DIE GRÜNEN – 11. WP Fraktionssitzung: 23. 1. 1990

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23. Januar 1990: Fraktionssitzung

1 AGG, B.II.1, 2179. Überschrift: »Protokoll der 100. Fraktionssitzung am 23. 01. 1990«. Zeit: 14.20–20.00 Uhr. Sitzungsleitung: Willi Hoss, Uwe Hüser.

Anwesend:2 Abgeordnete: Beck-Oberdorf, Beer, Brauer, Briefs, Daniels, Eich, Eid, Flinner, Frieß, Garbe, Häfner, Hoss, Hüser, Kelly, Knabe, Kottwitz, Kreuzeder, Lippelt, Mechtersheimer, Meneses Vogl, Rock, Rust, Saibold, Schoppe, Stratmann, Such, Teubner, Vennegerts, Vollmer, Volmer, Wetzel, Wollny Gäste: Elmar Schmähling (Admiral im einstweiligen Ruhestand, bis 16. Januar 1990 Chef des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr)

Vor Eintritt in die Tagesordnung stellt Siggi Frieß den Änderungsantrag, den TOP IV – AG Weltwirtschaft – nach TOP V – Deutschlandpolitik – zu behandeln. Sie begründet ihren Antrag damit, daß Tay [Eich] und sie um 18.00 Uhr weg müssen. Der von ihnen eingereichte Änderungsantrag zum Grundgesetz – Wider die Wiedervereinigung – müßte in ihrer Anwesenheit diskutiert werden. Gegenrede von Ludger Volmer. Er begründet seine Gegenrede mit dem Argument, daß er auch um 18.00 Uhr weg müsse. Willi Hoss schlägt vor, daß man nicht über diesen Antrag abstimmen sollte, vielmehr solle die Fraktion versuchen, sich an den angegebenen zeitlichen Rahmen zu halten. Mit dieser Regelung sind Antragstellerin und Antragsgegner einverstanden.3

TOP I – Bericht des Fraktionsvorstandes Folgende Punkte werden von Willi Hoss berichtet:

– Von 25.–29. 01. 90 wird eine Delegation auf Einladung des Bürgerforums in die ÈSSR reisen. In der Vorstandssitzung wurde über diese Reise diskutiert und beschlossen,

daß Waltraud Schoppe, Helmut Lippelt, Milan Horáèek und u. U. Ralf Fücks vom Bundesvorstand der GRÜNEN die Delegation in die ÈSSR bilden.4 – Der Fraktionsvorstand hat über ein Treffen mit Oppositionsgruppen sowie Regierung der DDR diskutiert. Weiteres zu diesem Punkt unter TOP V. – Zum Artikel im Spiegel Nr. 3 über Gregor Gysi5 wird der Vorstand eine Beschwerde an den Presserat schicken. Des weiteren ist ein Leserbrief an den Spiegel gefertigt

1 Protokoll enthalten in Fraktionsrundbrief Nr. 69/11. WP. 2 Anwesenheitsliste in: AGG, B.II.1, 2150. – Informationen über anwesende Fraktionsmitarbeiter liegen – abgesehen von der Protokollführerin Simon – nicht vor. 3 Vgl. dazu unten TOP V. 4 Ende Januar 1990 besuchten Vertreter der GRÜNEN erstmals offiziell die ÈSSR, wo sie mit führenden Regierungsvertretern zusammenkamen. Vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 87/90 der Fraktion DIE GRÜNEN vom 30. Januar 1990; AGG, B.II.1, 1618. Vgl. ferner den Artikel »Grüne erstmals offiziell in der ÈSSR«; »taz«, 31. Januar 1990, S. 4. 5 Der »Spiegel« vom 15. Januar 1990 titelte mit »SED-Chef Gysi – Der Drahtzieher«. Zur zugehörigen Titelgeschichte »Erst Mitleid, dann zuschlagen« vgl. »Der Spiegel«, Nr. 3 vom 15. Januar 1990, S. 19–28.

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worden.6 Dieser wird in der Fraktionssitzung rumgereicht und es werden Unterschriften gesammelt. Diese Vorgehensweisen werden von der Fraktion per Akklamation genehmigt. – Der Fraktionsvorstand hat mit dem Referat Öffentlichkeitsarbeit über die Wahl- Infos gesprochen. Das Referat Öffentlichkeitsarbeit wird sich mit den Arbeitskreisen zusammensetzen und dann Mitte Februar einen Plan über die gefertigten und zu fertigenden Broschüren herausbringen.

– Am Mittwoch, den 21. 02. 1990 wird eine Fraktionssondersitzung in Wittgenstein stattfinden. Thema der Sitzung wird die Vorbereitung auf die Bundesdelegiertenkonferenz Ende März sein.7 – Nächste Fraktionssitzung wird der TOP »Verteilung der Schwerpunktmittel« behandelt.8 Die Arbeitskreise sollen bei Eberhard Stückradt Anträge zum TOP einreichen.

TOP II – lfd. parl. Woche – aktuelle Stunden Es liegen zur aktuellen Stunde der GRÜNEN zwei Anträge vor: »Waffenlieferungen in den Iran und deren Auswirkungen auf die Lage in Aserbaidschan und Armenien«, eingebracht von Christa Vennegerts »Verhinderung der Rückkehr der Roten Khmer in Kambodscha«, eingebracht von . Nachdem Christa [Vennegerts] und Petra [Kelly] ihre Anträge zur aktuellen Stunde begründet haben, erfolgt folgende Abstimmung: auf Petras [Kelly] Antrag entfallen 9 Stimmen auf Christas [Vennegerts] Antrag entfallen 5 Stimmen Enthaltungen 2 Stimmen Somit wird die aktuelle Stunde geändert und eine aktuelle Stunde zur »Verhinderung der Rückkehr der Roten Khmer in Kambodscha« eingereicht.9 Petra Kelly wird die Rede zur aktuellen Stunde der GRÜNEN halten. Die FDP hat eine aktuelle Stunde zum Thema »Situation der Akademie der Wissenschaften in Berlin« eingereicht.10 Für den Redebeitrag bewirbt sich Uli Briefs.

6 Der von der Fraktionssprecherin Vollmer und weiteren grünen MdB unterzeichnete Leserbrief thematisierte überzogene Angriffe der Presse auf den SED-PDS-Vorsitzenden Gysi: », der ›forsch-freche‹ ›Winkelzüge-Advokat‹, […] ein Mann von ›intellektueller Kälte‹ und strotzend vor ›Arroganz der Macht‹: Was will so einer?? – Na klar doch: die Parteikasse und dazu ganz DDR- Deutschland einsacken. Woher kommt so einer? Aus einer SED-Funktionärsfamilie bis ins dritte und vierte Amt. Wen schert’s, daß es sich um eine jüdische Exilantenfamilie handelt. Wenn ein Ersatzjude gebraucht wird, tut’s auch mal ein echter. Der SPIEGEL hat ihn aufgespürt, die Bild-Zeitung hat die Fährte aufgenommen – die Jagd hat schon begonnen.« Zu dem Leserbrief vgl. »Der Spiegel«, Nr. 5 vom 29. Januar 1990, S. 7. 7 Am 30. März/1. April 1990 fand eine Außerordentliche Bundesversammlung der GRÜNEN in Hagen statt. – Die geplante Sondersitzung der Fraktion am 21. Februar 1990 kam nicht zustande. Vgl. dazu Dok. 111, S. 881. 8 Vgl. dazu Dok. 111, bes. Anm. 27. 9 Zu der Aktuellen Stunde am 25. Januar 1990 betr. »Verhinderung der erneuten Machtübernahme der Roten Khmer in Kambodscha« vgl. BT Plenarprotokoll 11/191, S. 14705–14710. 10 Zu der Aktuellen Stunde am 24. Januar 1990 vgl. BT Plenarprotokoll 11/190, S. 14677–14690.

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Nach Abstimmung wird Uli Briefs die Rede zur aktuellen Stunde der FDP halten

(10 : 0 : 6). – Don., TOP 911 Bewerbungen von Helga Rock und liegen vor. Nach Abstimmung – Wilhelm [Knabe] 5 Stimmen; Helga [Rock] 8 Stimmen; Enthaltungen: 3 Stimmen – wird Helga [Rock] den Redebeitrag erhalten.

TOP III – Diskussion mit Flottillenadmiral Elmar Schmähling begrüßt Elmar Schmähling. Alfred Mechtersheimer hält ein Einführungsstatement zur Diskussion. Danach folgt eine längere Rede von Herrn Schmähling. Die Redeliste wird eröffnet und die Fraktion diskutiert zusammen mit Herrn Schmähling über friedenspolitische Positionen.

TOP IV – Bericht der AG Weltwirtschaft Dieter Bricke, Eckhard Stratmann und Ludger Volmer geben einen kurzen Bericht über den Stand der Beratungen und Fachkonferenz im März. Sie verweisen auf den der Fraktion vorliegenden Reader »Vom kapitalistischen Weltmarkt zu einer solidarischen Weltwirtschaftsordnung«.12 Nach Abschluß der Diskussion wird folgender Beschluß von der Fraktion verab- schiedet: Zur Durchführung der internationalen Fachtagung in Bonn vom 08. bis 10. März 90 (Reisekosten der ausländischen Referenten, Dolmetscher- und Übersetzungskosten) bewilligt die Fraktion DM 63 000 aus den Mitteln für die allgemeine Internationale Zusammenarbeit.

TOP V – Grundthesen zur Haltung der Fraktion zur Deutschlandpolitik Zu Beginn stellt Siggi Frieß den Antrag, die Vorlage »Entwurf zur Änderung des GG«13 auf die nächste Fraktionssitzung zu verschieben, da Siggi [Frieß] und Tay [Eich] weg müssen und eine Beschlußfassung mit geringer Präsenz bei einer GG-Initiative nicht angemessen ist.

11 Am 25. Januar 1990 kamen im der Antrag der GRÜNEN betr. »Nichttätigwerden der Bundesregierung bei der Abwendung von Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung, Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft 85/203 EWG« (BT Drs. 11/5210) sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu einem Antrag der GRÜNEN betr. Maßnahmen gegen Luftverschmutzung und Gesundheitsgefährdung durch photochemischen Smog (BT Drs. 11/2872, 11/5143) zur Behandlung. Vgl. BT Plenarprotokoll 11/191, S. 14757–14763. 12 Der Reader »Vom kapitalistischen Weltmarkt zu einer solidarischen Weltwirtschaftsordnung«, der zur Vorbereitung der entsprechend betitelten Internationalen Fachtagung vom 8. bis 10. März 1990 in Bonn diente, ist den Unterlagen zum Protokoll beigefügt. Vgl. AGG, B.II.1, 2150. 13 Der von den Abg. Beer, Brauer, Eich, Frieß und Schmidt am 17. Januar 1990 der Fraktion zugeleitete Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes unter dem Motto »Wider die Wiedervereinigung« ist dem Protokoll der Fraktionssitzung am 6. Februar 1990 beigefügt. Neben der Streichung des Wiedervereinigungsgebots in der Präambel des Grundgesetzes sah der Gesetzentwurf vor allem die Einführung einer eigenen Staatsbürgerschaft für die Bundesrepublik Deutschland vor. Außerdem sollte in Art. 23 GG die Klausel, die einen Beitritt von »anderen Teilen Deutschlands« zum Grundgesetz ermöglichte, gestrichen werden. Vgl. AGG, B.II.1, 2150.

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Die Fraktion stimmt dem Antrag einmütig zu. Somit wird die Vorlage über den Entwurf zur Änderung des GG auf nächste Fraktionssitzung verschoben und als erster TOP nach der lfd. parl. Woche behandelt.14 Der Fraktion liegt ein Thesenpapier von Willi [Hoss], Antje [Vollmer] und Waltraud [Schoppe] vor.15 Nach Abstimmung spricht die Fraktion sich für eine grundsätzliche Arbeitsgrundlage des Thesenpapieres aus (15 Ja-Stimmen, keine Gegenstimme, 4 Enthaltungen). Nach dieser Abstimmung schlägt Antje [Vollmer] vor, daß Änderungsvorschläge jetzt eingebracht werden können. Diese werden dann mit der Arbeitsgruppe eingearbeitet. Folgende Änderungsvorschläge werden von der Fraktion befürwortet (über die Vorschläge wurde nicht abgestimmt): zu These 1 »Der Widerstand gegen die Autonomiebewegungen der baltischen Staaten ...« Der Satz soll überarbeitet werden. zu These 2 »Durch das Geschrei ...« wird ersetzt durch »Durch den politischen Druck« »Wiedervereinigung« wird ersetzt durch »Einheit« zu These 3 In These 3 soll ausführlicher eingearbeitet werden: 3. Welt, Abrüstung, Demokratiefrage, multikulturelle Frage zu These 4 Kritik an SPD (wie [sie] in dem Entwurf stand) soll wieder mit hinein formuliert werden. zu These 5 Anerkennung der Staatsbürgerschaft soll mit eingearbeitet werden. Weitere Thesen mit folgendem Inhalt sollen eingearbeitet werden:

– Offenhaltung des Prozesses, Selbstbestimmungsrecht (s. dazu z. B. alter Antrag) – Wirtschafts- und Währungsreform – KSZE Die Arbeitsgruppe wird diese Änderungswünsche einarbeiten. Das Thesenpapier wird in überarbeiteter Fassung der Fraktion zur nächsten Fraktionssitzung vorliegen.16

TOP VI – Wiederbesetzung WM-Stelle Naturschutz und Landwirtschaft Nach eingehender Diskussion, ob die Stelle wiederbesetzt oder ob lediglich Werkverträge vergeben werden sollen, wird von Uwe Hüser der Kompromißvorschlag gemacht, einen befristeten Vertrag bis zum Ende der Legislaturperiode zu vergeben, wobei es sich um eine 30-Stunden-Woche handelt. Dem Antrag wird mit 8 Ja-Stimmen, 2 Gegenstimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt.

Bonn, den 05. 02. 1990 Protokollführung: [gez.] Barbara Simon 17 f. d. R. Uwe Hüser

14 Auf der nächsten Fraktionssitzung am 6. Februar 1990 wurden mehrere deutschlandpolitische Anträge behandelt, nicht jedoch der hier vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes. Vgl. Dok. 110, TOP III. 15 Vgl. hier Anlage A. 16 Vgl. dazu weiter Dok. 110, TOP III mit Anlage C.

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Anlage A

23. Januar 1990: Vorlage des Fraktionsvorstands. AGG, B.II.1, 2150.

Thesen des Fraktionsvorstandes für die Fraktionssitzung am 23. 1. 90 zur Deutschlandpolitik 1. Mit den demokratischen Erfolgen, den Volksbewegungen in der ÈSSR, der DDR, Bulgariens und Rumäniens, sind nicht nur Polen und Ungarn, sondern fast alle Mittel- Ost- und Süd-Osteuropäischen Länder als Subjekte in die europäische Politik zurück- gekehrt. Die Situation in der UdSSR hat sich dramatisch verschärft. Das Schicksal der Pere- stroika-Politik steht auf des Messers Schneide. Der Widerstand gegen die Autonomiebewegungen der baltischen Staaten, die Nationalitätenkonflikte in vielen Sowjetrepubliken, besonders jetzt im Kaukasus, [und] die wirtschaftliche Katastrophe drohen die durch Gorbatschow neu eröffneten Chancen zu friedlichen und zivilisierten Lösungswegen in Europa zu gefährden. Es geht nicht nur um die deutsch-deutschen Fragen, sondern es geht um eine mensch- liche und demokratische Perspektive für ganz Europa. Wer jetzt die Einheit Deutschlands – wie die SPD, CDU und CSU – vor die Einheit Europas stellt, verspielt das Gemeinsame Europäische Haus. Alle westeuropäischen Staaten werden gemeinsam – auch im wohlverstandenen Eigeninteresse – Osteuropa helfen müssen. 2. Die Veränderungsprozesse in Osteuropa eröffnen für Europa und weltweit große politische Chancen. Die Grundideen der Demokratie, der Gewaltfreiheit und der Verbindung von Moral und Politik, die die Revolutionen in Osteuropa prägten, eröffnen für ganz Europa die Chance, Demokratie weiterzuentwickeln. Nationalstaatlicher Egoismus in Westeuropa und nationalistische Exzesse in Osteuropa und der UdSSR bedrohen nicht nur die Stabilisierung der neuen demokratischen Verhältnisse in diesen Ländern, sondern auch die großen Chancen einer europäischen Friedensstruktur, die erstmalig in Europa ausschließlich auf demokratische Rechtsstaaten aufbauen kann. Mit der Westöffnung der osteuropäischen Staaten ist die wirtschaftlich stärkste Macht – die Bundesrepublik – in eine politische und geographische Schlüsselstellung geraten. Nichts würde Europa so sehr destabilisieren, und unsere Nachbarn so sehr verunsichern, wie eine Politik, die auf einen deutschen Nationalstaat in der Mitte Europas zusteuerte. Durch das Geschrei nach schneller Wiedervereinigung in der Bundesrepublik und bei bestehenden ökonomischen Abhängigkeiten, bei noch nicht abgeschlossenen Reformprozessen, ist das Selbstbestimmungsrecht der DDR-Bürger erheblich gefährdet. 3. Der Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus, der Zusammenbruch eines ideologisch motivierten Systemvergleichs, der mehr verdeckte als aufdeckte, bietet die Chance, unverstellt, ohne selbstberuhigenden Hinweis auf ein noch schlechteres System, die Fehler und teilweise katastrophalen ökologischen und sozialen Folgen des kapita- listischen Wirtschaftssystems aufzuzeigen und Mehrheiten für seine Veränderung zu finden. Es gibt keinen Anlaß für den Westen in zivilisatorisches Siegesgeschrei auszubrechen, denn schließlich gehen auch und gerade von den hochentwickelten Industrieländern die

17 Handschriftliche Unterschrift.

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ökologischen Zerstörungsprozesse und die Ausbeutung der Länder der 3. Welt aus. Auch von einer radikal-demokratischen Gesellschaft sind wir weit entfernt. 4. Die GRÜNEN haben als einzige Bundestagspartei seit Jahren die demokratische und ökologische Opposition in der DDR unterstützt. Der Erfolg der friedlichen Demo- kratiebewegung beim Sturz der SED-Herrschaft und der 9. November 1989 als Beginn für die Deutschen in beiden Staaten, frei miteinander umgehen zu können, entsprechen den Zielen unserer langjährigen Politik in den deutsch-deutschen Beziehungen. 5. Das unverantwortliche Schüren von Stimmungen nach »Wiedervereinigung jetzt« zielt auf ein Überstülpen der bundesdeutschen Verhältnisse auf die DDR und würde diese nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell zum »Sizilien« der BRD machen. Nur im Rahmen einer eigenständigen Entwicklung der DDR kann eine Gleichberechtigung als Voraussetzung für ein Zusammenwachsen mit der Bundesrepublik entstehen. Wir GRÜNEN treten deshalb für eine Stabilisierung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse in der DDR ein. Das ökologisch und sozial Notwendige muß schon jetzt geschehen, nicht erst nach dem 6. Mai. 6. Die GRÜNEN im Bundestag plädieren für eine enge, vertraglich abgesicherte Kooperation beider deutscher Staaten, mit dem Ziel, das Wohlstandsgefälle abzubauen – auch als Lastenausgleich für die ungleichen Ausgangsbedingungen beider Staaten – und in einem geregelten Nebeneinander einen Prozeß des Zusammenwachsens in einem sich politisch integrierenden Europa zu organisieren. Dies könnte im Rahmen einer ökologischen Konföderation geschehen. [gez.] Willi Hoss [gez.] Waltraud Schoppe [gez.] Antje Vollmer

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