Gert Ledig Und Die Sprache Der Gewalt Untersuchung Über Die Darstellung Von Gewalt in Literarischer Form Anhand Der Kriegs- Und Nachkriegsromane Von Gert Ledig

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Gert Ledig Und Die Sprache Der Gewalt Untersuchung Über Die Darstellung Von Gewalt in Literarischer Form Anhand Der Kriegs- Und Nachkriegsromane Von Gert Ledig Gert Ledig und die Sprache der Gewalt Untersuchung über die Darstellung von Gewalt in literarischer Form anhand der Kriegs- und Nachkriegsromane von Gert Ledig Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn vorgelegt von Angelika Brauchle aus Bonn Bonn, 2008 2 Gedruckt mit Genehmigung der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1. Gutachter: Professor Dr. Jürgen Fohrmann 2. Gutachter: Privatdozent Dr. Volker C. Dörr Tag der mündlichen Prüfung: 30.06.2008 Diese Dissertation ist auf dem Hochschulschriftenserver der ULB Bonn http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online elektronisch publiziert. 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung....................................................................................................4 1.1 Die Sebald-Debatte und ihre Folgen...........................................................6 1.2 Literarische Situation der fünfziger Jahre in Westdeutschland ................14 1.3 Literarisches Engagement.........................................................................18 1.4 Der Autor Gert Ledig................................................................................22 1.4.1 Die Rezeption seiner Werke .....................................................................28 2. Berichte aus dem Krieg.............................................................................39 2.1 Kriegsromane nach 1945 ..........................................................................47 2.1.1 Analysen zu Kriegsromanen.....................................................................54 2.1.2 Kriegserinnerungen...................................................................................62 2.2 Die Stalinorgel..........................................................................................66 2.2.1 Inszenierung der Ausweglosigkeit............................................................70 2.2.2 Fluchtversuche..........................................................................................79 3. Zeugen der Zerstörung..............................................................................89 3.1 Vergeltung.................................................................................................96 3.1.1 Die Inszenierung des Chaos....................................................................100 3.1.2 Opfer werden zu Tätern, Täter zu Opfern...............................................109 3.1.3 Das Problem der Theodizee....................................................................117 4. Berichte aus der Nachkriegszeit..............................................................122 4.1 Faustrecht................................................................................................131 4.1.1 Inszenierung der Perspektivlosigkeit......................................................138 4.1.2 Träume von einem besseren Leben.........................................................146 5. Die Einheit der drei Romane...................................................................152 5.1 Auseinandersetzung mit der Religion.....................................................162 5.1.1 Das Symbol des Kreuzes ........................................................................168 5.1.2 Das Motiv des Grabes.............................................................................170 5.2 Erzählte Geschichte ................................................................................172 5.2.1 Abweichende Kriegsdarstellung.............................................................183 5.2.2 Die eigene Wahrheit ...............................................................................197 6. Zusammenfassung...................................................................................205 Literaturverzeichnis ................................................................................................207 Quellen .................................................................................................................207 Forschungsliteratur .................................................................................................209 4 Die Träume und die Sterne; sie wurden geschaffen, damit man seine Unbedeutung erkennen kann. Und ich versuche mich zu erkennen und mich fröstelt. Gert Ledig 1. Einleitung Die fünfzig Jahre nach Kriegsende aufgekommenen Debatten – insbesondere nach den Poetik-Vorlesungen von Winfried Georg (Max) Sebald – über die Auseinander- setzung mit Geschichte, dem Vergessen, Verdrängen und Erinnern, haben auch Gert Ledigs drei Romane aus den fünfziger Jahren wieder an die Öffentlichkeit gebracht. Die literarische Verarbeitung von Kriegserlebnissen eröffnete die Diskussion, was Literatur kann, darf oder gar soll. Es hat sich herausgestellt, daß geschichtliche Er- eignisse eher durch die Schilderungen in der Literatur als durch die Geschichts- schreibung vorstellbar sind. Ein Beispiel sind die Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges, die vor allem deutlich werden durch Grimmelshausens Simplicissimus und Schillers Wallenstein und weniger durch nüchterne historische Abhandlungen. Die in der Literatur erzählten historischen Ereignisse können einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten. Damit „erzählende Literatur für das kollektive Ge- dächtnis eine zentrale Funktion haben kann, [muß] die Erinnerung [...] in eine Form gegossen werden, die sie zwischen den Generationen übertragbar macht. Es geht darum, wie die Erinnerung der Zeitzeugen in unserer Erzähl- und Gedächtnisge- meinschaft weitergegeben werden kann.“ 1 Literatur dient somit als Reservoir für menschliche Erfahrungen und kann als Medium für Auseinandersetzungen mit Ver- gangenem und Gegenwärtigem und als Erkenntnisgewinn und Warnung vor Wie- derholung dienen. Wenn das Erlebte „nicht durch verdichtetes Erzählen von Gene- ration zu Generation weitergegeben wird, sich tief einprägend, so daß es zum un- vergessenen Schreckensbild im Erzählen wird, ist es für die Nachkommen verlo- 1 Aleida Assmann zit. nach Joachim Garbe: Deutsche Geschichte in deutschen Geschichten der neunziger Jahre . S. 231 5 ren“. 2 Die mühsamen und schmerzhaften Erinnerungen der Autoren in ihren Zeit- zeugenberichten sind trotz subjektiver Perspektive ein Beitrag zur Beurteilung von historischen Ereignissen. Das Vergangene wird in das gegenwärtige Bewußtsein geholt, und die Geschichte wird verständlich gemacht, indem Texte mit geschichtli- chen Fakten aufgebaut und mit Erfundenem kombiniert werden. Die Erinnerung ist nun nicht mehr ein „Rückgang in den Raum einer fixierten Vergangenheit“, sondern „eine Transformation des Vergangenen“ 3 in die Gegenwart. Die ungeheuerlichen Ausmaße des Zweiten Weltkrieges machen eine litera- rische Bearbeitung jedoch zu einem fast unlösbaren Problem. „Man braucht nur die Unmöglichkeit sich zu vergegenwärtigen, daß irgendeiner, der am Krieg teilnahm, von ihm so erzählte, wie früher einer von seinen Abenteuern erzählen mochte.“ 4 Diesem Verdikt Adornos des Nicht-mehr-erzählen-Könnens muß jedoch der An- spruch der nachfolgenden Generationen auf Vermittlung der Geschichte gegenüber- gestellt werden. Gemäß Adornos ästhetischer Theorie wäre nur noch ein Beschrei- ben möglich. „Das ‚Erzählen’ vermittelt die Wirklichkeit ganzheitlich, so wie sie ist und warum sie so ist; das ‚Beschreiben’ hingegen vermittelt nur noch die Oberflä- che und damit eine ‚falsche Objektivität’.“ 5 Entgegen der von Theodor W. Adorno und auch von Walter Benjamin vertretenen Meinung nehmen eine Vielzahl von Autoren das Wagnis auf sich, Texte in mannigfaltiger Form über den Krieg zu ver- fassen, teils dokumentarisch, teils autobiographisch, teils fiktional. Ziel der Untersuchung ist herauszuarbeiten, welche Sprache Ledig gefunden hat, von den Ereignissen des Krieges zu erzählen und die unbeschreiblichen und unvorstellbaren Greuel zu beschreiben und den nachfolgenden Generationen vor- stellbar zu machen, denn – so die Ansicht von Dietrich Scheunemann – es verbiete sich von selbst, Unmenschlichkeiten „mit einer erfunden Fabel zu versetzen oder sie 6 zum Hintergrund eines nachahmenden Spiels werden zu lassen“. 2 Dieter Forte: „Menschen werden zu Herdentieren.“ In: Der Spiegel 14/1999 vom 5.4.1999. S. 222. Wieder abgedruckt in: Ders.: Schweigen oder sprechen . S. 31-36; hier S. 33 3 Günter Butzer: Fehlende Trauer . S. 15 4 Theodor W. Adorno: Noten zur Literatur . S. 62 5 Peter von Matt: Öffentliche Verehrung der Luftgeister . S. 67 6 Dietrich Scheunemann: „Fiktionen – auch aus dokumentarischem Material.“ S. 299 6 1.1 Die Sebald-Debatte und ihre Folgen „Die Hervorbringungen der deutschen Autoren nach dem Krieg sind [...] vielfach bestimmt von einem halben oder falschen Bewußtsein, das ausge- bildet wurde zur Festigung der äußerst prekären Position der Schreibenden in einer moralisch so gut wie restlos diskreditierten Gesellschaft. Für die ü- berwiegende Mehrzahl der während des Dritten Reichs in Deutschland ge- bliebenen Literaten war die Redefinition ihres Selbstverständnisses nach 1945 ein dringlicheres Geschäft als die Darstellung der realen Verhältnisse, die sie umgaben.“ 7 Sebalds Verurteilung der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur und seine Kritik an den Versäumnissen deutscher Autoren lösen heftige Diskussionen aus. 8 In seinen Vorlesungen zum Thema Luftkrieg und Literatur kritisiert er, daß das Grauen des alliierten Bombardements auf Deutschland zu wenig Resonanz in der Literatur ge- funden habe. Jost Nolte sieht in Sebalds Ansprüchen „nach didaktischer
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