Der Burgauenbach Entdecken Sie den Auwald mit dem Projekt Lebendige und dem NABU Burgauenbach eine virtuelle Exkursion

Immer mehr Leipziger und Schkeuditzer Bürgerinnen und Bürger nutzen den Auwald für Spaziergänge, Sport und Fahrradtouren. Entlang der Gewässer und auf den Waldwegen erobern sie sich den Wald. Das Projekt Lebendige Luppe und der NABU Leipzig laden Sie ein zu einer Wanderung anhand von GPS-Daten und Fotos. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad entdecken Sie den Auwald und erhalten interessante Fakten zum Burgauenbach und der ihn umgebenden Landschaft.

Sie werden die Aue vor Ihrer Haustür mit anderen Augen sehen.

Bevor es los geht, haben wir noch eine Bitte:

Sie werden sich vor allem im Landschaftsschutzgebiet bewegen, das Naturschutzgebiet grenzt aber oft direkt an. Einige Stellen liegen auch innerhalb des Naturschutzgebietes. Bitte verlassen Sie die Wege nicht, entnehmen Sie weder Tiere noch Pflanzen und lassen auch keinen Müll im Wald liegen. Alle Punkte unserer Wanderung sind vom Weg aus gut zu erkennen. Wo dies nicht möglich sein wird, bringen wir Ihnen mit Fotos die Stellen nahe.

Der NABU Leipzig ist Gewässerpate und hat maßgeblich an der Idee der Wiedervernässung und der Entstehung des Burgauenbaches mitgearbeitet. 2019 führte er eine Evaluation des damaligen Renaturierungsprojekts durch, die Rückschlüsse auf Erfolge und Defizite zulassen. Im Rahmen des Projekts Lebendige Luppe ergibt sich nun die Möglichkeit, Aufwertungsmaßnahmen umzusetzen, die sich aus den Kartierarbeiten ableiten lassen.

2 Die Elster-Luppe-Aue

Die Leipziger Auenlandschaft ist bedroht. Zahlreiche wasserbauliche Maßnahmen der letzten Jahrhunderte haben zu einer weitgehenden Austrocknung der Auwälder geführt. Flussbegradigungen und -umlegungen, Kanalisierungen, Deichbau und Verschüttungen zu Zwecken der Land- und Siedlungswirtschaft haben das Gewässersystem geprägt. Auch die städtische Entwicklung hat ihre Spuren hinterlassen. Viele Betten liegen trocken und Überflutungen fehlen. Die letzte, besonders einschneidende Maßnahme war der Bau der Neuen Luppe in den 1930er- bis 1950er-Jahren. Diese verläuft durch den nordwestlichen Auwald und trennt den Wald von seiner wichtigen Wasserversorgung ab. Durch die sich immer stärker eintiefende Gewässersohle entzieht die Neue Luppe der Umgebung zusätzlich Grundwasser. Trotzdem sind auch heute noch Elemente der ursprünglichen Auenlandschaft zu finden: Überall in den hiesigen Auenwäldern zeigen leere Betten den Verlauf ehemaliger Flussläufe.

Das Projektgebiet der „Lebendigen Luppe“: Der nordwestliche Auwald Leipzigs und Schkeuditz‘ war einst von einem dynamischen und weit verzweigten Flusssystem geprägt. Relikte dieser Auenlandschaft sind noch heute im Leipziger und Schkeuditzer Auwald zu sehen.

3 Der Burgauenbach

Herbst 1997, Leipzig: Um der fortschreitenden Austrocknung und damit dem Verlust der Auenlandschaft entgegenzuwirken, startet der NABU Sachsen gemeinsam mit der Stadt Leipzig im Rahmen des vom Freistaat Sachsen geförderten „Wiedervernässungsprojektes nordwestliche Leipziger Aue“ den Bau des Burgauenbaches. Aus den Relikten der Auenlandschaft soll ein neues Fließgewässer entstehen, das eine Lebensader in den ansonsten trockenen Auwald bringt. Neben der permanenten Wasserführung sind Frühjahrsausuferungen, die Füllung weiterer Altarme und Überschwemmungen auf etwa zehn Hektar Auwaldfläche geplant. Erwartungen, die an den Burgauenbach geknüpft werden, sind die Anhebung des Grundwasserspiegels und die Bewässerung der Waldspitzlachen. Letzteres sollte die Lachen als Lebensraum für Laubfrosch, Kammmolch, andere inzwischen selten gewordene Amphibien und wassergebundene Arten sichern.

22. März 1999, Leipzig: Der Burgauenbach wird eingeweiht.

Der NABU Leipzig ist Flusspate des Burgauenbaches. 2019 führte er eine Evaluation durch, bei der neben der Gewässerstrukturgüte auch die Vegetation, Brutvögel, Fische, Amphibien, Reptilien, Libellen, Mollusken und Kleinstlebewesen des Gewässers und der angrenzenden Waldspitzlachen kartiert wurden.

4 Lebendige Luppe – ein Auenentwicklungsprojekt

Das Projekt Lebendige Luppe möchte Relikte der Leipziger und Schkeuditzer Auenlandschaft verbinden, mit Wasser versorgen und so eine wichtige Lebensader in der Aue wiederherstellen. Ökologisch bedeutsame Überflutungen sollen der Aue die nötige Dynamik für die Erhaltung und Entstehung wichtiger Auenlebensräume geben. Gemeinsam arbeiten die Städte Leipzig und Schkeuditz, die Universität Leipzig, das Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der NABU Sachsen an der Revitalisierung ehemaliger Flussläufe im Auensystem zwischen Leipzig und Schkeuditz.

Die Lebendige Luppe wird in mehreren Abschnitten umgesetzt. Der zuerst bearbeitete Teil südlich der Neuen Luppe wird der sein. Am Burgauenbach werden im Rahmen des Projekts Aufwertungsmaßnahmen durchgeführt, die sich aus einer Evaluation des NABU Leipzig von 2019 ergaben. Zudem erarbeitet das Projekt Lebendige Luppe gemeinsam mit lokalen Akteuren ein Konzept zur zukünftigen Entwicklung der Nordwestaue zwischen Leipzig und Schkeuditz.

Mit dem Projekt Lebendige Luppe wird der Aue ein permanentes Fließgewässer mit regelmäßigen Ausuferungen und naturnahen, flächigen Überschwemmungen im Auwald gegeben. Dies ist die Grundlage für ein funktionstüchtiges Auenökosystem.

Ausführliche Informationen zum Projekt finden Sie auf unserer Homepage: www.Lebendige-Luppe.de.

Die „Lebendige Luppe“ erhält als erstes sächsisches Projekt eine Förderung im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt, das durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit realisiert wird. Gefördert wird es zudem durch den Naturschutzfonds der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt. Die „Lebendige Luppe“ ist ein Schlüsselprojekt des Grünen Ringes Leipzig und des NABU Leipzig.

5 1. Einlass des Burgauenbaches am Elsterbecken 51.35626°N, 12.33348°E

Wir beginnen unsere Exkursion am Einlass des Burgauenbaches.

Der Burgauenbach hat keine richtige Quelle, sondern „entspringt“ mit einem Bauwerk am Elsterbecken. Für das damalige Renaturierungsprojekt wurden die Relikte der Flusslandschaft verbunden und an das Gewässersystem angebunden: Genau hier, wo das Elsterbecken in die übergeht.

Auf der anderen Seite des Deiches, unter dem Geländer sehen Sie die ersten Meter des Burgauenbaches.

Warum ist am Beginn des Baches ein Bauwerk nötig? Dem Burgauenbach wird kontrolliert Wasser zugeführt, das Wasserrecht regelt die zur Verfügung stehende Wassermenge. Im Normalfall gelangen ca. 0,3 m³ Wasser pro Sekunde in den Burgauenbach (also knapp zwei Badewannen voll). Damit er im Frühling an bestimmten Stellen über die Ufer treten kann, kann die Wassermenge auf bis zu 0,5 m³ Wasser je Sekunde erhöht werden.

6 51.35662°N, 12.33034°E 2. Ein Schilfgürtel für sauberes Wasser

Ein wichtiges Anliegen bei der Schaffung des Burgauenbaches war es, sauberes Wasser in die Aue zu bringen. Stellen Sie sich die Nordwestaue Mitte der 1990er-Jahre vor: Die Neue Luppe ist durch Deiche von der Aue getrennt und entwässert die Auenlandschaft durch den sehr tief liegenden Wasserkörper. Die führt nur noch Restwasser und der Bauerngraben entspringt der Kanalisation in Leutzsch. Die meisten Flussläufe sind bereits ausgetrocknet oder führen nur zeitweise Wasser. Auch die vom Lehmabbau verbliebenen Lachen und einige wenige natürliche Altwasser sind von Austrocknung bedroht.

Ein Schilfgürtel, dessen Reste hier noch zu sehen sind, sollte das Wasser filtern und Schadstoffe weitgehend entfernen bzw. fixieren. Inzwischen nimmt die zunehmende Bewaldung der Fläche dem Schilf jedoch das nötige Licht, sodass heute nur noch ein Teil davon übrig ist.

7 3. Die : Hier kreuzt der Burgauenbach unterirdisch 51.35678°N, 12.32875°E

Bleiben Sie auf der Brücke über der Kleinen Luppe einen Moment stehen. Der Burgauenbach kreuzt hier die Kleine Luppe – unterirdisch! Die geomorphologischen Gegebenheiten ermöglichen es nicht, das Wasser des Baches direkt der Kleinen Luppe zu entnehmen, sie liegt zu tief. Also wurde er „gedükert“ – das bedeutet, der Burgauenbach wird in einem Rohr unter der Kleinen Luppe durchgeführt und erscheint in dem Wäldchen links des Flusses.

Das linke Bild zeigt eine Aufnahme abseits des Weges. Der Burgauenbach verschwindet hinter dem Gitter für fast 100 Meter in einem Rohr im Boden. Dies ist nicht nur ein Problem für die ökologische Durchgängigkeit. Der Düker begrenzt auch die maximal einleitbare Wassermenge in den Burgauenbach.

8 51.35761°N, 12.32705°E 4. Damit alles im Fluss bleibt, sind Gewässerpaten aktiv.

Mit seinen vielen Durchlässen unter Wegen und Straßen ist der Burgauenbach leider recht unterhaltungsintensiv. Gerade vor den Rohren unter Brücken und Wegen sammelt sich Laub und kleineres Totholz. Was üblicherweise ein gutes Strukturelement ist, entwickelt sich hier als Hindernis, denn direkt vor den Verrohrungen kann das Wasser den Ästen und Zweigen nicht ausweichen und sich in der Gewässersohle oder am Ufer Umwege graben. Vor allen zu Niedrigwasserzeiten ist dies ein besonderes Problem, denn die geringen Wassermengen haben nicht die Kraft, die Barrieren zu überwinden. In der Folge sammeln sich die organische Stoffe, das Wasser erwärmt sich und es kommt nicht selten zur Bläschenbildung – ein Hinweis auf einen geringen Sauerstoffgehalt im Gewässer.

Im Rahmen der Gewässerpatenschaft entfernt der NABU Leipzig zweimal im Jahr unter anderem die Durchflusshindernisse direkt vor den Durchlässen. Außerdem befreit er den Bach und seine Umgebung von Müll. Mitstreiter für solche und andere Aufgaben sind stets willkommen! Melden Sie sich unter [email protected]!

9 51.35832°N, 12.32398°E 5. Problem: Fehlende ökologische Durchgängigkeit

Durchlässe wie diesen gibt es viele am Burgauenbach. Das Gewässer verschwindet in einem Rohr und erscheint mehrere Meter später wieder im Wald. Dieser hier misst mehr als 70 Meter und unterquert die Eisenbahntrasse.

Sie sind vor allem für die ökologische Durchgängigkeit problematisch. „Ökologisch durchgängig“ bedeutet, dass den Wanderungen von Wasserorganismen und Sedimententransport keine Hindernisse gesetzt werden. Damit sind nicht nur Fische gemeint, sondern auch andere Arten der Flora und Fauna, die an das Wasser gebunden sind.

Da der Burgauenbach an mehreren Stellen nicht ökologisch durchgängig ist, kann er den Biotopverbund nicht unterstützen. Fische und andere kleine Tiere werden zwar am Einlass des Baches mit der Strömung in den Bach gespült und weitertransportiert, können aber nicht aktiv wandern. Für Tiere, die sich entlang der Ufer bewegen (wie Fischotter und Biber) endet die Wanderung hier.

10 51.36174°N, 12.31466°E 6. Flutungsfläche „Leutzscher Holz“

Um dem austrocknenden Auwald einen Teil der natürlichen Auendynamik wiederzugeben, kann der Burgauenbach auf bis zu zehn Hektar über die Ufer treten. Ein steinerner Überlauf am Weg führt das Wasser in das angrenzende Altarm-system. Die Überflutungen kommen durch einen Rückstau zustande: Der Durchfluss durch die Gustav-Esche-Straße ist begrenzt, sodass an dieser Stelle ein Engpass für das „Überlaufen“ bei erhöhter Wasserzufuhr sorgt.

Die kontrollierten Überflutungen sind nicht unumstritten, denn die zur Verfügung stehenden Wassermengen sind festgelegt und ein Übertreten des Wassers erfolgt nur an der dafür vorgesehenen Stelle. Kleine Verwallungen an den Ufern verhindern dass Wasser anderorts über die Ufer tritt. Sie stammen noch von den Baumaßnahmen und müssen für naturnahe Überflutungsereignisse entfernt werden.

Im Zuge des Hochwassers 2013 wurde das Einlassbauwerk beschädigt. Im Moment ist es daher nicht möglich, die Über- schwemmungen zu erzeugen. Eine Reparatur ist durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig geplant.

Leutzscher Holz

Hellblau: Rinnen- und Senkensystem im Leutzscher Holz; dunkelblau: Burgauenbach 11 Als positives Ergebnis der jährlichen Flutungen zeigt sich jedoch in einer Evaluation, die der NABU Leipzig mit viel ehrenamtlichem Engagement und einer Förderung des NABU Bundesverbandes 2019 durchgeführt hat, dass auf den regelmäßig gefluteten Flächen z.B. weniger Spitzahorn zu finden ist als in den umliegenden, trockenen Bereichen. Diese Ahornart breitet sich derzeit stark im Auwald aus und wird mit dem ganzjährig tiefen Grundwasserstand und den fehlenden Überschwemmungen in Verbindung gebracht. Zudem verdrängt sie die auentypische Stieleiche, die unter der stark beschattenden Ahornkrone kaum mehr keimen und aufwachsen kann. Aber auch in der Krautschicht sind deutliche Unterschiede in der Artausstattung zu finden. Der für den Leipziger und Schkeuditzer Auwald bekannte Bärlauch fehlt beispielsweise auf den regelmäßig überfluteten Flächen. Er ist vor allem in den trockneren Bereichen zu finden.

12 51.36407°N, 12.30906°E 7. Auwaldwissenschaften mit Kran

Bleiben Sie einen kurzen Moment hier stehen. Sie befinden sich auf dem Kilometerweg. Rechts dieses Weges liegt das Naturschutzgebiet Burgaue, links davon das Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald. Wir werden uns zunächst nicht im Naturschutzgebiet bewegen, also nicht den Kilometerweg nehmen, sondern den Parallelweg, der an dieser Kreuzung auf der linken Seite abzweigt. Bevor wir weitergehen, werfen wir noch einen kurzen Blick nach rechts. Am Ende des kleinen (nicht öffentlichen!) Weges steht der Auwaldkran des iDiv Halle-Jena-Leipzig. Dieser bietet die Möglichkeit, die Perspektive zu ändern und in die Baumkronen zu schauen. Auch das Projekt Lebendige Luppe wird wissenschaftlich durch die Universität Leipzig und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig begleitet. Vom Weg meist nicht zu sehen befinden sich die Mess- und Beobachtungsflächen. Hier wird genauer nach Flora und Fauna, aber auch abiotischen Faktoren wie dem Grundwasserstand geschaut. Diese Daten werden unter anderem helfen, zukünftig die Revitalisierungsmaßnahmen bewerten zu können.

13 Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt Lebendige Luppe verarbeiten die gesammelten Daten zu dreidimensionalen Modellen der bestehenden Lebensräume. Auf diese Weise ist es möglich, die Veränderungen der Bestandsstruktur zu visualisieren und nachvollziehen zu können. Baumkronenmodelle, wie das hier abgebildete, entstehen beispielsweise aus den Aufnahmen der Waldinventuren. Sie helfen den Forscherinnen und Forschern, den Wald in seiner Komplexität besser zu verstehen. Dies ist nötig, um zum Beispiel die Folgen des Eschentriebsterben oder der „Verahornung“ (also der steigenden Ausbreitung des Spitzahorns) infolge der fehlenden Flussdynamik genauer einschätzen zu können.

14 8. Wasser als Landschaftsgestalter 51.36345°N, 12.30524°E

Nutzen Sie die Möglichkeit, nahe an den Burgauenbach herantreten zu können. In weiten Teilen besteht er aus natürlichen, historischen Flussbetten – Relikte der ursprünglichen Auenlandschaft. Wenn Sie aufmerksam durch den Auwald spazieren, werden Sie auch vom Weg aus die eine oder andere Hohlform der ehemaligen Fließgewässer erkennen.

Der natürliche Verlauf eines Gewässers ist keineswegs geradlinig. Vielmehr schlängeln sich die Gewässer durch die Landschaft – in sogenannten Mäandern, wie diesem vor Ihnen. Auch sein Querschnitt ist nicht gleichmäßig. Es gibt immer eine steile Seite, den Prallhang, gegenüber einer flachen Seite, dem Gleithang. Ist die Kraft des Wassers groß genug, wie dies bei großen Gewässern oder auch im Hochwasserfall geschieht, schürft das Wasser auf der einen Seite des Ufers stets etwas Sediment ab (Prallhang). So gräbt sich der Fluss immer weiter in die Landschaft. Auf der gegenüberliegenden Seite hingegen ist das Wasser ruhiger, das Sediment wird abgelagert und der Gleithang entsteht. So verlagern die Fließgewässer ihre Betten, in und um das Gewässer entstehen verschiedene Lebensräume.

Eine solche Dynamik ist heute nur noch an wenigen Orten zu sehen. Meist verhindern Uferbefestigungen und Regulierungen dies, was maßgeblich zur Ge- fährdung und zum Verlust von Auenlandschaften beiträgt.

Gleithang

Prallhang

15 9. Burgauenbach kreuzt Bauerngraben 51.36331°N, 12.30160°E

Der Burgauenbach kreuzt an dieser Stelle den Bauern- graben – ohne ihn zu berühren. Dieser fließt durch einen Tunnel unter dem Burgauenbach hindurch. Was Sie nur wenige Meter von Ihrem Standort entfernt sehen, ist also ein kleines Aquädukt. Unter Ihnen fließt der Bauerngraben, ein künstliches Gewässer, das heute Wasser aus der Kanalisation führt und in weiten Teilen in einem steinernen Bett liegt. Seine Wasserqualität ist sehr schlecht, sodass man das Wasser nicht mit dem Burgauenbach mischen und so in die Aue transportieren wollte. Der Bauerngraben führt auf geradem Weg zur Neuen Luppe, in die er mündet.

Der Bauerngraben ist schon recht alt. Vor dem Bau der Neuen Luppe mündete er in das Hundewasser. Dieses war früher einer der zahlreichen Nebenarme der Weißen Elster, heute ist es jedoch nur noch ein Altarm (also nur noch einseitig mit dem Hauptgewässer verbunden). Wer gegenüber des Bauerngrabensiels auf dem Luppedeich steht (also nördlich der Neuen Luppe), kann das Hundewasser im Gebüsch erkennen.

16 51.36337°N, 12.29725°E 10. Mal trocken, mal nass – ephemere Lebensräume

Hier treffen wir wieder auf den Burgauenbach. Diese Stelle ist vor allem deshalb interessant, weil hier schon kleine Änderungen im Wasserstand eine große Wirkung zeigen. Vergleichen Sie das Bett mit dem an anderen Stellen, die Sie bereits kennengelernt haben. Es ist sehr flach und recht breit. Wenn Sie im Jahresverlauf häufiger vorbeikommen, achten Sie auf den Totholzstamm (linkes Bild). Je nach Wasserstand steht er am linken Ufer oder inmitten des Baches. Hier finden sich sogenannte „ephemere“ Lebensräume, also solche, die unstetig, kurzlebig sind. Auch Altwasser und Senken können ephemer sein. Für einige Tage oder auch Wochen stehen sie unter Wasser, um dann wieder lange Zeit auszutrocknen – Lebensbedingungen, die für viele Organismen eine Besiedlung unmöglich machen. Andere Arten hingegen sind genau darauf spezialisiert. Solche Standorte sind besonders wertvoll und in natürlichen Auen häufig anzutreffen.

17 51.36365°N, 12.29634°E 11. Prozessschutz und Waldspitzlachen

Sie stehen auf einem der Leipziger Waldspielplätze bei Böhlitz-Ehrenberg. Wir werden unseren Weg nach Norden fortführen – nicht ohne Ihren Blick vorher nach Westen zu lenken. Hinter dem Spielplatz schließt sich ein Prozessschutzgebiet an. Prozessschutzgebiete sind Flächen, auf denen keine Forstwirtschaft durchgeführt wird. Sie werden sich selbst überlassen. Deutschlandweit sollen bis zu 20 Prozent der Forste für die natürliche Entwicklung genutzt werden, in Leipzig sind zur Zeit ca. 10 Prozent des Leipziger Stadtforstes als Prozessschutzfläche ausgewiesen (Engelmann et al. 2019). Hier wird sich im Laufe der Zeit das Waldbild ändern, da nun nur noch die Umweltbedingungen die Artenzusammensetzung beeinflussen und jegliches menschliche Zutun untersagt ist. Zudem werden die Bäume hier sehr alt. Astabbrüche, Risse in der Borke und viele andere natürliche Verletzungen der Bäume schaffen Höhlen für Vögel, Fledermäuse und Insekten – in einer Menge, die in den Forsten aufgrund der wirtschaftlichen Nutzung in der Regel nicht vorkommt. Daher finden sich hier viele „Urwaldarten“ wie der Eremit (ein Käfer, der sich in alten Laubbäumen entwickelt).

Der Weg neben dem Schild mit der Naturschutzeule führt teilweise am Burgauenbach entlang zu den streng geschützten Waldspitzlachen. Wir bitten Sie, ihn nicht weiter zu verfolgen, denn die Lachen sind für den Publikumsverkehr nicht frei gegeben.

18 Lachen sind im gesamten Leipziger und Schkeuditzer Auwald zu finden und zeugen von der Geschichte dieser Region: dem Lehmabbau. Die entstandenen Gruben wurden oft verfüllt. Einige blieben jedoch erhalten und wurden von der Tier- und Pflanzenwelt der Aue als Ersatz für die durch die ausbleibende Dynamik verschwindenden Altwasser angenommen. Darunter viele Amphibien, wie die Rotbauchunke. Aber auch die Lachen waren von der allgemeinen Austrocknung der Auenlandschaft betroffen. Um die Lachen an der Waldspitze als neu gewonnene Lebensräume zu erhalten, wurde der Burgauenbach direkt neben ihnen entlang geführt. Damit dennoch ein regelmäßiges Austrockenen gewährleistet werden kann, was zum Beispiel den Fischbesatz gering hält und die wichtigen ephemeren Lebensräume schafft, darf die Bewässerung nur indirekt erfolgen: Das Wasser drückt durch den schmalen Erdwall. Allerdings wird der abgrenzende Wall immer wieder zerstört, so dass die Lachen seit einigen Jahren ganzjährig Wasser führen. Dies hat die Artenzusammensetzung verändert, wie die Erhebungen des NABU Leipzig zeigen konnten.

19 12. Mittelwald und Hochflutbett 51.36878°N, 12.29774°E

Verweilen Sie kurz an der vor Ihnen liegenden kleinen Wiese mitten im Auwald. An dieser Stelle möchten wir Sie auf zwei Punkte hinweisen. Wenn Sie zurückschauen, sehen Sie eine sogenannte „Mittelwaldfläche“. Der Mittelwald war eine typische Bewirtschaftungsform in der Zeit vor der Industrialisierung: Einige wenige große Bäume, die „Überhälter“, dominierten das Bild, darunter vermehrten sich die Gehölze meist durch Stockausschlag. Diese wurden alle 10 bis 20 Jahre für Brennholz geschlagen. Die Überhälter hingegen wurden nur selten vor allem für Bauholz entnommen. Mit der Industrialisierung wurde Holz jedoch mehr und mehr durch Kohle ersetzt. Die Mittelwaldwirtschaft verlor ihre Bedeutung, man ging zum Hochwald über. Damit einher ging ein Rückgang all jener Arten, die auf diese alten, oft besonnten Laubbäume angewiesen sind. Um diese Arten wieder zu stärken und langfristig zu halten, wurde auf 13,5 Hektar des Leipziger Stadtforstes die Mittelwaldbewirtschaftung wieder eingeführt.

Mittelwaldwirtschaft: Überhälter lieferten das Bauholz, der Unterstand wurde regelmäßig für Brennholz gefällt und trieb in sogenannten Stockausschlägen wieder aus. 20 Vor Ihnen liegt die zweite Stelle, auf die wir Sie aufmerksam machen möchten: Diese Wiese ist ein Relikt des ehemaligen Hochflutbettes. Vor dem Bau der Neuen Luppe wurde Hochwasser mittels solcher Schneisen von der Stadt weg in den Wald gelenkt und abgeführt. Dort hat es sich in den zahlreichen Armen des Luppesystems verteilt. Im südlichen Auwald können Sie noch funktionstüchtige Hochflutbetten in der Nähe des Wildparks oder an der Brückenstraße beim Cospudener See finden. Hier, in der Burgaue ist nur diese Wiese (mit der Flutrinne in der Mitte) übrig geblieben. Auenwiesen gehören zum natürlichen Bild von Auenlandschaften. Die Auwaldpflanze des Jahres 2017 zum Beispiel (der Echte Haarstrang) ist auf Auenwiesen zu finden, weitere Vertreter dieses Lebensraumes sind der Große Wiesenknopf, das Nordische Labkraut und der Goldschopfhahnenfuß. Auenwiesen sind deutschlandweit stark durch Flussregulierungsmaßnahmen und die Intensivierung der Landwirtschaft bedroht. Sie sind wie alle Lebensräume der Aue stark von einer möglichst natürlichen Wasserdynamik abhängig und daher besonders geschützt.

21 51.37139°N, 12.28540°E 13. Neue Luppe

Sie haben nun die Neue Luppe erreicht und stehen auf dem linksseitigen Deich. Hier möchten wir uns von Ihnen verabschieden. Vielleicht gelingt es Ihnen, einen Blick auf die geschützten Waldspitzlachen zu erhaschen. Auch von dieser Seite scheint ein Weg dorthin zu führen, den Sie jedoch bitte nicht nehmen. Die Lachen liegen in einem Naturschutzgebiet und stehen unter besonderem Schutz.

Der Burgauenbach endet nur wenige Meter von hier. Er mündet in den Bauerngraben und damit in die Neue Luppe. Das (neue) Bauerngrabensiel können Sie in etwa 800 Metern flussabwärts sehen. In einem weitern Schritt sollte der Burgauenbach nördlich der Waldspitzlachen weiter gen Westen geführt werden, um auch die dortigen Lachen und Altwasser zu erhalten. Das Projekt Lebendige Luppe hat diese Idee aufgegriffen und in seine Planungen integriert: Ehemalige Wasserläufe werden revitalisiert und zu einem Fließgewässer verbunden– der Lebendigen Luppe. Diese soll ganzjährig Wasser führen, regelmäßig ausufern und Hochwasser in die Aue bringen.

22 Übersicht

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7 9 1110 8

6 5 4 3 1 2

Hinweis: Orientieren Sie sich an den GPS-Daten, den Fotos der jeweiligen Standorte und wenn nötig den kleinen Tipps auf der letzten Seite. Die Karte skizziert das Wegesystem im Groben wieder. Viel Spaß!

23 Texte Maria Vlaic (NABU Sachsen)

Redaktion Karolin Tischer (NABU Sachsen) I Mathias Scholz (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig) I Sylke Nissen und Karin Lange (Universität Leipzig) I Franziska Löffler (Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer) I Hans D. Kasperidus (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig)

Diese virtuelle Exkursion ist ein Gemeinschaftsprojekt des NABU (Naturschutzbund Deutschland) Regionalverband Leipzig e.V. und der Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung des Projektes „Lebendige Luppe“.

Die „Lebendige Luppe“ erhält als erstes sächsisches Projekt eine Förderung im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt, das durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit realisiert wird. Gefördert wird es zudem durch den Naturschutzfonds der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt. Die „Lebendige Luppe“ ist ein Schlüsselprojekt des Grünen Ringes Leipzig und des NABU Leipzig.

Weitere Informationen gibt es auf der Projekt-Homepage www.Lebendige-Luppe.de.

Kontaktbüro „Lebendige Luppe“ NABU-Regionalverband Leipzig e.V. Michael-Kazmierczak-Str. 25 Corinthstr. 14 04157 Leipzig 04157 Leipzig Telefon: 0341 86967550 Telefon: 0341 6884477 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Quellen

Texte Die Inhalte der Texte entstammen den Exkursionen, Beobachtungen und Erfahrungen zahlreicher Naturschützer_innen und Experten_innen für Auen und Fließgewässer. Vieles können Sie auf den Seiten des NABU Leipzig oder den Publikationen des NABU und des Projekts Lebendige Luppe nachlesen. www.nabu-leipzig.de/projekte/burgauenbach/ https://de.wikipedia.org/wiki/Burgauenbach

Engelmann, Haack, Henle, Kasperidus, Nissen, Schlegel, Scholz, Seele-Dilbat & Wirth: Reiner Prozessschutz gefährdet die Artenvielfalt im Leipiger Auwald; www.ufz.de/export/data/global/237378_DP_8_2019_Engelmann_etal.pdf. 2019 Mäkert & Oertner: Neues Leben für die Aue – ein erfolgversprechendes Wiedervernässungsprojekt bei Leipzig, Naturschutz heute. 2000 Vlaic: 20 Jahre Burgauenbach – eine Auswertung; Flusspost. 2020 Vlaic & Mäkert: 20 Jahre Burgauenbach im Jahr 2019; NABU Report. 2019 Vlaic: 20 Jahre Burgauenbach; naturnah. 2019 Lebendige Luppe (Hrsg. NABU Landesverband Sachsen e.V.): Leipziger und Schkeuditzer Gewässer – 24 Fließgewässer im Portrait. 2015

Grafiken und Fotos Titelbild: Karolin Tischer Seiten 2, 6re, 7li, 8, 10, 13li, 13li, 15li, 16, 18, 19re, 22li: Karolin Tischer; Seiten 6li, 7re, 9, 11, 12re, 14re, 15re, 16li, 17, 19li, 20, 21, 22re, 23, 26: Maria Vlaic; Seiten 3, 14li: Maria Vitzthum; Seiten 5: Uwe Schroeder; Seiten 4re, 12li: Ralf Mäkert; Seite 13re: Mathias Scholz; Seite 4li: Roland Zitschke; Seite 19re: Marcus Held; Seite 14re: Hans D. Kasperidus

25 Sie beginnen am Elsterbecken kurz vor dem Nahlewehr (1). Folgen Sie dem Weg nach Norden und biegen rechts Richtung Kleine Luppe ab. Im Wald hinter der Brücke (3) treffen Sie auf einen Weg, dem Sie nach Norden folgen. Von dort erreichen Sie den Durchlass vor der Eisenbahntrasse (5) und einen Tunnel, durch den Sie in das dahinterliegende Auwaldgebiet, den Wilden Mann, kommen. Nehmen Sie hinter dem Tunnel den rechten Weg und fahren oder laufen Sie ein Stück entlang der zweiten Bahntrasse. Ein weiterer Durchgang lässt Sie passieren. Vor Ihnen liegt das Leutzscher Holz. Am Ende des Weges kreuzt ein Reitweg, dem Sie nach Norden folgen, um die Überflutungsfläche zu finden (6). Anschließend müssen Sie den Holzpilz ( ) an der Nahle, kurz vor dem Nahleauslassbauwerk finden. Hier beginnt der Kilometerweg, dem Sie (größtenteils auf einem Parallelweg) bis zu seinem Ende folgen (11) und dann den Weg nach Norden nehmen. Sie erreichen schließlich die Neue Luppe und damit den letzten Punkt der Wanderung. (13) Von hier aus können Sie auf dem Luppedamm zurück in die Stadt Leipzig bzw. Schkeuditz fahren oder wandern. Wenn Sie die Auenlandschaft auf eigene Faust weiter erforschen möchten, denken Sie bitte an die Verhaltensregeln in den Naturschutzgebieten! 26