

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EHER SCHWACH BESETZT Schwerpunkte der Rinder- und Schweinehaltung in Rheinland-Pfalz STALA RPL RPL STALA / nach Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Tierbesatz im Land-/Bundesvergleich, 2010* Altenkirchen (Westerwald) Tiere pro 100 Hektar Neuwied Agrarfläche Schweine

unter 17 REGIONAL FLEISCHATLAS Ahrweiler 17 bis 37 Westerwaldkreis über 37 Vulkaneifel Mayen-Koblenz Koblenz Rinder

unter 33 Rhein-Lahn-Kreis 33 bis 73 Cochem-Zell über 73 Rhein-Hunsrück-Kreis Mainz Eifelkreis Bitburg-Prüm Bernkastel-Wittlich

Mainz-Bingen Bad Kreuznach Alzey-Worms Trier 165 Worms Birkenfeld Donnersbergkreis Frankenthal (Pfalz) Trier-Saarburg Kusel Ludwigshafen am Rhein Bad Dürkheim Rhein-Pfalz-Kreis pro 100 Hektar Agrarfläche Lk Kaiserslautern Kaiserslautern Schweine Rinder Speyer 75 Neustadt a. d. W. Zweibrücken 52 Landau a. d. Pf. Südliche Weinstraße 37 Pirmasens Germersheim Südwestpfalz Deutschland Rheinland-Pfalz * jüngste bundesweite Agrarstrukurerhebung

landwirtschaftlichen Fläche in Rheinland-Pfalz stimmt waren, nur schwer erfüllen. Die großen ein. Ebenso werden der Erhalt und die Auswei- Schlachthöfe nehmen hingegen keine kleine- tung von Grünland gefördert, wodurch Weideflä- ren Mengen von Schlachtvieh an, da der Gewinn chen für die Tierhaltung erhalten bleiben. der Großschlachtereien auf maximaler Effizienz Neben den Maßnahmen der Landespolitik gibt basiert, die mit kleinen Anlieferungen nicht zu es auch ein starkes zivilgesellschaftliches Engage- erreichen ist. So lassen sich regionale, umwelt- Wer kleine ment gegen industrielle Anlagen. So verhinderte verträglichere Produktionsketten nicht auf- Felder hat, sucht eine Bürgerinitiative in der Eifel gemeinsam mit rechterhalten. der Kommunalpolitik und der Verwaltung die An- Für Rheinland-Pfalz wird deutlich, dass ge- die Wertschöpfung siedlung einer Legehennen-Großanlage. wachsene Strukturen und eine gezielte Förder- bei Wein, Obst Kleine Betriebe, die Fleisch und andere tie- politik des Landes kleinbäuerliche Strukturen und Gemüse rische Erzeugnisse produzieren, sind allerdings begünstigen können. Dennoch besteht weiterer trotz der Fördermaßnahmen zunehmend in politischer Handlungsbedarf, und auch die Kon- ihrer Existenz bedroht. Die Konzentration auf sumenten sollten noch stärker umdenken. Öko- Großunternehmen in einigen wenigen Regio- logisches Wirtschaften ist auf kleineren Flächen nen Deutschlands führt dazu, dass Infrastruktur, mit geringeren Herdengrößen am leichtesten zu zum Beispiel in Form von Schlachthöfen auch in gewährleisten. Und wenn auf den Weiden für das Rheinland-Pfalz verloren geht. Denn die kleinen Milchvieh die Artenvielfalt erhalten bleibt, zeigt Schlachtbetriebe können die Vorschriften, die sich die große Bedeutung der kleinbäuerlichen ursprünglich für große EU-Schlachtbetriebe be- Strukturen für den Erhalt der Umwelt.

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WENIG TIERE, ABER GENUG MILCH

SAARLAND: Noch immer wird der Agrarsektor von bäuerlichen Betrieben geprägt. Die industrielle Fleischproduktion ist vergleichsweise gering. Stattdessen werden viele tierische Lebensmittel importiert.

m kleinen Saarland hat der agrarische Struktur- chen gesehen werden, weil die Produktion nicht wandel in den letzten Jahrzehnten besonders von Höchstleistungskühen in Riesenställen be- I tiefe Spuren hinterlassen. Neue Wohnsied- stimmt wird. lungen und Gewerbegebiete verdrängten immer Viele Kleinbetriebe, die Milch erzeugen, sind mehr landwirtschaftliche Flächen. Die berühmte allerdings im Begriff, das Geschäft aufzugeben. Bergmannsziege der Nebenerwerbslandwirte, die Die Preise für Milch und Milchprodukte befinden bei wenig Ansprüchen an ihr Futter die regelmä- sich auf einem so niedrigen Niveau wie schon lan- ßige Versorgung der Schwerarbeiter unter Tage ge nicht mehr. Die Milchversorgung im Saarland mit Milch garantierte, verschwand ganz. Auf den liegt laut Alexander Welsch, dem Geschäftsführer Höfen findet sich kaum noch Nachwuchs. Geklagt der Landjugend Saar, dennoch rein rechnerisch wird über die schwierige Situation auf den Märk- bei rund 105 Prozent. Doch unter dem Preisdruck ten und die Bürokratie im Agrarbereich. Gab es im der großen Discounter, die den Landwirten zeit- Jahr 1960 noch etwa 26.000 landwirtschaftliche weise nur noch 28 Cent für den Liter Milch zahlen, Betriebe, sind es heute gerade noch 1.250, und geht etwa die Hälfte der heimischen Qualitäts- Kaum Schweine davon sind nur rund ein Drittel Haupterwerbs- milch zu besseren Preisen in den Export bis hin an der Saar – die betriebe. nach Russland und China – und die Saarländer Eigenversorgung 190 dieser 400 Landwirte arbeiten als trinken ihrerseits viel Milch, die aus anderen Bun- liegt bei nur Milchbauern. Auf sie entfällt ein Drittel der desländern kommt. Um die heimischen Betriebe zwei Prozent Wertschöpfung in der saarländischen Land- zu erhalten, soll es für Minister Jost das Ziel aller wirtschaft, die rund 100 Millionen Euro jährlich Maßnahmen sein, die Talfahrt der Milchpreise zu umsetzt. Auch nach Darstellung von Landesum- stoppen und auf ein Niveau zu bringen, das für die welt- und Agrarminister Reinhold Jost (SPD) ist die Erzeuger wieder rentabel ist. Milchviehhaltung die „tragende Säule der saar- Hinter Nordrhein-Westfalen ist das Saarland ländischen Landwirtschaft“. Sie profitiert vom heute das am dichtesten besiedelte Flächenland vielen Dauergrünland. Die Fläche der Tierweiden, in der Bundesrepublik. Bei einem zudem über- hat sich bei etwa 18.000 Hektar stabilisiert. durchschnittlich hohen Waldanteil an der Saar Zwar ist die Zahl der milchviehhaltenden Be- bleibt nur etwa ein Drittel der Landesfläche land- triebe in den vergangenen zwei Jahrzehnten um wirtschaftlich nutzbar. In den Betrieben stehen etwa 60 Prozent gesunken, doch blieb die Zahl der derzeit rund 51.000 Rinder, 6.400 Schweine und Milchkühe mit rund 15.000 konstant. Ihre Erzeu- 6.700 Schafe. Hinzu kommen noch etwa 125.000 gung lag im vergangenen Jahr bei rund 100.000 Legehennen und 50.000 Masthähnchen, im Ver- Tonnen und einer Milchleistung von 6.692 Kilo- gleich etwa zu manchen Landkreisen Niedersach- gramm pro Kuh. Dies liegt deutlich unter dem sens oder Mecklenburg-Vorpommerns eher idylli- Bundesdurchschnitt. Das kann auch als gutes Zei- sche Größenordnungen.

TIERE UND WEIDEN Entwicklung von Beständen und Haltungsflächen im Saarland

Tiere in 1.000 Fläche in 1.000 Hektar SAARLAND.DE /

Rinder Schweine Schafe Weideland 60 davon Milchkühe 25 55 22 50 20 45 18 40 16 FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS 35 14 30 12 25 10 20 8 15 6 10 4 5 2 0 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

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NUTZVIEHHALTUNG IM SAARLAND Verteilung der Tierbestände nach Landkreisen, 2013 SAARLAND.DE / Hühner davon Legehennen Nonnweiler Rinder davon Milchkühe 439 Schweine 12.477 Weiskirchen 8.247 St. Wendel

49.957 REGIONAL FLEISCHATLAS 3.893 2.648 2.074 8.751 Merzig-Wadern St. Wendel 3.460

Merzig 9.472 35

28.356 Ottweiler Neunkirchen Saarlouis 1.717 3.727 379 5.560 3.018 243 Homburg 551 Neunkirchen 106 66.050 260 6.605 Saarlouis Saarpfalz-Kreis St. Ingbert 636 51.523 162 2.311 1.842 Saarbrücken 14.675 3.232 gesamt 35.611 Saarbrücken 1.951 7.173 5.792

124.957

Diese Bestände reichen allerdings für den Langem nichts mehr mit der Realität zu tun hat, Bedarf einer knappen Million Saarländerinnen fühlen sich die Verbraucherinnen und Verbrau- und Saarländer bei Weitem nicht aus. Laut Ag- cher zunehmend verunsichert. Daher wundert es rarexperte Alfred Hoffmann vom saarländischen auch nicht, dass der Wunsch nach möglichst ho- Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz her Transparenz und klaren Kontrollsystemen im beträgt die Eigenversorgungsquote bei Rind- und gesamten Lebensmittelbereich groß ist. Dabei ist Kalbfleisch rund 37 Prozent, bei Schweinefleisch es wieder der bürokratische Aufwand, der für klei- nur knapp 2 Prozent und bei Schaf- und Ziegen- ne Betriebe abschreckender ist als für große. fleisch etwa 10 Prozent. Bei Eiern und Geflügel- fleisch sind es nur etwa 18 Prozent. Selbst für die im Saarland als Lieblingsspeise und Kulturgut ver- MILCHWIRTSCHAFT IM SAARLAND götterte „Lyoner“, eine über Buchenholz geräu- Entwicklung in Prozent gegenüber 1980 cherte spezielle Fleischwurst mit einem hohen An- 160 SAARLAND.DE / teil von Rindfleisch, für die gerade erst wieder die europäischen Markenrechte verlängert wurden, 140 kommen die Fleischingredienzen längst nicht nur 120 von heimischen Tieren. 100 Viele Verbraucherinnen und Verbraucher REGIONAL FLEISCHATLAS wissen von alledem so gut wie nichts. Wie im rest- 80 lichen Deutschland haben auch im Saarland der Bauernverband und die Regierung verpasst zu er- 60 Milchleistung je Kuh klären, wie grundlegend sich die landwirtschaftli- 40 Milcherzeugung chen Strukturen und damit die Produktion der Le- Milchkuhbestand bensmittel in den letzten Jahrzehnten verändert 20 haben. Ob im Fernsehen oder auf der Verpackung, 0 die Werbung zeigt Kühe und Schweine auf der 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Wiese und in der heilen Natur. Da das schon seit

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KLASSE STATT MASSE

BADEN-WÜRTTEMBERG: Viele Betriebe setzen auf möglichst hochwertige regionale tierische Erzeugnisse – vom Fleisch über die Milch bis zum Honig. Neue Kenn- zeichnungen und Labels entstehen und sollen die Kaufentscheidungen erleichtern.

ie Viehhaltung im Südwesten Deutschlands cken. Inzwischen befindet sich mehr als die Hälfte befindet sich seit Jahren auf dem Rückzug. der Schweine in Betrieben mit über 1.000 Tieren. D So hat sich die Zahl der in Baden-Württem- Allerdings bleiben die durchschnittliche Größe berg gehaltenen Rinder seit den 1980er-Jahren der Betriebe und die Tierbestände pro Betrieb etwa halbiert. Gleichzeitig werden die verblei- nach wie vor deutlich unter den Werten für ganz benden Betriebe immer größer, und der Struktur- Deutschland, und die Tierhaltung ist weiterhin wandel führt zu einer regionalen Konzentration. durch bäuerliche Familienbetriebe geprägt. Klassische Rinderhaltungsgebiete im Südwesten Bei einer Bevölkerung von 10,7 Millionen Men- Wer Fleisch sind die niederschlagsreichen, grünlandbe- schen erzeugen die baden-württembergischen kauft, erfährt tonten Teile des Landes wie das Allgäu, Ober- Landwirtinnen und Landwirte nur etwa die Hälfte schwaben, die Ostalb und der Schwarzwald. des hier verzehrten Schweinefleisches und knapp meist nichts über Schweinehalterinnen und -halter, die nicht so zwei Drittel des Rindfleischbedarfs. Bei Geflügel- die Produktions- viel Platz brauchen, sind dagegen vor allem in fleisch und Eiern ist die Selbstversorgung noch bedingungen den Ackerbauregionen Hohenlohe und Ober- deutlich geringer. Das Land importiert einen gro- schwaben zu finden. ßen Teil seines Fleisches aus den Schwerpunkten Ökonomische Zwänge führen dazu, dass vor der Produktion in Nordwestdeutschland (Rinder allem die kleineren Betriebe ihre Haltung von und Schweine) und Bayern (Rinder). Rindern und Schweinen aufgeben, während die Für die Familienbetriebe im Südwesten ist verbleibenden Betriebe ihre Bestände aufsto- die Strategie, mit diesen Großbetrieben zu kon-

DER NEBENERWERB DOMINIERT 1 Stuttgart Haupterwerbs- und Vieh haltende Betriebe 2 Böblingen

3 Esslingen BWL STALA / in Baden-Württemberg nach Kreisen, 2010 4 Göppingen 5 Ludwigsburg 6 Rems-Murr-Kreis 19 11 7 Heilbronn Stadt 8 Heilbronn Land 18 20 Anteil der Haupterwerbsbetriebe, 9 Hohenlohekreis

10 Schwäbisch Hall REGIONAL FLEISCHATLAS in Prozent 21 11 Main-Tauber-Kreis 0 bis unter 30 9 10 12 Heidenheim 13 Ostalbkreis 30 bis unter 40 7 8 40 bis unter 50 16 14 Baden-Baden Stadt 50 bis unter 60 15 Karlsruhe Stadt 15 16 Karlsruhe Land 60 und mehr 24 6 17 Rastatt 5 18 Heidelberg Stadt 16 22 19 Mannheim Stadt Stadtkreise ohne Angabe 13 20 Neckar-Odenwald-Kreis 1 14 21 Rhein-Neckar-Kreis 17 4 2 3 22 Pforzheim Stadt 23 Calw 23 12 Betriebe mit Rindern 24 Enzkreis Betriebe mit Schweinen 25 Freudenstadt 26 Freiburg Stadt je angefangene 25 37 27 Breisgau-Hochschwarzwald 100 Betriebe 39 28 Emmendingen 29 36 29 Ortenaukreis 30 Rottweil 40 38 31 Schwarzwald-Baar-Kreis 28 30 32 Tuttlingen 33 Konstanz 41 34 Lörrach 35 Waldshut 26 31 32 36 Reutlingen 44 37 Tübingen 27 38 Zollernalbkreis 39 Ulm Stadt 34 35 33 43 40 Alb-Donau-Kreis 42 41 Biberach 42 Bodenseekreis 43 Ravensburg 44 Sigmaringen

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kurrieren und immer intensiver und effizienter

LEBENSMITTEL UNTER GEOSCHUTZ MLR / zu produzieren, zum Teil problematisch. Viele Fleisch, Speisen auf Fleisch- oder Milchbasis und fleischhaltige Speisen, deren Betriebe verzichten daher auf Billigstproduktion Bezeichnung oder Herkunftsangabe EU-geschützt sind, mit Jahr der Unterschutzstellung, und setzen auf das genaue Gegenteil: besonders geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.) und geschützte geografische Angabe (g. g. A.) hochwertige Lebensmittel zu produzieren und die steigende Nachfrage nach regionalen Produk- Allgäuer Emmentaler (g. U.) FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS ten zu bedienen. Ziel der Agrarpolitik im Land ist Allgäuer Bergkäse (g. U.) Weideochse vom Limpurger Rind (g. U.) es deshalb, die vorhandenen bäuerlichen Fami- Weideochse vom Schwarzwälder Schinken (g. g. A.) Limpurger Rind, 2013 lienbetriebe zu stärken und deren gesellschaftli- Schwäbische Maultaschen (g. g. A.) che Leistungen zum Erhalt der Biodiversität, zum Schwäbisch-Hällisches Umwelt- und Klimaschutz sowie zum Tierwohl zu Qualitätsschweinefleisch (g. g. A.) honorieren. So hat die baden-württembergische Landesre- Schwäbisch-Hällisches gierung die Tierwohl-Förderung ins aktuelle För- Qualitätsschweinefleisch, 1998 derprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) neu aufgenommen. Dieses Instru- ment unterstützt jetzt auch die artgerechtere Hal- Schwäbische Maultaschen, 2009 tung von Mastschweinen und Masthühnern sowie die Weidehaltung von Milchkühen und deren Nachzucht. Investitionen in neue Ställe werden im Rahmen des „Agrarinvestitionsförderungspro- gramms“ (AFP) nur noch dann gefördert, wenn sie Schwarzwälder Schinken, 1997 über die gesetzlichen Standards hinaus zu mehr Allgäuer Emmentaler, 1997 Tierwohl beitragen und Auflagen zu Mindestflä- chen und Bewegungsfreiheit erfüllen. Schließlich sollen auch die neuen „Europäischen Innovations- Allgäuer Bergkäse, 1997 partnerschaften“ (EIP) die Entwicklung höherer Tierwohlstandards fördern. Leider gibt es für die Verbraucherinnen und Verbraucher bislang noch kein verbindliches Sys- tem zur Kennzeichnung von Frischfleisch, an dem sie die Art der Tierhaltung erkennen können. Ak- tuell zeigen nur das freiwillige Biosiegel sowie sie aus gentechnikfreier Produktion stammen. Ab die Labels- und Markenfleischprogramme höhe- Anfang 2018 gilt dies auch für Rind- und Schwei- re Standards an. Das baden-württembergische nefleisch sowie Milch. Das Bio-Zeichen Baden- In Baden- Landwirtschaftsministerium setzt sich deshalb Württemberg zeichnet nur regionale Produk- im Bund für eine verbindliche, aber einfache und te aus, die nach etwas erweiterten Standards Württemberg sind unbürokratische Tierhaltungskennzeichnung bei der EG-Öko-Verordnung produziert wurden. die Höfe kleiner Rindern und Schweinen ein. Ähnlich der leicht Im Rahmen der EU-Herkunftsbezeichnungen als im Bundes- verständlichen Zahlencodierung, die die Hal- schließlich sind inzwischen auch einzelne Pro- durchschnitt tungsform der Legehennen kennzeichnet, könn- dukte geschützt, etwa das Ochsenfleisch der ten sich Verbraucherinnen und Verbraucher beim Limpurger Weiderinder und das Schwäbisch-Häl- Einkauf dann leichter orientieren. Diese Kenn- lische Qualitätsschweinefleisch. zeichnung ist auch für die Betriebe wichtig: Damit können sich die beim Tierwohl engagierten Pro- duzentinnen und Produzenten profilieren und für NUR DIE PUTEN BOOMEN ihre höherwertigen Waren bessere Preise erzielen. Tierbestände in Baden-Württemberg nach Tierarten, Auswahl, in Millionen STALA BWL STALA /

Auch Tier- und Futtermitteltransporte kön- 6 nen durch Label verringert werden. Bereits heute bietet das Land mit dem Qualitätszeichen Baden- 5 Württemberg und dem Bio-Zeichen Baden-Würt- Rinder temberg zusätzliche freiwillige Kennzeichnungs- Schweine 4 möglichkeiten. Sie garantieren zudem besondere Hühner REGIONAL FLEISCHATLAS Puten Fütterungs- und Haltungsbedingungen. So ver- 3 langt das Qualitätszeichen Baden-Württemberg von Viehhalterinnen und Viehhaltern, dass sie nur 2 in Baden-Württemberg oder angrenzenden Bun- desländern geborene Tiere mästen dürfen und 1 überwiegend Futter aus dem eigenen Betrieb ver- wenden. Seit Anfang 2015 können Lamm- und Ge- 0 flügelfleisch, Fisch, Eier und Honig nur dann mit 1979 1983 1987 1991 1995 1999 2003 2007 2010 2013 dem Qualitätszeichen ausgelobt werden, wenn

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DIE KLEINE ALTERNATIVE ZUM GROSSEN SCHLACHTHOF

BAYERN: Wer Fleisch – auch Öko-Ware – verzehrt, muss das Töten von Tieren akzeptieren. Großschlachthöfe stehen in der Kritik. Doch es geht auch dezentral. Bauern im Allgäu wollen es mit der mobilen Schlachtbox vormachen.

ie traditonelle handwerkliche Schlachtung le kleinere Metzgereien zu hoch. Die industrielle, und Verarbeitung von Tieren geht immer arbeitsteilige Schlachtung ist heute Standard. Die D mehr zurück. Dazu hat auch die EU-Hygi- Schlachthöfe werden zentralisiert und immer eneverordnung für Schlachträume beigetragen. größer. Die bayerische Landesregierung meldete Die dort geforderten Investitionen waren für vie- für das Jahr 2014 rund 900.000 Rinder in gewerb- licher Schlachtung – gegenüber nur 10.000 in Hausschlachtung. Wegen der Konzentration der Schlachthöfe KEIN STRESS GIBT BESSERES FLEISCH haben Tiertransporte deutlich zugenommen. Der Einsatz der mobilen Schlachtbox STOCKMAR /

Häufig kommt es zu Verstößen gegen gesetzliche 1 Anfahrt Vorschriften, sei es Überladung, die fehlende Ver- Auf dem Hof wird die Box an sorgung mit Wasser oder die Überschreitung der der Traktorhydraulik angebaut Transportzeit. Die Tiere leiden massiv unter den und das Gerät auf die Weide gefahren. Die Tiere sind an Belastungen. Die unzureichenden Tierschutzvor- FLEISCHATLAS REGIONAL FLEISCHATLAS das Fahrzeug gewöhnt und gaben und die mangelnde Kontrolldichte werden lassen sich nicht stören. von allen Tierschutzorganisationen kritisiert. Ein mittlerer Schlachtbetrieb schlachtet am Tag 300 Rinder, größere Betriebe bis zu 70 Rin- 2 Betäubung der pro Stunde. So bleibt in vielen Fällen für eine Der Bauer oder die Bäuerin geht Schlachtung – sie besteht aus Betäuben, Stechen in Ruhe zum ausgesuchten Tier. und Entbluten – nicht einmal eine Minute Zeit. Bei An beliebiger Stelle auf der Weide wird es mit einem Kopfschuss der Betäubung kommt es laut Auskunft der Bun- betäubt. Die Waffe hat Schall- desregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen schutz. Die Herde bleibt gelassen. von 2012 zu einer Fehlerquote von neun bis zwölf Prozent. Hunderttausende Tiere werden also bei Bewusstsein gestochen und entblutet. 3 Einziehen Außerdem bedeuten Transport und Schlacht- Nach der Kontrolle der hofumgebung für alle Tiere Stress. Dies gilt vor Betäubung ziehen hydraulische allem für Weiderinder, die die meiste Zeit im Her- Winden das zusammengesackte Tier in die Schlachtbox. denverband im Freien leben und es nicht gewöhnt Rinder wiegen meist zwischen sind, in einen Hänger verladen zu werden. Dabei 500 und 700 Kilogramm. ist auch die Unfallgefahr für die Menschen hoch. Hier setzt die mobile Schlachtbox von Ernst Hermann Maier an. Sie soll es erlauben, scho- 4 Tötung nender mit dem Tier umzugehen. Und ohne Aus- Mit einem Stechmesser werden schüttung von Stress- und Angsthormonen ist das die beiden Halsschlagadern des Fleisch bekömmlicher. Die Schlachtbox ist der mo- an den Beinen hängenden Tieres geöffnet. Das Tier entblutet und bile Teil einer EU-zugelassenen Schlachtstätte. Sie stirbt bewusstlos. Das Blut läuft ist hinten an der Traktorhydraulik angebaut. Das in eine Auffangwanne. Schlachttier wird in der Herde, in seiner gewohn- ten Umgebung auf der Weide, mit einem Kopf- schuss (Kugel- oder Bolzenschuss) betäubt. Die 5 Transport Herdenmitglieder reagieren auf den Schuss mit Zum Ausweiden, Halbieren S schallgedämpfter Kugel-Langwaffe kaum oder und Kühlen wird das Tier gar nicht. innerhalb einer Stunde zu einem Schlachtbetrieb gefahren. Nach dem Tierschutzgesetz darf ein warmblü- Das in der Box gesammelte tiges Tier nur geschlachtet werden, wenn es vor Blut wird entsorgt. Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist. So nimmt es den eigentlichen Tötungsakt, das Aus- bluten, nicht wahr. Die im Zusammenhang mit

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WO IN BAYERN GESCHLACHTET WIRD Gewerbliche und Hausschlachtungen nach Landkreisen und kreisfreien Städten, Rinder und Schweine, nach Zahl der Tiere, 2014 BAYLFSTAT /

Oberfranken Rinder Oberfranken Schweine Unterfranken unter 1.000 Unterfranken unter 1.000 1.000–9.999 1.000–9.999 10.000–99.999 10.000–99.999

über 100.000 über 100.000 REGIONAL FLEISCHATLAS

Oberpfalz Oberpfalz Mittelfranken Mittelfranken Niederbayern Niederbayern Landshut 580.000 Schwaben Schwaben Rottal-Inn 84.000 Passau 736.000 Mühldorf a. Inn 122.000 Mühldorf a. Inn 561.000

Oberbayern Oberbayern Ostallgäu 114.000

der Schlachtbox eingesetzte Betäubung durch ei- schutzkonform arbeiten, sondern im Gegenteil nen Kugelschuss wirkt um ein Vielfaches stärker solche Betriebe sinnvoll ergänzen und sie dadurch als der sonst übliche Bolzenschuss. Dennoch führt, stärken. Denn in fast allen Fällen ist nur mit einer wenn die richtige Munition verwendet wird, hier solchen mobilen Einrichtung eine stress- und nicht schon der Schuss selbst zum Tod; die staat- gefahrenfreie Schlachtung möglich. Abgesehen lichen Lehr- und Versuchsanstalten bieten Sach- von den Tierschutzaspekten stärkt die mobile Weidevieh, im kundelehrgänge zur Anwendung des Kugelschus- Schlachtbox in jedem Fall die handwerklichen ses auf der Weide an. Schlachtbetriebe und hilft so beim Schutz regi- Hänger eingesperrt Nach mehr als 20 Jahren Tüfteln und vielen onaler Strukturen – deshalb unterstützt auch und abtransportiert, Auseinandersetzungen mit den Behörden hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirt- reagiert besonders Maier die Zulassung für sein Verfahren erhalten. schaft (AbL) das Projekt. gestresst Durch den Schuss sackt das Tier bewusstlos zusam- Laut Herbert Siegel, Regionalsprecher der men und wird nach Kontrolle der Vitalzeichen AbL Allgäu und Vorstandsmitglied des Schlacht- mittels hydraulischer Winden in die Schlacht- vereins Weitnau-Missen-Buchenberg, interessie- box gehoben. Mit einem Stechmesser öffnet der ren sich viele Bauern für das Projekt. Gemeinsam Schlachter oder die Schlachterin anschließend mit anderen Vereinsmitgliedern hat der Biobauer die beiden Halsschlagadern. Für die Handreini- aus dem Oberallgäu als erster in Bayern bei Mai- gung nach dem Tod des Tieres ist eine Hygienebox er eine Schlachtbox bestellt. Die Kosten liegen bei eingebaut. Der Transport erfolgt in der geschlos- etwa 15.000 Euro. Sechs bis acht Bauern werden senen Box. Im Schlachtbetrieb wird das Tier ab- das Gerät – voraussichtlich ab Herbst – nutzen, gehäutet, ausgeweidet, halbiert und gekühlt. Das sagt Siegel. Er hofft, dass es schnell mehr werden. in der Boxenwanne aufgefangene Blut wird vor- Die Konkurrenz zu den regionalen Betrieben in schriftsmäßig entsorgt und die Box gereinigt. Bayern bleibt derweil begrenzt: Für das erste Jahr Zwar dürfen Rinder seit 2011 auf der Weide rechnet Siegel mit 30 bis 50 Schlachtungen. geschlachtet werden. Aber bisher ist für jedes Tier eine Genehmigung nötig, ein Tierarzt muss anwe- send sein und der Ort nachher gereinigt werden.

KLEINTEILIGE STRUKTUR BAYERNS IM FLEISCHGEWERBE LFL / Der Einsatz der mobilen Schlachtbox erspare das, Anteil bayerischer Betriebe zur Fleisch- und Wursterzeugung in Deutschland, Mai 2014, wirbt Maier. Jeder EU-zertifizierte Schlachtbetrieb zum Vergleich: mit je zweitgrößtem Länderanteil kann dafür eine Genehmigung nach der EU-Hygi- eneverordnung erhalten. Für viele Fachbehörden Bayern Baden-Württemberg Niedersachsen andere

ist dies allerdings Neuland, weshalb manchmal REGIONAL FLEISCHATLAS einige Überzeugungsarbeit nötig sein wird. Nach 1.741 1.229 1.401 242 der momentanen Gesetzeslage ist die Box Be- standteil des jeweiligen Schlachtbetriebs und darf 5.119 4.528 6.530 956 nur von diesem Betrieb verwendet werden. Prak- 1.146 832 165 tischer und wirtschaftlicher wäre es allerdings, 882 wenn mehrere Schlachtbetriebe eine Box nutzen könnten. Schlachtbetriebe Zerlegungsbetriebe Verarbeitungsbetriebe Kühlhäuser Die mobile Schlachtbox soll keine Konkurrenz zu regionalen Schlachtbetrieben sein, die tier-

FLEISCHATLAS 2016 43 44

KREIS FÜR KREIS, LAND FÜR LAND LWZ / TIERDICHTE IM BUNDESWEITEN VERGLEICH Rinder- und Schweinebesatz in den kreisfreien Städten und Landkreisen

Kiel REGIONAL FLEISCHATLAS

Schwerin RINDER Hamburg je 100 Hektar Landfläche Bremen 0 bis unter 30 30 bis unter 60 Berlin Potsdam 60 bis unter 90 Hannover Magdeburg 90 bis unter 120 120 und mehr

keine Angaben

Düsseldorf Dresden Erfurt

Wiesbaden Mainz

Saarbrücken Kiel

Stuttgart Schwerin München Hamburg Bremen

Berlin Potsdam Hannover Magdeburg

Düsseldorf Dresden Erfurt SCHWEINE

je 100 Hektar Landfläche Wiesbaden 0 bis unter 20 20 bis unter 100 Mainz 100 bis unter 200 200 bis unter 300 Saarbrücken 300 und mehr

keine Angaben Stuttgart

München

44 FLEISCHATLAS 2016 45 NVS / ESSGEWOHNHEITEN IM BUNDESWEITEN VERGLEICH Verzehr tierischer Lebensmittel, in Gramm pro Tag

82

82 82 REGIONAL FLEISCHATLAS Frauen 153 80 76 83 171 172 Männer 158 95 90 148 156 83 155 91 92 164 81 157 FLEISCH UND WURST 172 169 72 einschl. Frikadellen 160 72–76 und Gulasch 75 85 77–80 147 81–85 85 147–151 * 86–89 155 167 152–156 90–95 157–161 158 * nicht belegt 162–166 167–172 252

264 241 298 248 267 260 335 265 344 260 242 292 309 259 212 251 236 227 225 277 MILCH UND KÄSE 223 288 223 274 191–205 einschl. Joghurt, Quark, Milchreis, Käsegerichte 191 230 * 206–220 235 229 221–235 212–237 236–250 231 242 238–263 251–267 264–289 240 * nicht belegt 290–315 316–344 15

14 20 25 21 17 19 29 16 23 17 17 21 21 18 19 17 17 25 15 22 EIER 21 21 14 einschl. Omelettes 19 12–13 und Eiersalat 13 15 14–15 17 16–17 17–19 18–19 17 19 20–22 17 20–21 21 23–24 25–27 28–29 1 3 2 4 5 7 6 8 9 11 12 1 Schleswig-Holstein 5 Niedersachsen 9 Nordrhein-Westfalen 13 Rheinland-Pfalz 10 2 Mecklenburg-Vorpommern 6 Sachsen-Anhalt 10 Hessen 14 Saarland 13 3 Hamburg 7 Berlin 11 Thüringen 15 Baden-Württemberg 14 16 15 4 Bremen 8 Brandenburg 12 Sachsen 16 Bayern

FLEISCHATLAS 2016 45 46

TROG STATT TELLER DESTATIS / Anbauflächen der wichtigsten Futtermittelpflanzen nach Bundesländern, Änderungen von 1999 bis 2014 in Hektar und Prozent, 1999 = 100

MAIS Körnermais, Corn-Cob-Mix (ein Maiskolbenschrot) sowie Silo- und

Grünmais; bundesweit etwa 35 Prozent für die Energieerzeugung WINTERGERSTE REGIONAL FLEISCHATLAS überwiegend als Futtergetreide genutzt; Sommer- bzw. Braugerste hier nicht berücksichtigt Zunahme in Prozent bis unter 25 25 bis unter 50 +9.666 Zunahme in Prozent Abnahme in Prozent 50 bis unter 75 +8.087 5 bis unter 10 bis unter 5 75 bis unter 100 15 bis unter 20 5 bis unter 10 über 100 10 bis unter 15 über 20 +29.177

+8.832 +6.591 -877 +5.500 -1.254 +3.275 +1.644 +1.572 -5.926 +2.450 +1.177 -966 +160 +16.104 -1.628 +100.032 -402 +6.814 +524 -565 Deutschland +289

-1 +2.450 Zunahme in Hektar -3.927 -14.198 -3.927 Abnahme in Hektar -646 Deutschland

TRITICALE Kreuzung aus Weizen und Roggen, überwiegend als Futtergetreide genutzt -100 -2.040

Zunahme in Prozent 1 3 2 bis unter 10 +2.410 4 10 bis unter 50 5 7 6 8 50 bis unter 100 9 -1.360 11 12 über 200 10 -1.320 13 14 16 Abnahme in Prozent +2.150 15 10 bis unter 50 -440 -360 über 50 1 Schleswig-Holstein 9 Nordrhein-Westfalen +490 2 Mecklenburg-Vorpommern 10 Hessen 3 Hamburg 11 Thüringen 4 Bremen 12 Sachsen +520 5 Niedersachsen 13 Rheinland-Pfalz 6 Sachsen-Anhalt 14 Saarland 7 Berlin 15 Baden-Württemberg +180 8 Brandenburg 16 Bayern +1.880 +3.170 +1.150 Die Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bremen) sind nur im jeweiligen bundesweiten Durchschnitt berücksichtigt. Deutschland

46 FLEISCHATLAS 2016 47

WIESEN, WEIDEN, BIOFLÄCHEN DESTATIS / Dauergrünland und ökologischer Landbau nach Bundesländern, Änderungen von 1999 bis 2014 in Hektar und Prozent, 1999 = 100, sowie Stand von 2013

DAUERGRÜNLAND überwiegend Wiesen und Weiden, auch aus der Nutzung

genommene Flächen, keine Bodenbearbeitung ÖKOLANDBAU REGIONAL FLEISCHATLAS ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftlich genutzte Fläche (2013), landwirtschaftlich genutzte (einschl. nicht ökologisch genutzte) Zunahme in Prozent Fläche der Agrarbetriebe mit ökologischem Landbau (1999) bis unter 5 5 bis unter 10 -9.900 Zunahme in Prozent -2.050 bis unter 50 Abnahme in Prozent 50 bis unter 100 bis unter 5 100 bis unter 200 5 bis unter 10 über 300 10 bis unter 15 -12.910 15 bis unter 20 -1.430 über 20 +280 +20.700 -3.550 +25.800 -290 -1.050 +1.130 +52.975 -2.010 +64.900 +29.900 +260 -12.410 +47.600 -46.310 +21.316 -2.440 +24.200 +38.500 Deutschland +35.523

+4.400 +4.400 Zunahme in Hektar +144.862 +557.900 -2.010 Abnahme in Hektar +46.100 9.300 Zustand in Hektar Deutschland

ÖKOLANDBAU, STAND ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftlich genutzte Fläche in Prozent der gesamten 35.800 landwirtschaftlich genutzten Fläche 120.400

in Prozent 1 3 2 bis unter 4 79.500 4 4 bis unter 6 5 7 6 8 6 bis unter 8 9 137.700 11 12 8 bis unter 10 10 53.400 13 10 bis unter 12 14 16 62.900 15 35.300 39.800 1 Schleswig-Holstein 9 Nordrhein-Westfalen 81.600 2 Mecklenburg-Vorpommern 10 Hessen 3 Hamburg 11 Thüringen 4 Bremen 12 Sachsen 47.300 5 Niedersachsen 13 Rheinland-Pfalz 6 Sachsen-Anhalt 14 Saarland 7 Berlin 15 Baden-Württemberg 9.300 8 Brandenburg 16 Bayern 217.600 1.048.000 124.000 Die Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bremen) sind nur im jeweiligen bundesweiten Durchschnitt berücksichtigt. Deutschland

FLEISCHATLAS 2016 47 48 AUTOREN

AUTORINNEN UND AUTOREN, QUELLEN VON TEXTEN, KARTEN UND DATEN

Alle Internetquellen wurden zuletzt im Dezember 2015 18–19 MECKLENBURG-VORPOMMERN: WO DIE abgerufen. Der Fleischatlas Regional ist im PDF-Format MEGASTÄLLE STEHEN von Arndt Müller unter www.boell.de/fleischatlas herunterzuladen. Dort S. 18: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, sind alle Links anklickbar. Viehbestände in Mecklenburg-Vorpommern, 3. November 2014 (Rinder, Schweine) http://bit.ly/1JtPSqX. Eigene Berechnungen nach der Kleinen Anfrage Drucksache 6/2816, 24. April 2014, Landtag Mecklenburg- Vorpommern, bei Geflügel: nur genehmigungspflichtige Anlagen nach BImSchG, http://bit.ly/1KFsuTM. S. 19: Umweltbundesamt, Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister, Berichtsjahr 2012, Datenbankabfrage, www.thru.de. Eigene Berechnungen wie S. 18. Text: Grenzwertüberschreitung, 8–9 DER GROSSE STRUKTURWANDEL http://bit.ly/1YdBS8j. Schweinebestand je Betrieb: von Tobias Reichert http://bit.ly/1JtPSqX, http://bit.ly/1J5Nrr9 S. 8: Statistisches Bundesamt, Tabelle 41331-0001, Datenbank-Abfrage, http://bit.ly/1pc4Djm. S. 9: wie S. 8, 20–21 HAMBURG, BREMEN, BERLIN: GUTE Tabelle 41141-0019. Text: Erwerbstätigkeit, Deutscher NAHRUNG FÜR DIE STADT von Christine Pohl Bauernverband, Situationsbericht 2014/15, und Jan Urhahn http://bit.ly/1NOv7IL. Umsätze, Bundesministerium für S. 20: Bundsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Ernährung und Landwirtschaft, Landwirtschaft verstehen, Bereitschaft zu höheren Ausgaben für das Tierwohl, http://bit.ly/1lGSqK1. Rückgang Masthühnerhaltungen, http://bit.ly/1NjCl60. Dass., Wege zu einer gesellschaftlich http://bit.ly/1Um2tj8, Schweinehaltungen, akzeptierten Nutztierhaltung, 2015, S. 81, http://bit.ly/1MbOLJ0, Sojaimporte http://bit.ly/220qmSB http://bit.ly/1NjCl60. S. 21: Tierhaltung: Statistisches Bundesamt, Tabelle 41331-0002; Schlachtungen: dass., 10–11 ES IST NOCH NICHT VORBEI von Katrin Wenz Tabelle 41331-0003, Datenbank-Abfrage, http://bit. S. 10: BVDF, Fleischverbrauch und Fleischverzehr je Kopf ly/1pc4Djm; Ökolandbau: dass., http://bit.ly/1RMc0AL. der Bevölkerung, http://bit.ly/1NYfxpy. S. 11: BUND, Anträge Neuland in Ihrer Nähe, http://bit.ly/1RMfZNz und Bewilligungen für den Bau neuer Tierhaltungsanlagen in Deutschland 2012–2015, Januar 2016 (angek.) 22–23 NIEDERSACHSEN: IM HEIMATLAND DER MASTBETRIEBE von Mona Hosseini, 12–13 MINDESTLOHN FÜR MINDEST-IMAGE von Leonie Meder, Jasmin Mittag, Pia Niehues und Marcel Sebastian Franziska Wolters S. 13: Allgemeine Fleischer-Zeitung, 7. 10. 2015, S. 22: Landwirtschaftskammer Niedersachsen, http://bit.ly/1QFo7i7. Statistisches Bundesamt, Tabelle Nährstoffbericht 2013/14, S. 13, http://bit.ly/1IHcYuW. 41322-0009, Datenbank-Abfrage, http://bit.ly/1pc4Djm S. 23: 3N Kompetenzzentrum, Biogas in Niedersachsen, Inventur 2014, S. 19, http://bit.ly/1F9A85G. – SLU: Angaben 14–15 KAMPF UM DIE CHEMISCHE KEULE der Stiftung Leben & Umwelt, 2015. Text: Nährstoffbericht von Christine Chemnitz 2014, http://bit.ly/1QfifOl S. 14: Ian Heap, International Survey of Herbicide- Resistant Weeds, Resistance to Glyphosate by Species, 24–25 SACHSEN-ANHALT: LEBEN IM http://bit.ly/1MbKVQ9. S. 15: wie S. 14, Herbicide- STILLSTAND von Dorothea Frederking Resistant Weeds in Europe, http://bit.ly/1lZn9BA S. 24: Ellen Stockmar/Atlas-Manufaktur. S. 25: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Statistische Berichte C III j/14, 16–17 SCHLESWIG-HOLSTEIN: MIT WEIDEN Viehbestände – Schweine –, Stand: 3. November 2014, UND WIESEN FÜR WASSER-, TIER- UND http://bit.ly/1Qf7tHQ BODENSCHUTZ von Reinhild Benning S. 17: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, 26–27 BRANDENBURG: AUF SAND GEBAUT Die Bodennutzung in Schleswig-Holstein 2013, S. 7, 17, von Mathias Richter http://bit.ly/1lGL9tR. Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt S. 26: Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und ländliche Räume Schleswig-Holstein, Winderosion und Flurneuordnung, Tierzuchtreport 2014, S. 24, 43, 84, in Schleswig-Holstein, S. 7, 15, 39, http://bit.ly/1lGKKYt. http://bit.ly/1B9wi1l. S. 27: BUND Brandenburg, Karte der Umweltbundesamt, Ökologischer Zustand der Massentierhaltung, http://bit.ly/1FW2vEY. – Statistisches Küstengewässer der Nordsee, http://bit.ly/1MbKi9l. Bundesamt, Landwirtschaft auf einen Blick, 2011, S. 25, 27, Text: Ackerflächenwachstum, http://bit.ly/1RjdvHd 29, http://bit.ly/1BHOjUU

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28–29 NORDRHEIN-WESTFALEN: 36–37 RHEINLAND-PFALZ: WO DIE KLEINEN MENSCHEN, TIERE, IMMISSIONEN von DOMINIEREN von Christine Lind und Alrun Schleiff Clara Beck, Pia Niehues und Ulrich Steinsiepe S. 36: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, S. 28: Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Landwirtschaft und Weinbau, 2013, Folien 5 u. 6, Entwicklung des ökologischen Landbaus in NRW, 2015, http://bit.ly/1NxTSZi. Jörg Breitenfeld, Landwirtschaft http://bit.ly/1ZYJijE. AMI: ami-informiert.de, in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu Deutschland, in: 10. August 2015, http://bit.ly/1M9FHuT. S. 29: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz 09/2014, S. 843, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, http://bit.ly/1E7ug3j. Statistisches Bundesamt, Nährstoffbericht 2014, S. 70, http://bit.ly/1M9nRrW. Landwirtschaft auf einen Blick, 2011, S. 25, 27, 29, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, http://bit.ly/1JlT6g9. S. 37: Statistisches Landesamt Agrarstrukturen in Deutschland. Regionale Ergebnisse Rheinland-Pfalz, Karten zum Rinderbestand, der Landwirtschaftszählung 2010, S. 33, http://bit.ly/1NHL7cN, zum Schweinebestand, http://bit.ly/1I09RZ1. WWF, Der Futtermittelreport. http://bit.ly/1E7bMjp. S. 54 f., ergänzend: Statistische Alternativen zu importierten Sojaerzeugnissen in Ämter des Bundes und der Länder, Agrarstrukturen in der Schweinefütterung, 2014, S. 11, http://bit.ly/1MTYfxT. Deutschland 2010, S. 31, 33, http://bit.ly/1gYPoht Text: Wasserqualität, http://bit.ly/1lZtYDe 38–39 SAARLAND: WENIG TIERE, ABER GENUG 30–31 HESSEN: WENN BENACHTEILIGTE MILCH von Udo Lorenz GEBIETE DIE NATUR BEVORTEILEN von S. 38: Statistisches Amt Saarland, Viehbestände im Saarland Reinhild Benning 2007 bis 2014, http://bit.ly/1RMcvux. Landwirtschaftlich S. 30: Upländer Bauernmolkerei: Unsere Bio-Bauern genutzte Fläche 2007 bis 2014 nach Hauptkulturarten, in Ihrer Nähe, http://bit.ly/1SW8vGi, aktualisiert http://bit.ly/1lGF0hd. S. 39: Statistisches Amt Saarland, Vieh- Dez. 2015. S. 31: Hessisches Statistisches Landesamt, haltung in den Kreisen, März 2013, http://bit.ly/1TJPXZN. – Statistische Berichte, C III 3 – j/14, Ergebnisse der Statistisches Amt Saarland, Milchwirtschaft im Saarland 1990 tierischen Erzeugung in Hessen 2014, bis 2010, http://bit.ly/1lZfxiy. Text: Eigenversorgungsquote http://bit.ly/1I2fcGk. Statistisches Bundeamt, Schweinefleisch: mündl. Auskunft Alfred Hoffmann, http://bit.ly/1RMc0AL.Text: Wasserqualität, Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Saarland http://bit.ly/1lZuVeV 40–41 BADEN-WÜRTTEMBERG: KLASSE STATT 32–33 THÜRINGEN: IM LAND DER MASSE von Andreas Greiner BRATWURST von Franziska Wolters S. 40: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Bearb.), S. 32: Thüringer Landesamt für Statistik, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Agrar- Agrarstrukturerhebung 2013, in: Aufsätze aus den strukturen in Deutschland. Regionale Ergebnisse der Monatsheften, November 2014, S. 13, Landwirtschaftszählung 2010, S. 15, 38–41, http://bit.ly/1MxIN9E. Thüringer Landesanstalt für http://bit.ly/1I09RZ1. S. 41: Ministerium für Ländlichen Landwirtschaft, Kaufwerte für landwirtschaftliche Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Grundstücke in Thüringen 2014, S. 4, Gemeinschaftsmarketing/ Schutzgemeinschaften, http://bit.ly/1J3pZuv. S. 33: Schweine- und Geflügelhaltung http://bit.ly/1LnSdTN. – STALA BWL: Statistisches in Thüringen, Thüringer Landtag, Drucksache 5/7667 Landesamt Baden-Württemberg, Tierbestände in Baden- vom 15. April 2014, Anhänge, http://bit.ly/1J46ge1. Württemberg seit 1950 nach Tierarten, http://bit.ly/1hQtxtc Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Landwirtschaft in Thüringen 2014, S. 33, S. 40, 42–43 BAYERN: DIE KLEINE ALTERNATIVE http://bit.ly/1TTe3FS. – Thüringer Landesanstalt ZUM GROSSEN SCHLACHTHOF von Elisabeth für Landwirtschaft, Landwirtschaft in Waizenegger, Michael Finger und Andrea Eiter Thüringen 2014. Thüringer Ökolandbau in Zahlen, S. 42: Ellen Stockmar/Atlas-Manufaktur. S. 43: S. 4 f., http://bit.ly/1LiGUfv Bayerisches Landesamt für Statistik, Tierische Erzeugnisse in Bayern 2014, S. 14–29, http://bit.ly/1JDAWTf. – 34–35 SACHSEN: BOOM DER BROILER von LFL: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Helmut Klüter Fleisch- und Geflügelwirtschaft in Bayern 2013, S. 34: Zusammenstellung: Prof. Dr. Helmut Klüter, Juni 2014, S. 24, http://bit.ly/1gSWXXc. Text: Anfrage 2012, Greifswald. S. 35: Statistisches Landesamt des http://bit.ly/1MbOYfn Freistaates Sachsen, Viehbestände in den landwirtschaftlichen Betrieben im Freistaat Sachsen. 44–47 KREIS FÜR KREIS, LAND FÜR LAND Agrarstrukturerhebung, März 2013, Fachserie S. 44: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Agrar- C III 3 – 3j/13, S. 7, S. 16 f., http://bit.ly/1hjXimq. strukturen in Deutschland. Einheit in der Vielfalt. Regionale – Statistisches Bundesamt, Viehhaltung der Betriebe. Ergebnisse der Landwirtschaftszählung 2010, S. 31, S. 33, Agrarstrukturerhebung 2013. Fachserie 3 Reihe 2.1.3; http://bit.ly/1I09RZ1. S. 45: Max Rubner-Institut, Nationale S. 94, http://bit.ly/1TOkvsv, Berechnung: Klüter Verzehrsstudie II, 2008, S. 199–229, http://bit.ly/1B7u0zN. (vgl. S. 34). Text: Tierbestandsangaben, S. 46: Statistisches Bundesamt, Fachserie 3, Reihe 3.1.2, Boden- http://bit.ly/1QFsee9, http://bit.ly/1SWg93n, nutzung der Betriebe, 1999; dass. 2014, http://bit.ly/1QFbJyw. http://bit.ly/1Y8p4Fq, http://bit.ly/1TOkvsv, S. 47: Dauergrünland: wie S. 46. Ökolandbau: http://bit.ly/1hjXimq, Vechta http://bit.ly/1lZuLnP Statistisches Bundesamt, http://bit.ly/1RMc0AL

FLEISCHATLAS 2016 49 50

DIE HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG UND IHRE LANDESSTIFTUNGEN

Demokratie und Menschenrechte durchsetzen, gegen die Zerstörung unseres globalen Ökosystems angehen, patriarchale Herrschaftsstrukturen überwinden, die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Übermacht verteidigen – diese Ziele bestimmen das Handeln der Heinrich-Böll-Stiftung und ihrer Landesstiftungen. Sie stehen zwar den Grünen nahe, sind aber parteiunabhängig und geistiger Offenheit verpflichtet. Die 16 Landesstiftungen sind selbständige Institutionen, sie arbeiten untereinander und auch mit der Bundesstiftung eng zusammen. Mit ihrer Bildungsarbeit wollen sie die politische Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger schärfen, zu bürgerschaftlichem Engagement anregen und die Möglichkeiten zur Teilhabe am politischen Leben verbessern.

Mit derzeit 31 Auslandsbüros verfügt die Heinrich-Böll-Stiftung über ein weltweites Netz für ihr Engagement. Heinrich Bölls Ermutigung zur zivilgesellschaftlichen Einmischung in die Politik ist Vorbild für die Arbeit der Stiftung.

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung einer demo- kratischen Einwanderungsgesellschaft sowie einer Geschlechter- demokratie als eines von Abhängigkeit und Dominanz freien Verhältnisses der Geschlechter. Mit vielen Veranstaltungen und Studien will die Stiftung zudem die Bürgerinnen und Bürger für eine Teilnahme an der Gestaltung der Europäischen Union gewinnen.

Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin, www.boell.de

BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist mit über 500.000 Mitgliedern und Unterstützer/innen der große Umweltverband Deutschlands. Seit 40 Jahren setzt er sich erfolgreich ein • für mehr Klimaschutz, • für gesunde Lebensmittel, • für eine bäuerliche Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung, • für den Schutz von Wäldern und Flüssen, von bedrohten Tieren und Pflanzen, • für mehr Rechte für Verbraucher/innen.

Der BUND macht sich stark für faire Handelsbeziehungen und engagiert sich gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Der BUND denkt über den Tag und den deutschen Tellerrand hinaus – was vor allem seine große Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ unterstreicht, die er zusammen mit Brot für die Welt und Evangelischem Entwicklungsdienst herausgegeben hat.

Der BUND ist der Umweltverband, der mit 16 Landesverbänden und über 2.000 Orts- und Kreisgruppen im ganzen Land aktiv und erreichbar ist. Der BUND ist Mitglied des mit über 70 Organisationen weltweit größten Umweltnetzwerks Friends of the Earth.

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, www.bund.net, www.facebook.com/BUND.Bundesverband, http://twitter.com/BUND_net

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IN GLEICHER FLEISCHATLAS FLEISCHATLAS AUSSTATTUNG Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2013 Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014 ERSCHIENEN NEUE THEMEN

EXTRA: ABFALL UND VERSCHWENDUNG

FLEISCHATLAS 2013 FLEISCHATLAS 2014 FLEISCHATLAS EXTRA 2014

DE ATLAS LA CARNE MEAT ATLAS Hechos y cifras sobre los animales que comemos La réalité et les chiffres sur les animaux Facts and fi gures about the animals we eat que nous consommons ETYediğimiz hayvanlar ATLASI hakkında gerçekler ve rakamlar

MEAT ATLAS 2014 ATLAS DE LA CARNE 2014 L’ATLAS DE LA VIANDE 2014 ET ATLASI 2014

EUROPA-ATLAS BODENATLAS ATLAS MASA Daten und Fakten über den Kontinent Příběhy a fakta o zvířatech, která jíme Daten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015 SOIL ATLAS Facts and fi gures about earth, land and fi elds 2015

ATLAS MASA 2014 EUROPA-ATLAS 2014 BODENATLAS 2015 SOIL ATLAS 2015

KOHLEATLAS ATLAS WEGLA Daten und Fakten über einen globalen Brennstoff 2015 COAL ATLAS Dane i fakty o globalnym paliwie 2015 ATLAS UHLÍ Facts and figures on a fossil fuel 2015 Příběhy a fakta o palivu, které změnilo svět i klima 2015

WIE WIR HOW WE ARE JAK JAK SI DAS KLIMA COOKING PRZEGRZEWAMY OHŘÍVÁME VERHEIZEN THE CLIMATE KLIMAT PLANETU

KOHLEATLAS 2015 COAL ATLAS 2015 ATLAS WĘGLA 2015 ATLAS UHLÍ 2015 52 U4

Kleinbäuerliche Strukturen erschweren die industrielle Landwirtschaft. RHEINLAND-PFALZ, aus: WO DIE KLEINEN DOMINIEREN, Seite 36 19 22 11 20 Die Agrarindustrie18 weicht vor schärferen Kontrollen 21 und Widerstand in andere Bundesländer aus. 52,5 9 10 NIEDERSACHSEN, aus: IM HEIMATLAND DER MASTBETRIEBE, Seite 22 7 43,5 8 16

15 24 34,96 33,4 87 16 22 5 13 27,8 1 6914 22,9 24,2 17 4 459 2 3 23 15,6 12 2.132 13,3 25 208 37 39 2005 2013 36 2015 29 92938 40 28 Der Import30 von Futtermitteln bedeutet einen stetigen Zufluss von Nährstoffen aus 41anderen Ländern. 26 NORDRHEIN-WESTFALEN, aus: MENSCHEN, TIERE, IMMISSIONEN, Seite 28 31 32 44 27 Es sind riesige Schlachthöfe entstanden, die 34 35 33 jetzt ausgelastet werden müssen.43 BRANDENBURG, aus: AUF SAND42 GEBAUT, Seite 26