Brennende Bücher. Erinnerungen an Den 10. Mai 1933
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Eine Publikation der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung Protokolle Margrid Bircken, Helmut Peitsch (Hg.) BRENNENDE BÜCHER Erinnerungen an den 10. Mai 1933 Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung Copyright 2003 Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg Herausgeber: Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung 14460 Potsdam ISBN 3-932502-35-3 Gestaltung und Realisierung: Bauersfeld Werbeagentur Druck: Tastomat Druck GmbH Eggersdorf Papier: Furioso (Mreal) Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autoren die Verantwortung. Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Helmut Peitsch „Im Schein der brennenden Kultur wird auch der 12 Nachtblinde der Politik zu sehen beginnen ...“ – Einleitung Wolfgang Benz Der Kulturskandal: Mythos, Tradition und Wirkung der 24 Bücherverbrennung Ansprüche auf kulturelle Hegemonie und ihre Durchsetzung Dieter Schiller Tag des verbrannten Buches 39 Der 10. Mai im Terminkalender des Exils Sigrid Bock „Geglüht und gehärtet“? 58 Zu Funktionen und Folgen der Bücherverbrennung 1933 Leonore Krenzlin Nach dem Scheiterhaufen 84 Reaktionen von Schriftstellern im deutschen Reich Barbara Breysach Verbrennen, Widerstehen, Aufdecken und Bewahren 95 Über Joseph Wulfs Wirken in Krakau, Paris und Berlin 5 Simone Barck Verboten und verbrannt 110 Zum Umgang mit der vom Nationalsozialismus verfolgten Literatur in der SBZ und frühen DDR Werner Treß „Wider den undeutschen Geist“. 131 Bücherverbrennung 1933 Buchvorstellung Thomas Jung Fackeln, Fahnen und Erlasse 135 Die Bücherverbrennung im Spiegel der Tagespresse des Landes Brandenburg 6 Vorwort „Brennende Bücher“ haben wir unser Kolloquium genannt, das am 10. Mai 2003 in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Institut für Germanistik der Universität Potsdam, dem Fachbereich Kultur und Museen der Stadt Potsdam, dem Bildungswerk des Kulturbundes Brandenburg und der Landeszentrale für politische Bildung stattfand. Es sollte schon im Titel auf die Aktualität aufmerksam gemacht werden, die der nationalsozialistischen Bü- cherverbrennung vom 10. Mai 1933 zukommt. Die Referentinnen und Referenten – alle ausgewiesen in der Exil- und Fa- schismusforschung – hatten es sich zum Ziel gestellt, im 70. Jahr nach der Bücher- verbrennung unterschiedliche Reaktionen der seinerzeit Betroffenen auf die Bü- cherverbrennung nachzuzeichnen, um die Selbstverständlichkeit einer eindeuti- gen Symbolik des Ereignisses in Frage zu stellen. Denn es war durchaus nicht so, daß die Bücherverbrennung von der deutschen Kulturelite durchgängig als Me- netekel gelesen wurde. Es war folglich unser Anliegen, ein möglichst breites Spek- trum von Reaktionen deutscher Schriftstellerinnen und Schriftstellern des Jahres 1933 zu untersuchen – Autorinnen und Autoren also, die sich mit dem Nazismus identifizierten und partiell sympathisierten oder die sich von ihm distanzierten bzw. durch ihn aus Deutschland vertrieben wurden. Ein weiterer Aspekt der Un- tersuchung war es, die Wirkungsgeschichte des 10. Mai 1933 in der Literatur des Exils sowie in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften zu verfolgen und damit einen Beitrag zur Erkundung des in Diskussion befindlichen Begriffs der Er- innerungskultur zu leisten. Die aus dem Kolloquium hervorgegangenen Beiträge beweisen, daß sich die kontroversen Positionen nicht nach einem schlichten Ost- West-Muster ordnen lassen. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen unter an- derem die Frage nach der Eigenständigkeit der studentischen Aktionen, der die These von der Inszenierung der Bücherverbrennung seitens höchster staatlicher Stelle entgegengehalten wird; sie betreffen die Frage des Zusammenhangs von Feuer-Symbol und Volksgemeinschaftsritualen und nicht zuletzt die Frage nach der Heroisierung des Arbeiters am „Tag der Arbeit“ etwa oder durch die Grün- dung der „Deutschen Arbeitsfront“ am selbigen 10. Mai 1933. 7 Welche Rolle spielte also – so ließe sich die Vielfalt der Fragestellungen auf ei- nen Punkt bringen – der 10. Mai 1933 für die kulturelle Hegemonie des Faschis- mus in Deutschland? Wolfgang Benz und Sigrid Bock geben deutlich unterschiedliche Antworten auf die Frage. Während Benz von einer realen Autonomie der studentischen Ak- tion spricht, faßt Bock die Spontaneität der studentischen Bücherverbrenner als eine ideologische Konstruktion auf. Sigrid Bock plädiert dafür, bei aller heute mö- glich gewordenen differenzierteren Sicht auf die Ereignisse von damals sich nicht den Blick verstellen zu lassen, daß die Bücherverbrennung Bestandteil der Etablierung eines Staates war, der die Weimarer Republik zu Grabe trug. Ausgeh- end von der Frage, weshalb es seitens der Schriftsteller keinen Protest gegen die Bücherverbrennung gab, wird die Gleichschaltungspolitik des national- sozialistischen Staates dargestellt. Die diesem Buch beigegebenen Dokumente, ausgewählt und kommentiert von Thomas Jung, belegen die parteikonforme Be- richterstattung des Gleichschaltungsprozesses auch in der Potsdamer Tageszei- tung und den Zeitungen des Umlands in den Monaten April und Mai 1933. Sie lassen ahnen, wie es zu der ungeheuren Beschleunigung bei der flächendeckenden Machtübernahme kommen konnte, die bereits in Goebbels’ Wahlspruch von 1929 geprägt worden war: „Wer die öffentliche Meinung hat, der hat recht. Wer recht hat, der kommt in den Besitz der Macht.“ Leonore Krenzlin geht den Gründen nach, weshalb sich Schriftsteller trotz des massiven Drucks in Deutschland einrichteten; dabei kommt vor allem der konservative Ernst Wiechert ins Blickfeld, der sich aus deutsch-nationaler Gesin- nung gegen die Pazifisten Tucholsky und Remarque wandte und erst in einem jahrelangen Erkenntnisprozeß „begreifen“ lernt – ein Prozeß, der nicht zuletzt durch Goebbels’ persönlich ausgesprochene Infamien gegen den ehemaligen ‚Mitkämpfer’ initiiert worden ist. Die vorliegenden Beiträge tragen nicht nur bei zur Erhellung der historischen Zusammenhänge, sondern sie arbeiten auch die Rezeptionsgeschichte des 10. Mai 1933 als einen fortdauernden Streit auf über die Bedeutung des Symbols. Gegenüber allen Varianten einer ausgerechnet von den Scheiterhaufen ausgehe- nden ‚Macht des Geistes’ sind die Beiträge dieses Bandes kritisch gestimmt. Dennoch gilt es auch hier noch genauer nachzufragen, welche Funktionen die Selbstermunterungen und die Haltungen eines Sichbehauptens und Widersteh- ens ‚trotz alledem’ während der Zeit des Exils für die Verjagten und Verbannten selber hatten. Dieter Schiller geht den überlieferten Dokumenten der Exilierten nach, die besonders in Frankreich in Form des „Antifaschistische Archivs“ und der „Bibliothek des verbrannten Buches“ praktische antifaschistische Arbeit leis- teten. Besonderen Anteil hat dabei Alfred Kantorowicz, der die ausländische Öf- 8 fentlichkeit auch in den Jahren von 1934 bis 1939 durch den Bezug auf die Bü- cherverbrennung gegen die kulturzerstörerischen Prozesse in Hitlerdeutschland mobilisieren wollte. Eindringlich wird der komplizierte Prozeß der Partizipation an den kulturellen Werten von Barbara Breysach in ihrem Aufsatz über den KZ- Häftling und Überlebenden Joseph Wulf dargestellt. Wulf hatte nach dem Krieg mit seiner umfangreichen Dokumentation zur Kultur im Dritten Reich einen Streit mit den bundesdeutschen Historikern auszutragen, der auf die für unsere Thematik wichtige Frage nach der Deutungsmacht historischer Ereignisse hinweist. Auch Simone Barck geht dem Nachkriegsdiskurs nach. Ausgehend von der nach 1945 scharf gestellten Nachfrage „Wo bleibt das literarische Nürn- berg?“ führt sie den Streit um die Legitimität von innerem und äußerem Exil vor und erinnert an den 1. Deutschen Schriftstellerkongreß 1947, der einen Ausgleich anstrebte. Die beiden Bände von Richard Drews/Alfred Kantorowicz verboten und verbrannt. Deutsche Literatur – 12 Jahre unterdrückt und F.C. Weiskopfs Unter fremden Himmeln. Ein Abriß der deutschen Literatur im Exil 1933-1945 aus der unmittelbaren Nachkriegszeit erlebten lange Zeit keine Neuauflagen und wurden auch nicht so wie beabsichtigt fortgesetzt. Simone Barck resümiert: Durch den Kalten Krieg und das politische Lagerdenken wurden auch die Erinne- rungen an die Bücherverbrennung instrumentalisiert. Die vorliegenden Beiträge geben zum Disput anregende Antworten auf die Fragen der Unter- oder Überschätzung der Bücherverbrennung, der Bedeutung ihrer Symbolik und des politischen wie kulturellen Zusammenhangs, in dem das Ereignis wirkte. Indem sie aber den Unterschieden in den Reaktionen der betrof- fenen Zeitgenossen ebenso wie in den späteren Erinnerungen an den 10. Mai 1933 nachgehen, wirken sie Stilisierungen der schmerzlichen Verluste genauso entgegen wie den Ausblendungen derjenigen, die in der Nachkriegszeit nicht mehr an eigene konforme Haltungen erinnert werden wollten. Die Kontroversen der letzten Jahrzehnte im geteilten Deutschland, was wie er- innert werden solle, sowie die bisher unbewältigte Herausforderung, sich die eigene widerspruchsvolle Geschichte in ihren wechselseitigen Funktionalisierungen bewußt zu machen, spiegeln sich auch in der Forschungssituation zur Bücherverbrennung wider. Wie in der Einleitung dargestellt, ist die vorhandene Literatur über die Bücher- verbrennung zum großen Teil vergriffen. In ihrer Internet-Zusammenstellung der Bücherliste zum Thema schreibt Birgit Ebbert von der Max Born Realschule Dort- mund sogar: „Die Bücher sind allerdings