FBM Pressemappe
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R6 PST KULTUR IM LANDKREIS Montag, 11. November 2019, Nr. 260 DEFGH Abenteuer für alle Sinne Alter Stoff neu interpretiert Echolot-Festival zeigt Parallelen Die Freie Bühne München bringt Frank Wedekinds Stück „Lulu“ im Gautinger Bosco auf die Bühne. zwischen Barock und Gegenwart Die aus Tutzing stammende Protagonistin Luisa Wöllisch spielt die Hauptfigur betont selbstbewust Berg – Novembernebel statt Julisonne: Zur vierten Auflage wird „Echolot“ erst- mals in den Herbst verlegt. Das experimen- tierfreudige Festival im Schloss Kempfen- hausen findet am 15. und 16. November statt, Finissage zur begleitenden Ausstel- lung ist am 24. November. Diesmal stehen die vier Konzerte mit Lesung, Perfor- mances und Installationen unter dem The- ma „Beyder Zeit“: Man will die Epoche des Barocks mit der Gegenwart verbinden. Wieder verspricht das Programm, ein Abenteuer für alle Sinne zu werden – wenn man bereit ist, „Räume im Kopf zu öffnen“, wie es Elisabeth Carr formuliert. Die Kulturmanagerin, die das Festival mit dem Musiker Gunter Pretzel als künst- lerischen Leiter und der Performerin Ma- nuela Hartl organisiert, sieht in den „inno- vativen, kontrastiven und provokativen“ Events keine Veranstaltungen, sondern „gestalterische Prozesse“.Auch Pretzel be- tont, dass „Echolot immer das Suchen bein- haltet“: Jeder Programmpunkt bietet noch nie Gehörtes und Gesehenes; Musik, Vi- deos und Choreografien werden speziell für das Festival entwickelt. Hauptgrund für die Terminverschie- bung zum Jahresende sei der Bezug zum Barock: Der starke Hell-Dunkel-Kontrast im November passe hervorragend zu der Periode, die aus heutiger Sicht „ins Harmlo- se abzugleiten droht“,findet Pretzel. Dabei sei das eine Zeit enormer Spannungen ge- wesen, in der jahrhundertealte Gewisshei- ten, Werte und Hierarchien rasch erodier- ten: „Die Kirche sah sich durch die Wissen- schaft einer gewaltigen Existenzbedro- hung ausgesetzt und versuchte, den Ver- stand mit Prunk und Dekadenz zu überwäl- tigen“, sagt Pretzel. Er sieht da deutliche Parallelen zur Gegenwart: Während seine Generation noch mit positiven Technik- Utopien aufwuchs, erlebe man nun, wie sich „der Fortschritt gegen uns wendet. Die massive Intervention, Wachstum zu er- halten, führt dazu, dass wir unseren ele- mentaren Interessen zuwiderhandeln.“ Zum Auftakt am Freitag wird Pretzel kei- ne Rede halten, sondern Lyrik beider Zei- ten und eine neue Komposition des Gautin- gers Johannes X. Schachtner mit der Viola vortragen. Darauf folgt das Gastspiel des Trio Coriolis: Die drei Streicher wollen mit Werken des Renaissance-Künstlers Hein- rich Isaac und des Zwölftonmusik-Pio- niers Jefim Golyscheff dank eigens für Echolot geschriebene Übergängen die „Zei- Lulu (Luisa Wöllisch) befindet sich in der Inszenierung der Freien Bühne München in einer Zwischenwelt und wird umringt von ihren Ehemännern und Liebhabern. FOTO: GEORGINE TREYBAL ten ins schwingen und schweben bringen“, sagt Pretzel. Gegen 22 Uhr sind dann noch Video-Clips mit Neuer Musik zu sehen. von blanche mamer jekt, kein Vorgang, man müsse sie leben, alle eine Beziehung mit Lulu und lassen als selbstbewusste Frau mit einem großen wicklung ist erst schwer nachzuvollziehen, Dem Hell-Dunkel-Kontrast entspre- sagte der Behindertenbeauftragte im Land- sich ausführlich über das Objekt ihrer Be- Drang nach Freiheit, die das aufregende Le- wird aber im spätere Kontext klar. chend soll der erste Teil des finalen Kon- Gauting – Auch wenn man Luisa Wöllisch ratsamt Starnberg, Maximilian Mayer, in gierde aus. Jeder der Männer erzählt seine ben sucht. Sie sieht sie auch als Rebellin ge- Das Stück der Freien Bühne München zerts am Samstag „Düsterkeit und Grau- in dem Film „Die Goldfische“ gesehen hat, seiner Begrüßung und ermutigte das Publi- Version der Geschichte und schaut auf sei- gen die Sichtweisen der Männer ganz im ist bei weitem nicht so schwermütig wie en“ heraufbeschwören, sagt Pretzel: Mit in dem sie die Franzi spielt, ein Mädchen kum, dazu bei zu tragen, die Stigmatisie- ne Zeit mit Lulu zurück. Fast alle Schau- Sinne der jetzigen „Me too“-Debatte. Es Wedekinds moralisches Drama vermuten dem Zither-Professor Georg Glasl werde er mit Down-Syndrom, konnte man sie sich rung von Menschen mit einer Beeinträchti- spieler haben eine Behinderung, sprechen gilt also, den mehr als hundert Jahre alten ließe. Die Produktion ist durchsetzt mit ko- Musique concrète und Kompositionen von nur schwer als „Lulu“ vorstellen. Egal ob gung zu beenden. Das war ganz im Sinn gut oder auch weniger flüssig über ihre An- Text von Wedekind neu zu interpretieren mödiantischen Elementen und skurrilen John Dowland verarbeiten. Im Anschluss man in Franz Wedekinds Frauengestalt der etwa 80 Zuschauer, von denen viele sichten oder sogar über ihre Schuld. Damit und sich von der überarbeiteten Version Gags. Mit einer beachtlichen Portion Witz begleitet der Bratschist das Akkordeonduo nun den frühreifen, von Sex besessenen nach der anstrengenden Vorstellung auch der Text verstanden wird, läuft er wie auf der Lulu fesseln zu lassen. beeindrucken Dennis Fell-Hernandez als „Jeux d'Anches“ zu Improvisationen über Vamp sehen wollte oder die tragische Pro- noch zum Publikumsgespräch blieben. einem Teleprompter mit. Lulus Entdecker und erster Liebhaber, Obermedizinalrat Goll, Piani und Hugen- Barockelemente, um das Publikum „doch jektionsfläche für Männerwünsche, mit Lulu hat jedoch nicht nur Männer be- Doktor Schön, gespielt von Burchard Da- berg, und Fabian Moraw als Schigolch. Das hoffnungsfroh ins Licht zu entlassen“, wie Luisa Wöllisch konnte man sie nur schwer Lulu bezirzt nicht zirzt, auch eine Frau, die lesbische Male- binnus (ehemals Residenztheater), hat die ganzeEnsemble fasziniert durch seine gro- Pretzel halbironisch anmerkt. Zuvor wird verbinden. Doch die Inszenierung der Frei- nur Männer, sondern rin, Gräfin Geschwitz, gespielt von Noemi 12-jährige Lulu von der Straße gerettet, ße Spiellust. Luisa Wöllisch, die erste, die um 19 Uhr ein skurriler Star erwartet: Der en Bühne München, die am Samstag im Fulli, ist ihr verfallen. Ob sie die Einzige ist, mit ihr geschlafen. Er ist ein mächtiger Zei- die dreijährige Ausbildung an der Freien Trompeter, Komponist und Multi-Instru- Bosco in Gauting aufgeführt wurde, lehrte auch eine Frau die Lulu wirklich liebt, wie einige Zuschau- tungsverleger und will, dass sie sich er- Bühne absolviert hat, ist so fit, dass sie ih- mentalist Matthias Schriefl. Er war schon die Zuschauer eines Besseren. er später vermuten, wird nicht klar. Lulu, schießt, als er von ihrer Affäre mit seinem ren Kollegen, die ins Stottern kommen, so- im Vorjahr bei Echolot im Schlosshof mit Schon nach wenigen Minuten hatte Lui- Zunächst ist es nicht leicht, in die Story die von Jack the Ripper ermordet wurde, Sohn Alwa (Ernst Strich) erfährt. Doch Lu- gar den Text zuflüstern kann. seinem „Sinfonischem Alpenglühen“ zu sa, die mit Trisomie 21 geboren wurde und einzutauchen. Denn das Stück unter der und die Gräfin gelangen ebenfalls in das lu erschießt Schön und muss dafür ins Ge- Nach ihrer Lulu ist jedenfalls klar, dass Gast und wurde inzwischen gleich doppelt aus Tutzing stammt, sie voll gepackt. Sie Regie von Jan Meyer, wird aus der Rück- Zwischenreich und beginnen dort, sich auf fängnis, womit ihr Unglück seinen Lauf sie die Richtige ist für den Kulturpreis als Solist und Bandleader in Mannheim sprühte vor Charme und wirkte in ihrem schau erzählt. Es beginnt praktisch am die eigene Verantwortung und Schuld zu nimmt. Sie hat etliche Liebhaber neben ih- „Grüner Wanninger“ der Grünen-Bezirks- mit dem Neuen Deutschen Jazzpreis ausge- rückenfreien Kleid so Babyspeck-sexy, Schluss, alle Beteiligten sind auf der Büh- besinnen.Wobei Luisa Wöllisch ein ganz ei- ren drei Ehemännern und muss schließ- tagsfraktion, den sie an diesem Sonntag in zeichnet. Diesmal wird der bekennende All- dass ihre Behinderung nicht mehr wahrge- ne versammelt, sie sind tot und in einem genes Verständnis für Lulu mitbringt. Sie lich total verarmt ihren Lebensunterhalt der Starnberger Schlossberghalle bekom- gäuer mit dem Keyboarder Simon Rum- nommen wurde. Inklusion sei kein Pro- Zwischenreich eingeschlossen. Sie hatten sieht sie nicht als unterdrückte, sondern durch Prostitution verdienen. Diese Ent- men hat. mel ein „Deep Impro“ in der nur selten ge- öffneten Barock-Kapelle vortragenund da- bei „sakrale Elemente aufnehmen, aber wieder jede Grenze verlässlich ignorieren“, kündigt Pretzel an. Vernissage mit Falke Zwischen den musikalischen Grenzer- fahrungen ist um 20.30 Uhr die Vernissage Werke des Malers Karl Walther und seiner Enkelin Hara Walther sind in der Thoma-Galerie in Starnberg gemeinsam ausgestellt zur begehbaren Installation vorgesehen, die Manuel Hartel in allen Räumen des Starnberg – Der spätimpressionistische gann er ein Studium der Malerei an der Seeuferstreifen bei Bernried zu sehen ist. durchsetzte, kämpfte Walther erbittert ge- tiziert, auch in Deutschland hat sie eine lan- Schlosses arrangiert. Auf die Flaneure war- Maler Karl Walther starb 1981 in seinem Hochschule für Grafik und Buchkunst in Außerdem gibt es eine Stadtansicht von gen die Zeitströme und verfasste Streit- ge Tradition. Das vom staufischen Kaiser ten überraschende Begegnungen mit Re- Haus in Seeshaupt. Im selben Jahr wurde Leipzig, das er jedoch nicht abschloss. Be- München und drei Stillleben. Insbesonde- schriften für die traditionell-figurative Ma- Friedrich II. im 13. Jahrhundert verfasste quisiten und Lichtspielen: Maren Mon- seine Enkelin Hara geboren. Sie wuchs in reits in den 1920er-Jahren hatte er erste re