<<

Aufbau-Verlag Für das SWR2 Archivradio mit freundli- cher Genehmigung der Autorin.

Erster Deuscher Schriftstel- lerkongreß 4.–8. Oktober 1947

Herausgegeben von Ursula Reinhold, Dieter Schlenstedt und Horst Tanneberger

Der einführende Text. Dem SWR 2 Archiv- radio (www.archivradio.de) freundlicher- weise zur Verfügung gestellt von der Auto- rin, in Absprache mit dem Verlag. Das Buch ist vergriffen.

1 Sonntag, 5. Oktober 1947, vormit- tags

Tod und Hoffnung. Öffentliche Gedenkfeier Friedenslied 101 Jakob Wassermann [aus: Rede über die Hu- manität] 101 , Ruf an die Schriftsteller 101 Redaktionelle Mitarbeit: Hannelore Adolph Die Gedanken sind frei 103 und Elisabeth Lemke Albrecht Haushofer, In Fesseln 104 Mit 45 Abbildungen Günther Weisenborn, Von Tod und Hoffnung der Dichter 104 Erich Mühsam, Ehrung der Toten 110 Inhalt [aus: Der große Traum] 110 Ursula Reinhold/Dieter Schlenstedt: Alfred Wolfenstein, Vor der Erhebung 111 , Gedichte der Gefangenen 112 Vorgeschichte, Umfeld, , Der Gerichtstag (Auszug) 112 Oskar Loerke, Das schlimme Märchenschloß Nachgeschichte 113 des Ersten Deutschen , Kleines Testament 114 Schriftstellerkongresses 13 , O Kindheit, wie ich hinter deinen Gittern 115 Else Lasker-Schüler, An meine Freunde 116 Georg Kaiser, Von morgens bis mitternachts (Auszug) 117 Protokoll Walter Hasenclever, Soldaten Europas 118 Adam Kuckhoff, Letzter Brief an seinen Sohn 119 Sonnabend, 4. Oktober 1947, Adam Kuckhoff, Für Ule! 120 18.30–20.15 Uhr Dona nobis pacem 120

Leitung: Roland Schacht Sonntag, 5. Oktober 1947, 15.00– Begrüßung 19.45 Uhr Roland Schacht 79 Eugène Théodore Hepp 82 Leitung: Günther Weisenborn Fred B. Bleistein 82 Charles B. Lynch 85 Eröffnung und Grußansprachen Alexander Dymschiz 87 Ricarda Huch 123 Ferdinand Friedensburg 89 Wilhelm Unger 126 Walter May 90 Hermon Ould 129 Fritz Moser 92 Boris Gorbatow 132 Karl Friedrich Borée 96

2 Jovan Popovi 133 Axel Eggebrecht 188 Hans Mayer 189 Günther Sauer 189 Literatur und Gewalt. Walter Kolbenhoff 189 Berichte über die geistige Hans Schomburgk 190 Alexander Dymschiz 190 Haltung der Schriftsteller Ernst Rowohlt 191 N. N. 191 drinnen und draußen Karl Schnog 192 Elisabeth Langgässer, Schriftsteller unter der Rudolf Leonhard 192 Hitlerdiktatur 136 192 Alfred Kantorowicz, Schriftsteller in der Emigra- N. N. 193 tion 142 Valentin Katajew 193 Klaus Gysi 147 Herbert Gute 193 Karl Schnog 153 N. N. 195 Greta Kuckhoff 155 Jan Petersen 157 Wolfgang Harich 158 Montag, 6. Oktober 1947, 10.00– Peter A. Steinhoff 161 Erich Weinert 164 13.15 Uhr Rudolf Leonhard 166 Günther Birkenfeld 170 Leitung: Friedrich Wolf Susanne Kerckhoff 171 Alexander Abusch 172 Hans Schomburgk 175 Geistige Fragen. Literatur und Gesellschaft Günther Weisenborn 197 Antrag und Debatte zur Axel Eggebrecht, Ist der Nazismus in der Lite- Ausbürgerung ratur noch virulent? 198 , Der Schriftsteller und die geisti- Günther Birkenfeld · Friedrich Wolf · N. N. · ge Freiheit 202 Erich Weinert · N. N. · Jan Petersen · Günther Hans Mayer, Der Schriftsteller und die Gesell- Weisenborn 177 schaft 208 Hertha von Gebhardt 213 Erwin Reiche 215 Gerda Erdmann 216 Sonntag, 5. Oktober 1947, 20.30 Günther Sauer 217 Uhr Hermann Duncker 219 Susanne Kerckhoff 222 Ernst Richert 224 Empfang der Sowjetischen Ruth Heidenreich 226 Militäradministration Ernst Niekisch 227 Alexander Dymschiz 183 Frau Birkenfeld 229 Friedrich Wolf 183 Hans Mayer 230 Boris Gorbatow 184 Alexander Dymschiz 186 Jovan Popovi 186 Alexander Dymschiz 188 Hermon Ould 188

3 Montag, 6. Oktober 1947, 15.20– Geistige Fragen. Aktuelle 19.00 Uhr Probleme der deutschen Literaturentwicklung Leitung: Edwin Redslob Arnold Bauer, Die deutsche Verlagstätigkeit seit Kriegsende 303 Stephan Hermlin, Wo bleibt die junge Dich- Geistige Fragen. Literatur und tung? 307 Gesellschaft Erich Weinert, Über die Forderung der Zeitnähe (Fortsetzung der Diskussion) 311 Heinrich von Holtum 235 Rudolf Leonhard, Erklärung zum Heine-Preis Willi Bredel 238 317 Walther Pollatschek 242 Lothar Blanvalet 319 Alexander Dymschiz 243 Ernst Rowohlt 321 Wsewolod Wischnewski 245 Eva Richter-Schoch 324 Rudolf Hagelstange 248 August Scholtis 326 Wilhelm Unger 253 Anneliese Wiener 327 Rudolf Leonhard, Über die Sprachverwilderung Winfried Sabais 328 256 Eduard Claudius 330 Ernst Penzoldt, Haben wir eine Kritik? 264 Wilhelm Emanuel Süskind 266 Eva-Maria Brailsford 268 Friedrich Wolf 271 Dienstag, 7. Oktober 1947, 15.20– Gustav von Wangenheim 272 18.30 Uhr Elisabeth Langgässer 274 Rudolf Leonhard 275 Ernst Penzoldt 276 Leitung: Günther Weisenborn Geistige Fragen. Aktuelle Probleme der deutschen Montag, 6. Oktober 1947, abends Literaturentwicklung Empfang durch die britisch (Fortsetzung der Diskussion) lizenzierten Verleger Ernst Richert 333 N. N. 279 Hermann Werner Kubsch 334 Peter de Mendelssohn 279 Valentin Katajew 336 Wolfgang Goetz 289 Albin Stuebs 338 Friedrich Wolf 340 Elisabeth Kessel 344 Grete König 346 Dienstag, 7. Oktober 1947, 10.00– Wolfgang Harich 346 13.35 Uhr Bruno Kaiser 351 Wolfgang Langhoff 354 Albin Stuebs 355 Leitung: Günther Birkenfeld Walther Pollatschek 355 Karl Friedrich Borée 294 Hauptmann Barski 357 Melvin J. Lasky 295 Edwin Redslob, Unsere Literatur und die Welt Axel Eggebrecht 302 357 Johannes R. Becher, Wie kämpft der Schrift- 4 steller für den Frieden? 362 Wirtschaftliche und rechtliche Fragen Dienstag, 7. Oktober 1947, (Fortsetzung der Diskussion) abends Werner Schendell 405 Günther Birkenfeld, Zusammenarbeit der Empfang des Kulturbundes zur Schriftstellerorganisationen 407 Axel Eggebrecht 410 demokratischen Hans Mayer 414 Erneuerung Deutschlands Lenka von Körber 416 Günther Birkenfeld 417 Ernst Lemmer 371 Hans Marchwitza 418 Hertha von Gebhardt 373 Hans Hoberg 420 Richard Drews 421 Walter Dehmel 422 Mittwoch, 8. Oktober 1947, 10.00– Ilse Färber 423 13.10 Uhr Schlußansprachen und Leitung: Karl Friedrich Borée Entschließungen Wirtschaftliche und rechtliche Wilhelm Unger 425 Hermon Ould 429 Fragen Henry Noël Brailsford 430 Werner Schendell, Die Berufsinteressen des Kendall Foss 431 Autors 379 Boris Gorbatow 432 Ernst Rowohlt 392 Rudolf Leonhard 436 Lothar Blanvalet 393 Hertha von Gebhardt 437 Hubertus Grützner 396 Wilhelm Emanuel Süskind 437 Rudolf Leonhard 397 Günther Weisenborn 439 Karl Grünberg 398 Ricarda Huch 441 Paul Ufermann 399 Fritz Moser 401 Karl Nietzsche-Knurrhahn 401 Nino Erné 402 Mittwoch, 8. Oktober 1947, Heinrich von Holtum 403 abends Werner Schendell 403 Ernst Richert 404 Günther Birkenfeld 404 Empfang durch die amerikanisch lizenzierten Verleger Berlins Heinz Ullstein 443 Alfred Boerner 444 Mittwoch, 8. Oktober 1947, 15.00– Heinz Ullstein 446 19.35 Uhr Karl Schnog 446 N. N. (Korrespondent der »Time«) 450 Leitung: Günther Weisenborn Edwin Redslob 450 Lothar Blanvalet 452

5 Anhang Anmerkungen 457

Dokumente und Verzeichnisse Einladungsbrief 487 Grüße an den Kongreß Arnold Zweig 488 Georg Lukács 489 Kurt Hiller 489 Oskar Maria Graf 490 Leonhard Frank 491 Hans Rehfisch 491 Albert Ehrenstein 494 Oscar Maurus Fontana 494 Ernst Bloch 495 Theodor Plievier 495 Entschließungen Resolution gegen den Antisemitismus 496

6 Ursula Reinhold / Dieter Schlenstedt mern4 publiziert worden waren, schien eine Dokumentation des gesamten Materials sinnvoll. Großes Interesse an grenzüber- Vorgeschichte, Umfeld, schreitender Begegnung und am Gedan- Nachgeschichte des Ersten kenaustausch in einer Zeit intensiver Su- che nach einem Neubeginn hatte den Deutschen Kongreß ermöglicht, der Verzicht auf die Schriftstellerkongresses Publikation des Protokolls läßt auf eine Krise solcher Haltung schließen. »Das Protokoll des Ersten Deutschen Erfolglos blieb auch ein Versuch Anfang Schriftstellerkongresses in erscheint 1 der siebziger Jahre, das Tagungsmaterial 1948 in Buchform« – dies versprach Ende in der DDR komplett zugänglich zu ma- Oktober 1947 eine Annonce in der Zeit- chen5: noch immer schien der Kongreß schrift des Berliner Schutzverbandes 2 gefährlichen Stoff zu enthalten. Welch an- Deutscher Autoren. Obwohl Presse , haltende Aufmerksamkeit das Treffen fand Rundfunk und Wochenschauen vom 4. bis und wie kontrovers es beurteilt wurde, ha- 8. Oktober über das Treffen umfangreich ben Memoiren6 von Teilnehmern offenbart. berichtet hatten und seither Tagungsre- Auch zahlreiche literaturgeschichtliche den3 sowie Erlebnis-Skizzen von Teilneh-

1DA, 1. Jg., 1947, Heft 2, 2. Umschlagseite. – Der Vorstand des SDA hatte Weisenborns Antrag bestä- tigt, »ein Redaktionskomitee für das Kongreßproto- 4Vgl. Verzeichnis zeitgenössischer Berichte, S. XXX koll zu bilden« (Protokoll der SDA-Vorstandssitzung dieses Buches. am 24.Oktober 1947; SAAdK, FWA M 315). 5Ein im Zentralinstitut für Literaturgeschichte (Aka- 215 Kongreßbeiträge und weitere begleitende Texte demie der Wissenschaften der DDR) von Anne Schil- sind dokumentiert in: Zur Tradition der deutschen ler begonnenes Projekt wurde eingestellt. sozialistischen Literatur. Eine Auswahl in Dokumen- 6Eduard Claudius, Ruhelose Jahre. Erinnerungen. 2. ten. Band 3: 1941–1949. Auswahl, Vorwort und Aufl., Halle 1977; Alexander Dymschiz, Ein unver- Gesamtredaktion Irmfried Hiebel. Berlin und Weimar geßlicher Frühling. Literarische Porträts und Erinne- 1979. Eine aus zeitgenössischen Publikationen rungen, Berlin 1970; Hans Mayer, Ein Deutscher auf zusammengestellte Auswahl bietet: Waltraud Wen- Widerruf. Erinnerungen Bd. 1, a. M. 1982; de-Hohenberger, Der erste gesamtdeutsche Schrift- Franz Hammer, Zeit der Bewährung. Ein Lebensbe- stellerkongreß nach dem zweiten Weltkrieg im Ost- richt. Berlin 1984; Alfred Kantorowicz, Deutsches sektor Berlns vom 4. bis 8. Oktober 1947. Franfurt a. Tagebuch. Teil 1, München 1959; Walter Kolbenhoff, M. – Bern – New York Paris 1988. Schellingstraße 48. Erfahrungen mit Deutschland. 3Ausführlich berichteten zwischen dem 6. und 10. Frankfurt a.M. 1984; Karl Laux, Nachklang. Autobio- Oktober vor allem: Der Kurier. Die Berliner Abendzei- graphie. Berlin 1977; Hans Mayer, Ein Deutscher auf tung; Die Neue Zeitung. Eine amerikanische Zeitung Widerruf. Erinnerungen Bd 1, Frankfurt a. M. 1982; für die deutsche Bevölkerung. Hrsg. im Verlag der Ernst Niekisch, Erinnerungen eines deutschen Revo- amerikanischen Armee (München); Neues Deutsch- lutionärs. Bd. 2: Gegen den Strom 1945–1967. Köln land (Berlin); Sonntag. Eine Wochenzeitung für Kul- 1974; Maximilian Scheer, Ein unruhiges Leben. turpolitik, Kunst und Unterhaltung. Hrsg. vom Kultur- Autobiographie. Berlin 1975; August Scholtis, Ein bund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands Herr aus Bolatitz. Lebenserinnerungen. München (Berlin); Der Sozialdemokrat. Berliner Zeitung der 1959; Hilde Spiel, Welche Welt ist meine Welt? Erin- SPD; Tägliche Rundschau. Zeitung für Politik, Wirt- nerungen 1946–1954. München 1990; Günther schaft und Kultur. Hrsg. Sowjetische Militäradminist- Weisenborn, Der gespaltene Horizont. Niederschrif- ration in Deutschland (Berlin); Der Tagesspiegel ten eines Außenseiters. München – Wien – Basel (Berlin); Die Welt. Überparteiliche Zeitung für die 1964. – Vgl. auch Ruth Rehmann, Unterwegs in gesamte britische Zone. Veröffentlicht unter Zulas- fremden Träumen. Begegnungen mit dem anderen sung der britischen Behörden (Hamburg). Deutschland. München – Wien 1993. 7 Darstellungen7 sowie Teildokumentatio- nen, die seit Ende der siebziger Jahre er- schienen sind, belegen, daß der Kongreß 7Der Erste Deutsche Schriftstellerkongreß wird in als ein herausragendes Ereignis im kultu- allen wichtigen Literaturgeschichten der DDR und rellen Leben Nachkriegsdeutschlands im der BRD behandelt. Eine gesonderte Darstellung gibt Gedächtnis blieb. Regionale Autorenta- Anne Schiller in ihrer Dissertation »Gesellschaftliche Verantwortung – Humanismus – Realismus. Die gungen oder Treffen von Autoren einzelner Bemühungen sozialistischer Schriftsteller auf dem politischer Gruppierungen hatte es in den Ersten Deutschen Schriftstellerkongreß 1947 in zweieinhalb Jahren nach dem Ende des Berlin um die gemeinsame Teilnahme aller humanis- Naziregimes bereits gegeben.8 An der tischen Schriftsteller an der antifaschistisch- Idee, in Berlin einen »Allgemeinen Deut- demokratischen Umgestaltung in Deutschland« 9 (Berlin 1975). Ausführliche Betrachtungen in: Hen- schen Schriftstellerkongreß« zu organisie- ning Müller, Theater im Zeichen des Kalten Krieges. ren, hielten die Veranstalter trotz vieler Untersuchungen zu Theater und Kulturpolitik in den Einwände fest. In Hoffnung auf eine fort- Westsektoren Berlins 1945–1953, Diss. Berlin [West] 1976; Karl-Heinz Schulmeister, Auf dem Weg zu setzbare Reihe wählte man schließlich den einer neuen Kultur. Der Kulturbund in den Jahren 1945–1949, Berlin 1977; Hans Bluhm, Die Heraus- bildung des Schriftstellerverbandes der DDR und dung des Senders Freies Berlin vom 7. April 1988. – seiner literaturpolitischen Aufgaben (1945–1952), Auffällig sind die Rückerinnerungen bei Gelegenheit Diss. Greifswald 1983; Wende-Hohenberger, Vor- von Schriftstellertagungen in beiden deutschen Staa- wort. In: Der erste gesamtdeutsche Schriftstellerkon- ten, so veröffentlichte die Zeitschrift »Publikation. greß (vgl. Anm. 2.); dies., Ein neuer Anfang? Schrift- Information für Publizisten, Arbeitshilfen. Der literari- steller-Reden zwischen 1945 und 1949. Stuttgart sche Markt« (hrsg. von Karl Koch [München], Heft 1990; Carsten Gansel, Parlament des Geistes. Lite- 10/1970 ) anläßlich des 1. Schriftstellerkongresses ratur zwischen Hoffnung und Repression 1945–1961. des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in Stutt- Berlin 1996.– Beiträge zum Kongreß liegen vor von: gart eine Skizze der Kongreßgeschichte und Doku- Sigrid Bock, Zum Ersten deutschen Schriftstellerkon- mente; Stephan Hermlin erinnerte bei der Eröffnung greß 1947 in Berlin. In: Kürbiskern. Literatur, Kritik, des X. Schriftstellerkongresses der DDR (24.–26. Klassenkampf (München), 4/1975, S. 64–74; dies., November 1987) an die Tagung von 1947, (Protokoll. Literarische Programmbildung im Umbruch. Vorbe- Plenum. Berlin und Weimar 1988, S. 7–9); Ingeborg reitung und Durchführung des I. Deutschen Schrift- Drewitz hielt einen Beitrag zur Veranstaltung des VS stellerkongresses 1947 in Berlin. In: Jahrbuch für in der IG Druck und Papier anläßlich des 40. Jahres- Volkskunde und Kulturgeschichte, 22. Band, Berlin tages der Wiedergründung des Schutzverbandes 1979, S. 120–148; Agnes Hüfner, Zweierlei Sprache. Deutscher Schriftsteller vom 17. September 1985 Die Schriftstellerkongresse 1947 (Berlin) und 1948 (unveröff.). (Frankfurt). In: Debatte, 6/1988; – Anläßlich des 40. 8Zum Beispiel die Rheinisch-Westfälischen Schrift- Jahrestages gedachte man des Kongresses: Agnes stellertagungen (die dritte fand vom 9. bis 12. Mai Hüfner, Rückkehr unter die Menschen. Vor 40 Jah- 1947 in Detmold statt); die Tagungen sozialistischer ren: Der Erste deutsche Schriftstellerkongreß schlägt Autoren, Journalisten und Verleger, so die in Celle Brükken der Versöhnung. In: Süddeutsche Zeitung. Anfang Mai 1947; die interzonale Tagung im ameri- Münchner Neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, kanischen und britischen Besatzungsbereich Ende Wirtschaft, 4. Oktober 1987; dies., Der Turm ist Juni 1947; die erste Thüringer Schriftstellertagung zerbrochen ... Eine Erinnerung an den Zweiten deut- am 1. Juni 1947 (vgl. Hans Jürgen Geerdts, Der schen Schriftstellerkongreß in Frankfurt. In: Süddeut- Arbeitskreis junger Autoren Thüringens. Versuch sche Zeitung, 21./22. Mai 1988, S. 16; »Parlament einer kritischen Selbstdarstellung. Weimar 1950). des Geistes«. Der Erste Deutsche Schriftstellerkon- 9»Allgemeiner Deutscher Schriftstellerkongreß« hieß greß Berlin 1947. Veranstaltung der Akademie der das für den 11. bis 14. September 1947 vorgesehene Künste der DDR am 10. 12. 1987 (es sprachen: Treffen in der Einladungsannonce (DA, 1. Jg., 1947, Helmut Baierl, Günther Deicke, Stephan Hermlin, Heft 4–5, 2. Umschlagseite). Auf Grund von Mün- Wolfgang Kohlhaase, Waldtraut Lewin, Werner Mit- chener Presseeinwänden gegen diese Benennung tenzwei, Günther Rücker); Christoph Dietrich, »Bevor wurde eine Abwandlung des Namens beschlossen der Kalte Krieg begann«. Deutsche Schriftsteller (vgl. Protokoll der SDA-Vorstandssitzung vom 1. 1947. Rückblick auf einen Kongreß, Rundfunksen- September 1947; FWA, M 315). 8 Namen »1. Deutscher Schriftstellerkon- das Treffen toleriert und zum Teil sogar greß«. Im Einladungsbrief10 erklärten die gefördert.12 Ihre Vertreter sprachen auf Initiatoren, der Kongreß möge »Deutsch- den Veranstaltungen, die im sowjetischen, land und der Welt zeigen, daß jetzt bei uns amerikanischen und britischen Sektor Ber- Kräfte am Werke sind, die für eine Erneue- lins stattfanden. rung der deutschen Literatur in einem Im spannungsvollen Verlauf des Kongres- weltoffenen Geist eintreten«; und entspre- ses gab es bedeutende Momente von chende Diskussionsthemen wurden von Übereinkunft. Sie waren im Schweigen ihnen vorgegeben. spürbar am Anfang, da man zu einer To- Der Kongreßaufruf fand beträchtliche Re- tenfeier, einer Stunde der Erinnerung und sonanz: 279 Schriftsteller, Kritiker, Verle- Mahnung, zusammenkam, und am Ende, ger, Publizisten kamen zusammen. 130 da die Versammelten sich erhoben, das Teilnehmer lebten in Berlin, die anderen Schlußwort der Ehrenvorsitzenden des reisten aus kulturellen Zentren Ost- und Westdeutschlands an: aus Dresden, 12Auf Grund des vom SDA an Heinrich Berl, den Frankfurt am Main, Heidelberg, Hamburg, Präsidenten des gerade gebildeten Schriftstellerver- Leipzig und München oder aus Lübeck, bandes in der französischen Zone, gerichteten Einla- dungsbriefes (vgl. Anm. 10) kam es unter französi- Bremen, Worpswede, Schwerin, Rostock, schen Dienststellen zu einem Briefwechsel. General Greifswald, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Laffon von der Direction de l’Education der französi- Wolfenbüttel und Stuttgart. Es trafen sich schen Militärregierung teilte dem Ambassadeur de zum ersten Mal Autoren aus allen vier Be- Conseiller Politique beim Oberkommandie- satzungszonen: Schriftsteller der inneren renden mit, daß entgegen der im Einladungsbrief vermeldeten Zusicherung eines Einverständnisses und äußeren Emigration, Menschen unter- der Alliierten der Directeur des Affaires Culturelles au schiedlicher geistiger und politischer Her- G.F.C.C., Hepp, nicht konsultiert worden sei, daß kunft, mit ungleichen Gegenwarts- und aber nach Information des Attaché Culturel in Berlin, Zukunftserwartungen und sehr verschie- Lusset, die britischen und amerikanischen Stellen die Absicht haben, Empfänge zu Ehren des Kongesses dener Literaturauffassung. Auch durch die zu veranstalten. Er äußerte die Vermutung, daß die Anwesenheit von Autoren anderer Völker, Gründung eines gesamtdeutschen Schriftstellerver- die Opfer des faschistischen Überfalls ge- bandes diskutiert werden könnte; er fragte an, ob wesen waren, erhielt die Tagung einen für man den zehn eingeladenen Autoren die Reise mit 11 dem Status von Beobachtern genehmigen solle diese Jahre ungewöhnlichen Charakter. (Brief vom 23. August 1947). – Die Antwort von M. C. Die Militärregierungen der Alliierten hatten Charmasse vom 2. Oktober 1947 beruhigte die Direction de l’Education: Lusset sei von Anfang an informiert gewesen und habe selbst eine rein persön- 10Zitiert wird der Einladungsbrief des SDA an Hein- liche Einladung zur Teilnahme an der Eröffnungssit- rich Berl, 14. Juli 1947. Das Dokument findet sich im: zung erhalten; der Kongreß solle keinen politischen Ministère des Affaires Etrangères. Archives Charakter tragen, man habe deshalb auf die Schirm- Occupation Francaises, Colmar Dossier 7760 Berlin, herrschaft des Kulturbundes verzichtet; die Grün- Caisse 135. dung eines gesamtdeutschen Verbandes stehe nicht 11Die Anwesenheit weniger ausländischer Autoren auf der Tagesordnung. – In einer vertraulichen Mittei- (und anderen von André Gide, Jef Last, Henry Noël lung an de Noblet von der politischen Abteilung der Brailsford) auf einem Jugendkongreß in München Militärverwaltung in Berlin merkte G. M. am 8. Okto- konnte deshalb noch besonders hervorgehoben ber 1947 an, daß der Kongreß nur unter »irregulären werden (vgl. Jugendkongreß in München. In: Echo Bedingungen« stattfinde, weil er als interzonale der Woche. Unabhängige Wochenzeitung. Berichte Konferenz eine Entscheidung des Kontrollrates be- und Bilder aus allen Gebieten der Politik, der Kunst dürfte, eine Autorisation für den Kongreß durch die und der Unterhaltung [München], 1. Jg., 4. Juli 1947, Kommandatura jedoch, weil nicht erbeten, auch nicht S. 1–8). gegeben worden sei. (Vgl. Anm. 10.) 9 Kongresses, Ricarda Huchs, anzuhören, bedeutendes Zeitzeugnis. ihren Wunsch, der Schriftstellertag möge am »Neuaufbau Deutschlands mitwirken«. Gemeinsame Entschließungen – gegen Die Initiatoren des Treffens und den Antisemitismus, gegen die schleppen- seine Vorbereitung de, ungleichmäßige Aufhebung des natio- nalsozialistischen Unrechts der Ausbürge- Günther Weisenborn, am Ende der Nazi- rung deutscher Schriftsteller – wurden ver- herrschaft aus langjähriger Zuchthaushaft abschiedet und auch ein Manifest. Es war befreit, brachte als erster die Idee zu einer Bekenntniss zur einer Literatur, die das Schriftstellertagung ins Gespräch. An ei- Bewußtsein moralischer Verantwortung für nen »Kongreß der Gehirne, ein Orchester die von Hitlerdeutschland der Welt zuge- der Temperamente war gedacht,«13 fügten Leiden wachhalten, die humanisti- schrieb er 1964 im Rückblick. schen Traditionen der deutschen Kultur Schon im Dezember 1945 hatte er dem bewahren und fortführen, die gegen die Vorstand des gerade konstituierten SDA drohende Spaltung Deutschlands und für vorgeschlagen, die Aufführung von Georg den Frieden in der Welt wirken sollte. Mög- Kaisers Stück »Der Soldat Tanaka« im lichkeiten zu produktiven Gesprächen wur- Berliner Hebbel-Theater zum Anlaß für den sichtbar, und Pläne zu weiterer prakti- eine Zusammenkunft mit Schriftstellern scher Zusammenarbeit verabredet. In den aus der Schweizer Emigration zu neh- Auseinandersetzungen über Exil und inne- men.14 Dabei ließ er sich wohl auch von re Emigration, über die Notwendigkeit oder dem Gedanken leiten, die Berliner Auto- Unmöglichkeit der Fortsetzung antifaschis- renorganisation könnte ein Zentrum der tischer Kooperation in der Gegenwart, über Zusammenarbeit zwischen den bereits Demokratie und Humanismus traten Ge- existierenden deutschen Schriftstellerver- gensätze wieder zutage, die im Vorfeld der bänden werden. Tagung bereits spürbar gewesen waren. Der im Juli 1945 gestorbene Georg Kaiser Kontrovers diskutierte man über den Wert war der erste Präsident des Schutzver- der Literatur in der Vergangenheit und ihre bandes Deutscher Autoren gewesen, der künftigen Aufgaben. Unversöhnlich wurden im Mai 1945 in Zürich von Autoren aus Rede und Widerrede in den Augenblicken, dem Umkreis der Bewegung Freies da die seit Anfang 1947 immer offenkundi- Deutschland gebildet worden war. Die gere Politik der Konfrontation zwischen Gründungsmitglieder wollten mit ihrer Ar- West und Ost Ausdruck erhielt. beit zur »Tilgung der ideologischen Über- Veranstalter und Teilnehmer sahen sich an reste des Faschismus im deutschen einem Wendepunkt: am Ende der ersten, Schrifttum« beitragen, »alle fortschrittli- noch offenen Phase der Nachkriegsent- chen und freiheitlichen Bewegungen in wicklung und am Beginn der zweiten, der Deutschland« unterstützen, »dem hohen Konfrontation des kalten Krieges, die für Gedanken der Vollendung des Friedens viele Jahre bestimmend werden sollte. und der Freiheit« dienen. Sie betrachteten Leicht ist es heute, von Illusionen zu re- den, wenn man das Bemühen der Schrift- 13 steller beobachtet, den Riß zu überspan- Günther Weisenborn, Memorial. Der gespaltene Horizont. Berlin 1982, S. 275. nen, der damals gezogen wurde. Ihr Ver- 14Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung des SDA vom such ist auch in seinem Ungenügen ein 14. Dezember 1945; SAAdK, GWA 1347. 10 ihre Vereinigung als eine »Sektion des ausarbeiten würden, wie Sie sich den pro- Berufsverbandes«, der »im neuen grammatischen Inhalt und die Zusammen- Deutschland zur Wahrung der Interessen setzung eines solchen Kongresses vorstel- der Schriftsteller reorganisiert werden len, damit wir eine Grundlage für die ge- wird«.15 Weisenborn stützte sich auf solche meinsame Diskussion haben.«18 Bereitschaft. Er wollte eine Kundgebung Den Initiatoren erschien Berlin als der rich- initiieren, die Schriftsteller aus Deutschland tige Ort für einen allgemeinen deutschen und dem Exil zusammenführen sollte. Für Schriftstellerkongreß, für eine Tagung, die die organisatorische Mitarbeit sollten auch gegen längst unübersehbar gewordene Rudolf Leonhard, der langjährige Vorsit- Spaltungstendenzen Zeichen für die Ein- zende des ehemaligen Schutzverbandes heit der deutschen Kultur und Literaur, für Deutscher Schriftsteller im Exil, und Vertre- die nationale Verantwortung der Schrift- ter der neuen Autorenverbände in Mün- steller setzen sollte. Sie hofften, der Vier- chen und Frankfurt am Main gewonnen mächtestatus der Stadt könnte ein Dach werden. bieten, unter dem »Windrichtungspoliti- Erfolg war diesen ersten Bemühungen ken« zu vermeiden und Angelegenheiten nicht beschieden. Nach Vorabsprachen im deutscher Schriftsteller zu befördern wä- engeren Kreis des SDA-Vorstandes wur- ren. Verschiedenste geistige Angebote aus den im Herbst 1946 alle Mitglieder dieses Ost und West und die neuen politischen Gremiums über die Absicht informiert, ei- Spannungen, die sich hier auf engstem nen Autorenkongreß in Berlin »unter Füh- Raum entfalteten, hatten ein ganz spezifi- rung des SDA einzuberufen.«16 Die Kom- sches kulturelles Klima geschaffen, das mission Literatur im Kulturbund, deren vielfältige Energien freisetzte. Vorsitz Weisenborn innehatte, diskutierte Die ehemalige Reichshauptstadt wurde so Ende Oktober 1946 über das Vorhaben, als neues potentielles Zentrum deutscher »in Verbindung mit dem Schutzverband« Kultur ins Bewußtsein gerückt, das vorma- einen solchen Kongreß einzuberufen.17 lige Traditionen von Offenheit und Ge- Weisenborns Initiative war zuvor der Lei- spräch wieder zur Geltung bringen wollte. tung des Kulturbunds unterbreitet worden, Um Vorbehalte zu entkräften, betonten die und Alexander Abusch hatte geantwortet: Organisatoren, die Berliner wollten sich »Wir haben mit Becher Ihren Vorschlag, nicht angeberisch an die Spitze drängen, einen allgemeinen deutschen Schriftstel- und sie bedächten die sehr verschiedenen lerkongreß einzuberufen, besprochen. Wir Bedingungen für Schriftstellerzusammen- sind zu der Meinung gekommen, daß es schlüsse in den deutschen Ländern eben- das Beste wäre, wenn Sie einen Entwurf so strikt wie die jeweiligen Bedürfnisse nach Eigenständigkeit.

15Satzung des Schutzverbandes Deutscher Schrift- steller in der Schweiz; Walther-Pollatschek-Archiv (Privatbesitz). – In den ersten Vorstand waren unter Kulturbund und Schutzverband anderem gewählt worden: A.M. Frey, Stephan Her- mlin, Hans Mayer, Jo Mihaly-Steckel, Bruno Die Diskussionen über die Konzeption der Schönlank, Bertold Wolf. Tagung wurde von den differerienden Ori- 16Brief an die Vorstandsmitglieder, 5. Oktober 1946; SAAdK, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR. 17Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur vom 18Alexander Abusch an Günther Weisenborn; 22. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. SAAdK, AKB 55/002. 11 entierungen bestimmt, die die Arbeit des lichkeiten mit sehr verschiedenem politi- Kulturbundes und der SDA zu dieser Zeit schen und weltanschaulichen Horizont – kennzeichneten. von Otto Winzer (KPD), Gustav Dahrendorf Der im Sommer 1945 auf Anregung von (SPD), Ferdinand Friedensburg (CDU), von Kommunisten und mit persönlichem Enga- Wissenschaftlern, Schriftstellern und Thea- gement von Johannes R. Becher gegrün- terleuten wie Eduard Spranger, Bernhard dete Kulturbund war mit seinen zahlrei- Bennedik, Fritz Erpenbeck, Ernst Legal chen Ortsgruppen und Landesverbänden oder Paul Wegener – läßt auf die Anzie- in Ost und West, mit seinen Tausenden hungskraft der Bundidee schließen. Der Mitgliedern, mit dem Aufbau-Verlag, den Kulturbund konnte zumindest als Organi- Publikationsorganen »Sonntag« und »Auf- sation gewertet werden, die praktische bau« weit mehr als ein Kulturverein. Er Beziehungen und Gedankenaustausch verstand sich als Teil einer »deutschen zwischen den verschiedenen Gruppierun- Erneuerungsbewegung«, die die »besten gen ermöglichte, vielleicht gar als ein poli- Deutschen aller Berufe und Schichten ... in tisches Ersatzforum, das deutsche Interes- dieser schweren Notzeit deutscher Ge- sen zur Sprache kommen ließ. schichte« sammeln wollte.19 Die Organisa- Der SDA zählte im April 1947 bereits 700 tion setzte sich zum Ziel, Naziideologie Mitglieder, Schriftsteller, aber auch Kom- und reaktionären Unrat deutscher Ge- ponisten aus Berlin und anderen Ländern schichte auf allen Lebens- und Wissens- veschiedener Besatzungszonen. Seine gebieten zu überwinden, die große deut- Satzungen folgten im wesentlichen denen sche Kultur, »den Stolz unseres Vaterlan- des Schutzverbandes Deutscher Schrift- des«, wiederzuerwecken, ein »neues steller (SDS), der von den Nazis im Zuge deutsches Geistesleben« zu begründen ihrer Gleichschaltungen liquidiert worden und beim Aufbau eines neuen Deutsch- war. Er wollte jetzt in »Deutschland ver- lands mitzuarbeiten. bliebene Freunde« und aus dem Exil Die anfängliche Kooperation von Persön- »Heimgekehrte zu einer brüderlichen Ge- meinschaft« vereinen.20 Weil er sich zur Gemeinschaft der Kopf- und Handarbeiter 19 Manifest und Ansprachen, gehalten bei der Grün- bekannte und Regelungen der Sowjeti- dungskundgebung des Kulturbundes zur demokrati- schen Erneuerung Deutschlands am 4. Juli 1945 im schen Militäradministration eine selbstän- Haus des Berliner Rundfunks, Berlin 1945, S. 4. Vgl. dige Autorenvereinigung nicht zugelassen auch: Zwei Jahre Kulturbund zur demokratischen hätten, gehörte der SDA bei seiner Grün- Erneuerung Deutschlands. Berlin 1947; Alexander dung als Sparte der Gewerkschaft Kunst Abusch, Zwanzig Jahre Kulturbund im Kampf um die geistige Wiedergeburt der deutschen Nation, Berlin und Schrifttum dem Freien Deutschen 1965; Johannes R. Becher und der Kulturbund. Die Gewerkschaftsbund (FDGB) an. ersten Jahre. Referate und Beiträge im Ergebnis Nach wie vor aktive frühere SDS- einer Konferenz am 12./13. Dezember 1984 in Berlin. Mitglieder, die im Vorstand eine starke Redaktion: Dieter Schiller und andere Berlin 1985. Gruppe bildeten, hielten an der Tradition Vgl. die neuere Darstellung und verzeichnete Litera- tur bei Magdalena Heider, Politik – Kultur – Kultur- eines Schutzverbandes fest und versuch- bund. Zur Gründungs- und Frühgeschichte des Kul- ten, die Arbeit auf berufsständische Fra- turbundes zur demokratischen Erneuerung Deutsch- gen, das heißt soziale, rechtliche, techni- lands 1945–1954 in der SBZ/DDR. Köln 1993; Wolf- sche Angelegenheiten, zu konzentrieren, gang Schivelbusch, Vor dem Vorhang. Das geistige Berlin 1945–1948. München 1995, Kap. 4: Kultur- bund). 20Ebenda. 12 die Verständigung über geistige Fragen ren Seite Johannes R. Becher und Fried- trat demgegenüber in den Hintergrund. rich Wolf, der im Unterschied zu Becher Man organisierte – im Sinne der alten SDS- kontinuierlich an den Sitzungen des SDA- Formel – »Hilfe von Fall zu Fall«21, wurde Vorstandes zur Vorbereitung des Kongres- bei der Klärung urheber-, verlags-, lizenz-, ses teilnahm. Daß es eine solche Koopera- tantiemen- und tarifrechtlicher Probleme tion überhaupt gab, belegt den Willen zur aktiv und suchte die Zusammenarbeit der Zusammenarbeit während der ersten verschiedenen Schriftstellervereinigungen Nachkriegsjahre in dem besonderen Berli- in Deutschland zu fördern. Aktivitäten in ner »literarischen Feld«22. Hier wirkten der Öffentlichkeit nahmen einen geringen mehr remigrierte sozialistische Autoren als Raum ein; doch wirkte der SDA an wichti- in anderen kulturellen Zentren neben gen Kundgebungen mit, zum Beispiel an Schriftstellern, die in Hitlerdeutschland am der gemeinsam mit dem Kulturbund veran- Widerstand teilgenomen hatten stalteten Gedächtnisfeier für Ernst Toller, (Weisenborn, Rudolf Pechel, Karl Schnog, die sich zum Bekenntnis für eine Literatur Karl Grünberg und anderen). Ihre aktiver Humanität gestaltete, und der gro- Aktiviäten förderten auch die Kooperati- ßen Kundgebung zum Jahrestag der Bü- onsbereitschaft von Autoren, die mit mehr cherverbrennung am 10. Mai 1947 vor der oder weniger Einschränkungen in Deutsch- Berliner Universität, auf der Anna Seghers, land gelebt hatten und jetzt am Neubeginn Alfred Kantorowicz und Peter Suhrkamp mitarbeiten wollten. Für einen zeitweiligen sprachen. Konsens spricht, daß man Diese Aktivitäten ließen erkennen, daß im im April 1947 zum Ehrenvorsitzenden des Berufsverband Konsequenzen aus den Verbandes ernannte.23 Erfahrungen der Vergangenheit gezogen Die Frage, ob der SDA oder der Kulturbund worden waren. In den Jahren vor 1933 als Veranstalter des Kongresses in Er- hatte sich der Vorstand gegen die Politisie- scheinung treten sollte, wurde pragmatisch rung und Aktivierung des SDS im Wider- entschieden. Als im Oktober 1946 in der stand gegen die wachsende Kulturreaktion Kommission Literatur Weisenborns Vor- gewehrt, hatte Möglichkeiten zur Verteidi- schlag das erste Mal diskutiert wurde, ei- gung der Demokratie ausgeschlagen, den nigte man sich darauf, daß der SDA die offenen Kampf gegen Nationalismus und »organisatorische Durchführung der Ver- Krieg verworfen und versucht, die beson- ders in der Berliner Ortsgruppe wirksame 22 Opposition gegen den Neutralismus aus Vgl. Ursula Heukenkamp (Hrsg.), Unterm Notdach. Nachkriegsliteratur in Berlin 1945–1949. Berlin 1996. dem Verband zu drängen. 23Vgl. Heinrich Mann an den SDA, 1. Juli 1947; DA, Dem Vorstand des SDA gehörten Reprä- 1. Jg., 1947, Heft 4–5, S. 1. – Alfred Kantorowicz sentanten der damaligen Parteiungen an: schreibt am 20. November 1947 an Heinrich Mann: auf der einen Seite Hertha von Gebhardt »Der Schriftstellerkongreß, auf dem Ihr Name oft mit und Dr. Werner Schendell, der vor 1933 Respekt und Verehrung genannt wurde, war – was immer Sie auch darüber in der freien Presse lesen als Geschäftsführer des SDS gearbeitet mögen – ein Erfolg auf dem Wege der geistigen hatte und im neuen Verband mit der glei- Verständigung. Saboteure dieser Verständigung, chen Funktion betraut war, auf der ande- auch wenn sie noch so sehr ins Limelight gestellt werden, konnten den Schlußakkord nicht zunichte machen.« (Institut für Zeitgeschichte, München [Ar- 21Vgl. Schendell, Der neue Schutzverband; DA, 1. chiv. Bestand Alfred Kantorowicz. F 230/2, Akz Jg., 1947, Heft 1, S. 7. 6249/81].) 13 anstaltung« übernehmen solle, »wobei ihm dung hatte politische Gründe: Auf der glei- der Kulturbund beratend zur Seite stehen chen Sitzung wurde über eine Unterredung könne«24, weil der Kulturbund »in den mit dem amerikanischen Kontrollratsvertre- westlichen Zonen nicht das Ansehen ge- ter Byrnes informiert, der bei einer Mitwir- nieße wie zum Beispielder Schutzver- kung des Kulturbunds die Überparteilich- band« und in seinem Wirken behindert keit der Veranstaltung nicht gewahrt sah. blieb. Weisenborn erklärte im Mai 1947, Im August genehmigte der Kontrollrat den wegen der Vorurteile in den westlichen Kongreß »unter dem Vorbehalt, daß der Besatzungszonen solle die Organisation SDA alleiniger Veranstalter ist«27. als Veranstalter nicht in Erscheinung tre- Günther Weisenborn fungierte als Verbin- ten, doch Kurt Stern wollte sie gerade aus dungsglied zwischen beiden mit der Vorbe- diesem Grund genannt wissen. Im Juni reitung des Kongresses befaßten Organi- 1947 legten Günther Weisenborn und Jo- sationen. Er gehörte zum engeren Lei- hannes R. Becher gemeinsam fest, »daß tungskreis des SDA und war Vorsitzender der Kulturbund aus politischen Gründen der Kommission Literatur, die im Oktober als Mitveranstalter zurücktritt«25, sich aber 1946 zur »Klärung ideologischer Stand- in die Vorbereitung mit einschaltet. Dieses punkte und zur Selbstverständigung« beim Angebot bestätigte der SDA-Vorstand in Präsidialrat des Kulturbundes gebildet einem Brief vom 30. Juni.26 Am 9. Juni worden war.28 Ihr gehörten Persönlichkei- hatte der Vorstand beschlossen, daß alle ten mit sehr verschiedenem politischen der Vorbereitungskommission des Kon- und weltanschaulichen Horizont an: Ale- gresses angehörenden Mitglieder der xander Abusch, Herbert Jhering, Martin Kommission Literatur im Kulturbund nur als Kessel, Elisabeth Langgässer, Ilse Lang- Einzelpersonen fungieren. Diese Entschei- ner, Friedrich Luft, Herbert Roch, August Scholtis, Kurt Stern, Wolfang Weyrauch. In den größeren Vorstand des SDA waren 24Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur vom 22. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. zunächst Johannes R. Becher, Günther 25Vgl. Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur Birkenfeld, Karl Friedrich Borée, Hertha vom 14. März 1947; SAAdK, AKB 224; Protokoll der von Gebhardt, Walther Karsch, Martin Vorstandssitzung des SDA vom 20. Juni 1947; Kessel, Ilse Langner, Horst Lommer, Fried- SAAdK, FWA M 315. 26Laut Protokoll der Vorstandssitzung des SDA vom rich Luft, Erik Reger, Werner Schendell, 30. Juni 1947 wird beschlossen, folgenden Brief an Friedrich Wolf, Hedda Zinner gewählt wor- die Leitung des Kulturbunds zu senden: »Sehr ge- den. Nach den Wahlen bei der General- ehrte Herren! Zur Erleichterung und Durchführung versammlung im April 1947 kamen Wolf- des für den in der Zeit vom 11.–14. September ge- planten Schriftstellerkongreß bitten wir den Präsiden- gang Goetz, Alfred Kantorowicz und Anna ten des Kulturbunds um Überlassung und Bereitstel- Seghers hinzu, während Walter Karsch lung geeigneter Räume, Bewirtung und sonstiger und Erik Reger ausschieden. Gleichbe- Erleichterungen. Wir würden ein solches Entgegen- rechtigte Vorsitzende waren Rudolf kommen im Sinne unserer gemeinsamen Arbeit hoch Pechel, Edwin Redslob, Roland Schacht anerkennen und dankbar begrüßen. Wir bitten, die uns in einer Unterhaltung mit den Herren Becher, und Günther Weisenborn. Im Mai konstitu- Abusch, Gysi und Stern bereits zugesagte Unterstüt- ierte sich die Kommission zur Vorbereitung zung baldmöglichst bestätigen zu wollen, damit wir unsere Vorbereitungen weiterführen können. Mit kameradschaftlicher Hochachtung!« (AAAdK, Archiv 27Protokoll der Vorstandssitzung des SDA vom 11. des Schriftstellerverbands. Der 1. Deutsche Schrift- August 1947; SAAdK, FWA M 315. stellerkongreß.) 28Schulmeister (vgl. Anm. 6). 14 des Kongresses neu, sie bestand dann die eine barbarische Vermannung betrie- aus Vertretern der Kommission Literatur ben«.30 Alle, die sich für Menschlichkeit des Kulturbundes und des SDA-Vorstands. einsetzten, sollten sich zusammenschlie- Dessen Sekretär Werner Schendell über- ßen. An die in der Emigration lebenden nahm den Vorsitz, seine Vertreter Schacht Dichter richtete er den dringenden Apell, und Roch sprachen für SDA-Vorstand und zurückzukehren und bei der notwendigen Kulturbund. In der Kommission arbeiten demokratischen Erneuerung Deutschlands außerdem Dr. Goetz, Max Schröder, Kan- mitzuwirken. torowicz, Stern, Ilse Langner, Ruth Hoff- Der Kongreß sollte von antifaschistisch- mann und Elisabeth Langgässer mit. Die humanistischen Ideen künden, der deut- überlieferten Sitzungsprotokolle dokumen- schen Literatur in der Welt wieder zur Ach- tieren, daß sich ab August 1947 der SDA- tung verhelfen und Voraussetzungen für Vorstand mit den entscheidenden Fragen eine gleichberechtigte Mitsprache der der Kongreßvorbereitung befaßte, die be- deutschen Schriftsteller in internationalen sondere Kommission wurde am 28. August Gremien schaffen. Im Oktober 1946 hatte aufgelöst. Weisenborn in einem Brief an Manfred Auch wenn Weisenborn 1947 nicht in den Hausmann erklärt: »Der Schutzverband Präsidialrat des Kulturbundes gewählt deutscher Autoren, dessen Vorsitzender worden war,29 dürfte die Mitgliedschaft in ich mit Pechel bin, plant einen interzonalen der Kommission Literatur und im SDA- Kongreß der deutschen Schriftsteller und Vorstand seinen Vorschlägen allgemeinere wenn eben möglich einen Zusammen- Aufmerksamkeit gebracht haben. Gewicht schluß aller einzelnen Schutzverbände auf erhielten sie aber vor allem durch die Per- absolut paritätischer Basis, sowohl politi- sönlichkeit des Schriftstellers. scher wie zonaler Art.«31 Wie erfolgreich Weisenborn hatte in der Gruppe Schulze- Weisenborn an seiner vermittelnden Hal- Boysen/Harnack aktiven Widerstand ge- tung festhielt, zeigte sich bei einer Krise leistet, er war von den Nazis verhaftet und der Kongreßvorbereitung im August 1947. wegen »Hochverrats« verurteilt worden. Edwin Redslob faßte damals eine allge- 1946 hatte er mit seinem Stück »Die Illega- meine Meinung aus dem Kreis des SDA len« ein Bild der Widerstandskämpfer ge- zusammen, als er sagte, daß der Kongreß zeichnet. Seine literaturpolitischen Intenti- »zu einem Erfolg gebracht werden kann, onen waren in der Rede bei der Toller- wenn einer als Persönlichkeit und mit dem Gedenkveranstaltung deutlich geworden. Vertrauen der anderen sich der Durchfüh- »Es gibt zwei Literaturen in Deutschland ... rung annehme«, und fortfuhr: »Ich habe Auf der einen Seite stehen die Rufer der das Gefühl, Weisenborn wird es machen. internationalen Humanität, des freien Geis- Wir müssen ihm vertrauen und helfen, tes, der wahrhaften Menschlichkeit ... Auf seine Pläne zu verwirklichen, weil so der der anderen Seite steht die schwertras- Kongreß etwas zu werden verspricht.«32 selnde Kohorte«, stehen die »Chauvinisten und Kriegsstifter, die 30Günther Weisenborn, An die Deutschen Dichter im Stahlhelmmarodanten, die Erzhysteriker, Ausland. Aus einer Gedächtnisrede für Ernst Toller; DA, 1. Jg., 1947, Heft 1, S. 4. 31Günther Weisenborn an Manfred Hausmann, 3. 29Weisenborn erhielt von 156 stimmberechtigten Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. Delegierten 67 Stimmen und kam so auf den Rang 32Protokoll der Vorstandssitzung des SDA vom 27. 32 bei der Wahl des dreißigköpfigen Rates. August 1947; SAAdK, GWA 1347. 15 Chronologie der Vorbereitung Dymschiz,34 der für den neuen Termin Verpflegung, Wagen und Benzin für den Die Vorbereitung des Kongresses nahm Transport der Gäste zusicherte. Dymschiz mehr als ein Jahr in Anspruch und war von regte an, die Zusammenkunft in den vielfältigen, zeitweilig alles in Frage stel- Kammerspielen des Deutschen Theaters lenden Diskussionen geprägt. Mehrmalige stattfinden zu lassen und die Gäste ge- Terminverschiebungen drohten ihn über- meinsam im Hotel Adlon unterzubringen. haupt scheitern zu lassen. Weisenborn Die besonderen Aktivitäten der sowjeti- hatte ursprünglich gemeint, die Tagung schen Militäradministration – vor allem der könne im Januar 1947 stattfinden. In so im Haus der Kultur gegebene Empfang – kurzer Zeit ließen sich jedoch nicht alle riefen bei Teilnehmern aus dem Westen technischen Hindernisse beseitigen, au- erstaunte Bewunderung hervor, wurden ßerdem war ein von Mangel, Kälte und aber oft schlicht als »Propaganda« ver- Hunger bestimmter Winter zu erwarten. Als bucht.35 Die Abteilung Handel und Finan- neuen Termin brachte man Juni bzw. Juli zen beim Magistrat traf Vorsorge für die ins Gespräch, schließlich einigte man sich Verpflegung der Teilnehmer. Finanziert auf den 4. bis 8. September, letztlich fand wurde der Kongreß über die Zentralverwal- das Treffen einen Monat später statt. tung für Volksbildung in der sowjetischen Zwei Jahre nach dem Krieg war es kei- Besatzungszone. neswegs einfach, im geteilten Berlin einen Die ersten Gedanken über die inhaltliche Kongreß zu veranstalten. Allein die Klä- Gestaltung des Programms wurden, wie rung organisatorischer Probleme bean- bereits erwähnt, in der Kommission des spruchte mehr als zwanzig Sitzungen: Die Kulturbundes erörtert, wo sich im Oktober Sowjetische Militäradministration hatte früh Hilfe versprochen, während sich die Ver- 34 handlungen mit den Ämtern der westlichen Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom 8. September 1947; SAAdK, GWA 1347. Militärregierungen komplizierter gestalte- 35Explizit in einem von Hepp gegengezeichneten ten. Amerikaner und Briten modifizierten französischen Bericht »LE PREMIER CONGRES zugesagte Empfänge für die Kongreßteil- DES ECRIVAINS ALLEMANDS TENU A BERLIN DU nehmer zu Empfängen der durch sie lizen- 4 AU 8 OCTOBRE« vom 6. Dezember 1947 (vgl. Anm. 10), wo von indirekter und direkter »prorussi- zierten Verleger- und Buchhändlervereini- scher Propaganda« die Rede ist; indirekt beim Emp- gungen um. Die Franzosen enthielten sich fang des SDA im Kulturbund-Klub (bei dem »Alkohol, auch dieser Form, sie beobachteten die Tabak und Zigaretten nicht fehlten«), direkt beim Kongreßvorbereitungen mit einigem Miß- Empfang im Haus der sowjetischen Kultur (wo es 33 nach dem Auftritt eines Soldatenchors gegen 23 Uhr trauen. ein Essen gegegeben habe mit »Kaviar in Mengen, Von einem »äußersten Entgegenkommen« Butter, Forellen, Eiern, Schweinebraten, Wurst, der sowjetischen Militärstellen berichteten Käse, Torten, Konfitüre und Süßigkeiten; Schendell und Weisenborn nach einem Alkoholitäten fehlten ebenfalls nicht, vom Wodka bis Besuch bei Oberstleutnant Alexander zum Champagner in Fülle«, und wo jedem Teilneh- mer ein Buchpaket zu 6,5 Kilogramm übergeben wurde mit 2 Bänden »Ausgewählte Werke« von Lenin, einer Biographie von Lenin, Stalins »Fragen 33Der SDA-Vorstand bat Lusset vergeblich um Unter- des Leninismus«, »Was uns die Dinge erzählen« von stützung bei Einladungen, obwohl er den M. Iljin, Scholochows »Neuland unterm Pflug«, Kulturattache über den Empfang bei der Buchhänd- Gaidars »Timur und sein Trupp«, Ehrenburgs »Der lervereinigung und amerikanischen Instanzen infor- Fall von Paris« und einem Band mit russischen mierte (vgl. Anm. 10). Volkserzählungen). Übersetzung – D. Sch. 16 1946 ein besonderes Vorbereitungskomi- Schuld«, »Zweiter Tag: Unser Dank«, tee konstituierte, das aber erst ab März »Dritter Tag: Unsere Aufgabe«) bewegte 1947 intensiver arbeitete. Hier wirkten Ma- sich in dieser Richtung.38 ria Langner, Alfred Kantorowicz, Kurt Stern Auf Konkretisierung in zweierlei Hinsicht und mit, von dem der drängte Alexander Abusch. Er wollte den erste Entwurf einer Einladungsliste Zusammenhang zu schriftstellerischen stammt. Um endgültige Festlegungen in Aktivitäten im Exil stärker hervorheben und dieser Frage treffen zu können, wurden erinnerte deshalb an fruchtbare Diskussio- Vorschläge des SDA-Vorstands erwartet, nen anläßlich einer Jubiläumstagung des der sich bereits mit der praktischen Durch- SDS 1938 in Paris zum Thema »Der histo- führung des Kongresses beschäftigt und rische Stoff als Waffe im Kampf um die ein Komitee gegründet hatte, »welches die deutsche Freiheit«. Damals hatte man Entscheidungen über die einzuladenden erörtert, »ob und wie der Schriftsteller im Schriftsteller, die Programmgestaltung Exil die Verbindung mit Deutschland behal- usw.«36 treffen wollte. Ihm gehörten neben ten kann, ob der Schriftsteller überhaupt den Berliner SDA-Mitgliedern Ilse Langner, über heutige Dinge schreiben kann, ohne Rudolf Schacht und Günther Weisenborn den genügenden Abstand zu haben, oder auch Willi Bredel, der Kulturbundvorsitzen- ob es zweckmäßiger sei, historische Be- de in Mecklenburg, und Rudolf Schneider- gebenheiten unter dem Aspekt von heute Schelde, der Präsident des Münchener zu schildern«; man hatte nach Aktualität Schutzverbandes an. Weisenborn legte in und Historizität, nach literarischem Wert dieser Sitzung eine erste Skizze für ein und Wirkung in der Gegenwart gefragt. Auf Programm vor: »Der erste Tag würde ne- dem Kongreß wurde der Rückbezug zu ben einer Totenehrung Berichte bringen Exilerfahrungen in den Reden vieler Re- sowohl aus dem inneren Deutschland als migranten deutlich. Anna Seghers, Bredel, auch aus der West- und Ostemigration. Kantorowicz und auch Wischnewski erin- Am zweiten Tage müßten ideologische nerten an die Kongresse zur Verteidigung Fragen diskutiert werden, während der der Kultur von 1935 und 1937. Sie hofften, dritte Tag mit einer öffentlichen Kundge- das Berliner Treffen könne Impulse dieser bung und einem Ruf an die Welt beschlos- Kundgebungen aufnehmen, Traditionen sen werden soll.«37 Der Kongreß müsse der Einheit der Hitlergegner erneuern. zeigen, daß in Deutschland neue Kräfte Außerdem schlug Abusch vor, den von am Werke seien, die den Geist der deut- Weisenborn angeregten Ruf der Schrift- schen Wiedergeburt repräsentieren. Eben- steller an die Welt anders zu akzentuieren. so unstrittig war, daß es vor allem um Beide stimmten darin überein, daß der Grundfragen gehe: »Geist und Politik«, Kongreß auch zum Ausland hin für das »Geist und Zeit«, »Die Aufgaben der deut- bessere Deutschland sprechen, um Ver- schen Schriftsteller heute«. Auch der we- trauen in die Kraft der antifaschistisch- nig später von Wolfgang Weyrauch unter- humanistischen Literatur in Deutschland breitete Vorschlag (»Erster Tag: Unsere werben und sich darum bemühen müsse, deren Isolierung aufzuheben. Abusch plä- dierte dafür, die Abrechnung mit der Ver- 36Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur vom 30. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. 37Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur vom 38Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur 22. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. vom 30. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. 17 gangenheit mehr in den Vordergrund zu Brecht und Georg Lukács.41 Im Mai kon- rücken: »Wichtiger wäre ein anderer Ruf kretisierte die neukonstituierte Kommission an die Welt; die deutschen Schriftsteller das Programm. Man nahm berufsständi- sollen vor der Welt Stellung nehmen zu sche Themen auf, die nicht nur für die Lei- den Taten der Vergangenheit, Stellung tung des Schutzverbandes wichtig waren. nehmen zu der Tatsache, daß eine Reihe »Empfang des SDA«, »Totenehrung«, hervorragender französischer Schriftsteller »Deutsche Schriftsteller im In- und Aus- von deutschen Truppen ermordet wurden. land«, »Aufgaben eines Autors heute«, Man erwartet von den deutschen Schrift- »Wirtschaftliche Berufsfragen«, »Schluß- stellern, daß sie Kritik und Selbstkritik kundgebung« lauteten jetzt die Überschrif- üben, um der Welt zu zeigen, daß hier um ten für die Tagungsabschnitte.42 die demokratische Erneuerung des Schrift- Auch organisatorische Details mußten tums gerungen wird. Eine solche Erklärung geplant werden: Es galt, die Genehmigung würde uns helfen, Brücken zu schlagen des Alliierten Kontrollrats einzuholen, Un- und uns die Möglichkeit geben, wieder terbringung und Verpflegung der Gäste zu Verbindung anzuknüpfen mit den Schrift- sichern, Reisemöglichkeiten mit den Ver- stellern anderer Länder.«39 Ähnlich äußer- tretern der alliierten Behörde zu regeln. te sich in einer der folgenden Sitzungen Diese Arbeit leistete weitgehend der SDA- Stern, der gerade in Paris erlebt hatte, wie Vorstand, der in der Kommissionssitzung aufmerksam und mißtrauisch dort Vorgän- vom 11. August 1947 mitteilen konnte, daß ge in Deutschland beobachtet wurden.40 zwei entscheidende Voraussetzungen für Der »Ruf an die Welt« wurde nicht in das den Kongreß gegeben seien: die Geneh- Programm aufgenommen, doch das »Ma- migung des Alliierten Kontrollrats lag vor, nifest« des Kongresses enthält das aus- und die Berliner Stellen der Militärregie- drückliche Bekenntnis der deutschen rungen hatten zugesichert, den Teilneh- Schriftsteller zur Mitverantwortung an der mern zu Interzonenpässen zu verhelfen. leid- und todbringenden Vergangenheit. Weniger erfreulich war, daß von 22O Ein- Eine neue Runde der Programmdiskussion geladenen bisher nur 63 zu- und 19 abge- ergab sich zwischen März und Mai 1947 in sagt hatten. der Kommission von Vertretern des Kultur- Eine komplizierte Situation ergab sich auf bundes und des SDA. Der SDA-Vorstand der SDA-Vorstandssitzung vom 18. August legte sich am 10. April auf eine Kongreß- 1947. Anlaß waren zwei Briefe, in denen dauer von vier Tagen fest. Becher, der sich darum gebeten wurde, den bereits für Sep- hier einmal direkt in die Vorbereitung ein- tember einberufenen Kongreß um vier schaltete, wollte den literaturprogrammati- Wochen zu verschieben. Sie lösten eine schen Akzent der Tagung verstärken und Krise aus, in der die während der gesam- regte an, einige anerkannte Autoren zu ten Vorbereitungszeit diskutierten Differen- Ausführungen über »große ideologische zen über Ziel und Sinn des Kongresses Weltanschauung« zu bewegen – an Tho- noch einmal kulminierten. Das erste mas Mann wurde gedacht, an Bertolt

41Protokoll der Vorstandssitzung des SDA vom 10. 39Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur April 1947; in: SAAdK, DSV, Sign. 36/2, Bl. 9. vom 22. Oktober 1946; AKB 224. 42Vgl.Protokolle der Sitzungen der Kommisssion 40Vgl.Protokoll der Sitzung der Kommission Litera- Literatur vom 2. April und 6. Mai 1947; SAAdK, tur vom 30. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. AKB 224. 18 Schreiben kam von Rudolf Leonhard,43 der deutschen Presse als Deutschfeindlichkeit sich seit Juni in Berlin aufhielt und sich entstellt wurden, fragte er nach den Grün- unter anderem um die Neustiftung eines den für die »beängstigende« Reaktion.46 -Preises bemühte, so daß Leonhards Intervention resultierte aus die- man ihn im September in den SDA- sen internationalen Spannungen. Er mo- Vorstand kooptierte. Diese Mitarbeit stellte nierte insbesondere die noch kaum gesi- einen Zusammenhang zwischen den An- cherte Beteiligung ausländischer Schrift- strengungen des neuen Verbandes und steller. der Tradition des nach 1933 in Paris wir- Den zweiten Brief verfaßten Weisenborn, kenden Schutzverbandes Deutscher Becher und Kantorowicz nach einer Bera- Schriftsteller im Exil her. Leonhard war tung während der Kulturbund-Akademie in dessen Mitbegründer und führender Orga- Ahrenshoop, auf der einem Bericht zufolge nisator bis zum Ausbruch des Krieges ge- auch Oberst Tjulpanow, der Leiter der In- wesen. Außerdem kannte er sich in der formationsabteilung in der Sowjetischen französischen Literatur bestens aus, ebne- Militäradministration, anwesend war.47 Sie te für die Verlage Henschel, Dietz und begründeten die Bitte um Verschiebung Aufbau Wege zu Schriftstellern in Frank- damit, daß zum vorgesehenen Termin eine reich. Bereits im April 1946 hatte Becher in Reihe anderer Kongresse in Berlin stattfin- einem Brief zum Ausdruck gebracht, daß de, das Treffen organisatorisch und inhalt- er Leonhards Tätigkeit in Paris als »Teil lich ungenügend vorbereitet und die aus- unserer Arbeit« hier betrachte und froh ländische Beteiligung nicht gewährleistet über dessen Aktivitäten sei.44 Wie kein sei.48 anderer schien Leonhard geeignet, die Kontakte zu französischen Autoren zu er- trauen zu Deutschland zu haben«) und Louis weitern – eine in dieser Zeit äußerst kom- Picard (der »die heutige Mentalität der Deut- plizierte Aufgabe: Die Vorbehalte gegen- schen« nicht »ermutigend« fand). Vercors hatte gesagt: »Müßten wir aber nicht genau wissen, über Deutschland und seiner Literatur wa- wer in Deutschland die hingestreckte Hand er- ren in Frankreich noch größer als in ande- greift? Die emigrierten Deutschen, die in der ren ehemals von Deutschen besetzten Schweiz, in England weilten, können nicht ermes- Ländern. Vercors hatte auf dem PEN- sen, welche Wunden die deutsche Besatzung geschlagen hat.« »Minutiöseste Vorsicht« war für Kongreß 1947 in Zürich gefordert, sehr ihn am Platz: »Welches sind die deutschen genau hinzusehen, mit wem man es bei Schriftsteller, die ihre Stimme in Deutschland der Aufnahme von Kontakten zu tun be- selbst gegen die Nazis erhoben?« (Internationaler komme, und er hatte an die Wiederzulas- PEN-Kongreß in Zürich. In: Aufbau. Kulturpolitische Monatsschrift [Berlin], 3. Jg., 1947, Heft 7, S. 71–74.) PEN 46 sung des deutschen die Bedingung Vgl. Erich Wollenberg, Offener Brief an Vercors. geknüpft, daß hierbei nur Antifaschisten In: Echo der Woche, 1. Jg., 1947, Nr. 11, S. 5; oder erkennbare Nichtfaschisten eine Rolle Vercors antwortet auf unseren »Offenen Brief«. spielten.45 Als seine Überlegungen in der In: Echo der Woche, 1. Jg., 1947, Nr. 14, S. 11; Alexandre Alexandre, Ein Interview mit Vercors. In: Sonntag, 5. Oktober 1947, S. 2. 43Vgl. Protokoll der Sitzung im SDA-Vorstand vom 47Kantorowicz, Deutsches Tagebuch (vgl. Anm. 18. August 1947; SAAdK, FWA M 315. 6). 44Johannes R. Becher an Rudolf Leonhard, 24. 48Vgl. Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstands April 1946; SAAdK, RLA 835. vom 18. August 1947; SAAdK, FWA M 315. Der Brief 45Angehörige ehemals besetzter Länder hatten – gezeichnet von Weisenborn, Becher, Kantorowicz, sich sehr entschieden geäußert, so die Belgier datiert: 18. 8. 1947 – wurde auf der Sitzung vom 18. Max Deauville (»Wir haben keinen Grund, Ver- 8. den anwesenden Kommissionsmitgliedern E. 19 Im Vorstand des SDA wurden diese Ein- Langgässer, W. Goetz, Fritz Moser, Ruth Hoffmann, wände zunächst nicht gebilligt, obwohl M. Schroeder, Hertha von Gebhardt, Martin Kessel man auch hier wegen der wenigen Zusa- verlesen, nachdem er schon um 14 Uhr den Mitglie- gen unzufrieden war. Die neuen Termin- dern des Vorstandes zur Kenntnis gebracht worden vorschläge wies man als Zumutung für alle war. Er hat folgenden Wortlaut: »Die drei unterzeich- neten Vorstandsmitglieder haben die jetzige Lage Gäste und als Blamage für den Verband der Kongreßvorbereitung gründlichst besprochen zurück. Hier zeigte sich, daß die Vertreter und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Wir des Kulturbundes sich weder genügend beantragen eine Verschiebung des Kongresses um um die konkrete organisatorische Vorberei- vier Wochen und eine Verlängerung des Kongresses um zwei Tage. – Die Gründe sind folgende: 1. Es tung des Kongresses gekümmert hatten finden zum gleichen Termin in Berlin eine Reihe von noch ihre Ideen zum Programm durchset- anderen Kongressen statt (VVN, CDU, SED, Päda- zen konnten. Im Schutzverband war man gogischer Kongreß usw.), die unserem Kongreß die bestrebt, die berufsständischen und die Öffentlichkeit wegnehmen und das Echo des Kon- gresses sehr verringern werden. – 2. Wir sind zu der ideologischen Fragen schriftstellerischer Überzeugung gelangt, daß die Vorbereitungen bis Arbeit einander gegenüberzustellen, trach- jetzt trotz aller Arbeit noch nicht so weit gediehen tete vielleicht sogar danach, Stellungnah- sind, daß sie einen reibungslosen Verlauf garantie- men zu umkämpften Zeitfragen zu vermei- ren können und das Höchstmaß an öffentlicher Wir- kung erreichen werden. – 3. Die Auslandsbeteiligung den. Im bereits versandte Einladungsbrief ist noch absolut unklar, abgesehen davon, daß wir hieß es: »In erster Linie soll der Kongreß immer noch nicht wissen, wer aus dem Ausland dazu dienen, die komplizierten wirtschaftli- kommen will, müssen noch für diese Betreffenden chen Berufsfragen zu erörtern.«49 Roland durch die Militär-Mächte die Pässe und Unterkünfte Schacht bekräftigte die Absicht, Fragen besorgt werden, was nach unserer Erfahrung immer eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Wenn also drei des »freien Austauschs des Brief- und italienische Schriftsteller beispielsweise sich heute Verlegerverkehrs, der Zahlungsüberwei- zum Kongreß anmelden, so müßten erst die Befür- sungen m. d. anderen Zonen«, des »Zei- wortung der hiesigen zuständigen Militärmission tungsaustauschs, der Mitarbeit an den nach Italien gehen, ehe dort die Papiere genehmigt werden. Da wir aber größten Wert auf die ausländi- Journalen anderer Zonen« ins Zentrum zu sche Beteiligung legen, erscheint aus diesem Grun- rücken. Für anderes sei es zu früh, man de die Verlegung des Kongresses zwingend. – Wir könne die »ideellen und ideologischen schlagen praktisch vor, Anfang September – nach Referate ... evtl. zu einem späteren Kon- unserer Rückkehr – eine Pressekonferenz mit den greß im nächsten Jahr auf die Tagungs- Vertretern der ausländischen Presse abzuhalten. – 50 Wir bitten, das Protokoll der letzten Sitzungen nach- ordnung« setzen. »Der Sinn des Kon- zulesen, in dem der Beschluß verzeichnet steht, daß gresses« sei nicht, eine »politisch- wir nicht nur die Schriftsteller der vier alliierten Mäch- ideologische Kundgebung« zu veranstal- te, sondern auch Schriftsteller anderer Länder, die durch Militär-Missionen in Berlin vertreten sind, ein- ten, sondern eine erste »Zusammenkunft laden wollen, zum BeispielSkandinavien, Holland, Belgien. Auch dies konnte bisher nicht geschehen. – schiebung des Kongresses für die Zeit vom 12. bis Zur Durchführung der Verschiebung erscheinen uns 19. Oktober 1947, da wir in Erfahrung gebracht ha- folgende Schritte als notwendig: a) Pressenotiz b) ben, daß zu diesem Termin keinerlei sonstige Kon- Eine Mitteilung des Sekretariats an die Alliierte gresse in Berlin stattfinden. Wir weisen darauf hin, Kommandantura mit der Bitte, die Interzonenpässe daß wir diese Verschiebung für unbedingt notwendig zu verlängern oder auf den neuen Termin zu ver- halten und mit allem Nachdruck uns dafür einsetzen schieben. – Wir bitten gleichzeitig, die zuständigen werden.« – SAAdK, Archiv des Schriftstellerver- Offiziere wegen der Verschiebung der Empfänge zu bands. Der 1. Deutsche Schriftstellerkongreß. benachrichtigen und die gleiche Reihenfolge auf- 49Einladungsbrief des SDA (vgl. Anm. 10). rechtzuerhalten, wie sie für diesen Termin vorgese- 50Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom hen war. – Wir beantragen hiermit offiziell die Ver- 18.August 1947; SAAdK, FWA M 315. 20 deutscher Schriftsteller zwecks Erörterung 51 beruflich-wirtschaftlicher Fragen« . Herren, erst am Anfang September eintreffen, die Schendell führte in einem Brief, den er im Dinge besser vorbereitet sein werden als bisher. Zu Namen des Vorstands an Johannes R. Ihren Gründen möchten wir das folgende bemerken: Becher schrieb, die Argumentation weiter: zu 1. Auch für den Oktober sind bereits eine Reihe von Veranstaltungen für Berlin vorgemerkt, u.a. die Jetzt komme es »gar nicht so sehr auf die Kulturwoche der Gewerkschaft, bei der der SDA Publizität« an, sondern auf praktische Fra- beteiligt ist. Es kommt ferner nach unserer Auffas- gen wie »Erleichterung in der Berufsaus- sung im Augenblick gar nicht so sehr auf die Publizi- übung usw.«. Er betonte: »Nach Lage der tät, sondern in erster Linie auf die praktischen Er- gebnisse des Kongresses an. Wenn wir zu prakti- Dinge kann die Auslandsbeteiligung im schen Ergebnissen, Erleichterungen in der Berufs- Augenblick nicht als besonders vordring- ausübung usw., gelangen werden, wird das – auf die lich betrachtet werden ... Außerdem er- Dauer gesehen – viel wichtiger sein als eine noch so schien es dem Vorstand bisher als wichti- schön auf dem Papier stehende Publizität. – zu 2. Es besteht – wie gesagt – leider keine Garantie, daß ger, daß sich zunächst einmal die deut- wenn Sie Anfang September zu einem neuen Start schen Schriftsteller unter sich wieder ein- eintreffen, die Dinge rascher und reibungsloser ab- mal zusammenfinden und zusammenset- gewickelt werden können, als bisher. – zu 3. Nach zen, um in erster Linie ihre ideellen und Lage der Dinge kann die Auslandsbeteiligung im reinen Berufsfragen zu beraten und zu Augenblick nicht als besonders vordringlich betrach- 52 tet werden. Es ist seinerzeit ausdrücklich beschlos- beschließen.« Becher antwortete unver- sen worden, daß auf Grund der gesamten morali- schen Situation, die durch den Verlauf des Krieges entstanden ist, wir nicht in der Lage sind, von uns 51Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom aus als Einladende an das Ausland heranzutreten. 27. August 1947; SAAdK, GWA 1347. Wir haben aus diesem Grunde die vier alliierten 52Werner Schendell an Johannes R. Becher; Offiziere rechtzeitig in einem besonderen Empfang SAAdK, JBA Briefe Nr. 12 430. – Vgl. den Antwort- über den Kongreß unterrichtet und zum Ausdruck brief des Vorstandes des Schutzverbands: »Sehr gebracht, daß wir uns sehr freuen würden, wenn sie geehrte Herren! Der Vorstand des Schutzverbandes ihrerseits namhafte Vertreter ihrer Länder zur Beteili- hat in seiner heutigen Sitzung von Ihrem Brief vom gung anregen könnten. Daraufhin ist – soviel wir 18. d. M. und dem darin formulierten Antrag Kenntnis wissen – von keiner der vier Mächte irgendeine genommen und beschlossen, den Kongreß als sol- definitive Zusage eingegangen. Außerdem steht zu chen nach wie vor zum festgesetzten Termin am 11. befürchten, daß bei einer Verlegung zahlreiche deut- – 14. September durchzuführen. Die Gründe dafür sche Kollegen, die bereits zugesagt haben, nicht sind die folgenden: Den bisher Eingeladenen wird es kommen können und die Ausländer, denen zuliebe technisch völlig unmöglich sein, eine Verschiebung die Verlegung hauptsächlich erfolgen soll, auch im ihrer Dispositionen durchzuführen. Sie haben Inter- Oktober fernbleiben. – Außerdem erschien es im zonenpässe eingereicht und erfahrungsgemäß ist Vorstand bisher als wichtiger, daß sich zunächst eine Verlängerung von Interzonen- einmal die deutschen Schriftsteller unter sich wieder Reiseangelegenheiten schwierig. Sie haben ihre Zeit einmal zusammenfinden und zusammensetzen, um eingeteilt und es steht zu erwägen, daß für den Ok- in erster Linie ihre ideellen und reinen Berufsfragen tober wieder aus irgendwelchen anderen Gründen zu beraten und zu beschließen. – Wir geben Ihnen andere Absagen von Teilnehmern, die uns beson- diesen Beschluß zur Kenntnis und bitten Sie, sich ders wichtig sind, eintreffen werden. Die Termine für damit einverstanden zu erklären. Es ist ferner die die Empfänge, die Säle usw. sind eingeteilt. Es steht Anregung aufgetaucht, die auch von uns befürwortet zu befürchten, daß die Zusage der Alliierten und des wird, daß Herr Leonhard seine geplante Zusammen- Magistrats bei einer neuerlichen Verschiebung wie- kunft französischer und deutscher Schriftsteller als der in Frage gestellt werden und neue Anträge an eine Sonderveranstaltung im Laufe des Jahres zu alle diese Instanzen wieder sehr viel Zeit in Anspruch einem ihm und den französischen Herren genehmen nimmt, abgesehen von der Peinlichkeit einer solchen Termin durchführt. Wir glauben, daß es durchaus Aktion. Wir wissen ferner nicht, wie im Oktober die möglich ist, das genaue Programm für die Arbeitsta- Temperaturen sein werden, zumal ja auch bisher gungen und Diskussionen noch rechtzeitig Anfang keinerlei Gewähr besteht, daß, wenn Sie meine September in einer einzigen Sitzung aufzustellen. 21 züglich: »Aus meinen gerade jetzt wieder Gebhardt, der Stimme enthielten sich Ro- in der Schweiz bestätigten Auslandserfah- land Schacht und Werner Schendell. Den- rungen aber weiß ich, was man von einem noch erklärten Schacht, Birkenfeld und ersten Deutschen Schriftstellerkongreß Hertha von Gebhardt, daß sie an der Vor- erwartet, und daß es für unsere gesamte bereitung der Tagung mitwirken werden.55 kulturpolitische Arbeit ein schwerer Rück- Daß man um weitere Kooperation bemüht schlag wäre, wenn diese Erwartungen war, zeigte sich in Schachts Eröffnungsre- enttäuscht würden. Auf einem ersten deut- de. Er rückte die »Berufsfragen« betont an schen Schriftstellerkongreß müssen ge- die zweite Stelle und forderte, in erster wisse geistige und kulturpolitische Fragen Linie die »ideologischen Fragen des beantwortet werden, wenn wir uns nicht Schriftstellerberufs zu behandeln und zu dem Vorwurf aussetzen wollen, daß wir klären«, nachzudenken darüber, wie den entweder nicht willens oder nicht fähig gemeinsamen Ideen Geltung verschafft seien, Fragen zu beantworten, deren Be- werden könne, »über die es unter allen antwortung nach den vergangenen zwölf Schriftstellern nur Einigkeit geben kann«, Jahren die Welt von einem deutschen den »großen Ideen der Humanität, des Schriftsteller erwartet. Das bis jetzt vor- Friedens, der Freiheit«. handene Programm enthält kaum solche In Weisenborns Wohnung wurde am 1. Punkte, die ein allgemeines Interesse er- September ein detailliertes Programm er- wecken.«53 örtert,56 das mit geringfügigen Änderungen Auf diesen Brief hin schlug Günther Bir- zur Tagesordnung des Kongresses wurde. kenfeld am 25. August in Abwesenheit von Es folgte im wesentlichen dem für den Weisenborn vor, den Kongreß auf unbe- Septembertermin ausgearbeiteten Kon- stimmte Zeit zu verschieben. Er fand damit zept, das von der Anlage und der Reihen- die mehrheitliche Zustimmung des SDA- folge der Themen her bereits einen pro- Vorstands.54 Zwei Tage darauf wurde nach duktiven Kompromiß darstellte und lange erneuter Debatte in anderer Runde der diskutierte Elemente vereinte. Die Redner- Beschluß zurückgenommen. Für liste und die Leiter der einzelnen Tagungs- Weisenborns Antrag, das Treffen zwischen abschnitte wurden festgelegt. Beide sicher- dem 4.und 8. Oktober stattfinden zu las- ten politische und zonale »Parität«, brach- sen, stimmten Wolfgang Goetz, Alfred ten die Positionsvielfalt im Vorstand des Kantorowicz, Ilse Langner, Friedrich Luft, SDA zum Ausdruck und demonstrierten Edwin Redslob, Friedrich Wolf; dagegen damit den überparteilichen Charakter des waren Günther Birkenfeld und Hertha von Kongresses. Roland Schacht, Günther Weisenborn, Friedrich Wolf, Edwin Wir nehmen an, daß Sie sich unseren Argumenten Redslob, Günther Birkenfeld, Karl Friedrich nicht verschließen werden und wünschen Ihnen mit Borée und in der Schlußsitzung noch ein- kollegialen Grüßen eine recht gute Erholung. – gez. mal Weisenborn wurden als Sprecher der v. Gebhardt« (Der Brief ist den Mitgliedern der Un- Kongreßleitung benannt. terkommission zur Kenntnis gebracht worden, die den Argumenten darin zustimmten.) – SAAdK, Archiv Einen Kompromißvorschlag unterbreitete des Schriftstellerverbands. Der 1. Deutsche Schrift- stellerkongreß. 53Johannes R. Becher an Werner Schendell; 55Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstands vom 27. SAAdK, JBA Briefe 12 431. August 1947; SAAdK, GWA 1347. 54Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom 56Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstands vom 1. 25. August 1947; SAAdK, FWA M 315. September 1947; SAAdK, FWA M 315. 22 Weisenborn auch für den internationalen Richtungen aus allen Zonen auch deut- Rahmen des Kongresses: Bei der weiteren sche Schriftsteller, die im Ausland lebten, Vorbereitung sollten prinzipiell keine Rück- vor allem aber »Schriftsteller von Bedeu- sichten auf die Beteiligung ausländischer tung«. Abusch akzentuierte den Grundsatz Schriftsteller genommen werden, doch der geistigen Repräsentation: »Wichtig sei wollte man für die Folgezeit deutsch- es, daß gute und repräsentative Namen ausländische Autorentreffen ins Auge fas- vertreten sind. Unwichtig sei, daß aus je- sen. Man beauftragte SDA- der Zone eine bestimmte Anzahl von Ver- Vorstandsmitglieder, die gerade ins Aus- tretern nach Berlin kommt. Eine Konferenz land fuhren, Gäste zu gewinnen, und müsse eine Repräsentation des deutschen wandte sich an Vertreter der Militärregie- Schrifttums sein und nicht eine Demonstra- rungen. Das Resultat dieser Bemühungen tion unserer Armut, die besagt, daß wir in blieb unter den Erwartungen. Aus der Sow- unserem heutigen Deutschland keine gu- jetunion reisten mit Gorbatow, Katajew und ten Schriftsteller aufzuweisen haben.« Er Wischnewski »repräsentative« Schriftstel- wandte sich zugleich dagegen, »den Kon- ler an. Aus Jugoslawien sowie aus der greß als eine gewerkschaftliche Angele- CSR kamen Autorendelegationen. Aus genheit aufzuziehen, bei welcher die ein- Großbritannien waren mit Brailsford und zelnen Sektionen des Schutzverbandes Ould bekannte Gestalten des literarischen eine bestimmte Anzahl von Delegierten Lebens anwesend. Als Sprecher aus den entsenden«57. Diese Polemik bezog sich USA verschaffte sich der siebenundzwan- auf Bestrebungen im SDA Berlin, durch die zigjährige Journalist Lasky Gehör. Die von Anwesenheit von aktiven Mitgliedern der Alexander Dymschiz vermittelten Bemü- Verbände die Zusammenarbeit der Orga- hungen um Steinbeck, Caldwell und Ara- nisationen zu fördern. gon, die sich gerade auf einer Reise in der Da auf dem Treffen die Kontroversen um Sowjetunion befanden, führten nicht zu innere und äußere Emigration nicht neu einemErfolg. Polnische Autoren be- entflammen sollten, war beabsichtigt, Ver- schränkten sich auf eine Grußbotschaft, tretern aller oben genannten Gruppen von den erhofften Franzosen erschien kei- Stimme zu geben. Auf den ursprünglichen ner. Einladungslisten sind neben Remigranten zahlreiche Schriftsteller vermerkt, die noch im Ausland lebten: , Ernst Einladungsprinzipien Bloch, Ferdinand Bruckner, , Oskar Maria Graf, Wieland Die Kriterien für die Einladungen bildeten Herzfelde, , Kurt Hiller, einen wichtigen Komplex in den vorberei- Egon Erwin Kisch, Rudolf Leonhard, Georg tenden Diskussionen, waren sie doch mi- Lukacs, Heinrich Mann, , tentscheidend für den antifaschistischen Walter Mehring, Hans Jose Rehfisch, Erich Charakter und die Repräsentativität der Maria Remarque. Bertold Viertel, F.C. Zusamenkunft. Weiskopf, Arnold Zweig. Darüber wurde schon im Oktober 1946 in Autoren, die in Deutschland gelebt und den Sitzungen der Kommission Literatur keine Kompromisse mit dem nationalsozia- beraten. Eingeladen werden sollten neben Autoren aller demokratischen politischen 57Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur vom 30. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. 23 listischen Regime geschlossen hatten, nach Berlin zurück. Bei anderen überwo- sollten die zweite Haptgruppe bilden. Ne- gen Bedenken, Deutschland nach den ben Schriftstellern wie Ricarda Huch, Ernst Erfahrungen der Vergangenheit wieder zu Wiechert, Reinhold Schneider, die im Wi- besuchen – Oskar Maria Graf hat dieses derstandskampf gestanden oder durch Motiv ausgesprochen. Thomas Mann hatte mutige Absagen an den NS- Staat große sich trotz dringender Einladungen aus Autorität erworben hatten, waren auch München schon im Mai 194758 geweigert, höchst umstrittene Wortführer eingeladen, seine Anwesenheit in Europa auf Deutsch- die sich in der Kontroverse mit Thomas land auszudehnen. Der Eindruck von der Mann als innere Emigranten deklariert unaufgehobenen »Verkommenheit und hatten. Dazu gehörten Frank Thieß, Walter bösen Hoffnungslosigkeit des Landes«59 von Molo, Wilhelm Hausenstein, Kasimir bekräftigte wohl nicht nur seine Abneigung, Edschmidt, Rudolf Alexander Schröder, am Kongreß teilzunehemen. Äußerungen Karl Jaspers. Von Autoren der mittleren von Frank Thieß gegen emigrierte Schrift- Generation, deren Namen den exilierten steller könnten weitere Vorbehalte geweckt Schriftstellern weitgehend unbekannt sein haben. Alfred Döblins Schrift »Die literari- mußten, da sie in den dreißiger Jahren zu sche Situation« von 1947 läßt vermuten, publizieren begonnen hatten, notierte man daß den Dichter, der sich in Baden Baden unter anderem Marieluise Kaschnitz, Luise als Major der französischen Armee um die Rinser, Günther Eich, Oda Schäfer, Horst Organisation des literarischen Lebens be- Lange, August Scholtis, Wolfgang Wey- mühte, tiefes Mißtrauen gegenüber deut- rauch. Außerdem waren , schen Aktivitäten erfüllte. Schließlich wirkte Heinz von Cramer, Walter Kolbenhoff als sich die Verlegung des Termins aus: Vertreter jener Autoren eingeladen, die »Wiechert mußte wegen Krankheit absa- erst nach dem Kriege bekannt geworden gen, Karl Jaspers wegen Arbeitsüberlas- waren. An Wolfgang Borchert hatte man tung, Erich Kästner und Eugen Kogon wa- nicht gedacht. ren gerade um die Zeit des Kongresses im Was die Organisatoren von ihrem Ziel Ausland.«60 trennte, wird deutlich, wenn man die Ent- Um den antifaschistischen Charakter der würfe der Einladungslisten und die Anwe- Zusammenkunft zu gewährleisten, wurde senheitsliste miteinander vergleicht. Letz- streng geprüft, wer durch Kompromisse mit tere bestätigt die Intentionen zum Aus- dem Nationalsozialismus bekannt gewor- gleich. In ihr sind »bedeutende« und weni- den war. Fernbleiben sollten nicht nur Akti- ger bedeutende Namen zu finden, die nicht visten des Nationalsozialismus, sondern jedem Kongreßteilnehmer bekannt sein alle, die vor den Mächten der Gewalt und mochten, Personen, die in den regionalen der Unmenschlichkeit kapituliert, die Hal- Schriftstellerverbänden eine Rolle spielten, und Mitglieder des SDA.Wichtige Autoren – Emigranten und in Deutschland lebende – 58Vgl. Einladung an Thomas Mann. In: Echo der fehlten, mit ihnen wichtige Bereiche der Woche, 31. Mai 1947, S. 3. Literatur und der literarischen Diskussion 59Thomas Mann an Viktor Mann vom 27. März dieser Jahre. Nicht alle konnten Schwierig- 1947. In: Thomas Mann, Briefe 1932–1947. Hrsg. keiten bei der Heimkehr aus dem Exil von Erika Mann, Berlin und Weimar 1965, S. 568. 60Hans Mayer, Macht und Ohnmacht des Wortes. rechtzeitig lösen, Arnold Zweig und Bertolt In: Frankfurter Hefte, 2. Jg., 1947, Heft 12, S. Brecht zum Beispiel kehrten erst später 1179ff. 24 tung des Protestes aufgegeben hatten.61 hieß es: »Ich erkläre, daß ich die Nazis Prinzipien, die für die Arbeit des SDA über- ablehnte und seit 1937 wie immer Antifa- haupt galten, kamen hier zur Anwendung. schist bin.«64 Der erzürnte SDA-Vorstand Der Verband hatte bei seiner Gründung sprach sich in einem Telegramm an die eine Kommission gebildet, die als ent- Spruchkammer für ein Veröffentlichungs- scheidendes Kriterien für die Aufnahme die verbot aus und protestierte auf Initiative »im Werke zum Ausdruck kommende Ge- Weisenborns in einem Brief gegen die sinnung« festlegte: Daher waren nicht nur Einstufung dieses Mannes als Mitläufer.65 NSDAP-Mitglieder auszuschließen, son- Wie kompliziert sich das Nachdenken über dern alle, die »dem nationalsozialistischen diese Problematik gestaltete, deuten zwei Geist Vorschub geleistet oder sich ihm Äußerungen von Weisenborn an. Als er im unterworfen« hatten.62 Ende Mai 1947 Oktober 1946 seine Kongreßideen vortra- wurden diese Fragen auf einer SDA- gen hatte, war er für strenge Kriterien ein- Mitgliederversammlung im Zusammen- getreten, auf jeden Fall müsse vermieden hang mit den Einladungen zum Kongreß werden, sogenannte »Halbnazis« einzula- erneut beraten.63 den.66 Später erklärte er, daß auch »Ange- Im SDA war man sich einig, daß westdeut- knackste« einbezogen werden sollten.67 sche Entnazifizierungskammern die Ver- Nicht mindere Strenge, wohl aber das Ver- wicklung von Schriftstellern in das NS- langen nach großer Genauigkeit bei der System und seine Ideologie zu vage beur- politischen Behandlung der Probleme teilten. Ausdrücklich verworfen wurde, Will drängte Weisenborn im Juni 1947 zu der Vesper, Ina Seidel, Hans Reimann, Paul Modifizierung, »daß man gegen naziakti- Fechter, Ernst Gläser, so- vistische Verbrecher sehr scharf vorgehen wie Friedrich Bischoff und Hans Friedrich sollte, während man sonst Großzügigkeit Blunck einzuladen. Bischoff hatte in Hitlers zeigen sollte«. Anlaß für diese Stellung- Auftrag das deutsche Schrifttum bei Mus- nahme war Manfred Hausmanns im »Auf- solini diplomatisch vertreten, und Blunck, bau« veröffentlichter Aufruf »Jugend zwi- der von 1933 bis 1935 Präsident der schen gestern und morgen«, der Wider- Reichsschrifttumkammer war, hatte mit spruch erregt hatte, da der Text an eigene seinem Werk der Mystifizierung von Ras- Irrtümer und Kompromisse erinnerte. Als se- und Reichsgedanken vorgearbeitet. der verunsicherte Günther Birkenfeld vor- Während des gegen ihn schwebenden schlug, Hausmann von der Einladungsliste Verfahrens vor einer Hamburger Spruch- zu streichen, votierte Weisenborn, das kammer bat Blunck angesehene Personen Gewicht des religiös-humanistischen Ge- und Behörden, ihn zu entlasten. Einer der samtwerks von Hausmann bedenkend, für Briefe ging im Amt für Volksbildung der sowjetischen Besatzungszone ein. Darin

64Karl Schnog zitiert diesen Auszug aus dem 61Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom Blunck-Brief auf der Mitgliederversammlung des 20. Juni 1947; SAAdK, FWA M 315. SDA vom 29. Mai 1947 (vgl. Anm. 63). 62Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom 65Vgl. Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes 30. November 1945; SAAdK, GWA 1347. vom 2. Mai 1947; SAAdK, GWA 1347. 63Protokoll der SDA-Mitgliederversammlung »Die 66Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur Haltung der Schriftsteller heute und gestern« vom vom 22. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. 29. Mai 1947; SAAdK, FWA M 315.– Referenten 67Protokoll der Sitzung der Kommission Literatur waren G. Birkenfeld und H. Lommer. vom 30. Oktober 1946; SAAdK, GWA 1347. 25 dessen Teilnahme am Kongreß.68 genden skizziert werden. Im Juni 1947 konstatierte der Chefredak- teur des »Aufbau«, Klaus Gysi,71 daß Politisches und literarisches »zwei Jahre seit der von außen kommen- Umfeld Polarisierungen in den Niederkämpfung der Hitlerdiktatur genügt« hätten, an der Stelle »gemeinsa- Berlin men Kampfes gegen die Mächte des 3. Reiches« »völlig neue Fronten im geistigen In einer der Krisensitzungen des SDA- wie im politischen Leben unseres Volkes Vorstandes im Spätsommer 1947 wurde entstehen zu lassen«. Die in der Antihitler- der Vorschlag, den Tagungstermin auf koalition kooperierenden Mächte waren in unbestimmte Zeit zu verschieben, mit der der Tat schrittweise zu einer Politik der bitteren Prophetie zurückgewiesen, es sei Konfrontation übergegangen, die vor allem ungewiß, ob das vorgesehene Treffen we- eigene Interessen verfolgte. Berlin wurde nig später überhaupt noch stattfinden kön- zur Nahtstelle zweier Weltordnungen, die ne.69 Dies galt für die allgemeinen Rah- um Einfluß rangen. menbedingungen eines Schriftstellerkon- Einerseits gab es Bemühungen, die Stadt gresses ebenso wie für die Bereitschaft in den Veränderungsprozeß der Länder in der Autoren, trotz aller Differenzen eine auf der sowjetischen Besatzungszone einzu- Demokratie, Humanität, Frieden gerichtete beziehen; andererseits strebte die Mehr- Zusammenarbeit anzustreben. Angesichts heit von SPD und CDU nach den ersten der aktuellen Konflikte besaß die Gegner- Magistratswahlen vom September 1946 schaft zum Nationalsozialismus immmer den Anschluß an Entwicklungen in den weniger Integrationskraft. westlichen Besatzungszonen an. Haupt- Die politischen Differenzen wirkten sich auf streitpunkt war, ob die Überwindung des das literarische Leben aus. Erste Ansätze Faschismus Eingriffe in sozial- zum Aufbau verschiedener literarischer ökonomische Strukturen voraussetze. Je- Kommunikationssystemen70 sollen im Fol- ne deutschen Politiker und Intellektuellen, die Berlin aus den Polarisierungen der 68 Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom Besatzungsmächte heraushalten wollten 20. Juni 1947; SAAdK, FWA M 315. 69Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstandes vom und nach einem eigenständigen Weg 27. August 1947; SAAdK, GWA 1347. suchten, hatten immer weniger Möglichkei- 70Vgl. Ingeborg Münz-Koenen, Literaturverältnisse ten. Nicht »Brückenschlag«, sondern – mit und literarische Öffentlichkeit 1945 bis 1949. In: heutigen Vokabeln – »Westbindung« und Literarisches Leben in der DDR 1945 bis 1960. Literaturkonzepte und Leseprogramme, Berlin 1980, »Ostbindung« schien das Gebot der Stun- S. 23–101; Helmut Peitsch, Politisierung der Literatur de. oder »geistige Freiheit«? Materialien zu den Litera- Im kulturellen Leben spitzten sich die Wi- turverhältnissen in den Westzonen. In: Nachkriegsli- dersprüche erstmalig im Frühjahr 1947 zu, teratur in Westdeutschland 1945–1949. Schreibwei- als der »Tagesspiegel« eine publizistische sen, Gattungen, Institutionen. Hrsg. von Jost Her- mand, Helmut Peitsch, Klaus R. Scherpe, Berlin [West] 1982, S. 165–207. (Argument-Sonderband Traditionen, Insitutionen, Tendenzen. Hrsg. von 83. Literatur im historischen Prozeß. Neue Folge 3); Klaus Scherpe und Lutz Winckler. Berlin [West] Nachkriegsliteratur in Westdeutschland. Bd 2: Auto- 1988. (Agument-Sonderband 149. Literatur im histo- ren, Sprache, Traditionen. Hrsg. von Jost Hermand, rischen Prozeß, Neue Folge, 17) Helmut Peitsch u. Klaus Scherpe, Berlin [West] 1983. 71Klaus Gysi, Überparteilichkeit und Diskussion. (Argument-Sonderband 116); Frühe DDR-Literatur. In: Aufbau, 3. Jg., 1947, Heft 6, S. 460f. 26 Polemik gegen den Kulturbund begann. Er publik«72, sondern schloß eine Absage an kam damit dem generellen Kurswechsel Formen parlamentarischer Demokratie ein. der amerikanischen Militärbehörden zuvor, Gestritten wurde hauptsächlich um das der bald ultimative Politik werden sollte. Im Verhältnis von Politik und Ökonomie. Bot Februar 1947 hatte ein philosophisches das parlamentarische System genügend Streitgespräch zum Thema »Gibt es eine Garantien gegen ein Wiedererstehen des besondere deutsche geistige Krise?« zwi- Nationalsozialismus, oder waren Eingriffe schen Alexander Abusch, Bernhard in sozial-ökonomische Strukturen unab- Bennedik, Günther Birkenfeld, Heinrich dingbar? Die SED drängte, gestützt auf die Deiters, Ferdinand Friedensburg, Klaus Maßnahmen der SMA, in parlamentari- Gysi, Alfred Meusel, Ernst Niekisch und schen und außerparlamentarischen Aktivi- Josef Naas stattgefunden. Birkenfeld de- täten darauf, die ökonomische und soziale klarierte den Nationalsozialismus als per- Umgestaltung zu radikalisieren. Im Februar fekten Versuch, dem Leben Ordnungskrite- 1947 legte sie gemeinsam mit einer Reihe rien aufzuzwingen, die ihm nicht gemäß von SPD-Abgeordneten ein Gesetz zur sind. Friedensburg führte ihn auf eine um- Überführung von Konzernen in Gemeinei- fassende Kulturkrise zurück, die es nicht gentum vor. Diese Initiative scheiterte am vermochte, Technik und Humanismus in Widerstand der Alliierten (die amerikani- Übereinstimmung zu bringen. Dagegen schen Vertreter im Kontrollrat brachten sie sahen Vertreter kommunistischer Weltan- im Sommer 1947 zu Fall) und wurde auch schauung im Kapitalismus die entschei- im Magistrat mehrheitlich abgelehnt. dende sozialökönomische Basis des Nati- Da die sowjetische Administration SPD- onalsozialismus. Sie betrachteten die So- Mitglieder, die sich dem Zusammenschluß zialisierung als Grundvoraussetzung zu mit der KPD entgegenstellten, willkürlich seiner Überwindung, während Birkenfeld verhaftete, verhärteten sich die Konflikte neue Ordnungs-, Wert- und Freiheitsvor- weiter. Der neugewählte Oberbürgermeis- stellungen notwendig schienen. ter Ernst Reuter (SPD) wurde von der SMA Kontroverse Standpunkte zum aktuellen nicht bestätigt, so daß Louise Schroeder politischen Geschehen hinderten bis zu (SPD) als 3. Stellvertreterin in Überein- diesem Zeitpunkt offensichtlich kaum an stimmung mit Ferdinand Friedensburg einer produktiven Zusammenarbeit im Kul- (CDU), dem 1. Stellvertreter, die Geschäfte turbund. Allerdings vertieften sich die be- wahrnahm. stehenden Differenzen im Zuge der allge- Im Streit um das Berliner Schulgesetz, um meinen politischen Polarisierung, zudem die Gründung einer Volksbühnenorganisa- verhärteten polemische Fehden die Fron- ten zwischen den eigentlich gesprächsbe- 72Gibt es eine besondere deutsche geistige Krise? reiten Kontrahenten. Alexander Abusch Ein Streitgespräch zwischen Alexander Abusch, kritisierte zum Beispiel in seinem Artikel Bernhard Bennedik, Günther Birkenfeld, Heinrich »Wo stehen wir 1947 in der Auseinander- Deiters, Ferdinand Friedensburg, Klaus Gysi Alfred Meusel, Ernst Niekisch, Josef Naas, Georg setzung mit der deutschen Katastrophe« Zivier und Otto Dilschneider am 7. Februar (Ste- Meinungen, die Birkenfeld und Friedens- nographische Wiedergabe). In: Aufbau, 3. Jg., burg im »Aufbau«-Gespräch geäußert hat- 1947, Heft 4, S. 305–325. – Der Widerspruch zu ten. Heinz Reins »Absage an ein Buch« Friedensburgs Buch »Die Weimarer Republik« zeichnete sich im Vorfeld des Kongresses ab (vgl. bezog sich nicht nur auf Friedensburgs Heinz Rein, Absage an ein Buch. In: Weltbühne, Publikation über die »Die Weimarer Re- 1947, Heft 7, S. 66). 27 tion73 und um die Aufführung von Konstan- schiedenen Kommissionen mit. Nach den tin Simonows Stück »Die russische Frage« Wahlen vom Oktober 1946 versuchten am Deutschen Theater74 hatten sich die Berliner Sozialdemokraten, die Arbeit des Spannungen längst kulturpolitisch ausge- Bundes stärker mitzubestimmen und mehr wirkt. Die Auseinandersetzung um den Leitungspositionen mit SPD-Mitgliedern zu Kulturbund wurde in der Vorbereitungszeit besetzen. Als Gustav Dahrendorf nach des Kongresses zunehmend heftiger. An- Hamburg übergesiedelt war, drängte die fangs tolerierten die Westmächte die vor Partei auf eine Neuwahl des Präsidiums. ihrer Ankunft in Berlin von der sowjeti- Sie fand im Rahmen des 1. Bundeskon- schen Stadtkommandantur zugelassene gresses des Kulturbunds am 20. und 21. Organisation. Ferdinand Friedensburg und Mai 1947 statt, doch erhielt kein Mitglied Ernst Lemmer (CDU), Gustav Dahrendorf der SPD die erforderlichen Stimmen.75 Nun (SPD), Anton Ackermann und Otto Winzer gingen Vertreter der Partei zur offenen (KPD) gehörten zum ersten Präsidialrat, Fehde über. Man suchte den Bund zu Wissenschaftler, Schriftsteller und Theater- spalten bzw. eine Gegengründung – die leuten wie Eduard Spranger, Bernhard »Gesellschaft der Freunde der Natur- und Bennedik, Fritz Erpenbeck, Ernst Legal Geisteswissenschaften« – zu organisieren, oder Paul Wegener wirkten in den ver- an der auch Edwin Redslob, SDA- Vorstandsmitglied und späterer Rektor der 73Vgl. Freie Volksbühne Berlin, Nichts muß blei- Freien Universität beteiligt war. Durch »be- ben, wie es ist. 1890–1980, o.O., o.J. – Der kannte Wortführer einer linksradikalen Ide- Gründungsausschuß für eine Berliner Volksbühne ologie«, so verkündete der »Telegraf« be- wurde gesprengt; dabei spielte Siegfried Nestriepke (Vorsitzender des Kulturausschusses reits Ende 1946, stehe der Kulturbund un- 76 der SPD, im Zusammenhang mit dem Streit um das ter »Einfluß im kommunistischen Sinne«. Schulgesetz als Stadtrat für Volksbildung abgelöst) Die Redaktion »Sopade« bestritt im Mai eine besondere Rolle; es kam zur Bildung zweier 1947 den überparteilichen Charakter der Volksbühnen in Berlin. 74Die Aufführung (Premiere am 3. Mai 1947) und Organisation und wertete sie als »trojani- der Streit darum (der amerikanische General sches Pferd der SEP«, mit dem Intellektuel- MacClure protestierte dagegen, die Westberliner le genarrt werden sollten.77 Erik Reger Theaterkritik lehnte das Stück mit Hinweisen auf beurteilte den Kulturbund im amerikanisch seine künstlerische Schwäche ab; vgl. Walther Karsch im »Tagesspiegel«, 6. Mai 1947; Friedrich lizenzierten »Tagesspiegel« als »kommu- Luft in der »Neue Zeitung«, 6. Mai 1947) signali- nistisch dominierte Organisation«, er de- sierten den Ausbruch des kalten Krieges auf dem klarierte den Kampf gegen »kommunisti- Gebiet der Kultur; er hatte sich schon durch Aus- sche Indoktrination« zur Aufgabe der De- einandersetzungen um Inszenierungen von Stü- cken Friedrich Wolfs angekündigt und fand im mokratie: Die Zeit sei abgelaufen, da Anti- September in Polemiken um Dramen Thornton faschismus ein vereinigender positiver Wilders seine Fortsetzung. Vgl. dazu Henning Müller, Theater der Restauration. Westberliner Bühnen, Kultur und Politik im kalten Krieg. Berlin 75Vgl. dazu Wolfgang Schivelbusch, Vor dem 1981; Wigand Lange, Theater in Deutschland Vorhang, (Anm. 19), S. 146ff., der als Grund dafür nach 1945. Zur Theaterpolitik der amerikanischen angibt, daß die SPD seit 1918 aufgehört hatte, eine Besatzungsbehörden. Frankfurt a. M. 1980; Jür- Intellektuellenpartei zu sein. gen Baumgarten, Volksfrontpolitik auf dem Thea- 76Telegraf, 14. Dezember 1946; zitiert nach: ter, Gaiganz 1975; Jean-Claude Francois, Le Sopade. Querschnitt zu Politik und Wirtschaft, Théâtre Allemand de l’Après-Guerre (1945– Mai 1947, S. 119. 1950): Traditions et Novations. Thèse de Doctorat 77Eigenbericht. In: ebenda, S. 119. – SEP damals d’Etat, Université de Paris VIII 1987. in der SPD übliche Bezeichnung für SED. 28 Wert hatte sein können.78 den Ausdruck einer einseitigen, engherzi- Auf dem 1. Bundeskongreß reagierten gen Partei erblicken oder darstellen wol- Redner auf solche Aufforderungen zum len«, zu verteidigen.80 Adressat der hier Bruch. Johannes R. Becher betonte, daß formulierten Bedingungen für Zusammen- der Nazismus in Form von Rassenhaß, arbeit war Becher. Friedensburgs Gedan- Völkerverhetzung, deutschem Überlegen- ken korrespondierten mit den von Jakob heitsdünkel fortlebe, die sich mit trüben Kaiser in der Berliner CDU verbreiteten Hoffnungen vermischten, aus einem krie- Ideen eines christlichen Sozialismus. Bei- gerischen Konflikt zwischen den Alliierten de hatten die Partei in der Stadt nach dem einen deutschen Sonderprofit heraus- Kriege mitbegründet. Sie strebten für schlagen zu können. Die Gemeinsamkeit Deutschland eine Brückenfunktion zwi- der Antifaschisten werde auf neue Weise schen Ost und West an und traten daher durch das Bestreben gefordert, jede Art für gesamtdeutsche Gemeinschaftsorgani- von radikaler Konsequenz aus der Ver- sationen ein. Als Verfechter eines nationa- gangenheit abzulehnen, mit wütendem len Einheitsstaates war Friedensburg da- Protest auf alle Maßnahmen zu reagieren, von überzeugt, daß die »Wiederaufrich- die an ein restauratives Prinzip zu rühren tung Deutschlands eine vertrauensvolle wagten. Er begründete erneut den strikt Beziehung zur Sowjetunion und zu diesem überparteilichen Charakter: Im Kulturbund Zweck die Überwindung des fast mysti- sollten und konnten Vertreter aller Parteien schen Grauens vor der Sowjetunion« vo- zusammenarbeiten, doch wurde keiner raussetzte.81 Sein politisches Wirken war Partei das Recht zugebilligt, »eine geistig- Ausdruck dieses Konzepts. Er war Präsi- kulturelle Erneuerung Deutschlands für dent der Deutschen Zentralverwaltung für sich allein in Anspruch zu nehmen«79. Brennstoffindustrie in der Sowjetischen Das Einverständnis mit solchen Grundsät- Besatzungszone (wurde allerdings wegen zen kam in fast allen Ansprachen zum Meinungsverschiedenheiten in der Enteig- Ausdruck. Ferdinand Friedensburg, Mit- nungsfrage bald entlassen) und arbeitete glied des Präsidialrats, der den Gruß des im Präsidialrat des Kulturbunds und im Magistrats entbot, verwies darauf, daß sich Vorstand der Gesellschaft zum Studium die innere Erneuerung in Deutschland der Sowjetunion mit, die er ebenfalls mit- langsamer als erhofft vollziehe, und beton- begründet hatte. Solche Tätigkeit betrach- te die Notwendigkeit eines tiefgreifenden tete er als Möglichkeit, im Interesse einer Wandels im Geiste wirklicher Demokratie, selbständigen nationalen Politik die »Igno- des Friedens und der Humanität. Er mahn- ranz gegenüber dem Osten zu überwin- te, den Wert des Kulturbundes als eines den«, das »schlechteste Erbstück deut- Orts des produktiven Zusammenwirkens scher Politik«.82 Friedensburgs Bemühen verschiedener politischer Richtungen fand 1948 ein Ende, als er von der Stadt- energischer gegen »mancherlei Kritiken leitung Berlin wegen antisowjetischer Äu- und Anfeindungen, die im Kulturbund nur 80Friedensburg, [Grußansprache] (vgl. Anm.79), 78Tagesspiegel, 13. November 1947. S. 13. 79Becher, Unsere Ziele – unser Weg. Der erste 81Ferdinand Friedensburg, Es ging um Deutsch- Bundeskongreß. Protokoll der ersten Bundeskon- lands Einheit. Rückschau eines Berliners auf die ferenz des Kulturbundes zur demokratischen Jahre nach 1945, Berlin [West] 1971, S. 59. Erneuerung Deutschlands am 2O. und 21. Mai 82Friedensburgs Rede blieb vermutlich unveröf- 1947 in Berlin. Berlin 1947, S. 57. fentlicht. Zitiert nach: SAAdK, RLA 835. 29 ßerungen aus dem Kulturbund ausge- hatte das Wirken von Vertretern des Kul- schlossen wurde. turbunds beim Zustandekommen und im Die auf dem Bundeskongreß vorgetrage- Verlauf des Schriftstellerkongresses den nen Grundsätze wurden zum einen von Zeitpunkt des Verbots mit beeinflußt. Auf Kräften innerhalb der SED bedroht, die den dem Treffen wurde das Vorgehen der Kulturbund als nützliches Instrument zur Amerikaner nicht gebilligt. Günther Birken- Einflußnahme auf nichtkommunistische feld, der nicht als Parteigänger des Kom- Kreise der Intelligenz betrachteten und munismus verdächtigt werden konnte, be- noch größeren Einfluß auf ihn gewinnen kannte sich zur Fortsetzung der Arbeit im wollten. Zum anderen wurde die kooperati- Kulturbund, zugleich forderte er die kom- ve Arbeit von jenen torpediert, die meinten, munistischen Kräfte auf, Überparteilichkeit sie komme nur den Kommunisten zugute. und Pluralismus Raum zu geben. Der Kulturbund geriet auf beiden Seiten Schlugen die Teilnehmer die diversen Zei- zwischen die Fronten. Walther Karsch, im tungen auf, die ihnen von der Kongreßlei- Sommer 1945 kurzzeitig Mitglied der KPD, tung zur Verfügung gestellt wurden, konn- charakterisierte im »Tagesspiegel«, die ten sie nicht übersehen, daß die Alliierten nationale Einheitsfront der Geistesarbeiter um ökonomische und politische Einfluß- – den entscheidenden Grundsatz des sphären rangen und die sich zuspitzenden Bundes – als Propaganda der »kommunis- internationalen Gegensätze ideologisch tischen Einheitspartei«, ja als »die auf rot untermauerten. Dazu gehörte die Rede umgefärbte braune Diktatur des ›Dritten vom »eisernen Vorhang« und von der Reiches‹«, gegen die der entschiedene zweigeteilten Welt. Im März 1947 hatte »demokratische Kampf« gegen »Totalita- Präsident Truman den kalten Krieg mit rismus« zu führen sei.83 Er und Erik Reger dem Anspruch auf ein globales Interventi- hatten im Mai 1947 ihre Arbeit im SDA- onsrecht der USA sozusagen offiziell er- Vorstand bereits aufgekündigt. klärt. Er entwarf das Bild einer Welt, die in Administrative Maßnahmen folgten der ein Reich der bürgerlichen Freiheit und ideologischen Fehde. Am letzten Tag des eins der kommunistischen Unfreiheit geteilt Schriftstellerkongresses wurde der Kultur- sei. Für das im Herbst 1947 gegründete bund im amerikanischen Sektor verboten. Informationsbüro der kommunistischen Damit war ein Vorgang abgeschlossen, der und Arbeiterparteien war die Welt ebenfalls exemplarisch auf die unüberbrückbar wer- in zwei Lager aufgeteilt: in das aggressive, denden Spannungen verwies: Die ameri- imperialistische und das um Frieden be- kanischen Militärbehörden hatten einen mühte antiimperialistische. Die schon früh Antrag auf Neuzulassung des Bundes ver- ins Kalkül gezogene, durch die Verhinde- langt (mit der Maßgabe, daß sie dem ohne rung vorgesehener gesamtdeutscher Re- Einschränkungen stattgeben würden) und gelungen und die Bildung der Bi-Zone ab damit signalisiert, daß sie früher vereinbar- Januar 1947 in die Wege geleitete Teilung te Regelungen in Berlin aussetzen wollten. wurde forciert.84 Ein solches Verfahren wurde von der sow- jetischen Seite aus Gründen des politi- 84Vgl. die Darstellungen von: Autorenkollektiv schen Prestiges abgelehnt. Vermutlich (unter Leitung von Hans Piazza/Hella Kaeselitz), Allgemeine Geschichte der neusten Zeit. 1917 – Gegenwart. Berlin 1988; Autorenkollektiv (unter 83Walther Karsch, Zur demokratischen Erneue- Leitung von Rolf Badstübner), Geschichte der rung. In: Tagesspiegel, 25. Mai 1947. Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 30 Entnazifizierung85 in Ost und rollratsbefehl Nr. 4 vom Mai 1946 wurden West auch in den anderen Zonen solche Listen erarbeitet. Die im Juni 1946 von der ameri- Eine Reihe von Kontrollratsbeschlüssen kanischen Militärverwaltung vorgelegte hatte zunächst für alle Zonen Gültigkeit. »Liste der 1000« enthielt neben Buchtiteln 1945 wurden die faschistischen Institutio- auch Autorennamen, eine englisch- nen zur Literaturlenkung und -verbreitung deutsche Liste vom Juni 1947 verzeichne- aufgelöst; der Befehl Nr. 4 des Alliierten te etwa 4200 Titel. Beide blieben intern Kontrollrats vom 13. Mai 1946 legte die und hatten eher Empfehlungscharakter. »Einziehung von Literatur und Werken Bei der unter der Regie der Magistratsbe- 87 nationalsozialistischen Charakters« sowie hörden erarbeiteten Berliner Liste , die Direktiven über die Verhaftung und Bestra- den Bestand der Volksbibliotheken einstuf- fung von Nazi- und Kriegsverbrechern fest. te, ließ man sich von erzieherischen Auf- Personen, die »der nationalsozialistischen gaben leiten und legte politisch- Gewaltherrschaft propagandistische Un- weltanschaulich rigorosere Maßstäbe als terstützung gewährt« hatten, fielen unter üblich an: Das Gesamtwerk von Benn und die Kategorie der Hauptschuldigen.86 Bei Glaeser wurde ebenso ausgeschlossen der Umsetzung dieser Verordnungen of- wie Trivial- und Heimatliteratur (Courths- fenbarten sich sogleich Differenzen. Mahler, Ganghofer, ); den »Auf- Auch die Literatur der Vergangenheit wur- gaben der Zeit nicht entsprechende Wer- de ungleich behandelt. Die sowjetischen ke« von Künstlern, Philosophen, Histori- Militärbehörden hatten die Deutsche Bü- kern (Wagner, Nietzsche, Treitschke) gal- cherei in Leipzig beauftragt, eine »Liste der ten als als nur bedingt ausleihbar. auszusondernden Literatur« zu erstellen, Der Umgang mit solchen Verzeichnissen die Richtschnur für die Überprüfung der löste im SDA Streit aus. Birkenfeld polemi- Bibliotheksbestände, für ihre Benutzung, sierte gegen eine »Ächtungsliste«, die in aber auch für die Publikationstätigkeit wer- der von Günther Weisenborn den sollte. Sie umfaßte zunächst rund mitherausgegebenen satirischen Zeitschrift 88 15000, später 35000 Titel. Nach dem Kont- »Ulenspiegel« veröffentlicht worden war. Sie enthielt nur Titel, die auch in anderen Listen standen, doch Birkenfeld befürchte- 1989; Georg Fülberth, Davongekommen und te wie andere Autoren, daß solche Aktio- hineingeraten. Der Weg der Westzonen von Großdeutschland 1945 nach Klein-Amerika 1949. In: Trümmer, Träume, Truman. Die Welt 1945– 87Verzeichnis der auszusondernden Literatur. 1949. BilderLeseBuch. Berlin [West] 1985, S. 45– Hrsg. von der Abteilung für Volksbildung im Ma- 69. gistrat der Stadt Berlin, Berlin 1946. – Vgl. 85Vgl. hierzu: Entnazifizierung. Politische Säube- Cathérine Battle, Die Liste der auszusondernden rung und Rehabilitierung in den vier Besatzungs- Literatur der Deutschen Bücherei (1945–1952). zonen 1945–1949. Hrsg. von Clemens Vollnhals. Die Entnazifizierung im Bibliothekswesen der München 1993. DDR bzw. der Sowjetischen Besatzungszone. Dip- 86Vgl. Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland. Die lomarbeit Humboldt-Universität, Berlin 1986; Lutz Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin. Kommu- Winckler, Kulturelle Erneuerung und gesellschaftli- niqués, Gesetze, Direktiven, Befehle, Anordnun- cher Auftrag. Zur Bestandspolitik der Öffentlichen gen. Sammelheft 2 (Januar–Juni 1946). Berlin Bibliotheken und Betriebsbüchereien in der SBZ und 1946, S. 136; Amtsblatt des Kontrollrats in DDR 1945 bis 1951. Tübingen 1987. Deutschland. Hrsg. vom Alliierten Sekretariat, 88Protokoll der Sitzung des SDA-Vorstands vom 2. Berlin, Nr. 11 vom 31. Oktober 1946, S. 187. Mai 1947; SAAdK, GWA 1347. 31 nen die Meinungsfreiheit einschränken. um Gerhart Hauptmann zeigte. Schriftstel- Das Index-Verfahren der Publikationskon- ler, die aktive Antifaschisten waren – nicht trolle sowie die Mitwirkung des Verbandes allein Kommunisten –, befreit aus KZ und an der Berliner Liste wurden ebenfalls ab- Zuchthäusern, heimgekehrt zunächst vor gewehrt. Weisenborn lehnte es Ende 1947 allem aus dem sowjetischen Exil, über- ab, an der Weiterführung der Verbotslisten nahmen politische Funktionen und wurden der Deutschen Bücherei mitzuwirken.89 Da Chefs in den neuen Einrichtungen. Sie sie in der Folgezeit auch Schriften von sahen sich vor ungewohnte Aufgaben ge- Vertretern der früheren kommunistischen stellt und erfuhren zunehmend den Wider- Opposition wie Brandler, Fröhlich, Mün- spruch zwischen politischer Disziplin und zenberg, Remmele, Thalheimer enthielten, Streben nach künstlerischer Freiheit und verglich die bürgerliche Presse sie einer- Unabhängigkeit. Becher, in führenden Par- seits mit den Verbannungslisten der Nazis teigremien der Kritik an seiner Bündnispoli- und suchte sie andererseits mit dem Ein- tik als Präsident des Kulturbundes ausge- wand zu bagatellisieren, diese Lektüre setzt, hat dem Tagebuch vieles von die- werde sich von selbst erledigen, die Ver- sem Zwiespalt anvertraut. Erich Weinert zeichnisse vermittelten bereits jetzt den war in der Zentralverwaltung für Volksbil- Eindruck eines Kuriositätenkabinetts.90 dung tätig und ab 1946 Leiter des für die Ungleich war auch die Konsequenz, mit Literaturkontrolle zuständigen Kulturellen der in den Zonen gegen die politischen Beirats; Friedrich Wolf war am Aufbau der und ideologischen Träger des Nationalso- DEFA und an der Bewegung für eine neue zialismus vorgegangen wurde. In der sow- Volksbühne beteiligt; Willi Bredel, Chefre- jetischen Besatzungszone war die Entnazi- dakteur der Zeitschrift »Heute und Mor- fizierung in die staatliche und gesellschaft- gen«, wirkte im Kulturbund am kulturellen liche Umwälzung integriert. Beim Neuauf- Neuaufbau in Mecklenburg mit; Ludwig bau von Kultur und Presse sowie der Insti- Renn wurde Direktor eines kulturwissen- tutionen in Verwaltung, Wirtschaft, Justiz, schaftlichen Instituts in Dresden. Die Kon- Polizei und Bildung gelang es weitgehend, greßbeiträge von Autoren aus diesem Um- ehemalige Nazis durch Nichtfaschisten, kreis waren von ihrer Erfahrung in der poli- Antifaschisten und wenn möglich durch tischen Arbeit mitgeprägt. Kommunisten zu ersetzen. Schuldige und Die Grenzen der Zusammenarbeit signali- Belastete wurden aus der Öffentlichkeit sierte der Fall Plievier. Der Autor, dessen entfernt, dabei spielte die Selbstkontrolle Dokumentarroman »Stalingrad« 1945 im der Künstlerverbände eine bedeutende Aufbau-Verlag erschienen war und große Rolle. Allerdings waren die SMAD-Offiziere Verbreitung gefunden hatte, wirkte als gegenüber prominenten Künstlern mitunter Landesvorsitzender des Kulturbunds in sehr großzügig, wie der Fall Gründgens Weimar am kulturellen Neuaufbau in Thü- und Furtwängler, aber auch die Werbung ringen mit. Wegen Differenzen innerhalb des Kulturbunds wurde er auf der ersten 89Günther Weisenborn an Heinrich Uhlendahl, 3. Landeskonferenz von 1947 nicht wieder in 91 Dezember 1947, zitiert nach Battle (vgl. Anm. 87 den Vorstand gewählt. Die sowjetische ), S. 40. 90Vgl. Ausgesonderte Autoren. In: Neue Zeitung, 4. Juni 1946; Liste der 1000. In: Neue Zeitung, 91Vgl. Falk Beyer, Der Kulturbund in Thüringen – 12. Juli 1946; Nachtrag zur Liste der auszuson- die Rolle Theodor Plieviers. In: Johannes R. Be- dernden Literatur. In: Die Welt, 25. März 1947. cher und der Kulturbund. Die ersten Jahre. Refe- 32 Internierungspraxis im früheren KZ Bu- bemächtigten sich mitunter auch der chenwald löste in Plievier Gefühle des Spruchkammern. Bezeichnend folgende Bedrohtseins92 aus. Sie war für ihn Aus- Anekdote, die Ralph Giordano erzählte: druck eines »autoritären Sozialismus«, den »›Sie können in Hamburg nichts werden? er ablehnte. Die Veranstalter des Kongres- Sie finden keine Arbeit?‹ ›Nein!‹ ›Warum ses wollten Plievier als Teilnehmer und nicht?‹ ›Ich bin nicht PG gewesen!‹«93 Redner gewinnen, doch er siedelte in je- (Hamburg galt damals als Eldorado der nen Tagen nach München über. Dieser geflüchteten Nazis aus ganz Deutschland.) Bruch offenbarte grundlegende Meinungs- Bereits im August 1946 hieß es in einer verschiedenheiten mit den Kommunisten Agenturmeldung im »Börsenblatt für den und eine entschiedene antistalinistische deutschen Buchhandel«, daß Schriftsteller, Wende. die als Mitläufer oder Entlastete eingestuft Die Entnazifizierung verlief in den Westzo- waren, wieder publizieren könnten.94 nen widersprüchlich. Zunächst hielt man Hanns Johst und Erwin Kolbenheyer er- sich an die Beschlüsse der Alliierten. Viele hielten direktes Publikationsverbot – Johst Nationalsozialisten – auch aus den Reihen wurde später als hauptschuldig, Kolben- der Schriftsteller (die unbelehrt und uner- heyer als belastet eingestuft –, aber Hans schüttert voller Empörung in den fünfziger Friedrich Blunck und Giselher Wirsing Jahren darüber berichteten) – wurden ver- wurden als Mitläufer, Ernst Bertram und haftet und bestraft. In der amerikanischen Heinrich Anacker als minderbelastet und Zone hatte die Entnazifizierung umfassen- der Nazilyriker Gerhard Schumann als deren Charakter: Millionen Menschen wur- entlastet betrachtet. Solche Urteile dräng- den in Fragebogenaktionen einbezogen. ten die »Weltbühne«, die schon mehrfach Angelegt als Gewissensprüfung (über de- über spektakulären Verzicht auf Strafver- ren Groteskheit Ernst von Salomons Buch folgung berichtet hatte, im Mai 1947 zu »Der Fragebogen« Auskunft gibt), sollte fragen: »Wo bleibt das literarische Nürn- sie individuelle Schuld ermitteln und indivi- berg?«95 duelle Sühnemaßnahmen ermöglichen. Auch in den Westzonen erhielten Presse Das Verfahren, das rasch an seinem büro- und Literatur ein neues Profil. Neben Anti- kratischen Formalismus erstickte, »entna- faschisten, die aus Haft und Lager entlas- zifizierte« so mehr die Personen als das sen waren, spielten Emigranten, die in den gesellschaftliche Leben. Es wurde durch Uniformen der alliierten Armeen zurück- Spruchkammern abgelöst, in denen ab kehrten, zunächst eine einflußreiche Rolle. 1946 Deutsche über Deutsche zu befinden So Alfred Döblin, der als Major der franzö- hatten. Diese Gremien wurden mehr oder sischen Armee in Baden Baden literarische weniger treffend als »Mitläuferfabrik« ge- Aktivitäten entwickelte, so Peter de Men- kennzeichnet, denn als Mitläufer oder als delssohn, der als britischer Presseoffizier entlastet eingestufte NSDAP-Mitglieder in Berlin tätig war. Hans Wallenberg, Hans zogen bald wieder in ihre Ämter ein und Habe und Stefan Heym wirkten an der rate und Beiträge im Ergebnis einer Konferenz am 12./13. Dezember 1984 in Berlin. Redaktion: 93Ralph Giordano, Hamburg – Anfang 1947. In: Dieter Schiller und anderen Berlin 1985, S. 81. Die Weltbühne, Heft 2/1947, S. 42. 92Vgl. Harry Wilde, Theodor Plievier. Nullpunkt der 94Vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Freiheit. Biographie. München – Wien – Basel (Frankfurter Ausgabe), 27. August 1946. 1965. 95Die Weltbühne, Heft 3/1947, S. 108. 33 Organisation und Herstellung der »Neuen Katalog dieser repräsentativen Gesamt- Zeitung« mit, die die Amerikaner für die schau von Büchern aus allen vier Besat- deutsche Bevölkerung produzierten. Golo zungszonen verzeichnete ca. 6000 Werke Mann arbeitete für den Frankfurter Rund- von etwa 400 Verlagen, 1000 Titel zählten funk und zog dafür remigrierte Antifaschis- zur Belletristik.96 Der Vorsitzende der Ber- ten wie Stephan Hermlin und Hans Mayer liner Verleger- und Buchhändlervereini- heran. Allerdings erweckte Alfred Döblin gung, Dr. Erich Schmidt, äußerte bei der nicht nur bei , sondern auch Eröffnung die Hoffnung, die Ausstellung bei Wiechert und Weisenborn, Kästner und werde als ein Bekenntnis zur Einheit Carossa Mißtrauen und Abwehr, als er Deutschlands verstanden. Die Zeitschrift 1946 in französischer Militäruniform in Ber- »Aufbau« bestätigte, »daß hier von ve- lin auftrat. rantwortungsbewußten Männern in kluger Die Westmächte hatten der Rückkehr von Weise versucht wurde, die immer gefährli- Emigranten seit Kriegsende Hindernisse cher werdende geistige Aufsplitterung entgegengesetzt, im Zuge der antikommu- Deutschlands an einem Punkt zu bannen, nistischen Kampagne konnten sie linke der neuralgisch zu werden droht. Lenin Remigranten leicht ins Abseits drängen: und Marx auf einem Tisch mit Niemöller Von den Teilnehmern des Schriftsteller- und Pius II. – könnte das nicht der Auftakt kongresses wurde Hans Mayer und Ste- werden zu einer Verständigung, die uns im phan Hermlin schon 1947, später Walther Tiefsten mehr not tut als jede Bannung Pollatschek die Arbeit in Frankfurt am Main alltäglicher Sorgen.« unmöglich gemacht, sie siedelten in die Unterschiedliche Einstellungen zum hu- sowjetische Besatzungszone bzw. in die manistischen Erbe und zur Moderne, zur DDR über. Auch Eduard Claudius und Literatur der inneren Emigration, des Exils Hans Marchwitza gingen 1947 in die sow- und des antifaschistischen Widerstandes jetische Besatzungszone. Stefan Heym in Deutschland sowie zur neueren Weltlite- wurde wegen prokommunistischer Einstel- ratur in den westlichen Besatzungszonen lungen in die USA zurückversetzt und bald und in der SBZ hatten sich längst auf das aus der Armee entlassen; 1952 zog er in jeweilige Buchangebot ausgewirkt. In gro- die DDR. ber Verallgemeinerung hieß es im »Auf- bau«-Bericht: »Denn überall dort, wo ein fortschrittliches Motto auftaucht (›Die Literaturverhältnisse und Wahrheit muß gesucht werden‹, ›Der neue literarisches Leben Humanismus wird sozialistisch sein‹), überwiegen die Verlage der Ostzone, Dietz Eine erste Bilanz der Verlagsarbeit der und Aufbau, SWA, Volk und Wissen. Dort Nachkriegsjahre zeigte im Juni/Juli 1947 aber, wo sich geistige Schlupflöcher auf- die 1. Deutsche Buchausstellung im Berli- tun, ästhetisierende Refugien aus der ner Charlottenburger Schloß. Vom 16. bis Wirklichkeit (›Am Rande der Zeit‹, ›Die 18. Juli fand zudem eine interzonale »Ber- ewige Unruhe‹) überflutet eine Kaskade liner Tagung des deutschen Buchhandels« kleiner und kleinster Verleger aus separa- statt (zwischen den Berliner Buchhändler- vereinigungen und dem SDA gab es Ab- 96Das neue Buch. Katalog der Neuerscheinungen kommen zu gemeinsamer Arbeit). Der 1945–1947. Hrsg. von der Berliner Verleger- und Buchhändlervereinigung. Berlin 1947. 34 tistischen Gefilden mit plüschenen oder eine Lizenz, zum Beispiel Insel (mit illusionistischen Werken das wirklich Blei- Kippenberg), Philipp Reclam jun., die bende.«97 Ein ähnliches Fazit sollte Arnold Hinstorffsche Verlagsanstalt, Breitkopf und Bauer auf dem Schriftstellerkongreß zie- Härtel, E. A. Seemann; 1947 folgten 27 hen. weitere Verlage dieser Art.98 Laut Hand- Beim Erteilen von Lizenzen an Verleger buch der Verlagslizenzen gab es 1947 in und Herausgeber von Zeitungen und Zeit- Deutschland 503 Verlage, von ihnen arbei- schriften ließen sich die westlichen Alliier- teten 196 mit amerikanischer, 168 mit briti- ten von Prinzipien der Überparteilichkeit scher, 89 mit französischer und 50 (nach und Liberalität leiten, der Gedanke an re- anderen Angaben 71) mit sowjetischer education spielte nur in der ersten Zeit Lizenz. eine entscheidende Rolle. Lizenzen wur- In den westdeutschen Ländern wurden, den an Einzelpersonen vergeben, meist zuerst noch eingeschränkt, Verhältnisse wurden Personen berücksichtigt, die auch restauriert, die das Verlagswesen wieder vor 1945 in Deutschland als Verleger, Lite- dem Literaturmarkt und seinem Konkur- raten, Journalisten gearbeitet hatten. NS- renzprinzip unterstellten. Für die kommer- Verfolgte oder Remigranten erhielten nur ziell ausgerichtete Buchproduktion war ein in Einzelfällen eine Genehmigung. Seit hoher Anteil an trivialer Literatur charakte- dem politischen Kurswechsel wurden ristisch; viele Werke erschienen in kleine- Kommunisten immer öfter ausgeschlos- ren Auflagen (die in dieser Zeit im allge- sen. Signalhafter, auf dem Schriftsteller- meinen auf 5000 begrenzt waren). Zu- kongreß zur Sprache gebrachter Fall: Emil gleich waren demokratische Verlegerper- Carlebach, einem der 3 Kommunisten un- sönlichkeiten – zum Teil mit bedeutenden ter den 80 Lizenzträgern der Zeitungen in editorischen Experimenten – bestrebt, den der amerikanischen Zone, einem ehemali- demokratischen Neuaufbau durch ihre gen Häftling des KZ Buchenwald, einem Produktion zu unterstützen. Sie hatten Abgeordneten des hessischen Landtages, Erfolg. Dies gilt für Kurt Desch, der als wurde sechs Wochen vor dem Treffen die Antifaschist in München eine der ersten Mitherausgeberschaft der überregionalen amerikanischen Verlagslizenzen erhielt »Frankfurter Rundschau« entzogen. und bald auch Werke von Becher, Lang- Die sowjetischen Behörden vergaben ge- hoff, Weisenborn, Wiechert veröffentlichte mäß ihrer politischen und ökonomischen – der Verlag wurde auf dem Kongreß Grundsätze Lizenzen nur an Körperschaf- durch Gunter Groll vertreten. Dies gilt für ten und Parteien. 1946 erhielten auf Drän- Peter Suhrkamp, der im Februar 1945 gen der zuständigen deutschen Stellen, krank aus dem KZ Sachsenhausen entlas- die einen strategischen Vorsprung der sen worden war, zu den ersten britischen Verlagsgestaltung in den westlichen Be- Lizenzträgern in Berlin gehörte und ab satzungszonen befürchteten (wie er unter 1946 unter anderem mit Büchern von Hes- anderem durch den Weggang von Verle- se, Thomas Mann, Penzoldt das Profil gern und die Mitnahme von Autorenrech- seines Verlages bestimmte. Und dies gilt ten drohte), auch Verlage mit gemischten Eigentumsformen und einige Privatverlage 98Vgl. Jean Mortier, Ein Buchmarkt mit neuen Strukturen. Zur Verlagspolitik und Buchplanung in 97Marsyas, Bücher von heute – Taten von mor- der SBZ 1945–1949. In: Frühe DDR-Literatur (vgl. gen. In: Aufbau, 3. Jg., Heft 6/1947, S. 519. Anm. 70), S. 62–80. 35 für Ernst Rowohlt, der seinen Verlag mit Die SMA übte eine Vorzensur aus und Heinrich Maria Ledig zunächst in Stuttgart, schuf im Juni 1946 den Kulturellen Beirat danach in Baden-Baden arbeiten lassen für das Verlagswesen. Dieses deutsche konnte. Als ehemaliges Mitglied der Gremium sollte unter Vorsitz von Erich NSDAP erhielt er selbst erst nach seiner Weinert, der aus Krankheitsgründen die (von Weisenborn unterstützten) Entlastung Funktion allerdings kaum wahrnahm,99 Anfang 1946 eine Lizenz in Hamburg und Entscheidungen der SMAD vorbereiten. spielte danach nicht zuletzt durch sein Ro- Der Behörde oblag die Prüfung und Ge- Ro-Ro-Programm eine wichtige Rolle in nehmigung der Verlagsprogramme, die der Buchproduktion der Nachkriegszeit. Befürwortung von Manuskripten, die durch Bis zum Zeitpunkt des Kongresses waren die SMAD und andere sowjetische Stellen in dieser Serie bedeutende antifaschisti- genehmigt werden mußten. Sie legte zu- sche Werke erschienen. Rowohlt nutzte dem Prioritäten bei der Veröffentlichung seinen Berlin-Aufenthalt, sich auch um genehmigter Manuskripte fest und hatte eine sowjetische Lizenz zu bemühen (die Einfluß auf die Papierzuteilung. Im Früh- ihm allerdings erst 1949 erteilt wurde). jahr 1947 wurde die sowjetische Vorzensur In Ostdeutschland sollte schon die Eigen- aufgehoben,100 ihre Funktion ging an den tumsform der Verlage die strikte Ausrich- Kulturellen Beirat über, der zum »Rat für tung der Literaturproduktion auf einen anti- ideologische Fragen des Verlagswesens« faschistisch-demokratischen Erziehungs- umorganisiert worden war. Er bestätigte prozeß garantieren. Die knappen Papier- die Pläne aller lizenzierten Verlage, kon- vorräte und die durch Zerstörungen, Repa- trollierte das Redaktions- und Verlagsper- rationsleistungen, Demontagen einge- sonal, erarbeitete Pläne und Vorschläge schränkten Druckkapazitäten wurden auf für die Verlagstätigkeit insgesamt und er- bestimmte Texte konzentriert, die man in teilte Druckgenehmigungen. Langsamkeit, dieser Hinsicht als produktiv einschätzte. Willkür und Undurchschaubarkeit (hinsicht- 1946 wurden hier ein Drittel, 1947 ein lich der Kriterien wie einzelner Urteile) die- Fünftel der in Westdeutschland erschei- ser Verfahren wurden intern und in der nenden Titel produziert. Öffentlichkeit häufig kritisiert.101 Die Prinzi- Die Besatzungsmächte beeinflußten so- wohl das Literaturangebot als auch die 99Weinert war im Frühsommer 1947 und vom April Theaterspielpläne durch ihre Politik bei der 1948 bis zum Sommer 1949 wegen seines Lun- Vergabe von Buchlizenzen, durch eigene genleidens in der Schweiz. 100 Verlage und ihre Lenkungs- und Zensur- Laut SMAD Befehl Nr. 90 (17. April 1947); hier wurden auch die daraus folgenden Regelungen verfahren. Die westlichen Alliierten nah- weiterer »notwendiger Kontrolle« festgelegt. men zunächst durch Vorzensur, dann, bis 101Aus den Erfahrungen der Vergangenheit gebo- zum Wegfall des Lizenzverfahrens 1948, rene Empfindlichkeit gegen Dirigismus notiert über die Zuteilung von Papier und Druck- Buergel-Goodwin, Die Reorganisation der west- kapazitäten und über eine Nachzensur deutschen Schriftstellerverbände (vgl. Anm. 20). – Im Münchener SDS charakterisierte man den Beirat Einfluß auf die Buchproduktion. Die Eingrif- im April 1947 als erneuerte fe wurden von wechselnden Orientierun- Reichsschrifttumskammer. Der SDA (Berlin) klagte gen der widerspruchsvollen Gesamtpolitik über die Institution, die über die Buchverbreitung in bestimmt – das Risiko einer eventuellen der sowjetischen Besatzungszone befindeund Verle- gerinitiativen behindere. Die Anonymität der Gutach- Beschlagnahme von Titeln oder eines Aus- ten, die zahlreichen Ablehnungen und die Unkontrol- lieferungsverbots trug der Verleger. lierbarkeit der Einrichtung wurden besoners kritisiert 36 pien aus der Nachkriegszeit blieben – wie Ende des Streits signalisieren und hofften, auch die der später noch erweiterten Lis- die in Berlin bei der Zusammenarbeit un- ten auszusondernder Literatur – in der terschiedlicher Gruppierungen gewonne- DDR in Kraft. nen Erfahrungen könnten zusätzlich moti- Der interzonale Buchaustausch wurde vieren, der seit Beginn des kalten Krieges schon früh behindert und ließ sich trotz der erhobenen Forderung nach dem Abbruch Kontrollratsdirektive Nr. 55 vom 25. Juni der Beziehungen zwischen Kommunisten 1947 nicht in geregelte Bahnen lenken. und Nichtkommunisten nicht im vorausei- Einige Neuerscheinungen antifaschisti- lenden Gehorsam stattzugeben. scher Literatur wurden zwar dank damals Ausgelöst wurde der Streit um die Moral üblicher Lizenzdrucke in allen Zonen an- von Haltungen emigrierter und nichtemi- geboten – etwa »Das siebte Kreuz« von grierter Schriftsteller durch einen im Au- Anna Seghers, Günther Weisenborns gust 1945 publizierten Brief Walter von »Memorial«, Wolfgang Langhoffs »Moor- Molos, der Thomas Mann zur baldigen soldaten«, Ernst Wiecherts »Totenwald« –, Rückkehr nach Deutschland aufforderte. doch diese wenigen Bücher konnten die Molo erklärte, das deutsche Volk »hat im Unterschiede im Sortiment nicht ausglei- innersten Kern nichts gemein mit den Mis- chen. setätern und Verbrechen« der vergange- nen Jahre.103 Er trug den Wunsch nach Entlastung vom Vorwurf der Mittäterschaft Innere und äußere Emigration ohne die leiseste Andeutung einer Selbst- einsicht vor. Ein solcher Gestus findet sich Der Literaturstreit der Nachkriegszeit war vielen Stellungnahmen von Autoren, die größtenteils ein Gefecht um den Wert der sich zur inneren Emigration zählen wollten. Literatur von Schriftstellern des Exils und Thomas Manns Antwort vom Oktober 1945 der sogenannten »inneren Emigration«. war ein hartes Nein. Er wollte die »Theorie Dieser Disput, der als »Die große Kontro- von den beiden Deutschland, einem guten verse«102 in die Literaturgeschichte ein- und einem bösen«, nicht billigen, er neigte ging, konnte auf dem Kongreß nicht igno- einer Variante der Kollektivschuld- riert werden. Die Initiatoren wollten ein Vorstellung zu, die damals Teile der ame- rikanischen Öffentlichkeit bestimmte. Der 1937 Ausgebürgerte verachtete die Un- (vgl. Werner Schendell, Geschäftsbericht des SDA schuldsgesten derer, die für die Vertriebe- 1948/49; DA, 3. Jg., 1949, Heft 1/2). – Aufschlußrei- nen keine Solidarität aufgebracht hatten, che Beiträge zum Problem der Buchproduktion und zur Arbeit des kulturellen Beirats finden sich im nicht in den »Generalstreik« getreten wa- Buchhändler-Börsenblatt (Leipzig) 1947, Hefte 6, 8, ren, die den »Hexensabbath ... mitgetanzt 16, 21, 22, 30, 34; 1948, Heft 6. – Über die Gestal- und Herrn Urian aufgewartet« hatten. Er tung der Kulturlandschaft in Ost- und Westdeutsch- rief ihnen die Ergebenheitsadresse vom land gab es im September/Oktober 1947 eine Kont- 26. Oktober 1933 an Hitler in Erinnerung, roverse, in der man sich gegenseitig totalitäre Politik vorwarf. Vgl.: Siebzehn Monate einer totalitären die von achtzig deutschen Künstlern und Episode. In: Neue Zeitung, 19. September 1947; Wissenschaftlern, auch von Molo unter- Alexander Dymschitz, Totalitäre Kulturpolitik im zeichnet worden war. Und er spitzte seine Westen. In: Aufbau, 3. Jg., 1947, Heft 10. 102Vgl. J. F. G. Grosser, Die große Kontroverse. Ein Briefwechsel um Deutschland. Hamburg – 103Walter von Molo an Thomas Mann, 13. August Genf – Paris 1963. 1945. Ebenda, S. 18–21. 37 Verurteilung zu: Die zwischen 1933 und und »Schicksalhaftes«106. zu deuten, rich- 1945 in Deutschland gedruckten Bücher tete sich generell gegen die politische Ent- seien »weniger als wertlos und nicht gut in nazifizierung. – Wie genau diese Suche die Hand zu nehmen. Ein Geruch von Blut nach Entlastung unter bürgerlichen Intel- und Schande haftet ihnen an. Sie sollten lektuellen verbreitete Haltungen traf, offen- alle eingestampft werden.«104 baren Äußerungen von Otto Flake, Werner Daß damals die moralische Integrität, Bergengruen, Wilhelm Hausenstein Erich Glaubwürdigkeit und Legitimation der nicht Kästner – Autoren, die sich der »inneren dem aktiven Widerstand verbundenen Lite- Emigration« schon 1945 bzw. Anfang 1946 ratur auf dem Spiel stand, erkannte Frank zugehörig fühlten. Stellungnahmen wie Thieß genauer als Molo. Schon im August Dolf Sternbergers Forderung nach Respekt 1945 verwies er auf eine von Hitler nicht vor Thomas Mann oder Gustav René erfaßte »innere Emigration«, zu deren Ver- Hockes Kritik an der folgenlosen Kalligra- tretern er sich selbst, Bergengruen, phie der inneren Emigration blieben Aus- Edschmid, Kästner, Keyserling, von Molo, nahmen. Wiechert und sogar Grimm zählte. Diese Daß in Berlin und in der sowjetischen Be- Emigration wäre von der Gewißheit getra- satzungszone eine solche Gegenüberstel- gen gewesen, daß »deutsche Schriftsteller lung nicht bestimmend werden konnte, nach Deutschland gehörten, auf »ihrem spricht für die Wirksamkeit der Bündnispo- »Posten ausharren sollten« und »reicher litik. Von der Überzeugung, sie könne den an Wissen und Erleben« aus dem Ge- demokratischen Neuaufbau Deutschlands schehen hervorgehen würden als jene, die befördern, war auch der »Ruf an die Emig- »aus den Logen und Parterreplätzen des ranten« getragen, mit dem der Kulturbund Auslands der deutschen Tragödie zu- im November 1945 hervortrat.107 Becher schauten«.105 In Repliken auf Thomas verwandte nach dem Kriege viel geistige Manns Antwort und Neujahrsansprache und organisatorische Energie darauf, Tra- 1945/46 meldete sich Thieß noch mehr- ditionsbindung, nationales und erzieheri- fach als Sprecher der »inneren Emigrati- sches Pathos konservativ-humanistischer on« zu Wort und verschärfte dabei seine Autoren für die Erneuerungsbewegung zu Vorwürfe. Der »Abschied an Thomas nutzen.108 In einem Brief an Frank Thieß Mann« kam dem Versuch gleich, den gro- vom Januar 1946 versuchte er, zwischen ßen deutschen Schriftsteller ein zweites Mal auszubürgern. Thieß verlieh der im 106 Lande geschriebenen und veröffentlichten Frank Thieß an Johannes R. Becher, 20. März 1946. Ebenda, S. 102–108. Literatur einen höheren Rang als der Exilli- 107Ruf an die Emigranten. Aufruf des Kulturbundes teratur. Sein Streben, eine Mitverantwor- zur demokratischen Erneuerung Deutschlands an tung aller Deutschen am Faschismus zu die geistige Emigration. In: Deutsche Volkszei- tung, 17. November 1945. bestreiten und Schuld als etwas allein von 108 Gott zu beurteilendes »Unabwendbares« Vgl. hierzu: Leonore Krenzlin, Johannes R. Bechers Suche nach Bündnismöglichkeiten mit konservativ-humanistischen Autoren nach 1945. In: Zum Verhältnis von Geist und Macht im Werk Johannes R. Bechers. Ergebnisse einer wissen- 104Thomas Mann an Walter von Molo, 7. Septem- schaftlichen Konferenz vom 24. bis 26. November ber 1945. Ebenda, S. 27–36. 1981 in Berlin. Hrsg. vom Kulturbund der DDR – 105Frank Thieß, Die innere Emigration. Ebenda, S. Zentraler Arbeitskreis Johannes R. Becher. Berlin 22–26. 1983, S. 126–130. 38 den gegensätzlichen Standpunkten zu schwiegen« worden sei.110 Kantorowicz vermitteln, um »der in unserer Zeit so not- ging in seiner Kongreßrede über die wendigen Verständigung unter den Schriftsteller der Emigration von der Ge- Geistigschaffenden« zu dienen. Becher meinsamkeit innerer und äußerer Emigran- wies auf die Bedeutung hin, die die emi- ten aus. Diese Rede zeigt, daß sozialisti- grierten Schriftsteller für die im Lande ge- sche Emigranten auf Zusammenschluß bliebenen gewonnen hatten, sowie auf drängten und die Fehde zwischen beiden Werke, durch die »der Weltöffentlichkeit Gruppen zurückhaltend beurteilten. Wie rechtzeitig kundgetan wurde, daß Hitler genau sich die Veranstalter der Problema- und das deutsche Volk nicht eins seien tik bewußt waren, offenbart ihre Entschei- und daß es vor allem auch in Deutschland dung, Elisabeth Langgässer an den An- eine innere Emigration« gegeben habe. Im fang der Rednerliste zu rücken. Interesse des »Wiederaufstiegs unseres Kurz vor dem Kongreß hatte die große Volkes« müsse »ein Ende gemacht wer- Kontroverse eine Wiederbelebung erfah- den ... mit der Unterscheidung innerer ren. Manfred Hausmann verband im Juni Emigrant und äußerer Emigrant«.109 1947 den Vorwurf vom leichteren Leben in Diesem Anliegen wollte auch die von Ri- der Emigration mit der Mitteilung, Thomas chard Drews und Alfred Kantorowicz her- Mann habe in einem Brief mit dem ausgegebene Sammlung »verboten und Reichsminister Frick über sein Verbleiben verbrannt«(1947)dienen. Sie enthielt Wer- in Deutschland verhandelt.111 Mit dieser an ke von Opfern des Naziterrors, von Emig- sich unberechtigten Anklage wurde zum ranten sowie von Schriftstellern, die in einen erneut die eigene Entlastung ge- Deutschland Beeinträchtigungen durch die sucht, zum anderen ein problematischer Nazis ausgesetzt waren. Neben Birkenfeld, Punkt ins Bewußtsein gerückt: Thomas Hagelstange, Kasack, Langgässer, Mann hatte sich 1936, also relativ spät, Penzoldt, Pohl, Weisenborn aus der Schar öffentlich zur Emigration bekannt, die ers- der Kongreßteilnehmer waren Kästner, ten Bände des Joseph-Romans waren Thieß und Wiechert vertreten. Die von 1933 und 1934 noch in Deutschland er- Kantorowicz im Juli 1947 gegründete Zeit- schienen und fielen so unter sein eigenes schrift »Ost und West« sollte als Organ für Verdikt. 1947, auf dem PEN Kongreß in eine geistige Vermittlung »über die Zonen- Zürich revidierte er sein absolutes Urteil grenzen und Einflußssphären hinweg« von 1945. Er nannte jetzt auch Namen von »repräsentative, schöpferische Leistungen Schriftstellern, für die er einstehen könne; der Schriftsteller und Denker unserer Ta- neben den Remigranten Becher, Plievier, ge« vorstellen, auch Werke von »deut- Anna Seghers, von Unruh, Wolf, erwähnte schen Schriftstellern und Wissenschaftlern er Hausmann, Jaspers, Kästner, Keller- des inneren und äußeren Exils, deren ... mann, Süskind, Wiechert. Richarda Huch, Bedeutung für das deutsche Schrifttum unter der Herrschaft der Tollwütigen ver- 110Alfred Kantorowicz, Abschied. In: Ost und West, 3. Jg., Heft 12/1949, S. 79f. 111Manfred Hausmanns Aufsatz »Thomas Mann« erschien zuerst im »Weser-Kurier« vom 28. Mai 1947. – Thomas Mann antwortete in einem Brief 109Johannes R. Becher an Frank Thieß, Januar an die »Neue Zeitung« vom 25. Juni 1947. Der 1947. In: Die große Kontroverse (vgl. Anm. 102, Brief an Frick erschien am 8. August 1947 in der S. 97–101. »Neuen Zeitung«. 39 die »stolze, aufrechte Frau«, schlug er als und literarischen Gegensätze in eine neue Präsidentin des künftigen deutschen Pen- territoriale Ordnung. Sie trat auf dem Kon- Zentrums vor.112 greß hervor, obwohl wichtige Exponenten Auf Ausheilung des »Bruchs zwischen der der »großen Kontroverse« um die Bedeu- inneren und äußeren Emigration« zielte im tung von Exil und innerer Emigration sowie April 1947 Heinrich Berl mit seiner Be- um die europäische und deutsche Nach- hauptung vom gefährlicheren Kampf der kriegsentwicklung fehlten. Daß von Grup- inneren Emigration, die ein Hauptpunkt pen jüngerer Autoren, die das Profil der seiner Ansprache bei der Gründung des Literatur in den beiden deutschen Staaten Schriftstellerverbandes in der französi- künftig prägen sollten, nichts oder wenig schen Zone war.113 – Die geringe Bereit- zu hören war, zeigt, wie problematisch die schaft zur Selbstkritik ließ Kurt Hiller im an frühere und gegenwärtige Be- Mai 1947 in einer vom Hamburger Kultur- kanntheitsgrade gebundene rat angeregten Rede114 einen scharfen Ton Repräsentanzidee war. wählen. Sein leidenschaftlicher Aufruf zu Um die seit August 1946 in München er- einer reinigenden Gemeinschaft der Geis- scheinende Zeitschrift »Der Ruf. Unab- tigen war zugleich eine böse Attacke. Sie hängige Blätter der jungen Generation«, galt vor allem den Mitläufern, die sich je- ab Oktober des Jahres gemeinsam her- dem System zur Verfügung stellen, den ausgegeben von Alfred Andersch und »Fachnazis«, die schon wieder in die Äm- Hans Werner Richter, hatte sich bald ein ter einrücken, dem profilierter Kreis jüngerer Schriftsteller und »Opportunistengezücht« von Sachkundi- Publizisten gebildet, zu dem unter ande- gen in allen Bereichen des gesellschaftli- rem Walter Kolbenhoff, Walter Mannzen, chen Lebens. Unter die Schriftsteller, die gehörten. Die Bio- sich nicht gewehrt, den Nazis die Hand graphien von Andersch, Kolbenhoff, und gereicht hatten, weil sie sich eigenen Nut- Richter schufen Voraussetzungen für Zu- zen versprachen, reihte Hiller auch Benn, sammenhalt: Alle waren vor 1933 Mitlieder Jünger und Vesper, Flake, von Molo und der Kommunistischen Partei oder ihres Ponten, Weismantel und Heidegger ein. Jungendverbandes gewesen, hatten sich unter verschiedenen Umständen von ihr gelöst und als Soldaten erschütternde Er- Neue Gruppierungen fahrungen gemacht. Ihre in der amerikani- schen Kriegsgefangenschaft gewonnenen Die unterschiedlichen sozialökonomischen Vorstellungen von Demokratie und Staats- und politisch-ideologischen Rahmenbedin- aufbau brachten sie sehr schnell mit den gungen brachten die weltanschaulichen Realitäten in Nachkriegsdeutschland in Konflikt. Das Programm des »Rufs« war

112 von einem radikaldemokratischen Enga- Neue Zeitung, 9. Juli 1947. Vgl.: Christine Ma- gement geprägt, von einem sozialistischen lende, Berlin und der P.E.N–Club. In: Unterm Notdach (vgl. Anm. 22) S. 96. Humanismus, der sich gegen Restaurati- 113Heinrich Berl, Die geistige Situation des deut- on, Bürokratismus und ökonomischen De- schen Schriftstellers. Baden-Baden 1947, S. 11. terminismus richtete. Angestrebt wurde ein 114 Kurt Hiller, Geistige Grundlagen eines schöpfe- Brückenschlag zwischen Ost und West in rischen Deutschlands der Zukunft. In: Hiller, Ratioaktiv. Reden 1914–1964. Wiesbaden 1969, einem einigen Europa, eine Synthese von S. 187ff. individueller Freiheit, Demokratie und sozi- 40 alistischer Wirtschaftsform. Diese Konzep- nicht gebundenen Zentrum westdeutscher tion eines– wie Richter sagte – »dritten Literatur mit Zügen einer literarischen Bör- Weges«115 kritisch-progressiver Intelligenz se. schloß Opposition gegen die Besatzungs- Sehr viel weniger bekannt, weil über die mächte und gegen die Parteien ebenso ein frühe Nachkriegszeit kaum hinausrei- wie Distanz zur älteren Generation und chend, wurde die Arbeitsgemeinschaft deren überkommene Werte und Ideolo- sozialistischer Schriftsteller, die sich be- gien. Scharf kritisiert wurden Fassaden- reits 1946 zu einer »losen Vereinigung künstler der Barbarei, die vom »inneren Gleichgesinnter«117 zusammengefunden Reich« zur »inneren Emigration« gewan- hatte. Ältere und jüngere Autoren trafen delt waren. Man setzte sich für die aktive sich regelmäßig im Haus der Berliner Lan- Beteiligung der Exilierten am kulturellen desleitung der SED, sie suchten an Traditi- und politischen Neuaufbau ein, unterzog onen des Bundes proletarisch- aber auch die Emigrationsliteratur einer revolutionärer Schriftsteller anzuknüpfen. kritischen Betrachtung. Direktes Sprechen Das Empfinden eines Neuanfangs, so be- in Publizistik und Literatur, exakte Schilde- richten Teilnehmer, beherrschte die Ar- rung der Wirklichkeit gehörten zu den be- beitsgemeinschaft, die sich als Fraktion im vorzugten Ausdrucksformen der Gruppe. – SDA verstand. Als Mitglieder werden ge- Nach dem zeitweiligen Verbot des »Rufs« nannt: Annemarie Auer, Eugen Binger, durch die amerikanische Information Elfriede Brüning, Boris Djacenko, E. R. Control Division im April 1947 übergaben Greulich, Karl Grünberg, Kurt Huhn, Peter Andersch und Richter die Redaktion Erich Kast, der zeitweilig Sprecherfunktion aus- Kuby. Dieser Vorgang führte schließlich im übte, Paul Körner-Schrader, Jan September 1947 zur Bildung der »Gruppe Koplowitz, Kurt Barthel (Kuba), Maria 47«116, der bald bekannte Schriftsteller wie Langner, Otto Müller-Glösa, Jan Petersen, Günther Eich, Ilse Aichinger, Heinrich Böll, Georg Pijet, Ludwig Turek, Bertha Walter Jens angehörten. Ihre Tagungen Waterstradt, Peter Wipp, als Gast wird Willi waren zunächst ein Versuch der Selbsthil- Bredel erwähnt. Sie betrachteten ihren fe junger Autoren, die sich mit Kritikern und Kreis auch als Form der gemeinschaftli- später auch Verlagsleuten trafen. Wirklich- chen Selbsthilfe, so wollte man sich durch keitsnähe und Unmittelbarkeit, Kritik an Lesungen neuer Texte und prinzipielle, Formalismus und Traditionalismus, an der freundliche Kritik beim Schreiben unter- Gemeinde der Stillen im Lande und den stützen. Ein eigenes Organ hatte der Kreis ihnen ergriffen Lauschenden waren die nicht; doch wurden viele Texte in Zeitun- leitenden Impulse dieses Kreises. Im Ver- gen und Zeitschriften gedruckt. Zu den laufe der folgenden zwei Jahrzehnte ent- wickelte sich die Gruppe zu einem regional 117Elfriede Brüning, Die schönen und die schwere- ren Jahre. Referat, gehalten auf der Mitglieder- versammlung des V.S. im November 1993. In: 115Vgl. dazu Merle Krueger, Der »Dritte Weg« der Bundesministerium für Bildung (Hg.), Von Abra- jungen Generation. Hans Werner Richter und ham bis Zwerenz. Eine Anthologie ... als Beitrag »Der Ruf«. In: Nachkriegsliteratur in West- zur geistig-kulturellen Einheit in Deutschland. O. deutschland. Band 2: Autoren, Sprache, Traditio- O., 1995, S. 209. – Die Angaben zur Arbeitsge- nen (vgl. Anm. 70). meinschaft stützen sich auf Gespräche mit Georg 116Grundrisse der literarischen Programmatik der W. Pijet (15. August 1986), Ernst Rudolf Greulich »Ruf«-Gruppe enthielt Alfred Anderschs Schrift (13. August 1986), Jan Koplowitz (2. September »Deutsche Literatur in der Entscheidung«. 1948. 1986), Annemarie Auer (5. September 1988). 41 charakteristischen Eigenheiten gehörten dem geistigen Band der Nation angeknüpft zeitgeschichtliche Sujets, realistische hatten. Sein humoristisches Romanwerk, Nüchternheit, oftmals pointierte Kürze, das er vor 1945 im Suhrkamp Verlag pub- Tendenz zur Shortstory (auch der He- lizieren konnte, zeugte von humanistischer mingway-Art), der erste wichtige Gegen- Grundhaltung. Nach dem Krieg setzte er stand waren die eigenen Erfahrungen im sich im Novellenband »Zugänge«kritischer Krieg und Faschismus. Die speziellen mit dem zerstörerischen Zeitgeschehen Probleme dieser Gruppe, der aus Kultur- auseinander. bundkreisen der Anschluß an BPRS- Stephan Hermlin und Hans Mayer waren Traditionen kritisch vorgeworfen worden aus Frankfurt am Main angereist, wo sich war, fanden auf dem Kongreß 1947 keinen wie in Hamburg und anderen norddeut- Ausdruck. Nach Auskunft von Zeitgenos- schen Städten Kulturbundgruppen gebildet sen war dies kein Zufall. Die im Zusam- hatten. Als Redakteure im Frankfurter menhang mit der Gründung des Deut- Rundfunk hatten beide mit ihrer Reihe schen Schriftstellerverbandes erfolgte Auf- »Ansichten zu Büchern« viel zur Verbrei- lösung der Arbeitsgemeinschaft wurde von tung antifaschistischer Literatur beigetra- Betroffenen als Eingriff interpretiert, durch gen. Axel Eggebrecht, ein Mitbegründer den Widersprüche zwischen ihnen und den der Kulturbundgruppe in Hamburg, prägte Kulturbund-Repräsentanten organisato- mit dem ebenfalls anwesenden Ernst risch bereinigt werden sollten. Schnabel im Nordwestdeutschen Rund- funk die Feature- und Hörspielredaktion. Gespräche im Horizont von Eggebrecht zeugte als früherer Mitarbeiter Kontroverse und Konfrontation der »Weltbühne« zugleich für die Tradition Berührungen demokratischer Publizistik in der Weimarer Republik. Das Leben im NS-Staat kannte Die Initiatoren hatten bei der Aufstellung er einschließlich der Erfahrung von KZ- der Rednerlisten darauf geachtet, daß und Zuchthaushaft sehr genau. Sein Ver- Persönlichkeiten mit ganz verschiedenem ständnis von antifaschistischer Erneuerung Profil zu Worte kamen, die in Presse und stützte sich auf einen pazifistischen Hu- Rundfunk, als Verleger oder Autoren das manismus, der nach Ausgleichs- und Dia- kulturelle Leben mitgestalteten. logmöglichkeiten suchte. Den »Ruf«-Kreis vertrat Walter Kolbenhoff, Aus Berlin kamen 130 Teilnehmer: Vertre- der mit einem Bericht über verführte Ju- ter des SDA, die sich zu Verbands- und gendliche – »Von unserm Fleisch und Berufsfragen äußerten, sowie Repräsen- Blut«(1947) – bekannt geworden war und tanten des literarischen Lebens jener Zeit. das Elend der Nachkriegszeit auch in Re- Mit Desch aus München, Rowohlt aus portagen und Feuilletons schilderte, die in Hamburg, Blanvalet und Max Schröder der »Neuen Zeitung« erschienen. Ernst (Aufbau Verlag) aus Berlin waren wichtige Penzoldt, ein Schriftsteller der älteren Ge- Verleger anwesend. neration, repräsentierte den Münchener Daß die Gruppe der Nichtemigranten zah- Kreis national-humanistischer Autoren, die lenmäßig am stärksten vertreten war, mit der Zeitschrift »Deutsche Beiträge« spiegelte sich in der Diskussion nur be- programmatisch an Hugo von Hof- dingt wider. Dazu gehörten Autoren, die in mannsthals Gedanken vom Schrifttum als der NS-Zeit publizieren konnten wie Karl Friedrich Borée, Günther Birkenfeld, Su-

42 sanne Kerkhoff, Martin Kessel, Ernst che, vom Exil aus gegen den Faschismus Penzoldt, Gerhard Pohl, Peter A. Steinhoff, in Deutschland zu bekämpfen, als eine Wilhelm Emanuel Süskind, Wolfgang »aktiv-antifaschistische Haltung«. Der Re- Goetz, Paul Gurk, Herbert Roch, August migrant Jan Petersen erinnerte an die Au- Scholtis. Andere hatten bewußt geschwie- toren in den Widerstandsgruppen im Lan- gen oder waren Repressalien ausgesetzt de. Einige lebten nicht mehr, ihre Namen gewesen wie Ricarda Huch, Bernhard Kel- waren weitgehend unbekannt. Er charakte- lermann, Elisabeth Langgässer und Her- risierte ihre Haltung als »aktive innere mann Kasack. Eine besondere Rolle spiel- Emigration«, um sie vom stillen Widerste- ten Persönlichkeiten, die direkt im Wider- hen gegen den Naziterror abzuheben, das standskampf gestanden hatten, wie Gün- als »innere Emigration« bezeichnet wurde. ther Weisenborn, Greta Kuckhoff, Karl (Beide Ausdrücke muten seltsam an, da Grünberg, Karl Schnog, der aus der Tradi- die Betreffenden nicht emigriert waren.) tion des kämpferischen Antifaschismus der Differenzen wurden durch die Autorität Sozialdemokratie kam und jahrelang im KZ authentischer Erfahrung zurückgedrängt, Buchenwald zubringen mußte, sowie Ernst und sie schwanden auch im Banne des Niekisch als Vertreter eines »nationalen würdevollen Augenblicks, in dem Ricarda Sozialismus«. Huch, die »große alte Dame der deutschen Weisenborns künstlerische und politisch- Literatur«, als Präsidentin den Kongreß moralische Integrität verlieh der Toteneh- eröffnete. Sie sprach über den Willen zur rung, die er als feierlichen Rahmen der Einheit. Ricarda Huch hatte sich in kom- Veranstaltung entworfen hatte, Glaubwür- promißloser Stellungnahme den national- digkeit. In seiner Rede, die dem Gedächt- sozialistischen Machthabern versagt und nis der Opfer galt und die Lebenden mahn- damit bekundet, wie stark humanistisch- te, begriff er wie in »Memorial« Leiden und demokratisches Denken ihre Sicht auf die Sterben als ein Element des Lebens, das nationale Geschichte bestimmte, der sie in es im Widerstehen zu gewinnen galt. Im ihrem historischen und literarischen Werk Pathos seiner Worte schwang die eigene Ausdruck verlieh. Dem Verlangen nach Todesbedrohung mit, sie machte das Be- einem Loyalitätsbekenntnis zur gleichge- mühen glaubhaft, den Gemordeten wieder schalteten Akademie der Künste war sie Würde zu geben. mit ihrem Austritt begegnet. Im April 1933 Berichtet wurde auch über politische und erklärte sie dazu: »Was die jetzige Regie- literarische Aktivitäten in Moskau, Paris rung als nationale Gesinnung vorschreibt, und den USA, Mexiko, London und der ist nicht mein Deutschtum. Die Zentralisie- Schweiz, über antifaschistische Aktionen, rung, der Zwang, die brutalen Methoden, Niederlagen und existenzbedrohende Si- die Diffamierung Andersdenkender, das tuationen in verschiedenen Ländern. Die prahlerische Selbstlob halte ich für un- Heimgekehrten gründeten ihr Literaturver- deutsch und unheilvoll.«118 Am 30. No- ständnis auf ihre politischen und histori- vember 1945 hatte die Dichterin in einer schen Erfahrungen. Es gab für sie bedeut- Botschaft alle dazu aufgerufen, »ihre Kräf- samere Differenzen als jene, die sich aus den verschiedenen Lebensorten ergaben. 118 Sie gingen davon aus, daß weder Exilan- Ricarda Huch an den Präsidenten der Akade- mie der Künste, 9. April 1933. Zitiert nach Joseph ten noch »Innerdeutsche« eine Einheit Wulf, Literatur und Dichtung im Dritten Reich. bildeten. Erich Weinert bewertete Versu- Eine Dokumentation. Hamburg 1966, S. 27. 43 te einzusetzen, um an einer Wiederherstel- auch Walter von Molo und andere Autoren lung mitzuarbeiten. Wenn es ein Glück ist, der inneren Emigration äußerten, als auch eine große und schwere Aufgabe vor sich für Auffassungen von nationaler Verant- zu haben, die die ganze Kraft in Anspruch wortung der Dichter, die kommunistische nimmt, so sind wir inmitten unseres furcht- Schriftstelller im Exil entwickelt hatten. baren Unglücks glücklich.«119 1946 wurde ihr in Jena der Ehrendoktortitel verliehen. Obwohl hochbetagt, wirkte sie im Kultur- Profile und Positionen bund der Stadt mit. Ricarda Huch begann, Dokumente aus der Widerstandsbewe- Dem guten Willen, Schroffheiten zu dämp- gung zusammenzutragen, »Lebensbilder fen, um das Gespräch aufrechtzuerhalten, dieser für uns Gestorbenen aufzuzeichnen waren Grenzen gesetzt. Das in verschie- und in einem Gedenkbuch zu sammeln, denen Reden deutlich gewordene biogra- damit das deutsche Volk daran einen phisch-historische und ästhetische Kon- Schatz besitze, der es mitten im Elend fliktpotential soll an einigen exemplari- 120 noch reich macht« . Die Menge des Ma- schen Beispielen charakterisiert werden. terials drohte ihre Kräfte zu übersteigen; Elisabeth Langgässer war in den Jahren deshalb übergab sie es während des Ber- des Faschismus eine tiefe Einsamkeit, liner Schriftstellerkongresses Günther eine Askese geistiger Einkehr, ein tra- Weisenborn, der seinerseits Lebensberich- gisch-schmerzhaftes Geschick auferlegt te von Widerstandskämpfern sammelte – worden. Um 193O hatte sie wie Günter es bildete einen Grundstock für das Buch Eich, und Peter Huchel, der 121 »Der lautlose Aufstand« , in dem deut- ebenfalls anwesend war, zum Kreis um schen Widerstandskämpfern ein literari- »Die Kolonne« gehört, die sich ausdrück- sches Denkmal gesetzt wurde. lich gegen politisierende Tendenzen wand- Ricarda Huchs Gedanken zur Repräsen- te und der Literatur einen autonomen tanz des Dichters boten Anknüpfungspunkt Raum bewahren wollte. Elisabeth sowohl für Vorstellungen von geistiger Langgässer stellte den Menschen in einen Führerschaft, die Ernst Wiechert, aber naturmagisch-mystischen Zusammenhang. In ihrem gegen die Zivilisation der Moder- 119Botschaft Ricarda Huchs. Zitiert nach: Volker ne gerichteten Weltbild verbanden sich Wahl, Ricarda Huch. Jahre in Jena, Jena 1982 heidnisch-antike Motive mit katholischer (Schriftenreihe des Stadtmuseums Jena, Nr. 31). 120 Religosität. Ihre Illusionen über den Natio- Aufruf Ricarda Huchs in den Tageszeitungen nalsozialismus wurden schnell und gründ- zur Sammlung von Dokumenten über die Wider- standsbewegung, März 1946. In: Ricarda Huch, lich zerstört: Als Halbjüdin schloß man sie Gesammelte Werke. Hrsg. von Wilhelm Emrich. aus der Reichsschrifttumskammer aus, ab Band 5, Berlin – Köln 1968, S. 965f. – 1936 durfte sie nicht mehr publizieren, am Weisenborn schildert seine Begegnung mit Ricar- Ende des Krieges wurde sie zur Fabrik- da Huch während des Schriftstellerkongresses in seinem Buch »Der lautlose Aufstand. Bericht über zwangsarbeit verpflichtet. Sie war, als sie die Widerstandsbewegung des deutschen Vol- auf dem Kongreß sprach, von existentieller kes« (Hamburg 1953, S. 16f.). Erschütterung gezeichnet. Kurz zuvor hat- 121 Zur komplizierten Publikationsgeschichte des te sie erfahren, daß ihre älteste Tochter, Buches vgl.: Ursula Heukenkamp, Das lautlose Deutschland. Widerstandsliteratur und ihre Re- Kind eines jüdischen Vaters, zu den weni- zeption. – In: Untern Notdach (vgl. Anm. 22) S. gen gehörte, die die Hölle von 267ff. 44 Theresienstadt und Auschwitz überlebt der NS-Diktatur begonnene Bestandsauf- hatten.122 Die Erfahrung des Ausgeliefert- nahme der Nazi-Sprache fort. Zum Heidel- sein und der völligen Isolation hatten die berger Kreis, dessen Mitglieder sich auch religiösen Züge ihres Weltbildes verstärkt. in der pulizistischen Debatte um die In dem auch international vielbeachteten Schuldfrage profilierten, gehörten der Exis- Roman »Das unauslöschliche Siegel« deu- tenzphilosoph Karl Jaspers, der wegen tete sie Geschichte als Kampf zwischen einer Erkrankung abgesagt hatte, und der Gott und Satan, dessen Ausgang ungewiß marxistische Literaturhistoriker Werner bleibt. Ihre Interpretation korrespondierte Krauss, der später nach Leipzig übersie- mit metaphysischen Gleichnissen und delte. Auf dem Kongreß war die Gruppe Sinnbildern, die Hermann Kasacks und durch Wilhelm Imanuel Süskind vertreten. August Scholtis für Krieg und Faschismus Elisabeth Langgässer thematisierte zudem entwarfen. Kasacks Roman »Die Stadt das Mißtrauen vieler Schriftsteller der jün- hinter dem Strom«fand damals ungewöhn- geren und mittleren Generation in die lich starkes Interesse. Zu sozialistischem deutsche Sprache. Der hohle und pathe- Denken, das vor allem auf den gesell- tisch verlogene Sprachgebrauch der Nazis schaftlichen Aktionsraum politisch-sozialen drängte sie zu Einfachheit des Ausdrucks, Handelns gerichtet war, bildete solche Lakonie der Mitteilung und Unmittelbarkeit Weltsicht und universale Zeitalterkritik ei- der Darstellung. Wolfgang Weyrauch und nen Gegenpol. Günter Eich zum Beispiel vollzogen damit Die Kongreßrede Elisabeth Langässers eine selbstkritische Wendung, Wolfdietrich zeugte von der Verarbeitung bedrückender Schnurre und Wolfgang Borchert suchten Erfahrungen und einem partiell veränder- durch den Rückgriff auf Jargon und All- ten Literaturverständnis. Ohne ihr tagssprache Ausdrucksmöglichkeiten für katholizistisches Weltbild zu revidieren, ihre existentielle Not zugewinnen. entwickelte sie damals einen neuen Typ Johannes R. Becher, Erich Weinert, Fried- sachlich-pointierter Kurzgeschichten, der rich Wolf, Willi Bredel und Anna Seghers am Vorbild der short story geschult war. hatten einen gänzlich anderen Weg zu- Ihre Reflexionen zum Mißbrauch der Spra- rückgelegt. Um 1930 lehnten sie die den che korrespondierten mit Bemühungen kommerzialisierten Unterhaltungsbetrieb Rudolf Leonards sowie ideologiekritischen bedienende Literatur ebenso radikal ab wie und sprachphilosophischen Studien. Viktor eine auf Autonomie und bürgerliche Zivili- Klemperer hatte mit »LTI« die erste pro- sationskritik orientierte. Illusionen über den funde Kritik der »Sprache des Dritten Rei- aufkommenden Nazismus hatten sie als ches« und ein erschütterndes document KPD-Mitglieder nicht. Ihnen hatte bereits humain über seine Lebensverhältnisse als der bürgerliche Staat Gerichtsverfahren verfolgter Jude publiziert. Der Heidelberger aufgezwungen. Becher und Brecht waren Kreis um die »Wandlung« setzte mit dem in Verbotsprozesse verwickelt worden, »Wörterbuch des Unmenschen« die von Weinert hatte Redeverbot, Bredel saß in der »Frankfurter Zeitung« bereits während Festungshaft. Die Flucht ins Exil war für sie eine Frage von Leben und Tod gewe- sen. 122 Die Tochter Elisabeth Langgässers hat ihre Sie sahen sich nach der Rückkehr mit ih- Leidensgeschichte beschrieben: Cordelia Edvardson, Gebranntes Kind sucht das Feuer. ren politischen Überzeugungen und litera- Aus dem Schwedischen. Berlin 1988. rischen Vorstellungen in widerspruchsvolle 45 Gegebenheiten gestellt. Auf keinen Fall quasi seine Pflicht getan zu haben. (Tho- strebten sie nach Verhältnissen, die an die mas Mann, Toscanini und wir anderen Zeit von vor 1933 anknüpften. Für Schrift- Emigranten-Deserteure bekommen damit steller, die wie Becher, Bredel, Weinert, indirekt eine schlechte Zensur.) Das Auf- Wolf in die Sowjetunion emigriert waren, werfen der Schuldfrage – zumal von der war die Situation doppelt kompliziert. Aus Bühne herab – gilt fast schon als Landes- Gründen der nationalen Scham über den verrat ...«123 Angesichts des Elends, unter Faschismus hielten sie trotz der Erfahrun- dem die Bevölkerung litt, blieb auch ihm gen mit dem Stalinismus an der unbeding- »mehr und mehr der frühere Satz: ›Das ten Solidarität zur Sowjetunion fest, die alles hättet Ihr Euch 1933 überlegen müs- den größten Anteil an der Niederringung sen!‹ in der Kehle stecken«. Wie andere des nationalsozialistischen Regimes hatte. Antifaschisten reagierte er empfindlich auf Zudem empfanden sie, der Niederlage von »Pseudohumanismus« und »die halbe 1933 eingedenk, ein tiefes Mißtrauen ge- Wahrheit, die alle Nazis und halben Nazis genüber den Deutschen, die sich mit dem wie Honig einsaugen«, daß »nicht bloß Nationalsozialismus arrangiert und seine Hitlerdeutschland« »an dem Krieg und Verbrechen ermöglicht hatten. Sie sahen dem heutigen Elend schuld« sei, »sondern nach 1945 nationalsozialistischen Ungeist mehr oder weniger alle Regierungen Euro- fortwirken, erlebten, wie Deutsche aus den pas«124. Differenzen der Alliierten Gewinn ziehen Dieses Zitat erhellt auch den politischen wollten. Die bestürzende Erfahrung, daß und seelischen Hintergrund von Friedrich nach einer kurzen Phase der Bereitschaft, Wolfs Einspruch gegen die Kongreßrede selbstkritisch den eigenen Anteil an der von Eva-Maria Brailsford. Die Frau des verhängnisvollen Entwicklung in Deutsch- Pazifisten Brailsford, der demokratischen land einzugestehen, viele unter dem Ein- Reformen in der sowjetischen Besat- fluß der neuen politischen Widersprüche zungszone aufgeschlossen gegenüber- ihre Einsichten wirksam zu verdrängen stand,125 kritisierte Methoden sowjetischer begannen, brachte Friedrich Wolf Anfang Strafverfolgung vom Standpunkt allgemei- 1947 in einem Brief an Lion Feuchtwanger ner Menschlichkeit. Obwohl sie die briti- zum Ausdruck: »Wenn Sie jetzt hierher- sche Schuld am Elend in Deutschland kämen, würden Sie sich gewiß wundern, nicht ausklammerte, interpretierte Wolf ihre wie munter die Hakenkreuzkarpfen heute Worte als Zurückweisung von Maßnahmen wieder im deutschen Teich herum- gegen Naziaktivitäten; die Identifikation mit schwimmen. Eigentlich gab es ja über- den Sowjets hinderte ihn, das Hauptanlie- haupt keine richtigen PG’s, da jeder Nazi gen der Rednerin wahrzunehmen. Der mindestens einen Schutzjuden hatte, den Disput bezog sich auf die Verhaftung von er im Geheimen sogar grüßte; die anderen Studenten an der Berliner Universität im rechtfertigen ihr Naziotentum unverblümt März 1947, die die sowjetische Presse- und erfolgreich damit, daß sie Mußnazis agentur mit der Bekämpfung fortwirkenden wurden, weil sie sonst ›geschäftliche Nachteile‹ zu erwarten hatten. Furtwängler betonte letzthin vor der Prüfungskommis- 123Friedrich Wolf an Lion Feuchtwanger, 2. Januar sion, unter lautem Beifall seiner hiesigen 1947. In: Neue Deutsche Literatur (Berlin), Heft 12/1988, S. 6f. Zuhörer, daß er stolz darauf sei, nicht emi- 124Ebenda, S. 9. griert, sondern hiergeblieben zu sein und 125Vgl. »Tribüne«, 25. November 1947, S. 3. 46 faschistischen Denkens und Tuns in Zu- ge, Süskind, Stübs und andere negierten sammenhang gebracht hatte. Eva-Maria ja nicht den Zusammenhang von Literatur Brailsford äußerte den Verdacht, mit dieser und Politik schlechthin, sie bestimmten Aktion sollten politisch unliebsame Perso- vielmehr die Inhalte und Ziele politischer nen ausgeschaltet werden. Wolfs Widerre- Wirksamkeit anders als ihre Kritiker. de – er folgte der sowjetischen Verlautba- Unterschiede, die zwischen den ästheti- rung, obwohl der genaue Sachverhalt sei- schen Standpunkten von Weinert und ner Einsicht entzogen war – kam einer Hermlin, Hermlin und Becher, Seghers und apodiktischen Vorverurteilung gleich und Wolf, Wolf und (dem nicht anwesenden) rief den Protest eines Teils der Versam- Brecht existierten, kamen auf dem Kon- melten hervor.126 greß nicht zur Sprache. Das Literaturver- Gegensätze zwischen Remigranten und ständnis der sozialistischen Autoren hatte nichtemigrierten Autoren in bezug auf die sich bereits in den 2Oer Jahren herausge- gegenwärtige Entwicklung in Deutschland bildet, es war auf kämpferische Partei- sowie die Interpretation von Antifaschis- nahme für die Interessen der Arbeiterbe- mus, Demokratie und Humanismus fanden wegung und die Vorstellung unmittelbarer Ausdruck in der Kontroverse um Humanität politischer Wirkung gerichtet. Bereits der zwischen Redslob und Wolf, im Disput Gang ins Exil hatte viele Autoren ihren über Gewalt zwischen Harich und Adressaten entfremdet und die Vorstel- Eggebrecht, in der Diskussion zwischen lung, Sprecher und Erzieher der Arbeiter- Hagelstange und Gustav von Wangenheim klasse zu sein, zur problematischen Illusi- über Wahrheit, im Streit zwischen Stuebs on werden lassen. Wolf und Weinert, Be- und Langhoff über Objektivität und Partei- cher und Bredel, Seghers und Brecht rea- bindung. Hier deutete sich an, inwieweit gierten darauf mit unterschiedlicher Kon- die Wahrnehmung durch Parteibindungen sequenz:. Becher vollzog in der Zeit des und politische Haltungen präformiert war. Exils einen radikalen Bruch mit früheren Charakteristisch waren die Debatten, die avantgardistischen Vorstellungen und ent- sich im Umkreis der Forderung nach wickelte ein Literaturverständnis, das sich »Zeitnähe« ergaben. Unter diesem Stich- um den ideellen und ästhetischen Wert wort setzten sich sozialistische Autoren, des nationalen Erbes zentrierte. Er wollte speziell Erich Weinert, für eine sozial und sein Werk durch Hinwendung zur klassi- politisch engagierte, eingreifende Literatur schen Kultur und Anknüpfen an überkom- ein. Die Forderung nach solchen Werken mene humane Werte der Nazi-Ideologie wurde oft als Aufruf zu einer politisch in- entgegenstellen. Diese Intention fand in strumentalisierten Literatur abgelehnt, da der »Deutschland-Dichtung« poetischen sie Assoziationen an die gerade überstan- Ausdruck. Bechers Kulturbundarbeit und dene Vergangenheit weckte. Die Polemik Kongreßrede127 zeugen gleichfalls vom gegen Neigungen zu Verinnerlichung, Weltflucht und ästhetischer Selbstgenüg- 127Auch Schriftsteller, die den Kongreß nicht be- samkeit deutscher Dichter unterstellte eine sucht hatten, äußerten sich zu Bechers Rede. so auf dem Kongreß gar nicht ausgespro- Lion Feuchtwanger schreibt am 11. November chene Entgegensetzung von reiner Kunst 1947 an Becher: »Ihre Rede ist ungewöhnlich gut und Tendenzkunst. Birkenfeld, Hagelstan- und hat mir starken Eindruck gemacht. Ich habe sie zweimal gelesen. Sie ist ein Dokument von bleibendem Wert.« (SAAdK, JBA, Briefe 1013). – In 126Vgl. Anmerkungen zum Protokoll, S. XXXX. einem Brief von Thomas Mann an Becher vom 16. 47 integrativen, weltanschauliche und politi- Mamlock« die Massen ergriffen hatte, woll- sche Widersprüche überbrückenden Cha- te auch nach dem Krieg durch auf der rakter seines Konzepts, das wertkonserva- Bühne dargestellte Entscheidungen und tiven Autoren der inneren Emigration An- Wandlungen im Publikum kathartische knüpfungspunkte bot. Der Traditionalismus Effekte erzielen. In dem 1947 entstande- wiederbelebter klassischer Formen, die nen Schauspiel »Wie Tiere des Waldes«, auch Hagelstange in seinem Sonettzyklus einem Stück über verirrte Jugendliche, »Venezianisches Credo« adaptierte, wurde glitten Abrechnung mit der Vergangenheit von Hermlin in seiner Rede durchaus kri- und Wandlung schnell in leere Rhetorik ab. tisch bewertet. Bredel versuchte in seiner Rede über die Polarisierend wirkten die Reden von Erich nationale Verantwortung von Literatur, Weinert und Friedrich Wolf, sie riefen be- klassenspezifische Kultur- und leidigte, verständnislose Reaktionen her- Literarurformen, die sich vor 1933 heraus- vor. Da sie die Probleme des eigenen gebildet hatten, zu einem nationalen Kon- Schaffens und Wirkens ausblendeten, er- zept zu verallgemeinern. Daß er sich mit hielten ihre individuellen Positionsbestim- diesem literaturprogrammatischen Ansatz mungen den Charakter von allgemeinen identifizierte, zeigen die Weiterungen und Anforderungen an den Schriftsteller bzw. Umarbeitungen seiner proletarischen Fa- an die Literatur. miliensaga »Verwandte und Bekannte«. Er Erich Weinert zum Beispiel hatte in seiner verleiht seinen Protagonisten und ihrem Sprechdichtung vor 1933 auf unmittelbare Lebensort, der DDR, unbedingte geschicht- Wirkung setzen können, da eine Überein- liche Legitimation und nationale Repräsen- stimmung mit seinem Publikum bestand. tanz und arbeitet damit dem ursprüngli- Unter den Bedingungen des Exils war die- chen Erzählkonzept entgegen. ses Anliegen problematisch geworden, doch Weinert vermochte seine literari- schen Mittel während der Saarabstim- Konfrontation mung, im Spanischen Bürgerkrieg und bei der propagandistischen Arbeit im National- Die USA und die Sowjetunion reichten sich komitees »Freies Deutschland« zu modifi- damals gegenseitig den zieren. Nach 1945 war der Vorstellung, ein Totalitarismusvorwurf zu, den Churchill Autor könne als Sprecher für den fortge- 1946 hoffähig gemacht hatte, während die schrittenen Teil der Massen fungieren, Widersprüche des eigenen »Lagers« je- vollends die Basis entzogen. »Zeitnähe« in weils ignoriert wurden. Auf dem Kongreß diesem Verständnis erhielt den Charakter wurden die Debatten zur krassen Konfron- einer Beschwörungsformel. tation, als amerikanische und sowjetische Friedrich Wolf, dessen Drama »Professor Gäste zu Vorgängen im Land des ehema- ligen Alliierten Stellung nahmen. Zum ei- November 1947 heißt es: »Ich bin im Besitz Ihrer auf nen ging es um das aus der Wiederbele- dem Schriftstellerkongreß gehaltenen ernsten und bung des Committee on un-american schönen Rede und danke Ihnen vielmals für die Activities Ende 1946 resultierende geistige Mitteilung dieses bedeutenden Dokuments. Daß sein Klima in Amerika. Auch deutsche Emigran- Grundmotiv ›Friede‹ lautet, ist beglückend und ehrt sowohl Sie wie das Staatswesen, in dessen Geist ten waren dmals der Bespitzelung und und über dessen Schutz Sie sprachen.« (SAAdK, dem Denunziantentum ausgesetzt: Gerhart JBA Briefe 1326). 48 Eisler wurde an der Ausreise gehindert sen ließen. Als »Abschaum der Literatur« und stand im Mai und im September 1947 erschien das Werk des Prosaisten vor dem Ausschuß, Bertolt Brecht wurde Sostschenko, der als faul, verkommen, dort Ende Oktober 1947 verhört .128 gewissenlos, dekadent charakterisiert wur- Zum anderen wurden die Kampagne129 de. Die Lyrik Anna Achmatowas wurde als gegen »Kriecherei und Katzbuckelei vor volksfremder, »ideenloser reaktionärer der spießbürgerlichen ausländischen Lite- literarischer Sumpf« charakterisiert.130 Die- ratur« in der Sowjetunion und die damit se Anwürfe wurden erst Jahrzehnte später verbundenen repressiven Maßnahmen zurückgenommen und haben das persönli- gegen Autoren durch den amerikanischen che Schicksal und das Schaffen vieler Journalisten Melvin J. Lasky zum Thema. Künstler»131 schwer belastetet. Von den sowjetischen Schriftstellern waren Kurz vor dem Kongreß hatte ein in der diese Vorgänge übergangen worden. »Literaturnaja Gaseta« erschienener Arti- Shdanow hatte ihnen vorgeführt, wie Ge- kel Boris Gorbatows, Abgesandter des genpropaganda auf kulturellen Gebiet zu sowjetischen Schriftstellerverbandes, eine formulieren sei, als er erklärte, die bürger- diplomatische Affäre ausgelöst. Der US- liche Kultur befände sich »im Zustande des Botschafter in der UdSSR legte offiziell Siechtums und der Auflösung«. In den vom Beschwerde ein, da Gorbatow Truman mit ZK der KPdSU im August 1946 gefaßten Hitler gleichsetzte. Als des Anfang Oktober Beschlüssen über die Zeitschriften in Zeitungen vermeldet wurde, trug Au- »Swesda« und »Leningrad« wurde ver- ßenminister Molotow eine scharfe Kritik an langt, »die ideologische Front mit allen der amerikanischen Pressepolitik vor.132 – anderen Abschnitten unserer Arbeit in eine Wenige Tage vor dem Schriftstellertreffen Linie zu bringen«. Die Literatur müsse zur war ein offener Brief sowjetischer »richtigen ideologischen Ausrüstung« des Schriftststeller an ihre Kollegen in den ganzen Volkes beitragen. Der Angriff rich- Vereinigten Staaten erschienen. Seine tete sich gegen zwei Autoren, die mit ihrem Überschrift »Mit wem geht ihr, Kulturschaf- satirischen Blick wie ihrer Unbehaustheit fende Amerikas?«.133 nahm auf einen Gor- als exemplarische Fälle von Verfehlung ki-Titel bezug. Die Unterzeichner, zu de- galten und deren Werke den verlangten nen auch die sowjetischen Kongreßgäste heroischen Geist und die Ergebenheit in die Sowjetordnung der Stalinzeit vermis- 130Shdanow (ebenda). 131Sowjetische Kulturpolitik. Rückkehr zu den 128Vgl. Jürgen Schebera, Hanns Eisler im USA Leninschen Prinzipien. In: Kunst und Literatur, Exil. Berlin 1978, S. 94–1o2; sowie: Henker sterben Berlin, Heft 2/1988, S. 154; vgl. auch I.E. auch (Hangmen also die). Drehbuch und Materialien Wentow, Dmitri Lewonewskis Aufzeichnungen zum Film. Hrsg. von J. Schebera. Berlin 1988, S. oder Die Geschichte eines unrühmlichen Be- 188–190. schlusses. In: Kunst und Literatur, Heft 3/1989, S. 129Shdanow, Referat über die Zeitschriften 300–310. »Swesda« und »Leningrad«, 1946. In: Beiträge 132Molotow weist USA-Protest zurück. In: Tägliche zum sozialistischen Realismus. Grundsätzliches Rundschau, 2. Oktober 1947, S. 1; Gorbatows Artikel über Kunst und Literatur. Berlin 1953, S. 20–42, »Harry Truman« erschien in: Literaturnaja Gaseta, bes. 28, 39. – Das Referat wurde schon früher als Nr. 39/1947. »unkorrigierte Übersetzung« gedruckt mit dem 133Tägliche Rundschau, 2. Oktober 1947, S. 3; Impressum »Herausgegeben für den Gebrauch unter dem Titel »Mit wem geht ihr, amerikanische der Kulturfunktionäre, Parteivorstand der SED, Meister der Kultur« auch in: Sonntag, 5. Oktober Abt. Kultur und Erziehung,« (oO. o.J.). 1947. 49 gehörten, brachten die Sorge um das richt134 und seiner eigenen Aussage ist Schicksal der Menschheit angesichts neu- ersteres zu vermuten. Die Rede soll nach er Kriegsgefahr zum Ausdruck. Sie argu- dem Anhören von Wischnewskis Beitrag mentierten in der gängigen kommunisti- auf Grund einer Anfrage von Günther Bir- schen Propagandasprache, wenn sie ihre kenfeld in einer Nacht geschrieben und mit amerikanischen Kollegen aufforderten: Hilfe von Frau Birkenfeld und Alfred Kell- »Wir bitten Euch, zu bedenken, daß nach ner, einem Journalisten des französisch Beendigung des Krieges gegen des Fa- lizenzierten »Kuriers«, übersetzt worden schismus gerade in Eurem Land sich Men- sein. Die zweite Version wird durch Laskys schen gefunden haben, die ... im Grunde Status in Berlin nahegelegt: Er war Kor- genommen die gleichen unmenschlichen respondent zweier Zeitschriften, »die sich Ideen predigen und in einem immer stärke- normalerweise nie einen Auslandskorres- ren Maß auch in der Praxis verwirklichen, pondenten hätten leisten können«135. Auf- die der von unseren Völkern zerschlagene fällig zudem amerikanische Dank- Faschismus gepredigt und verwirklicht sagungen, die Laskys couragiertes Spre- hatte.« Solcher Vorwurf galt prominenten chen gegen den Totalitarismus und den Staatsmännern, Diplomaten, Militärs, In- besonderen Wert seiner Aktivitäten für die dustriellen, Journalisten, Gelehrten, und er Aufgaben der amerikanischen Nachrich- bezog sich auf Kernstücke der Idee von tenkontrolle würdigen. Auch Laskys späte- einer pax americana : »Ist die Unduldsam- re Tätigkeit als Herausgeber der Zeitschrift keit dagegen, daß in anderen Ländern »Der Monat« (ab Oktober 1948) und als andere Ideale und andere Ordnungen als Initiator des »Kongresses für kulturelle in den Vereinigten Staaten von Amerika Freiheit« (1950) – beides wurde vom ame- bestehen können, nicht den faschistischen rikanischen Geheimdienst fianziert – stützt Ideen verwandt? Sind nicht etwa die An- solche Vermutung. sprüche auf Weltherrschaft, auf das In Deutschland wurde die neue Ideologie- sogannte amerikanische Jahrhundert, auf strategie wenige Wochen nach dem die Errichtung einer ›Neuordnung‹ in der Schriftstellertreffen voll wirksam. Die Nach- Welt – Ansprüche, die durch Drohungen richtenkontrollabteilung der amerikani- bekräftigt werden ... – keine einfache Wie- schen Militärregierung verkündete am 28. derholung des Faschismus?« Oktober den Wechsel von der positiven Dieser Aufruf gehört zum Hintergrund von Propagierung der amerikanischen Le- Laskys Rede, die von Günther Birkenfeld, bensweise zum offenen Austragen der Versammlungsleiter am Vormittag des 7. Gegensätze. Diese Kursänderung hob die Oktober, auf die Tagesordnung »ge- Kontrollratsrichtlinie Nr. 40 von Ende 1946 schmuggelt« wurde. Laskys Argumentation auf, die ein Verbot der Kritik an den Besat- zu Freiheit und Totalitarismus in der Kultur lag auf den Linien des neuen amerikani- 134 schen Konfrontationskurses mit dem eins- Boris Shub, The Choice, New York 1950. Zitiert nach: Shub, An Incident in Berlin (October 1947). tigen Alliierten. Nicht mit Sicherheit läßt In: Encounter (London), 15. Januar 1980, S. 26– sich sagen, ob er aus persönlichem An- 30; vgl. auch Melvin J. Lasky, Gegen totalitäre trieb oder in einem politischen Auftrag Regierungen. In: Der Sozialdemokrat, 11. Oktober sprach. Nach einem zeitgenössischen Be- 1947, S. 3; »Lasky und andere«. In: Tagesspie- gel, 11. Oktober 1947, S. 2. 135Interview mit Melvin J. Lasky. In: Die Welt, 15. Januar 1985. 50 zungsmächten vorschrieb. Die Contain- sowjetischen Gäste bewerteten die Rede ment-Politik, die auf amerikanischer Seite mit der Kritik an innersowjetischen Ver- »antikommunistische Kampagne«136 hieß, hältnissen als Angriff und als eine verächt- wurde als Gegenmaßnahme dargestellt. liche, weil von einem Unbekannten vorge- Bei deren Begründung spielte die von tragene Entgegnung auf ihren offenen Tjulpanow geäußerte Kritik am Zusam- Brief an die amerikanischen Schriftsteller. menhang von amerikanischer Besat- Sie erblickten hierin eine Absage an den zungspolitik und Interessen von Monopol- Aufruf, gegen die friedensgefährdenden gruppen eine bezeichnende Rolle. Wie Kräfte zusammenzustehen, ein Scheinbe- groß der vollzogene Schwenk war, offen- kenntnis zur Demokratie, das zur Solidari- barte das in der »New York Herald Tribu- sierung von Demokraten mit der Contain- ne« Ende November referierte Verlangen ment-Politik auffordern wollte. Katajews von Oberst Textor, dem Chef der Nach- Ausruf, er habe mit Lasky endlich einen richtenkontrolle, die »kommunistischen lebendigen Kriegsbrandstifter zu Gesicht Angriffe auf Kriegshetzer und faschistische bekommen, legt nahe, daß für sie mit die- Verbrecher zum Schweigen zu bringen«, sem Auftritt der kalte Kriegs auch in der weil »dies ein überlegter Angriff auf den deutschen Kultur und Literatur etabliert Grundsatz der Freiheit und Unabhängig- wurde. Grotesk, wenn Katajew Laskys keit« sei.137 Hinweise auf die Lage sowjetischer Künst- Während Laskys Vortrag gab es heftige ler als Lüge deklarierte, wenn er die vom polemische Zwischenrufe. Wie Lasky be- obersten Parteiorgan der UdSSR ausge- richtete138, sollen sozialistische Tagungs- sprochenen Verdammungen und Maß- teilnehmer den Saal verlassen haben, nahmen – Verbot von Publikationen von nach der Rede hätten ihn viele umringt, Sostschenko und Anna Achmatowa, deren ihm die Hände geschütteltet und auf die Ausschluß aus dem Schriftstellerverband Schulter geklopft. Auch wenn dies über- und, materiell gezielt, aus dem Literatur- trieben sein sollte – der Auftritt hatte seine fond – als Ausdruck von Pressefreiheit Wirkung, wenigstens zeitweise führte er zu wertete. Wie auch immer die Gäste aus einer »gründlichen Aufsplitterung des Kon- der Sowjetunion persönlich zu dem ge- gresses in gegnerische Lager«139. Die nannten ZK-Beschluß stehen mochten – seine Verteidigung vor diesem Publikum 136Vgl. dazu auch Hansjörg Gehring, Amerikani- schien ihnen nicht möglich. Katajews Re- sche Literaturpolitik in Deutschland 1945–1953. aktion bestätigte indirekt, daß sowjetische Ein Aspekt des Re-Education-Programms. Stutt- Schriftsteller interne Probleme hatten. Be- gart 1976, insbs. S. 77. – Bei der Vorbereitung dieser Politik spielte amerikanische Kritik an sow- mühungen, die rigorosen Konsequenzen jetischen Presseverfahren eine Rolle, so zum des Beschlusses zu unterlaufen, wurden Beispieldie Polemik Clays gegen Tulpanows verschwiegen. 1946 hatte sich Fadejew für »hetzerische Bemerkungen« über den Zusam- eine Verbesserung der materiellen Lage menhang von Monopolkapital und Militärregierung von Sostschenko und Anna Achmatowa auf dem II. Parteitag der SED (vgl. Schwäbische Landeszeitung, 3. Oktober 1947, S. 1). eingesetzt, und Katajew selbst unterstützte 137Zitiert bei George Wheeler, Die amerikanische Versuche, diesen Autoren Publikations- Politik in Deutschland. 1945–1950. Berlin 1958, möglichkeiten zu verschaffen. S. 186. Ein in Amerika publizierter und ein interner 138Interview mit Melvin J. Lasky, (vgl. Anm. 135). 139Egon Vietta, Über die Verantwortung des französischer Kommentar geben Auf- Schriftstellers (vgl. Anm. 4), S. 4. schluß über die zeitgenössische Bewer- 51 tung der Konfrontation auf dem Schriftstel- Alliierten, ein Amerikaner und ein Russe, lerkongreß. haben also den Kongreß in ein politisches In seinem Buch »The Choice«140 (1950) Kampffeld verwandelt«. Der Franzose be- äußerte sich Boris Shub begeistert vom dauerte, daß »Angehörige zweier Besat- Auftritt Laskys. Er behauptete, die USA zungsmächte ein deutsches Publikum ge- seien im Herbst 1947 zur Aufgabe der Kol- wählt haben, um ihre Beschwerden ge- laboration mit der Sowjetunion und in den geneinander darzutun«. Er hielt es für kalten Krieg gezwungen worden, weil sich wichtig zu notieren, die deutschen Kon- der Kreml plötzlich zu einer politischen greßteilnehmer – vielfach verwirrt ange- Offensive gegen sie und ihre demokrati- sichts der Aufforderung, zwischen Ost und schen Verbündeten entschlossen habe. West wählen zu sollen – hätten an der Laskys Rede sei die Initialzündung für den entzweienden Polemik nicht teilgenom- Übergang zur ideologischen Offensive men, sich nicht zu Richtern zwischen bei- gewesen. Den Schriftstellerkongreß be- den Gegnern aufgeworfen, sondern es wertete Shub als eine mit Hilfe harmloser vielmehr vorgezogen, eingedenk der Rede Nichtkommunisten zustande gebrachte von Johannes R. Becher über Frieden, ihre Moskauer Theaterproduktion. In den ers- Arbeit im Zeichen der Verständigung fort- ten drei Tagen sei der Kongreß auf dem zusetzen. besten Wege gewesen, ein Erfolg der sow- jetischen Kulturoffiziere zu werden: Mit Wischnewski hätten sie einen Redner zu Nachspiele. Unaufhaltsame Wort kommen lassen, der unter dem Bei- Spaltungen fall der Kommunisten vor den Deutschen von Aggressionskriegsplänen der USA Nachbereitungen erzählte und die deutschen Schriftsteller und das deutsche Volk aufforderte, Schul- Am Tag nach dem Treffen veranstaltete ter an Schulter mit der Sowjetunion gegen der Intendant des Berliner Rundfunks für Amerika zu kämpfen. Nach diesem Bericht die Teilnehmer einen Empfang. Hans war es Lasky, der mit seinem offenen Wort Mayer schätzte diese Zusammenkunft als diesen Triumph vereitelt hätte. Verlängerung der Kongreßtage ein. Er M. J. Barbe de Saint-Gardouin aus der behielt wie Rudolf Leonhard, der Hans französischen politischen Administration in Mayers Bemerkung »Der Kongreß tagt in Berlin vermittelte dem Außenminister 142 141 Permanenz« aufgriff, eine kurze Rede Bidault einen anderen Eindruck. Er be- von Elisabeth Langgässer in Erinnerung. richtet, die erstaunlich lebhaften Pressere- Unter dem unmittelbaren Eindruck des aktionen auf den Schriftstellerkongreß sei- Treffens hatte sie bekannt, sie habe das en auf die politische Bedeutung der Zu- Gefühl gehabt, einer geistigen Gemein- sammenkunft, auf die hier entflammten schaft anzugehören, die ihr Wichtiges über politischen Leidenschaften zurückzufüh- die enge Verknüpfung ihres heutigen ren, zu denen die Gäste aus den USA und Schaffens mit den großen weltanschauli- der UdSSR beigetragen hätten: »... die chen Forderungen der Zeit vermitteln

140Vgl. Anm. 135. 142Vgl. Mayer: Macht und Ohnmacht des Wortes 141M.J. Barbe de Saint-Bardouin an Georges (vgl. Anm. 6); Leonhard, Der erste deutsche Bidault, 13. Oktober 1947 (vgl. Anm. 12). Schriftstellerkongreß (vgl. Anm. 6). 52 konnte. 17. April 1948 wurde das rege Interesse an Vom Wunsch, das anregende Gespräch solchen Formen des Austauschs bestä- fortzusetzen, zeugte am gleichen Tage der tigt.146 Im SDA-Geschäftsbericht für das Empfang in einem Berliner Klub, zu dem Jahr 1947/48 listete Schendell Ergebnisse die sowjetischen Gäste eingeladen hat- des Kongresses auf: belebte Verbindung ten.143 Gerhart Pohl überreichte ihnen ein mit der Welt, die sich in vermehrten Aus- unveröffentlichtes Tagebuchblatt von Ge- landsreisen von Mitgliedern des Verban- rhart Hauptmann aus dem Jahre 1936 mit des gezeigt hatte, unter anderem auch in einer Nachrufnotiz zu Maxim Gorki. Es der ersten Reise einer Schriftstellergruppe entwickelte sich ein »anregender Frage- in die UdSSR 1948; stärkere Mitarbeit von und Antwortdialog« zwischen Gorbatow, heimgekehrten Emigranten im SDA und Wischnewski und deutschen Teilnehmern. schließlich eine intensivere Zusammenar- Sie erhielten nicht immer befriedigende beit von SDA und der Kommission Literatur Auskünfte auf sie bewegende Fragen: über im Kulturbund. Keine Erwähnung fand, daß die Situation der Schriftsteller in der Sow- der SDA entschiedenen Vorwürfen ausge- jetunion, über ästhetische und politische setzt war, die ihn sogar zu einer Presse- Standpunkte sowie den rechtlichen Status konferenz veranlaßt hatten. der Autoren, über die Entwicklung der Hertha von Gebhardt, Roland Schacht, Sowjetliteratur und zur Rezeption auslän- Werner Schendell und Günter Weisenborn discher Werke. Während die Ostberliner traten im November 1947 vor die Öffent- Blätter den Freimut und den humorvollen lichkeit.147 Sie wollten den Vorwurf entkräf- Ton des Empfangs hervorhoben, äußerte ten, der Kongreß sei von kommunisti- August Scholtis in einem Beitrag für den schem Indoktrinations- und »Tagesspiegel«144 seine Eindrücke in Hegemoniestreben bestimmt gewesen, skeptischem Grundton. Dieser kritisch fra- und beim SDA handele es sich um eine gende Beitrag unter der Überschrift »Sozi- »kommunistisch ausgerichtete Organisati- alistischer Realismus?« veranlaßte Heinz on«. Weisenborn teilte mit, der Kongreß Rein, Scholtis als »literarischen Ignoran- habe einen betont überparteilichen Cha- ten« zu charakterisieren, der sich zum rakter gewahrt, Vertreter aller Besat- Werkzeug fortschrittsfeindlicher Kräfte zungsmächte hätten ihn besucht. Der Sitz gemacht habe.145 des SDA liege im britischen Sektor, von In einer Generalversammlung des SDA am den 20 Vorstandsangehörigen seien nur 4 eingetragene Mitglieder der SED, 4 seien Mitglieder des Verbandes Redakteure 143Ltz (vermutl. Gustav Leuteritz), Gorbatow ant- wortete deutschen Schriftstellern. In: Tägliche amerikanisch lizenzierter Zeitungen und 5 Rundschau, 10. Oktober 1947, S. 2. – Eine Dis- kussion über die Veranstaltung ergab sich in Reaktion auf einen Bericht von August Scholtis im 146Vgl. Schendell, Geschäftsbericht 1947/48; DA, »Tagespiegel«; sie wurde von der Zeitschrift 2. Jg., 1948, Heft 1/2. »Aufbau« dokumentiert ( Aufbau, 4. Jg., 1948, 147Vgl. Otto Doderer, Nachrichten aus der Heft 4, S. 84–87). – Scholtis kommentiert die Buchwelt. In: Börsenblatt für den deutschen Einwände in seiner Autobiographie »Ein Herr aus Buchhandel (Frankfurter Ausgabe), Heft 23– Bolatitz« (vgl. Anm. 6), S. 435f. 24/1947, S. 464; Schutzverband Deutscher Auto- 144August Scholtis, Sozialistischer Realismus? In ren überparteilich. Ein Erwiderung des Vorstan- :Tagesspiegel, 26. November 1947. des in einer Pressekonferenz. In: Tribüne. Tages- 145Heinz Rein, Ein literarischer Ignorant? – In: Die zeitung des Freien Deutschen Gewerkschafts- Weltbühne, Heft24/1947, S. 1O66ff. bundes (Berlin), 18. November 1947, S. 3. 53 Träger von Zeitungslizenzen der Westalli- Gewähr auch für ein werdendes neues ierten. Den SDA im ganzen könne man »in Deutschland.«149 keiner Weise als sympathisierend mit dem Von dieser Überzeugung war auch die Kommunismus« einstufen. Zugleich beton- Grußadresse bestimmt, mit der sich te Weisenborn den Wert der Zusammen- Plievier an den Schriftstellerkongreß wen- arbeit der verschiedenen politischen Kräfte den wollte (sie lag nach Aussage von im Berliner Verband. Ein Teil der Vor- Schendell zur Zeit des Treffens nicht vor standsmitglieder war sichtlich verärgert, da und ging daher nicht – wie die Briefe ande- sie sich auf einen Platz gestellt sahen, den rer Autoren – in die Tagungsmaterialien sie nicht einnehmen wollten. Zudem zeugt ein). Das schwergeprüfte deutsche Volk, der Auftritt von einem Gefühl des so heißt es hier, erwarte von einer Ver- Bedrohtseins: Das Verbot des Kulturbun- sammlung der Schriftsteller, daß sie als des im amerikanischen Sektor war mit seine Sprecher die Prüfung bestehen: »Die vergleichbaren Pressevorwürfen eingelei- deutsche Wirklichkeit ist zu deuten. Die tet worden. Trümmer und der jähe moralische Verfall Die in Bayern erscheinende Zeitung »Echo sind zu erklären und ihre Ursachen sind der Woche« hatte noch im Oktober aufzufinden. Gebraucht werde jetzt »ein Plieviers Adresse an den Kongreß abge- Bekenntnis zu den unabdingbaren Ele- druckt, seine antitotalitäre Haltung betont menten aller modernen Demokratien» – und die Kongreßveranstalter den Kommu- der Bibel, den Menschenrechtserklärungen nisten zugeordnet.148 Plievier trat zunächst der amerikanischen und französischen den Versuchen der Presse entgegen, aus Revolution, der Atlantik-Charta – als Vo- seinem Schritt antikommunistisches Kapi- raussetzung für die Neuordnung der Völ- tal zu schlagen. Er wollte die Distanz zur kerbeziehungen, als Grundlage für interna- sowjetischen Politik nicht zum Gegenstand tionale Sicherheit und auch für die Wieder- öffentlicher Auseinandersetzungen werden geburt eines selbständigen und einheitli- lassen und erklärte, seine Übersiedlung sei chen Deutschlands. Auf dem Frankfurter nicht als antisowjetische Demonstration Schriftstellerkongreß vom Mai 1948 brach- gedacht. Zugleich betonte er, daß er sich te Plievier seine Haltung auf die Formel, niemals als kommunistischer Schriftsteller der angemessene Platz des Schriftstellers im engeren Sinn begriffen habe und daß sei der zwischen den Stühlen. Er konnte die Krise der gegenwärtigen Menschheit diese kritische Unabhängigkeit in der pola- und vor allem Europas nur durch die Be- risierten Welt nicht bewahren. Auf dem sinnung auf ihre gemeinsame Verantwor- Kongreß für kulturelle Freiheit 1950 und tung zu überwinden sei: »Nicht auf Gegen- auf der PEN-Tagung im gleichen Jahr hatte sätzen, sondern allein auf gemeinsamen er sich auf eine Seite der Front begeben. Interessen beruht der Frieden der Welt, Diese Erfahrung trieb Plievier erneut ins und nicht Gegensätze und politische Diffe- Exil. renzierungen unter den Nationen, sondern Die Aktivität des »Echos der Woche« ging vorhandene Einstimmigkeiten bieten die auf Berichte des Münchener Schriftstellers und Lektors im Desch Verlag, Gunter Groll zurück, der in den Mittelpunkt seiner Kon- 148hw (vermutlich Harry Wilde), Bekenntnis Theo- dor Plieviers. In: Echo der Woche, 1. Jg., 1947, Nr. 2o, S. 9; vgl. Wilde, Theodor Plievier (vgl. 149Theodor Plievier, Erklärung. In: Echo der Wo- Anm. 92). che, 1. Jg., 1947, Nr. 20, S. 9. 54 greßkommentare150 den Satz gestellt hat- len. Während dessen Repräsentanten den te: »Wir gehören zusammen.« Er rief dazu Erfolg des Treffens hervorhoben und am auf, Brücken zu bauen und so den Impuls Aufruf für Frieden und Einheit festhielten, fruchtbar zu machen, den der Kongreß kritisierte man im zentralen Kulturaus- hatte geben können: »Wir müssen um der schuß der SED die »Verlagerung der Dis- Wahrheit willen und um den grassierenden kussion aufs Politisch-ideologische« und Vorurteilen entgegenzutreten, die Deutsch- hob Argumentationsverluste bei der land in zwei Lager zu zerspalten drohen, »Herausarbeitung der allgemeinmenschli- den Versuch machen, wenigstens im Be- chen Fragen« und der »literarisch- reich des Geistes jene notwendige Einheit humanistischen Blockpolitik«154 hervor. zu bewahren, die über einer notwendigen Bereits am 23. Oktober hatte man auf ei- Vielfalt steht.« Der SDA habe Verdienste, ner »Sitzung führender parteigenössischer weil durch die im Verband gegebene Schriftsteller« (zu den 43 Teilnehmern »Möglichkeit der offenen Aussprache bis- gehörten Abusch, Becher, Harich, lang jene Spaltungspsychose vermieden Kanotowicz, Renn, Wangenheim, Weinert) wurde«, weil sich in ihm »Vertreter der betont, die »Genossen«sollten »bei kom- verschiedenen politischen Haltungen menden Kongressen, aber auch in der sammeln«, Vertreter der politischen Par- Arbeit des Vorstands des Schutzverban- teien, »die sich etwa in München höchst des ... stärker und besser vorbereitet in selten auch nur begegnen und so gut wie Erscheinung treten als bisher«. Die wich- gar nicht miteinander sprechen«151. Groll tigste Schlußfolgerung war die Planung betonte, der Verband sei »keineswegs eines Schriftstellerkongresses der SED eine kommunistisch ausgerichtete Organi- Miglieder und mit ihnen verbundenen Auto- sation, sondern überparteilicher Fachver- ren. Dieses Treffen kam nicht zustande, band«.152 »Echo der Woche« reagierte auf aber 1948 wurde die deutlich sozialisti- die Zurückweisung der Krit k mit dem Ein- sche, der SED und ihrem aktuellen politi- wand, an der beschriebenen Lage in Mün- schen und ökonomischen Programm ver- chen solle sich nichts ändern, und druckte pflichtete Orientierung der Schriftsteller einen Beitrag von Albin Stuebs, der den forciert. Parteienunmut verdeutlichte, mit dem er Für die Durchsetzung dieses Vorhabens schon die Aufmerksamkeit der Kongreß- spielte die Gewerkschaft eine bestimmte teilnehmer gefunden hatte. Versuche, das Rolle. Schon vor dem Schriftstellerkongreß Gemeinsame der verschiedenen Kräfte zu war eine »Kulturwoche der Berliner Ge- betonen, markierte er als naiv und als Ver- werkschaften« angekündigt155 angekündigt kennung »kommunistischer Machenschaf- 153 ten«. 154Zentraler Kulturausschuß. Sitzung am 31. 10. Der Kongreß fand auch bei führenden 1947. Kurze Zusammenfassung des Sitzungser- Kräften im Apparat der SED wenig Gefal- gebnisses zit. bei Heider (vgl. Anm. 19), S. 81 (nach IfGA ZPS, Bestand 2/9O6/ 4, S. 106). Vgl. zu den Vorgängen der parteipolitischen Neuorientierung 150Vgl. Deutsches Echo (vormals: Echo der Wo- der Kultur und der Schriftsteller in diesem Zeitraum che), 1947, 1. Jg., Nr. 21, S. 7. auch: Carsten Gansel, Parlament des Geistes, (vgl. 151Gunter Groll, Münchener Epilog zum 1. Deut- Anm. 7) und Gerd Friedrich, Politik und Kultur in der schen Schriftstellerkongreß (vgl. Anm. 4). SBZ 1945–1949. Bern – Berlin ect. 1993. 152Süddeutsche Zeitung, 8. November 1947. 155Karl Fugger, Kulturwoche der Berliner Gewerk- 153Der »Schutzverband Deutscher Autoren«. In: schaften. In: Tribüne, 5. September 1947, S. 3, Deutsches Echo, 1. Jg., 1947, Nr. 21, S. 7. vgl. auch Lutz Winckler, Das »Arbeitsprogramm 55 worden – mit durchaus eigenem, von der dem Kulturbund veranstalteten Konferenz Politik des Kulturbunds unterschiedenem »Der Zweijahrplan und die Kulturschaffen- Anspruch. Die Gewerkschaft wollte sich als den« im Oktober 1948 hat man in direkter »bedeutender kulturpolitischer Faktor«, Polemik gegen das Konzept des Schrift- »als kulturschöpferische Kraft von ent- stellerkongresses, Kultur und Literatur un- scheidender Bedeutung«156 vorstellen. Die mittelbar der angestrebten Wirtschafts- Kulturwoche sollte – jenseits der »geistrei- und Gesellschaftsform zugeordnet, sie chen Zirkel eines ästhetisierenden Sno- sollte direkte propagandistische Hilfe bei bismus« und fern von einer »›Großveran- der Planerfüllung leisten. staltung‹ im Sinne seichter KdF-Kultur« – Eine Diskussion, die in der Zeitschrift die Werktätigen befähigen, »konsequenter »Heute und Morgen« und in einer Veran- als bisher für die Veränderung der gesell- staltung des Kulturbundes in Schwerin im schaftlichen Verhältnisse« zu wirken, und März 1948 ausgetragen wurde, zeigt, daß die Künstler mahnen, in den Mittelpunkt sozialistische Autoren zum Berliner Kon- ihrer Arbeit das um seine Freiheit ringende greß auch aus eigenem Empfinden Dis- Volk zu stellen. Die Zeitung der Gewerk- tanz wahrten. In einer Gedenkrede für die schaftsorganisation »Tribüne« begrüßte wenige Wochen nach dem Treffen verstor- den Schriftstellerkongreß, sprach aber bene Ricarda Huch charakterisierte Ehm dem bürgerlichen Humanismus gesell- Welk160 die Dichterin – mit Hinweis auf ihr schaftliche Kraft ab.157 Ein späterer Kom- bedeutendes Werk, ihre mutige Haltung mentar wandte sich gegen den »Geist- während der faschistischen Herrschaft und Anspruch der Literaten« und postulierte, ihr Auftreten auf dem Schriftstellerkongreß die Fackel der Kultur gehöre »in die Hände – als eine der »Ganzheit des Lebens« ver- der werktätigen Menschen«158. pflichtete Sprecherin des »universellen Die Kulturwoche fand Ende Oktober 1947 menschlichen Geistes«, als in Berlin statt, Erich Weinert hielt die Fest- Integriationsfigur humanistischen Stre- ansprache. Ende 1947 legte Kurt Lieb- bens. Adam Scharrer polemisierte gegen mann auf einer Gewerkschaftsdelegierten- Welks Rede, in der er »billige Heldenver- konferenz ein »Kulturpolitisches Mani- ehrung«, Fürsprache für »reine Kunst«, fest«159 vor. Darin wurden »eine einheitli- Absage an »kämpferisch-fortschrittliche che deutsche Demokratie« und »eine so- Literatur« erblickte. zialistische Ordnung der Wirtschaft« als Schon Johannes R. Bechers Bemühen um Ziele der Organisation markiert. Auf der Gerhart Hauptmann hatte keineswegs all- vom FDGB angeregten, gemeinsam mit gemeine Zustimmung gefunden. Bereits Ende 1945 kritisierten Hans Lorbeer und zur Entfaltung der kulturellen Massenarbei«. Zur Kurt Huhn Bechers Vorstellungen. Die Kulturprogrammatik des FDGB 1948–1950. In: Distanz zu dem angestrebten breiten Frühe DDR Literatur (vgl. Anm. 70), S. 81ff. Bündnis weckte Reminiszenzen an das 156[Leitartikel]. In: Tribüne, 18. Oktober 1947, S. 3. 157Künder der Humanität. In: Tribüne, 6. Oktober 1947, S. 3. 160Ehm Welk, Das Werk der Ricarda Huch. In: 158[Leitartikel]. In: Tribüne, 18. Oktober 1947. Heute und Morgen, 1. Jg., 1947, Heft 8; vgl. zu 159Kulturpolitisches Manifest der Gewerkschaft der daraus folgenden Auseinanderdersetzung: Kunst und Schrifttum. In: Kunst und Schrifttum. Konrad Reich, Ehm Welk: Stationen eines Le- Mitteilungsblatt der Gewerkschaft Kunst und bens. Rostock 1978, S. 329–357; Adam Scharrer, Schrifttum im FDGB Sowjetische Besatzungszone, Über den Realismus in der Literatur. In: Heute Berlin, 1948, Nr. 1, S. 6f. und Morgen, 2. Jg., 1948, Heft 1. 56 sektiererische Mißtrauen gegen die bürger- umstritten die von Becher initiierte, auf liche Kultur von Mitgliedern des Bundes Integration gerichtete Kulturbundpolitik war proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. und blieb, die den Kongreß ermöglicht Lorbeer unterstrich den Willen zu proletari- hatte. scher Selbstbehauptung: »Die Herren nehmen ihre Plätze schon ein. Sie werden den Ton angeben, den Text bestimmen. Kommentare Ich würde mich nicht wundern, wenn auch die Herren Pohl, Barthel, Binding, von der In den aktuellen Presseberichten und den Vring und ähnliche sich einfänden. Herr zeitgenössischen Teilnehmerkommentaren Fallada ist ja schon da, Herr Heinrich zeichneten sich drei verschiedene Haltun- Mann, der der ›demokratischen‹ Gummi- gen ab. knüppelpolizei im schönen Preußenland Alexander Abusch163 benannte in dem damals so hochherzige Worte zu sagen Beitrag »Schriftsteller suchen den gemein- wußte, Herr Hauptmann und wie sie alle samen Weg« die Hoffnungen, die sozialis- 161 heißen.« Ähnliche Motive bewegten Willi tische Teilnehmer aus dem Kulturbund- Bredel, der Becher über die Auseinander- kreis mit der Zusammenkunft verbanden: setzung im Schweriner Kulturbund infor- Sie sollte »das Ende des Prozesses der mierte. Er schrieb, der unmittelbar nach Sammlung und ein neuer gemeinsamer dem Abbruch der heftigen Debatte mit Anfang für die Frauen und Männer werden, Welk gestorbene Scharrer sei »über die in die heute die demokratische deutsche Lite- Berlin praktizierte Kulturbundpolitik außer- ratur repräsentieren«. Er sah die »fort- ordentlich verbittert« gewesen, weil sie schrittliche Bedeutung der Zusammenkunft »bürgerliche Windhunde« bevorzuge und darin, daß es gelungen sei, über alle Mei- »bewährte Antifaschisten auf den Schutt- nungsverschiedenheiten hinweg das »Ver- haufen« werfe. Er selbst halte die bindende, das große Gemeinsame«, das Scharrersche Kritik an der Unterschätzung »Bekenntnis zur demokratischen Einheit jener »antifaschistischen Schriftsteller, die Deutschlands, den Willen zum Frieden für aus der Arbeiterbewegung hervorgegan- das deutsche Volk und alle Völker der Er- gen sind, zu einem großen Teil für berech- de zum geistigen Grundzug des Kongres- 162 tigt«. ses» zu machen. Über den Inhalt von De- Solche Polemiken ließen erkennen, wie mokratie und Frieden sei nur ungenau, in deutscher Abstraktion gesprochen worden. Andere äußerten sich ähnlich, ihre Berich- 161Hans Lorbeer an Johannes R. Becher, Anfang Dezember 1945; SAAdK, JBA 498; vgl. Rolf te waren vor allem Programm für künftiges Harder, Zum Anteil Johannes R. Bechers an der Handeln: »In vielen Sätzen die eine Spra- Herausbildung einer Konzeption zur politisch- che» (Ehm Welk), »Friedenskongreß des moralischen Vernichtung des Faschismus. In: Geistes» (Herbert Jhering), »Diskussion Johannes R. Becher und der Kulturbund (vgl. Anm. 19), S 26. und Sympathie» (Wolfgang Joho), »Im Willi Bredel, Bericht über die Umstände, die Gespräch bleiben!» (Wolfgang Harich). zum Tode des Schriftstellers Adam Scharrers führ- Aufgrund der von ihm beobachteten Zu- ten; SAAdK, JBA 2098; vgl. Horst Haase, Richtige rückhaltung vieler Teilnehmer aus der Bündnispolitik – keine Selbstverständlichkeit. In: Johannes R. Becher und der Kulturbund (vgl. Anm. 19) S. 68–72. 163Alexander Abusch, Schriftsteller suchen den 162 gemeinsamen Weg (vgl. Anm. 4). 57 deutsch-westlichen Sphäre sprach sich die Zeitschrift »The New Leader« ge- auch Günther Birkenfeld für die Fortset- schriebenen und vom sozialdemokrati- zung des Gesprächs und für seine Politi- schen Pressedienst in Deutschland ver- sierung aus. breiteten Beitrag machte Lasky165 als Daß eine Einigung gerade nicht zustande Gastgeber und Veranstalter des Kongres- gekommen, ja ein »großer Riß« überdeut- ses den »russischen Einpeitscher« Ale- lich geworden sei, war der Tenor im Kom- xander Dymschiz aus, apostrophierte die mentar von Arnold Bauer.164 »Babyloni- Veranstalung als einen Akt »kommunisti- sche Sprachverwirrung« sei der vorherr- schen Frontkampfes«, als einen russi- schende Eindruck gewesen – dieses aus schen Plan, die Kontrolle über deutsche der aktuellen Berichterstattung übernom- Kulturorganisationen zu erlangen. Daher mene Urteil klingt auch bei W. E. Süskind sei es notwendig gewesen, das russische an, der sich dennoch ausdrücklich für die Prestige in der deutschen Kulturpolitik zu Fortsetzung des Gesprächs aussprach. erschüttern und den amerikanischen Bauer wollte den Gegensatz nicht in Standpunkt so hart einzubringen, auch auf »West« und »Ost« fassen – er verwies auf die Gefahr hin, »der ganze Kongreß würde die Polarität zwischen denen, die »festge- abbrechen«. Die Lehre des Kongresses fahrene Begriffe«, erstarrte »Parolen und wurde nach dem Alphabeth der Truman- Schlagworte« gebrauchten, und denen, die Doktrin buchstabiert: »Der Kampf kann tief mit neuer Begrifflichkeit eine »unteilbare in Stalins eigenes Gebiet getragen werden, Wahrheit« suchten. Als Dogmatiker, die die Initiative kann den Kommunisten ent- sich bemühten, den Kongreß zu einer »po- rissen werden.« Laskys Parolen erfuhren litischen Großveranstaltung«, einer »Par- von Alexander Dymschiz die übliche Zu- teiversammlung« zu profilieren, machte rückweisung,166 wie wirksam sie im Zuge Bauer – mit den Worten von Albin Stuebs der gesamtpolitischen Entwicklung werden – die »Revenants der alten Parteien« aus, konnten, demonstrierte das Münchner vor allem die »marxistischer Konfession«. »Echo der Woche«. Ihnen stellte er die politisch ungebundenen Gelingen, Bemühen oder Scheitern – so Vertreter von »Mitmenschlichkeit und bür- lassen sich die gegensätzlichen Bewertun- gerlicher Humanität« gegenüber. Ähnlich gen des Kongresses auf den Punkt brin- markierten auch E. Montijo und E. Vietta gen. Die späteren Erinnerungen und Le- die Gegensätze. »Der allzu laute Ruf nach bensberichte von Teilnehmern dokumen- Einheit«, so Bauer, habe die »Spannung tieren, wie nachhaltig sich der Eindruck der nur noch schneller offenbar werden las- Konfrontation und der Vergeblichkeit der sen«. Er erinnerte sich der »großen Wär- Bemühungen festgesetzt hat. Daß hierin me« und des »hohen Ernstes« in Bechers Eduard Claudius, Franz Hammer, Walter Ansprache und der zustimmenden Reakti- Kolbenhoff, Hans Mayer, Maximilian on auf diese Rede, dennoch hielt er den Scheer, August Scholtis und Günther Zwiespalt für unüberwindlich. Weisenborn übereinstimmen, ist dem kal- Konfrontation gehöre auf die Tagesord- nung und müsse auch auf Kultur und Lite- ratur übertragen werden, lautete das Cre- 165Melvin J. Lasky, Stimme zum Schriftstellerkon- do einer dritten Gruppierung. In einem für greß (vgl. Anm. 4). 166Alexander Dymschitz, Ein Provokateur ohne Maske. In: Tägliche Rundschau, 11. Oktober 164Arnold Bauer, Zweierlei Sprache (vgl. Anm. 4). 1947, S. 3. 58 ten Krieg geschuldet, der für Jahrzehnte Frankfurt am Main konstituiert werden. Zur die Beziehungen zwischen den Systemen Tagung im Januar 1948 reiste mit Ernst und den Umgang mit den verschiedenen Richert ein Abgesandter der Leipziger Ideenordnungen dominierte. Schriftstellergruppe an, »infolge techni- scher Schwierigkeiten«168 aber niemand aus dem SDA-Berlin. Repräsentanten Die Spaltung der westdeutscher Verbände hatten zuvor er- Schriftstellerorganisationen klärt, da sich nach dem Scheitern der Lon- doner Viermächteverhandlungen die Lage Auf dem Berliner Treffen vorgetragene geändert habe, müsse die Haltung zum Anregungen zum Ausbau der Kooperation SDA-Berlin neu erörtert werden. Dennoch der Schriftstellerverbände, zur Bildung waren auf den weiteren Sitzungen des einer künftigen PEN-Gruppe in Deutsch- Koordinierungsausschusses im Jahre 1948 land, zur Gründung einer deutschen Aka- SDA-Mitglieder anwesend. Im März 1949 demie für die Pflege der deutschen Spra- wurde während einer Tagung westdeut- che und Literatur ließen sich auf Grund der scher Verbände in Hamburg, an der Gün- gegensätzlichen Entwicklung beider deut- ther Weisenborn teilnahm, der »Verband scher Teilgebiete nicht realisieren. Die Deutscher Autoren« (VDA) gegründet. Die- Annahme, die Tradition deutscher Kultur ser Dachorganisation schloß sich der und die Sprache werde ein festes einigen- Münchener Verband nicht an, wohl aber des Band bilden, erwies sich als Illusion. der Berliner. Schendell erklärte telepho- Insbesondere die Währungsreform hemm- nisch den Beitritt des SDA (der nachträglich te den Literaturbetrieb. Daß Berlin seine im April 1949 auf einer Generalversamm- lung des Verbandes bestätigt wurde) und Funktion als kulturelle Hauptstadt nicht 169 wiedererlangen konnte, deutete sich be- löste damit großen Beifall aus. reits an, als es nicht zur Vergabe der auf Solche Versuche zu gemeinsamer Arbeit dem Kongreß angekündigten Literaturprei- der Schriftstellerorganisationen konnten se kam.167 nicht verhindern, daß sich zwei literarische Die verschiedenen Schriftstellerorganisati- Kommunikationssysteme auf deutschem onen in Ost und West hatten bis 1947 Boden herausbildeten. Ein Kongreß, der mehr oder weniger rege Kontakte unterhal- am 18.und 19. Mai 1948 in Frankfurt am Main im Rahmen der Jubiläumsfeiern zur ten. Im Juni 1947, nach der Gründung der 170 Bi-Zone, intensivierten westdeutsche Ver- Revolution von 1848 stattfand, sollte die bände ihre Beziehungen. Nach dem 1. deutsche Geisteswelt aus allen Richtungen Deutschen Schriftstellerkongreß lehnten und ein internationales Publikum zusam- jene Kreise eine gewerkschaftliche Bin- dung verstärkt ab, die den politischen Cha- 168Stimme der Arbeit (Frankfurt a. M.), 15. Februar rakter der Zusammenkunft auf den Einfluß 1948. – Vgl. DA, 2. Jg., 1948, Heft 10/11. der Gewerkschaften zurückführten. Unge- 169Vgl. Werner Schendell, Geschäftsbericht des achtet solcher Differenzen wurde ein SDA für 1948/49. In: DA, 3. Jg., 1949, H. 1/2; Proto- Koordinierungsausschuß der Verbände koll der SDA-Vorstandssitzung vom 13. Mai 1948; GWA 1347. geplant. Er sollte im Dezember 1947 in 170Ein Teil der Referate wurde abgedruckt in: Literatur und Politik. Sieben Vorträge zur heutigen Situation in Deutschland. Hrsg. von Heinrich 167Vgl. S.XXX dieses Buches. Bechtoldt. Konstanz 1948. 59 menzuführen, aus Ostdeutschland war menarbeit mit den anderen Vorsitzenden kein Autor anwesend. Der Frankfurter mehr möglich sei. Im Frühjahr 1949 ver- Oberbürgermeister wollte mit der Veran- schärfte sich die Diskussion um die Zuge- staltung von vornherein gegen den Berliner hörigkeit des SDA zum FDGB,174 der 1948 Kongreß wirken und mit »bewußt von der in den Westsektoren verboten worden war. Politik abgetrennter Lenkung« etwas »für (Man hatte dort die Unabhängige Gewerk- das deutsche Ansehen« tun.171. Eine breite schaftsorganisation gegründet.) Zwar Begegnung wie in Berlin kam nicht zustan- konnte sich vorerst der SPD- de, dennoch sprachen die Veranstalter von Kulturfunktionär Siegfried Nestriepke – einem zweiten deutschen Schriftsteller- trotz der Unterstützung durch Walther kongreß. Der Schutzverband Deutscher Karsch und Hertha von Gebhardt – mit Schriftsteller in Hessen wahrte Distanz zu seinem Antrag nicht durchsetzen, der SDA dem Unternehmen, zumal der Initiator und möge aus dem FDGB austreten, doch sig- Organisator – der der SPD nahestehende nalisierten solche Debatten den vorbereite- Bollwerk-Verlag – ihm keine Mitsprache an der Vorbereitung des Treffens eingräumt hatte. Trotz zunächst angekündigten Inte- und zwar weil ich – und das ist der Hauptgrund – mich von jetzt ab ungeteilt meiner Arbeit zuwenden SDA resses nahmen keine Vertreter des - muß, und ferner, weil die Kompetenzen des Ge- Berlin am Kongreß teil. Der Vorstand ver- schäftsführers und des Vorsitzenden und der drei trat die Ansicht, daß Schriftstellerkongres- Vorsitzenden untereinander nicht genau abgegrenzt se nur von Schriftstellerverbänden einzu- werden konnten./ Nach dem Verlauf der letzten berufen seien und kritisierte zugleich die Sitzung glaube ich jedoch noch dem Vorstand fol- genden zusätzlichen Entschluß mitteilen zu müssen: zu dieser Zeit vom Kulturbund veranstalte- Es war mir eine schmerzliche Erfahrung, daß der ten Autorentreffen in Halle und Weimar. Sitzungsleiter Schacht es peinlich vermied, einem Mit der Zuspitzung der politischen Ausei- ausgeschiedenen Vorsitzenden auch nur das ge- nandersetzungen in Berlin verhärteten sich ringste Wort der Anerkennung für eine dreijährige ununterbrochene Tätigkeit zu widmen. – Als einer auch im SDA die Fronten zwischen den auf der wenigen Schriftsteller der Widerstandsbewegung Fortsetzung der Zusammenarbeit und auf und Mitgünder des SDA glaube ich nicht, ein solches dezidierte Abgrenzung orientierte Partei- Verhalten verdient zu haben, zumal wir im Vorstand ungen. Hermann Kasack sah im SDA Mitte unter meiner Leitung schwere und aufregende Jahre als Berufsvertretung der deutschen Schriftsteller 1948 »die einzige Stelle, in der sich hinter uns haben. Ich habe mich bemüht, das Ver- Schriftsteller der verschiedenen Richtun- trauen der Schriftsteller durch eine faire, neutrale und gen und Weltanschauungen noch an einen umsichtige Leitung des Verbandes zu rechtfertigen. Tisch setzen«172, doch Günther Um so mehr bin ich betroffen über die Kälte dieses Weisenborn trat im Oktober aus dem Vor- Verhaltens, über die Feindlichkeit und die scharfe 173 Kritik an meiner Person, die darin – beabsichtigt oder stand aus, da keine positive Zusam- unbeabsichtigt – verborgen sind. Einem Vorstand, der einem solchen Verhalten nicht widersprach, möchte ich nicht mehr angehören. Auch eine etwaige 171Vgl. Agnes Hüfner, Zweierlei Sprache (vgl. verspätete Würdigung würde für mich eine Formsa- Anm. 7). che bleiben. Meine Selbstachtung fordert von mir 172Wolfgang Kasack, Leben und Werk von Her- einen Schritt, den ich hiermit unter großem Bedauern mann Kasack. Frankfurt a. M. 1966, S. 86. und endgültig zu tun gezwungen bin:/ Ich erkläre 173Vgl. Günther Weisenborn an Werner Schendell, hiermit meinen Austritt aus dem SDA.« 25. Oktober 1948; SAAdK, GWA 1347. Es heißt 174Der SDA blieb bei der Spaltung im FDGB, er hier: »Ich schreibe dem Vorstand diesen Brief, um gehörte dem Ende 1948 gebildeten Kartell Kunst und auch schriftlich noch einmal klarzustellen, daß ich als Schrifttum an, dessen Statuten einen Paragraphen Vorsitzender des SDA endgültig zurückgetreten bin, zur politischen Neutralität der Vereinigung enthielten. 60 ten Bruch. Im September 1949 kam es zur praktisch nichts zur leistungsmäßigen, Gegengründung eines »Berliner Schrift- ideologischen und organisatorischen Stär- stellerverbandes« (BSV), an der sich füh- kung seiner mehr als 1000 Mitlgieder ge- rend Hertha von Gebhardt, Karl Friedrich tan«.176 Becher forderte daraufhin die SED- Borée, Walter Karsch, Helmut Nestriepke, Führung auf, »den Schutzverband Deut- August Scholtis beteiligten. scher Autoren zu renovieren und aus ihm In den Ländern der sowjetischen Zone einen wirklichen Schriftstellerverband zu wiederum waren 1948 Bemühungen im machen«.177 Ab Januar 195O nannte sich Gange, einen eigenen Schriftstellerver- die Organisation »Schutzverband Deut- band zu bilden. Sie gingen vornehmlich scher Autoren in der Deutschen Demokra- von der Sparte »Autoren« der Gewerk- tischen Republik«; einen Monat später schaft 17 Kunst und Schrifttum aus, die – wurde auf einer Sitzung von Delegierten getrennt vom FDGB Berlin – schon im Juli des des Zentralvorstandes der Gewerk- 1947 eine gemeinsame Zonenleitung ge- schaft Kunst und Schrifttum, des Bundes- bildet hatte. Walther Victor berichtet in vorstandes des FDGB und der Geschäfts- einem Rückblick,175 daß sich dafür vor führenden Bundesleitung des des Kultur- allem Kurt Liebmann aus Dresden einsetz- bundes die Übernahme in den Kulturbund te, der in der Gewerkschaft Kunst und beschlossen und im April der »Deutsche Schrifttum arbeitete. Liebmann fuhr mit Schriftstellerverband (DSV) im Kulturbund Victor »1948 nach Berlin, wo durch seine zur demokratischen Erneuerung Deutsch- Initiative der Schutzverband Deutscher lands«178 gegründet. Der DSV führte vom Autoren, Zone, gegründet wurde« (diese 4. bis 7. Juli 1950 seine erste Konferenz vorläufig nicht gänzlich aufzuhellende An- durch, die er als »2. Deutschen Schriftstel- gabe bezog sich eventuell auf die 2. Dele- lerkongreß« titulierte. Zuvor waren auf giertenkonferenz der Gewerkschaft Kunst einer Vorstandstagung – wie vom Sekreta- und Schrifttum vom 11. und 12. Mai 1948). riat des SED-Politbüros beschlossen – Auf einer Tagung der Fünf-Länder- und Rudolf Leonhard in die Vereinigung der Sparte Autoren mit über Leitung kooptiert worden.179 Die Tagung 1000 Mitgliedern wurde im Sommer 1949 sollte als Gegenveranstaltung zum »Kon- ein Vorstand gewählt, dem Liebmann, greß für kulturelle Freiheit« profiliert wer- Marchwitza, Richert, Victor und als Vorsit- den, der kurz zuvor in Westberlin stattge- zender Schendell angehörten. Liebmann funden hatte und von der Numerierung her und Marchwitza orientierten beim Aufbau an den 1. Deutschen Schriftstellerkongreß dieses neuen SDA auf eine spezifische anschließen. Die Zählung der Schriftstel- Arbeiter- und Gewerkschaftskultur. Victor kritisierte in einem Brief an Johan- 176Walther Victor an Johannes R. Becher, 23. nes R. Becher, der Verband habe eine Dezember 1949. In: Archiv des Schriftstellerver- »völlig unbedeutende Rolle gespielt und bandes, zitiert nach: Bluhm (vgl. Anm. 7). 177Johannes R. Becher an das Kleine Sekretariat, 28. 12. 1949. In: SAPMO-B/Arch, IV 2/906/265; 175Walther Victor an den Vorstand des Deutschen zitiert nach: Gansel (vgl. Anm. 7). Schriftstellerverbandes, 25. Mai 1967. In: Wal- 178Vgl. Karl Grünberg, Memorandum über den ther-Victor-Archiv, zitiert nach Bluhm (vgl. Anm. derzeitigen Stand des SDA und seine Perspektiven 7); Walther Victor, Kurze Gründungsgeschichte vom 8. September 1950. In: SAAdK, Archiv des des deutschen Schriftstellerverbandes (1967); Schriftstellerverbandes. Zitiert nach Bluhm (vgl. Anm. SAAK 037; vgl. auch FDGB-Bundesvorstand-Archiv, 7). Abt. B 315/5362. 179Vgl. Bluhm (vgl. Anm. 7). 61 lertagungen in der DDR hat hier ihren Be- Mitglieder des bisherigen SDA warb. Die ginn. An der Veranstaltung nahmen Aufnahme von Mitgliedern des SDA e.V. Schriftsteller aus Berlin als Gäste teil, »da bzw. der SED war untersagt. Im April 1952 sie als Delegierte nicht erscheinen durf- veranstaltete auch der SDS e.V. einen 2. ten«180. Dieser Verband hat sich nach hef- Deutschen Schriftstellerkongreß. Dieser tiger Kritik an seiner unzureichenden Arbeit Verband existierte bis 1970; da er zu dem auf dem 3. Schriftstellerkongreß 1952 als Zeitpunkt nur noch drei Mitglieder hatte, selbständige Organisation neu konstituiert. wurde ihm die Rechtsfähigkeit abgespro- Der SDA-Berlin bestand – mit neuer Sat- chen. zung und unter dem neuen Namen SDA Der Aufbau eines deutschen PEN- e.V. – als sektorennübergreifender Ver- Zentrums verlief ebenfalls problematisch. band bis 1961 weiter, Arnold Zweig war Mit großer Aufmerksamkeit hatten die Teil- sein Ehrenpräsident, Herbert Roch, später nehmer des Schriftstellerkongresses die Peter Huchel sein Vorsitzender. Seit der von Wilhelm Unger übermittelten Grüße Gründung des Deutschen Schriftsteller- der Londoner PEN-Gruppe deutscher bandes ergaben sich für eine Reihe Auto- Schriftsteller im Exil aufgenommen sowie ren Doppelmitgliedschaften. Ende 1950 die Ansprache von Hermon Ould, dem ließ sich noch sagen: »Unser Verband hat Generalsekretär des internationalen PEN. in seiner Arbeit von der Berliner Spaltung Er bestätigte entgegen umlaufenden Ge- bislang nicht Notiz genommen.«181 Werner rüchten die Möglichkeit, nach der Zer- Schendell, der Geschäftsführer des SDA, schlagung des Faschismus eine PEN- war im Mai 1950 verhaftet und wegen an- Gruppe in Deutschland zu bilden und bot geblicher Unregelmäßigkeiten bei der sich als Berater und Helfer in dieser Ange- Verwaltung der Dichterstiftung Wiepersdorf legenheit an. Auf dem 19. Internationalen unter Anklage gestellt worden. Anfang PEN-Kongreß Juni 1947 in Zürich wurde 1951 versuchte er, den Verband zu liqui- mit den Stimmen von Johannes R.Becher, dieren.182 Nach seiner Freilassung begann Ernst Wiechert und Erich Kästner – sie er ab März 1951 die von Birkenfeld, Luft, waren als Repräsentanten der Literatur in Goetz und anderen unterstützte Gegen- Deutschland eingeladen worden – der Be- gründung eines Schutzverbandes Deut- schluß gefaßt, unter internationaler Kon- scher Schriftsteller e.V ( SDS e.V.) zu or- trolle die Bildung eines neuen deutschen ganisieren,183 als künftiger westberliner- PEN-Zentrums einzuleiten. Dies führte zur westdeutscher Gesamtverband um die Benennung einer deutschen PEN-Gruppe auf dem 20. Kongreß Juni 1948 in Kopen- 180Vgl. »Teilnehmer des Kongresses des Deut- hagen. Von den ersten 20 Mitgliedern hat- schen Schriftstellerverbandes am 4. und 5. 7. ten zwölf (Becher, Birkenfeld, Eggebrecht, 1950«; »Liste der noch einzuladenden Gäste«.In: Kasack, Langgässer, Penzoldt, Renn, SAAdK, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR. 181 Seghers, Tralow, Weisenborn, Wiegler, Aus dem Geschäftsbericht 1949/50; DA, 5. Jg., Wolf) am ersten Schriftstellerkongreß teil- 1951, Heft 1, S. 14. 182Vgl. Offener Brief (an Arnold Zweig); DA, 5. Jg., genommen. Auseinandersetzungen mit 1951, Heft 4. – Der Prozeß Schendell; DA, 5. Jg., politischem Hintergrund belasteten die 1951, Heft 1, S. 1. Vorgeschichte der Gründung des »P.E.N.- 183 Schutzverband Deutscher Schriftsteller e.V., An Zentrums Deutschland. Sitz München« die deutschen Schriftsteller. In: SAAdK, Archiv des Schriftstellerverbandes der DDR. Zitiert nach Bluhm und die Bildung eines gemeinsamen Prä- (vgl. Anm. 7). sidiums auf der ersten Tagung in Göttin- 62 gen November 1948. Es kam auch zu öf- an reine Sprachpflege, wenn er eine vom fentlichen Polemiken zwischen führenden Staat unabhängige »oberste Instanz der PEN- Mitgliedern184. Einen Versuch, die im Sanktionierung des aktuellen Sprachge- PEN-Club noch wirksame Zusammenarbeit brauchs« vorschlug.185 Auf umfassenderen zu beenden, erlebte der Kongreß in Wies- Vorstellungen bestanden Weisenborn und baden 1950: Eine Reihe von westdeut- andere Autoren. Während der SDA-Tagung schen Schriftstellern, unter ihnen die Berli- in Hamburg März 1949 wurde der Plan ner Rudolf Pechel und Günther Birkenfeld, entworfen, die Akademie anläßlich der auch Theodor Plievier, war bestrebt, Jo- Feier des Goethe-Geburtstages am 28. hannes R. Becher und andere Autoren aus August 1949 zu gründen und für sie – die der DDR zu isolieren und ihre Wahl in das ein Bindeglied zwischen Ost und West Präsidium zu verhindern. Axel Eggebrecht werden sollte – zwei Abteilungen vorzuse- und Günther Weisenborn, die an koopera- hen: eine Abteilung für Sprache in Dar- tiven Verkehrsformen festhalten wollten, mstadt und eine Abteilung für Literatur in widersprachen. Westdeutsche Autoren Berlin.186 Der SDA bildete im April eine erklärten sich im Oktober 1951 zu einer Kommission für die Sektion Dichtung in separaten Gruppe, die 1952 von der inter- Berlin, ein allgemeines öffentliches Inte- nationalen Dachorganisation als »PEN- resse ließ sich für das Vorhaben jedoch Zentrum der Bundesrepublik Deutschland« nicht mehr gewinnen. Am 31. März waren anerkannt wurde. Als »Deutsches P.E.N.- in der Kulturverordnung der Deutschen Zentrum Ost und West« bestand eine ge- Wirtschaftskommission rechtliche Grund- samtdeutsche Vertretung vorerst weiter, lagen für die Neugründung einer Kunst- bis sich 1967 das PEN-Zentrum der Deut- akademie im Ostteil Berlins geschaffen schen Demokratischen Republik konstitu- worden. Die ein Jahr später, am 24. März ierte. 1950, konstituierte Deutsche Akademie der Von vornherein vergeblich waren die Ver- Künste (DDR) lehnte sich an die Organisa- suche, eine Akademie zu gründen. Der tionsprinzipien und Statuten der Preußi- Koordinierungsausschuß der Schriftsteller- schen Kunstakademie an, wurde aber um verbände hatte im Januar 1948 die von die Klasse für Darstellende Kunst er- Rudolf Leonhard auf dem Kongreß skiz- gänzt.187 1949 wurden in eine zierte Idee aufgegriffen. Oskar Jancke vom Akademie für Sprache und Dichtung und in SDS München, aus dem Kreis um die Mainz die Akademie der Wissenschften Münchner Zeitschrift »Deutsche Blätter«, und der Literatur gegründet, weitere Aka- bekräftigte in einem eigenen, auf dem demien entstanden inMünchen und Frankfurter Kongreß 1948 vorgetragenen Worms. Vorschlag, daß eine solche Institution als ein »Gemeinschaftswerk aller Deutschen 185Oskar Jancke, Über eine deutsche Akademie; zustandekommen sollte«. Jancke dachte SAAdK, RLA 823. 186Vgl. H. Reuß-Löwenstein an Rudolf Leonhard, 28. März 1949; SAAdK, GWA. – Kurzer Bericht über 184Vgl. dazu den öffentlichen Briefwechsel zwi- die Generalversammlung (30. April 1949); DA, 3. Jg., schen Becher und Rudolf Pechel; Christine Ma- 1949, Heft 1/2, 2. Umschlagseite. lende: Die Wiedererrichtung und Trennung des 187Vgl. »Die Regierung ruft die Künstler«. Doku- PEN Zentrums Deutschland.1946/48–1951/ 53. In: mente zur Gründung der »Deutschen Akademie Zeitschrift für Germanistik, N.F 5 (1995) H. 1, S. 91 der Künste« (DDR) 1945–1953. Ausgewählt und ff; auch: Christine Malende, Berlin und der P.E.N.- komentiert von Petra Uhlmann und Sabine Wolf. Club. In: Unterm Notdach (vgl. Anm. 22, S. 89ff. Berlin 1993. 63 Zu den Nachspielen des Ersten Deutschen Eine Indiskretion von Susanne Kerckhoff Schriftstellerkongresses gehörte eine Ini- sorgte dafür, daß dieses Manifest der Öf- tiative, die im Juli 1948 Teilnehmer des fentlichkeit vorenthalten blieb. Sie machte Kongresses, andere Autoren, Künstler und das Anliegen in der »Berliner Zeitung« weitere Repräsentanten des kulturellen publik und zwar in einer Form, mit der sie Lebens in Berlin noch einmal vereinigen nicht nur gegen die Verabredung im SDA- sollte. Wenige Wochen nach dem Abbruch Vorstand verstieß, sondern die Sache der Zusammenarbeit der Alliierten in der selbst zu Fall bringen mußte. In einem Stadt, einer Zeit krisenhafter politischer Artikel190 verspottete sie die Vorstellung Spannungen, in der die Gefahr des Aus- von Intellektuellen, in unabhängiger Positi- bruchs kriegerischer Konflikte jedem spür- on auf die politischen Fronten Einfluß bar wurde, entwarfen Intellektuelle ein nehmen zu wollen, als »Tragikomödie poli- »Berliner Manifest«188. Der Text erinnerte tischer Gedankenlosigkeit« und erklärte an die Gemeinsamkeit der Hitlergegner entschiedene Parteinahme zum zeitgemä- und formulierte die gemeinsame Sorge um ßen Verhalten. Rudolf Pechel vermutete in den Frieden: »Wir in Berlin spüren täglich seiner Entgegnung, daß sie nicht nur im die Weißglut des Konfliktes, und wir wis- eigenen Namen sprach, sondern im Na- sen, daß Abermillionen verständiger, fort- men ihrer Partei, der SED. Diese Vermu- schrittlicher Menschen in allen Völkern tung lag nahe, obwohl Mitglieder der glei- nichts so sehr hassen wie den Krieg. Wir chen Partei die Initiative unterstützten. richten an die Weltmächte den Appell, bei Nicht viel glücklicher gestalteten sich in dem Austrag ihrer Gegensätze eines auf den Folgejahren außerinstitutionelle Be- jeden Fall zu vermeiden: den Krieg!« Das mühungen, ein Gespräch zwischen ost- Manifest war im SDA-Vorstand von Gün- und westdeutschen Autoren zustande zu ther Weisenborn, Rudolf Pechel und Gün- bringen. Neue Anläufe zum Austausch ther Birkenfeld angeregt worden. Es resul- über Gegensätzliches und Verbindendes tierte aus Gesprächen mit Leuten ver- hinweg wurden mit dem Starnberger Ge- schiedener politischer Richtungen und spräch vom März 1951 genommen,191 zu sollte zahlreichen Persönlichkeiten189 zur dem sich – nach einem von Becher, Unterschrift vorgelegt werden. Brecht, Anna Seghers, Arnold Zweig un- terzeichneten Brief »An alle deutschen Schriftsteller im Westen unseres Vaterlan- 188Berliner Manifest (unveröffentlicht); SAAdK, GWA 1347. 189Unter ihnen: Boleslaw Barlog, Johannes R. von Winterstein, Gustav von Wangenheim, Paul Becher, Ernst Busch, Boris Blacher, Heinrich Wiegler. Deiters, Fritz Erpenbeck, Walter Felsenstein, 190Susanne Kerckhoff, Der loderne Strohhalm. Die Wolfgang Goetz, Prof.Havemann, Karl Hofer, Intellektuellen und die politische Lage. In: Berliner Peter Huchel, Herbert Jhering, Alfred Kantoro- Zeitung, 13. Juli 1948; Rudolf Pechel, Die Partei wicz, Hermann Kasack, Bernhard Kellermann, der Geistigen; Susanne Kerckhoff, Die Gemein- Jürgen Kuczynski, Greta Kuckhoff, Elisabeth samkeit der Humanisten. In: Berliner Zeitung, 18. Langgässer, Wolfgang Langhoff, Carl Linfert, Juli 1948. – Die Kontroverse zog eine Auseinan- Friedrich Luft, Georg Lukács, Ernst Niekisch, Max dersetzung vor dem Ehrenrat des SDA nach sich. Pechstein, Gerhart Pohl, Edwin Redslob, Ludwig 191Vgl. Stephan Hermlin, Das Starnberger Ge- Renn, Paul Rilla, Prof.Scharoun, Karl Schmitt- spräch. Schriftsteller aus Westdeutschland und Rottluff, Anna Seghers, Renée Sintenis, Alfons der DDR an einem Tisch. In: , 3. Steiniger, Peter Suhrkamp, Max Taut, Heinz April 1951, S. 3. – Vgl. auch: Münchener Merkur, 28. Ullstein, Paul Wegener, Friedrich Wolf, Eduard März 1951. 64 des« – Autoren aus beiden deutschen Staaten zusammenfanden. Der dort ge- plante Literaturaustausch und die geplante Zeitschrift, die der »Einheit der deutschen Literatur« dienen sollte (Jahnn, Kolbenhoff, Molo, Penzoldt waren von der einen, Be- cher, Brecht, Zweig, Hermlin und Huchel von der anderen Seite dafür vorgesehen), kamen nicht zustande – auch wenn bald darauf bei Bemühungen um einen ersten deutschen Kulturkongreß in Leipzig ähnli- che Ideen verfolgt wurden.192 Dies waren nach dem Krieg die letzten Unternehmun- gen deutscher Schriftsteller, die gemein- same Not zu artikulieren und sich über verbindende Anliegen und Aufgaben zu verständigen. Der Erste Deutsche Schriftstellerkon- greß blieb bei vielen als Versuch sol- chen Gesprächs mit widersprüchlichen Erfahrungen im Gedächtnis.

192Vgl. Johannes R. Becher, Das Gespräch; Stephan Hermlin, Alle sind aufgerufen. In: Aufbau, 7. Jg., 1951, Heft 6, S. 468–691. 65

66