Medien in Konflikten Grewenig / Jäger

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Medien in Konflikten Grewenig / Jäger Medien in Konflikten Grewenig / Jäger Medien in Konflikten Holocaust – Krieg – Ausgrenzung Herausgegeben von Adi Grewenig und Margret Jäger ISBN 3-927388-73-4 © DISS Duisburg 2000 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung Realschulstraße 51, 47051 Duisburg Telefon 0203/20249, Fax 0203/287881 Umschlaggestaltung: Peter Heuer Gestaltung und Satz: zebra kommunikationsdesign, Dortmund Druck: Rosch Buch-Druckerei, Scheßlitz Alle Rechte vorbehalten insbesondere die des öffentlichen Vortrags, der Rundfunksendung und der Fernsehausstrahlung, der fotomechanischen Wiedergabe, auch einzelner Teile 5 Inhalt Adi Grewenig / Margret Jäger Medien in Konflikten – Vorwor t . 7 Vergangenheitskonflikte Joachim Perels Vergessen – Gedenken – Erinnern Konfliktlinien im Umgang mit dem NS-Regime . 17 Brigitta Huhnke Geteilte – zerteilte Erinnerung Der Vermeidungsdiskurs zum Holocaust . 29 Alfred Schobert Walsers Wunschgeschichte der Nation . 49 Adi Grewenig Die Wehrmachtsausstellung als »Tatort« – Hybride Formen der Vermittlung zeitgeschichtlicher Diskurse . 69 Gegenwartskonflikte Michael Schwab-Trapp Der deutsche Diskurs über den Jugoslawienkrieg Skizzen zur Karriere eines moralischen Dilemmas . 97 Siegfried Jäger »Im grellen Feuerschein von Explosionen« – Diskursanalytische Annäherung an einen Kommentar zum Kosovo-Krieg nach den ersten drei »Bombennächten« (vom 27.3.9 9 ) . 111 6 Inhalt Ernst Schulte-Holtey Das Ereignis dieses Krieges Orientierungsversuche im Frühjahr 1999 . 133 Margret Jäger Kopplungen – Zur Verknüpfung rechtsextremer Diskurse in den hegemonialen Mediendiskursen . 149 Soziale Konflikte Ursula Kreft Soziale Ordnung und soziale Krise in deutschen Printmedien . 177 Rolf Parr »Gürtel enger schnallen« – Ein Kollektivsymbol der neuen deutschen Normalität . 201 Ute Gerhard »Nomaden« – Zur Geschichte eines rassistischen Stereotyps und seiner Applikation . 223 Medien im Konflikt Jürgen Link »DIESE BILDER!« – Über einige Aspekte des Verhältnisses von dokumentarischen Bildmedien und Diskurs . 239 Ernst Schulte-Holtey Kurven-Intensitäten – Zur ›Erfahrbarkeit‹ statistischer Daten in den Massenmedien. 253 Reyhan Güntürk Zwischen Integration und Isolation Medienkonsum von EinwanderInnen . 275 Hans-Otto Wiebus Medien im Einwanderungsland Deutschland . 283 Über die Autorinnen und Autoren . 289 7 Adi Grewenig / Margret Jäger Medien in Konflikten – Vorwort Die Wehrmachtsausstellung, die Kontroverse um ein Mahnmal für die ermorde- ten Juden in Berlin, die von Martin Walser entfachte Debatte um ein Ende der Nachkriegszeit und der Beginn einer deutschen »Normalität, die sozialen Ver- werfungen zu Lasten von sozial Schwachen, die auch unter einer rot-grünen Ko- alition nicht ausgeglichen werden, schließlich der erste Angriffskrieg mit deut- scher Beteiligung nach dem Zweiten Weltkrieg – die Konflikte, die in Deutsch- land zur Zeit ausgetragen werden, sind nicht nur vielfältig, sondern bergen erheb- liche undemokratische Effekte in sich. Ob diese zur Geltung kommen oder zurückgedrängt werden, ist nicht zuletzt davon abhängig, wie die Medien sich in diesen Konflikten bewegen. Denn die Medien, darin ist man sich weitestgehend einig, tragen große Mit- verantwortung dafür, wie sich moderne Gesellschaften entwickeln. Diese Mit- verantwortung erstreckt sich auch auf rassistische, biopolitisch-regulierende und allgemein soziale Ausgrenzungen. In den Entwicklungstendenzen einer Gesellschaft, die vielerorts als Medien- gesellschaft kategorisiert wird, erhält das Moment der Inszenierung bei der Dar- stellung und Vermittlung von Politik ein immer größeres Gewicht; dies ist zu bedenken, wenn analytisch Prozesse spezifischer Informationspolitik rekonstru- iert werden sollen. Nach verbreiteter Auffassung in Wissenschaft und Alltag kommt audiovisu- ellen- und Print-Medien die Funktion zu, über Ereignisse, Zusammenhänge und Begebenheiten zu berichten. Dieser Auffassung zufolge existiert so etwas wie eine Realität, die es einzufangen und in Text- und Bildzusammenhängen darzu- stellen gilt. Damit kommt diesen Medien, etwa im Unterschied zu Kunst, Litera- tur, Film etc., die nach diesem Verständnis reine Fiktion sind, in erster Linie die Bedeutung zu, nicht nur die Bevölkerung zu informieren, sondern diese als Rezi- pientInnen an gesellschaftspolitischen Prozessen zu beteiligen. Nachrichtenme- 8 Adi Grewenig / Margret Jäger dien werden als Vermittler zwischen der »äußeren Welt« und der privaten Sphäre der LeserInnen bzw. ZuschauerInnen betrachtet. Es wundert deshalb auch nicht, daß es das erklärte Ziel vieler JournalistInnen und Redaktionen ist, dieser Rolle gerecht zu werden bzw. mit der Eigenpräsenta- tion und -werbung verstärkt darauf abzuheben: So sieht sich etwa das Münche- ner Nachrichtenmagazin FOCUS als Vermittler von »Fakten, Fakten, Fakten«, der Fernsehnachrichtensender N-TV wirbt damit, ein »Informationskanal« zu sein und der »Ereignis- und Dokumentationskanal« der öffentlich-rechtlichen Sender PHOENIX wird vom SPIEGEL im ersten Sendejahr als »das Geheimprogramm für die wahre Info-Elite« charakterisiert. Diese exemplarischen Kategorisierungen sollen verdeutlichen, daß – laut Eigendarstellung – der sachlichen, objektiven, neutralen, aber doch ansprechenden Berichterstattung ein besonderes Gewicht zukommt, wobei »Infotainment« durchaus als werbeträchtiges Label einzelner Präsentationsfomen und spezifischer Medien seinen Stellenwert erhält, wenn es darum geht, Ereignisse qua ihrer Nachrichtenfaktoren in einer Art und Weise aufzubereiten, die auf Konsens trifft und bei den Rezipienten die Akzeptanz für bestimmte politische Entscheidungen nicht zuletzt wegen ihrer personalisierten Darstellung nahelegt. Das dramatisierende Aufbereiten spezifischer Ereignisse in Nachrichtenmedien, das generell auf Genrewissen und narratives Wissen re- kurriert, muß dabei den Zusammenhang mit anderen Medientexten berücksichti- gen, und wenn auf die audiovisuellen Medien rekurriert wird, stets im Kontext des Gesamtprogramms gesehen werden. Eine Vorstellung, die von einer von den Medien unbeeinflußten »Realität« ausgeht, verkennt aber, daß die Art und Weise der Produktion von Nachrichten, Meldungen, Features und Dokumentationen Massenbewußtsein und auch politi- sches Bewußtsein mit Leitideen und Vorbildern beliefert, die für die Gestaltung von Wirklichkeit, die durch die Massen (und/oder Rezipientengruppen) vorge- nommen und/oder geduldet wird, maßgeblich sind. Aus unserer Sicht orientieren sich Medien nicht etwa an »der Realität«, son- dern sie rekurrieren auf bereits vorgegebene »Muster«, die für die Herausbildung und Anleitung von Massenbewußtsein einen entscheidenden Beitrag liefern. Sie produzieren Diskurse, die wesenhaft als Applikationsvorlagen bzw. -vorgaben für individuelle und kollektive Subjektivitätsbildung funktionieren. Medien lassen sich danach als eine Art »Brennglas« fassen, das vorhandenes Wissen spezifisch »bündelt« und dieses Wissen an ein Massenpublikum weiter- gibt. Sie funktionieren so als Mittler, die jenes oftmals für die Öffentlichkeit unzu- gängliche Wissen aufbereiten und plastisch darstellen. Um dieses leisten zu kön- Vortwort 9 nen, orientieren sie sich an »elementar-literarischen« Vorgaben (Link). So wer- den etwa durch den Einsatz von Kollektivsymbolen Verständigungs- und Orien- tierungshilfen gegeben, die im Rahmen der in der Bundesrepublik dominanten »Normalitätskonzeption« einen besonderen Stellenwert erhalten. Medien greifen reale Ereignisse auf und verorten sie in einem Spektrum von »Normalität« und »Abweichung«, wobei die beschworenen Abweichungen Vorgaben für Ausgren- zung und Diskriminierung liefern. Die Bewertung der dargestellten ›Fakten‹ und ›Ereignisse‹ erfolgt aus einer ex post-Perspektive. Es sind die statistischen Daten und Erhebungen, deren Durchschnitte und Toleranzen im nachhinein festlegen, was als normal zu gelten hat. Eine solche Sicht auf die Funktion von Medien wird keineswegs von allen Medienschaffenden oder KritikerInnen zur Kenntnis genommen oder gar geteilt. Umso wichtiger sind Ansätze, die eine kausalnomologische Medienwirkungsfor- schung in Frage stellen, und stattdessen der Reziprozität der Fragen – ›Was ma- chen die Medien mit den Menschen?‹ vs. ›Was machen die Menschen mit den Medien?‹ ein stärkeres Gewicht geben und nicht nur einen Paradigmenwechsel konstatieren, wie dies in einigen handlungstheoretischen und interaktionistischen Rezeptionsansätzen der Fall zu sein scheint. Der spezifischen Vermitteltheit me- dialer Kommunikationsprozesse wird dagegen Rechnung getragen, wenn eine der politischen Grundfragen der Cultural Studies, nämlich die Frage nach der sozialen Auseinandersetzung um Macht und Bedeutung, nach der Vermittlung von Macht und Bedeutung in kulturellen Prozessen erneut gestellt wird. So gehen die hier vorliegenden Beiträge – ihrem Gegenstand gemäß – in unterschiedlicher Explizitheit davon aus, daß Medien durchaus regulierend in das diskursive Geschehen eingreifen und Vorgaben produzieren, an denen alle Dis- kursbeteiligten aktiv mitwirken und in die sie alle selbst ›verstrickt‹ sind. Die Klammer dieses Bandes, dessen Beiträge generell die Möglichkeiten öf- fentlicher Aneignung deutscher Vergangenheit und Gegenwart im Rahmen poli- tischen Bewußtseins der Bundesrepublik und einer spezifischen Gedächtnispoli- tik thematisieren, bildet die Frage, wie Medien einerseits mit Konflikten, die in dieser Gesellschaft ausgetragen werden, umgehen und in welche Konflikte sie sich andererseits dabei selbst begeben. Die Beiträge, deren Kurzfassungen wir hier zur Orientierung vorstellen, gehen zu einem großen Teil
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