„Sich Aufopfern “Oder „Geopfert Werden “? Zur Darstellung Menschlicher Verhaltensformen in Extremsituationen Untersucht an Werken Der Nachkriegsliteratur in Deutschland (Nach 1945
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Universität Duisburg-Essen Fakultät für Geisteswissenschaften „Sich aufopfern“ oder „geopfert werden“? Zur Darstellung menschlicher Verhaltensformen in Extremsituationen untersucht an Werken der Nachkriegsliteratur in Deutschland (nach 1945) und im Iran (nach 1986) Inaugural‐Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen vorgelegt von Pouya Nouri Naini aus Teheran, Iran Erstgutachter: Prof. Dr. Jochen Vogt, Universität Duisburg-Essen Zweitgutacher: Prof. Dr. Werner Jung, Universität Duisburg- Essen Mündliche Prüfung: 04. Juli 2018 „Wieso ziehst du nicht in den Krieg? Fragte man einen Soldaten. Er entgegnete: Bei Gott, ich kenne keinen einzigen der Feinde und sie mich auch nicht. Worauf kann sich unsere Feindschaft beziehen?“ Der persische Dichter und Satiriker Obayd Zakani (1300-1371) Gewidmet allen verschollenen Soldaten meiner Heimat. Ich danke aus ganzem Herz meiner Familie, die mich auf diesem Weg unterstützt hat und meinem Doktorvater Prof. Dr. Jochen Vogt, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .............................................................................................................................................. 1 2. Das Motiv des Opfers in frühen Kriegserzählungen von Heinrich Böll .............................................. 4 2.1 Der Zug war pünktlich – Die Reise ins sinnlose Sterben ................................................................... 6 2.2 Wo warst du, Adam? – Ein Kriegspanorama in neun Episoden ....................................................... 12 2.3 Das Vermächtnis – Aufopferung bis zum Tod ................................................................................. 20 2.4 Und sagte kein einziges Wort – Im Schatten von Krieg und Kirche ............................................... 24 3. Gert Ledig: Opfer, Täter und ‚Täter wider Willen‘............................................................................. 28 3.1 Die Stalinorgel – Ein Inferno namens Stalinorgel ........................................................................... 34 3.2 Vergeltung – An der Grenze zwischen Opfer und Vergeltung ......................................................... 50 4. Hans Werner Richter: Journalist oder Autor? .................................................................................... 76 4.1 Richters politische Schriften ............................................................................................................ 78 4.2 Sie fielen aus Gottes Hand – Eine Landkarte der Opfer .................................................................. 89 5. Wolfgang Staudte: Der deutsche Film und die „makabre Dummheit des Krieges“ ......................... 109 5.1 DIE MÖRDER SIND UNTER UNS – Von Ratten und Opfern ............................................................... 122 5.2.1 Bernhard Wicki. Vom Schauspieler zum Regisseur ................................................................... 142 5.2.2 DIE BRÜCKE – Wahnhafte Helden oder verführte Opfer? ........................................................... 152 6. Der erste Golfkrieg zwischen Iran und Irak im Spiegel iranischer Romane ................................ 169 6.1 Die Entstehung und die Ursachen des längsten Krieges des 20. Jahrhunderts ............................... 169 6.2 Die iranische Kriegsliteratur und ihre unterschiedlichen Gattungen .............................................. 181 6.3 Ahmad Mahmoud und seine Werke ............................................................................................... 189 6.3.1 Mahmouds Roman Zamine Sukhte (Verbrannte Erde) ............................................................... 195 6.3.2 Zamine Sukhte (Verbrannte Erde) – Der erste iranische Roman über den Krieg ........................ 198 6.4 Hossein Mortezaeian Abkenar ....................................................................................................... 212 6.4.1 Abkenars Roman Skorpion ......................................................................................................... 214 6.4.2 Skorpion – Ein außerordentlicher Roman der iranischen Kriegsliteratur .................................... 219 6.5 Hassan Mahmoudi ......................................................................................................................... 229 6.5.1 Mahmoudis Roman Rozeyeh Nooh (Trauerklage um Nooh)....................................................... 231 6.5.2 Rozeye Nooh (Trauerklage um Nooh) – Ein Roman über das Leid der Mütter ........................... 233 6.6 Alireza Gholami ............................................................................................................................. 241 6.6.1 Gholamis Roman Diwar (Die Wand) .......................................................................................... 242 6.6.2 Diwar (Die Wand) – Der letzte kritische Roman ohne Pardon ................................................... 245 7. Schlussbemerkung ............................................................................................................................ 258 Literaturverzeichnis .............................................................................................................................. 261 1.Einleitung Sicherlich ist die Erfahrung eines Krieges für jeden Menschen – sei es als Soldat oder als Zivilperson – eines der prägendsten Erlebnisse und eine besonders bittere Erfahrung und später Erinnerung im Leben. Wie Millionen Menschen in meiner iranischen Heimat habe ich in den Jahren zwischen 1980 und 1988 den Ersten Golfkrieg miterleben müssen – eine Erfahrung, von der ich mich niemals lösen konnte. Erinnerungen daran wurden immer wieder in meinem Studium wie auch besonders in der hier vorliegenden Arbeit durch die Annäherung an die deutsche Nachkriegsliteratur sowie den Vergleich der Kriegsromane aus der iranischen Gegenwartsliteratur mit denen der deutschen Nachkriegsliteratur leben- dig und vertieft, auf gewisse Weise aber auch relativiert. Wegen der beträchtlichen, ja immensen kulturellen, historischen, geografischen und po- litischen Differenzen zwischen den „erzählten Welten“ und Ereignissen haben die deut- schen und die iranischen Nachkriegsromane kaum gemeinsame Rahmenbedingungen und keinerlei interne Zusammenhänge oder gar intertextuelle Verweise. Ein Vergleich er- scheint insofern zunächst sehr viel weniger naheliegend als etwa bei amerikanischen oder europäischen Werken aus verschiedenen Nationalliteraturen, die den Ersten oder Zweiten Weltkrieg als gemeinsamen Referenzrahmen haben und direkte oder indirekte Bezüge auf- einander und zur deutschen Kriegsliteratur aufweisen. Die deutschen und die iranischen Romane, die ich behandele, spielen auf unterschiedlichen historischen Zeitebenen im 20. Jahrhundert, in sehr verschiedenen Kulturkreisen und vor jeweils eigenen politischen Hin- tergründen, was eine detaillierte vergleichende Betrachtung zunächst nicht besonders sinn- voll erscheinen lässt. Wesentliche Unterschiede bestehen auch in der literarischen Kon- struktion – und zwar in formaler wie in inhaltlich-thematischer Hinsicht. Die ausgewählten deutschen Kriegserzählungen aus den späten 1940er und frühen 1950er Jahren, die man fast durchweg als Anti-Kriegsgeschichten lesen kann, haben ihren Schauplatz häufig, ja überwiegend an der Front; ihre Figuren sind zumeist Kombattanten. Dies steht im Gegen- satz zu den dem Krieg ebenfalls kritisch gesinnten iranischen Romanen, die sich jedoch von der Front als Handlungsraum distanzieren und deren Protagonisten ganz überwiegend Zivilisten beiderlei Geschlechts sind. Deshalb richtet diese komparative Arbeit ihren Fokus auf die Ausdrucksformen und li- terarischen Gestaltungsformen menschlicher Verhaltensweisen unter unmenschlichen Be- dingungen. Oder, nüchterner gesagt: auf Extremsituationen wie dem Kampf an der Front oder dem Bombardement von Wohngebieten aus literarischer Perspektive. Mit dieser Ge- genüberstellung wird versucht, eine teils kulturübergreifende, teils kulturdifferente, letzt- 1 lich aber doch universale und existenzielle menschliche Erfahrung von Gewalt und Krieg herauszuarbeiten und ebenso deskriptiv wie analytisch darzustellen. Ein mir persönlich wichtiger Aspekt ist dabei das wissenschaftliche Herauskristallisieren der Gemeinsamkei- ten und der Unterschiede in der Darstellung der „Opfer“ im selben literarischen Genre, je- doch in zwei verschiedenen Nationalliteraturen und Literaturtraditionen. In dieser Hinsicht ist es erhellend zu erklären, wem die Opferrolle zugeschrieben wird und welches Ziel diese Darstellung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene verfolgt. Bei der Auswahl der deutschen Primärliteratur habe ich versucht, aus der großen Zahl von Autoren der Nachkriegsliteratur und dem breitgefächerten Spektrum unterschiedlicher Erzählmodelle und Stilformen einige Werke, die die Opferthematik prominent behandeln, in chronologischer Folge vorzustellen. Neben drei deutschen Autoren mit sieben Romanen wurden zwei repräsentative, aber verschieden akzentuierte Filme aus der westdeutschen wie der ostdeutschen Nachkriegsproduktion ausgewählt, so dass auch die darstellende Kunst in der ersten Dekade nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihren unübersehbaren Querverbindungen zur literarischen Gestaltung Einzug in diese Arbeit hielt. Dabei konnte ich durchweg von Vorarbeiten der deutschen Literaturwissenschaft profitieren. Im Gegensatz zur klassischen persischen