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U A A E V T F Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 1
Hochwasserschutz in Leipzig 2011
1. Zusammenfassung 2
2. Chronik des Leipziger Hochwasserschutzes 6
3. Wie geht es weiter? 10 3.1. Maßnahmen mit geschaffener Baufreiheit 10 3.2. Angekündigte Maßnahmen 13 3.3. Offene Kernmaßnahmen 14
4. Variantenuntersuchungen des HWSK zur Nordwestaue 18 4.1. Gesamter Bereich der Nordwestaue von Leipzig bis Schkeuditz (A9) 19 4.2. Polder „Südliche Luppeaue/Burgaue“ und linke Deiche der Neuen Luppe 21 4.3. Polder „Nördliche Luppeaue“ und rechte Deiche der Neuen Luppe 22 4.4. Beurteilung der Variantenuntersuchungen 23 4.5. Politische Festlegung 24 4.6. Standpunkte der Umweltvereine – NABU und Ökolöwe 25
5. Planungsgrundlagen 27 5.1. Sicherheitskonzept 27 5.2. Schadpotential 27 5.3. „DIN gerechte“ Deiche 28 5.4. Ökologische Grundlagen 30 5.5. Rechtliches 34
Anhang Anhang 1 Übersichtskarten Anhang 2 Einzelfallbetrachtungen von Baumfällungen Anhang 3 Kleine Luppe – Querschnitt und Längsprofil Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 2
1. Zusammenfassung
Mit diesem Papier widmet sich der Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V. einem emotional und kont rovers diskutierten Thema dem Hochwasserschutz in Leipzig 2011. Obwohl Hochwasserereignisse regelmäßig im Fokus des medialen und öffentlichen Interesses stehen, sind nur wenige Fakten und Zusammenhänge in der Öffentlichkeit bekannt. Die Verfasser dieser Sei ten haben sich daher ausgiebig mit dem Leipziger Hochwasserschutzkonzept (HWSK) auseinanderge setzt und die Ereignisse vom Januar 2011 für wichtige Leipziger Gewässer untersucht. Anliegen des Ökolöwen ist es, die Öffentlichkeit über den Inhalt des HWSK und seine Umsetzung zu informieren und die Gefahrendiskussion zu versachlichen. Ziel soll es sein, eine öffentliche Debatte über Hochwasserschutz und den Leipziger Auwald anzustoßen und damit politische Entscheidungen transparenter zu gestalten. Wirksamer Hochwasserschutz ist mit der Flutung von Auwaldbereichen verbunden. Bestrebungen, den Hochwasserschutz möglichst ausschließlich durch Deichbau ohne Einbeziehung der Auen zu rea lisieren, führen zu weniger Sicherheit, zu höheren Kosten und entziehen dem Auwald seit 80 Jahren die Lebensgrundlage. Hochwasserschutz und Naturschutz werden erst durch übermäßigen Deichbau zu Gegensätzen. Die dauerhaften Schäden am Auwald können auch durch kostenintensive Aus gleichsmaßnahmen nicht repariert werden. Die Stadt Leipzig (Bürger, Politiker und Verwaltung) muss selbst zum Schutz ihres europaweit einzi gartigen stadtnahen Auwaldsystems tätig werden, indem verbindliche Leitbilder aufgestellt und auch eingefordert werden. Die notwendigen Entscheidungen kann sie nicht an die Landestalsperrenver waltung (LTV) delegieren.
Vorgeschichte Bereits Ende der 1990er Jahre wurde für die Nordwestaue die Revitalisierung durch großflächige, durchfließende Überflutungen als naturschutzfachliche Vorzugsvariante untersucht und der Rückbau der Luppedeiche als realisierbar nachgewiesen. Nach der „Jahrhundertflut“ 2002 waren Deichrückverlegungen zur Schaffung von Retentionsflächen in den Flussauen für kurze Zeit in aller Munde. Diese Ansätze wurden jedoch politisch rasch begra ben. Für ein künftiges Leipziger Hochwasserschutzkonzept wurde die Deichertüchtigung entlang der Gewässerränder als Grundsatz verfügt. Das Schutzziel wurde dabei auf ein 150 jähriges Hochwasser ereignis festgelegt. Als naturschutzrechtlichen Ausgleich hielt man eine künstliche und gesteuerte Wiedervernässung einzelner Auwaldbereiche für ausreichend. 2004 wurden durch die LTV mehrere flussgebietsbezogene Hochwasserschutzkonzepte (HWSK) ers tellt. Für die Leipziger Flüsse sind darin zahlreiche Maßnahmen enthalten, die konträr zu den politi schen Vorfestlegungen stehen. So sind Flutungen der südlichen Luppeaue erforderlich, um die zu errichtende Überleitung der Parthe in die Neue Luppe wirksam werden zu lassen und damit Überflu tungen an der Unteren Weißen Elster zu verhindern. Wichtige Bestandteile des HWSK sind ergebnisoffene Untersuchungen, bei denen großräumiger Deichrückbau jeweils die kostengünstige und naturschutzfachlich optimale Varianten darstellt. Der Ökolöwe sprach sich bereits zu jener Zeit für diese Varianten aus, die zugleich optimalen Schutz bei großen Hochwasserereignissen bieten. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 3
Die eigentlich notwendige Variantenabwägung fand nicht statt und die Thematik versandete über die Jahre. Nur wenige Maßnahmen des HWSK wurden bis 2010 in Angriff genommen. Ordentliche Plan verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß dem Gerichtsurteil von 2003 wurden nicht durchgeführt. Erst 2010 wird die Politik wieder aktiv. Der sächsische Umweltminister verabschiedet einen Erlass, der die Fällung sämtlicher Gehölze auf und an Deichen ohne weitere Prüfung ermöglicht. Dabei wer den die Naturschutzgesetze umgangen, denn in Sachsen stehen fast alle Flussgebiete und Auen unter Schutz. Nun sollen in diesen Gebieten alle Gehölze unabhängig vom Schadenspotential im Hinterland und den möglichen Alternativvarianten gerodet werden, was auf ganz Sachsen bezogen bis zu 100.000 Bäume bedeuten würde.
Hochwasser 2011 Die LTV nimmt das Winterhochwasser 2011 zum Anlass, den nach Ansicht des Ökolöwen nicht rechtskonformen „Tornadoerlass“ umzusetzen und rodet auf ca. 22 km Länge tausende Altbäume. Die zuständigen Leipziger Ämter verteidigen alle Baumfällungen hinsichtlich der Gefahrenabwehr für Leipziger Stadtgebiete als notwendig und unaufschiebbar. Für konkrete Gewässerabschnitte haben die Verfasser Bereiche mit Baumfällungen analysiert und die Situation auf der Grundlage des Hochwasserschutzkonzeptes bewertet (vgl. Anhang 2). Wie die erar beiteten Beispiele belegen, reicht bei den meisten als „kritisch“ bezeichneten Deichabschnitten be reits die Urgeländehöhe aus, um das unmittelbare Hinterland anforderungsgerecht (gemäß der dor tigen Hochwasserschutzziele) zu schützen.
Im Ergebnis der Untersuchungen muss man feststellen:
• Die aktuellen Rodungsmaßnahmen in den Naturschutz und Natura 2000 Gebieten waren aus hochwasserschutztechnischer Sicht nicht notwendig, es bestand keine akute Gefahr, die ei nen derart gewaltigen Eingriff in den Naturhaushalt rechtfertigen könnte. Weite Deichab schnitte haben eine nur untergeordnete Schutzfunktion oder werden nur durch geringe Was serstände belastet. Die Beseitigung sämtlicher Altbäume zur Anlage von neuen Deich verteidigungswegen ist an vielen Deichabschnitten nicht nachvollziehbar und mit den Ent wicklungszielen des Auwaldes unvereinbar.
• Besonders bedauerlich ist diese Tatsache vor dem Hintergrund der unmittelbar bevorstehen den Fertigstellung des Zwenkauer Sees als Hochwasserspeicher und der planmäßig vorgese henen Poldernutzung der südlichen Luppeaue. Dadurch werden bei einem künftigen 150 jährigen Bemessungshochwasser im Stadtgebiet etwa gleiche Wasserstände erzielt wie beim diesjährigen Ereignis.
• Deutlich wurden allerdings Gefährdungen, die auf erhebliche Versäumnisse bei der Umset zung des HWSK zurückzuführen sind. Obwohl die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf die Luppedeiche gelenkt wurde, sind die tatsächlich sicherheitsrelevanten Maßnahmen der Pol derertüchtigung und zur Realisierung des integrierten Gewässerknotens bisher nicht erfolgt. Davon betroffen sind nicht nur die unmittelbaren Polderanlieger in Leutzsch, Böhlitz Ehrenberg und Kleinliebenau, sondern auch die Stadtgebiete an der Unteren Weißen Elster (Möckern, Wahren, Lützschena, Schkeuditz). Sofern notwendige sicherheitsrelevante Deich Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 4
abschnitte tatsächlich gefährdet waren, stellt sich die Frage, warum diese bisher nicht mit ordentlichen Genehmigungsverfahren instandgesetzt wurden.
Fazit Bei der Beschäftigung mit diesem Thema wird deutlich, dass pauschale Aussagen zu Deichen und Bäumen der komplexen Leipziger Situation nicht annähernd gerecht werden. Vor dem Hintergrund der sensiblen Auenlandschaft gilt es vor allem, die jeweilige Schutzfunktion und Ausbildung einzelner Deichabschnitte zu beurteilen. Grundsätzlich ist zudem die künftige Entwicklung des Ökosystems Auwald in seiner Abhängigkeit vom Wasserhaushalt zu sehen, denn mit der Instandsetzung der Luppedeiche wird die permanente Ent wässerung der Nordwestaue manifestiert. Dies wäre mit einer künstlichen Wiedervernässung allein nicht zu kompensieren, denn für den Auwald sind zyklische Überflutungen überlebensnotwendig. Die Überflutung des Auwalds bei Hochwasser ist Voraussetzung für den Schutz anderer Leipziger Stadtgebiete und sichert zugleich den Erhalt des Leipziger Auwalds. Wenn die überfälligen Schutz maßnahmen am Auwaldrand (und nicht an den Luppedeichen) in Angriff genommen werden und die aktuelle öffentliche Debatte versachlicht wird, werden die Leipziger Bürger eines Tages Auwaldüber schwemmungen wie in diesem Jahr als ein beeindruckendes Naturschauspiel empfinden.
Ausblick und Standpunkt des Ökolöwen Die bisher verfolgten Naturschutzprojekte der Wiedervernässung einzelner Auwaldbereiche sind ein wichtiger Beitrag, um der kontinuierlichen Austrocknung der Flussauen entgegenzuwirken und die Entwicklung von Feuchtbiotopen zu ermöglichen. Hier wird auf verschiedene Weise versucht, den Grundwasserspiegel anzuheben und saisonale Wasserschwankungen zu simulieren. Dabei sollen Erfahrungen gesammelt und der Auwald auch in seiner jetzigen touristischen und forstwirtschaftli chen Konstitution erhalten bzw. verbessert werden. Durch die Reaktivierung von Fließgewässern soll der für einen Auwald untypische Wassereinstau vermieden werden. Ergänzend dazu stellen großflächige Überflutungen durch Hochwasser im Abstand von mehreren Jahren (>HQ5) wesentliche auwaldtypische Ereignisse dar. Diese vergleichsweise seltenen Über schwemmungen durchfließen den Auwald im Verlauf des Hochwasserereignisses relativ zügig und sind gekennzeichnet durch eine variable Flächenverteilung, Wasserbeaufschlagung und Sedimentati on. Erst dadurch werden wichtige auentypische dynamische Prozesse aktiviert. Diese notwendigen Überflutungen gelten zwar allgemein als naturschutzfachliche Vorzugsvariante, doch wurden sie wegen vermeintlicher Probleme beim Hochwasserschutz für Objekte und Infrastruk tur politisch nicht weiter verfolgt. Seitdem konzentrieren sich die naturschutzfachlichen Anstrengun gen und Studien ausschließlich auf künstliche Wiedervernässungsprojekte, wobei die komplette Ein deichung der Flussläufe als faktischer Grundsatz gilt. Die vorliegende Analyse zeigt jedoch, dass auch in Leipzig Hochwasserschutz unter Verwendung na türlicher Überschwemmungsflächen sehr gut möglich ist. Es bestehen keine zusätzlichen Gefahren für Auwald und Anlieger. Im Gegenteil, die Vorteile und Entwicklungschancen überwiegen, wenn die flussnahe Eindeichung reduziert und stattdessen auf kleinräumige Objektschutzmaßnahmen gesetzt wird. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 5
Wesentlich sind auch die finanziellen Aspekte. Laut HWSK ist der Schutz der Einzelobjekte und Anlie ger der Luppeaue erheblich preiswerter als die Instandsetzung der Deiche. Die für die Luppedeiche vorgesehenen Mittel können wirksamer in nachhaltigen Hochwasserschutz zur Aktivierung potentiel ler Retentionsflächen investiert werden. So könnten auch die Fließgewässer II. Ordnung in der Aue (z.B. Alte Luppe in Böhlitz Ehrenberg) für den Hochwasserschutz nutzbar gemacht werden. Auch eine Ertüchtigung der Auwaldinfrastruktur für Hochwassersituationen (Hauptwegenetz, Straßen, Durch lässe) erfordert Finanzen, die bisher meist auf der Kommune lasten. Davon profitieren die Anlieger auch bei lokalen Starkregenereignissen, die nicht Gegenstand des HWSK sind. Das Grundproblem für den Auwald bleibt jedoch die permanente Entwässerung durch die sich tiefer eingrabende Neue Luppe. Die Instandsetzung der Luppedeiche manifestiert diesen Zustand für wei tere Generationen. Ein Rückbau der Deiche in Kombination mit dem notwendigen Objektschutz der Anlieger und den erforderlichen Wiedervernässungsmaßnahmen eröffnet dagegen Chancen, diesen Prozess mittelfristig zu stoppen.
Der Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V. hat deshalb folgenden Aufruf mit Unterschriftenaktion initiiert:
• Sofortiger Stopp der Fällungen im Leipziger Auwald; Abstimmung aller weiteren Schritte und Planungen mit Umweltvereinen und Öffentlichkeit
• Umsetzung eines nachhaltigen Hochwasserschutzkonzeptes für die Stadt Leipzig unter Nut zung der natürlichen Retentionsflächen des Auwaldes.
• Kompensation der erfolgten Rodungen durch zügige Neuanlage einer Auwalderweiterung mit mindestens dreifacher Ausdehnung; diese Flächen sind in die bestehenden europäischen Schutzgebiete FFH und SPA aufzunehmen
• Schaffung eines Auwald Kompetenzzentrums (bestehend aus Stadtverwaltung, Stadträten, Wissenschaftlern, Umweltvereinen und Bürgern), das bei allen Vorhaben im Auwald zu betei ligen ist. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 6
2. Chronik des Leipziger Hochwasserschutzes
1999 Staatliches Umweltfachamt (StUFA) Leipzig gibt bei Dorsch Consult Dresden eine Studie zur Wiedervernässung der Nordwestaue mit entsprechender Kostenabschätzung verschiedener Varianten in Auftrag: Die Wiedervernässung der Nordwestaue ist mit dem partiellen Rückbau / Schlitzung der Luppedeiche kostengünstig und naturschutzfachlich optimal zu realisieren 2002 Augusthochwasser als „Jahrhundertflut“ an Elbe und Mulde, jedoch an der Weißen Elster und im Leipziger Raum kein vergleichbares Ereignis Hochwasserkonferenz der Stadt Leipzig am 26.09.2002 in Dresden zur Abstimmung eines Maßnahmekataloges in Zusammenarbeit mit Zwenkau, Schkeuditz, dem Freistaat und RP Leipzig sowie Fachexperten mit u.a. folgenden Aufgabenstellungen [Info DB III/2636]: Ableiten Spitzenabfluss aus der Weißen Elster in das Restloch Zwenkauer See Retentionsflächen im südlichen Auwald und in der Nordwestaue suchen Konzeption für Deichrückbau entwickeln Ergebnis der Abstimmung am 28.10.2002 Stadt Leipzig mit TSM, RP, StUFA und NABU Leipzig: Kein Rückbau sondern Instandsetzung der Luppedeiche links und rechts künstliche Wiedervernässung der Nordwestaue soll realisiert und als naturschutzrechtli cher Ausgleich für Instandsetzung der Luppedeiche gewertet werden Landestalsperrenverwaltung (LTV) beabsichtigt, alle Gehölze auf Leipziger Deichen unabhän gig von ihrer Funktion zu beseitigen; Öffentlichkeitsbeteiligung mit Umweltverträglichkeits prüfung wird dabei umgangen 2003 Klage des Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V. gegen die pauschale Rodung und die Umge hung angemessener Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen schreibt für Gehölzbeseitigung auf Leipziger Deichen eine Umweltverträglichkeitsprüfung fest und lässt die pauschale Rodung stop pen [Az. 1 BS/03 vom 23.01.2003] Rodung und Neubau der rechten Luppedeiche (1. BA Heuweg bis Gustav Esche Straße) Rodung und Neubau der rechten Luppedeiche (2. BA Gustav Esche Straße bis KGV Stah meln) gemäß Tischvorlage des RP vom 14.05.2003: Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung, Waldumwandlung sowie Befreiung von NSG bzw. LSG Vorschriften Wiedervernässung der Südlichen Luppeaue, Anlaufberatung am 17.04.2003: Für Erhalt und Entwicklung des Hartholzauenwaldes ist eine flächige Überflutung in unre gelmäßigen Abständen entsprechend dem natürlichen Hochwasserdargebotes anzustre ben [StUFA Leipzig]. Gegen einen Rückbau bzw. verlegung der Deiche spricht die Grundsatzentscheidung der Städte Leipzig und Schkeuditz, die vorhandenen Deiche an ihren jetzigen Standorten zu belassen und für HQ150 instandzusetzen. Stellungnahme des Ökolöwen (22.05.2003) zur geplanten künstlichen Wiedervernässung: Der Erhalt der Deiche ist ein politisch herbeigeführter Grundsatz, der aus naturschutzfachli cher Sicht nicht begründbar ist. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 7
2004 Integriertes Gewässerkonzept mit dem Ziel Hochwasserschutz in Leipzig wird am 18.02.2004 im Stadtrat behandelt und beschlossen. Hochwasserschutzkonzepte für Weiße Elster, Pleiße und Parthe werden zur Einsichtnahme ausgelegt (09/2004). Wesentliche Inhalte des HWSK Weiße Elster sind: Nutzung des Polders Luppeaue/Burgaue ist notwendig, um mit einer Wasserspiegelab senkung die Überleitung der Parthe in die Neue Luppe zu ermöglichen und damit Über flutungen an der Unteren Weißen Elster und am Unterlauf der Parthe zu verhindern. Umsetzung des integrierten Gewässerkonzeptes durch Umgestaltung des Gewässerkno tens Leipzig; Die Umgehung des Elsterbeckens soll Sedimentation im Elsterbecken und weiteres Eingraben der Neuen Luppe reduzieren. Festlegung folgender, komplex wirkender Kernmaßnahmen für Leipzig: [A] Nutzung des Polders „Südliche Luppeaue/Burgaue“ [B] Hochwasserrückhalt im Tagebaurestsee Zwenkau [C] Absenkung des Fachbaumes des Nahleauslassbauwerkes [D] Überleitung zwischen Unterer Weißer Elster und Neuer Luppe [E] Herstellung der hydraulischen Leistungsfähigkeit im Poldergebiet „Südliche Lup peaue/Burgaue“ [F] Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Nahlewehrs [G] Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Parthe [H] Elsterbeckenentschlammung, Elsterbeckenumgehung, Öffnung der Alten Elster [I] Herstellung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Elsterflutbetts Ökolöwe bekräftigt im Beteiligungsverfahren seine Position und sieht sich in den Ansätzen des HWSK bestätigt: Allerdings stimmen die Prioritäten der festgesetzten Maßnahmen nicht mit den textli chen Erläuterungen zu den Kernmaßnahmen und Varianten überein. Um der politischen Vorfestlegung zu folgen, wird im HWSK der Instandsetzung der Luppedeiche auf HQ150 höchste Priorität eingeräumt, obwohl die Deiche vor den Poldergebieten nicht zu den Kernmaßnahmen zählen und sie nicht für die Sicherheit der Auwaldanrainer maßgebend sind. Bei Auslegung der Hochwasserschutzkonzepte handelt es sich nicht um ein förmliches Anhö rungsverfahren: Abwägungen oder Bekanntgabe von Ergebnissen des Beteiligungsverfahrens finden nicht statt. Strategische Umweltprüfung wird weder zum Zeitpunkt der Fertigstellung des HWSK 2004/2005 noch später angefertigt. Belange von Natura 2000 Gebieten können so nicht hinreichend betrachtet und berück sichtigt werden. 2005 HWSK Weiße Elster wird zu der jetzt vorliegenden Fassung (04/2005) vervollständigt: Kommunikation oder Begründung von Ergebnissen und Aussagen zu künftigen Verfahren und Abläufen bei der Umsetzung finden nicht statt. Sächsisches Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) gibt eine Priorisierungsliste der Maßnahmen in Sachsen heraus (30.11.2005): Begründung zur Variantenfestlegung oder veröffentlichte Fortschreibung des HWSK sind nicht bekannt. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 8
2003 bis 2010 In Leipzig werden einzelne Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz realisiert: Teilweise werden die Umweltverbände beteiligt. Sie weisen regelmäßig auf die Notwen digkeit einer Alternativenprüfung im Rahmen der FFH Verträglichkeitsprüfungen hin. Die Maßnahmen werden regelmäßig über Notverordnungen der Landesdirektion Leipzig durchgeführt. Ordentliche Planverfahren mit entsprechender Verbändebeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen finden nicht statt. Den Verbänden wird durch Umgehung der Verwaltungs und Naturschutzgesetze das Be teiligungsrecht und die Möglichkeit von rechtlichen Schritten entzogen. Sedimentberäumung im Elsterbecken und die Herstellung der hydraulischen Leistungsfähig keit des Elsterflutbetts werden turnusmäßig durchgeführt: Sie haben aufgrund des bisher nicht umgesetzten integrierten Gewässerkonzepts und den damit verbundenen Sohlanlandungen keine nachhaltige Wirkung. Alle anderen Kernmaßnahmen [A] bis [H] wurden bisher nicht umgesetzt. 2010 Es ergeht ein Erlass des SMUL (17.08.2010), der den Behörden die Fällung sämtlicher Gehölze auf Deichen in Sachsen ohne Abwägung des Einzelfalls ermöglicht: Auf Grundlage des sogenannten „Tornadoerlasses“ sollen in Sachsen schätzungsweise bis zu 100.000 Bäume gefällt werden. In Sachsen stehen fast alle Flussgebiete und Auen unter Naturschutz. Nun werden in zahlreichen sächsischen Schutzgebieten (oft Natura 2000 Gebiete) alle Gehölze auf und an Deichen unabhängig vom Schadenspotential im Hinterland und den möglichen Alter nativvarianten gerodet. Im Erlass wird der landesweite Fall von „Gefahr im Verzug“ angenommen und damit rechtswidrig eine grundlegende Befreiung vom Abwägungsvorbehalt zwischen Natur schutz und Hochwasserschutzinteressen erteilt. 2011 Hochwasser vom Januar 2011 ist für Leipzig das größte gemessene Ereignis der Weißen Elster seit Einrichtung der Pegelstationen (Kleindalzig und Oberthau) in den 1970er Jahren: Ein Abschnitt des linken Luppedeiches (Nahe Fußgängerbrücke Stahmeln) wird instabil und durch Sandsackverbau gesichert. Dieser Bereich ist durch die Einmündung einer Alt armschlinge des Hundewassers gekennzeichnet (s. Anhang 2 Detailblatt 10). Das Nahleauslasswehr wird zur Wasserspiegelabsenkung erstmals gezogen; die Situation am kritischen Deichabschnitt entspannt sich. Die Überflutung der Südlichen Luppeaue verläuft relativ problemlos, obwohl in diesem Poldergebiet bisher keine Hochwasserschutzmaßnahmen realisiert wurden; innerhalb weniger Tage fließt das Wasser wieder ab. Es besteht die historische Gelegenheit, in Leipzig eine auwaldtypische Überschwemmung zu beobachten. Die LTV rodet unter Berufung auf den „Tornadoerlass“ im Februar 2011 auf ca. 22 km Länge tausende Altbäume vor allem an Neuer und Kleiner Luppe: Dies geschieht überwiegend an Deichabschnitten, die geringe Hochwasserschutzfunktion für die Bevölkerung besitzen, da die dahinterliegenden Auenbereiche gemäß HWSK planmäßige bzw. potentielle Überflutungsgebiete sind. Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. Hochwasserschutz in Leipzig 2011 Seite 9