DIE GRÜNEN – 11. WP Fraktionssitzung: 19. 5. 1987

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19. Mai 1987: Fraktionssitzung

AGG, B.II.1, 2135. Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 19. 05. 87«. Zeit: 14.00–22.15 Uhr.

Anwesend: Abgeordnete: Beck-Oberdorf, Beer, Brahmst-Rock, Brauer, Daniels, Ebermann, Eid, Flinner, Garbe, Häfner, Hensel, Hillerich, Hoss, Hüser, Kelly, Kleinert, Knabe, Kreuzeder, Krieger, Lippelt, Mechtersheimer, Nickels, Oesterle-Schwerin, Olms, Rust, Saibold, Schily, Schmidt-Bott, Schoppe, Sellin, Stratmann, Teubner, Trenz, Unruh, Vennegerts, Vollmer, Volmer, Weiss, Wetzel, Wilms-Kegel, Wollny, Wüppesahl Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeiter: Vogt, Vesper (Fraktionsgeschäfts- führer), Zurel Gäste: Jo Müller (GAL Hamburg), Christian Schmidt (Sprecher des Bundesvorstands der Partei DIE GRÜNEN) GO-Antrag von Willi Hoss: Änderung der Tagesordnung, Diskussion zur beabsichtigten Einstellung von Uli Tost beantragt. Gegenrede Luise Teubner: Fraktionssitzung nicht der Ort für Personalentscheidungen. Beschluß: nach Hamburg/Rheinland-Pfalz-Debatte Abstimmung: 14 Ja-Stimmen 11 Nein-Stimmen 5 Enthaltungen GO-Antrag von Michael Weiss: Hamburg-Debatte soll auf TOP 7 verschoben werden. Dieser Antrag wird abgelehnt mit 14 Nein-Stimmen, 13 Ja-Stimmen.

Angelika Beer: Erweiterung TOP 2 a, Alfred-[Mechtersheimer-]Antrag und Demo. Konsens. Regula Schmidt-Bott: Antrag zur Aufnahme von Volkszählungsmitteilungen. Konsens. Helmut Lippelt: Anträge des AFI. Jutta Oesterle-Schwerin: Antrag, Hamburg-Debatte um eine Stunde zu verkürzen (von 15.00 bis 17.00 Uhr in Tagesordnung angesetzt). Gegenrede von . Abstimmung: Debatte von 1 Stunde: 14 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen Beschluß: 1 Stunde Debatte. Michael Weiss: Antrag, unter »Mitteilungen« Beratung über AK Finanzierung aufzunehmen. Imma Hillerich: Antrag zur Aufnahme der Fraktionssitzungsstruktur (unter »Berichte und Mitteilungen«).

TOP 1: Berichte und Mitteilungen Hubert Kleinert: Er berichtet über das Schreiben von Jenninger und Hamm-Brücher, die die Einladung1 aus Termingründen abgesagt haben. Die Einladung an beide wird

1 Die Fraktion DIE GRÜNEN hatte Bundestagspräsident Jenninger, dessen Stellvertreter Renger, West- phal (beide SPD) und Cronenberg (FDP) sowie die FDP-Abg. Hamm-Brücher zu einer Fraktionssitzung eingeladen, um über Grundsatzfragen von Demokratie und Parlamentarismus zu debattieren. Die Einladung stand im Zusammenhang mit einer Pressemitteilung der Fraktion vom 11.

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weiterhin aufrecht erhalten, ein geeigneter Termin wird noch vor der Sommerpause gefunden. Regula Schmidt-Bott: Antrag, daß eine derartige Fraktionssitzung nicht stattfindet. Sie äußert Ihre Entrüstung über dieses Vorhaben. Hubert Kleinert: Er äußert sich positiv zum hohen politischen Effekt für die Grünen bei einer derartigen Sitzung. GO-Antrag Helmut Lippelt: Abstimmung. 27 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen. Antrag Regula Schmidt-Bott: Abstimmung. 8 Ja-Stimmen, 24 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen. Damit ist der Antrag von Hubert Kleinert, wie geplant zu verfahren, angenommen. Persönliche Erklärung Thomas Ebermann: Nach seiner Meinung ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt ein gemeinsames Gespräch mit Jenninger unmöglich. Zusatzantrag Peter Sellin: Vor Einladung an Jenninger Debatte in Fraktion. Abstimmung: 25 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen.2 Persönliche Erklärung Hubert Kleinert: Nach seiner Einschätzung ist mit diesem Abstimmungsverhalten der Fraktion ein Gespräch mit Jenninger gegenstandslos. Persönliche Erklärung Imma Hillerich: Kritik an Einladung und Struktur der Fraktions- sitzungen. Bitte an den Fraktionsvorstand, die Planungen vernünftiger zu gestalten und nicht Einzelinitiativen vorzunehmen. Versammlungsleiterin Waltraud Schoppe: Bitte an Vertreter des AFI um Sachstandbericht »Gorbatschow«. Berichterstatter Vorschlag des AFI: Da Vorbereitung zur Gorbatschow-Debatte noch nicht abgeschlossen sei, soll die deutschlandpolitische-Debatte mit der Gorbatschow-Debatte kombiniert am 16./17. Juni in Berlin stattfinden.3 Zu beiden Schwerpunktthemen soll ein Diskussionspapier vorgelegt werden. Ellen Olms: Sie äußert sich zur Fraktionssitzung in Berlin und hat Bedenken zum Reichstagsgebäude. Ihr Vorschlag: Tagungsort Kreuzberg. Weiterer Vorschlag aus Fraktion: Abgeordnetenhaus Schöneberg. Gegenrede Otto Schily: Die Wahl eines anderen Ortes spricht von wenig Selbstbewußtsein. Wilhelm Knabe: Er will diese Debatte in Bonn führen; falls doch Berlin Tagungsort, dann plädiert er für Reichstagsgebäude. Thomas Ebermann: Er hat vorher Debatte im Vorstand vermißt. Waltraud Schoppe: Sie erklärt, daß Initiative von AFI kam, Planungen wurden an AFI zurückgegeben.

Mai 1987, in der der Abg. Häfner den ein »politisch, geistig und moralisch weitgehend verkommenes Organ« genannt und den MdB vorgeworfen hatte, weder ihrem Gewissen noch dem Grundgesetz zu folgen. Vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 341/87 vom 11. Mai 1987; AGG, B.II.1, 2199. 2 Die Frage einer Einladung an Bundestagspräsident Jenninger wurde in den Fraktionssitzungen nicht wieder aufgenommen. 3 Zur Fraktionsdebatte am 16./17. Juni 1987 über die Reformvorgänge in der UdSSR und deren außenpolitische Wirkung sowie über die deutschlandpolitischen Positionen der GRÜNEN vgl. Dok. 23 und 24.

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Helmut Lippelt: Er äußert sich zum Verfahren, Diskussion um inhaltliche Gestaltung zum 17. Juni sei weiterhin offen. Vorschlag: Vorbereitungskommission. Otto Schily: Antrag in zwei Teilen beschließen, 16. Juni Gorbatschow unstrittig. Zum 17. Juni Grundsatzbeschluß, genaue Struktur bearbeitet die Arbeitsgruppe. Karitas Hensel: Sie bittet, eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Das Deutschlandpapier ist ein Entwurf von Karitas [Hensel] und braucht Vorlauf.4 Hubert Kleinert regt an: 1. Grundsatzdebatte; 2. Festlegung auf den Ort; 3. Auftrag an Vorbereitungsgruppe. Abstimmung: zu 1. Einzelabstimmung wird gefordert. 16. [Juni] Gorbatschow: Ja-Stimmen bilden die Mehrheit. 17. Juni deutschlandpolitische Debatte: Ja-Stimmen in der Mehrheit, 2 Gegenstimmen. zu 2. a) Berlin oder Bonn: für Berlin 19 Ja-Stimmen, für Bonn 12 Ja-Stimmen.5 b) in Berlin 3 Möglichkeiten: Reichstag 14 Ja-Stimmen, Kreuzberg 13 Ja-Stimmen, Abgeordnetenhaus in Schöneberg 16 Ja-Stimmen. zu 3. 27 Ja-Stimmen für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der deutschlandpolitischen Debatte. Imma Hillerich: Appell an den Fraktionsvorstand, eine durchsichtige Planung zu gewährleisten und Bitte um Aufnahme des Themas »Gentechnologie« noch vor der Sommerpause in die Tagesordnung.6

TOP 2: [Laufende parlamentarische Woche] Hubert Kleinert berichtet: Werftenantrag wurde einstimmig von Arbeitskreis und Fraktion beschlossen. Dringender Hinweis an die Fraktion: unter Umständen namentliche Abstimmung.7 Redebeitrag -Oberdorf: Sie stellt diesen Antrag der Fraktion vor und erläutert ihn ausführlich. Helga Brahmst-Rock: Sie äußert inhaltliche Bedenken. Marieluise Beck-Oberdorf: Sie stellt nochmals heraus, daß es um zwei verschiedene Arten der Unterstützung geht – Reederhilfe – Werfthilfe.

4 In dem Deutschlandpapier vom 8. Mai 1987 wurde die West- bzw. NATO-Integration der Bundesrepublik befürwortet, da hierdurch ein überschäumender deutscher Nationalismus verhindert werde. Zu dem Papier vgl. Dok. 24, Anm. 6. 5 Die Fraktionsklausur am 16./17. Juni 1987 fand im Haus Wittgenstein in Roisdorf statt. 6 Das Thema »Gentechnologie« wurde am 29. September 1987 besprochen. Vgl. Dok. 31. 7 Am 20. Mai 1987 kam im Bundestag der Antrag der GRÜNEN (vom 19. Mai 1987) betr. »Sicherung von Werftarbeitsplätzen und -standorten« zur Beratung. Ebenfalls auf der Tagesordnung stand ein ähnlich gelagerter Antrag der SPD-Fraktion. Beide Anträge wurden in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Vgl. dazu BT Drs. 11/228, 11/296; BT Plenarprotokoll 11/12, S. 687–699, 704–708.

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Dabei geht es bei der Reederhilfe um die Veränderung der Förderrichtlinien, bei der Werfthilfe um die Erhaltung der Werften. In den Produktionsstätten selbst muß Umstrukturierung vorgesehen sein. Nähere Einzelheiten bei Marieluise [Beck-Oberdorf] selbst. Thomas Ebermann: Er äußert Kritik an SPD-Papier. Willi Hoss: Seine Kritik geht in ähnliche Richtung. 8 Christa Vennegerts: Punkt 5 a ist der Hauptpunkt für die Grünen. Zustimmung möglich, kein SPD-Antrag. Abstimmung: Zustimmung zu dem Antrag in dieser Form: 10 Ja-Stimmen; Überarbeitung des Antrags: 16 Ja-Stimmen. Zur Überarbeitung des Antrages wird eine »ad-hoc«-AG eingesetzt. Wahl der Mitglieder des Vertrauensgremiums: Hubert Kleinert.9 Aktuelle Stunde: – Antrag der Grünen: Observation und Sportlerinitiativen.10 – Antrag der CDU-Fraktion am Donnerstag über Volkszählung und Anschläge auf Volkszähler.11 – Antrag der SPD-Fraktion auf Null-Lösung und Raketendebatte am Freitag.12 Karitas Hensel: Sie bittet um vollständige Präsenz während der Fragestunde. Unmittelbar nach der Fragestunde findet die Aktuelle Stunde der CDU zur Volkszählung statt. Für die Aktuelle Stunde mit dem Thema Volkszählung bewarben sich als Redner: Gerald Häfner, Wilhelm Knabe, Regula Schmidt-Bott. Abstimmung: Gerald Häfner 16 Ja-Stimmen Regula Schmidt-Bott 10 Ja-Stimmen Wilhelm Knabe 6 Ja-Stimmen Somit wird der 1. Redebeitrag von Gerald Häfner gehalten, der 2. Beitrag von Regula [Schmidt-Bott].13

8 Im Antrag der GRÜNEN wurde unter Punkt 5a gefordert, »ein Programm zur Förderung der Entwicklung und Vermarktung schiffbaufremder, ziviler Produkte durch die Werften in Höhe von 150 Mio. DM p.a. aufzulegen«. Vgl. BT Drs. 11/296. 9 Der Kandidat der GRÜNEN, Kleinert, für die Wahl der Mitglieder des Vertrauensgremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste erhielt bei der Wahl am 21. Mai 1987 nicht die erforderliche Stimmenzahl. Vgl. BT Plenarprotokoll 11/13, S. 774 f. 10 Auf Bitten der SPD-Fraktion verzichteten die GRÜNEN auf ihren Antrag für eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Vgl. unter TOP 4. – Das Thema wurde am 4. Juni 1987 in einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde betr. »Verlautbarungen des Bundesministers des Innern über die Initiaitve ›Sportler für den Frieden‹ « behandelt. Vgl. BT Plenarprotokoll 11/16, S. 980-995. 11 Zur Aktuellen Stunde am 21. Mai 1987 betr. »gesetzwidrige und sonstige Vorkommnisse sowie Meinungsäußerungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Volkszählung« vgl. BT Plenarprotokoll 11/13, S. 801–814. 12 Die GRÜNEN übernahmen anstelle der SPD-Fraktion das Thema für diese Aktuelle Stunde. Vgl. dazu unten Anm. 18. 13 Zu den Reden der Abg. Häfner und Schmidt-Bott am 21. Mai 1987 vgl. BT Plenarprotokoll 11/13, S. 803 f. u. 808 f.

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Otto Schily übernimmt den Redebeitrag, falls als Thema der Aktuellen Stunde »Abrüstungsverhandlungen« angesetzt wird. Vorschlag von Regula Schmidt-Bott zur Volkszählung: Jeder Abgeordnete soll DM

1 000 spenden und sich bei Uwe Hüser melden. Die Teilnehmer der Sitzung nahmen diesen Vorschlag zur Kenntnis. Jochen Brauer übernimmt den 1. Redebeitrag, Karitas Hensel den 2. Beitrag beim Thema »Sportler« in der Aktuellen Stunde.14

TOP 4: Debatte zum Ergebnis der Wahlen in Hamburg und Rheinland-Pfalz15 Folgende Redner äußerten sich in 5-Minuten-Beiträgen zu diesem Thema: Helmut Lippelt, , Thomas Ebermann, Christa Vennegerts, Otto Schily, Christian Schmidt, Hubert Kleinert, Waltraud Schoppe, Peter Sellin, Dietrich Wetzel, Verena Krieger, Jo Müller, Gerald Häfner, , Eckhard Stratmann, , Lieselotte Wollny, Wilhelm Knabe, , Trude Unruh.16 Antrag von Thomas Ebermann, noch 5 Minuten zu reden, wird abgelehnt. Aktuelle Information von Hubert Kleinert über Aktuelle Stunde in dieser Woche: Die SPD bittet die Grünen darum, ihren Antrag für die Aktuelle Stunde mit dem Thema »Sportler« zurückzuziehen, da ihr Antrag zuerst eingereicht wurde und somit vorrangig sei.17 Kontroverse Diskussion zu diesem Vorschlag, an der sich Alfred Mechtersheimer, Angelika Beer, Hannelore Saibold, Hans-Jochen Brauer, Hubert Kleinert und Regula Schmidt-Bott beteiligen. Abstimmung:

14 Vgl. dazu oben Anm. 10. 15 Bei den Bürgerschaftswahlen am 17. Mai 1987 in Hamburg erzielte die Grün-Alternative Liste (GAL) 7 % der Stimmen, was einen Verlust von 3,4 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutete. Bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz am 17. Mai 1987 gewannen die GRÜNEN 1,4 % im Vergleich zu den letzten Wahlen 1983 hinzu und kamen auf 5,9 %. 16 Zur Diskussion der Wahlergebnisse innerhalb der Fraktion vgl. auch den Artikel »Das wäre zwar Idiotie, aber ein Konzept«; »taz«, 21. Mai 1987, S. 5: »Hin und her gingen die stereotypen Schuldzuweisungen: Helmut Lippelt, Realo aus Niedersachsen, hatte einfach genug von den ewigen ›Grüne streiten sich-Schlagzeilen«. Darum möchte er ›in diesen Stagnationsstunden der GAL‹ von ›der Führungscrew Trampert/Ebermann/Schmidt politische Verantwortung‹ sehen. Daß ›Köpfe rollen müßten‹, meinte er natürlich nicht, sprach es aber aus, und gab damit neuen Schlagzeilenstoff. Thomas Ebermann fand die Kleineres-Übel-Wähler zum Kotzen. Ein gewisses ›Milieu‹ habe von der GAL nur noch ›Ankoppelung an die SPD‹ gewollt, sagte er, und dann legte er gegen die Realos los. ›Ein Sperrfeuer‹ gegen die ›Linken‹ hätten die eröffnet, und gegen ›Kronzeugen aus den eigenen Reihen‹ sei es ›eben schwer, eigene Reformkonzeptionen zu vermitteln‹. […] Hubsi Kleinert gab dem ›Langen‹ aus Hamburg ein bißchen recht: Zwar nehme der Druck auf die Grünen zu, aber daß in Hamburg ein SPD-Bürgermeister ›ohne Legitimationsprobleme eine sozialliberale Koaltion eingehen kann‹ – das habe eben seine GAL ›verbrochen‹. Otto Schily ist gegen die ›Gezeitentheorie‹ von Ebbe und Flut: mal weniger, mal mehr Stimmen. Waltraud Schoppe erläuterte, daß sie in einer schwarzen Gegend mit sieben Prozent Grün-Wählern wohnt, und wendete sich gegen ›Bassumer Verhältnisse in Hamburg‹: Die GAL sei ›eine Verweigerungspartei‹, weil sie in Hamburg ›nicht eingegriffen‹ habe, und das sei eben der ›Denkzettel‹. […] Endlich versuchte Alfred Mechtersheimer sein Glück, obwohl er treffend konstatierte, ›daß wir leider schon sehr festgelegt sind‹: Man solle nicht so dramatisieren. Wenn die Grünen inhaltliche Erfolge erzielten, seien sie erstmal nicht mehr so gefragt. Die Kronzeugen aus den eigenen Reihen gebe es tatsächlich, und die, die ›auf die Fundis so einhauen‹, sollten sich mal überlegen, ob man in den Kreisverbänden mit ihrem Rausschmiß beginnen sollte! Das, so meinte er, ›wäre zwar Idiotie, aber ein Konzept‹.« 17 Vgl. dazu oben Anm. 10.

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Thema »Sportler« 6 Ja-Stimmen; Thema »Null-Lösung« 19 Stimmen 1. Beitrag: Otto Schily; 2. Beitrag: Gertrud Schilling (Petra Kelly als Ersatz)18

Antrag: Aktion in Geilenkirchen Christa Nickels stellt diese Aktion vor und plädiert für die Teilnahme an dieser Aktion (ein Informationsblatt liegt den Teilnehmern vor).19 Es folgt eine kontroverse Diskussion. Abstimmung: 27 Ja-Stimmen für die Teilnahme an der Aktion in Geilenkirchen. Angenommen.

Antrag: »Begegnungsstätte« Petra Kelly Stellt diesen Antrag vor und erläutert ihn kurz. Abstimmung: Alle Anwesenden sprechen sich für diesen Antrag aus.20 Der Punkt TOP 7.2: wird vorgezogen (Hasselbach-Resolution).21 Angelika Beer stellt diese Aktion vor. Den Teilnehmern liegt ein Flugblatt vor. Es findet keine weitere Diskussion statt. Abstimmung: Zustimmung zu dieser Erklärung. 23 Ja-Stimmen, 5 Enthaltungen. Der Punkt TOP 7.1: Einstellung von Uli Tost wird nicht protokolliert.

TOP 5: Besetzung der noch offenen Sitze in Gremien, Ausschüssen und Kommissionen Enquete-Kommission AIDS: Einzige Bewerberin für die Besetzung dieser Kommission ist Heike Wilms-Kegel; dieser Vorschlag wird akzeptiert. Einsetzung des Unterausschusses »Welternährung ...«22 – Beschlußvorlage Ludger Volmer und Uschi Eid: Diese Beschlußvorlage wird in einer Abstimmung einstimmig angenommen. Besetzung der Kommissionen des Ältestenrates: Die Fraktion einigte sich auf folgende Kommissionsmitglieder Kommission für die Rechtsstellung der Abgeordneten: Gerald Häfner

18 Zu der von der Fraktion DIE GRÜNEN beantragten Aktuellen Stunde am 22. Mai 1987 betr. »Konkrete Abrüstungschancen in Europa und die Erklärung des Bundeskanzlers Kohl vom 15. Mai 1987 zum augenblicklichen Stand der Verhandlungen über Mittelstreckenraketen« vgl. BT Plenarprotokoll 11/14, S. 871–884; zu den Reden der Abg. Lippelt, der anstelle von Schily sprach, und Schilling vgl. S. 875 f. und 871 f. 19 Vgl. hier Anlage A. 20 Zu dem Antrag vom 25. Mai 1987 betr. »Einrichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Gernika, Baskenland« vgl. BT Drs. 11/362. 21 Vgl. dazu Anlage B. 22 Der Unterausschuss »Welternährung – Weltlandwirtschaft – Weltforstwirtschaft« war dem Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zugeordnet.

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Kommission für Mitarbeiterangelegenheiten: Regula Schmidt-Bott Kommission für die Angelegenheiten der Bibliothek, des Archivs und der Datenverarbeitung: Charlotte Garbe Kommission für den deutsch-amerikanischen Jugendaustausch: Wilhelm Knabe, SV Uschi Eid Kommission Neue Informations- und Kommunikationstechniken: Bärbel Rust, SV Regula Schmidt-Bott Noch vakante Ausschüsse (auch SV- Mitglieder): Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: keine Benennung Petitionsausschuß: SV Michael Weiss und Trude Unruh Sportausschuß: keine Benennung Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: keine Benennung Verkehrsausschuß: Lilo Wollny wird Mitglied, Alfred Mechtersheimer wird SV-Mit- glied Unterausschuß Auswärtiger [Ausschuss,] Rundfunkfragen: keine Benennung Verteidigungsausschuß: SV Dietrich Wetzel und Helmut Lippelt Sonstige zu besetzende außerparlamentarische Gremien Goethe-Institut: Uschi Eid, Gerald Häfner, Otto Schily »Parl. Gruppe Luftfahrt«: Michael Weiss Kuratorium Bundeszentrale für politische Bildung: Helmut Lippelt, Imma Hillerich

TOP 7.3 (wird vorgezogen): Stiftungskommission im Bundeshauptausschuß23 Wolfgang Daniels und Gerald Häfner äußern sich kritisch zu dieser Stiftungskommission. Als Mitglieder wurden benannt: Christa Vennegerts, Uschi Eid (Gerald Häfner SV), Helmut Lippelt.

TOP 6: Haltung der Fraktion zu den geplanten Umbaumaßnahmen im Ersatzplenarsaal24 Die Teilnehmer einigten sich auf folgenden Vorschlag: mit Pult, ohne Gang, keine neuen Stehplätze.

Vorlage des AK VII für diese Fraktionssitzung (liegt schriftlich vor).25 Imma Hillerich erläutert diese Vorlage und beantragt eine ½ Stelle im Bereich des AK VII. Teilnehmer einigen sich auf Nichtbefassung dieses Antrags.

23 Vgl. hier Anlage C. 24 Aufgrund von Umbau- und Modernisierungsarbeiten am Bundeshaus tagte der Deutsche Bundestag seit September 1986 in einem nahegelegenen ehemaligen Wasserwerk im Bonner Parlamentsviertel. 25 Die Vorlage des AK VII betr. die Zuweisung einer zusätzlichen halben wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle ist dem Protokoll beigefügt. Vgl. AGG, B.II.1, 2135.

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TOP 7.4: Behindertenquotierung in der Fraktion

Michael Vesper: Es hat sich als Problem herausgestellt, wie beschlossen 10 % der ausgeschriebenen Stellen mit Behinderten zu besetzen. Er wirft die Frage auf, ob der alte Beschluß26 aufrechterhalten werden kann. 1. Antrag: Nichtbefassung in dieser Sitzung. Abstimmung: 9 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen. 2. Antrag: Sachbearbeiterstellen, Kinderbetreuung Überweisung in die Finanzkommission, Berichterstattung, neue Entscheidung. Abstimmung: keine Nein-Stimmen.

TOP 3 [Antrag »Geschlechtsneutrale Bezeichnungen«] wurde nicht mehr behandelt. Ende der Fraktionssitzung 22.15 Uhr. Protokoll: Claudia Zurel

Anlage A

[Mai 1987]: Vorlage des Abgeordneten Alfred Mechtersheimer. AGG, B.II.1, 2135.

Antrag für eine Blockadeaktion der Fraktion in Geilenkirchen am 5. 6. 1987

Die Fraktion nimmt demonstrativ nicht an der Plenardebatte am Freitag, den 5. 6. 1987 teil, sondern unternimmt eine Blockadeaktion vor der Pershing I a-Basis in Geilenkirchen. Begründung: Die Friedensbewegung hat auf ihrer Strategiekonferenz am vergangenen Wochenende zur Blockade der Cruise-Missile-Basis in Hasselbach am 28. und 29. Mai aufgerufen. Dieser Aufruf bekommt durch die Pläne von Justizminister Engelhard, Sitzblockaden in Zukunft nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit, sondern als eigenen Straftatbestand zu verfolgen, eine grundsätzliche Bedeutung über die aktuelle Null-Lösungsdebatte hinaus. Eine der klassischen Formen des gewaltfreien zivilen Widerstandes soll damit endgültig kriminalisiert, das Demonstrationsrecht noch weiter eingeschränkt werden. Wir sollten deshalb nicht nur die Blockade in Hasselbach verbal und auch durch eigene Teilnahme unterstützen, sondern durch eine eigene Blockadeaktion der Fraktion deutlich machen, daß wir weder gewillt sind, die Hinhaltetaktik der Union in der Raketenfrage weiterhin zu akzeptieren, noch tatenlos zuzuschauen, wie Minister Engelhard als Erfüllungsgehilfe der Union den Richtern legalistische Vorgaben macht, die sich bisher geweigert haben, Sitzblockaden als »Gewalttat« abzuurteilen. Wir schlagen deshalb eine Blockadeaktion der Fraktion in Geilenkirchen vor. Geilen- kirchen ist der Standort des Flugkörpergeschwaders 2 der Bundesluftwaffe. Dort sind

36 der in der BRD stationierten 72 Pershing I a-Raketen disloziert. Die Raketen sind im Besitz der Bundeswehr, die Sprengköpfe in US-Gewahrsam. Die Wahl Geilenkirchens als Blockadeort – und nicht etwa Mutlangen (Pershing II) oder Hasselbach (Cruise- Missile) – hat im wesentlichen zwei Gründe:

26 Zum Quotierungsbeschluss der Fraktion vgl. Dok. 17, Anlage B, und Dok. 19, TOP 5.

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1. die Pershing I a ist das politische Symbol der Bundesrepublik für die sogenannte »nu- kleare Teilhabe« im Bündnis. Dadurch gewinnt sie Einfluß auf die nukleare Einsatzplanung in der NATO. Durch die im Rahmen der Debatte über die erweiterte Null-Lösung verwendete offiziöse Sprachregelung »Drittstaatensysteme« kommt der Wunsch als Vater des Gedankens zum Ausdruck, die Bundesrepublik zumindest politisch-psychologisch als atomare Mittelmacht (neben Großbritannien und Frankreich) aufzuwerten. Dies ist ein Grund für die sträubende Haltung der

Bundesregierung, die Pershing I a im Rahmen einer doppelten »Null-Lösung« zur Disposition zu stellen.

2. Aber auch für den Fall, daß die atomaren Sprengköpfe der Pershing I a als Teil einer Verhandlungslösung abgezogen würden, bliebe der Bundesregierung die Möglichkeit, die Raketen zu »modernisieren« und mit einem konventionellen Sprengkopf zu bestücken (Pershing I b). Pershing I a steht damit auch für die Umrüstungspläne der Bundesregierung im Falle einer erweiterten »Null-Lösung«. Mit dieser Aktion machen wir in Übereinstimmung mit grüner Programmatik der Öffentlichkeit die Unverzichtbarkeit einseitiger Abrüstungsschritte deutlich, weil

Systeme wie die Pershing I a – selbst wenn sie bei den anstehenden Abrüstungs- vereinbarungen von der Sowjetunion ausgeklammert würden – nicht nur Bedrohung, sondern auch Selbstbedrohung sind. Alfred Mechtersheimer27 Anlage B

[Mai 1987]: Aufruf der Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE GRÜNEN. AGG, B.II.1, 2135.

Aufruf zur gewaltfreien Blockade der Cruise-Missile Stellung bei Hasselbach am 28. und 29. Mai Gerade jetzt dürfen wir uns vom Poker an den Verhandlungstischen der Supermächte nicht einlullen lassen. Wir lassen uns von Taten überzeugen: Wenn die Sowjetunion ihr Drohpotential verringern will, so werden wir ihre Schritte auf diesem Weg begrüßen. Auf unserer Seite haben wir gelernt, selber zu handeln als auf den guten Willen unserer Regierenden zu hoffen. Auch weiterhin wird es von dem politischen Druck abhängen, den wir ausüben können, ob die Aufrüstungspolitik hier weiter durchgesetzt werden kann oder nicht. Deshalb ist gerade jetzt ein Zeichen notwendig! Deshalb wird es die Blockade im Hunsrück und die Demonstration in Bonn geben. Damit ganz klar wird: Bürgerinnen und Bürger wollen die Abrüstung in diesem unserem Land und streiten dafür mit Demonstrationen und Aktionen Zivilen Ungehorsams. Der Hunsrück ist eine Region, die von der Aufrüstung buchstäblich aufgefressen und ausgesogen wird. Ausbaupläne des Flugplatzes Hahn, Goßberg, Housings für Amerikaner; militärische Kontrolle und Verschmutzung der Wasservorräte sind nur Stichworte. Hunsrücker und Hunsrückerinnen haben begonnen, sich mit Zivilem Ungehorsam der Zerstörung ihrer Heimat zu widersetzen. Nun rollt die Kriminalisierung gegen die Blockiererinnen und Blockierer vom November. Der erste Prozeß endete mit drastischen Strafen. Gegen diese »Abschreckung« setzt die Blockade Ende Mai ein Zeichen der Solidarität, ein Zeichen des Lebens, das aus Selbstbestimmung und Selbstverantwortung erwächst und sich vor Sanktionen nicht fürchtet.

27 Handschriftliche Unterschrift.

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Es ist wichtig, daß diese Aktion eine breite Unterstützung findet.

Anlage C

15. Mai 1987: Schreiben des Abgeordneten Helmut Lippelt an die Parlamentarische Geschäftsführung der Fraktion DIE GRÜNEN. AGG, B.II.1, 2135.

Liebe Leute in der PGF, ich bitte auf die Tagesordnung der nächsten Fraktionssitzung den Punkt »Neumandatierung für die Stiftungskommission des BHA« zu setzen. Begründung: Nach der BDK treten die Gespräche über endgültige Gestaltungsvorschläge für eine mögliche Stiftung jetzt in ein entscheidendes Stadium. Der Fraktion stehen bekanntlich 3 Sitze in der Kommission zur Verfügung. Die alte Fraktion hat diese seinerzeit besetzt mit: Christa Nickels, Gaby Gottwald und Hans Verheyen. Nachdem Gaby und Hans der neuen Fraktion nicht mehr angehören, scheint es mir notwendig und angebracht, den Sitz von Christa zu bestätigen und zwei neue Leute zu entsenden. Ich will nicht verhehlen, daß ich mich um einen der Sitze bewerben möchte. Da Christa [Nickels] stark die Böll-Initiative vertritt und ich ein Freund des dezentralen

Ländermodells bin, wäre die Fraktion dann auch mit Vertretern der z. Z. wichtigsten Diskussionslinien vertreten und könnte möglicherweise einen einigenden Einfluß nehmen. Herzliche Grüße Helmut [Lippelt]28

28 Das Schreiben wurde im Auftrag von einem Mitarbeiter handschriftlich unterzeichnet.

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