Neue Wege Über die Situation und Rezeption moderner Malerei in der Münchner Nachkriegszeit

Annette Doms

Dissertation an der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München

vorgelegt von Annette Doms

München 2004 Erstgutachter: Prof. Dr. Frank Büttner Zweitgutachter: Prof. Dr. Hubertus Kohle Tag der mündlichen Prüfung: 03.02.2004 3

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ...... 5 Die Entwicklung moderner Malerei in München seit Beginn der Sezessionsbewegungen...... 5 Eingrenzung des Themas...... 8 Methodik ...... 10 Moderne Malerei in München nach 1945 als Forschungsgegenstand...... 11

II. Neuanfänge ...... 14 1. Ausgangssituation moderner Kunst in der Westdeutschen Nachkriegszeit.....14 1.1. Gesellschaftspolitische Skizze der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg...... 14 1.2. Wunden des Hitlerreichs kultureller Wiederaufbau in der Nachkriegszeit...... 17 2. Moderne Kunst in der Nachkriegszeit Versuch einer stilistischen Begriffsbestimmung ...... 24 2.1. Ende des Krieges Hoffen auf einen Neuanfang ...... 25 2.2. Ein verändertes Weltbild Wiederaufnahme des Surrealismus und der Abstraktion...... 31 2.4. Künstlerische Fragestellungen vor und während des Kalten Krieges...... 41 2.5. Abstrakt- moderne Kunst in der zeitgenössischen Kunstdiskussion...... 44 3. Rezeption moderner Kunst in der unmittelbaren Nachkriegszeit beim Publikum...... 48

III. Situation, Produktion und Präsentation moderner Malerei in München ...... 55 1. Ausgangsbedingungen der Bildenden Kunst in München ...... 55 1.1. Die politische Ausgangssituation...... 55 1.2. Anfängliche Erfolge, Notstand und erneuter Aufschwung der Kultur ...... 57 2. Geburtsstätten der Malerei ...... 62 2.1. Freischaffende Künstler der unmittelbaren Nachkriegszeit...... 62 2.2. Akademie der Bildenden Künste ...... 64 4

3. Künstlervereinigungen ...... 79 3.1. Münchner Künstlergenossenschaft ...... 81 3.2. Münchner Sezession...... 85 3.3. Neue Gruppe...... 87 3.4. ZEN 49 ...... 90 4.Öffentliche Kunstpräsentationen...... 97 4.1. Kunstpolitik der amerikanischen Alliierten...... 97 4.1.1. Kunstpolitische Gestaltung der amerikanischen Besatzungsbehörde. 98 4.1.2. Kulturstätten der Militärbehörde: Amerikahaus und Central Art Collecting Point ...... 100 4.2. Staatliche und städtische Kunstpolitik ...... 110 4.2.1. Ausstellungsforen des Staates: Neue Sammlung und 111 4.2.2. Neuanfänge in der Städtischen Galerie ...... 121 4.2.3. Regionale Ausstellungspolitik im Vergleich...... 126 4.3. Öffentliche Kunstförderung: Ankäufe und Kunstpreise ...... 130 4.4. Resümee ...... 139 5. Privatwirtschaftliche Kunstvermittlung...... 140 5.1.Allgemeine Aspekte des Kunsthandels ...... 140 5.2. Münchner privat- und halbprivatwirtschaftliche Initiativen Informationsquellen moderner Malerei in der unmittelbaren Nachkriegszeit...... 146 5.2.1. Kunstverein ...... 147 5.2.2. Galerien der allerersten Stunde 1945 bis 1946 ...... 151 5.2.3. Galerie Günther Franke ...... 155 5.2.4. Moderne Galerie Otto Stangl...... 162 5.2.5. Weitere kleine Galerien...... 167 5.3. Resümee ...... 169 6. Rezeption des Münchner Publikums ...... 170

IV. Schlussfolgerungen...... 175 Moderne Münchner Nachkriegsmalerei eine Zusammenfassung...... 175 Moden und Märkte institutionelle Seiten des Kunstprozesses...... 179 Bedeutung für die Gegenwart ...... 181

Ausstellungsliste...... 183 Bibliographie ...... 196 5

I. Einleitung

„Die Male der Zerrüttung sind das Echtheitssiegel der Moderne; das, wodurch sie die Geschlossenheit des Immergleichen verzweifelt negiert.“1 Theodor W. Adorno

Die Malerei der Moderne ist geprägt durch eine Vielfalt stilistischer Tendenzen und individueller Persönlichkeiten, bei denen das Neue als künstlerisches Kriterium bedeutungsvoll wird. Wegbereiter der Moderne wie Cézanne, Gauguin und van Gogh brachen mit den vorherrschenden Stilrichtungen der Zeit und schufen die Basis für weiterführende Entwicklungen, innerhalb derer die Künstler den Gegenstand zunehmend aus der subjektiven Wahrnehmung heraus abbildeten und die bloße mimetische Abbildfunktion zugunsten einer Eigengesetzlichkeit des Bildes revidierten. Wie auch aus dem Zitat Adornos hervorgeht, lebt die Moderne durch die rigorose Abgrenzung von vorgegebenen Strukturen, durch den totalen Bruch mit einer uniformen Tradition, gegen die es sich zu behaupten gilt. In dem Willen der Andersartigkeit stellt sie sich äußerlich wie inhaltlich gegen bisherige Erwartungen an die Kunst, bricht die vorherrschende Ordnung, wertet diese um und kämpft für eine neue Sicht der Wirklichkeit. Inwieweit dies auch auf die moderne Malerei nach 1945 übertragbar ist, wird in der vorliegenden Studie erhellt. Sie widmet sich den Entwicklungen in München und der hiesigen, seit Gründung der Sezession ausgebildeten modernen Malerei der Nachkriegszeit.

Die Entwicklung moderner Malerei in München seit Beginn der Sezessionsbewegungen Die Entwicklung der modernen Malerei in München nahm ihren Anfang gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Gründung der Münchner Sezession im Jahre 1892. Progressive Ansätze zeigten sich in dem Gruppenzusammenschluss herausragender Künstler wie Franz von Stuck, Wilhelm Trübner und Fritz von Uhde, u.a., die von nun an geschlossen auf Konfrontationskurs mit einer nicht mehr als zeitgemäß empfundenen, im damaligen München aber vorherrschenden Kunstrichtung gingen. Auch die städtische Ausstellungspolitik galt in ihren Augen als provinziell und ablehnenswert. In bewusster Abspaltung von der herkömmlichen

1 Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie, am Main 1973, 41; 6

akademischen Lehre und der restriktiven Künstlergenossenschaft unternahmen die Sezessionisten den ersten großen Versuch einer Selbstorganisation, die der Durchsetzung neuer künstlerischer Ausdrucksformen galt. Mit Franz von Stuck oder Hermann Obrist traten so bedeutende Vertreter des Jugendstils in München hervor.

Parallel dazu wurde die ausgestellte Kunst der Stadt weiterhin von den Realitätsschilderungen eines Franz von Defregger oder Franz von Lenbach dominiert. Moderne Künstler wie oder , die in die Impressionisten schätzen gelernt hatten, übersiedelten deshalb Anfang des 20.Jahrhunderts nach , so dass der Impressionismus in München erst in seiner Spätform Einzug hielt.2

Innerhalb der öffentlichen Ausstellungspolitik wurden die modernen und auch internationalen Bestrebungen der Sezessionisten, ebenso wie die proklamierte Freiheit des künstlerischen Schaffens ignoriert. Unterstützung erhielten sie lediglich durch führende Kunsthändler wie Justin Thannhauser oder Josef Brakl, deren Erfolgsgeschichte wiederum eng mit den Sezessionen verbunden war, so dass die Kunsthandelsgeschichte ihrerseits eine vergleichbare Revolution erfuhr.

In steter Reaktion auf die Entwicklungen der Zeit kam es immer wieder zu neuen Ausdrucksformen und somit bald zu erneuten Abspaltungen innerhalb der Sezessionen selbst. Speziell für München zeigte sich dies in den der Münchner Sezession folgenden Gruppierungen Die Scholle 1899, Phalanx 1901, Die Neue Künstlervereinigung München e.V. 1909 oder 1911, deren Geschichte die avantgardistische Situation in München vor dem Zweiten Weltkrieg vergegenwärtigt.

Die ständige Suche nach einer neuen, künstlerischen Ausdrucksform präsentierte sich visuell nachvollziehbar in der künstlerischen Auseinandersetzung mit den Form- und Stilproblemen der Zeit. Sie trat durch den zunehmenden Verzicht auf perfekt gestaltete Raumperspektiven, auf wirklichkeitsgetreue Form- und Farbgebungen hervor und führte im letzten konsequenten Schritt zur vollkommenen Abkehr vom Naturvorbild zur Abstraktion, die in München durch vollzogen wurde.

2 Ebenso so spät wurde die wegbereitende Moderne mit Cézanne, Gaugin und van Gogh erst 1904 in einer Ausstellung des Münchner Kunstvereins präsentiert; 7

In anderen Ländern konnten sich derartig progressive Tendenzen kontinuierlich weiterentwickeln. In Deutschland bewirkte die Zeit des Nationalsozialismus und die damit einhergehende Kunstpolitik des „Dritten Reichs“ das Ende moderner Strömungen jeglicher Art. Die moderne Kunst wurde bald von einer spezifisch „deutschen“, einer sich an der Ästhetik des deutschen Idealismus orientierenden und von als „ewig“ gültig definierten Nationalkunst abgelöst.3 München wurde zur „Hauptstadt der deutschen Kunst“ erklärt und sollte als „Stätte des Erhabenen und Schönen“ wirken4, wodurch Wertevorstellungen eines rückwärtsgewandten und somit musealen Kunstideals der Zeit Ludwig I. in den Vordergrund traten.5 Als Wirkungsstätten dienten das neu errichtet „Haus der Deutschen Kunst“ sowie die Akademie der Bildenden Künste, deren Lehranstalt und Kunstproduktion durch NS-Künstler wie Adolf Ziegel, Josef Thorak oder Hermann Kaspar im Sinne der nationalsozialistischen Kunst zwar florierte, im Sinne der modernen Kunst jedoch stagnierte. Die moderne, spätestens 1937 von Hitler öffentlich als „entartet“ diffamierte Kunst wurde durch die staatlich gelenkte Kunstpolitik subtil aus dem Bewusstsein der Bevölkerung zu verdrängen versucht. Der Kunstpolitik des Nachkriegsdeutschlands oblag somit die Aufgabe einer gründlichen Revision ihrer Auffassung von moderner Kunst.

Unter schwierigen Verhältnissen und finanziell kaum unterstützt traten viele Künstler der Vorkriegsmoderne nach 1945 erneut hervor und präsentierten dem Publikum den Fortbestand der überlieferten, inzwischen als „publikumsfremd“ geltenden modernen Kunst. Hierzu wurden öffentliche Kunstausstellungen zur Moderne, meist mit Unterstützung der alliierten Besatzungsmächte, organisiert. Die Moderne, allen voran der Expressionismus, wurde rehabilitiert. Private Kunsthändler eröffneten wieder ihre Galerien, etablierten seinerzeit als „entartet“ diffamierte Kunst und setzten sich erneut für progressive Künstler ein.

3 Zitat: „Bis zum Machtantritt des Nationalsozialismus hat es in Deutschland eine sogenannte Kunst gegeben, d.h. also, wie es schon im Wesen des Wortes liegt, fast jedes Jahr eine andere. Das nationalsozialistische Deutschland aber will wieder eine Kunst, und diese soll und wird, wie alle schöpferischen Werke eines Volkes eine ewige sein.“, so Hitler in seiner Festrede zur Eröffnung des „Haus der deutschen Kunst“, vgl. Schuster, Klaus-Peter Hrsg.: Die „Kunststadt“ München 1937, Nationalsozialismus und „Entartete Kunst“, München 1987, 245; 4 Vgl. Breuer, Peter: Münchner Künstlerköpfe, München 1937, 211; 5 Hitler’s Absicht war es, München „... die Stellung der Kunststadt von Weltrang zurückzuerobern und auf immer zu bewahren, die zu Ludwig I. Zeiten München emportrug, es groß und glanzvoll machte.“, so die Worte in der Festschrift zur Eröffnung des Haus der deutsche Kunst, vgl. Schuster 1987, 15; 8

Deutschland wurde nach dem verlorenen Krieg in vier Besatzungszonen eingeteilt. Dies bedeutete, dass auch die Kultur eine dezentrale Entwicklung erfuhr und keine deutsche Stadt existierte, die wie zum Beispiel Paris alle Modernisierungsabsichten verband. So kam es, dass verschiedene Städte, im besonderen frühere Kunststädte wie München und Berlin die künstlerischen Nachkriegskräfte an sich zogen, wobei ab Mitte der sechziger Jahre zunehmend die rheinischen Gebiete um Köln und Düsseldorf die führende Rolle in punkto moderner Kunst einnahmen.6

Eingrenzung des Themas Das Anliegen dieser Arbeit ist, den facettenreichen Weg zu verfolgen, den die moderne, westdeutsche Malerei am Beispiel München zwischen 1945 bis 1953 durchlief. Die speziell auf München bezogene Darlegung rechtfertigt sich aus seiner exemplarischen Entwicklung, in der die moderne Kunst trotz des Provinzialismus, der München bis heute anhaftet, nicht nur zum Gedeihen kam, sondern zudem auch wichtige Impulse für die gesamtdeutsche Kunstentwicklung nach 1945 lieferte.

Angefangen bei der Betrachtung der erneuten Aufnahme der traditionellen Münchner Atelierkultur, gefolgt von der Analyse der ersten Versuche der in München wiedererwachenden modernen Vorkriegskunst, bis hin zur Darlegung der abstrakten Entwicklung, deren Durchsetzung in Westdeutschland im besonderen mit der Gruppe ZEN 49 zusammenhing, gilt das Augenmerk nicht allein den avantgardistischen Höhepunkten der Münchner Nachkriegszeit. Viel mehr gilt es der Gegenüberstellung sowohl retardierender als auch progressiver Kräfte, wodurch die Gegebenheiten der Münchner Nachkriegsmoderne überzeugend erhellt werden können.

Die spezifische Ausgangssituation der Nachkriegszeit erfordert die Entwicklung der Kunst nicht isoliert, sondern im Zusammenhang von Politik und Gesellschaft darzustellen. Die Grundlage für die Bewertung moderner Kunst in München nach dem Krieg muss deshalb zunächst die Betrachtung der historischen Ausgangssituation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Sie markiert den einführenden zweiten Teil der Arbeit.

6 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Schmied, Wieland: Malerei nach 1945. In Deutschland, Österreich und der Schweiz, Franfurt a.M., Berlin, Wien 1974, 42; 9

Betrachtet werden allgemein gesellschaftspolitische Aspekte, ebenso wie die Kunstpolitik des „Dritten Reichs“, aus der die Malerei der Nachkriegszeit in Deutschland erwuchs. Interessant erscheint hierbei vor allem w i e sich die Kunst nach 1945 aus dieser belasteten Vergangenheit heraus entwickelte. Deshalb muss zunächst skizziert werden, welche Tendenzen innerhalb der vielfältigen Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen, nach einem geeigneten Stil für die Nachkriegszeit letztendlich als modern gedeutet werden können. In Orientierung an den modernen Werken der Vorkriegszeit kam es in den ersten Jahren nach 1945 zu einem Stilpluralismus, aus dem heraus nur wenige Künstlern hervortraten, die sich durch ihre spezifische Reaktion auf die äußeren Umstände ihrer Zeit als progressiv erwiesen. Einflussreiche Faktoren wie das zu jener Zeit aufgefasste veränderte Weltbild und die zahlreich geführten Kunstdiskussionen seit Beginn des Kalten Krieges finden in diesem Zusammenhang ebenso Erwähnung wie die Kunstrezeption durch das damalige Publikum, soweit sich dies aus der Quellenlage erschließen lässt.

Der Hauptteil der Studie beginnt mit der lokalspezifischen Ausgangssituation für die Malerei der Münchner Nachkriegszeit, deren Produktion unmittelbar nach 1945 begann. Sie gestaltete sich freischaffend, innerhalb der bald wieder eröffneten Akademie oder in diversen Künstlervereinigungen. Nach einer exemplarischen Betrachtung der Kunstproduktion folgt die Analyse des Ausstellungswesens und der Vermittlung von Kunstwerken, die sowohl auf öffentliche als auch private Initiativen hin stattfand. Ausgehend von der öffentlichen Ausstellungspolitik werden hier die kunstpolitische Gestaltung durch die amerikanischen Alliierten, die staatliche ebenso wie auch die städtische Kunstpolitik sowie die öffentlichen Kunstförderungen erfasst, auf ihre jeweiligen Modernisierungsabsichten hin geprüft und in Vergleich mit regionalen Ausstellungsaktivitäten gestellt. Dem gegenüber gestellt werden die Bemühungen privater Institutionen eingehender untersucht. Angefangen bei der Geschichte des halbprivatwirtschaftlichen Kunstvereins und einigen wenigen kleinen Privatgalerien der allerersten Stunde liegt das Augenmerk auf den modernen Galerien Günther Franke und Otto Stangl, deren Namen bis heute in der Geschichte des Kunsthandels verankert sind. Neben dem Schwerpunkt der Situation moderner Malerei der Münchner Nachkriegszeit liegt ein anderer im Bereich der Kunstrezeption, die sich sowohl in der wertenden Kritik der damaligen Presserezensionen als auch in den durch das vorgefundene Quellenmaterial belegbaren Reaktionen der Münchner Ausstellungsbesucher offenbart. 10

Begleitet wird der Hauptteil durch den steten Blick auf die Tradition sowie die zukünftigen Entwicklungen der Stadt, wodurch sich die Aussagekraft der Entwicklung moderner Malerei in München nach 1945 verstärkt.

Zusammengefasst gilt die vorliegende Arbeit der Darstellung des Münchner „Kunstklimas“ der Nachkriegszeit sowie der Hervorhebung progressiver künstlerischer Entwicklungen und ihrer Förderer. Betrachtet werden öffentliche und private Kultureinrichtungen und Initiativen, kulturell engagierte Personen, das kunstinteressierte Publikum, ebenso wie auch das geistige Klima der Stadt. Um dabei dem Interesse nach einer auf alle Initiativen gleichmäßig verteilten Überblicksdarstellung moderner Münchner Nachkriegsmalerei nachzukommen, musste in einigen Kapiteln indem über die Akademie oder den Kunstverein auf eine tiefer eingehende Betrachtung verzichtet werden, was jedoch Raum für weitere Einzelforschungen ermöglicht.

Den historischen Zeitraum der vorliegenden Arbeit in groben Zügen mit dem Jahr 1953, dem Todesjahr Josef Stalins, enden zu lassen, rechtfertigt sich aus den bis dahin ausgebildeten unterschiedlichen Entwicklungen der deutschen Nachkriegsmalerei. Denn während im Verlauf der diktatorisch geführten Kulturpolitik Stalins der sozialistische Realismus als allein gültiger Stil für die DDR erklärt worden war, kam es innerhalb der in Freiheit geäußerten Kunstrichtungen des polarisierten Westens zu einem „internationalen Stil“, der sich in der Weiterentwicklung einer nach dem Krieg aufgegriffenen, abstrakten Formensprache als alles verbindende „Weltsprache“ manifestierte. Für diesen „internationalen Stil“ steht in München die Gruppe ZEN 49.

Methodik Das zentrale Interesse der Arbeit gilt der Analyse der Situation und Rezeption moderner Kunst in der Münchner Nachkriegszeit, weshalb auf ikonographische und/ oder ikonologische Fragestellungen weitgehend verzichtet wird. Vielmehr werden die zu besprechenden Werke zunächst aus dem Kontext der allgemeinen kulturellen Entwicklung zu verstehen versucht: aus der ungestörten Entwicklung moderner Kunst bis zur ihrem Stillstand im „Dritten Reich“, gefolgt von der Wiederaufnahme vorkriegsmoderner Stilarten und deren Möglichkeit zur Weiterentwicklung innerhalb der Nachkriegskultur. 11

Primär werden zwei methodische Vorgehensweisen zum Einsatz gebracht: Die stilanalytische Methode, weil man durch sie Erkenntnis über den Zusammenhang der nach 1945 vielseitig geäußerten Ausdrucksformen erlangt. Sie erweist sich deshalb als besonders hilfreich, da durch sie das jeweils Charakteristische innerhalb der stilpluralistischen Nachkriegsmalerei fokussiert und bestimmte Ausdrucksformen hervorgehoben werden können, die sich als ausschlaggebend für weitere Entwicklungen der modernen Kunst erweisen. Gleichzeitig sollen mit Hilfe strukturanalytischer Überlegungen der Formwandel moderner Kunst und die Hintergründe der Formtradition nach vorne treten. In Berufung auf Sedlmayrs strukturanalytischen Methode werden die einzelnen Kunstwerke in ihrer Gesamtheit und innerhalb der Umstände und Beweggründe, aus denen heraus sich ein Kunstwerk zu jener Zeit entwickelte, erfasst, so das die Wandlung der Struktur historisch verständlich wird.7

Daneben verhelfen differenzierte Fragestellungen wie solche zur Sozialgeschichte der Kunst, zur Rezeptionsgeschichte oder zur Kunstpsychologie dazu, die Wahrnehmung und Rezeption moderner Kunst zu erklären. Sie werden dort gestellt, wo die historischen Rezeptionsbedingungen und die Wirkungsgeschichte der Moderne in den Vordergrund treten. Dabei war die Kunstrezeption ihrerseits wiederum eng mit der weit verbreiteten Kennerschaft der zeitgenössischen Kritik und deren Werturteilen verknüpft.

Moderne Malerei in München nach 1945 als Forschungsgegenstand Hinsichtlich der deutschen Malerei nach 1945 gibt es bisher einige große Publikationen, die das gesamte Spektrum, auch über die ersten Jahre hinaus, mehr oder weniger umfassend skizzieren.8 München und seine Kunstentwicklungen nach

7 Vgl. Sedlmayr, Hans: Kunst und Wahrheit. Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte, München 1958, 12, 104, 177; 8 Zu nennen wäre an dieser Stelle: Schneede, Uwe M.: Die Geschichte der Kunst im 20.Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart, München 2001; Ausstellungskatalog: Kunst des Westens: deutsche Kunst 1945-1960, hrsg. von Ferdinand Ullrich, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996; Damus, Martin: Kunst in der BRD. 19451990. Funktionen der Kunst in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft, Reinbeck bei 1995; Borger, Hugo/ Mai, Ekkehard/ Waetzoldt, Stephan Hrsg.: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, Köln/Weimar/Wien 1991; Ausstellungskatalog: 19451985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Dieter Honisch, Nationalgalerie, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1985; Ausstellungskatalog: Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 12

dem Zweiten Weltkrieg werden hier jedoch entweder gar nicht oder nur sekundär erwähnt. Innerhalb dieser gesamtdeutschen Betrachtung markiert Karin Thomas mit ihrem im Dumont Verlag herausgegebenen Katalog „Kunst in Deutschland seit 1945“ den bisher jüngsten Stand der Forschung, indem sie den Schwerpunkt auf die Kunstentwicklung des geteilten Deutschland von 1945-1989 setzt.9 Eine verlässliche Basis für die Betrachtung der spezifischen Kunstentwicklungen in München existiert nur in wenigen Publikationen. Allen voran bietet die aufschlussreiche Zusammenfassung der städtischen Kulturpolitik Münchens von Marita Krauss einige auf Primärquellen basierende Ergebnisse, die auch die städtische Kunstpolitik bis 1954 in ihren groben Zügen erhellen.10 Daneben liefert der von Horst Ludwig zusammengestellte Katalog zur „Malerei in München im 20. Jahrhundert“ eine Zusammenfassung über die verschiedenen Kunstströmungen der Stadt, so auch eine knappe Zusammenfassung über die künstlerischen Entwicklungen der Nachkriegszeit.11 Etwas genauer betrachtet Friedrich Prinz, in der von ihm herausgegebenen Publikation „Trümmerzeit in München“, die Münchner Nachkriegskultur, indem er den „dialogischen Charakter“ Münchens hinsichtlich der traditionellen und einiger weniger innovativer Kräfte erkennt, diese Beobachtung jedoch unausgeführt lässt.12 Dafür befasst sich ein weiterer Beitrag von Marita Krauss noch einmal mit der städtischen Kunstpolitik der Jahre 1945- 1949, indem er gleichzeitig auf das Desiderat nach einer allumfassenden Beschreibung des Münchner Gesamtkunstklimas hinweist.13 Andere Darstellungen der Kunst während der Münchner Nachkriegszeit widmen sich der Etablierung der Gruppe ZEN 49. Die Publikation von Beate Frosch leistet in diesem Zusammenhang eine künstlerisch und kunstpolitisch bezogene Neubewertung der Gruppe und liefert vor allem hinsichtlich der Frage nach der amerikanischen Einflussnahme auf die zeitgenössische Münchner Kunst einige

19451955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/Wien 1983; Held, Jutta: Kunst und Kunstpolitik in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, Berlin 1981; 9 Vgl. Thomas, Karin: Kunst in Deutschland seit 1945, Köln 2002 sowie ihre vorausgegangene Publikation: Thomas, Karin: Zweimal deutsche Kunst nach 1945: 40 Jahre Nähe und Ferne, Köln 1985; 10 Vgl. Krauss, Marita: Nachkriegskultur in München. Münchner städtische Kulturpolitik 19451954, München 1985; 11 Ludwig, Horst G. Hrsg.: Vom „Blauen Reiter“ zu „Frisch gestrichen“ Malerei in München im 20. Jahrhundert, München 1997; 12 Vgl. Prinz, Friedrich Hrsg.: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch: 19451949, München 1984; 13 Vgl. Krauss, Marita: Politik und Kultur, Provinzialität und Weltbürgertum Münchens Städtische Kulturpolitik 1945-1949, in: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 19451949, hrsg. von Friedrich Prinz, München 1984, 21-38; 13

aufschlussreiche Ergebnisse, die in der vorliegenden Arbeit erweitert werden konnten.14 Der Bereich privater Kunstvermittlung wird in groben Zügen durch die von den Galeristen Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink herausgegebene Publikation über den Münchner Kunsthandel des 20. Jahrhunderts erhellt.15 Aufschlussreiche Einzelstudien existieren zu den Galerien Günther Franke und Otto Stangl.16

Das Ausmaß der Einzelforschungen macht deutlich, dass eine übergreifende und in sich geschlossene Bearbeitung der Geschichte der modernen Malerei im Nachkriegs-München fehlt. Die vorliegende Arbeit und deren wertende Betrachtung über die Anfänge der Münchner Malerei bis hin zur Konsolidierung abstrakter Kunst durch die Gruppe ZEN 49 beabsichtigt, diese Lücke zu schließen. Sie integriert einige hilfreiche Ergebnisse der genannten Einzelstudien, profitiert vor allem aber durch die Qualität des zur Verfügung stehenden Primärquellenmaterials, das bisher im Wesentlichen ungesichtet war. Zeitgenössische Briefwechsel zwischen den relevanten Persönlichkeiten und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Berichte der zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften, wie auch die zu jener Zeit verfassten Ausstellungskataloge, geben dabei nicht nur den besten, sondern auch einen lebendigen Einblick in die Kultur und Gesellschaft der Nachkriegszeit. Basierend auf diesen Quellen konnte eine Ausstellungsliste zusammengestellt werden, welche die bisher lücken- und fehlerhaften Verzeichnisse der genannten Publikationen ergänzt und einen umfassenden Überblick über den öffentlichen Zugang zu moderner Kunst in München ermöglicht.

14 Frosch, Beate: Die Künstlergruppe ZEN 49 und ihr Beitrag zur Entwicklung der gegenstandslosen Kunst in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1957, Diss., Trossingen 1992; 15 Vgl. Walser, Rupert/ Wittenbrink, Bernhard Hrsg.: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, erschienen anläßlich der Ausstellung „ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels“, Sonderschau der Kunstmesse Art Frankfurt 1989, Band I, München 1989; 16 Vgl. Schmidt, Doris Hrsg.: Briefe an Günther Franke. Porträt eines deutschen Kunsthändlers, Köln 1970; Segieth, Clelia: Etta und Otto Stangl: Galeristen, Sammler und Museumsgründer, hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels e.V., Köln 2000; 14

II. Neuanfänge

1. Ausgangssituation moderner Kunst in der Westdeutschen Nachkriegszeit

1.1. Gesellschaftspolitische Skizze der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Ausgangssituation, in der sich die deutsche Kunst in den ersten Jahren nach 1945 befand, war maßlos und folgenschwer: Das Ende des Zweiten Weltkrieges und somit das Ende der nationalsozialistischen Diktatur hinterließ nicht nur ein zerstörtes Staatswesen sowie ein in Trümmern liegendes Land. Es versetzte die Welt in Sprachlosigkeit und Schrecken als das Ausmaß der Greueltaten der Nationalsozialisten ans Tageslicht kam. Deutschland war in ein „... politisches und geistig- moralisches Vakuum im Zentrum des Kontinents“17 getreten.18

Der 8. Mai 1945 markierte den Worten Richard von Weizsäckers folgend zwar „... das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte ....“19 Doch bedeutete dieses Ende zugleich auch Unsicherheit über die Zukunft des Landes, das auf Basis der „Vier- Mächte-Erklärung“ unter den vier alliierten Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion in vier Besatzungszonen geteilt worden war. Auf der Potsdamer Konferenz Juli-August 1945 wurde eine Politik der Demokratisierung, der Entmilitarisierung und der Entnazifizierung im ehemaligen Deutschen Reich bestimmt.20

17 Bracher, Karl-Dietrich: „Erlöst und vernichtet in einem...“ Die doppelte Herausforderung der Nachkriegszeit, in: Borger, Hugo/ Mai, Ekkehard/ Waetzoldt, Stephan Hrsg.: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns Köln/ Weimar/Wien 1991, 1; 18 Der nach Amerika emigrierte Thomas Mann äußerte sich diesbezüglich am 10.05.1945 im BBC wie folgt: „Wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage, der tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt! Wie zeigt sich darin noch einmal schrecklich der Abgrund, der sich zwischen Deutschland, dem Land unserer Väter und Meister, und der gesitteten Welt aufgetan hatte.“, zitiert nach: Bärnreuther, Andrea/ Schuster, Klaus Peter Hrsg.: Das XX. Jahrhundert. Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft in Deutschland, Köln 1999, o.S.; 19 Von Weizsäcker, Richard: Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 1985, 1; 20 Vgl. Bracher 1991, 2ff sowie Blanchebarbe, Ursula: Deutschland im Spannungsfeld der nationalen Krise und seine Öffnung in die neue Welt 1945-1955, in Ausstellungskatalog: ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 126f; 15

In den Nürnberger Prozessen wurden die Hauptkriegsverbrecher der nationalistischen Führung medienwirksam vor einem internationalen Tribunal gestellt, angeklagt und verurteilt.

Die anfängliche Angst der Deutschen vor den fremden Besatzungsmächten schien zumindest in den westlichen Zonen weniger begründet, führten doch die Pläne der Westalliierten zur Umerziehung des deutschen Volkes schnell zu dessen Einbeziehung21, vor allem dann, wenn es um die politische Gestaltung des Landes ging.22 Liberale Zukunftsaussichten sowie der Plan, Deutschland beim Aufbau eines demokratischen Staatssystems zu unterstützen23, es in die freiheitlich- demokratische Welt des Westens zu integrieren, ließen die von existentieller Not und vom Verlust der Freunde oder Familienmitglieder gequälte Bevölkerung erneut hoffen. Zudem wurde die Entnazifizierung in den westlichen Zonen schon bald nicht mehr konsequent durchgeführt, was sich darin zeigte, dass die Reintegration der zu langen Haftstrafen verurteilten Nazis im Laufe der 50er Jahre, vor allem unter der Regie der CIA, schnell vorangetrieben und viele der ehemaligen Kollaborateure bei der Verwaltung und dem Aufbau der Bundeswehr in der BRD beteiligt wurden. Impulsgebend wirkte sich hierbei der zunehmende Interessenkonflikt zwischen den politischen Systemen der USA, Großbritanniens und Frankreich einerseits und der UdSSR andererseits aus. Anlass des Konflikts waren unterschiedliche politische, wirtschaftliche und soziale Konzepte. Deren Unvereinbarkeit führte im September 1947 zur Bildung einer Bizone aus amerikanisch und britisch besetzten Gebieten, zu der im März 1948 die französische Besatzungszone hinzukam. Die daraus resultierende Trizone bildete die Grundlage der später gegründeten Bundesrepublik. Berlin, das mitten in der sowjetisch besetzten Zone lag, wurde in eine Vier-Sektoren-Stadt geteilt.

Eine der grundlegenden Differenzen zwischen Ost und West zeigte sich innerhalb des die Ostblockländer ausschließenden, mit Hilfe amerikanischer Kredite aus dem

21 Dazu ein Zitat von Karl Jaspers in Reaktion auf die Äußerungen der Siegermächte in der unmittelbaren Nachkriegszeit: „Das deutsche Volk solle nicht vernichtet werden, daß heißt, uns wird eine Chance gegeben. Und das deutsche Volk solle erzogen werden, daß heißt, wir dürfen unsere eigentliche gute geistige Welt wieder aufbauen und weiterentwickeln.“, Jaspers, Karl: Antwort an Siegfried Unseld, in: Die Neue Zeitung, 25.10.1945; 22 Vgl. hierzu die Ausführungen Glasers zur alliierten Besatzung „USA“: Der freundliche Feind, in: Glaser, Hermann: Deutsche Kultur. Ein historischer Überblick von 1945 bis zur Gegenwart, München 1997, 35-42 sowie Blanchebarbe 1986, 127; 23 Im Januar 1946 fanden in Deutschland erstmals seit 1933 wieder freie Wahlen statt; 16

Marshallplan geschaffenen „European Recovery Program“ 1947, das die Wirtschaft im Westen nach dem Muster einer freien kapitalistischen Marktwirtschaft nach amerikanischen Vorbild aufzubauen verhalf, während die Ostzone an einer am Sozialismus der UdSSR orientierten Planwirtschaft festhielt. 1948 setzten die Westmächte ohne Abstimmung mit der Sowjetunion die Währungsreform durch, die zu einem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung, dem westdeutschen „Wirtschaftswunder“ führte.24 Das Scheitern einer gemeinsamen Währung verstärkte den Bruch mit den Ostmächten und führte im Juni 1948 zu einer Blockade West- seitens der UdSSR. Bis zu ihrer Beendigung im Mai 1949 musste Berlin durch die westalliierte Luftbrücke mit den wichtigsten Gütern versorgt werden. Die Blockade bekräftigte im Westen die Ablehnung des Kommunismus und intensivierte das Vertrauen zu den Amerikanern, deren Besatzungsmacht als Schutzmacht verstanden wurde. Schließlich führte der immer stärker werdende Ost-West-Konflikt zur Gründung zweier unterschiedlicher Staaten: mit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 kam es zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Staatssystem einer parlamentarischen Demokratie. Aus der sowjetisch besetzten Zone wurde am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik, die sich am Zentralismus der UdSSR orientierte. Souveränität hatte die junge Bundesrepublik damit selbstverständlich noch nicht erreicht, sie hing weiterhin von den drei Westmächten ab. Innerhalb dieses Status begann die 14-jährige Ära des an der Westintegration interessierten Bundeskanzlers Conrad Adenauer CDU, wohingegen die DDR, mit Generalsekretär Walter Ulbricht SED eine Außenpolitik in Anlehnung an die Sowjetunion forcierte.

Während Westdeutschland, vor allem durch die amerikanische Hilfe, einen wirtschaftlichen Aufschwung und damit einhergehend eine allgemeine Steigerung des Lebensstandards erfuhr, lebte Ostdeutschland innerhalb des kommunistisches Systems. Im Vergleich zur sowjetischen Besatzungsmacht verhielt sich der anfängliche Feind Amerika somit insgesamt großzügiger gegenüber seinem Besatzungsland. Er trat als Verbündeter auf und verhalf Deutschland zu einer stabilen Demokratie, etablierte ein weitgehend funktionstüchtiges kapitalistisches System, unterstützte das Land beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft und konstituierte so die Deutsche Bundesrepublik. Die Folge war freilich eine Amerikanisierung der deutschen Kultur.

24 Vgl. hierzu auch Blanchebarbe 1986, 128; 17

1.2. Wunden des Hitlerreichs — kultureller Wiederaufbau in der Nachkriegszeit

Neben der Lösung politischer Fragen zur Zukunft des Landes, galt es auch die von der NS-Zeit radikal unterbrochene und diffamierte moderne deutsche Kultur erneut zum Leben zu erwecken. Die Vielfalt des künstlerischen Schaffens während der Weimarer Republik war bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten vorbei. Schnell wurde die Bildende Kunst und die Kultur einer totalen staatlichen Kontrolle unterworfen und die vor dem Krieg kontinuierlich entwickelte Moderne diffamiert.25 Der Grund war die Unvereinbarkeit der modernen Kunst mit dem sich an einem heroischen Schönheitsideal orientierenden Kunstverständnis der nationalsozialistischen Ideologie. In einem unvorstellbaren Ausmaß kam es zur „Säuberung“ der deutschen Kunst, indem nicht nur jegliche Kritik verboten wurde26, sondern auch Bücher verbrannt, Museen geplündert, Akademien und Kunstvereine über die Personalpolitik des NS- Regimes kontrolliert, Künstler mit Malverbot belegt, über Museumskuratoren Berufsverbot verhängt und geplante Ausstellungen verhindert wurden.27 Den Gipfel der Repressionen bildete die am 19.Juli 1937 in München eröffnete Ausstellung „Entartete Kunst“28. Die von Joseph Goebbels initiierte und von Adolf Ziegler kuratierte Ausstellung präsentierte 650 konfiszierte Kunstwerke aus diversen deutschen Museen. Sie wanderte bis 1941 in zwölf weitere Städte des damaligen Reiches und wurde von rund drei Millionen Besucher gesehen. Als entartet galten vor allem die Werke des Expressionismus und der abstrakten Kunst. Man stellte ihnen Darstellungen von Krüppeln gegenüber und setzte sie mit Werken von geistig Behinderten gleich, mit dem Ziel bei den Rezipienten

25 Dies betraf vor allem die Stilrichtungen des Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubismus, Fauvismus und der Neuen Sachlichkeit. 26 Ab 1936 galt das Verbot der Kunstkritik, vgl. Schneede, Uwe M.: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart, München 2001, 170; 27 Eine gute kurze Zusammenfassung über die Diffamierung moderner Kunst im „Dritten Reich“ gibt der Beitrag „Zur Möglichkeit der individuellen künstlerischen Entwicklung während des Nationalsozialismus“, bei Straka, Barbara/ Suermann, Marie-Therese: „... die Kunst muß nämlich gar nichts!“, in Ausstellungskatalog: Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 19451955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983, 241ff; vgl. auch Schuster 1987; 28 vgl. Glaser, Hermann: Deutsche Kultur. Ein historischer Überblick von 1945 bis zur Gegenwart, München 1997, 160; 18

Beklemmungen und Widerwillen auszulösen.29 Zudem wurde die Präsentation der als „jüdisch-bolschewistisch“ und „geisteskrank“ bezeichneter Kunst pädagogisch zur Legimitation der Judenverfolgung genutzt und versucht, die Theorie vom Zusammenhang zwischen Kunst und Rasse als allgemeine Tatsache zu manifestieren. 1938 folgte das „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“, das die Beschlagnahmung von rund 16 000 Kunstwerken der Moderne legalisierte. Kunstwerke die nicht zerstört wurden, wurden für zum Teil geringe Summen ins Ausland verkauft. 30 Ein Großteil der öffentlich zusammengetragenen Werke einer ganzen Epoche ging dadurch verloren31 und private Sammler und Kunsthändler wurden ihrer modernen Gemälde, Graphiken, Zeichnungen und Skulpturen beraubt.

Die von den Nationalsozialisten propagierte neue „deutsche“ Kunst sollte eine Kunst des „nordisch-arischen Volkes“ sein. Wie man sich diese vorzustellen hatte, zeigte die parallel zur entarteten Kunstausstellung veranstaltete „Große Deutsche Kunstausstellung“ im Münchner „Haus der Deutschen Kunst“.32 Die Exponate thematisierten im Besonderen das Leben des einfachen Volkes. Stillende Mütter, arbeitende Bauern in idyllischer Atmosphäre, muskulöse Sportler, ästhetisierte Frauengestalten, aber auch mythologische Szenen oder arkadische Landschaften offenbarten sich als eine von den NS-Politikern bevorzugte Motivauswahl. Rein stilistisch orientierte sich die nationalsozialistische Kunst an der „Bauern- Blut- und Boden“- Ideologie der Heimatkunst und der von Kaiser Wilhelm favorisierten Historienmalerei des 19.Jahrhunderts.33 Der Erfolg dieser Verkaufsausstellung verdeutlicht die Identifikation eines Großteils der Bevölkerung mit den

29 Vgl. hierzu die Abbildungen in Ausstellungskatalog: Führer zur Ausstellung „Entartete Kunst“, Berlin 1937; 30 1939 wurden in Berlin ca. 4000 Bilder verbrannt, vgl. Glaser 1997, 163 sowie Hofmann, Werner: Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der 40er, München 1998, 323-324; 31 Viele öffentliche Sammlungen wurden beschlagnahmt und moderne Abteilungen der Kunstmuseen aufgelöst, so dass die ein oder anderen Erzeugnisse von international bedeutsamen Künstlern wie Beckmann, Chagall, Klee, Kokoschka, Schlemmer, Mies van der Rohe, Barlach, Kandinsky u.a. verloren gingen; 32 Vgl. Ausstellungskatalog: Große Deutsche Kunstausstellung München 1937, Haus der Kunst, München 1937; 33 In diesem Zusammenhang prägte Werner Haftmann die Kunst des Nationalsozialismus mit dem Begriff des „glatten Klischee-Realismus“, vgl. Haftmann, Werner: Malerei des 20. Jahrhunderts, 1. Auflage München 1954, 9. aktualisierte Auflage München 2000, 365; 19

ästhetischen Idealen des Nationalsozialismus.34 Kriegsverherrlichende Bilder dienten der Propaganda der Nazipolitik.35

Die Fortführung der politisch und ideologisch geächteten Moderne vollzog sich während des „Dritten Reichs“ im Untergrund. Künstler, die nicht ins Ausland emigriert waren36, zogen sich in die „innere Emigration“ zurück. 37 Moderne Kunst wurde nur noch inoffiziell, unter den Gefahren der Vernichtung sowie strafrechtlicher Folgen für den Besitzer produziert und verkauft.38 Folglich blieben dem durch den Nationalsozialismus geprägten jungen Künstler die Berührungspunkte mit moderner Kunst versagt es sei denn, er hatte das Glück, „... in seinem Elternhaus ... Verbindungen mit der Tradition der künstlerischen Entwicklung zu finden, von den Expressionisten, von den Ideen und Zielen der „Brücke“ oder des Bauhauskreises, von den Bestrebungen der Abstrakten oder der Surrealisten ...“39 zu hören. 40 Der Aufbau des persönlichen Kontaktes zu Vertretern der älteren Künstlergeneration wurde für die interessierten Jüngeren wichtiger denn je.41

34 Vgl. Glaser 1997, 43; 35 Zur „Kunst des deutschen Totalitarismus“ vgl. Haftmann 2000, 364366 sowie Berthold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus, München 1974; 36 Unter den zahlreichen Emigranten befanden nicht nur Künstler wie Josef Albers, Max Beckmann, , Walter Grophius, Wassiliy Kandinsky, Lyonel Feininger oder Lazlo Moholy-Nagy auch namhafte Kunsthändler, wie zum Beispiel Justin Thannhauser in München, emigrierten in die Schweiz, Paris oder New York. Es waren Orte, in denen sich die moderne Kunst frei entwickeln konnte, was zu einer Verlagerung des modernen Kunstmarktes ins Ausland führte; 37 Künstler, die während des Krieges in „innerer Emigration“ moderne Bilder schufen waren z.B. Max Ackermann, Willi Baumeister, Georg Meistermann, Ernst Wilhelm Nay, Otto Ritschl, Theodor Werner oder Fritz Winter; 38 Zitat: „Tief deprimiert, verzweifelt und in ständiger Furcht, verhaftet zu werden, konnte beispielsweise der Berliner Maler Werner Heldt zwischen 1932 und 1945 kaum arbeiten.“, Mühlhaupt, Freya: „... und was lebt, flieht die Norm“. Aspekte der Nachkriegskunst, in Ausstellungskatalog: Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 19451955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983, 184. Zwar gab es Kunsthändler, wie Günther Franke in München, bei denen nach wie vor moderne Kunstwerke erhältlich waren, doch blieb dies für alle Beteiligten ein gefährliches Geschäft; 39 Reindl, L.E.: Moderne Kunst in Konstanz, in: Das Kunstwerk, H. 2, 1946/47, 32; 40 So z.B. Hermann Bluth *1926, der in Erinnerung an das Studium an der Berliner Akademie festhielt: „Die Welt hörte damals auf mit Cézanne und van Gogh.“ Expressionistische Kunstwerke existierten für ihn nur unbewußt. Wie Bluth als Zeitgenosse hier noch einmal bestätigt waren diese aus der Öffentlichkeit verbannt, vgl. Straka/Suermann 1983, 247 41 Vgl. hierzu Straka/ Suermann 1983, 314; 20

Das Ende dieser künstlerischen, kulturellen wie auch geistigen Unfreiheit kam mit dem Ende des Hitlerreiches.42 Der Weg danach war dennoch schwer. Man suchte nach einem Anschluss an die Generation der Vorkriegsmoderne. Verunsicherung prägte die zum Teil an traditionellen Werten festhaltende, zum Teil aber auch Innovationen offen gegenüber stehende „jungen“ Kunst. Die Wunden des Krieges zeigten sich in dem Verlust herausragender Künstler, die entweder im Krieg umgekommen waren, sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden oder aber ihre neu gegründete Existenz am Ort ihrer Emigration nicht mehr verlassen wollten.43 Im Besonderen aber fehlte eine ganze Generation, die an einer natürlichen Weiterentwicklung der Moderne beteiligt hätte sein können. Hinzu kamen die katastrophalen Arbeitsbedingungen nach dem Krieg. Viele Ateliers waren zerbombt und es fehlte an künstlerischem Material.44

Trotz dieser Probleme war das Verlangen nach Kultur und geistiger Auseinandersetzung groß. Dies belegen zeitgenössische Quellen und Tageszeitungen. Sie berichten nicht nur von zahlreichen Ausstellungen, Konzerten und Theateraufführungen, sondern auch von dem regen Zuspruch, den diese durch die Bevölkerung erfuhr.

42 Die Befreiung glich einer Erlösung vom Druck des Totalitarismus in allen Bereichen: „Nach dem Stau von zwölf Jahren ergoß sich mit Vehemenz, was in Schubladen versteckt, in Köpfen verborgen gewesen war ... Bei dem Elend war es eine Lust, in Freiheit zu schreiben und zu lesen.“, Eschenburg, Theodor: Jahre der Besatzung 1945-49, in: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in fünf Bänden, hrsg. von Karl Dietrich Bracher u.a., Bd. 1, Stuttgart, Wiesbaden 1983, 157; Die Freiheit der Kunst zumindest der westdeutschen wurde wenige Jahre später im Grundgesetz garantiert: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“, „Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind ganz frei.“, vgl. Artikel 2 und 5, Absatz 3 der Grundrechte von 1949; 43 Beispielsweise verstarben im „Dritten Reich“ Ernst Ludwig Kirchner, Christian Rohlfs oder Oskar Schlemmer, zählten zu den Kriegsgefangenen Manfred Bluth 1945/47 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft oder Fritz Winter in russischer Krieggefangenschaft und emigrierten Josef Albers, Max Beckmann, Hans Hartung, Josef Scharl oder Wols nach Amerika oder Paris; 44 Eine Beschreibung des facettenreichen Materialmangels gibt beispielsweise: Grochowiak, Thomas: Neuanfänge ’45 aus Sicht des Künstlers, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai und Stephan Waetzold, Köln/ Weimar/Wien 1991, 175/176; Zudem bezeugt ein Brief von K.O. Götz an Will Grohmann vom 20.11.1945 die schwierige Situation der arbeitshungrigen Maler der Nachkriegszeit: „Vorgestern aus der Gefangenschaft zurück. Wohne hier auf dem Lande ... Ich sehe mich gezwungen, mit Kaffeesatz auf Klosettpapier zu malen.“, in Ausstellungskatalog: Kunst in Deutschland 18981973, Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1973/74, im Jahre 1945; zur Ausgangssituation der Kunst nach 1945 vgl. auch Thomas 2002, 12 ff; 21

Ein kultureller Aufschwung war somit präsent, wenngleich die Qualität dieses Aufschwunges innerhalb der divergierenden Künstlergenerationen differenziert bewertet werden muss. Stellvertretend hierfür sei eine Aussage Willi Baumeisters erwähnt, der den künstlerischen Neuanfang als eher schleppend definierte, während die junge Nachkriegsgeneration mit Gerhard Fietz einen mit Elan begleiteten künstlerischen Neuanfang verspürte.45 Ein Grund für die unterschiedliche Einschätzung basiert darauf, dass Künstler wie Willy Baumeister die „allgemeine künstlerische Wiedergeburt in Deutschland“ mit der von ihnen erlebten Zeit nach dem ersten Weltkrieg verglichen.46 Doch muss in der Bewertung der Kunst nach 1945 dem unterschiedlichen Wahrnehmungshorizont der Urteilenden Rechnung getragen werden. Zu Recht begründete Baumeister seine Beobachtung anhand der nachhallenden Auswirkungen der nationalsozialistischen Kunstpolitik, die der Jugend jegliche Form der Moderne über Jahre hinweg versagte. Die Erwartung an die Kunst war bei etablierten Positionen wie Baumeister somit eine andere als beispielsweise bei Fietz, der unvoreingenommen in die Zukunft blickte. Bestätigt wird diese Beobachtung durch die Analyse der Ausgangssituation nach 1945, die eine durch die nationalsozialistische Politik verursachte, radikale Unterbrechung moderner Kunstentwicklung war, währenddessen die Situation nach 1919 eine übergangslose Fortentwicklung der Moderne war. Somit stellte die Zurschaustellung der Moderne nach 1945 für manche der an den Ästhetizismus der nationalsozialistischen Kunst gewöhnten Rezipienten keine Wiedergeburt, sondern Neuland dar. Dies wiederum erforderte ein neu zu entdeckendes Bewusstsein gegenüber der als deformiert empfundenen Ausrucksformen der modernen Kunst, für die es sukzessiv ein neues Verständnis aufzubauen galt. Die ständige Präsenz und Diskussionen rund um die moderne Kunst trugen dem Gelingen dieses Erfordernisses bei.

Fiel die Moderne nach 1919 durch die stetige Suche nach neuen künstlerischen Ausrucksformen auf, so besann sich die Kunst nach 1945 zunächst auf Tendenzen aus der Vergangenheit.

45 Zitat: „Erst nach dem Krieg konnte ich mich wieder künstlerisch entfalten .... Eine neue Zeit fing an die alte war zerstört, war aus.“, zitiert in Ausstellungskatalog: ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 157; 46 Tagebuchnotiz Baumeisters vom 20.10.1945: „Das Jahr 1945 brachte nicht die allgemeine künstlerische Wiedergeburt in Deutschland, wie sie sich 1919 ereignete. Der Elan der Schaffenden war durch die vielen Jahre der gründlichen Irreführung und Einschüchterung gehemmt. Die Jugend hatte keine zeitgemäße Kunst gesehen ...“, zitiert bei Götz, Adriani Hrsg.: Baumeister, Köln 1971, 189; 22

Im Rahmen der vorliegenden Studie interessiert vor allem w e l c h e Orientierungspunkte für die Zukunft gelten sollten. Traditionsbewusste Stimmen postulierten einen Rückgriff auf gesicherte Werte, die dem Christentum oder Humanismus entsprangen.47 Daneben fällt ein Wiederanknüpfen an und die Rezeption der Epochen der deutschen Romantik und Klassik auf.48 Doch sei dies nur am Rande erwähnt, da die innovativen Entwicklungen nach 1945 hier im Fokus stehen sollen.

Als wichtige Orientierungspunkte für die Wiederentdeckung moderner Kunst erwiesen sich Berichte über die bald nach Kriegsende stattfindenden Überblicksausstellungen und die Werke der im Ausland tätigen Künstler. Sie hatten in der damals fernsehlosen Zeit einen hohen Stellenwert, wenn es darum ging Tendenzen der modernen Malerei ausfindig zu machen.49 Viele der Kulturschaffenden und Interessenten der modernen Kunst waren auf solche Berichte angewiesen, schließlich war der internationale Austausch und die Mobilität durch die oftmals zerstörte Infrastruktur der Verkehrswege stark eingeschränkt.50 Medienrezensionen lieferten wichtige Quellen für die Auseinandersetzung mit moderner Kunst und gaben Inspirationen für den künstlerischen Wiederbeginn.51 Eine wesentliche Bedeutung für den künstlerische Entwicklungen betreffenden Informationsaustausch spielte die westalliierte Kulturpolitik. Innerhalb ihrer Bemühungen um eine internationale Einbindung deutscher Kunst organisierten die Alliierten nicht nur Ausstellungen zur internationalen wie auch zur deutschen

47 Beispielsweise schrieb Friedrich Wolf in einem Beitrag der kurz nach dem Krieg erschienen Zeitschrift „Der Aufbau“: „Wir wollen den Humanismus der besten deutschen Geister wieder zu dem unseren machen den Geist der Gerechtigkeit, der Wahrheitsliebe, des Bekennermutes.“, Friedrich Wolf, in: Aufbau, 3, 1945, 204; vgl. hierzu auch Haftmann 2000, 422-423; 48 Auffallend oft wurde Goethes „Iphigenie“ neu rezipiert oder Lessings „Nathan der Weise“ aufgeführt, vgl. Damus 1995, 70-71; siehe auch die Ausführungen bei Glaser unter dem Titel „Auf Goethe hoffend“, Glaser 1997, 107f.; 49 Eines der wichtigsten Medien für moderne Kunst war zu jener Zeit die im Woldemar-Klein Verlag, Baden-Baden, publizierte Kunstzeitschrift „Das Kunstwerk“, vgl. Das Kunstwerk, hrsg. von Leopold Zahn, Baden-Baden, 1946ff; 50 Die Schwierigkeit des Informationserwerbs zu modernen Ausstellungen der Nachkriegszeit wird durch die Erinnerung des Künstler Thomas Grochowiak bestätigt: „Man hörte und wußte meist nur zufällig davon“, Grochowiak 1991, 184; 51 Die bei Straka und Suermann geführten Interviews mit einigen Künstlern der Nachkriegszeit bestätigen die Wichtigkeit des die moderne Malerei betreffenden Informationsaustausches, vgl. Straka/Surmann 1983, 252ff.; 23

modernen Kunst.52 Sie sorgten zudem für den Zugang und die Verbreitung von internationalen Zeitungen und Zeitschriften, so dass Informationen über künstlerische Entwicklungen und Tendenzen des Auslandes nach Deutschland und nach und nach in das Bewusstsein der deutschen Kunstszene gelangen konnten.53 Dass auch diese einer Zensur unterlagen soll nicht unerwähnt bleiben. Der Förderung einer wieder beginnenden modernen Kunstproduktion auf der einen Seite stand die Ablehnung der ideologischen Wertestruktur des „Dritten Reichs“ auf der anderen Seite gegenüber. Kunstwerke von Künstlern, die für das nationalsozialistische Regime tätig waren, wurden beschlagnahmt und die Kunstproduktion nach 1945 streng überwacht. Der Einflussbereich des Entnazifizierungsprogramms der Alliierten traf alle Bereiche, so auch die Bildende Kunst. Künstler, die nachweislich nicht in Verbindung mit den Nationalsozialisten zu bringen waren, erhielten sehr schnell die lang ersehnte künstlerische Entfaltungsfreiheit zurück und schufen ihre Kunstwerke ohne ideologische Gesinnungsprüfung.54 Das Verlangen nach absoluter künstlerischer Freiheit war nach 1945 größer denn je.

Bevor nun jedoch die Neuanfänge in der Malerei am Beispiel München näher beleuchtet werden, erscheint es notwendig, die einzelnen nach 1945 auftauchenden Kunststile vorzustellen und einer begriffsgeschichtlichen Untersuchung zu unterziehen.

52 Zur Bedeutung der alliierten Besatzungsmacht und deren Einfluß auf die Kunst nach 1945 vgl. auch Damus 1995, 1828; 53 Die Unterstützungen äußerten sich in den verschiedenen Zonen und von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In der vorliegenden Arbeit wird an späterer Stelle die exemplarisch in München durchgeführte Kunstpolitik der Amerikaner ausgeführt; 54 In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Ergebnisse der Malerei den alliierten Lizenzbestimmungen weit weniger stark unterworfen waren, wie die des Theater-, Zeitungs- und Verlagswesens, vgl. Hermand, Jost: Freiheit im Kalten Krieg. Zum Siegeszug der abstrakten Malerei in Westdeutschland, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger, Ekkehard Mai, Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 135; Der Grund lag in den Wiedergutmachungsgedanken gegenüber der zuvor stark diffamierten modernen Malerei; 24

2. Moderne Kunst in der Nachkriegszeit — Versuch einer stilistischen Begriffsbestimmung

Die Schwierigkeit der zeitgenössischen Begriffsbestimmung „moderner Kunst“ in der ersten Nachkriegszeit liegt darin, dass sie heute aus der historischen Distanz bewertet werden muss. Sie wird mit Kunstrichtungen wie dem Tachismus und seinen Vertretern Wols, Georges Mathieu oder Roger Bissière, dem Informel mit Hans Hartung, Emil Schumacher, Bernhard Schultze, Fred Thieler oder , dem abstrakten Expressionismus aus Amerika, mit Mitgliedern aus der Gruppe Cobra, etc. in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um Stilrichtungen und Vertreter einer von Anfang an international geprägten, abstrakten Kunst, die gegen Ende der 40er, vor allem aber seit Beginn der 50er Jahre verstärkt in neu gegründeten Künstlergruppen auffielen.55 Die Rede ist von einer Kunst, die nach heftigen Diskussionen56 zur dominierenden Stilrichtung der 50er Jahre avancierte.57 Erst in den 60er Jahren wurde sie wieder von mehr realitätsbezogenen Ausdrucksformen abgelöst.58 Ein letztes Mal bestätigt wurde die abstrakte Entwicklung auf der II 1959. Wie die Exponate des Ausstellungskataloges belegen, wurde diese Schau im besonderen durch die internationalen Spielarten der Abstraktion in den Formen des „Informel“ und des „Abstrakten Expressionismus“ bestimmt sie werden gleich im Anschluss näher benannt.59 Beide der genannten Ausdrucksformen gelten heute als d i e progressivsten Kunstrichtungen der ersten Nachkriegszeit.

Nur wenige Namen der direkt nach dem Krieg national agierenden Künstler sind uns noch gegenwärtig, obwohl ihre Werke bereits ab 1945 in Ausstellungen präsentiert und von den Zeitgenossen als modern empfunden wurden. Die vorliegende Betrachtung widmet sich den Wegbereitern der bereits erwähnten abstrakten Entwicklungen und zeigt die vergessenen Neuanfänge in der Kunst. Sie bezieht sich auf zeitgenössische Aussagen innerhalb des vorgefundenen

55 Einige der Gruppen werden später genannt; 56 Die Diskussion um moderne Kunst folgt im Punkt II.2.5.; 57 Und nebenbei bemerkt heute sehr hochwertig im Handel steht; 58 Zwar wurde in den 60er Jahren noch viele abstrakte Werke von Künstlern wie Günter Fuhrtrunk, Georg Pfahler, Lucio Fontana oder Yves Klein produziert. Das Hauptinteresse lag aber auf der aus Amerika importierten Pop-Art Kultur eines Wahrhol oder Lichtenstein; 59 Dagegen war die documenta I 1955 viel weniger progressiv. Im Vordergrund stand die „Klassische Moderne“ mit expressionistischen Künstlern aus den Gruppen Die Brücke und Der Blauen Reiter. Aktuellen Strömungen der zeitgenössischen internationalen Kunst erhielten hier bedeutend weniger Raum; 25

Quellenmaterials und berücksichtigt darüber hinaus all jene künstlerischen Tendenzen, die in der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg öffentlich geführten Diskussion um eine neue Kunst auftauchen. Das Ziel ist die Darlegung des facettenreichen und spannenden Wiederbeginns innerhalb der modernen Kunstproduktion. Doch zunächst zur Frage: Was wurde in der deutschen Malerei in den ersten Jahren nach 1945 produziert? Und anhand welcher Kriterien lassen sich die Merkmale moderner Kunst zu jener Zeit bestimmen?

2.1. Ende des Krieges — Hoffen auf einen Neuanfang

Die ersten „modernen“ Kunstausstellungen im Nachkriegsdeutschland waren die Ausstellungen „Deutsche Kunst unserer Zeit“ in Überlingen 1945 sowie die Ausstellung „Maler der Gegenwart I“ in Augsburg 1945.60 Es folgten die Ausstellungen „Erste Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“ in Dresden 194661, „Kunst der Gegenwart“ im Hessischen Landesmuseum 1946, „Neue deutsche Kunst“ in Konstanz 1946, „Maler der Gegenwart III: Extreme Kunst“ in Augsburg 194762 wie auch die Ausstellung „Deutsche Kunst der Gegenwart“ in Baden-Baden 1947.

Das diese Überblicksausstellungen verbindende Merkmal war die starke Präsentation jener Künstler, deren Werke seit 1933 aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit vollkommen verdrängt worden waren63 und eine auffallend periphere Präsenz gesellschaftskritischer Äußerungen zur jüngsten Vergangenheit.64 Auch im

60 Die in deutsch und englisch organisierte Ausstellung „Art Exhibition/ Modern I Kunst-Ausstellung/ Maler der Gegenwart I“ wurde auf Anregung der amerikanischen Militärbehörde im Dezember 1945 im Palais Schäzler in Augsburg organisiert; Wie bei den meisten der nach 1945 organisierten Kunstausstellungen handelte es sich auch in Augsburg um eine Verkaufsausstellung; 61 Die Dresdner Ausstellung stellte die erste gesamtdeutsche Ausstellung dar; 62 Die Augsburger Ausstellung „Extreme Malerei“ wird in der Kunstbetrachtung Münchens einen größeren Rahmen einnehmen; 63 Walter Grasskamp spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kulturpolitik des schlechten Gewissens“, vgl. Grasskamp Walter: Die unbewältigte Moderne, Kunst und Öffentlichkeit, München 1994, 148; Gemeint ist der Gedanken der Wiedergutmachung gegenüber der so lange diffamierten Kunst, die zu dieser Zeit ihre wahrscheinlich größte Daseinsberechtigung genoss; 64 Jost Hermand’s Statistik malerischer Sujets in der Trümmerzeit belegt etwa 4 bis 5 % gesellschaftskritische Auseinandersetzungen mit der jüngsten Vergangenheit, vgl. Hermand 1991, 135; Die eher am Rande stehenden Gesellschaftskritiker wie beispielsweise die für die in 26

Ausland wurde die deutsche Kunst in erster Linie durch die Werke der Vorkriegsmoderne rezipiert, so zum Beispiel 1946 in der Ausstellung verfemter deutscher Künstler in Bern.

Eine der Ursachen dafür, dass die sozialkritische Kunst nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend unreflektiert blieb, lag wie bereits an früherer Stelle festgestellt, an der extremen Ausgangssituation. Und wie die Zeitgenossen berichteten, war auch das Bedürfnis nach einem kritischen Realismus im Vergleich zu der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gering. Dies lag nicht etwa an der unterschiedlichen Brutalität der Kriege, denn diese war bei beiden enorm. Die Gründe lagen viel mehr an dem wesentlich größeren Ausmaß des Krieges mit großflächigen Bombardierungen der Städte, die verheerende Zerstörungen hinterließen. Zudem aber auch an dem ideologisch motivierten Eroberungs- und Vernichtungskrieg, der verstärkt zu gewaltsamen Übergriffen auch auf die Zivilbevölkerung führte, so dass die Zahl der Opfer eine weitaus größere war. Die Dimension an Zerstörungen nach 1945 war groß und wollte nicht in künstlerischen Darstellungen kritisch wahrgenommen werden.65 Im Vordergrund stand die Verdrängung der realen Misere, die Sehnsucht nach Frieden und nach einem positiven Neuanfang, auch in der Kunst.66

Tatsächlich markierte die Kunst kurz nach 1945 aber keinen eigenen, gar radikalen Neuanfang. Die Exponate der ersten modernen öffentlichen

München publizierte Zeitschrift „Simpl“ tätigen Künstler M. Radler, Rudolf Schlichter oder Max Unold wurden damals zwar von einigen satirischen Blättern unterstützt, ein ernsthaftes Interesse an dieser Kunst erfolgte allerdings erst in den 60er Jahren innerhalb der Aufarbeitung der Nazizeit, vgl. hierzu Hoffmann, K.L./Präger, Ch.: „Uhlenspiegel“, „Wespennest“ und „Simpl“, Drei satirische Zeitschriften in der Nachkriegszeit, in Ausstellungskatalog: Zwischen Krieg und Frieden, Berlin 1980 oder Hofer, Karl: Kunst und Politik, in: Bildende Kunst, H.10, 1948, 20; 65 Dazu ein Zitat von Thomas Grochowiak: „Kritischer Realismus war nicht gefragt .... Der Realismus hatte keine Chance, nicht weil man gegen die Realisten war, wir waren doch alle realistisch ausgebildet worden. Es war kein Affront gegen realistische Dinge, sondern die Tatsache des uns umgebenen grausamen Realismus ....“, in: Straka/ Suermann 1983, 292; Auch Rupprecht Geiger stellte diesbezüglich fest: „Es war nicht die Aufgabe der Kunst, sich mit dem Zweiten Weltkrieg auseinanderzusetzen .... Ich sehe es eher so, das die Künstler sich eigentlich abgewendet haben von den Scheußlichkeiten, die sie erlebt haben ....“, in: Straka/Suermann 1983, 288; vgl. hierzu auch den Ausstellungskatalog: Kunst des Westens. Deutsche Kunst 1945-1960, hrsg. von Ferdinand Ullrich, Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996, 16; 66 Zitat Ernst Wiechert: „... nach den dunklen Zeiten, in denen unserer Gedanken nur um das Gewesene kreisten ... wird es nun Zeit, daß wir dieses Gewesene abtun aus unserem Leben und zusehen, ob die neue Erde nun Frucht zu tragen beginnt.“, E. Wiechert „Wir haben die neue Zeit nicht richtig angefangen“, in: Prisma, H.1, 1946, 3; vgl. hierzu auch Ullrich 1996, 16; 27

Nachkriegsausstellungen belegen eindeutig eine Orientierung an den überlieferten Werken aus der Vorkriegszeit. Dies bestätigen auch zahlreiche zeitgenössische Medien, in denen vielfach über die verschiedenen Adaptionen der vorkriegsmodernen Ausdrucksformen in der Kunst nach 1945 berichtet wird. Als Beispiel sei ein Bericht der Zeitschrift Prisma erwähnt, in dem ein „ungleichzeitiges Gebilde“ in der Kunst sowie ein „Nebeneinander verschiedener Richtungen künstlerischen Schaffens“ festgestellt und die Kunst von damals kurz als eine noch „suchende“ bezeichnet wird.67 Gesucht wurde nach einem richtungweisenden Stil für eine zeitgemäße Ausdrucksform.

Innerhalb der schnell nach Kriegsende organisierten Kunstausstellungen richtete sich das anfängliche Augenmerk auf die Präsentation der durch das nationalsozialistische Regime liquidierten Kunst, allen voran auf die expressionistische Kunst.68 Sie entwickelte sich im ersten Drittel des 20.Jahrhunderts als Kunst des seelischen Ausdrucks, die dem Realismus und Impressionismus, sprich: der Abbildung der äußeren Merkmale der Welt radikal entgegentrat. Im Vordergrund stand eine expressive Ausdrucksweise, die den Gefühlszustand des jeweiligen Künstlers in subjektiv gesteigerter Form und den Wunsch nach Erneuerung des künstlerischen Geistes beschrieb. Mimetisch die natürliche Welt nachzeichnende Aspekte traten zugunsten von expressiven in den Hintergrund. Die bevorzugten Themen des Expressionismus waren das soziale Leben, politische Revolutionen sowie der Krieg. Wirklichkeitsgetreue Darstellungen wurden negiert, konventionelle künstlerische Ausdrucksformen wurden rigoros abgelehnt. Der Expressionismus richteten sich als Protest gegen jegliche Form der Tradition, das bürgerliche Leben und der damals existierenden Weltenordnung. Ziel war, die bürgerliche Gesellschaft durch die revolutionäre Malerei zu provozieren. Gruppen schlossen sich zusammen, künstlerische Zeitschriften etablierten sich und dienten als Diskussionsforum für die expressionistische Kunst.

67 Zitat: „Was wir gemeinhin moderne Kunst nennen, ist ein mehrschichtiges und keineswegs gleichzeitiges Gebilde. Nebeneinander stehen so verschiedenartige Richtungen künstlerischen Schaffens, wie Expressionismus, abstrakte, gegenstandslose Kunst, Surrealismus und eine neue durch die Abstraktion hindurchgegangene Natürlichkeit .... Welche dieser Richtungen kann man im eigentlichen Sinne als moderne, d.h. gegenwärtige bezeichnen? ... Die Kunst der Gegenwart ist immer noch eine suchende Kunst.“, Kurtz, Waldemar: Elementare Kunst, in: Prisma, H.10, 1947, 19; 68 Bei der Analyse der Ausstellungskataloge fallen unter den expressionistischen Exponaten insbesondere die des Blauen Reiters ins Auge, so dass die bereits von Karin Thomas festgestellte Beobachtung, die neue Kunst nach 1945 hätte sich eher an Kandinsky und Klee als an den Malern der Brücke orientiert, nur unterstrichen werden kann, vgl. Thomas 1985, 9 ff; 28

Nach 1945 galt die Zurschaustellung expressionistischer Exponate in erster Linie der Rehabilitierung dieser während des Krieges am stärksten diffamierten Kunst. Jedoch fällt bei der Analyse der Ausstellungskataloge die dominierende Präsenz an Werken der Gruppe des Blauen Reiters auf, die im Vergleich zu den wirklichkeitsnäheren Darstellungen der Gruppe Die Brücke die romantischere Strömung unter den Expressionisten war. In Orientierung am Fauvismus ging es dem Blauen Reiter weniger um die Darstellung der seelisch-psychischen Zerrüttungen wie sie die Brücke Maler zeigten, als vier mehr um die malerischen Elemente der Farb- und Bildkompositionen. Auch die Motivauswahl des Blauen Reiters galt nicht in erster Linie einer aufrüttelnden Provokation, den Großstadtkulissen und Konfliktdarstellungen der Zeit, sondern harmloseren Sujets wie den Tiersymboliken Franz Marcs, den Farbphantasien August Mackes, den märchenhaften Wesen Paul Klees oder den „musikalischen“ Abstraktionen Wassily Kandinskys. Diese Beobachtung verdeutlicht, dass auch innerhalb der Expressionisten- Rezeption nach 1945 kein Bedürfnis nach sozial-kritischen, provozierenden und den Krieg betreffende Themen bestand. Bevorzugt rezipiert wurden die formal- ästhetischen, wenn auch deformierende Aspekte der expressionistischen Kunst und weniger die einst intendierten Proteste gegen die bürgerliche Gesellschaftsform. Bestätigt wird diese Beobachtung dadurch, dass auch andere, als Protest gegen die Bürgerlichkeit gerichtete Stilrichtungen wie der Dadaismus oder Futurismus nach 1945 kaum übernommen wurden. Allgemein betrachtet lag die Faszination am Expressionismus aber auch an der ihm zugrunde liegenden Prämisse von der Autonomie der Kunst, an der Sehnsucht nach einer in Freiheit ausgeübten Kunst, die dem kreativen Individuum keine akademischen Grenzen setzt. Das wünschenswerte Ziel war ein wieder zu erlangendes, neues Selbstwertgefühl, das dem des Expressionismus annähernd entsprach.

Neben den Expressionisten galt der prozentual größte Teil der Nachkriegsausstellungen einem mit ausgeprägt realistischen Tendenzen, expressiven, den Gegenstand oftmals abstrahierenden Stil. Jost Hermand umschreibt diese Beobachtung mit dem Begriff „eklektisch-halbmodern“ und ordnet etwa 85 90 % aller damaligen Maler in diese Richtung ein.69 Die Orientierung lag an den Gemälden der um die Jahrhundertwende geborenen, so genannten „verschollenen Generation“, deren künstlerischer Gesamtbewegung

69 vgl. Hermand 1991, 135, 139 ff; 29

Rainer Zimmermann die Bezeichnung „Expressiver Realismus“ gab.70 Er folgte auf die expressionistischen und ungegenständlichen Ausdrucksformen der Malerei und lässt sich kurz durch die Kombinationen moderner „Vorkriegs-Ismen“ mit dem Impressionismus des ausgehenden 19.Jahrhunderts charakterisieren.71 Die revolutionären Ausdrucksformen der Jahrhundertwende wurden dadurch nicht gänzlich negiert, jedoch durch die erneute Hinwendung zur Realität zu überwinden versucht. Eine natürliche Weiterentwicklung des Expressiven Realismus unterblieb dennoch. Auch sie wurde durch die nationalsozialistische Kunstdiktatur beeinträchtigt und diffamiert. Eine angemessene Rehabilitierung erfährt diese Stilrichtung erst in der gegenwärtigen Zeit. Nach 1945 lebte der Expressive Realismus kurz wieder auf, doch geriet er bald in Vergessenheit.72 Der Grund für sein dennoch quantitativ hohes in Erscheinung treten lag an dem Bedürfnis dieser Malergeneration wieder bei dem anzusetzen, was bei Abschluss ihrer Ausbildung nicht mehr möglich gewesen war: an der Produktion von Werken, die den Werken der letzten modernen Kunstsprache vor dem Krieg entsprach. Hinzu kam, dass es an Grundlagen für eine Auseinandersetzung mit neueren und neuesten Kunstströmungen mangelte. Für Auslandsreisen fehlte es an finanziellen Mitteln, Sammlungen der Gegenwartskunst gab es in deutschen Museen noch nicht und Sonderausstellungen waren rar. Neuere Tendenzen in der bildenden Kunst der Nachkriegszeit wurden in den städtischen Kunstausstellungen kaum gezeigt. Die öffentliche Ausstellungspolitik der Stadt bewegte sich auf sicherem Terrain. Der Expressive Realismus war in diesem Zusammenhang ein idealer Kompromiss, um die Gegenständlichkeit in der Malerei zu erhalten und den Sehgewohnheiten eines breiten Publikums weiterhin entgegen kommen zu können; einem Publikum, das sich nur langsam wieder an die Formensprache der Modernen gewöhnen konnte und in den von Impressionismus und Expressionismus gleichermaßen beeinflussten

70 Rainer Zimmermann sieht im Expressiven Realismus keinen Stil, sondern vielmehr eine künstlerische Grundhaltung, die sich in den 20er und 30er Jahren manifestierte. Rein äußerlich beschreibt er den Expressiven Realismus wie folgt: „Das Spannungsfeld der Gruppierungen des Expressiven Realismus reicht von malerischen Realitätsdeutungen an der Grenze zur Auflösung des Gegenstandes durch expressionistische Verzerrung oder radikale Abstraktion bis zu einer plastisch- dinghaften Wirklichkeitserfassung, deren Ausdrucksgehalt nur noch durch eine verhaltene Poetisierung wahrnehmbar ist. Die Übergänge sind stufenlos und unmerklich, die Beziehungen auch scheinbar weit auseinander liegenden Gruppierungen oft überraschend und vielfältig.“, Zimmermann, Rainer: Expressiver Realismus. Malerei einer verschollenen Generation, München 1994, 157; 71 Vgl. Zimmermann 1994, 209; 72 Vgl. Zimmermann 1994, 191f.; 30

Gemälden einen schnelleren Zugang fand als zu der rein expressionistischen und abstrakten Kunst. Der Grund für sein dennoch schnelles Wiederableben lag darin, dass er langfristig nicht die gewünschte Progressivität erfüllte, die mit dem Einsetzen der öffentlich geführten Kunstdiskussionen und deren Postulat nach internationalem Anschluss begann. Jüngere Künstler bemühten sich vorzugsweise um den Anschluss an internationale Entwicklungen, andere Kunstformen traten in den Vordergrund und verdrängten den Expressiven Realismus langfristig aus der Diskussion und dem modernen Ausstellungsbetrieb. Für die jüngere Künstlergeneration galt er als überholt und seine Bedeutung für die Gegenwart als zweifelhaft.

Insgesamt betrachtet ergaben die ersten Ausstellungen der Nachkriegszeit das Bild eines bunten Nebeneinanders verschiedener Stile auch Werke der Bauhaus- Künstler, der Surrealisten sowie gegenstandslose Bilder wurden präsentiert und diskutiert -, was in der Literatur kurz als „Stilpluralismus“ bezeichnet wird.73

Den Befürwortern einer international orientierten Moderne erschien dieser Stilpluralismus jedoch nicht länger zeitgemäß. Sie postulierten entsprechend dem einleitenden Zitat von Adorno eine klare Abgrenzung von der Vergangenheit und eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Gegenwart74, die dem kulturell zusammenwachsenden West-Europa entsprach. Die Zukunft der Kunst sah man im Besonderen durch formale Kriterien erfüllt, durch eine Freiheit der Form wie sie sich in den modernen Kunstmetropolen Europas beobachten ließ.75

73 Die Vielfältigkeit der Stile zeigt sich insbesondere in dem Katalog der mit Werken aus allen Zonen zusammengetragenen Schau in Dresden 1946, vgl. Ausstellungskatalog: Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden 1946; Ähnlich wie der Aufgriff früherer Stilformen zu Zeiten des Klassizismus, unterlag nach 1945 die Wiederaufnahme von „Ismen“ der Klassischen Moderne einer normativen Gültigkeit; 74 Zitat: „Jeder neue Aufbau setzt eine klare Abrechnung mit der Vergangenheit und eine wache Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation voraus ...“, Pfister, Kurt: Oskar Coester, in: Prisma, H.1, 1946, 32; 75 Bereits 1945 wurden erste Stimmen für eine neue, an der Moderne orientierte Ausdrucksform laut, so von Alfred Dahlmann in der ersten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, der über die Moderne schrieb: „... von ihr erwartet man den ersten Schritt: in das weite Tatfeld des Bekennertums zur neuen Gegenwart.“; Laut Dahlmann lag die „damalige“ Kernfrage in der Frage nach der Form, die da gewesen wäre „... eine condition sine qua non, über das Wissen um die Bedeutung der Form, das Bekenntnis zur kommenden Kunst zu leisten.“ vgl. Dahlmann, Alfred: Moderne Kunst als Hoffnung?, in: SZ, 06.10.1945, 3/4; Ebenso wollte auch Ernst Wiechert die Kunst vor einer neuen Stunde sehen, indem er insbesondere die Jugend aufrief, sich dieser Aufgabe anzunehmen. „Sind diese Künstler der heute beginnenden sogenannten neuen Zeit sich bewußt, welche ungeheure 31

Bestätigt wird diese Beobachtung durch die genaue Analyse der zeitgenössischen Medienberichte, die eine zunehmend negative Kritik an der Orientierung an den genannten vorkriegmodernen Arbeiten aufweisen. Die Bedeutung des Expressionismus wurde alsbald relativiert76 und stattdessen zwei andere Stilrichtungen favorisiert77: der Surrealismus und die Abstraktion. Sie sollten den Weg für die Kunst der 50er Jahre ebnen.78

2.2. Ein verändertes Weltbild — Wiederaufnahme des Surrealismus und der Abstraktion

Der Surrealismus und die Abstraktion waren künstlerische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, die sich für die Darstellung der Wirklichkeit des Menschen im Unbewussten interessierten, das Bild von seiner bloßen Abbildungsfunktion befreiten und sich mit unterschiedlichen Ausdrucksmitteln um eine Bewusstseinserweiterung bemühten. Stark differenziert war die jeweilige Ausdrucksform, doch trafen sich diese beiden Kunstformen in der die Gefühle und das Unterbewusstsein betonenden Intention.

Aufgabe vor ihnen liegt, welche schwere, kaum zu tragende Verantwortung in ihren Händen ruht?“, Wiechert, Ernst: Wir haben die neue Zeit nicht richtig angefangen..., in: Prisma, H.1, 1946, 4; 76 „Ist der Expressionismus noch ‚Junge Kunst’?“, so lautete im Dezember 1946 ein Beitrag der Zeitschrift Prisma, in dem beklagt wird, dass die Kunst des Expressionismus zwar noch im Sinne einer „geistigen Struktur“ der ersten Jahrhunderthälfte gelten, nicht aber für den sich anbahnenden „neuen Lebens- und Weltbegriff“ fundieren könne. Demnach wurde die Aktualität expressionistischer Kunst in Frage gestellt. Stattdessen sollte die Bewertung von Farbe und Form neu überdacht und die Erziehung der Jugend verantwortungsvoll überprüft werden, vgl. von Scheltema: Ist der Expressionismus noch „Junge Kunst?“, in: Prisma, H.2, 1946, 17; Weitere Kritiken zum Expressionismus: Friedrich, H.E.: Von Schuld, Ursache und Wahrheit, in: Prisma, H.2, 1946, 1; Grundig, Hans: Dresdner Bilanz, in: Prisma, H.2, 1946, 33; 77 1947 veröffentlichte die Zeitschrift „Das Kunstwerk“ ein Sonderheft, welches der Abstraktion sowie dem Surrealismus gewidmet war, vgl. Das Kunstwerk/ Sonderheft zur abstrakten Kunst, 1947; ebenso berichteten auch die anderen in der Literatur aufgenommenen Zeitschriften verstärkt über Werke des Surrealismus und der Abstraktion; 78 Die Behauptung, dass diese beiden Stilformen für die Kunst der 50er Jahre letztendlich richtungsweisend waren, offenbart sich in der Weiterentwicklung des durch André Breton und Matta begründeten „psychischen Automatismus“ der Surrealisten hin zum „Informel“ der 50er Jahre. Die progressive Entwicklung der Abstraktion findet sich im amerikanischen „Expressiven Realismus“ bestätigt, welcher ebenfalls aus der surrealistischen „écricure automatique“ entsprungen war; 32

Nicht ohne Grund lebten sie nach 1945 beinahe gleichwertig wieder auf und bildeten die Basis für weitere Entwicklungen in der modernen Kunst. Doch zunächst auch hier zur Frage, was unter der jeweiligen Kunstrichtung verstanden wird und wie sich dieses Verständnis zum ursprünglichen Selbstverständnis der rezipierten Künstler verhält.

Der Surrealismus war eine in den 20er Jahren beginnende Bewegung, die sich durch die psychoanalytischen Erkundungen des Menscheninneren, dem Unbewussten, inspirieren ließ. In dem Versuch, das Unbewusste künstlerisch darzustellen, kam es zur Auflösung der Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit und der Abbildung von ausgeprägt gegenständlichen Dingen, zwar unter Anwendung der traditionellen Formensprache, jedoch in völlig absurden und skurrilen Kombinationen, die dem Betrachter eine Welt hinter den Dingen nahe bringen wollte; eine Welt, die sich über Symbole und Zeichen assoziativ offenbart und sich nicht bis ins letzte Detail enträtseln lässt. Angeführt wurde die surrealistische Bewegung von dem französischen Schriftsteller und Kritiker André Breton, der 1924 durch sein „Manifeste du Surréalism“ die theoretischen Grundlagen dieser Bewegung definierte. Traum- und Tranceerlebnisse dienten als Quelle für die Motivfindung des Unbewussten. Breton charakterisierte die Methode des „psychischen Automatismus“ und der nicht steuerbaren „écricure automatique“ als adäquate Ausdruckform. Rationales Denken geriet in den Hintergrund, das im Rauschzustand erfahrbare Unbewusste wollte man darstellen, wobei auch die Geschwindigkeit während des Schaffensprozesses in die intendierte, traumnahe Wiedergabe der inneren Wirklichkeit einbezogen wurde. Der Inhalt surrealistischer Bilder konzentrierte sich auf Themen, die im Unterbewusstsein anknüpften: Traum, Fantasie, Kindheit, Halluzinationen, Sexualität und Märchen. Zudem angeregt durch die Erkenntnisse Sigmund Freuds und hervorgerufen durch den Dadaismus in Paris vertrat der Surrealismus im Vergleich zum Dadaismus allerdings ohne den Wunsch, mit der bisherigen Kunst brechen zu wollen eine revolutionäre Kunstauffassung, die das Irrationale in den Vordergrund stellte und damit radikal gegen das logisch-rationale Wertesystem der Zeit und die bestehende Moral der Bourgeois antrat. In diesem Zusammenhang wirkten auch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges auf die Vertreter des Surrealismus ein, die nicht mehr so recht an die Vernunft des Menschen glauben wollten und sich stattdessen für das Faszinosum des Unbewussten und die Irrationalität interessierten. Dennoch war der Surrealismus kein einheitlicher Stil. Die Ausdrucksweisen des Surrealismus zeugen von hoher Diversität. Als Schlüsselwerke des Surrealismus gelten die „pittura mettafisica“ eines Giorgio de Chirico oder Arbeiten von Carlo 33

Carrà, der „veristische Surrealismus“ von Salvador Dali oder Yves Tanguy sowie der „abstrakte Surrealimus“ von André Masson, Juan Miró oder Hans Arp. Vertreter des Surrealismus saßen in vielen europäischen Länder, darunter Frankreich, Belgien, Dänemark, Schweden oder die Tschechoslowakei. Während des Zweiten Weltkrieges leistete der eskapistische Charakter der surrealistischen Kunst einen großen Beitrag im Kampf gegen die faschistische Kunst. Viele Künstler, beispielsweise Max Ernst, André Masson und Yves Tanguy, emigrierten in die USA. Nach 1945 lebte eine surrealistische Tendenz in der Kunst wieder auf, doch erlangte sie nicht die Bedeutung, die der Surrealismus in den 20er Jahren besaß.

Die abstrakte Kunst ist eine Kunstrichtung unterschiedlicher Ausprägungen, die auf eine gegenstandsbezogene Assoziation des Dargestellten fast völlig verzichtet und die reine Komposition in den Vordergrund stellt. Sie basiert auf Farben, Formen, Linien, und Bewegungen in gegenstandloser oder abstrahierender Form. Dingliches kann ansatzweise noch erkennbar sein, konkrete Gebilde können als assoziative Anregungen aus sinnlich wahrnehmbaren, rein formalen Mitteln bestehen. Vollkommen gegenstandslose Darstellungen bezeichnet man als absolut. In der europäischen Malerei kam es, vorbereitet durch moderne, anti- naturalistische Ausdrucksformen in der französischen Kunst, nach 1910 zum allmählichen Durchbruch der abstrakten Kunst mit Werken von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Paul Klee, Robert Delaunay, u.a. Es folgten weitere Entwicklungen wie das Bauhaus, die holländische Bewegung „De Stijl“ oder die von Russland ausgehenden Richtungen Suprematismus, Rayonismus und Konstruktivismus. In den 30er Jahren beherrschte die 1931 in Paris gegründete internationale Künstlergruppe „Abstraction-Création“ zeitweilig die weiteren Entwicklungen in der abstrakten Malerei. Auch Polen, England und die USA wurden während des Zweiten Weltkrieges Zentren der abstrakten Malerei. Nach 1945 galt sie als dominierende Stilrichtung der europäischen Malerei. Der Ursprung der abstakten Malerei des 20. Jahrhunderts basierte auf vielseitigen Veränderungen der damaligen Zeit. Es kam zu Wandlungen innerhalb der Kunst und des Kunstverständnisses. An den Veränderungen waren auch neue Ausdrucksformen wie die des Surrealismus oder Dadaismus beteiligt. Was die Künstler beschäftigte waren das Verlangen nach Abgrenzung von der spätbürgerlichen Gesellschaft und deren Wertesystem, der Wunsch, den Geist von materiellen Gedanken und der umgebenen, imperialistisch geprägten Realität zu befreien, die Ablehnung rein rationaler Erkenntnisse und der damit einhergehende Hang zum Agnostizismus oder der Glaube an eine durch die abstrakte Kunst 34

bewußtseinssteigernde Sinneswahrnehmung. Erkenntnisse aus der Psychologie, der Wissenschaft und ein stark ausgeprägter Fortschrittsglaube trugen Wesentliches für ein erweitertes Raum- Farb- Form- und Zeitverständnis bei und relativierten die Angriffe auf die Formensprache der abstrakten Kunst. Hinzu kamen der Wunsch und die Möglichkeit außerhalb des Akademismus und innerhalb der erlangten Kunstautonomie, die gesteigerte Subjektivität des Individuums auszuleben. Summa summarum galt die abstrakte Kunst unter ihren Vertretern als gemäßer Ausdruck und Formwille der Zeit; an ihre lebensbereichernden Eigenschaften im Sinne einer ästhetischen Sensibilisierung des Rezipienten und an ihre formale Gültigkeit für die zukünftigen Entwicklung in der Kunst wurde geglaubt.

Dem Surrealismus und der abstrakten Kunst gemein waren die Negation der rein äußerlich sichtbaren Realität sowie die Entdeckung des Unbewussten für die Kunst. Beide Stilrichtungen fielen durch die Faszination an einer spontanen und zufallsbedingten Ausdrucksweise auf, ebenso wie durch die Anwendung der freien Assoziation und die Bewunderung für naive, kindliche, schizophrene und archaische Kunst.

Wie Anfangs behauptet, bildeten die abstrakten und surrealistischen Ausdrucksformen nach dem Zweiten Weltkrieg die Basis für die weiteren Entwicklungen in der modernen Kunst zumindest dort, wo sich die abstrakte Kunst mit der abstrakten Linie des Surrealismus traf. Viele Künstler, die nach einem eigenen stilistischen Weg suchten, orientierten sich an internationalen Strömungen und reflektierten den Surrealismus und die abstrakte Malerei aus Paris und New York; den Surrealismus in seiner Weiterentwicklung des von Breton propagierten Automatismus, die abstrakte Kunst in der durch Kandinsky eingeleiteten gestisch-freien Abstraktion. Die Gründe für die Wiederaufnahme waren ebenso vielseitig wie die jeweiligen Ergebnisse ihrer Ausdrucksform. Ein gemeinsamer Grund war sicherlich der Hang zum Eskapismus, der von der umgebenen Welt der Trümmer ablenken ließ. Ein anderer galt der durch individuelle Gesten befreienden Wirkung von den bedrückenden Erlebnissen der Nachkriegswelt. Der Aufarbeitung dieser Extremsituation entsprach der Kunstgriff der Verfremdung, in Form einer differenzierten, symbolhaften Sprache, die zum einen der subjektiven Gefühlswelt des jeweiligen Künstlers und zum anderen einem Gegenentwurf zur Alltagswelt Ausdruck verlieh, was durch Aussagen d er Zeitgenossen bestätigt wurde.79 Eine

79 Dies konnte auch in einer Zusammenfassung der bei Straka/Suermann interviewten Künstlern der Nachkriegszeit bestätigt werden: „So bot der Surrealismus ... die Möglichkeit, sich von einer als 35

sozialkritische Kunst die eine Verarbeitung der Kriegserlebnisse in realistischer Form erfordert hätte, schien nicht adäquat, eine direkte Konfrontation mit den Schrecken des Krieges wie nach dem Ersten Weltkrieg war nicht gefragt, galt als demoralisierend und überholt. Es herrschte allgemeine Sprachlosigkeit und Verdrängung, sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Literatur, im Theater und anderen künstlerischen Ausdrucksformen.

Auf der anderen Seite implizierte der Ausnahmezustand der speziellen Ausgangssituation nach 1945 den Wunsch nach einer gesellschaftlichen Revolution, weshalb eine Orientierung an früheren Avantgarde-Bewegungen mit Drang nach Aufrüttelung und der Suche nach alternativen Weltentwürfen nahe liegt. Kunst sollte Impulse schaffen für eine andere, bessere Welt. Die Erwartungen, Ansprüche und Hoffnungen an sie waren besonders hoch. Kunst sollte ein Abbild ihrer Zeit geben, wofür die beiden genannten Stilrichtungen, auch im Hinblick ihrer eskapistischen Tendenzen, als geeignet schienen. Die von dem Surrealismus und der abstrakten Kunst ursprünglich ausgehende Kritik an der Gesellschaft und ihre bewusst provozierende Haltung blieben von den sie rezipierenden Künstlern nach 1945 jedoch offensichtlich aus. Denn wie die meisten Quellen mit Aussagen der zeitgenössischen Künstler belegen, galt die Anwendung formalistischer Ausdrucksmittel anfangs weniger als Instrument moralischer Erziehung als vielmehr der Reflektion des Zeitgeschehens und der wissenschaftlichen Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts allgemein. Dass sie wenig später zum Politikum des geteilten Deutschlands zweckentfremdet wurde, hatte andere Gründe und sei an späterer Stelle ausgeführt.

Die Beobachtung, dass die Kunst an Entwicklungen anknüpfte, die einst neue Wege hervorbrachte, in Deutschland jedoch unterbrochen wurden, bestätigt beispielsweise der Zeitgenosse Heinz Trökes, indem er 1946 in der Zeitschrift „Das Kunstwerk“ schreibt, dass „der Entwicklungsprozeß der surrealistischen Kunst, der vor 20 Jahren begann, ... noch nicht abgeschlossen“, sondern noch immer „mit der allgemeinen geistigen Entwicklung“ verbunden und als „positiver und aktiver Bestandteil eines Zeitganzen“ wirksam sei.80 Trökes verband die Aktualität des

überholt angesehenen gegenständlichen und illustrativ-realistischen Kunst abzugrenzen und die Kriegserfahrungen ebenso die Nachkriegswirklichkeit verfremdet, doch dem eigenen Erleben adäquat, aufzuarbeiten Trökes, Schultze, Bluth ...“, Straka/Suermann 1983, 314; vgl. auch Wirth, Günther: Kunst im deutschen Südwesten von 1945 bis zur Gegenwart, Stuttgart 1982, 13; 80 Vgl. Trökes, Heinz: Der Surrealismus, in: Das Kunstwerk/ Sonderheft zur abstrakten Kunst, 1947, 36; 36

Surrealismus mit den genannten Veränderungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bedingt durch die Technisierung und Mechanisierung der Welt wurde das tägliche Leben zunehmend automatisiert und bedingt durch die Atomforschung und der damit einhergehenden physikalischen Entmaterialisierung wurden Bereiche entdeckt, die sich dem Sichtbaren verschlossen und die Relevanz der gegenständlichen Welt in Frage stellten. Diese Veränderungen wurden laut Trökes im Besonderen durch den Surrealismus und durch die Abstraktion zum Ausdruck gebracht. Die Analyse der surrealistischen Werke der Nachkriegszeit aber zeigt, dass die künstlerische Umsetzung des Surrealismus vornehmlich in Anlehnung an die „pittura metafisicia“ De Chiricos zum Ausdruck kam, währenddessen das Prinzip des Zufalls und des Auffindens wie bei Max Ernst nach 1945 viel mehr in der spontanen Kunst der „lyrischen Abstraktion“ seinen Widerhall fand. Dies belegen die nach 1945 surrealistische Tendenzen integrierende Werke von Edgar Ende, Mac Zimmermann, Richard Oelze oder Rudolph Schlichter. Hier war der Surrealismus vor allem durch die bewusste Darstellung einer überscharfen, traumhaften Realität präsent, welche die Aspekte des Überwirklichen verblassen ließ. Viel mehr als an den Surrealismus erinnern sie deshalb an den bereits in den 20er Jahren aus der „pittura metafisicia“ heraus entwickelten Magischen Realismus sowie an die symbolistische Tradition eines Redon. Die auf dem Zufallsprinzip basierenden Aspekte des „abstrakten“ Surrealismus präsentierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie in der in Frankreich weiterentwickelten „lyrischen Abstraktion“ wie dies durch Hans Hartung oder Wols erfolgte. In Amerika wurden sie durch den „abstrakten Expressionismus“, vertreten durch Jackson Pollock oder Robert Motherwell, zum Ausdruck gebracht. Der Surrealismus der 20er Jahre war nach 1945 obsolet und wie Werner Haftmann es treffend ausdrückt „durch die Entwicklung in der expressiven und abstrakten Malerei in seiner Substanz aufgezehrt ....“81

Es lässt sich feststellen, dass die künstlerische Rezeption des seit Beginn des 20.Jahrhunderts veränderten Weltbildes in erster Linie durch die Wiederaufnahme der abstrakten Formensprache zum Ausdruck kam. Atomare Kernphysik, Quanten- und Relativitätstheorie also Theorien, die ein entmaterialisiertes Dasein zu erklären versuchten, waren auch nach 1945 ein Thema, über das die Medien berichteten und spiegelten ein Weltbild wider, durch das Willi Baumeister die Entwicklung hin zur Abstraktion, als „Parallele zur ... Wissenschaft“, bestätigt sah.82 Wie überzeugt

81 Vgl. Haftmann 2000, 439; 82 Vgl. Baumeister, Willi: „Bild und Weltbild“, in: Prisma, H. 8, 1947, 15; 37

Baumeister von der abstrakten Kunst war, belegt auch folgendes Zitat: „Angesichts dieses neuen Weltbildes seien die Fragen erlaubt: Hält der alte, von außen beobachtende Naturalismus und seine Gefolgschaft eine Wertposition innerhalb der neuen Front aus oder ist die ungegenständliche oder weitgehend ungegenständliche Kunst eher die Parallele zur heutigen Wissenschaft? ... Durch Ordnung kann der Mensch in der verwirrenden Vielheit der Welt einen Standpunkt gewinnen. Der neuzeitliche Maler sucht diesen Standpunkt nicht durch Nachbilden der äußeren Naturerscheinung, sondern er bildet aus sich. Er bildet nicht nach der Natur, sondern wie die Natur."83 Baumeister legitimiert hier die abstrakte Kunst, indem er Parallelen zur Wissenschaft zieht und der abstrakten Kunst im Vergleich zur gegenständlichen Kunst den Vorrang zuspricht. Als künstlerische Antwort auf die nur mehr theoretisch abstrakt vorstellbaren Phänomene der Natur kam es nach 1945 erneut zur Auseinandersetzung mit künstlerischer Abstraktion, die für den Großteil der Bevölkerung nach wie vor ebenso unverständlich und rätselhaft erschien wie die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft. Sie wurde bewusst als Ausdrucksmittel der veränderten Welt genutzt.84 Berühmte Vertreter der abstrakten Malerei im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit waren Willi Baumeister, Max Ackermann oder Georg Meistermann.

Daneben fiel die Abstraktion, viel mehr als andere Stilrichtungen, durch den Wunsch nach künstlerischer Befreiung aus der Gefangenschaft der diktatorisch ausgeübten Kunstpolitik des „Dritten Reichs“ ins Auge. Dadurch, dass ihre Kunst sich dem Gegenstand vollkommen entzog, bildete sie nach Jahren der erzwungenen Herrschaft realistischer Nazimalerei die größte Angriffsfläche für das der Moderne entwöhnte Publikum. Wider den Behauptungen ihrer Gegner, ging es diesen Künstlern jedoch nicht um eine Deformation der Wirklichkeit, deren Naturgesetze die Künstler zu schätzen wussten.85 Vielmehr ging es darum, die Möglichkeiten der

83 Baumeister, Willi: „Über Kunst“, in: Aussaat 2, 3/4 1947, 116f; 84 Zitat: „Die Wende zur Abstraktion war eigentlich ein großer Befreiungsprozeß, der soweit ging, daß man sich auch vom Objekt befreite. Und daß man der Meinung war, daß man mit den Mitteln der abstrakten, also der gegenstandslosen Malerei, die Probleme der Welt darstellen kann ...“, Heinz Trökes, in: Straka/Suermann 1983, 289; 85 Dies bestätigte Franz Roh: „Die neuen Maler halten ... gewisse Naturausschnitte geradezu für vollkommen, für so vollendet, daß es leichtsinnig wäre, hiermit überhaupt konkurrieren zu wollen ...“, Roh, Franz, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947, o.S.; Und auch Willi Baumeister äußerte, wie bereits oben zitiert, seinen Respekt gegenüber der Natur, die in seiner abstrakten Kunst eine wesentliche Rolle einnahm: „Die moderne Kunst bildet nicht nach der Natur, sondern wie die Natur, parallel zur Natur ...“, Baumeister, W.: Warum ich gegenstandslos male, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.9, 38

Farbe und Form zu erforschen, die Wirkung der „... Farben, Formen, Raumsuggestionen, Flächenrhythmen ...“86 für die Darstellung intuitiver Prozesse zu nutzen und somit an einer Tradition anzuknüpfen, welche die materialistische Haltung des 19. Jahrhunderts zu überwinden versuchte.

Tatsächlich wurden in kaum einem anderen Bereich als der Abstraktion nach 1945 die romantische Sehnsucht nach Reinheit, Freiheit und Unvoreingenommenheit so stark zum Ausdruck gebracht. Es war eine Sehnsucht nach einer verloren gegangenen Welt, die einer Heilung bedurfte. Wieder aufgenommene Aspekte der Romantik waren etwa die Flucht aus der Realität in irrationale Welten, die Bildung von Gegenströmungen zur Vernunft, die Thematisierung des Unterbewusstseins, die Befreiung der Form und des Inhaltes, die Verflechtung unterschiedlicher Bereiche aus Wissenschaft und Kunst oder das Verlangen des freischaffenden Künstlers nach Autonomie. Die Abstraktions-Bewegung bemühte sich um eine Reinheit der Form und um die Reduktion auf elementare Grund- und Urformen. In diesen Zusammenhang wurde Goethe nach 1945 nicht nur rezipiert, sondern auch gerne zitiert, vor allem dann, wenn es um die Legitimierung abstrakter Formensprachen ging. So äußern sich moderne Kritiker wie Hans Eckstein, der 1950 in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung über die „Malerei der jungen Generation“ die abstrakte Formensprache mehr oder weniger verteidigt, indem er Goethe zitierend - den Höhepunkt ihrer Ausdrucksform dort sieht, „... wo der Kunst der Gegenstand gleichgültig, rein absolut wird, der Gegenstand nur Träger ist ...“.87 Eckstein bezieht sich hier offensichtlich auf eine naive, bindungslose, ursprüngliche Art der Darstellung, die auf ein unreflektiertes, reines und offenes Weltverständnis zielt und unterstreicht in seinem Artikel den zeitgemäßen Prozess der Objektbefreiung, den der Künstler mit den Mitteln der abstrakten Malerei anstrebte. Die beschriebene Sehnsucht nach einer zwar noch undefinierbaren, jedoch hoffnungsvollen Zukunft wird von Eckstein zum Ausdruck gebracht und die moderne Kunst im allgemeinen durch den Bezug auf die geschichtlich fundierte und anerkannte Romantik zu legitimieren versucht. Der nach Goethe zitierte Begriff des Absoluten in der Kunst war für die Kunst des 20. Jahrhunderts gleichzusetzen mit der von Adolf Hoelzel formulierte Definition einer streng abstrakten Bildgestaltung, die lediglich aus autonomen Grundformen

1949/50, 326; vgl. auch Baumeister, Willi: Einführung in die neue Phase der Malerei, in: Kulturarbeit, H.8, 1949, 179; 86 Roh, Franz, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947, o.S.; 87 Zitat Goethes in einem Brief an Sulpiz Boisserée 1815, zitiert nach: Eckstein, Hans: Malerei der jungen Generation, in: SZ, 01.03.1950, 3; 39

besteht und sich jeglicher Notwendigkeit nach einem Gegenstand entzieht. Für die Inhalt-Form-Beziehung eines Kunstwerkes bedeutete dies die Dominanz der Form, die autonom von der Wirklichkeit existierte. Sinnlich erfahrbare Kriterien und ästhetische Aspekte traten in den Vordergrund und bedurften eines Umdenkens in der Ästhetik des an die realistischen Bilder der Nazizeit gewöhnten Publikums. Nicht das Wirkliche, die bloßen äußeren Tatsachen, sollten dargestellt sein, sondern das darüber hinausgehend Existente, das losgelöst von seinem Gegenstand zu finden war. Mehr oder weniger bewusst folgten die Künstler nach 1945 damit den Vorstellungen Goethes von einer „geistig-sinnlichen“ Welterfassung, die ihren eigenen Gesetzen folgte und nicht zwangsläufig mit der Wirklichkeit im Einklang stand. Hans Eckstein versuchte in seinem Artikel die Sinnlichkeit der Form und das Empfinden für Farben und Formen dem Publikum näher zu bringen. Die Berufung auf Goethe und dessen Fähigkeit, durch sinnliche Wahrnehmung die treibenden Kräfte hinter den äußeren Erscheinungen zu erfassen, erhöhte seine Glaubwürdigkeit. Dem formempfänglichen Betrachter wurde dadurch die Eigenschaft eines weltoffenen Menschen zuerkannt. Die Diskussion um den Formbegriff war typisch für die Jahre nach dem Krieg: sie entsprach dem Glauben an einen Neuanfang, half bei der Verdrängung der Kriegszeit und rechtfertigte die Suche nach reinen und einfachen Aspekten in der Kunst. „Abstrakt“ wurden nach 1945 nahezu alle modernen Werke deren Lesbarkeit sich einer Eindeutigkeit entzog genannt. Konsens darüber, was abstrakte Kunst sei, gab es nicht. Die Pluralität der Begriffe zwischen "abstrakt", "konkret"88, „realité nouvelle“89, "absolut", "konstruktiv" belegt dies und zeigt, dass sich schon früh im 20. Jahrhundert unterschiedliche Arten von autonomen Darstellungen herausgebildet haben.

Bestätigt wurden die Werke der Abstraktion vor allem durch den Blick auf die ausländischen Kunstentwicklungen.90 Denn im Ausland war die Abstraktionsbewegung in ihrer ununterbrochenen Weiterentwicklung zu

88 Der Begriff „konkret“ wurde erstmals 1930, in der nur einmal erschienen Zeitschrift „Art concret“ von Theo van Doesburg benutzt. Abstrakte Linien und Farben lieferten für van Doesburg konkretes Bildmaterial, währenddessen der Begriff des „Gegenstandes“ für ihn auf bloße Assoziationen zurückzuführen sei und nicht real auf der Leinwand existierte, vgl. Roh, Franz: Gegenstandslose Kunst, in Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1951, 1; 89 So der Begriff für die neue, abstrakte Wirklichkeit in der französischen Kunst; 90 vgl. Warnke, Martin: Von der Gegenständlichkeit und der Ausbreitung der Abstraktion, in: Die fünfziger Jahre. Beiträge zur Politik und Kultur, hrsg. von Dieter Bänsch, Tübingen 1985, 209; 40

beobachten.91 In Paris wurden beispielsweise die geometrisch-konstruktivistischen Bilder der internationalen Künstlervereinigung „Abstraction-Création“ 1931-1936 unter Beeinflussung der „écricure automatique“ des Surrealismus durch spontan improvisierte Abstraktionen der „École de Paris“ abgelöst. Werke von Hans Hartung, Wols oder Georges Mathieu als Vertreter der „École de Paris“ wurden seit 1947 als „abstraction lyrique“ definiert und bald darauf von einigen deutschen Künstlern rezipiert. In Amerika dagegen entwickelte sich die abstrakte Formensprache des Emigranten Kandinsky fort. Zusammen mit den unkontrolliert spontanen Gestaltungsweisen der „écricure automatique“, welche das Land durch die geflohenen europäischen Surrealisten während des Zweiten Weltkrieges erreichte, kam es in den 40er und 50er Jahren zu abstrakten Bildern, die man heute als „abstrakten Expressionismus“ kennt. Frühe Vertreter waren Wilhelm De Kooning, Robert Motherwell, Franz Kline oder Jackson Pollock, durch den es in den 50er Jahre zu einer nochmaligen Steigerung der Abstraktion, dem „Actionpainting“, kam. Die in Frankreich und Amerika entwickelten Stilrichtungen bestimmten in den 50er Jahren die gesamte westeuropäische Kunstszene. Die „lyrische Abstraktion“ zeigte sich bald nach dem Krieg in ihrer Fortentwicklung zur Kunst des „Informel“. Der „abstrakte Expressionismus“ wurde dagegen erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre übernommen, obwohl seine Bilder bereits 1951 in einer Wanderausstellung zu sehen waren.92

Für die in Deutschland anfangs wenig verstandenen rein abstrakt arbeitenden Künstler der Nachkriegszeit hatten diese internationalen Entwicklungen eine „globale Gültigkeit“93. Wurde doch die Abstraktion vom Ausland und in den 50er Jahren dann auch in Deutschland als eine „Weltsprache“ aufgefasst.94 In Deutschland nutzten kurz nach dem Kriegsende nur wenige Künstler die Mittel der Abstraktion. Die zunehmenden politischen Spannungen in Ost- und Westdeutschland bewirkten jedoch bald eine weitereichende Bestätigung der Abstraktion im Westen des Landes.

91 So wies Franz Roh in seinem Vorwort des Kataloges zur Ausstellung „Extreme Malerei“ 1947 darauf hin, dass sich in den anderen Ländern nichts ereignete, „... das den gesamten Antinaturalismus unserer Kunst überwunden hätte.“ Dass es sich bei der modernen Kunst, um eine „Gesamtbewegung, wie etwa das Barock“, handelte, welche „... noch viele Generationen umfassen wird“, Roh 1947, o.S.; 92 Vgl. Warnke 1985, 209 sowie Kapitel III.4.; 93 Hann Trier, in: Straka/Suerman 1983, 290; 94 Zitat: „’Abstraktion als Weltsprache’ war damals ja ein Wort, das auch Grohmann sehr beschäftigte und eine Form des Esperanto beinahe war, auf jeden Fall eine Möglichkeit, zu neuen Ufern zu kommen ...“, Bernard Schultze, in: Straka/Suermann 1983, 291; 41

2.4. Künstlerische Fragestellungen vor und während des Kalten Krieges

Die Zunahme des Ost-West-Konfliktes, auch innerhalb der Diskussion um eine zeitgemäße Ausdrucksform, lässt sich exemplarisch anhand der Quellen zur „Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung“ in Dresden nachvollziehen.95 So nahm die im Osten publizierte Zeitschrift „Bildende Kunst“ im Jahre 1946 deutlich Stellung für den Facettenreichtum der dort ausgestellten Werke, im besonderen aber auch für die zu jener Zeit schwer zugänglichen Werke des Surrealismus und der Abstraktion. Beide Stillrichtungen versteht man in dem Zeitschriftenbericht als ein Zeichen der Freiheit bzw. der „Demokratie der Kunst“96. 1949 gab ein Kritiker derselben Zeitschrift ein ganz anderes Bild über die in Dresden veranstalte Kunstausstellung. Sie war die letzte gesamtdeutsche Schau und präsentierte noch einmal den Stilpluralismus, der typisch für die ersten fünf Jahre in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war. Wie aus der Einleitung des Ausstellungsberichtes hervorgeht, äußerte sich der Autor zwar durchaus positiv über die stilistische Vielfalt der gezeigten Werke, indem er die Ausstellung an sich ein letztes Mal als „ethische Werbekraft für die Einheit der deutschen Kultur und die Einheit der deutschen Nation“97 bezeichnete. Doch machte die Hervorhebung der im Stil des sozialistischen Realismus geschaffenen Wandbilder als „Weg zu einer neuen demokratischen Kunst“ eine Abspaltung deutlich, die sich in den nächsten Sätzen durch die gleichzeitige Ablehnung der künstlerischen Werke des Westens verstärkt. Demnach hätten die Kunstwerke des Westens aufgrund der dort angeblich „stagnierenden gesellschaftlichen Form“ nichts Neues zu zeigen vermocht, währenddessen der sozialistische Realismus des Ostens erneut hoch gepriesen wird.98 Was der Bericht nicht erwähnte, war die Tatsache, dass die westliche Moderne schon in der Auswahl der Exponate als nicht repräsentativ geltend war.99 Dem erhobenen Anspruch der Ausstellung, einen „Überblick über

95 Vgl. hierzu die Ausstellungskatalog: Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden 1946 und 1949; 96 Vgl. Linfert, Carl: Erinnerungen an die Dresdner Ausstellung, in: Bildende Kunst, H.1 1947, 12; 97 Pommeranz-Liedtke, G.: Ein gesamtdeutscher Überblick Dresden 1949, in: Bildende Kunst, H.9, 1949, 267; 98 Pommeranz-Liedtke, in: Bildende Kunst, H.9, 1949, 267; 99 Dies bestätigt nicht nur der Ausstellungskatalog selbst, sondern auch folgendes Zitat: „Ein objektives Dokument der gesamtdeutschen Kunstsituation, das klärend oder gar richtungsweisend hätte wirken können, war sie nicht.“ Von der westlichen Kunst seien „... ein paar hundert, bisher nur im provinziellen Maßstab bekanntgewordene ... Begabungen ...“ ausgewählt worden, aus denen „... nur spärlich wirklich nennenswerte künstlerische Leistungen ...“ auffielen, Kinkel, Hans: Zweite deutsche Kunstausstellung in Dresden 1950, in: Das Kunstwerk, H.1, 1950, 44; 42

das gesamtdeutsche Kunstschaffen der Gegenwart“100 zu zeigen, wurden die Organisatoren nicht gerecht. Das Ziel, eine deutsche Einheit in der Kultur darzustellen wurde durch die offensichtliche Ablehnung gewisser Tendenzen verfehlt. Auch in den nachfolgenden Heften der Zeitschrift „Bildende Kunst“ werden die modernen Ausdrucksformen aus dem Westen immer wieder attackiert und das von Lenin geäußerte Postulat „Die Kunst gehört dem Volke“ propagiert.101 Das primäre Ziel war hier die Vorführung einer für das Volk leicht zugänglichen, realistischen Kunst. Die Absicht, diese Kunst als Propaganda für den Kommunismus einzusetzen, führte zwangsläufig zu Parallelen mit der Kunstdiktatur der NS. Verstärkt wurden diese Assoziationen mit Zunahme des Ost-West-Konfliktes, den unvereinbaren Weltbildern und den divergierende Ansichten der jeweiligen Kunstpolitik: denn während sich die Moderne in Westdeutschland von Anfang an frei entwickeln konnte, wurde den Künstlern des Ostens die Kunst des „sozialistischen Realismus“ nach Vorbild der marxistisch-lenistischen Ideologie nicht nur nahe gelegt, sondern spätestens nach der Teilung Deutschlands auch explizit vorgeschrieben. Waren moderne Formexperimente im Osten gebrandmarkt, wurden sie im liberalen Westen zunehmend „... als Ausdruck der neuen politischen Ordnung, als Manifestation demokratischen und republikanischen Geistes ...“102, kurz: als „Sinnbild und Garant für Freiheit“ 103 geschätzt.104 Gleichzeitig symbolisierte die Identifikation mit der Abstraktion in den 50er Jahren die Ablehnung des Sowjetkommunismus, der seinerseits den sozialistischen Realismus als „offizielle Kunstrichtung gegenüber westlich- kapitalistischer Dekadenz“ propagierte.105 Die moderne westdeutsche Kunst wurde im Osten verwerflich bourgeois denunziert.

Die Unterschiede der künstlerischen Ergebnisse in Ost und West verstärkten sich also zunehmend mit den politischen Spannungen zwischen den besetzten Zonen des deutschen Staates im Kalten Krieg. Es kam zur Visualisierung des Kalten Krieges in der Kunst.

Weitere Kritik bei K: Zweite deutsche Kunstausstellung in Dresden, in: Das Kunstblatt, H 5/6, 1949, 4-5; 100 Pommeranz-Liedke, in: Bildende Kunst, H.9, 1949, 267; 101 vgl. Engel, Rudolf: Zur Situation der deutschen Kunst, in: Bildenden Kunst, H. 10, 1949, 311-312; 102 Glaser 1997, 291; 103 Schneede 2001, 189; 104 Viele der zitierten zeitgenössischen Quellen belegen, dass bereits die Abstraktion der späten 40er Jahre als Ausdruck der individuellen Freiheitsverwirklichung des Westens galt; 105 Glaser 1997, 291 ; 43

Dies führte soweit, dass die realistische Malerei allgemein in Verbindung mit dem „sozialistischen Realismus“ des Ostens gebracht wurde und auf starke Ablehnung stieß. Die gegenständliche Kunst litt somit zweifach: durch ihre Vergleiche mit der Nazikunst und dessen Pendant im sowjetischen Einflussgebiet. Die abstrakte Kunst dagegen erreichte in den 50er Jahren ihre Alleinherrschaft, wurde sie doch zunehmend als Inbegriff der Demokratie und als Zeichen der Westintegration ideologisiert und auch politisch unterstützt. Im Besonderen zeigte sich dies in der Förderung abstrakter Kunst durch die CIA, welche die ersten europäischen Ausstellungen der „Abstrakten Expressionisten“ mehr als offensichtlich als Zeichen der westlichen Freiheit wider die östliche Unfreiheit finanzierte.106 Aber nicht nur die Anweisungen aus Amerika offenbarten eine politisch motivierte Förderung der Abstraktion, sondern auch die nachweisbaren staatlichen Ankäufe abstrakter Kunstwerke, die Vergabe von öffentlichen Kunstpreisen an abstrakt arbeitende Künstler107 und die Werkauswahl für öffentliche Kunstausstellungen, die in den 50er Jahren vor allem durch zahlreiche Retrospektiven der Väter der Abstraktion zum Ausdruck kam.108 Neben der amerikanischen und staatlichen Unterstützung kam einen dritte, die industrielle hinzu: die seit etwa 1951 mäzenatische Förderung der Abstraktion durch den Bundesverband der deutschen Industrie BDI. Der in ihm gegründete „Kulturkreis“ förderte ausschließlich die abstrakte Kunst, indem er Preise verlieh, Stipendien vergab, abstrakte Bildwerke kaufte oder ab 1954 das Periodikum „Jahresring“ herausgab, indem einige der damaligen Starkritiker wie Franz Roh oder Werner Haftmann sich den ästhetischen Reizen der Abstraktion widmen konnten.109 So wurde das Informel auf mehreren Ebene als Bekenntnis zum freien Westen hervorgehoben. Und es wurde zur Staatskunst, indem man ihm politische Macht verlieh. Die direkte Beeinflussung „von oben“ ging allseitig auf und wirkte sich bis in die Kunstrezeption aus: bald war die anfangs noch „publikumsfremde“ Kunst auch gesellschaftlich akzeptiert und führte zu einer Zunahme privater Sammler abstrakter Kunst.

106 Vgl. Schneede 2001, 189; 107 Vgl. Andritzky, Christoph: Deutsche Kunstpreise 1946-1961. Eine dokumentarische Übersicht, hrsg. vom Deutschen Kunstrat und der deutschen Sektion der internat. Gesellschaft der Bildenden Künste, 2. ergänzte Auflage, Köln 1962; 108 Einige Retrospektiven waren: Kandinsky 1953 in Köln und 1954 in München, Paul Klee 1954 in München, Jean Arp 1955 in Hannover, Kurt Switters 1956 in Hannover usw., vgl. Hermand 1991, 154; 109 Vgl. Wenk, Silke: Der Kulturkreis im BDI und die Macht der Kunst, in Ausstellungskatalog: Zwischen Krieg und Frieden 1980, 80ff; vgl. weiter Glaser, 1997, 291, Warnke 1985, 212 und Roh, Juliane: Industrie als Mäzen, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.4, 1954, 136-139; 44

Bis Ende der 50er Jahre machte sich ein Ausschließlichkeitsanspruch der Abstraktion bemerkbar: „Die Kunst ist abstrakt geworden“, so Werner Haftmann in dem von ihm aufgestellten Motto für die der Gegenwartskunst gewidmeten documenta II 1959, die durch die Alleinherrschaft der abstrakten Kunst, im besonderen aber durch ihre jüngsten Spielarten „Informel“, „Abstrakter Expressionismus“ auffiel. Auch die documenta III 1964 hatte die „Abstraktion als Weltsprache“ unter Einbeziehung ihrer historischen Entwicklungen noch aufrecht zu erhalten versucht, obwohl der genannte Ausschließlichkeitsanspruch zu dieser Zeit kaum noch haltbar war.110 Die bisher aufgeführten Entwicklungen wurden durch ein starkes Sendungsbewusstsein seitens der Künstler und Kunstkritiker sowie durch intensiv geführte Kunstdebatten unterstützt.

2.5. Abstrakt- moderne Kunst in der zeitgenössischen Kunstdiskussion

Diskussionen um die moderne Kunst wurden bereits ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges, zu den ersten Ausstellungen, geführt. Die abstrakte Kunst stand verstärkt seit 1947 zur Diskussion. Es wurde heftig über die moderne Kunst, ihr Verhältnis zu früheren Epochen, ihre Möglichkeiten und Aufgaben, ihre zeitgemäße Ausdrucksform und ihre Ablehnung von der Mehrheit der Bevölkerung debattiert. Darüber hinaus ging es um die formalistische Frage: gegenständlich oder abstrakt. Konservative Kritiker protestierten gegen die Zunahme stark abstrahierender und abstrakter Kunst und deren Förderung durch öffentliche Initiativen und zogen Vergleiche mit der totalitären Kunstinszenierung des Nationalsozialismus.111 Bestätigt wird dies in den öffentlichen Medien, in denen es bis in die 50er Jahre hinein zu verbalen Attacken zwischen den Gegnern und Befürworter der Abstraktion kam. Das Verbot der Kunstkritik war offensichtlich aufgehoben und ermöglichte Diskussionen über Formfragen, Kunstströmungen und aufgaben,

110 Werke der in den 60er Jahren populär gewordenen „Pop Art- Künstler“ aus Amerika wurden von einigen der Ausstellungsmacher nicht gewürdigt; 111 Bereits 1946 äußerte sich Franz Roh im Bayerischen Rundfunk zu den Entwicklungen moderner Kunst wie folgt: „Es wäre falsch, wenn ein Gerede entstände, daß während des Dritten Reiches nur die altmodischere Kunst, jetzt aber nur extrem moderne zugelassen würde. Schwätzen doch schon allzu konservative Gemüter von „neuer Diktatur“ im Kunstwesen ...“, Roh, Franz: Kommentare zur Kunst. Rundfunk- Kritiken, München 1948, 91; 45

wenngleich die Medien bis 1949 noch von den Besatzungsmächten zensiert wurden. In Zeitschriften, Zeitungen, öffentlichen Diskussionsrunden und wissenschaftlichen Publikationen wurden die jeweiligen Standpunkte für oder gegen die Abstraktion verteidigt. Einflussreiche Bücher wie „Das Unbekannte in der Kunst“ 1947 von Willi Baumeister112 als Befürworter der Modernen, „Verlust der Mitte“ 1948 von Hans Sedlmayr113 oder „Was bedeutet die moderne Kunst?“ 1949 von Wilhelm Hausenstein114 als Gegner, dienten als Diskussionsgrundlage für die Öffentlichkeit.115 Den Höhepunkt der Streitgespräche bildet das legendäre Darmstädter Gespräch 1950, bei dem Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Künstler und interdisziplinäre Wissenschaftler versammelt waren, um drei Tage lang anläßlich der Darmstädter Ausstellung „Das Menschenbild unserer Zeit“ über die aktuelle Kunstrezeption

112 Willi Baumeister begann bereits während des Zweiten Weltkrieges an der 1947 publizierten Publikation „Das Unbekannte in der Kunst“ zu schreiben. Dieser nach glaubte er an die schöpferische Kraft und Arbeit des Künstlers, der aus der „Lust, Formen, entstehen zu lassen“ und ohne Bezug auf Vorgegebenes, Unbekanntes in der Kunst auf die Leinwand zu übertragen vermochte. Dabei waren abstrakte Bilder für ihn keineswegs inhaltslos, im Gegenteil: für ihn waren sie der Ausdruck metaphysischer Kräfte sowie eine den wissenschaftlichen Entwicklungen zeitgemäße Ausdrucksform, vgl. Baumeister, Willi: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947; 113 Hans Sedlmayr sah in der Abstraktion vor allem ein „Symptom“ für die sich seiner Meinung nach im Zerfall befindliche Gesellschaft. Moderne Kunst galt für ihn als Zeichen für den Verlust eines humanistischen und religiösen Weltbildes, dessen Heilung lediglich durch eine erneute Hinwendung zu Gott und durch die Rückkehr zu seiner Mitte erfolgreich sei. Das Motto „Verlust der Mitte“, welches die Publikation benennt, bedeutete den Verlust der „Menschlichkeit“ bzw. den Verlust des Glaubens, daß der Mensch egal in welcher Weltordnung potentiell Ebenbild Gottes sei, vgl. Sedlmayr, Hans: Verlust der Mitte. Die bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit, Salzburg 1948, 88, 133 sowie Skrandies, Timo: Verlust der Mitte, in: Flächenland: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, hrsg. von Hans Körner, Tübingen/ Basel 1996, 20-51; Sedlmayr sprach mit seinen Thesen die Meinung vieler Zeitgenossen und Gegner der Modernen aus. Sein Buch „Verlust der Mitte“ wurde zum Besteller und bildete die Grundlage für die kritischen Gegner der Abstraktion; 114 Auch Hausenstein offenbarte eine rückwärtsgewandte Kunstgesinnung, die von theologischen Thesen ausging. Auch er sah in der abstrakten Kunst, die Grenzen der Natur als überschritten und mit ihr den Glauben an Gott als gefährdet. Nicht nur, dass sie Zeichen eines Nihilismus und des Chaos sei, sie sei lediglich für einen kleinen Kreis an Kennern geschaffen und entzöge sich somit jeglichem gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein. Wie Sedlmayr sah auch Hausenstein den Ausweg in der Rückkehr in die Wertvorstellungen des Christentums, vgl. Hausenstein, Wilhelm: Was bedeutet die moderne Kunst? Wort der Besinnung, München 1949; 115 Vgl. hierzu Herlemann, Falko: Zwischen unbedingter Tradition und bedingungslosem Fortschritt. Zur Auseinandersetzung um die moderne Kunst in der BRD der 50er Jahre, Diss., Frankfurt a.M./Bern/N.Y./Paris 1989, 19-24, 31-34; 46

zu diskutieren.116 Die Anteilnahme an dieser Diskussion war groß, der Saal der Stadthalle war „... meist bis auf den letzten Platz von einem lebhaft für und wider interessierten Publikum gefüllt ....“117 Schon allein das Thema induziert die zur damaligen Zeit hohe Erwartung an die Kunst, die zur Klärung des Bildes vom Menschen mehr als andere Gesellschaftsbereiche die Aufmerksamkeit an sich zog.

Fasst man dieses Gespräch sowie alle anderen geführten Diskussionen um die moderne Kunst zusammen, so waren dies in erster Linie eine Grundsatzdiskussion zwischen progressiven Befürworten und traditionellen Gegner über die Vorstellung einer „neuen“ Welt, deren Werte verloren gegangen schien.118 Der genannte Stilpluralismus wurde in diesen Zusammenhang als „Signatur der Zeit“, sprich als Zeichen für die „Gespaltenheit und Problematik“ der Zeit aufgefasst.119 Ohne diese Diskussion hätte der Stilpluralismus vermutlich fortgelebt, hätten sich die verschiedenen Stilrichtungen vielleicht gegenseitig beeinflusst oder ignoriert.

Ausgelöst durch das bereits angesprochene, zu jener Zeit verändert aufgefasste Weltbild, sprach man von „Bewußtseinskrisen der Menschheit120, von einer „Krise der Wirklichkeit121, welche die Gegner der Moderne vornehmlich in der abstrakten Kunst zu erkennen glaubten. Während diese in dem zunehmenden Materialismus, der zunehmenden Mechanisierung, Technisierung und physikalischen Entmaterialisierung, Gefahren für die Weiterentwicklung der Menschheit, ebenso auch einen Verlust des religiösen Weltbildes sahen, fühlten sich die fortschrittlich denkenden Anderen durch die neuen Zeiterscheinungen inspiriert.122 Für letztere

116 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang vor allem auf die in diesem Gespräch zitierten Publikationen von Willi Baumeister und Hans Sedlmayr sowie auf die Zusammenfassung dieses Gespräches bei Evers, Hans Gerhard: Das Menschenbild unserer Zeit Darmstädter Gespräch 1950, Darmstadt 1950 sowie Herlemann 1989, 51ff.; 117 Leonhard, Kurt: Kunstgespräche in Darmstadt, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 103; 118 Die Wertekrise wird in der damaligen Presse vielfach diskutiert: vgl. z.B. die Berichte von Walter, Otto: Zweiter Deutscher Kunsthistorikertag in München, in: SZ, 10.09.1949, 6; Bach, Rudolf: Was bedeutet die moderne Kunst?, in: SZ, 02.02.1950, 6; Trökes, Heinz: Moderne Kunst und Zeitbewußtsein, in: Bildenden Kunst, H.3, 1948, 1719; Lex, Alice: Die Kunst im Werden eines neuen Weltbildes, Bildenden Kunst, H.4, 1948, 1820 oder Henze, Anton: Die Malerei der Gegenwart, in: Das Kunstwerk, H.6, 1949, 58; 119 Vgl. Nemitz, Fritz: Kunstschaffen in Deutschland Malerei, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.4, 1949, 128; 120 W.K.: Das Für und Wider moderner Bildkunst, in: SZ, 01.03.1950, 3; 121 Braun, Hans: Zur Kunst und zur Krise künstlerischen Schaffens, in: SZ, 07.02.1948, 5; 122 Vergleiche zu den Entwicklungen in der Physik, welche „nur noch ... in abstrakten mathematischen Formeln“ zu erfassen waren, wurden innerhalb der Rechtfertigung der modernen Kunst des öfteren herangezogen, vgl. Höver, Otto: Feststellungen zur Zeitwende. Das Abstrakte als 47

offenbarte die Abstraktion einen neuen Weg, eine neue Form der Auseinandersetzung über künstlerische Fragestellungen und gab Anlass, alte Denkhorizonte zu überwinden, neue anzuregen oder zu erweitern.123 Es galt die Ansicht, dass die moderne Kunst aus dem von vielen empfundenen Chaos „neue kosmische Entwürfe“124 formen könne, ja sogar in der Lage wäre, das Chaos in eine gewünschte Ordnung zu bringen.125 Die abstrakte Kunst wurde von ihren Befürwortern als der Höhepunkt der Moderne erklärt. Man versuchte, sie durch die Vermittlung eines Fortschrittoptimismus gesellschaftlich zu etablieren. Ihre schöpferischen, überzeitlichen Prinzipien verwiesen auf ihre originelle Qualität, die keiner Naturnachahmung bedurfte, sondern, wie in der Natur, aus sich selbst heraus entsteht.

Die hier kurz angesprochenen, artifiziell aufgeladenen Streitgespräche um die Frage nach einer zeitgemäßen Kunst wurden in erster Linie von Kunstkritikern, Künstlern und Wissenschaftlern geführt. Von Interesse sind aber auch die Reaktionen des breiten Publikums auf die moderne Kunst der Nachkriegszeit, soweit sich diese aus den Quellen erschließen lassen.

schöpferische Ausdrucksform, in: Die Kunst, 1948, 62; Auch Franz Roh schloss nicht aus, dass „... zwischen den riesigen Denkabstraktionen neuester Physik und den kosmischen, ungegenständlichen Empfinden der Maler ... ein unterirdischer Gefühlszusammenhang ...“ bestehen könnte, vgl. Roh 1951, 4, vgl. auch Horacek, Martin: Naturwissenschaftliches Weltbild und abstrakte Malerei, in: Körner, Hans Hrsg.: Flächeland: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, Tübingen/ Basel 1996, 149182; 123 Vgl. hierzu auch Prieur, Renate: „Wir haben doch die Sammlung Haubrich ...“ Diskussion um die moderne Kunst in Köln 1945-1960, in: Freier Eintritt, Freie Fragen, Freie Antworten. Die Kölner Mittwochsgespräche 1950-56, hrsg. von Wilfried Dörstel u.a., Köln 1991, 123; 124 Leonhard, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 103; 125 Zitat: „Um Ordnung in unser eigenes Leben und unsere Umwelt zu bringen, ist diese Kunst so wichtig für unser unbewußtes Leben und Wohlbefinden ...“, Rebay, Hilla: Gegenstandslose Malerei, in: Die Kunst, 1948, 3; vgl. zudem K.F.M: Ordnung des Chaos durch die Kunst, in: SZ, 30.11.1950, 2, Leonhard, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 103 oder Rebay, Hilla: Ein Brief aus Amerika und sein europäisches Echo, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 105; Wie diese Quellen belegen, existierte der Wunsch nach Ordnung und Harmonie wesentlich früher als oftmals in der Forschungsliteratur angenommen wird: hier am Beispiel Martin Damus, der diesen Wunsch erst Mitte der 50er Jahre mit der Entwicklung des „Informel“ zu erkennen glaubt, vgl. Damus, Martin: Malerei in Deutschland Ost und West 1945 bis 1990, in: Kunsthistorische Arbeitsblätter, 9/2001, 2; 48

3. Rezeption moderner Kunst in der unmittelbaren Nachkriegszeit beim Publikum

Im Zusammenhang mit der Haltung des Publikums muss noch einmal die Wichtigkeit der zeitgenössischen modernen Kunstausstellungen sowie deren Rezensionen in der Presse hervorgehoben werden. Dienten sie unmittelbar nach dem Krieg als wichtigste Informationsquellen für die Künstler und für das an moderner Kunst interessierte Publikum, so stellen sie heute die Grundlage für die Untersuchung der zeitgenössischen Kunstrezeption dar. Verstärkt ab 1947 finden sich zahlreiche Artikel, die das Phänomen der Abstraktion zum Thema haben und dem Leser ihre Stellung als zeitgemäße Ausdrucksform einerseits bzw. ihre Symmetrie des Verfalls andererseits suggerieren.

Laut dieser Artikel schien die Zahl der Besucher zu Ausstellungen moderner Kunst groß.126 Und wie der Münchner Kritiker Hans Eckstein in Bezug auf die Ausstellung „Extreme Malerei“ in Augsburg in der Süddeutschen Zeitung bestätigte, war das Publikum zudem „im geradezu erstaunlichen Maße“ an der zur Diskussion gestellten Kunst interessiert.127 Die breite Analyse der Primärquellen besagt jedoch, dass auch beim Publikum eine „zweigeteilte Meinung“, mehr wider als für die moderne Kunst, existierte.128 Dies belegen beispielsweise die Erinnerungen Heinz Trökes an die erste Nachkriegszeit: „Wir Künstler hatten eine euphorische Stimmung, dann gab es aber Leute, die nie etwas anderes gesehen hatten als diese Nazikunst. Die waren völlig konsterniert und reagierten mit denselben Worten, die sie 12 Jahre lang gehört hatten: ‚Kulturbolschewismus’, ‚entartet’, ,jüdische Kunst’.“129 Offensichtlich gab es gegen die moderne Kunst in der Öffentlichkeit weiterhin starke Widerstände. Dass die Gegner moderner Kunst nach 1945 sich an dem Wortschatz der Nationalsozialisten bedienten, geben auch die Erinnerungen des Künstlers Thomas

126 So der Zeitgenosse Bruno E. Werner über die Vernissage der Ausstellung „Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei“ in Augsburg 1947: „Es waren sichtlich arme Irre, denn sie waren zu diesem Zweck und keinem anderen in eisverschalten überfüllten Zügen aus München, aus Tübingen, aus Stuttgart, vom Staffelsee und wer weiß woher nach Augsburg gefahren. Sie kamen nicht in Geschäften, sondern sie kamen, um eine Ausstellung zu besichtigen!“, Werner, B.E.: Zwischen Kopfschütteln und Anerkennung, Neue Zeitung, 03.02.1974, zitiert nach Finckh, Gerhard: Zur historischen Bedeutung der Gruppe ZEN 49, in Ausstellungskatalog: ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 75; 127 Vgl. Eckstein, Hans: „Extreme Kunst“ in Augsburg, in: SZ, 25.02.1947, 3; 128 Vgl. Heinz Trökes, in: Straka/Suerman 1983, 282; vgl. hierzu auch die Bemerkungen bei Damus 1995, 25ff sowie Hermand 1991, 155f. 129 Heinz Trökes, in: Straka/Suerman 1983, 282; 49

Grochowiak an die Ausstellung „Befreite Kunst“ in Braunschweig wieder130: „Die damalige Ausstellung ... war ein totaler Mißerfolg .... Die Leute haben geschimpft, Gift und Galle gespuckt und haben gesagt, das ist entartet, und Hitler hat recht gehabt, und die Nazis haben recht gehabt, also das Gegenteil von dem, was man eigentlich wollte ....“131 Wie Grochowiack sieht auch Franz Roh Kritiker und Publizist der allerersten Nachkriegszeit die insgesamt breite Ablehnung moderner Ausdrucksformen in der nationalsozialistischen Vergangenheit begründet, welche „... die moderne Kunst vielen zu einer fremden, ja auch befremdeten Welt ...“ werden ließ.132 Franz Roh spricht in diesem Zusammenhang von einem „Trägheitsgesetz unseres Seelenlebens“133, indem er den trägen Geschmack des Bürgertums kritisiert und das Gefühl für die neue Kunst den Kunstexperten vorbehält. In Wahrheit verhielt es sich bei der Kunstrezeption damals nicht anders als heute, bedarf es in breiten Kreisen doch erst einer Gewöhnung gegenüber neuen Frontlinien in der Kunst. Den allmählichen Zugang zur Kunst bekommt der Laie durch deren ständige Medienpräsenz, durch Ausstellungsbesuche zeitgenössischer Kunst und heute vor allem durch die inflationäre Präsentation neuer Positionen im Kunstmessenbetrieb. Dies bedeutet: neue Wege werden zunächst von einem kleinen Kreis an Kunstexperten entdeckt und durch eine propagandistische Aufbauarbeit sowie durch Ankäufe renommierter Sammler publik gemacht. Handelt es sich heute um einen unüberschaubaren Facettenreichtum an neuen Ausdrucksformen, so etablierte sich in den 50er Jahren die Abstraktion zur ausdrucksstärksten, zeitkritischen Kunst. Ihre Präsenz sorgte schnell für ihre Akzeptanz im breiten Publikum.

Abgesehen davon, dass ungewöhnte Ausdrucksformen in ihrer Entstehungszeit generell zunächst von einem eher kleinen, elitären Kreis angenommen werden, war die Situation nach 1945 besonders prekär. Die Kunstpolitik des „Dritten Reichs“ wurde immer wieder in Zusammenhang mit der Kluft zwischen moderner Kunst und dem Publikum gebracht:

130 Gezeigt wurden hier vor allem Werke der einst ‚entarteten’ Künstler aus der Vorkriegszeit; 131 Thomas Grochowiak in: Straka/ Suermann 1983, 283; 132 Hans Eckstein: Zum Geleit, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945, o.S.; 133 Zitat: „Wir wollen im Geschmack da stehen bleiben, wo sich die fortschrittlichen Maler aus der Zeit unserer Großmutter befanden, während die Originelleren und Neutöner von heute längst zu neuen Zielen vorstürmen. ... In 30 Jahren wird man sich lächelnd fragen, warum man einst so opponiert hatte.“, Franz Roh, in Ausstellungskatalog: Extreme Malerei, Augsburg 1946, o.S.; vgl. hierzu auch Rebay, in: Die Kunst, 1948, 103-110; Eckstein, Hans: Modernität und Tradition. Die neue Ausstellung im Augsburger Schäzler-Palais, in: SZ, 17.09.1946, 5 sowie Thwaites, John Antony: Ich hasse die moderne Kunst, 1. Auflage 1957, Frankfurt a.M. 1960, 92; 50

„je mehr aber die kunst die prätention hat, nichts als kunst und reine kunst zu sein und die moderne kunst hat zweifellos diese prätention , desto mehr schien die brücke zum breiten publikum abgebrochen, desto mehr schieden sich bild- und kunstinteresse, publikum und kunst. ... die nationalistische liebedienerei vor dem geschmack der massen bei gleichzeitiger brutaler unterdrückung aller modernen echten kunst hat vorerst diese kluft nur vertieft. Noch ist nicht zu übersehen, wie tief der angerichtete schaden reicht. Es ist in dieser situation wohl wichtiger, für die erkenntnis des wesens und der aufgabe der kunst zu wirken als auf allgemeines echtes kunstverständnis zu spekulieren. denn hier gilt Goethes wort: ‚den stoff sieht jedermann vor sich, den gehalt findet nur der, der etwas dazu zu tun hat, die form aber ist ein geheimnis der meisten.‘“134

Aus den Worten von Hans Eckstein geht nicht nur eine Schuldzuweisung an die nationalsozialistische Kunstpolitik hervor. Unter erneuter Berufung auf Goethe und dessen Fähigkeit, das „unsichtbare in der Kunst“ zu erkennen sowie durch die Verbalisierung der „romantischen Reinheitsgebote“ unternimmt Eckstein abermals den Legitimierungsversuch für die zeitgenössische moderne Kunst. Für das durch traditionelle Sehgewohnheiten blockierte Verständnis gegenüber neuen Ausdrucksformen sieht er eine gezielte Vermittlungsarbeit als Desiderat. Hans Eckstein weist darauf hin, dass dem Geschmack der Massen die Bereitschaft bzw. Fähigkeit, neue Sinneseindrücke wahrzunehmen fehlte, so dass die Vermittlung eines Zugangs zu dieser Wahrnehmung nicht nur in diesem Zusammenhang als wichtigste Voraussetzung eines jeden ästhetischen Empfindens angesehen werden kann. Interessant wird die Feststellung besonders dann, wenn progressive zeitgenössische Kunst im Mittelpunkt der Kritik erscheint. Denn wie bereits erwähnt, benötigt der Großteil der Rezipienten stets etwas Zeit, um sich auf die von einem modernen Bild ausgehenden „ungewohnten“, „reinen“ Reize einzulassen. Dabei drängt sich immer wieder die Frage auf: Was ist Kunst und wer bestimmt, was Kunst sein darf?135 Schon oft wurde über diese Frage diskutiert, doch scheint die einfachste Antwort bei W. Hofmann formuliert: „Kunst ist das, was wir als solche gelten lassen.“136 Das Verständnis für Kunst erlangt, wer durch die Interaktion Zugang zu einem Werk erlangt. Die Gültigkeit von Kunstwerken ist

134 Eckstein, Hans: Kunst und Publikum, in Ausstellungskatalog: Ausstellung moderner Malerei Graphik Plastik. Künstlergruppe ROTER REITER, Traunstein 1946, 5; 135 Verwiesen sei hier auf die kurzen Essays zu den wichtigsten Stationen der Ästhetik von der Antike bis zur Gegenwart, in: Hauskeller, Michael: Was ist Kunst? Positionen der Ästhetik von Plato bis Danto, München 1999; 136 Zitiert nach Schneede 2001, 8; 51

wiederum untrennbar mit den historischen Ausgangsbedingungen des Betrachters in Abhängigkeit seiner gesellschaftlichen Gewohnheiten vernetzt.137 Indem die Wahrnehmung in der Kulturgeschichte des Sehens also von der Sichtweise des jeweiligen Rezipienten innerhalb seines historischen Umfeldes abhängt, kann sie auch keine gleich bleibende Größe darstellen kann sich die Anziehungskraft eines Bildes im Laufe der Historie positiv und auch negativ entwickeln.

Mit der durch die Nazipolitik herbeigeführten Ausschaltung der internationalen Moderne konnte eine natürliche Weiterentwicklung und als Folge eine mögliche Ausweitung der Seherfahrung verhindert werden.138 Die Möglichkeit, sich an die in ihrer Entstehungszeit ebenso wenig breit akzeptierte moderne Kunst zu gewöhnen war somit nicht gegeben. Der Kunstgeschmack während der Nazizeit wurde durch die Alleingültigkeit der repräsentativen, pseudo-realistischen Nazikunst geformt und Ausstellungen wie die „entarte Kunst“ bestätigten negative Assoziationen mit der modernen Kunst.139 Die Breite des Kunstverständnisses nach 1945 wurde somit nachhaltig durch den Ästhetizismus der nationalsozialistischen Kunst bestimmt, der das Kunstwerk auf seinen volksnahen Inhalt und seiner propagandistischen Wirkung reduzierte. Auf der anderen Seite existierte ein Ästhetik-Empfinden, das in erster Linie die vermeintliche Schönheit eines Objektes und weniger die gesellschaftliche Funktion der Ästhetik, sprich die soziale Funktion von Kunst und Stil in den Vordergrund stellt. Als schön galt ein Bild, das im Wesentlichen der Abbildung der Wirklichkeit und den gesellschaftlichen Wertevorstellungen entsprach. Verschlüsselte oder gar abstrakte „Bildinhalte“ wurden deshalb lange Zeit von einem Großteil der Bevölkerung negiert. Und dass ein Wissenschaftler wie Hans Sedlmayer die

137 In diesem Zusammenhang haben sich die in der Kunstwissenschaft, Anfang des 20. Jahrhunderts, von Aby Warburg und Erwin Panofsky entwickelten Methoden der Ikonologie zum Verständnis und zur Analyse eines Kunstwerkes bewährt. Interessant ist dabei der Blick über die symbolische Bedeutung eines Bildes hinaus und hinein in den Hintergrund eines geistigen Gesamtkonzepts, in die jeweilige Funktion eines Bildes sowie in die Geschichte seiner Entstehungszeit; 138 Dagegen wurden die von Hitler als „schön“ empfundenen Bilder in die Wahrnehmung und somit auch psycho-physischen Vorgänge der Bevölkerung transferiert; vgl. hierzu von Campenhausen, Christoph: Die Sinne des Menschen. Einführung in die Psychophysik der Wahrnehmung, Stuttgart 1993; 139 Auch Bernard Schultze sah die Ursachen des geringen Interesses an dem Mangel, der durch die Nationalsozialisten verhinderten Auseinandersetzung mit moderner Kunst: „Das Volk war total verbildet durch die Nazikunst in Deutschland. Die haben die 12 Jahre, die die Nazis am Ruder waren, nur diese deutsche Kunst gesehen ...“, Bernard Schultze, in: Straka/ Suermann 1983, 284; vgl. auch Grasskamp 1994, 149; 52

moderne Kunst als Symptom eines allgemeinen Werteverfalls ansah, bestätigte die Kunstlaien, die sich nicht länger Ungebildetheit vorzuwerfen lassen brauchten.

Neben dem einseitigen Ästhetikbewusstsein basierte das damalige Kunstverständnis mehr als heute auf dem menschlichen Verlangen nach einer eindeutigen Bedeutungszuweisung. Kunsthistorisch gesehen wird ein Werk durch die Verknüpfung einzelner Bildelemente interpretiert, um den Bildinhalt wie auch dessen inkonographische Bedeutung erschließen zu können.140 Aus psychologischer Sicht erfolgt die Suche nach einem Bedeutungssinn unbewußt aufgrund des jeweiligen Erfahrungshorizontes und der im Gedächtnis abrufbaren visuellen Sinninformationen. Gegenstandslose Bilder zielen auf eine rein formale Wirkung. Die Informationsverarbeitungen ihrer Reizmerkmale führen nicht mehr automatisch zu einem Bedeutungsinhalt, die Kombination der Farben nicht mehr automatisch zu einem im Gedächtnis gespeicherten Bildinhalt.141 Der Inhalt gegenstandsloser Bilder ist nicht auf deskriptiver narrativer Ebene zu finden. Künstler, die sich zu jener Zeit für die Abstraktion entschieden, war dies bewusst. Im Vordergrund standen die Abkehr von der rein technischen Kenntnis der Pinselführung und Farbgebung „formschöner“ Bilder sowie die Flucht vor der Wirklichkeit in eine imaginäre Scheinwirklichkeit. Dies bedurfte der Phantasie des Betrachters. Das Verständnis für moderne Kunst wurde dadurch nicht erleichtert. Was dem Großteil der Betrachter fehlte waren nicht nur die Toleranz gegenüber den künstlerischen Antworten auf die Symptome der Zeit, aus denen heraus diese Werke entstanden sind, sondern auch der Wille, sich auf die ästhetischen oder rein visuellen Reize eines abstrakten Bildes einzulassen, die Sinnesqualitäten der Farbe oder des Farbträgers zu erfassen sowie die Neugier auf vielleicht neue Entdeckungen in einem modernen Bild.

Die subjektiv möglichen, jedoch nicht jedem zugänglichen Entdeckungen in der Abstraktion führte lange Zeit zu Angriffen gegen die „Extremen“ der Nachkriegszeit: „Die exklusive Geheimsprache ihrer Formen, die skeptische und unverhüllte Beschränkung auf Probleme, die wiederum nur ein Künstler nachempfinden kann, die Alchimistenfreude am Experiment und der prophetische,

140 Vgl. hierzu die systematische Methode der Werkinterpretation zur schrittweisen Erschließung der Sinndimensionen eines Kunstwerkes von Panofsky, Erwin: Studies in Iconology, New York 1939 und ders. Meaning in Visual Arts, Garden City, New York 1955; 141 vgl. hierzu Kebeck, Günther: Wahrnehmung Theorien, Methoden und Forschungsergebnisse der Wahrnehmungspsychologie, Weinheim/München 1997 sowie Tunner, Wolfgang: Kunst und Psychologie Vom Sehen zur sinnlichen Erkenntnis, Wien 1999; 53

bald höhnende, bald leidenschaftliche Griff nach dem Unbekannten, trennen sie vom Publikum.“142 Immer wieder war die Rede von einer „Kunst für Eingeweihte“, einer „höheren“ Kunst, einer Kunst für einen elitären Kennerkreis, der laut den gegnerischen Stimmen allein die Bedeutung des Bildes zu kennen wüsste. Der Laie dagegen stand laut „Augenzeugen“ oft ratlos vor einem abstrakten Bild: „... mit den abstrakten Künstlern weiß der Einheimische nicht recht, wohin, wenn er auch in der Öffentlichkeit nicht gerne darüber diskutiert .... Ratlos blickt der Besucher umher und müht sich vergebens ab, durch die gemalten viereckigen Fenster einen Blick in das Seelenleben ihrer Schöpfer zu tun.“143

Erst die andauernde Diskussion um die abstrakte Kunst, ihre ständige Präsenz, ihre Gleichsetzung mit der Naturwissenschaft und Technik, der ihr zugestandene Ausdruck der Weltoffenheit und des Fortschritts, die kulturpolitische Unterstützung, ihre Bestätigung durch ausländische Entwicklungen und die Betonung auf ihre schöpferischen, überzeitlichen Kräfte führten zu einer allmählichen Akzeptanz in der breiten Bevölkerungsschicht. Sie wurde auch durch das starke Sendungsbewusstsein diverser Kunsthistoriker und kritiker unterstützt. Man redete und schrieb über die Problematik moderner Kunst, bat um Geduld144, um den Besuch von möglichst vielen Ausstellungen zum Zwecke einer Schulung des Auges145, dessen Seherfahrung als ein „Schlüssel zum

142 Klie, Barbara: Hat die Bildende Kunst unserer Zeit eine Chance?, in: SZ, 03./04.02.1951, 5; 143 Sommer, Sigfried: Spinat auf Leinwand, in: SZ, 05.04.1951, 4; 144 So Hans Eckstein in dem folgenden Zitat: „Die Sprache erschließt sich dem Ungeübten nicht sofort; darum erfordert Kunstverständnis sowohl Geduld als Duldung.“, Hans Eckstein: Zum Geleit, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945, o.S.; vgl. auch Rebay, in: Die Kunst, 1948, 103; 145 Zitat: „Durch den Besuch vieler Ausstellungen schärfen sich die Augen. Nicht durch Intellekt und Theorie kommen stabilere Urteile zustande, sondern nur durch naive Anschauung ...“, Baumeister, Willi: Einführung in die neue Phase der Malerei, in: Kulturarbeit, H.8, 1949, 179; vgl. auch Baumeister, Willi: Warum ich gegenstandslos male, in: Die Kunst und das Schöne Heim, 1949/50, Nr.9, 1950, 326; Im Münchner Schauspielhaus waren es dagegen die Vergleiche zur Musik, deren Genuß wie in der modernen Malerei, um so höher würde, je mehr „das aufnehmende Organ“ geübt sei, Eckstein, Hans: Kleine Bilderschau, in: SZ, 06.11.1945, 3; 54

Verständnis“146 gegenüber die erstarkende Rolle der sich vom Gegenstand abwendenden modernen Form147 fungieren könne.148 Es war die Kennerschaft weniger Intellektueller, die sich um die Vermittlung der „publikumsfremden“149 modernen Kunst bemühten: Symposien, Informationsabende, Vorträge oder Diskussionsrunden wurden organisiert, Erklärungsmodelle aufgestellt oder Einführungen zur veränderten Sichtweise in der Kunst erstellt. Wie diese Vermittlungen im Einzelnen aussahen und ob diese innerhalb den traditionellen Sichtweisen des breiten Publikum erfolgreich waren, wird im Folgenden die konkrete Situation der exemplarisch gewählten Stadt München verdeutlichen.

146 Grundig, Hans: Gedanken zur realistischen Kunstauffassung, in: Prisma, H.8, 1947, 19; Grundig kritisierte hier v.a. die Ratlosigkeit der Jugend gegenüber der Moderne, weshalb er den Realismus als die einzig „publikumsverständliche“ Kunstrichtung erklärte, vgl. ebd., 20; 147 Bezüglich der Augsburger Ausstellung stellte Hans Eckstein fest: „In der Kunst bedeutet der Gegenstand wenig, die Form aber alles“, Eckstein, Hans: Moderne Malerei in Augsburg, in: SZ, 04.12.1945, 4; 148 Vgl. auch Henze, A.: Zum Verständnis abstrakter Malerei, in: Das Kunstwerk, Sonderheft zur abstrakten Kunst, 1947, 8-9; Trökes, in: Bildende Kunst, H.3, 1948, 18; Roh; Juliane: Wie betrachte ich ein gegenstandsloses Bild?, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.9, 1951, 321; 149 So Wilhelm Worringer in seiner Schrift „Problematik der Gegenwartskunst“: „Und ich wiederhole: naturfremde Kunst ist publikumsfremde Kunst“, zitiert nach: Bildende Kunst, H.10, 1948, 30; 55

III. Situation, Produktion und Präsentation moderner Malerei in München

1. Ausgangsbedingungen der Bildenden Kunst in München

1.1. Die politische Ausgangssituation

Unter der Regierung von Ludwig I. von Bayern erlangte München den Ruf einer „Kunststadt“ mit akademischem Führungsanspruch. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war München als eine der weltweit führenden Kunstmetropolen anerkannt, in der bedeutende Vertreter der Münchner Schule wie Franz von Lenbach, , oder Ludwig Thoma wirkten. Um die Jahrhundertwende wurde Schwabing zu einem blühenden Künstlerviertel, in dem zahlreiche berühmte Literaten und Maler verkehrten. Das Klima dieser Zeit beschrieb Thomas Mann in seiner berühmten Novelle „Gladius Dei", die für München das geflügelte Wort „München leuchtete“ prägte.150 Mit der Gründung der Künstlervereinigung Der Blaue Reiter im Jahre 1911 gewann München eine maßgebliche Bedeutung als Zentrum expressionistischer Kunst. Die Aufgeschlossenheit gegenüber derartig modernen Strömungen endete mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. München wurde im „Dritten Reich“ zur „Hauptstadt der Bewegung“151 erklärt. Sie war als „Stadt der deutschen Kunst“ Veranstaltungsort der großen Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 und diente als Schaubühne Hitlers während der Nazizeit.152

Trotz ihres belasteten Rufes als „Kunststadt des Deutschen Reichs“ zog München nach dem verlorenen Krieg erneut viele Fremde, darunter auch viele kulturelle Persönlichkeiten, an.153 Es war das frühere Ansehen Münchens, das die Stadt auch

150 Mann, Thomas: Gladius Dei 1902, in: Sämtliche Erzählungen, hrsg. von Thomas Mann, Frankfurt a.M. 1963, 155; 151 Vgl. hierzu Rohnert, Ernst Theodor: Bayern in Geschichte und Gegenwart, München 1956, 182; 152 Zur Kunstsituation in München während der Hitlerzeit, vgl. Ludwig 1997, 165-175 sowie Schuster, Klaus- Peter: Die Entartetet Kunst, in: Gliewe, Gert Hrsg.: Kunst in München, Hamburg 1988, 44- 47 und Schuster 1987; 153 Der Wunsch nach München zu ziehen wurde aufgrund der anfänglichen Wohnungsnot und der strengen Zuzugspolitik nur wenigen gebilligt, vgl. Krauss 1985, 33-36; Erst ab 1951 wurden die positiven Folgen des Zuzugs erkannt, so die Auflockerung der in Bayern typischen römisch- katholischen Konfession sowie eine Beschleunigung des Industrialisierungsprozesses, worin Walter Panofsky eine „... neue Voraussetzung für das gesamte bayerische Leben ...“ sah, vgl. Panofsky, Walter: Kultur-Politik, in: SZ, 20/21.01.1951, 1/2; vgl. auch D.T.: Jeder vierte in Bayern ein „Zugereister“, in: SZ, 14.03.1951, 5; 56

nach 1945 wieder zu einem Treffpunkt für die kulturelle Szene in Süddeutschland machte und Erich Kästner beschrieb dies wie folgt: „München ist der Treffpunkt derer geworden, die bei Kriegsende nicht in Berlin, sondern in West- oder Süddeutschland steckten. Mitten auf der Straße fallen sie einander um den Hals. Schauspieler, Dichter, Maler, Regisseure, Journalisten, Sänger, Filmleute tags und abends stehen sie im Hof der Kammerspiele, begrüßen die Neuankömmlinge, erfahren Todesnachrichten, erörtern die Zukunft Deutschlands und der Zunft, wollen nach Berlin, können’s nicht, wägen ab, ob’s richtiger sei, hier oder in Hamburg anzufangen.“154 Aus dem Zitat Kästners geht auch die starke kulturelle Anziehung Berlins hervor, das seit Beginn der Moderne, wie bereits angedeutet, stets Anziehungspunkt für progressive Positionen war. Inspirierend war das Flair der Großstadt, das zu Zeiten der Expressionisten immer wieder als Motiv auftauchte, wenngleich die Anonymität und Hektik der Großstadt von vielen auch als abstoßend empfunden wurde. Kästner sah neben München Berlin und Hamburg als Städte des kulturellen Neubeginns.

Den politischen Rahmen bildete zunächst die alliierte Zonenaufteilung, innerhalb derer Bayern als das größte deutsche Bundesland der amerikanischen Militärregierung unterstellt gewesen war.155 Zu diesem Zwecke richteten die Amerikaner das „Office of Military Government, United States“ OMGUS ein, welches auch für Hessen und Baden-Württemberg zuständig war. Im Vordergrund standen zunächst die Entnazifizierung156 sowie die „Re-education“ Umerziehung zur Demokratie der Deutschen, neben Maßnahmen zur Linderung der allgemeinen Not. Wie einleitend beschrieben unterstützten die Amerikaner den Münchner Wiederaufbau des Kulturlebens wohlwollend und freundlich.157 Innerhalb der alliierten Verwaltung waren es die bayerischen Minister Fritz Schäffer und kurz darauf Wilhelm Hoegner, die den Neuanfang des bayerischen

154 Zitiert nach Hay, G.: Literarische Positionen im München der Nachkriegszeit, in: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 19451949, hrsg. von Friedrich Prinz, Münchner Stadtmuseum, München 1984, Anm. 1, 209; vgl. auch die Beschreibung des Nachkriegsklimas in München bei Krauss 1985, 33ff; 155 Vgl. im folgenden Latour, Conrad F./Vogelsang, Thilo: Okkupation und Wiederaufbau. Die Tätigkeit der Militärregierung in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands 1944-1947, Stuttgart 1973, 86-92 sowie Roth, Rainer A.: Freistaat Bayern. Die politische Wirklichkeit eines Landes der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage, München 1986, 46ff; Eine ausführliche Darlegung zur amerikanischen Besatzungspolitik in Süddeutschland bietet: Henke, Klaus- Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands, 2. Auflage, München 1996, 777ff; 156 Vgl. Latour /Vogelsang 1973, 132-144; 157 Auch Marita Krauss wies auf die auffallend „kultur- und deutschfreundliche Haltung der Amerikaner“ hin, vgl. Krauss 1985 39, 40; 57

Staates aktiv begleiteten. Neben Hoegner als Ministerpräsident und Justizminister wirkten noch drei weitere Sozialdemokraten und Regierungsmitglieder mit: Josef Seifried als Innenminister, Albert Roßhaupter als Arbeitsminister und Dr. Franz Fendt als bayerischer Kultusminister.

Das Kulturreferat in München unterstand zuerst dem ersten Oberbürgermeister Karl Scharnagel, der in der nationalsozialistischen Zeit von seinem Amt enthobenen und nun nach 1945 wieder eingestellt wurde.158 1949 folgte ihm der Oberbürgermeister Dr. Walther von Miller. Bei der personellen Neubesetzung des Kulturreferates setzte sich die Stadt München auf bewährte Persönlichkeiten aus der Vorkriegszeit. Die im September 1945 erfolgte Wahl für den Kulturbeauftragten gewann der Stadtbibliotheksdirektor Hans Ludwig Held, der neben vielen anderen Tätigkeiten auch für die Betreuung der Bildenden Kunst, des Kunsthandels und Kunstgewerbes zuständig war.159 Wie viele seiner in der NS-Zeit entlassenen Kollegen160 wurde er rehabilitiert und stand für die personelle Kontinuität, die für Münchens gesamte Stadtpolitik nach 1945 typisch war.

1.2. Anfängliche Erfolge, Notstand und erneuter Aufschwung der Kultur

Das kulturelle Engagement spielte im Vergleich zu den Wiederaufbaumaßnahmen vor allem des zerstörten Verkehrssystems eine Nebenrolle.161 Doch bestand in München von Anfang an ein starkes Bedürfnis nach Kunst und Kultur. Dies belegen beispielsweise die ersten Jahrgänge der Süddeutschen Zeitung, in denen zahlreiche Artikel zu Theateraufführungen, Konzerte wie auch Kunstausstellungen zu finden sind. Schwabing einst „Anziehungspunkt für Künstler aus aller Welt“, blühendes Künstlerviertel der 20er Jahre, auch bezeichnet als das „bayerische Montmartre“162

158 Vgl. hierzu Krauss 1984, 24 sowie Krauss 1985, 138, Anm.31; 159 Zu Hans Ludwig Held vgl. Krauss 1985, 1328; 160 In der NS-Zeit entlassene und nach 1945 wieder eingestellte Persönlichkeiten waren auch z.B. Otto Hipp, Franz Fendt, Alois Hundhammer oder Josef Schwalber, vgl. Tradition und Perspektive. 150 Jahre Bayerisches Kultusministerium, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, München 1997, 311; 161 Im besonderen offenbarte sich dies anhand der Wohnungspolitik wie bei Marita Krauss erwähnt: „... den ‚geistigen Facharbeitern’ gestand das Wohnungsamt keineswegs die gleiche Wichtigkeit zu wie Sozialarbeitern, die für den Wiederaufbau gebraucht wurden“, Krauss 1984, 25; 162 Dumont, S.: Wo ist das alte Schwabing? Auf der Suche nach dem Münchner Künstlerviertel/ Die Küche als Atelier, in: SZ, 09.08.1947, 4; 58

war am stärksten zerstört. Ateliers waren rar, unzählige Kunstwerke verloren.163 Einem Neubau der Ateliers wurde trotz diverser Anfragen jedoch nicht zugestimmt: „Bei aller Würdigung der Belange der Künstlerschaft kann in Rahmen der gegenwärtigen Notwendigkeiten dem Neubau von Ateliers keine Dringlichkeitsstufe zuerkannt werden, da für die allernächste Zeit die Schaffung von Wohnraum die drängenste Aufgabe ist.“164 1947 werden in München wieder 5000 Maler und Bildhauer im Vergleich zu 7000 vor dem Krieg notiert.165 Diesen künstlerischen und kulturellen Aufschwung bestätigen wie erwähnt auch die in den ersten Jahren nach 1945 auffällig regen Berichterstattungen über Ausstellungen und den künstlerischen Wiederbeginn.166 Kunst fand sogar „als Kapitalanlage“ viele Abnehmer.167

Dem Aufschwung folgte bald darauf ein ebenso großes Tief. Eine zunehmende Verschlechterung der Lage zeigte sich bereits kurz vor, dramatisch aber mit der Einführung der Währungsreform, welche die Künstler in soziale Misslagen und bald auch an den Rand der Gesellschaft treten ließ.168 Wie eine zeitgenössische Quelle bestätigt, fehlte es zudem an wichtigen Mäzenen wie es sie seit Jahrhunderten gab169, so dass die Verantwortlichkeit der städtischen Kunstpolitik gegenüber den Kulturschaffenden der Zeit wieder in den Vordergrund trat. Da es diesem Bereich jedoch an finanziellen Mitteln fehlte, zeigte sich die Unterstützung vor allem in der Beschaffung von Ausstellungsräumen.170 Das

163 Vgl. Bildende Kunst, H.5, 1948, 30; 164 Zitat aus einem Schreiben von Dr. Wirschingers an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 24.09.1945, BHStA MK 51463; 165 Vgl. Dumont, S., in: SZ, 09.08.1947, 4; 166 Zitat: „... niemals hat es so viele Theaterunternehmungen, soviel Musiker, Maler, Bildhauer und vor allem Schriftsteller gegeben, wie seit dem Mai 1945.“, PAN: „Die Elite der kleinen Zahl! Soziale oder kulturelle Förderung? Ein Kommentar zur Lage, in: SZ, 17.07.1948, 5; 167 Vgl. Dumont, S., in: SZ, 09.08.1947, 4, 168 Vgl. hierzu Finckh 1986, 77/78 sowie Held 1981, 385; Auch die zeitgenössischen Quellen bestätigen die Verschlechterung der Lage ab dem Jahr 1948; 169 Vgl. Benecke Dr., Otto: Gemeinnützige und private Kunstpflege, in: Kulturarbeit, H.1, 1949, 1-2; Während die Förderung der Kunst bis zur Französischen Revolution lediglich Sache der Fürsten, des Adels und der Kirche war, galt diese in Folge der Aufklärung und deren einsetzenden Absicht, Kunst als Allgemeingut der Gesellschaft anzusehen, auch bürgerlichen Kunstmäzenen. Hinzu kamen Kunstvereine und Museen, so dass die traditionelle Bindung an den Auftraggeber aufgegeben war. Nach 1945 fehlt es diesen Alternativen an Geld, so dass die Künstler um so mehr auf die Hilfe des Staates und der Stadt angewiesen waren; 170 Bürgermeister von Miller im Jahr 1950: „Den Künstlern bietet die Stadt Möglichkeiten, ihre Werke auszustellen, kann aber weder das frühere Mäzenentum der bayrischen Fürsten noch jenes der Bürgerschaft ersetzen ....“, siehe Hahn, Alois: München Pflegemutter der Musen. 59

Desinteresse von Spenden privater Sponsoren lag an den kriegsbedingten Vermögensverlusten des wohlhabenden einst engagierten Bürgertums. Zudem waren viele jüdische Kunstsammler ins Ausland emigriert oder umgekommen. Abgesehen davon wurde das vorhandene Geld nach der Währungsreform nicht in Kunst, sondern viel mehr in lang ersehnte Konsumgüter investiert171 oder in Vergnügungsstätten ausgegeben.172 Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung reagierte auf diese Beobachtung mit dem zynischen Vorschlag, einen „Kulturbeitrag auf alle Kino und Varietékarten“ einzuführen.173

Neben dem Verlust des Mäzenatentums belegen die zeitgenössischen Quellen ein staatliches Missmanagement während der Währungsreform, so dass die Verteilung der Gelder wohl ungerecht geschah. Offensichtlich wandten sich zahlreiche Not leidende Künstler an die zuständigen Behörden, um deren Verwaltung im Zusammenhang mit dem „Mangel am Fehlen von Zulagen für Geistesarbeiter“ zu kritisieren.174 Die „Notlage der geistig Schaffenden“ wurde daraufhin auch von der öffentlichen Seite als „höchster Alarmzustand“175 Senator Lorenz registriert, die aus der Nazizeit stammende und in die junge Demokratie übernommene Minderbewertung der geistig Schaffenden kritisiert und die Staatsregierung zu einer gerechteren Verteilung der Hilfsmaßnahmen aufgerufen.176

Bürgermeister von Miller sprach über kulturelle Verpflichtungen der Stadt, in: SZ, 26.10.1950, 9; Dies bestätigt auch ein Artikel aus dem Jahr 1951: „Das gute Bürgertum mit der Liebe zur Kunst gibt es nicht mehr. Einzelaufträge werden kaum erteilt. Wer lässt sich heute noch porträtieren?“, Arnsperger, K.: Die Kunst ernährt den Künstler nicht. Schicksale unter Schwabings Dächern/ 1000 Münchner Maler und Bildhauer, in: SZ, 01/02.09.1951, 9; 171 Vgl. Finckh 1986, 77; 172 Vgl. hierzu den Artikel „Das Ende des Berufskünstlers?“, in: Das Kunstblatt, H.5/6, 1949, 3; 173 Vgl. SZ-Redaktion: Kulturfünferl als Überbrückungshilfe?, in: SZ, 06.07.1948, 5; 174 Groll, Günter: Soll es so weitergehen? Offene Worte zur Münchner Kulturkrise, in: SZ, 01.05.1948, 5; Zur Linderung der kulturellen Not animierte Groll die Geistesarbeiter zum Streik, den er als die einzige Waffe zum „Aufrütteln der ignoranten Bürokratie“ ansah; Drei Ausgaben später wird der Oberbürgermeister persönlich von Groll in einem offenen Brief attackiert, vor allem die “unverantwortliche Verwaltung“ der Stadt, vgl. Groll, Günter: Offener Brief an den Oberbürgermeister, in: SZ, 11.05.1948, 3 sowie die Antwort desgleichen: Die Münchner Kulturkrise: die Antwort des Oberbürgermeisters, in: SZ, 22.05.1948, 5; 175 Zitat Köblin bzgl. der Aussprache des bayerischen Senats in München zur gegenwärtigen Situation, vgl. Köblin, K.: „Also hungern sie und verhungern sie.“ Der bayerische Senat zu der Notlage der geistig Schaffenden, in: SZ, 22.05.1948, 2; 176 Einer einstimmigen Annahme eines Antrages des kulturpolitischen Ausschusses zufolge wurde „... die Staatregierung aufgefordert ..., dafür Sorge zu tragen, daß die geistig Schaffenden in der Ernährung und in der Zuteilung sonstiger Wirtschaftsgüter, insbesondere auch der unentbehrlichen Arbeitsmittel nicht schlechter gestellt bleiben als die körperlich Schaffenden.“, vgl. Köblin, in: SZ, 22.05.1948, 2 sowie den Artikel: Der Senat zur Notlage der geistig und kulturell Schaffenden, in: 60

Wahrnehmbare Hilfsmaßnahmen des Bayerischen Staates bestanden in den geringen kulturellen Subventionen, von denen wiederum der kleinste Teil in den Bereich der Bildenden Kunst einfloss während der Bereich Theater höchste Priorität erhielt.177 Sie zeigten sich in der Vergabe von Kunstpreisen 178, in der Förderung des Ankaufs für Werke lebender Künstler durch den Bayerischen Staat, indem die Anschaffungskosten eines Kunstwerkes als abzugsfähige Sonderausgaben reizvoll gemacht werden sollten179, in der Umsatzsteuerbegünstigung der Künstler180 sowie in der Abgabepflicht von Geldern aus „Kunst am Bau“ Projekten an Werke der bildenden Kunst.181 Wie auch Marita Krauss feststellt, blieb die

Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.21, 1948, 1; Um eine Vorstellung zu geben, wie dramatisch die damalige Situation in München gewesen war, betrachte man einen früheren Artikel, in dem auf eine zwangsweise Schließung der Kammerspiele wegen Unterernährung der Schauspieler hingewiesen wird, vgl. Grolls offenen Worte zur Kulturkrise, in: SZ, 01.05.1948, 5; 177 Der Großteil der geringen kulturellen Ausgaben der Stadt München floss nachweislich in die Bereiche Musik und Theater. Zitat: „Aus den Veröffentlichungen des Haushaltsplanes der Stadt München geht hervor, daß bei der Gesamtsumme von 181 Millionen DM für kulturelle und ähnliche Zwecke 5 Millionen DM vorgesehen sind, von denen ca. 4 Millionen DM auf Theater und Musik entfallen.“, Schreiben der Ausstellungsleitung des Hauses der Kunst vom 07.10.1949 an den Stadtrat Dr. Anton Besold, HAH 266; Ähnliche Angaben liefert auch ein Bericht der Süddeutschen Zeitung im Jahre 1951, vgl. Hahn, A.: Heitere Musen verfallenen Paläste/ SZ- Gespräch mit Bürgermeister Dr. von Miller/ der Stadtrat fördert die Künste, in: SZ, 08.10.1951, 9; Diesbezüglich geäußerte Kritik erklang bereist 1946 im Bayerischen Rundfunk durch Franz Roh: „München hat seine Bedeutung gewechselt. Handelte es sich früher um einen Ort der bildenden Kunst, so sind diese vorläufig zurückgedrängt, schon weil es im zertrümmerten Stadtkörper an Ausstellungsmöglichkeiten mangelt. ... Es scheint weit leichter, Theaterräume statt Ausstellungssäle herzustellen.“, Roh, Franz 1948, 71; vgl. auch Krauss 1984, 26, 33 und Krauss 1985, 202; 178 Siehe Punkt III.4.3.; 179 Vgl. „ Kö“: Hilfe für notleidende Künstler, in: SZ, 24./25.09.1949, 2; Selbstständigen wie auch „Gewerbebetreibern“ wurden Abschreibungen von bis zu 5000 DM gewährt, sofern die „Dekoration“ ihrer Betriebsräume durch den Ankauf von Kunstwerken lebender Künstler nachgewiesen werden konnte, vgl. Die Kunst und das Schöne Heim, VIII.2, 1950, 140; Von den Künstlern selbst wurde eine generelle Steuerbefreiung beim Kauf eines oder mehrerer Kunstwerke verlangt, vgl. Schuller, Anneliese: „Der Hunger sitzt im Atelier“ Münchner Künstler in Not/ Steuerfreiheit für Ankauf von Bildern, in: SZ, 30.07.1949, 9; 180 Nach § 4 13 UStG vom 16.10.1934 waren die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler steuerfrei, wenn der Gesamtumsatz nach §1 Ziffer 1 und 2 UStG im Kalenderjahr 6000,- RM nicht überstieg, vgl. Schreiben des Bayerischen Finanzministeriums der Finanzen vom 28.08.1946, BHStA MK 51463; Eine ähnliche Regelung wurde auch für die BRD festgesetzt, in dem nach § 4 17 des UStG von 1951 Steuerfreiheit gewährt wurde, wenn der Gesamtumsatz nach §1 1 und 2 UStG im Kalenderjahr 12000 DM nicht überstieg, vgl. Schreiben der Finanzdirektion München vom 09.08.1052, BHStA MK 51464; 181 Laut einem Zeitungsbericht im Januar des Jahres 1950 existierte ein von Josef Scharf PPV verfasster Antrag des kulturpolitischen Ausschusses des bayerischen Landtags, indem dazu 61

Kultur innerhalb der städtischen Politik Münchens ein „ästhetisches Randphänomen.“182

Der Mangel an staatlicher Unterstützung führte zu Eigeninitiativen der Künstler. Der Berufsverband Bildender Künstler organisierte regelmäßig Verkaufsausstellungen und animierte Unternehmen oder Privatpersonen zur Vergabe von Kunstaufträgen.183 Künstler realisierten Kunstversteigerungen 184 oder Kunstmärkte185. Zeitungen fungierten als Helfer in der Not, so zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung, die ihre Leser unter Angabe eines Spendenkontos zu Spenden „für versehrte Künstler“ aufrief.186 Und ein Gesetz des Bayerischen Rundfunks von 1948 legte fest, dass ein Teil seiner Einnahmen auch für kulturelle Zwecke ausgegeben werden sollte.187

Eine Besserung der kulturellen Notlage erfolgte erst ab 1950 mit dem zu vernehmenden Wirtschaftsaufschwung. Diese Besserung der Lage mag Ursache aufgerufen wurde, 2% der Bausumme für jeden staatlichen Um- oder Neubau für Werke bildender Künstler auszugeben, vgl. Ue.: Hilfe für bildenden Künstler, in: SZ, 11.01.1950, 2; zur Bestätigung des Antrag siehe: Schreiben von J.A. Thwaites vom 28.August 1950, BHStA MK 51464; 182 Krauss 1984, 25; 183 Die Forderung nach Auftragskunst bestätigt folgendes Zitat: „Wir wollen keine Unterstützung, wir wollen Aufträge. Industrie und Geschäftsleute könnten uns Reklameaufträge geben“, Schuller, in: SZ, 30.07.1949, 9; Diesbezüglich ging in der Süddeutschen Zeitung ein Appell an deutsche Firmen, es dem Vorbild Amerika gleich zu tun und Künstler, für die kreative Gestaltung ihrer Werbeabsichten heranzuziehen, vgl. Eder, C.F.: Kunst im Dienst der Industrie, in: SZ, 11.11.1948, 5; siehe auch Boventer, Hans: Erschließung von Arbeitsmöglichkeiten für bildende Künstler, in: Kulturarbeit, H.7, 1949, 156-157; 184 Eine Versteigerung von Werken Schwabinger Künstler wurde beispielsweise im Dezember 1949, durch die Künstlervereinigung Monopteros, in dem Lokal „Künstlermutter Breu“ realisiert. Die Preise der Werke lagen bei 2,50 101,00 Mark der Andrang wurde als groß beschrieben, vgl. Francé: „Künstler versteigern für Künstler“ Selbsthilfe für Schwabinger Maler/ Hochbetrieb bei „Mutter Breu“, in: SZ, 19.12.1949, 4; 185 Betreut durch den Schutzverband für Bildenden Künstler im Bayerischen Gewerkschaftsbund , hatten im September 1948 einige Künstlern aus München einen Kunstmarkt am Neptunbrunnen des Alten Botanischen Gartens organisiert. Dabei wurden ihre Werke von einer ständigen Jury ausgewählt. Laut einem Zeitungsbericht führte dieser nicht nur zu „erfreulichen“ Verkaufsergebnissen und Ankündigungen von Atelierbesuchen, sondern auch zu lebhaften Diskussionen um die Kunst, siehe „st“: Kunstmarkt unter freiem Himmel, in: SZ, 21.09.1948, 4; 186 Vgl. h.s.: Spende für versehrte Künstler, in: SZ, 04.01.1950 4; 187 § 14 des BR vom 10.08.1948: „Die Einnahmen des Rundfunks können u.a. verwendet werden für kulturelle Zwecke, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des Rundfunks und seiner Leistung dienen.“ Wie sich heraus stellte, hatte der BR zwischen 1949 und 1952 insgesamt 9,2 Millionen Mark für kulturelle Zwecke ausgegeben, Quelle: Zorn Rudolf: Die Kulturhilfe des Bayerischen Rundfunks, in: Das Bayernland, Nr.5, 1952, 188; 62

dafür gewesen sein, dass ab diesem Zeitpunkt immer weniger Unterstützungsmaßnahmen in der Presse zu vernehmen sind.188

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Nachkriegssituation der in München ansässigen Künstler wie die der anderen deutschen Städten zwar mit vielen Schwierigkeiten verbunden war, dass aber gleichzeitig ein reger Wiederbeginn des kulturellen Lebens in München zu verzeichnen war. Wo und wie die Künstler arbeiteten, was sie produzierten, von welchen Ideen sie sich leiten ließen und wie dabei die moderne Kunst in München zum Ausdruck kam wie und durch wen ihre Ergebnisse präsentiert und oder vermittelt wurden, wird die folgende Analyse zur Produktion und Präsentation moderner Malerei in München ergeben.

2. Geburtsstätten der Malerei

2.1. Freischaffende Künstler der unmittelbaren Nachkriegszeit

Was die künstlerische Produktion in München anbetrifft, waren in der unmittelbaren Nachkriegszeit sehr viele frei schaffende Künstler aktiv. Die Akademie wurde 1946 wieder eröffnet, alte sowie neue Künstlergruppen formierten sich neu. Zeitgenössische Zeitungen berichteten von den bereits im Jahre 1945 aktiven Künstlern. Der Süddeutschen Zeitung nach zu urteilen, wurden die ersten Ausstellungen mit Konzentration auf moderne Kunst durch die Privatinitiative von Claus Henselmann im Foyer des Schauspielhauses organisiert.189 Gezeigt wurden Künstler, die zwar mit wenigen Bildern vertreten gewesen waren, deren Werke jedoch überzeugend genug waren, „... um die Besucher in den Pausen einen Blick in die Vielen fremd gewordenen, Manchem wohl auch befremdende Welt der modernen Kunst tun zu lassen.“190

188 Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, vgl. die monatlichen Berichte zur Wirtschaftslage Bayerns im Bayerischen Staatsanzeiger 1950, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.1ff, 1950; 189 Zitat: „An dieser Stelle hing nach langen Jahren des Krieges zuerst wieder heutige Malerei.“ Roh, Franz 1948,10; Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete regelmäßig von dieser Schau, vgl. Eckstein, Hans: Kleine Bildervorschau, in: SZ, 06.11.1945, 3; 1946 wurden die Ausstellungen im Foyer des Schauspielhauses von Eckstein sogar als Besichtigungsort für „... die beste moderne Kunst“ erklärt, Eckstein, Hans: Junge Kunst im Schauspielhaus, in: SZ, 29.03.1946, 5; 190 Eckstein, in: SZ, 06.11.1945, 3; 63

Da nach Rücksprache mit dem Schauspielhaus heute keine Abbildungen mehr zu den Ausstellungen vorliegen, bilden die überlieferten Presseberichte die einzige Quelle, um sich zu vergegenwärtigen, was der Besucher des Schauspielhauses hier zu sehen bekam. Demnach handelte es sich um „bisher unbekannte“ Künstler wie Josef Seidl-Seitz, Emmy Klinker, Claus Hausmann, Willi Kruse, Franz Auracher, Mayer-Brockmann, Jörg Wisbeck, Thieler, Weißauer u.a. Laut Medienberichten waren sie unbekannt, weil sie modern malten. Dass ihre Werke unmittelbar nach dem Krieg wieder auftauchten, sah man als „Beweis, daß es Hitler nicht gelungen war, der modernen Kunst die Lebenskraft zu nehmen.“191 Die in den Berichten beschriebenen Inhalte der Bilder entsprachen den in der Nachkriegszeit üblichen, den Krieg verdrängenden Bildinhalten: Landschaften, Stilleben, friedvolle Städteansichten, Interieurs, Zirkusszenen oder Jahrmärkte. Auch stilistisch schienen sie laut Medienberichten konform zu den anfangs erläuterten Kunstäußerungen der gesamtdeutschen Nachkriegszeit, indem sie sich eklektizistisch an den modernen Werken der Vorkriegszeit bedienten. Eckstein betonte in seinen Bildbeschreibungen die starke Farbigkeit der Bilder, ebenso die „plastische Durchbildung der Körper“ und einen auffallenden Hang zu symbolhaften Ausdrucksweisen, bei der die Form bzw. die malerische Qualität gegenüber dem Gegenstand obsiegte.192 Die im Zweiten Kapitel beschriebene Diskussion um den Formbegriff kündigte sich demnach bereits 1945 an. Die Dominanz der Form entsprach der Wahrnehmung moderner Kunst in der Nachkriegszeit.

Neben den Ausstellungen im Schauspielhaus taten sich einige der in München tätigen Künstler im Jahre 1945 in der ersten öffentlichen Ausstellung moderner Malerei in Augsburg hervor.193 Hierfür ausgewählt wurden beispielsweise Karl Caspar und dessen Schule, die kurz vor dem Krieg noch Ansätze für eine neue künstlerische Entwicklung lieferte, indem sie die spätimpressionistischen Werke der traditionellen Münchner Malerschule mit den expressionistischen Entwicklungen der 10er und 20er Jahre verband. Sie wird heute innerhalb der beschriebenen Bewegung des Expressiven Realismus erwähnt. Nach 1945 kam diese Schule erneut zu Ansehen. Aus ihr stammt ein Großteil der Künstler, deren Bilder

191 Eckstein, in: SZ, 06.11.1945, 3; Demnach wuchsen sie in „innerer Emigration“ innerhalb der Hochburg der nationalsozialistischen Kunstpolitik auf. Nach dem Krieg bekamen sie im Schauspielhaus zum ersten Mal die Gelegenheit, ihre Werke auszustellen; 192 Vgl. Eckstein, in: SZ, 06.11.1945, 3; 193 Vgl. Ausstellungskatalog: Art Exhibition/ Painting I Kunst-Ausstellung/ Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945 sowie Eckstein, Hans: Moderne Malerei in Augsburg, in: SZ, 04.12.1945, 4; 64

man alsbald auch in München zu sehen bekam: Maria Caspar-Filser, Arnold Balwé, Remigius Netzer oder Anton Lamprecht. Daneben waren in der Augsburger Schau einige Künstler aus München vertreten, deren Werke durch die Orientierung an der älteren Münchner Malkultur des 19. Jahrhunderts und somit durch einen dunkeltonigen, pastosen, breitflächigen Farbauftrag auffielen. Als beispielhafte Vertreter dieser Tradition seien Karl Blocherer, Ernst Aigner, Ludwig Großmann, Hugo Troendle, Adolf Schinnerer und Julius Hüther genannt. Kurz nach dem Krieg waren dies die ersten Regungen in der Münchner Kunstszene. 1946 begann die akademische Künstlerausbildung und Kunstproduktion mit der Wiedereröffnung der Münchner Akademie.

2.2. Akademie der Bildenden Künste

Die Akademie der Bildenden Künste war nach 1945 zunächst durch die Kunstvorstellungen der nationalsozialistischen Herrschaft und deren Ausnutzung der Kunst als Propagandamittel belastet. Während des „Dritten Reichs“ erwarb sich die Kunstakademie den Ruf eines willigen Staatsinstruments der nationalsozialistischen Kunstpolitik. Mit Lehrern wie Josef Thorak, Hermann Kaspar oder Adolf Ziegler, zu jener Zeit Präsident der Akademie und der Reichskunstkammer, wurde sie zur Produktionsstätte nationalsozialistischer Kunst. Im Vergleich zu anderen deutschen Kunsthochschulen während des „Dritten Reichs“ stand die Münchner Akademie „... an der vordersten Front, um die artreine Kunst großzuziehen ...“.194 Ebenso fiel hier die „mörderische Hetze gegen die moderne Kunst“ am stärksten aus.195 Nach 1945 wurde die Problematik der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Akademie weitgehend verdrängt.196 Kaum eine zeitgenössische Quelle erinnert an die nationalsozialistische Geschichte der Akademie. Lediglich die amerikanische Militärbehörde ordnete eine eingehende Prüfung hinsichtlich der Vergangenheit der bisherigen Lehrer und Schüler an und sorgte für eine Reorganisation der

194 Zacharias, Thomas: Die Münchner Akademie. Eine Geschichte der Widersprüche, Hamburg 1988, 127; 195 Vgl. Kehr, Wolfgang: Die Akademie der Bildenden Künste München Kreuzpunkt europäischer Kultur, München 1990, 28; 1936 gaben alle Lehrer der Akademie mit Ausnahme Karl Caspar ihre Unterschrift als Zeichen des „Protest der Akademie gegen die Moderne Kunst“, vgl. ebd.; 196 Dies zeigte sich unter anderem darin, dass einige der nationalsozialistischen Künstler nach 1945 zu Ehrenmitglieder der Akademie ernannt wurden, genannt seien Bernhard Bleeker, Olaf Gulbransson, Josef Wackerle, Richard Knecht; 65

Institution als Akademie. Dementsprechend offenbaren die Akten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus ein aufwendiges Verfahren bei der damaligen Berufungspolitik. Alle Lehrer unterlagen der Pflicht einen Befragungsbogen auszufüllen. Es wurden zusätzliche Schreiben über die Vergangenheit des Personals verfasst und viele Personen auf Weisung der Militärregierung entlassen. In den Akten finden sich zahlreiche rechtfertigende Briefe mit Bitten um Berufungen und aufschlußreiche Statistiken über das „Entnazifizierungsprogramm.“197

Innerhalb der Nachkriegsgeschichte westdeutscher Akademien war die „Hochschule der Künste“ in Berlin die erste aktive Akademie, die ihre Tätigkeit wieder aufnahm.198 Sie wurde im Juni 1945 unter der Leitung Karl Hofers eröffnet. Diese Tatsache und vor allem die Leitung in Händen eines so renommierten Künstlers waren gewiss ebenfalls ausschlaggebend für Berlin als erste Wahl junger Künstler der Nachkriegszeit. Münchens schwer zerstörte Stätte zog ein Jahr später nach.199

Ihr Wiederbeginn der akademischen Künstlerausbildung ist mit dem Datum 20. März 1946 anzusetzen, als laut einer Verordnung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus veröffentlicht in Nr.15 desselben Amtsblattes vom 06. Dezember 1946 die beiden Kunstakademien in München, die Bayerische Akademie der Bildenden Künste sowie die Akademie für Angewandte Kunst, aufgelöst und die Hochschule der Bildenden Künste errichtet wurden.200 Mit der Zusammenlegung der Hochschulen verfolgte man das Ziel, den „Zwiespalt zwischen den sog. freien und angewandten Künsten“ zu überwinden. Eine Idee, die die wohl renommierteste Kunstschule, das Bauhaus bereits lange vor Kriegsbeginn vertrat und umsetzte. Dies sollte auch einen neuen Abschnitt innerhalb der Kunsterziehung einleiten, zumal die Akademie mit der Abteilung „Hochschule für

197 Vgl. BHStA MK 51439; 198 Zu den westdeutschen Kunstakademien nach 1945 allgemein, vgl. Mai, Ekkehard: Westdeutsche Kunstakademie nach ’45, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai/ Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 187198; 199 Zu den kriegsbedingten Zerstörungen der Akademie, vgl. Zacharias, Thomas Hrsg.: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, München 1985, 337 ff sowie BHStA MK 51409, MK 51443; 200 Vgl. die Bekanntgabe dieses Ereignisses durch Min.-Rat Dr. Alfred Jacob im Bayerischen Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2 sowie die Verordnung über die Hochschule der Bildenden Künste vom 20. März 1946 vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus, BHStA MK 51432; 66

Kunstlehramt“ nun erstmals seit 1869 wieder eine verantwortungsvolle Aufgabe in der Ausbildung von Kunsterziehern übernahm.201

Die feierliche Eröffnung der Münchner Hochschule der Bildenden Künste ereignete sich am 7.August 1946 im Münchner Schauspielhaus.202 Aus den Eröffnungsreden geht die Erwartung hervor, mit Hilfe der Akademie den alten Ruf der „Kunststadt“ wieder herzustellen und eine Produktionsstätte gegenwärtiger sowie zukünftiger Kunst zu sein.203 Auch die Presse sah die Wiedereröffnung der Akademie als einen „... bedeutsamen Schritt nach vorne bezüglich der ‚Wiedergeburt’ Münchens als Kunststadt und für seinen geistigen Neuaufbau als Süddeutsches Kulturzentrum ...“.204 Im Bayerischen Rundfunk betonte Franz Roh die Notwendigkeit eine erweiterte, international orientierte Sichtweise beim Neuanfang der Akademie zu vertreten, indem er auf die Gefahr einer einseitigen Berücksichtigung „nur münchnerischer Belange“ verwies, die seiner Meinung nach dem gegenwärtigen sowie zukünftigen Denken im Wege stünden.205 Prof. Sattler, der damalige Direktor der Akademie für angewandte Kunst und Präsident der Akademie der Bildenden Künste, gab seiner Hoffnung Ausdruck, die Münchner Akademie möge durch die zukünftige Kunstproduktion zum „Wegbereiter zu einer neuen, besseren und schöneren Welt“ werden.206

Anfängliche Schwierigkeiten ergaben sich bei der Frage nach dem neu zu bildenden Lehrpersonal.207 Winfried Nerdinger sprach in Zusammenhang mit der durchgeführten Berufungspolitik von einer „totalen Verdrängung und fatalen

201 Vgl. Min.-Rat Dr. Alfred Jacob: Hochschule der bildenden Künste, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2 sowie Kehr, Wolfgang: Aus der Chronik der Münchner Akademie der Bildenden Künste, in: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, hrsg. von Thomas Zacharias, München 1985, 324; 202 In der Einladung zur Wiedereröffnung der Münchner Kunsthochschule im Schauspielhaus ist das Programm der damaligen Akademie überliefert, BHStA MK 51409. Die hausinterne Eröffnung erfolgte bereits am 29.Juli 1946; Wie aus dem Bayerischen Staatsanzeiger hervorgeht betrug die Zahl der Studenten an der Bayerischen Akademie der Bildenden Künste damals 140 und an der Akademie für angewandte Kunst 160, vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.10, 1946, 2; 203 Dies und folgendes geht aus den unveröffentlichten Eröffnungsreden von Prof. Walter Riezler wie auch Carl Sattler hervor, vgl. BHStA MK 51410; 204 Köblin, K.: Münchens Kunsthochschulen wieder eröffnet, in: SZ, 09.08.1946, 5; 205 Vgl. Roh 1948, 54; 206 Vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1946, 2; 207 Neu berufen wurden nach Zacharias Adolf Braig, Xaver Fuhr, Willi Geiger, Theodor Georgii, Anton Hiller, Franz Nagel, Harald Roth, E.J. Schmid, Toni Stadler und Richard Wolf, vgl. Zacharias 1985, 336; Ab 1951 kamen u.a. Ernst Geitlinger 1951-1965, Erich Glette 1951-1964 und Carl Charles Crodel 1951-1962 hinzu, vgl. Kehr 1985, 318; 67

Kontinuität“ des Nationalsozialismus.208 Dem sei hinzugefügt, dass nach 1945 sehr wohl auch Stimmen gab, die die nationalsozialistische Vergangenheit der Akademie beanstandeten, da sie die Autorität der Akademie als gefährdet ansahen und die Notwendigkeit eines zu revidierenden Wiederbeginns erkannten.209 Der Vorwurf der „totalen Verdrängung“ erscheint demnach etwas streng formuliert. Die Kontinuität in der Lehrstuhlvergabe dagegen wurde zurecht als „fatal“ bezeichnet, denn viele der während des nationalsozialistischen Regimes tätigen Lehrer wurden übernommen oder erneut berufen210, obwohl die Militärbehörde angeordnet hatte, insgesamt 13 Professoren beider Akademien aufgrund von Parteizugehörigkeiten zu entlassen.211 Weitere Quellen belegen, dass es angesichts der eiligen Wiederaufnahme des Lehrbetriebs auch Stimmen gab, welche die Gefahr einer Übereilung innerhalb der Neuorganisation der Akademie erkannten.212 So zum Beispiel der Syndikus Bernhart, der in einem Schreiben an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus erkannte, „... dass die tüchtigen und vorwärtsstrebenden Talente lange Zeit nicht ausstellen konnten ...“, weshalb man weder in München, noch in anderen Kunststädten wisse, was in diesem Zeitraum geschaffen worden war. Sein folgender Vorschlag, bei der Reorganisation der Akademie erst einmal abzuwarten, „... was neuere Ausstellungen zeigen werden“ bezeugt einen modern orientierten

208 Nerdinger, Winfried: Akademiebeschimpfungen. Anti-Festrede zur 175. Jahrfeier, München 1985, 56; 209 Vgl. hierzu einen Brief des Syndikus Erhart an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultur aus dem Jahr 1945 sowie die unveröffentlichte Eröffnungsrede von Professor Walter Riezler im Schauspielhaus, BHStA MK 51410, 51430, 51443; 210 Wieder eingestellt wurden Hans Gött, Josef Henselmann, Julius Heß, Herman Kaspar, Franz Klemmer, Anton Marxmüller, Josef Oberberger, Emil Preetorius, Adolf Schinnerer, Fritz Sckell, Walther Teutsch, Josef Wackerle, vgl. Kehr 1985, 318, Zacharias 1985, 336 sowie das Verzeichnis der Lehrkörper der Akademie der Bildenden Künste vom 4.9.1946 gez. Berhart, BHStA MK 51430; An die vor allem in München auffallende nationalsozialistische Kontinuität erinnerte sich auch der einstige Student Manfred Bluth: „Die Münchner Akademie ist ja als relativ konservatives Institut zunächst mal von den Nazis nicht in dem Umfang ‚gesäubert’ worden von Kunstprofessoren und Lehrern wie vergleichsweise die Berliner ... Zum Beispiel war Adolf Schinnerer ein Künstler, der tatsächlich vor den Nazis, während und nach der Nazizeit dort blieb.“, Manfred Bluth, in: Straka/Suerman 1983, 260; 211 Darunter Bernhard Bleeker, Richard Knecht, Josef Thorak, Adolf Ziegler, Franz Xaver Stahl, Hermann Kaspar, vgl. Monatsbericht der Akademie der Bildenden Künste Nr. 557 an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus, BHStA MK 51409; 212 Aus den Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultur werden diesbezüglich Bedenken von Syndikus Bernhart sowie Prof. Sattler laut, vgl. Berichterstattung Carl Sattlers an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.05.1946 sowie Brief des Syndikus Bernhart an das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultur, BHStA MK 51430; 68

Blick in die Zukunft der Akademie, doch wurde dieser offensichtlich nicht perzipiert.213 Daneben gab es anfangs Vorschläge für eine vollständige Erneuerung des akademischen Lehrpersonals. Tatsächlich wurden aber die offenen Stellen nur geringfügig durch moderne Kräfte besetzt. Auffallend innovativ schien in diesem Zusammenhang das Engagement der Militärregierung, die ihrerseits nach den „allerbesten Künstlern als Lehrer“ suchte und eine sofortige Verjüngung des bisherigen Lehrpersonals anstrebte.214 Dabei galt ihr Vorschlag für den Bereich Malerei Otto Geigenberger, Adolf Lutz, Erich Glette, Carl Hofer, Anton Lamprecht sowie Xaver Fuhr, welche sich an der Moderne der Vorkriegszeit orientierten. Tatsächlich berufen wurde nur Xaver Fuhr und dies obwohl diese Berufung von Akademiepräsident Sattler von Anfang an in Frage gestellt worden war.215 Die modern orientierten Vorschläge der Amerikaner entsprachen keineswegs den Vorstellungen der Akademieleitung. Sattler kritisiert die genannten Wünsche und Anregungen der Militärregierung hinsichtlich der Neuberufungen, die sich aus einem Gespräch mit Leutnant Dr. Barnett education ergaben, indem er die politische wie sachliche Einschaltung der Amerikaner bei der akademischen Besetzungsfrage bemängelte.216

Hoffnung auf eine an die Vorkriegsmoderne anschließende akademische Kunstausübung hätten auch die Neuberufungsvorschläge des Künstlers Karl Caspar geben können. Sie galten unter anderem Max Beckmann, , Karl Schmidt- Rottluff, Erwin Scharff sowie Karl Knappe, doch blieben auch diese entweder seitens der zuständigen Behörden oder aber seitens der zu Berufenden unerhört.217 Hinzu kam eine auffällige Gemächlichkeit innerhalb der Berufungspolitik der Münchner Akademie. Andere Städte, wie Berlin, hatten die besten Kräfte für sich

213 Brief des Syndikus Erhart an das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultur, BHStA MK 51430; 214 Dies geht aus einer Berichterstattung Carl Sattlers an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.05.1946 hervor, vgl. zeitgenössische Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus Akademie der Bildenden Künste. Lehrpersonal BHStA MK 51430; 215 Vgl. ebd. In dem die einzelnen Vorschläge diskutierenden Bericht fallen im besonderen Sattlers Zweifel darüber auf, ob Xaver Fuhr „... für die Ausbildung junger Leute das Richtige wäre“; 216 Berichterstattung Carl Sattlers an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.05.1946, BHStA MK 51430; 217 Otto Dix blieb zurückgezogen in Hemmenhofen Kreis Konstanz, Karl Schmidt-Rottluff entschied sich für Berlin und Erwin Scharff für Hamburg, Max Beckmann emigrierte 1947 in die USA, die Zahl der Re-Emigranten war allgemein gering, vgl. Nerdinger, Winfried: Fatale Kontinuität: Akademiegeschichte der 20er bis zu den 50er Jahre, in: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, hrsg. von Thomas Zacharias, München 1985, 193; 69

gewinnen können, so dass viele der in Frage kommenden Künstler bereits vergeben waren.218

Im Nachhinein betrachtet, überschatteten Traditionalismus und personelle Kontinuität die Münchner Akademie der Nachkriegszeit, was sich dementsprechend auf den Lehrplan auswirkte einen Lehrplan, der vornehmlich an „ausgesprochen Begabte“, „nach strengen Grundsätzen ausgewählten jungen Leute“ gerichtet war.219 Innerhalb des vielfältigen Lehrangebotes220 wurde der Schwerpunkt auf eine handwerkliche Schulung der Künstler gesetzt. Sie musste durch eine abgeschlossene Handwerksausbildung nachgewiesen werden221 und sollte nicht zuletzt auch dazu dienen, um bei schlechter Konjunktur die allgemeine Not zu lindern, indem man das Handwerk des Künstlers in die alltägliche Arbeit integrierte.222 Anhand der vorgefundenen Quellen lässt sich zudem nachweisen, dass es auch Stimmen gab, die für eine verpflichtende Verbindung zwischen Kunst und Handwerk plädierten, mit der Argumentation, „die Moderne um jeden Preis ...“ zu vermeiden.223 Dass die Handwerksausbildung gleichzeitig auch mit der Vorstellung der Ausbildung zum „wahren“ Künstler zusammenhing, geht aus der Veröffentlichung des Lehrplans durch Min.-Rat Dr. Alfred Jacob im Bayerischen Staatsanzeiger hervor: „Wer nicht

218 Vgl. dazu Eckstein, Hans: München und seine Kunstprobleme, in: SZ, 19.04.1946, 6; 219 Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2; 220 „Lehrgegenstände“ waren: Zeichnen, Schriftgestaltung und Modellierung, darstellende Geometrie, Perspektive und Schattenlehre, Anatomie des Menschen und der Tiere, Technik und Materialkunde in der Malerei, der graphischen Künste, der keramischen, der Stein- Holz- und Metallarbeit und der Textilkunst sowie andere künstlerisch wichtige Techniken, Harmonielehre der bildenden Künste, Kulturgeschichte mit Betonung der Entwicklung des menschlichen Geistes im allgemeinen und der Künste im besonderen, verbunden mit Führungen durch Museen und Sammlungen sowie die praktische Volkswirtschaftslehre, vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2; 221 „Schüler höherer Lehranstalten, denen die erforderlichen handwerklichen Vorkenntnisse fehlen, müssen eine mindestens einjährige praktische Tätigkeit in einem Handwerksbetrieb nachweisen. Als solche Betriebe werden vor allem die staatlich anerkannten Musterbetriebe in Frage kommen.“, vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2; Auch der Berufsverband Bildender Künstler BBK bestand auf eine Art Vorakademie, in der sich junge Künstler in Werkstätten handwerklich geschulter Künstler bilden konnten, was in den zahlreichen Schreiben des BBK in den dem Aktenbestand des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus bestätigt wird, vgl. BHStA MK 51463; vgl. auch die Satzungen für die Studierenden der Hochschule der Bildenden Künste in München von 1946, BHStA MK 51432; 222 Vgl. die unveröffentlichte Festrede zur feierlichen Wiedereröffnung der Akademie von Präsident Sattler, BHStA MK 51410 sowie Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2; 223 Vgl. Schreiben Konrad Schmid-Meil in einem Schreiben an das Kultusministerium, BHStA MK 51463; 70

die Kraft hat diese altmeisterliche Schulung durchzumachen wird auch nicht fähig sein, den bei aller Schönheit so schweren Beruf eines wahren Künstlers, eines Meisters, ein Leben lang mit Erfolg und Befriedigung auszuüben.“224 Die Diskussion um den „wahren Künstler“ und die „wahre Kunst“ in der Akademie war auffallend präsent. Neben der hierfür vorausgesetzten handwerklichen Ausbildung galt auch das traditionelle Studium nach der Natur als Charakteristikum für die Entstehung einer „wahren Kunst“, so dass das nach außen getragene Bild der Akademie nach 1945 einer überwiegend konservativen Kunstauffassung entsprach.225 Schuld daran war die verständnislose und ablehnende Haltung gegenüber aktuellen Strömungen in der Kunst, von einem Lehrpersonal, das zum größten Teil dem Pensionsalter nahe war.226 Moderne Kunst gab es in der Akademie nach 1945 lediglich durch Karl Caspar, Xaver Fuhr, Willy Geiger und Ernst Geitlinger.

Karl Caspar 1979-1956, der durch die Integration moderner Ausdrucksformen in die religiöse Kunst einst führender Vertreter der Erneuerungsbewegung christlicher Kunst in Deutschland war, hatte bereits 1922, als Nachfolger Heinrich von Zügels, einen Lehrstuhl für Malerei an der Münchner Akademie.227 Er gehörte zu den Lehrern, die 1937 von den Nationalsozialisten aus der Akademie entlassen wurden. Nach 1945 setzte er seine Lehrtätigkeit 1946-1951 fort, war 1948 Gründungsmitglied der Neuen Gruppe und fiel innerhalb des Lehrpersonals vor allem durch seine die bildliche Struktur auflockernde Malweise auf: ausgehend von spätexpressionistischen Tendenzen folgten seine Bilder auch einem expressionistischem Farbverständnis, die Figuren dagegen wurden mit Hilfe starker Umrisslinien ins Geometrische reduziert. Die jeweiligen Szenen wurden im Ausdruck aufs Wesentliche beschränkt, der Hintergrund zum Teil abstrahiert. Dabei gingen seine Bilder sowohl auf Vorbilder wie Cézanne und Marées, Munch oder Corinth, als auch auf einige der deutschen Expressionisten der 10er und 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, so dass Karl Caspar in seiner Grundhaltung der 30er Jahre heute dem Expressiven Realismus zugeordnet wird. Nach dem Krieg wurden seine in der Akademie produzierten Bilder von kritischen Zeitgenossen als „moderner Kolorismus“ aufgefasst und zudem als „kluge pädagogische Leistung“

224 Vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.25, 1946, 2; 225 Es wurden vor allem Akte, Landschaften, Interieurs, Porträts oder Genreszenen produziert, vgl. hierzu auch Ludwig 1997, 188; 226 Zu den bald nach Berufung in Pension gehenden Lehrern, vgl. Kehr 1985, 318, 336; 227 Zum Leben und Werk Karl Caspars, vgl. Hindelang, Eduard: Karl Caspar. 1979-1956, in Ausstellungskatalog: Karl Caspar, Gedenkausstellung im Museum Langenargen 1979; 71

registriert.228 Caspar wurde bereits 1945, als einer der wenigen aus der akademischen Lehrerschaft, in der ersten modernen Ausstellung „Maler der Gegenwart I“ in Augsburg präsentiert.229 Rein stilistisch orientierte sich Caspar, entsprechend dem Expressiven Realismus, gemäßigt an der Vorkriegsmoderne. Er hielt an figurativen Ausdrucksformen fest, wenngleich er sich laut Berichten seiner Schüler aufgeschlossen gegenüber neuen Sichtweisen in der Kunst verhielt.230 Seiner von Impressionismus und Expressionismus gleichermaßen beeinflussten Malweise blieb er weiterhin treu, den gegenstandslosen Ausdruckweisen in der Kunst begegnete er mit Skepsis und bezeichnete sie als spekulativ: „Beim Unterricht liegt mir vor allem daran, demjenigen Kunststudierenden die Aufgen zu öffnen für künstlerisches Sehen, für große Auffassung, ausgehend von eindringlichem Studium der Natur, gleich entfernt von nüchternem Akademismus wie von abstrakten Experimenten und Spekulationen.“231 Karl Caspars Position in der Akademie lag demnach zwischen einem „Für“ gegenüber traditioneller moderner Kunst und einem „Wider“ gegenüber den Gegenstand verneinenden Ausdrucksformen in der Kunst der Nachkriegszeit.

Neben Caspar fiel die moderne Formensprache Franz Xaver Fuhrs 1898-1973 innerhalb der Akademie ins Auge.232 Er beteiligte sich vor dem Krieg als Autodidakt an der deutschen Kunstwelt, wurde durch die renommierte Galerie Neumann-Nierendorf Berlin vertreten und tat sich durch einige Kunstpreise hervor. Zwischen 1937 und 1945 gehörte auch er zu dem Personenkreis, der von den Nationalsozialisten mit Ausstellungsverbot konfrontiert gewesen war. 1946 kam er auf Initiative Franz Rohs, der sich für eine Berufung Fuhrs an die Münchner Kunsthochschule einsetzte und ihn zudem in der Presse sowie im Rundfunk

228 Eckstein, Hans: Sind Bayerns Kunstakademien weltoffen?, in: SZ, 06.08.1949, 7; 229 Neben Caspars Werk „Sankt Hubertus“ waren hier noch ein Werk von Adolf Schinnerer sowie 7 weitere Arbeiten des erst später 1951 an die Akademie berufenen Ernst Geitlingers ausgestellt, vgl. Ausstellungskatalog: Art Exhibition/ Painting I Kunst-Ausstellung/ Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945; 230 Die Offenheit gegenüber die Moderne, fiel auch den Schülern der Akademie ins Auge, so die Erinnerung von Manfred Bluth: „Karl Caspar kam nach dem Krieg auch sehr rasch an die Schule und hatte vielleicht die einflußreichste Klasse mit den besten Schülern, wo eine Art gegenständlich eingebundene, aber doch sehr binnenfarbig strukturierte Malerei gelehrt wurde ...“, Zitat Manfred Bluth, in Straka/Suerman 1983, 260; 231 Aus: Verzeichnis der auszugsweise aufgeführten Sonderberichte der Lehrer der Hochschule für Bildende Künste, Anlage aus einem Schreiben Carl Sattlers an das Bayrische Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 17.12.1947, BHStA MK 51443; 232 Zu Fuhr vgl. Zienicke, Axel Hubertus: Xaver Fuhr.1898-1973, Recklinghausen 1984; 72

immer wieder als einen der modernsten Maler der Nachkriegszeit protegierte, an die Akademie. Xaver Fuhr selbst ebenso wie die Lehrerschaft in der Akademie hatte diese Berufung nie gewollt. Doch zwangen ihn wirtschaftliche Gründe, diese anzunehmen.233 Von Präsident Josef Henselmann erhielt er den Vorwurf, seinen „provisorischen Unterricht mit provisorischem Kommen“ zu betreiben.234 Zeitgenössische Presseberichte bestätigen überdies die seltene Anwesenheit Fuhrs in der Akademie, so dass nicht von einem direkten Einfluss seines Werkes auf die Akademieschüler ausgegangen werden kann.235 Das Desinteresse an einer Vermittlungsarbeit entsprach der Auffassung Fuhrs, dass Kunst generell nicht lehrbar sei, Kunsterzieher bezeichnete Fuhr als „Totengräber der Kunst“ 236. Interessierte Studenten, die sich für den Unterricht bei Fuhr eintrugen, bekamen deswegen vor allem außerhalb der Akademie Gelegenheit, den eigenständigen modernen Charakter seiner Werke im Original zu studieren. Sie wurden allein in München zwischen 1946 und 1950 gleich dreimal, im Zuge einer Einzelausstellung in der Galerie Franke gezeigt. Die Modernität seiner Bilder, welche dem Gegenstand mehr oder minder stark verpflichtet blieben, äußerte sich vor allem durch die expressive Formulierung stark vereinfachter Bildinhalte mittels flacher Farbkomplexe in betonter Umrissstruktur. Zeichnerische Elemente wie auch farbstarke malerische Flächen bildeten das Grundgerüst seiner Bilder und zeugten gepaart durch sichtliche Einflüsse der Neuen Sachlichkeit, des Kubismus, Expressionismus sowie der Abstraktion von einer individuellen stilistischen Natur, die ihn 1952 an der Biennale in Venedig teilnehmen ließ.237 Ungeachtet seiner Orientierung am Gegenstand strebte Fuhr jedoch nicht nach einer möglichst getreuen Wiedergabe der Wirklichkeit. Den thematischen Schwerpunkt seines Schaffens bildeten Stadtansichten, Industrieanlagen, Landschaften und die Darstellung des Menschen. Als Lehrer bestand er auf die Naturnachahmung, das Stilleben sowie auf die freie Komposition. An der Gegenstandslosigkeit orientierte Schülerarbeiten lehnte er ab, so dass er sich unaufgeschlossenen gegenüber den aktuellen Tendenzen zeigte.

233 Vgl. Zienicke 1984, 32; 234 Vgl. die zitierten Briefwechsel zwischen Roh und Fuhr, in: Zienicke 1984, 33; Auch in den Akten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultur lassen sich des öfteren Bedenken der Akademiepräsidenten gegenüber Fuhr vernehmen, vgl. Schreiben Sattlers vom 31.5.1946, BHStA MK 51430; 235 Zudem wurde er in der Presse aufgrund einiger im Jahr 1949 ausgestellter Schülerarbeiten als nicht sehr wirkungsvoller Lehrer kritisiert, vgl. Eckstein, in: SZ, 06.08.1949, 7; 236 Vgl. Ludwig 1997, 210; 237 Vgl. Die Kunst und das schöne Heim, H.12, 1952, 450; 73

Stärker als Fuhr, aber ebenso gebunden an das Naturvorbild, war das Wirken Willi Geigers 1878-1971.238 Einst Schüler von Stuck an der Münchner Akademie 1902, 19281933 Professor an der Leipziger Akademie, 1933 aus dem Staatsdienst enthoben und 19461950 als Vertragslehrer an der Münchner Hochschule der Bildenden Kunst tätig, fällt er vor allem als jung gebliebener Pädagoge auf, der die Jugend zur Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit aufrief. Die Offenheit spiegelte sich auch in seinem sehr differenziert zum Ausdruck gekommenen Schaffen wider. Angefangen von Bildern des Jugendstils und beeinflusst vom Expressionismus tat er sich nach 1945 vor allem in der Auseinandersetzung mit dem Kubismus hervor. Zudem inspiriert von Picasso und durch die spätexpressionistische Vorkriegskunst zählt er zu den expressiven Naturalisten der Nachkriegszeit. Wenngleich er selbst dem Gegenstand die Treue hielt im Gegensatz zu seinem Sohn Rupprecht Geiger, setzte er sich wie kein anderer Münchner Lehrer der Zeit für die gegenstandlose Kunst und ihre Möglichkeiten ein. Die Aufgeschlossenheit Geigers belegt auch ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, der die „lockeren Zügel“ der Geiger-Klasse registriert und die in den Schülerarbeiten sichtliche „Möglichkeit zur freien Komposition der Bildidee“ in den Vordergrund stellt.239 Laut einer Beschreibung seines Unterrichts gab er alle 14 Tage ein neues Thema zur Ausarbeitung auf, deren Resultate dann unter „reger Teilnahme“ besprochen wurden.240 Das Ergebnis dieser Diskussionen sowie seine offene Haltung gegenüber moderner Kunst wird durch folgendes Zitat Geigers bestätigt: „Die Mehrzahl der jungen Leute ist noch sehr dem Althergebrachten befangen und nur wenige und das sind die Begabteren öffnen sich der ‚neuen’ Kunst. Bei der Jury, bei der Besprechung kommt es zwischen den zwei Lagern zu lebhaften Auseinandersetzungen. Die starke Abneigung der ‚Gegenständlichen’ gegen die ‚neue’ Kunst ist symptomatisch und nicht eben erfreulich. Der Wille zum Aufsuchen neuer Wege, zu einer persönlichen Note ist bei jenen, die der ‚neuen’ Kunst sich zukehren, stärker ausgebildet; ... das andere Lager empfindet

238 Geiger schuf nach 1945, als einer der wenigen Künstler der Nachkriegszeit, antimilitaristische Blätter, die auf seine sozialkritische Wahrnehmung der Wirklichkeit verwiesen; 239 Vgl. Eckstein, in: SZ, 06.08.1949, 7; 240 Zitiert aus: Verzeichnis der auszugsweise aufgeführten Sonderberichte der Lehrer der Hochschule für bildende Künste, Anlage aus einem Schreiben Carl Sattlers an das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.12.1947, BHStA MK 51443; 74

begreiflicherweise die eifrige Propagierung der ‚neuen’ Kunst in der Presse und Zeitschriften als ein Unrecht ...“241 Das Zitat offenbart den auf die Studenten der Akademie merkbaren Druck der in der Presse propagierten modernen Kunst, sowie den Konflikt zwischen Tradition und Innovation. Ebenso wird klar, dass Geiger sich vor allem für die „Hervorbringungen der Neuerer“ einsetzte.242 Offensichtlich ging die Ablehnung moderner Kunst keineswegs nur von den Lehrern, sondern auch von vielen der Studenten aus. Der Großteil der Studenten folgte dem Erlernen des auferlegten Kunsthandwerks sowie dem antiquierten Lehrangebot, dessen Kunstauffassung der Münchner Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts entsprach.

Ein zunehmendes Bekenntnis zur Abstraktion erfolgte ab 1951 mit der Berufung Ernst Geitlingers 1895-1972 als „Vertreter der abstrakten Malerei“ an die Akademie.243 1913-29 lebte er in New York, wo er an der Academy of Design studierte. Zurück in Deutschland wurde er in den 30er Jahren zum Schüler von Karl Caspar an der Münchner Akademie. Wie sein Lehrer erhielt er im „Dritten Reich“ Ausstellungsverbot und wie dieser war er nach 1945 unter anderem in der ersten Augsburger Ausstellung und als Mitbegründer der Neuen Gruppe wieder aktiv. Von 1951-1965 übernahm er den Lehrauftrag in der Akademie und wirkte als antiautoritärer Pädagoge, aus dessen Klasse eigenwillige Persönlichkeiten hervorgingen. Franz Roh sah seine Tätigkeit an der Akademie als zukunftweisend an: „Im Kreise der Kunstakademie, wo Geitlinger lehrt, hat er eine besondere Mission erfüllt. Soweit ich sehe, scharten sich um ihn die lebendigsten und kühnsten Schüler, die er aber niemals zwang, kleine ‚Geitlingers‘ herzustellen. Er hatte im letzten Jahrzehnt die Funktion, welche Franz von Stuck zu Beginn des 20.Jahrhunderts an derselben Akademie besaß, als, seltsam genug, Kandinsky und Franz Marc in ihren Anfängen nur bei diesem Lehrer Unterkunft fanden.“244 Die liberale Haltung gegenüber den aktuellen Strömungen, welche sich bisher vorwiegend außerhalb der Akademie abspielten, offenbarte sich bereits in seiner ersten Ankündigung im Akademieverzeichnis, welche dem „Zeichnen und Malen

241 Zitiert aus: Verzeichnis der auszugsweise aufgeführten Sonderberichte der Lehrer der Hochschule für bildende Künste, Anlage aus einem Schreiben Carl Sattlers an das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 17.12.1947, BHStA MK 51443; 242 Zitat Geigers aus der Landshuter Zeitung 1950 über die Situation der „noch Suchenden“, gedruckt in: Petzet, Wolfgang: Willi Geiger. Der Maler und Graphiker, München 1960, 27; 243 Vgl. Ness, Roswitha: Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972, Gemälde und Arbeiten auf Papier, hrsg. von Ernst Geitlinger Gesellschaft, Saarbrücken 1991,9; 244 Roh, Franz, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Sonderdruck, Februar 1961; 75

bis hin zur Abstraktion“ gewidmet war.245 Er selbst repräsentierte zu jener Zeit einen durch und Paul Klee beeinflussten zeichenhaften Stil, den er phantasievoll und ironisch zugleich in stark abstrahierende Kompositionen einfügte. Neuen Entwicklungen offen gegenüber stehend und nach dem Motto „Jedes Bild ist für mich ein neues Experiment“246 gelangte er in den 50er Jahren immer stärker zur Abstraktion, die er in den 60er Jahren konsequent in konstruktivistische mono- und bichrome Kompositionen verwandelte. Wie ein Großteil der modernen Künstler der Nachkriegszeit wandte auch Geitlinger sich von der ihn umgebenden Realität ab und floh in eine phantasievolle, positive Weltsicht. Wie kein anderer folgte er dabei einen eigenen, experimentellen Weg, dessen Stil sich nicht eindeutig benennen lässt. Schüler, die in der Geitlinger-Klasse waren, wurden in ihren Experimenten bestärkt und gaben dem Lehrer ihrerseits Rückhalt, wenn er wie so oft auf Ablehnung innerhalb den eigenen Reihen der Akademieprofessoren stieß.

Das Interesse an einem Studium an der Akademie war laut den Statistiken der Zeit von Anfang an groß. Bereits im Wintersemester 1946/47 kam es zur Einführung eines NC’s, da die Bewerbungen zum Studium um ein Vielfaches die vorhandenen Ausbildungsplätze überstiegen.247 Die Zahl der Studierenden wurden anfangs auf nicht mehr als 140 festgelegt,248 da nur begrenzt Raum zur Verfügung stand. Ein weiterer Grund für die Begrenzung zeigte sich in dem Verantwortungsbewusstsein des Kultusministers Fendt hinsichtlich der beruflichen Zukunft der jungen Studenten an der Akademie. Eine Mehraufnahme an Schülern wäre für ihn „... angesichts der trüben wirtschaftlichen Lage Deutschlands“ nicht zu verantworten gewesen, ebenso wenig „... eine Reihe von jungen Leuten zu Berufskünstlern

245 Vgl. Ness 1991, 21; 246 Zitiert nach Ness 1991, 8; 247 vgl. R.M.: Die Münchner Akademiker, in: SZ, 26.11.1946, 6; Die Zahl der Bewerber zum Wintersemester 1946/47 betrug 251, die der Zulassungen 34, vgl. Tätigkeitsbericht der Hochschule der Bildenden Künste für Januar 1947 von Syndikus Bernhart an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus, BHStA MK 51443; Dabei nahm die Zahl der Bewerber jährlich zu: 1950 bewarben sich 700-900 Studenten im Jahr, vgl. Sommer, S.: Immer noch locken die Musen. Andrang zur Kunstakademie trotz geringer materieller Aussichten, in: SZ, 14.07.1950, 4; 248 Allerdings konnten bereits im November 1946 381 Studenten verzeichnet werden, vgl. R.M., in: SZ, 26.11.1946, 6; Ein auffallender Abstieg der Studierendenrate wurde erst im Zuge der allgemeinen Problematik nach der Währungsreform notiert, vgl. Die Kunst und das Schöne Heim, 1949/50, IV.2, 73; 76

auszubilden, welche aller Voraussicht nach in diesem Beruf niemals ihr Brot verdienen können.“249 Doch wo sollte ein junger, sich der Moderne hingezogen fühlender Mensch der Nachkriegszeit gehen, wenn nicht an die Akademie? An eine Akademie, deren ideale Ausbildung auf eine „... symbiotische Arbeitsweise in einer Meisterklasse“ beruht, einer Ausbildung „... zwischen einem Künstler, der sich durch sein eigenes Werk auch außerhalb der Hochschule einen Namen zu machen hat, und Studenten, die an diesem Werk anknüpfen können ....“250 Die Mehrheit der Professoren theoretisierte und praktizierte die Münchner Tradition und verhielt sich misstrauisch gegenüber neuen künstlerischen Ausdrucksformen und Ideen der Nachkriegszeit. Dies bestätigt auch die Rede zur Akademieeröffnung des Gastprofessors Dr. Walter Riezler. Entsprechend der Meinung eines Großteils der Lehrer, sah er in der modernen, für ihn „schlechten oder doch harmlosen Kunst“, viel mehr „Erschütterungen des kulturellen Gefüges“ als eine Bereicherung für die Neueröffnung der Akademie.251 Demnach sprach man nicht nur innerhalb der öffentlichen Kunstdiskussion, sondern auch in der akademischen Lehranstalt von einer Krisis in der Kunst, welche durch die moderne, vor allem abstrakte Kunst nicht nur eine „Strukturerschütterung von unerhörter Gewalt“ hervorrufe, sondern zudem eine „Kluft zwischen dem isoliert schaffenden, nur einem Kreise von Freunden und Kennern verständlichen Künstler und der Allgemeinheit“252 entstehen lasse.253 Zwar fielen in den ersten vier Jahren Caspar und Geiger durch ihre Aufgeschlossenheit gegenüber moderne Ausdrucksformen und zusammen mit Fuhr durch Beteiligungen an modernen Kunstausstellungen auf, ein Anknüpfen an eine progressive Kunst, an eine Modernität, die die Gegenwart reflektierte, war in der Münchner Akademie jedoch nur bedingt feststellbar. Einen wesentlichen Beitrag für eine progressivere Haltung verdankt die Akademie Josef Henselmann, der ab 1948 die Präsidentschaft der Akademie 1948-1957 innehatte. Neben der Förderung der angewandten Künste, fiel er im besonderen durch die Berufungswünsche zur Besetzung neuer Lehrkräfte sowie Gastprofessoren auf.

249 Der Bayer. Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Franz Fendt an die Direktoren der Akademie der Bildenden Künste in München, der Akademie der Angewandten Kunst in München, der Akademie der Tonkunst in München, der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, z.Zt. Schloß Ellingen, allg. Schreiben vom 22.März 1946, in: BHStA MK 51432; 250 Grasskamp, Walter: Wozu Kunstakademien ?, in: Akademie der Bildenden Künste München, hrsg. von Ben Williken, München 1999, 20/21; 251 Vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1946, 2 sowie die unveröffentlichte Festrede von Prof. Walter Riezler, BHStA MK 51410; 252 Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1946, 2; 253 Vgl. Teil II sowie Glaser 1997, 166; 77

Unter seiner Regie wurden Studienfahrten und reisen durchgeführt, um Kenntnisse über aktuelle Tendenzen der Kunst zu fördern, etwa Ausflüge zu Willi Baumeister ins sein Stuttgarter Atelier.254 Dieser beispielhafte, sogar in der Süddeutschen Zeitung erwähnte Ausflug, blieb nicht folgenlos wie sich etwa der Künstlers Manfred Bluth erinnert: „Entscheidend für meine künstlerische Umorientierung vom Gegenständlichen zur Abstraktion war eine Begegnung mit Baumeister. Wir haben 1948 mit der Malklasse eine Fahrt nach Stuttgart gemacht, um Baumeister zu besuchen.“255 Willi Baumeister war einer der Maler, die sich während des Dritten Reichs in Form einer „inneren Emigration“ zurückzogen, so dass er während des Krieges trotz politischer Verfolgung künstlerisch weiter schaffen konnte. Seine eindrucksvolle abstrakte Bildsprache war einzigartige in der deutschen Kunst der Nachkriegszeit. Innerhalb der Diskussionen um die moderne Kunst trat er als Wortführer auf und zeigte großes Engagement für den Anschluss an internationale Entwicklungen. Der unbestrittenen Qualität seiner Arbeiten schloss sich seine Fähigkeit als herausragender Pädagoge an. Für junge Künstler, die sich unmittelbar nach 1945 in das Feld der Abstraktion begaben galt er als zukunftweisendes Vorbild und Mentor. Baumeister gelang es, seinen Schülern „die Lust am Unbekannten, die Freude an Entdeckungen, die Leidenschaft für neue Wege ...“256 zu vermitteln und progressive Schritte zu neuen künstlerischen Formen zu wagen. Mit den Mitteln der Abstraktion ebenso wie durch einen Tendenz zum magischen Realismus glaubten junge Künstler auszudrücken, was heutigem Empfinden nach die Nachkriegszeit kennzeichnete: die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit und die sie umgebende grausame Realität sowie der Wunsch nach einer harmlosen, unpolitischen Kunst. Der Zuspruch der durch die Alliierten bestimmten Medien, der eine allmähliche Durchsetzung der abstrakten Kunst fördern sollte, bestätigte sie in ihrer Schaffensausrichtung.

Die Münchner Akademie vermochte radikal neue Entwicklungen nicht zu integrieren. Wie erläutert äußerte man in den ersten Jahren nach 1945 sogar sehr konservative Vorbehalte gegenüber moderner Kunst. In Manchem knüpfte man nur bedingt an die nationale Tradition der Vorkriegsmoderne an und wurde hinsichtlich moderner Kunstausstellungen immer wieder von der Presse als unzeitgemäß kritisiert.257 Trotz des Bewusstseins, dass hier zukünftig relevante

254 Vgl. Eckstein, Hans: Eine Universitas der Künste?, in: SZ, 28.10.1948, 5; 255 Manfred Bluth, in: Straka/Suermann 1983, 315; 256 Schmied 1974, 16; 257 1950 wurde die „gemäßigte Moderne“ von Caspar, Geiger und Fuhr in der Presse ironisch als ein rücksichtsvolles „Suchen nach neuen Rezepten“ interpretiert: „Zwei Drittel Beckmann, plus ein drittel Barlach; eine Hälfte Gaugin, ein Viertel Cézanne und ein Schuß Zöllner Rousseau; drei 78

Künstler ausgebildet werden sollten, galt die Akademieideologie bis in die 50er Jahre hinein nicht den neuen Strömungen in der Kunst. Im Gegenteil: Man hielt an der romantischen Vorstellung über das künstlerische Genie fest, das man nur entdecken und dessen handwerkliches Talent man ausbilden müsse. Stilistisch orientierte man sich der überlieferten Münchener Traditionskunst und ging dabei kaum über die Betrachtung des „Münchnerischen“ hinaus. An die Akademie heran getragene Vorschläge progressiver Künstler wie zum Beispiel Conrad Westphal, der 1947 die Idee einer „Schule der Formen“ mit Aspekten einer abstrakt orientierten Kunstvermittlung an die Akademie herantrug, wurde weder vom Präsidenten der Hochschule der Bildenden Künste Carl Sattler noch von den herrschenden Lehrern verstanden bzw. mit dem Argument des Missverstehens abgelehnt, was in zahlreiche Schreiben in den Akten des Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus bestätigt wird.258 Mit Ausnahme der Klasse Geiger sind keine Streitgespräche über gegenständliche verso abstrakter Kunst belegt. Und selbst die Aufgeschlossenheit des späteren Präsidenten Josef Henselmann gegenüber moderner Kunst vermochte die traditionalistische Orientierung der Akademie nicht umzuwandeln. Henselmann kritisierte immer wieder den leidenschaftslosen Umgang gegenüber dem „Zeitgebotenen und Zukunftsträchtigen“ innerhalb der Akademie.259

Vergleicht man daneben die Kunstakademie in Stuttgart, wo Vertreter der abstrakten Malerei wie Willi Baumeister und Max Ackermann bereits Ende der 40er Jahre Lehrstühle innehatten, so wird der Konservatismus in München umso deutlicher. Zwar wurde in München nach wie vor eifrig Kunst produziert, jedoch dies ohne Aufmerksamkeit zu erwecken auch in der Presse wurde sie kaum registriert. In den wenigen Kritiken, in denen die Münchner Akademie erwähnt wird, wurde sie als „lebensfern, unpraktisch und veraltet“260 beschrieben. Im verbal extremsten Fall wurde sie als Zuchtstätte für ein „Künstlerproletariat“ definiert, „... woran weder die Steuerzahler noch die wahren Kunstfreunde irgendwelches

Fünftel Kubin mit abstrakten Zusatz von etwas Klee und Picasso ....“,Die Kritik erfolgte im Zusammenhang mit einer Ausstellung des Central Collecting Point siehe später, in dessen Vorhalle eine Infotafel auf die schlecht bestellte Kunst innerhalb der Münchner Kunstakademie verwies, vgl. „Johann“: Nach dem Wochenende, in: SZ, 27.03.1950, 3; 258 Vgl. BHStA MK 51463; ein Abdruck des Exposés von Conrad Westphal über die Idee der Schule der Formen vom 31.03.1947 findet sich ebd.; 259 Vgl. Eckstein, Hans: Drei Jahre Hochschule der Bildenden Künste, in: SZ, 19.11.1951, 3; 260 Vgl. Die Kunst und das Schöne Heim, IV.2, 1949/50, 75; 79

Interesse ...“ 261 gehabt hätten, so dass ihre Institution an sich in Frage gestellt worden war.

Eine wahrnehmbare Auseinandersetzung mit den aktuellen Strömungen abstrakter Malerei fand im Wesentlichen erst ab 1951 mit Ernst Geitlinger statt, der sich jedoch lange alleine gegen die konservative Professorenschaft behaupten musste, während die Diskussion um die abstrakte Kunst bereits begonnen hatte. Sie erfolgte im besonderen ab 1957 mit der Berufung von Sep Ruf als Präsident, der die Akademie mit der vorgeschlagenen aber nicht zustande gekommenen Berufung Werner Haftmanns radikal für die abstrakte Kunst zu gewinnen versuchte.262 Und sie erfolgte mit den Akademiekünstlern aus den Gruppen S.P.U.R., Wir oder Geflecht, welche in den 50er und 60er Jahren einen entscheidenden Beitrag zu einer progressiven Kunstentwicklung in der damaligen Bundesrepublik lieferten.263 Danach fiel die Akademie vor allem in den 70er und 80er Jahren durch eine „wachsende Aktivität innerhalb und außerhalb des Hauses“ auf, indem es durch ihre Öffnung zur Galerieszene zu ganz neuen Wirkungsmöglichkeiten für die jungen Künstler kam.264

Die Akademie der späten 40er Jahre und die Ausbildung der Nachwuchskünstler waren obsolet und auch die Öffentlichkeit nahm ihre Rolle innerhalb der Münchner Kunstentwicklung nur peripher wahr. Bis heute hat die Akademie trotz vieler Bemühungen nicht die Bedeutung früherer Tage erlangt.

3. Künstlervereinigungen

Nach 1945 traten in München auffallend viele Künstlervereinigungen hervor. Um- und Neugründungen waren keine Seltenheit und gab es bereits vor dem Krieg. Die älteste Vereinigung vor dem Krieg war die königlich privilegierte Münchner Künstlergenossenschaft aus dem Jahre 1876, von der sich 1892 die Sezession abspaltete und von dieser wiederum die Münchner Neue Sezession ab 1913. Zusammen wirkten sie im Verein der Ausstellungsleitung München e.V. und organisierten ab den 20er

261 Kritik von A. Thwaites bei einem Vortrag im Münchner Rundfunk, vgl. Die Kunst und das Schöne Heim, IV.2, 1949/50, 75; 262 Vgl. Nerdinger 1985, 196; 263 Vgl. Kehr 1990, 36; 264 Vgl. Zacharias 1988, 129; 80

Jahren international orientierte Ausstellungen im Münchner Glaspalast. 1937 wurden sämtliche Gruppen aufgelöst und der Reichskunstkammer unterstellt.

Eine der ersten Zusammenkünfte nach dem Krieg galt einer nur vorläufig institutionisierten, unbenannten Vereinigung bayerischer Künstler, in deren Hauptkomitee Vertreter aller früheren Münchner Künstlerorganisationen sowie freie Künstler saßen.265 Die vorläufige Präsidentschaft übernahmen Prof. Julius Diez sowie Dr. Dietrich Sattler. Dem folgten ab 1946 weitere Gruppierungen allein im Zeitraum zwischen 1945 und 1951 lassen sich aus den Akten des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über 12 verschiedene Vereinigungen und Verbände entnehmen.266 Dabei fällt eine Zunahme der Zusammenkünfte mit Einsetzen der Währungsreform und der damit zunächst auffallenden Verschlechterung der allgemeinen Lebenssituation ins Auge. Es ist anzunehmen, dass man sich bei einem Zusammenschluss nicht zuletzt auch die Durchsetzung sozialer Interessen und Ziele versprach, an Kostenaufteilung dachte und Material gemeinsam nutzte. Gruppenzusammenschlüsse ließen in Zeiten der Not ein Gemeinschaftsgefühl aufkommen und boten Halt für die sozial schwachen Künstler. Nur wenige schlossen sich diesen gleichgesinnten Gruppen zur Durchsetzung einer neuen Strömung an oder schrieben Manifeste, so wie es noch zu Beginn des Jahrhunderts die Mitglieder der Brücke oder des Blauen Reiters, wie auch die Künstler des Futurismus, Konstruktivismus, Surrealismus oder Dadaismus taten. Die meisten Gruppenzusammenschlüsse in München nach 1945 erfolgten durch Mitglieder aus älteren Vereinen, die dadurch reaktiviert wurden. Am Auffälligsten waren die drei großen, auf eine Tradition zurückblickenden Künstlergruppen Münchner Künstlergenossenschaft, Münchner Sezession und Neue Gruppe. Seit 1949 treten sie bis heute durch die gemeinsam veranstaltete, jährlich stattfindende „Große Münchner Kunstausstellung“ auf. Die einzige Gruppe, deren gleichgesinnte Mitglieder durch eine programmatische, dem Zeitgeist entsprechende Zielsetzung auffielen, war die Gruppe ZEN 49. Sie

265 Zur Bekanntmachung dieser Vereinigung, vgl. Kulturnachrichten, in: SZ, 19.10.1945, 5; 266 So die Münchner Künstlergenossenschaft BHStA MK 51591, die Freie Selbsthilfe e.V. München BHStA MK 51592, der Künstlerunterstützungsverein e.V. BHStA MK 51593, der Berufsverband bildender Künstler e.V. BHStA MK 51597, die Neue Gruppe BHStA MK 51599, der Landesverband Bildender Künstler Bayern BHStA MK 51600, die Künstlergesellschaft Allotria München BHStA MK 51606, die Künstler-Werkgemeinschaft ’49 BHStA MK 51609, der Arbeitsring kriegsversehrter versehrter Künstler MK 51610, der Künstlerbund Isar e.V. BHStA MK 51612, der Künstlerinnen-Hilfsverein BHStA MK 51613 u.a.; 81

bildet den Schluss der Betrachtung von Künstlervereinigungen in München nach dem Krieg.

3.1. Münchner Künstlergenossenschaft

Die Nachkriegsgeschichte der ursprünglich 1868 gegründeten königlich. priv. Münchner Künstlergenossenschaft, war verwirrend. Glaubt man dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial, existierten bis 1950 zwei Künstlervereinigungen, die aus Mitgliedern einer ehemaligen, im „Dritten Reich“ aufgelösten, Gruppe bestanden. Bereits 1945 bildete sich unter dem Vorsitz der Herren Eduard Aigner und Carl Protzen die Gruppe Münchner Künstlergenossenschaft MKG. Der Leitgedanken der Gruppe war, sich unter Einbeziehung ihrer Tradition neu zu gestalten, ihre ehemalige Stellung neu zu begründen, alte Mitglieder wieder aufzunehmen und sich für junge, aufwärts strebende Talente zu öffnen.267 Die Gruppe wurde am 04.06.1946 lizenziert. Aus Opposition zu dieser MKG entstand 1948 der eingetragene Verein Münchner Künstlergenossenschaft e.V. MKG e.V. unter dem Vorsitz von Prof. Gerhardinger.268 Der Streit um die legitime Nachfolge der ursprünglich königl. Priv. Münchner Künstlergenossenschaft wurde durch zahlreiche Intrigen und unzählige Schreiben an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus geführt. Eine endgültige Klärung erfolgte erst nach 1950: als der „Splittergruppe Aigner-Protzen“ durch das Endurteil des Landgerichts München I verboten wurde, sich weiterhin Münchner Künstlergenossenschaft zu nennen und die „Gruppe Gerhardinger“ durch Beschluss des Oberlandesgerichts München zur „alleinigen Rechtsnachfolgerin der königl. priv. Münchner Künstlergenossenschaft von 1868“ erklärt wurde.269 Die „Gruppe Aigner-Protzen“ trat in der seit 1949 jährlich veranstalteten großen Kunstausstellung im Haus der Kunst nun unter der Benennung Neue MKG auf, während die Kunstvereinigung unter „Gerhardinger“ sich in den dort ebenfalls jährlich veranstalteten Herbstausstellungen königl. priv. MKG nannte.

267 Vgl. Schreiben der MKG an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 18.06.48 Exposé über Entwicklung und Ziele der Neugründung der MKG, BHStA MK 51591; 268 Vgl. hierzu die Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die MKG allgemein, BHStA MK 51591; 269 Vgl. Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an Hundhammer vom 14.Mai 1950 sowie ein internes Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus von Dr. Wittmann vom 5. Februar 1952, BHStA MK 51591; 82

Bezüglich der Auffassung moderner Kunst, sind vor allem die divergenten Zielvorstellungen der beiden Vereinigungen von Interesse. Gemäß den Quellen, tat sich die Münchner Künstlergenossenschaft von 1945 durch die Aufnahme von „jungen aufstrebenden Talenten“ hervor, welche neben den alten Mitgliedern zum Zuge kommen sollten.270 Offizielles Ziel war, Ausstellungen „... mit künstlerisch hohem Niveau zu veranstalten, ohne in der Begrenzung der künstlerischen Spannungen nach rechts und links ängstlich zu sein ...“271, so dass hier eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber moderner Kunst registriert werden kann. Dies belegt auch das inhaltliche Programm der MKG, welches der folgende Auszug aus einem Vortrag, betreffend den Neuaufbau, wiedergibt: „Das künstlerische Programm braucht nicht einseitig und engherzig zu sein. Die Kurve kann weit gespannt werden. Was gut ist, muss zur Geltung kommen. Problematisches braucht nicht ausgeschaltet zu sein. Es können neben extremen Experimenten gehaltene formal und farbig bedingte, kultivierte Arbeiten ebenso Geltung finden. ... Der Gedanke, epigonenhaftes der älteren Richtung auszuschalten ist nicht unberechtigt. Dann ist es aber auch berechtigt, nicht alles von den Jungen hinzunehmen, denn die viel propagierte Neue ist weitreichend ebenso epigonenhaft wie die Alte. Sie ist vor 30 Jahren, als die besagten Aelteren noch jung waren, schon dagewesen, von ihnen teilweise miterlebt, mitdurchdacht und mitentwickelt worden. Nach einer extrem aufwühlenden Zeit wird wieder eine ruhigere, gemäßigte kommen, sei es in der Form, sei es in der Farbe, sei es, das neue Erkenntnisse in den Bereich der Kunst getragen werden. ... Wir müssen das Fingerspitzengefühl haben zu fördern und zu ermutigen, anzuregen und zu erwägen und auch zu wagen ganz Eklatantes Neugestaltetes zu zeigen und zu vertreten. ... Wir dürfen nur mit dem Besten hervortreten und mehr denn je müssen wir daran denken, den Ruf einer Deutschen Kunst, einer Münchner Kunst neu zu gründen und zu festigen ...“272

270 Die Mitglieder bestanden aus ordentlichen Mitgliedern, fördernden Mitgliedern sowie Ehrenmitgliedern, vgl. Satzung vom 13.04.1948, BHStA MK 51591; Ihr Zweck galt der „Förderung der idealen und materiellen Interessen der Münchner Künstlerschaft ....“ Erreicht werden sollte dieser durch „Wahrung der Stellung, die die Künstlerschaft in München und auswärts einzunehmen hat, kooperativen Schutz des Einzelnen in künstlerischer und geschäftlicher Beziehung, Veranstaltungen gemeinsamer Unternehmungen, namentlich von Kunstausstellungen sowie durch die Belebung von Beziehungen der Künstler zueinander und zu den Kunstfreunden, insbesondere durch Pflege gemeinsamer Geselligkeit“, ebd.; 271 Schreiben der MKG ans Ministerium vom 18.06.48 Exposé über Entwicklung und Ziele der Neugründung der MKG, BHStA MK 51591; 272 Auszug aus einem programmatischen Vortrag der MKG, Anlageschreiben vom 14.Juli 48 an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus, BHStA MK 51591; 83

Gewillt, den Ruf der Münchner „Kunststadt“ wieder herzustellen, geht aus den zitierten Worten der MKG vor allem die für diese Zeit typische Suche nach künstlerischen Erneuerungen hervor.273 Mit dem Anspruch auf Qualität und in dem Glauben, dass die Kunst der Zukunft eine neue, jedoch gemäßigte Moderne sein muss, begann die MKG ihren Weg. Die erwähnte Ablehnung gegenüber epigonenhaften Altem wie auch epigonenhaften Neuen, der an die Vorkriegsmoderne anschließenden Kunst sowie die Forderung nach „etwas Ruhigerem“, bezeichnet die Suche nach einer Synthese aus der klar wird, dass diese Gruppe, zumindest gedanklich gegenüber Neuerungen offen stand. Im Text des ersten Kataloges zur Ausstellung in der Städtischen Galerie wird betont, dass die Tradition der MKG nicht im konservativen Sinne wieder aufgenommen werden solle, „ ... sondern als Verpflichtung zur Kontinuität künstlerischen Wollens und als Verpflichtung zur Pflege der selbstverständlichen überzeitlichen wahren künstlerischen Werte, aber an ihrer zeitnotwendigen Lebendigkeit, das echte Gefühl vom problematisch Suchenden bis zum fertigen Ausgereiften umfassend ...“, weshalb die Förderung im besonderen „.... des neue Wege anbahnenden Jungen ...“ galt.274 Die künstlerische Umsetzung dieser Ideen zeigte sich dagegen alles andere als innovativ. Sie zeugte von einem Konservatismus, der sowohl thematisch als auch stilistisch der Tradition der Münchner Schule verhaftet blieb. So orientierten sich die meisten der Mitglieder, wie zum Beispiel Eduard Aigner, Karl Blocherer oder Lothar Diez275, an der dunkeltonigen Münchner Maltradition wie auch an dem „Deutschen Impressionismus“ eines Max Liebermann, Max Slevogt, Fritz von Uhde oder Lovis Corinth. Hinzu kam die Generation des genannten Expressiven Realismus aus dem fernen Umkreis der Caspar-Schule, unter anderem Karl Blocherer, Josef Loher oder Wolf Bloem. Unter den typischen Arbeiten finden sich zahlreiche Stilleben nach Art von Matisse und Cézanne so zum Beispiel die Stilleben von Max Hausschild, Joh. Ignaz Kohler oder Alfred Leithäusers. Als Sujet wurden vorzugsweise Landschaften, Interieurs, Porträts, Zirkusszenen sowie Aktdarstellungen gewählt. Die Ausstellungen der MKG wurden vor allem beim konservativen Münchner Publikum sehr gut angenommen.276 Doch wurden sie genau deswegen von der

273 Vgl. Punkt II.2.1.; 274 Vgl. Ausstellungskatalog: Münchner Künstlergenossenschaft, Städtischen Galerie, München 1947; 275 Andere Mitglieder waren beispielsweise Alfons Epple, Konstantin Garneff, Theodor von Hötzendorff, Anton Leidl, Wilhelm G. Maxon, Otto Miller-Diflo oder Carl Protzen, vgl. die in der Literatur angefügten Ausstellungskataloge zur MKG; 276 Vgl. III.6.; 84

Presse als unzeitgemäße „Publikumskunst“ kritisiert.277 Wie noch zu sehen sein wird, existierten auch in München derzeit bereits neuere künstlerische Ausdrucksformen, welche die Bilder der MKG keineswegs als progressiv erscheinen ließen.

Nicht so empfunden wurde dies von der oppositionellen Seite des Vereins der MKG e.V.: Wetternd gegen die MKG beklagte sie deren Bevorzugung von nur angeblich einer Richtung „... zum Schaden aller anderen. ... Sie selbst begrüßt das Neue und Fortschrittliche auf dem Gebiete der bildenden Kunst, aber sie bekämpft jene Pseudo-Künstler, die sich lediglich deswegen für Künstler halten, weil sie sich ‚modern’ gebärden ....“278 Fortschrittliches begrüßend, die moderne Äußerungen jedoch offensichtlich bekämpfend, nahm diese Gruppe eine ziemlich unglaubwürdige Haltung ein. Und dass neue Tendenzen keinen Eintritt in die Gruppe fanden, offenbaren die Bilder ihrer Ausstellungen im Haus der Kunst ab 1950. Es waren auch hier Bilder einer vor allem stilistisch stark an dem Realismus der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts orientierten akademische Malkultur, die sich sowohl in den Gattungen Genre- und Landschaftsmalerei als auch in der Porträt- Stillleben- und Tiermalerei zeigten. Als Beispiel seien die Künstler Thomas Baumgartner, Claus Berger und Ferdinand Stäger genannt. Ungeachtet der modernen Bestrebungen der Zeit nahm die Gruppe Gerhardinger somit eine äußerst anachronistische Stellung innerhalb der Münchner Gegenwartskunst ein. Ihr Stil wurde von Modernisten wie Fritz Nemitz dementsprechend als „aufgewärmter Realismus von 1890“, die Mitglieder der Gruppe als „geartete Maler von gestern“ kritisiert.279

277 Beispielsweise schrieb Hans Eckstein über die Ausstellung der MKG in der Städtischen Galerie im Jahr 1947, dass die MKG sich hier „ ... auf ständiger Suche nach den Jungen, auf altem Holz ...“ befand, vgl. Eckstein, Hans: Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft, in: SZ, 30.08.1947, 3; vgl. auch Eckstein, Hans: Münchner Künstlergenossenschaft in der Städtischen Galerie, in: SZ, 15.06.1948, 2; 278 Aufruf der MKG e.V. an alle ehemaligen Mitglieder der ehemaligen MKG, Oktober 1948, BHStA MK 51591; 279 Nemitz, Fritz: Wiederkehr der Gearteten?, in SZ, 10.03.1950, 2; Nemitz kritisierte hier nicht nur ihren Stil „verbrauchte und verstaubte Sehformen“, auch die Qualität der Arbeiten wurde von ihm massiv in Frage gestellt; 85

3.2. Münchner Sezession280

Die Gründung der Münchner Sezession erfolgte 1892, unter Ludwig Dill, Fritz von Uhde, Wilhelm Trübner und Franz von Stuck. Als Mitglieder eines genossenschaftsunabhängigen Vereins richteten sie sich gegen die akademische Malerei der Münchner Künstlergenossenschaft.281 1913 ging aus der Münchner Sezession die Neue Sezession hervor, die 1938 von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde. 1946 traten die einstigen Mitglieder der Münchner Sezession erneut in Erscheinung. Doch bevor dieser Neuanfang hinsichtlich seiner Modernität geprüft werden soll, empfiehlt es sich, einen kurzen Blick auf die ursprünglichen Beweggründe der Sezessionsbewegungen des ausgehenden 19.Jahrhunderts zu werfen.

Der Zusammenschluss von Künstlern zu Sezessionen trat erstmals gegen Ende des 19.Jahrhunderts in mehreren europäischen Kunstzentren auf.282 Künstler formierten sich in Opposition zu den damals offiziell herrschenden, akademischen Künstlervereinigungen, indem sie zukunftorientierten Zielen folgten. Sie waren an der Entwicklung neuer Ausdrucksformen beteiligt und somit äußerst modern. Zudem präsentierten die Sezessionen in ihren Ausstellungen zahlreiche internationale Künstler moderner Kunst, wodurch ihr Gegensatz zu den öffentlichen Heimatkunstausstellungen deutlich zum Ausdruck kam.

Anfang des 20.Jahrhunderts wiederholte sich der Vorgang der Abspaltung erneut. Jüngere Künstler mit wieder neuen Ideen und Absichten widersprachen den inzwischen etablierten Sezessionisten. Es kam zu so genannten Neuen Sezessionen in der Kunst. Neben der Münchner Neuen Sezession 1913 formierten sich die Neue Sezession in Berlin 1910 sowie die Neue Sezession in Dresden 1919. Rezeptionsgeschichtlich stießen die zeitgenössischen Bildwerke der Sezessionen lediglich bei einem kleinen Teil des Bürgertums auf Resonanz. Aus diesem Grunde

280 vgl. Harzenetter, Markus: Zur Münchner Sezession. Genese, Ursachen und Zielsetzungen dieser institutionell neuartigen Münchner Künstlervereinigung, Diss., in: Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. 158, München 1992; 281 Im Zusammenhang einer Ausstellung in der Städtischen Galerie 1947 wurde die einstige oppositionelle Haltung der Sezession gegenüber dem „ ... Akademismus und altmeisterlichen Manierismus der Künstlergenossenschaft ...“ noch einmal betont, Eckstein, Hans: Ausstellung der Münchner Sezession, in: SZ, Jg.3, Nr.80, 1947, 5; zu den Anfängen der Münchner Sezession vgl. v.a. Harzenetter, Markus: Zur Münchner Sezession, München 1992, 151 ff; 282 Neben der Münchner Sezession formierten sich 1894 die Dresdner Sezession, 1897 die Wiener Sezession und 1899 die Berliner Sezession; 86

war die öffentliche Ausstellungspolitik, welche sich an das breite Publikum wandte, kaum an ihren Werken interessiert. Der Erfolg der Sezessionisten war deshalb eng mit dem Engagement der sie unterstützenden, privaten Kunsthändler verknüpft. Diese integrierten sie in einen liberalen, modern orientierten Kunstbetrieb und trugen zu ihrer internationalen Verbreitung bei.

Nach dem Zweiten Weltkrieg formierte sich die ursprüngliche Münchner Sezession neu. Die Mitglieder aus der Neuen Sezession dagegen fanden sich unter der Bezeichnung Neue Gruppe wieder vereint. Die erste Ausstellung der Münchner Sezession wurde 1946 in der Neuen Sammlung und 1947 wie 1948 in der Städtischen Galerie mit Werken von Ludwig Bock, Walter Brendel, Julius Diez, Otto Dill, Günther Graßmann, Werner von Houwald, Julius Hüther, Max Mayershofer, Wolf Röhricht, Carl Schwalbach, Julius Seyler u.a. gezeigt.283 Thematisch entsprachen die Werke denen der MKG, beliebt waren Landschaften, Stillleben, Porträts und Akte. Auch stilistisch unterschieden sich die Werke der Münchner Sezession nur unwesentlich von denen der MKG. Es handelte sich um gegenständliche Bilder in stilistischer Orientierung an der spätimpressionistischen Münchner Malkultur, die oftmals kombiniert mit expressiven Elementen der Vorkriegsmoderne zum Ausdruck kam. Überprüft man diese Werke hinsichtlich der ursprünglichen Zielsetzung der einleitend genannten Sezessionsbewegungen, so wird die inzwischen obsolete Stellung der Münchner Sezession offenbar: Nicht progressiv, sondern traditionell münchnerisch erschien das Bild der Nachkriegs- Sezession und selbst Zeitgenossen sprachen von ihr als „Hüterin guter Münchner Tradition“.284

Das Festhalten an Altem anstelle des Förderns von progressiv Neuem war in jedem Fall gewollt, was in dem einleitenden Katalogtext zur Ausstellung der Münchner Sezession in der Städtischen Galerie im Jahr 1947 bestätigt wird. Hier wurden die seit Beginn des 20.Jahrhunderts auffallenden fortschrittlichen Kunstentwicklungen als „unentwegt fortgesetzte künstlerische Revolution“ in Frage gestellt und mit ihr die Gefahr einer erstarrenden Routine erkannt.285 Bei der Wahl der Mitglieder wurde deshalb auf eher „... ernsthafte Kräfte, die skeptisch gegenüber allen nur formalistischen Wertungen ...“ waren, gesetzt. Abstrakt oder surreal arbeitende Künstler erhielten in der Gruppe keinen Platz. Im Gegenteil, die Sezessionisten der

283 Vgl. Eckstein , in: SZ, 09.11.1946, 5 sowie Ausstellungskatalog: Münchner Sezession, Städtischen Galerie, München 1947, 1948; 284 Vgl. Eckstein, in: SZ, 09.11.1946, 5; 285 Ausstellungskatalog: Münchner Sezession, Städtischen Galerie, München 1947; 87

Nachkriegszeit versuchten „... die Kunst von neuem aus dem Bleibenden ihrer geistigen und menschlichen Vorraussetzungen ...“286 herauszubilden. Den Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksformen blieben sie fern. Offensichtlich hatten sich die Sezessionisten nach 1945 von ihren ursprünglichen Absichten, sich von einer nicht mehr als zeitgemäß empfundener Ausdrucksform abzusetzen, weit entfernt. Der einst opponierten Haltung gegenüber akademischen Formäußerungen folgte nun eine Akzeptanz dergleichen in der Wiederaufnahme von stilistischen Tendenzen, die der Akademie des ausgehenden 19.Jahrhunderts entsprachen. Dem breiten Publikum freilich gefiel die traditionelle Ausdrucksweise der Münchner Sezession. Dies und jenes belegt ein Bericht des Kritikers Hans Ecksteins, der eine neue Gruppenformation, die Neue Gruppe, als ausschlaggebend für eine moderne Bewegung in den Vordergrund stellt: „Inzwischen vertritt die Sezession einen Akademismus und eine dem Bildbedürfnis des Publikums gerecht werdende Malerei und ihre einstige Rolle hat seit dem ersten Weltkrieg die ‚Neue Sezession’ übernommen, die nun als ‚Neue Gruppe’ sich neu organisierte.“287

3.3. Neue Gruppe

Die Vereinigung der Neuen Gruppe hatte keine lange Historie vorzuweisen. Sie hatte sich 1946 unter dem Vorsitz von Rudolf Schlichter und Adolf Hartmann288 aus einigen Mitgliedern der in den ehemaligen Glaspalastausstellungen als fortschrittlich und modern geltenden Gruppen, den Juryfreien und der Neuen Sezession, neu formiert und fungierte in erster Linie als verjüngte Nachfolge der Neuen Sezession.289 Im Vergleich zu den beiden zuletzt besprochenen Gruppen waren die meisten ihrer Mitglieder während der nationalsozialistischen Herrschaft als „entartet“ verfemt. Im Zuge der Rehabilation „entarteter“ Kunst wurden viele von ihnen unmittelbar nach 1945 zu zahlreichen Ausstellungen geladen, was bedeutet, dass einige Künstler

286 Ausstellungskatalog: Münchner Sezession, Städtischen Galerie, München 1947; 287 Vgl. auch die entsprechende Kritik Ecksteins: Ausstellung der Münchner Sezession, in: SZ, 20.09.1947, 5; 288 Vgl. Eckstein, Hans: Die Neue Gruppe, in: SZ, 09.04.1946, 7; 289 Vgl. hierzu die einleitenden Worte zur „Großen Kunstausstellung“ 1987, in Ausstellungskatalog: Große Kunstausstellung München, Haus der Kunst, München 1987 sowie Horst 1997, 180187; 88

bereits vor der Gruppenbildung unter dem Motto „moderne Kunst“ vertreten waren.290

Ihre erste gemeinsame Ausstellung als Neue Gruppe hatten die Künstler wie die der Münchner Künstlergenossenschaft und Sezession in der Städtischen Galerie 1947. Der entsprechende Ausstellungskatalog überliefert das Programm der Gruppe. Demnach trat die Neuen Gruppe nicht für eine bestimmte Richtung ein. Vielmehr ging es ihr darum, „... starke, eigenwillige Individualitäten zu vertreten, ganz gleich, ob diese an die formalen Ergebnisse des Expressionismus anknüpfen, sich einer abstrakten oder halbabstrakten Formensprache bedienen oder ob sie sich wie die Surrealisten oder Neoklassizisten einer neuen Gegenständlichkeit zuwenden ...“291, wodurch die tolerante Haltung der Gruppe gegenüber allen damals modernen Stilrichtungen deutlich zum Ausdruck kam. An anderer Stelle hebt der Text die beanspruchte internationale Haltung der Gruppe hervor: „provinzielle und lokale Enge“ galt es zu vermeiden „spezifisch europäisch“ sollten die Ausstellungen sein.292 Abgesehen davon, dass sich unter den in München tätigen Mitgliedern der Neuen Gruppe hauptsächlich nationale, und nicht internationale Künstler einreihten, offenbarte die Neuen Gruppe mit dieser Aussage dennoch die für die Nachkriegszeit des Westens fortschrittliche Absicht, sich in der internationalen, westlichen Kunstwelt zu integrieren.293 Zudem wollte die Gruppe mit dem langfristig gesetzten Ziel, einen Überblick über das moderne zeitgenössische Kunstschaffen insbesondere auch der künstlerischen Nachwuchskräfte zu geben, bewusst „... intransigent gegen jede unaufrichtige Mache und bequemes Epigonentum ...“ sein, weshalb die Wahl ihrer Mitgliedern eher „... Stammelnden und Suchenden ... als gewandten Vertretern längst durchexerzierter Experimente ..." galt.294 Betrachtet man dagegen die Liste der Mitglieder, die sich bis 1949 in die Neue Gruppe reihten, so waren dies weniger

290 Beispielsweise waren die Mitglieder Arnold Balwé, Remigius Netzer, Anton Lamprecht, Ernst Geitlinger, Thomas Niederreuther, Michael Wagner oder Rudolf Schlichter bereits 1946, in der ersten Ausstellung im Augsburger Schäzler- Palais präsent, vgl. Ausstellungskatalog: Art Exhibition/ Painting I Kunst-Ausstellung/ Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945; 291 Zitiert aus Ausstellungskatalog: Künstlerverband Neue Gruppe, Städtischen Galerie, München 1947, 4; 292 Ausstellungskatalog: Künstlerverband Neue Gruppe, Städtischen Galerie, München 1947, 4; 293 Mitglieder waren beispielsweise Karl Caspar, Adolf Hartmann, Thomas Niederreuther, Arnold Balwé, Willi Geiger, Rolf Cavael oder Conrad Westphal sowie die überregionalen Künstler , Max Pechstein, Karl Hofer, Willy Baumeister, Ernst Wilhelm Nay, oder Georg Meistermann ein, vgl. Ausstellungskatalog: Große Kunstausstellung München 1949, Haus der Kunst, München 1949; 294 Vgl. Ausstellungskatalog: Künstlerverband Neue Gruppe, Städtischen Galerie, München 1947, 4; 89

die „Stammelnden und Suchenden“ als viel mehr bereits anerkannte, zum Teil zum Professor moderner Kunst aufgestiegene, Künstler, welche hier den Ton angaben. Sie richtete sich damit gegen die Kunstäußerungen der Münchner Sezession und der MKG.

Ohne Vertretung einer bestimmten Richtung, jedoch bemüht um die modernen Belange der Zeit, trat sie nach 1945 als die eigentliche „Avantgarde“ unter den drei großen Künstlergruppen in München hervor. Für einen „zeitsymptomatischen“ wie auch zukunftsweisenden Charakter295 steht auch die künstlerische Umsetzung ihres Programms, das im Sinne der allgemeinen, liberalen stilpluralistischen Entwicklungen des Westens verstanden werden kann. Fortan präsentierte die Gruppe neben der großflächig angelegten, expressiven Malweise der modernen Caspar-Schule, neben dem neusachlichen Realismus eines Adolf Hartmanns, neben den naiv-kindlichen Darstellungen von Richard Ott und den visionären Traumbildern der Surrealisten Edgar Ende, Rudolf Schlichter und Mac Zimmermann, auch halbabstrakte Werke wie die phantasievollen Bilder von Ernst Geitlinger, die sich vom Gegenstand abwendenden Bilder von Maria Caspar-Filser und Werner Gilles oder das ans Bauhaus angelehnte Werk des in München gerade bekannt gewordenen Augsburgers Karl Kunz. Parallel dazu zeigte man etablierte Werke, so die abstrakten Lösungen von Willi Baumeister, Max Ackermann, Georg Meistermann und Conrad Westphal. Gegenstandslose Bilder waren somit Bestandteil des künstlerischen Programms und bildeten zugleich das Hauptunterscheidungsmerkmal zu den Werken der zuletzt genannten Münchner Künstlergruppen. Zusammengefasst offerierte die Neuen Gruppe eine Kunst, die aus der vornehmlich modernen Tradition erwuchs, aus dem Expressionismus, Kubismus, Fauvismus und der Abstraktion, so dass die Neue Gruppe, im Gegensatz zu den beiden anderen, nicht in der traditionellen Münchner Atelierkultur verhaftet blieb. Ihnen gemein war lediglich der Wunsch, den Ruf Münchens „als führende Kunststadt Deutschlands“ wiederherzustellen.

295 Beispielsweise hob Hans Eckstein bereits bei ihrer Gründung 1946 ihr Bemühen um „moderne bildnerische Probleme“ hervor, Eckstein, in: SZ, 09.04.1946, 7; Und auch wenn er sie in ihrer ersten Ausstellung 1947 nicht mit der Avantgarde von einst wie etwa der des Blauen Reiters, im Sinne einer neuen Stiläußerung, vergleichen wollte, sondern sie mehr wegen ihrem „friedlichen Nebeneinander mehrerer künstlerischen Ausdrucksarten“ betonte, so sah er sie dennoch als „Avantgarde der künstlerischen Qualität oder doch zumindest des zeitsymptomatisch Bedeutenden und Echten“, welche die künstlerische Entwicklung in München „wie ein Schrittmesser“ nach vorne triebe, vgl. Eckstein, Hans: Die Ausstellung der Neuen Gruppe, in: SZ, 28.06.1947, 5; Regelmäßige und zugleich positive Berichte über die Neue Gruppe fanden sich auch in der Zeitschrift Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.2 , 1949, 50ff./ Nr.3, 1949 98ff., Nr.12, 1950, 451ff./ Nr.11, 1951, 403f.; 90

Viele modern gesinnte Künstlern der Nachkriegszeit gehörten der Neuen Gruppe an neben den bereits genannten Münchner Künstlern auch Xaver Fuhr, Willi Geiger, Max Unold und andere. Hinzu kamen national bekannte Künstler wie Otto Dix, Ernst Fritsch, Karl Hofer, Otto Pankok, Karl Schmitt-Rottluff oder Heinz Trökes, zu denen sich bis 1951 die an der Gegenstandslosigkeit interessierten Künstler Rolf Cavael, Werner Held, Georg Meistermann, Ernst Wilhelm Nay u.a. gesellten.296 Die Gruppe stand somit in enger Verbindung mit der gesamten modernen westdeutschen Kunst.

Die vielen modernen Neuzugänge trugen dabei auch zu Weiterentwicklungen innerhalb der eigenen Reihen bei. Dafür spricht beispielsweise die Betrachtung der veränderten Malweise des Künstlers Michael Wagner: hatte dieser in der Ausstellung 1947 seine „Seiltänzerin mit Kind“ noch in Form eines großflächigen, vereinfachenden, die Umrisslinien stark betonenden jedoch realistischen und auf alle menschlichen Details eingehenden Malstils dargestellt, so erinnern seine „Pferde“ von 1951 nur mehr angedeutet, die Beine spitz ins Nichts verlaufend, auf Details wie Augen oder Nüstern verzichtend, das Fell und der Hintergrund zu einem Ganzen verschmolzen lediglich aufgrund der wagen Umrisslinien noch an das Thema Pferd.297 Ausgehend vom Realismus ging dieser Künstler im Laufe der Jahre zu einer stark abstrahierten Zeichensprache über. Offensichtlich hatten hier die Entwicklungen eines Baumeisters, Cavaels oder Meistermanns trotz ihres im Vergleich geringen Anteils innerhalb der stilpluralistischen Mitgliederliste Einfluss auf die Mitglieder der Neuen Gruppe ausgeübt, was in den folgenden Ausstellungskatalogen der Neuen Gruppe 1950 ff bestätigt wird.

Einige der Künstler, die sich rein gegenstandslosen Darstellungen verschrieben, isolierten sich ab 1949 und taten sich fortan geschlossen, als Mitglieder der in diesem Jahr gegründeten Gruppe ZEN 49 hervor.

3.4. ZEN 49

Die Geschichte der Gruppe ZEN 49 begann streng genommen nicht in München. Sie begann bereits 1947 mit der Ausstellung „Extreme Malerei“ im Augsburger

296 Vgl. Mitgliederliste aus einem Schreiben Adolf Hartmanns an den Regierungsdirektor Dr.Dr. Keim vom 7.8.1949, BHStA MK 51599; 297 Vgl. Ausstellungskatalog: Neue Gruppe, Städtische Galerie, München 1947 sowie Ausstellungskatalog: Große Kunstausstellung München 1951, Haus der Kunst, München 1951; 91

Schäzler-Palais, in der neben den modernen, gegenständlichen oder abstrahierten Exponaten auch einige abstrakte Arbeiten von Max Ackermann, Willy Baumeister, Gerhard Fietz, Rupprecht Geiger, Conrad Westpahl und Fritz Winter zu sehen waren.298 Zu den zahlreichen Besuchern zählten neben Franz und Juliane Roh auch der an der gegenstandslosen Kunst interessierte Kunstkritiker John Anthony Thwaites er war seit 1945 britischer Konsul in München , der hier Fühlung zu einigen Künstlern nahm. Er wandte sich an Rupprecht Geiger, mit der Idee einer neuen, sich der gegenstandslosen Kunst widmenden Künstlervereinigung.299 Im Jahr 1949 anlässlich einer Vernissage am 19. Juli mit Arbeiten von Rolf Cavael in der Modernen Galerie Otto Stangl kam es dann zur Umsetzung der Idee, sprich: zur Gründung der Gruppe der Gegenstandslosen süddeutschen Maler.300 Parallel zur Ausstellung bei Otto Stangl stellten die Mitglieder dieser Gruppe in einer allgemeinen Ausstellung zur deutschen Kunst im Central Art Collecting Point aus.301 Die Mitglieder der ersten Stunde waren Rolf Cavael, Gerhard Fietz, Rupprecht Geiger und Willy Hempel. Wenig später konnten Willi Baumeister, Fritz Winter und die Bildhauerin Brigitte Meier-Denninghoff dazu gewonnen werden, wohingegen der berufene Künstler Theodor Werner die Beteiligung an der noch lokalen Gruppe aufgrund seines Wohnsitzes in Berlin ablehnte.302 Ende des Jahres wechselte die Gruppe ihren Namen und tat sich fortan mit stetig zuwachsenden Mitgliedern und Gästen als Gruppe ZEN 49 hervor.303

298 Vgl. Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947; 299 Vgl. Frosch 1992, 48/49 sowie Finckh, Gerhard: ZEN 49, in: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch: 19451949, hrsg. von Friedrich Prinz, München 1984, 118; dazu ein Zitat Ruprecht Geigers: „Im Auftrag der englischen Militärregierung war Antony Thwaites hier in München als Konsul tätig und hat das ist das Verrückte Kontakt aufgenommen mit deutschen Künstlern und hat denen dann geholfen.“, Geiger, Rupprecht, in: Straka/Suerman 1983, 272; 300 Vgl. Frosch 1992, 48/49 sowie Finckh 1986, 77; 301 Vgl. Ausstellungskatalog: Kunstschaffen in Deutschland 1949, Central Art Collecting Point, München 1949; 302 Vgl. Frosch 1992, 49 sowie im folgenden auch Teubner, Dirk: Zen 49. München 1950, Köln 1988, 183-200; 303 Der im Kontext mit fernöstlichen Denkstrukturen und der Lehre der buddhistischen Meditationsschule stehende Begriff ZEN stieß nicht bei allen Gruppenmitgliedern auf Resonanz. Lediglich Rupprecht Geiger und Rolf Cavael identifizierten sich mit dem Begriff, während die anderen sich eher kritisch zu der Namensgebung äußerten, vgl. Frosch 1992, 49-50 sowie Kuhn, Thomas: Der ferne Osten als Leitbild, in: Flächenland: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, hrsg. von Hans Körner, Tübingen/Basel 1996, 188. Auch verwies man in der Einleitung des ersten Ausstellungskataloges darauf, dass „im Gegensatz zu dem, was in der Presse verbreitet wurde, ... der Name keine okkulte Bedeutung“ inne hatte, vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950, 6; Zur Frage 92

Der Zeitpunkt der Gründung lag inmitten der allgemeinen wirtschaftlichen Notsituation304, welche vor allem die jüngeren, noch nicht etablierten Künstler der Gruppe betraf. Aus dieser Situation betrachtet, fungierte die Gruppenbildung für einige der Mitglieder auch als Maßnahme zur Linderung der Not, was in einem Zitat von Gerhard Fietz bestätigt wird: „... so wäre es wünschenswert, wenn wir alle da wären, um Kriegspläne gegen die Not zu entwerfen. Ich glaube, daß wir es als geschlossene Front besser können, als wenn jeder allein sich müht ....“305 Zudem waren sich die etwas jüngeren Künstler der Gruppe neben Gerhard Fietz z.B. auch Rupprecht Geiger und Brigitte Meier-Denninghoff bewusst, dass ihr Ansehen durch gemeinsame Ausstellungen mit bereits renommierten Künstlern wie Baumeister oder Fritz Winter schneller stieg.306 Baumeister und Winter wurden damals in ganz Westdeutschland als Vermittler zwischen der Avantgarde vor 1933 und den abstrakten Entwicklungen nach 1945 aufgefasst. Sie gaben dem neu gegründeten Künstlerkreis nicht nur Anregungen für die hier entstandene Kunstproduktion, sondern beschleunigten auch den Bekanntheitsgrad der Gruppe, die dadurch bald auch internationalen Zuspruch bekam.

Das Programm der Gruppe wurde im Gegensatz zu früheren programmatischen Künstlergruppen wie zum Beispiel Die Brücke oder Der Blaue Reiter nicht in einem offiziellen Manifest formuliert.307 Doch belegen einige Aussagen der Künstler, dass die Gruppe nicht nur die Durchsetzung der abstrakten Kunst erstrebte308, sondern auch eine „gesellschaftliche Akzeptanz“309, was damit der Gruppenbenennung sei hier auf einen Katalogbeitrag von Dirk Teubner verwiesen, der sich mit der Lehre des Zen-Buddhismus allgemein und dessen Rezeption innerhalb der Gruppe ZEN 49 befasst, Teubner, Dirk: „Zen 49, dieser Name paßt mir nicht“. Zum Selbstverständnis einer deutschen Künstlergruppe, in Ausstellungskatalog:, ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 25-54 sowie Teubner 1988, 187ff; Zu den Gästen und Mitgliedern vgl. Frosch 1992, 79-84 sowie Finckh 1986, 83; 304 Vgl. Punkt III.1.2; 305 Brief von Gerhard Fietz an Rolf Cavael vom 31.07.1949 Nachlass Rolf Cavael, zitiert nach: Finckh 1986, 78, Anm.15; 306 Vgl. diesbezüglich einige bei Finckh zitierte Äußerungen von Gerhard Fietz, Finckh 1986, 78/79; 307 Lediglich ein „Entwurf zu einem Manifest der Gruppe Zen 49“ von Rupprecht Geiger Rupprecht Geiger Archiv, München liegt heute vor, vgl. Ludwig 1997, 192, 193; Zudem gibt die von den 7 Gründungsmitglieder verfasste Katalogeinleitung zu ihrer ersten Ausstellung, Aufschluss über ihre Gruppenintentionen, vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950, 6; 308 Zitat: „Auf der Tradition des Blauen Reiters fußend, hätte diese Gruppe die Aufgabe, die abstrakte Kunst durch Bild und Wort zu verbreiten so daß sie die bestimmende Aussageform unserer Zeit wird“, Rupprecht Geiger: Vorschläge für eine Interessengemeinschaft, Fragment, nach 93

zusammenhing, dass die Abstraktion gegen Ende der 40er und noch zu Beginn der 50er Jahre dem breiten Publikum kaum zugänglich war. Im Textbeitrag des ersten Ausstellungskataloges 1950 ist zu lesen, dass die Gruppe keine „exklusive Gruppe“ sein sollte, sondern vielmehr einen Art „Aussaat von etwas Beachtlicherem“310, die man in der Abstraktion verwirklicht sah. Die Formulierungsweise entspricht der selbstbewußten Haltung der Gruppe, die von dem zukunftweisenden Charakter gegenstandsloser Kunst überzeugt war. Wie schon der Blaue Reiter, hatte ZEN49 das Ziel, den Interessenten- und Mitgliederkreis durch die Aufnahme qualitativ hochwertiger Arbeiten gleichgesinnter Avantgardisten aus aller Welt zu erweitern, so dass auch hier der in der fortschrittlichen Kunst des Westens nach 1945 angestrebte Internationalisierungsgedanke deutlich zum Ausdruck kam.311 Wie Beate Frosch feststellt, kam es bei den Künstlern der Gruppe ZEN 49 untereinander zwar zu keiner mit dem Blauen Reiter vergleichbaren inhaltlichen Auseinandersetzung mit der abstrakten Kunst.312 Jedoch leisteten einzelne Mitglieder wie zum Beispiel Willi Baumeister einen wesentlichen Beitrag, die abstrakte Malerei in der Theorie zu verankern: in seiner Schrift „Das Unbekannte in der Kunst“313 sowie durch zahlreichen Einzelschriften und öffentliche Vorträge innerhalb der Auseinandersetzung mit abstrakter Kunst. Die zudem nationale Zielsetzung der Gruppe, ähnliche Gruppengründungen in allen Zonen Deutschlands anzuregen „... aus deren Arbeit dann eine allgemeine deutsche gegenstandslose Ausstellung zusammengestellt werden kann ...“ wurde allerdings nicht erreicht.314 Jedoch kam es zur Zusammenarbeit mit nationalen Gästen und Mitgliederzuwächsen aus gleich gesinnten deutschen

19.Juli 1949, Rupprecht Geiger Archiv, München, zitiert in: Poetter 1986, 343; Neben dem Vorbild Blauer Reiter dienten die Künstler des Bauhauses als weiterer Orientierungspunkt, allen voran Kandinsky und Klee, die in beiden dieser älteren Gruppen vertreten waren; 309 Zitiert nach Frosch 1992, 51; Dazu ein Zitat von Gerhard Fietz: „Die augenblickliche Situation in der Öffentlichkeit und im Kunstleben drängt nach einem Zusammenschluss abstrakt arbeitender Künstler ...“, Brief an Theodor Werner vom 25.Juli 1949, Nachlass Theodor Werner, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, gedruckt bei Frosch 1992, 343; 310 Vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950, 6; 311 Dies geht aus dem Katalogbeitrag von Rupprecht Geiger zur ersten Ausstellung der Gruppe im Central Art Collecting Point hervor, vgl. Geiger, Rupprecht: ZEN 49, in: Ausstellungskatalog, ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950, 6; 312 Vgl. Frosch 1992, 52, Anm.132, 85ff, 91ff; 313 Vgl. Baumeister, Willi: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947; 314 Geiger, Rupprecht: ZEN 49, in: Ausstellungskatalog, ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950, 6; 94

Künstlergruppen315, die in Gemeinschaftsausstellungen mit ZEN 49 zu sehen waren.316

In Abkehr von der Natur und in Auseinandersetzung mit dem „Unbekannten in der Kunst“, aber auch aufbauend auf dem Schaffen der Vorläufer Kandinsky und Klee317, entstanden in der Gruppe sehr vielseitige Ausdrucksformen der abstrakten Kunst. Zudem kam es unter dem Einfluss der französischen „abstraction lyrique“ zu neuen Spielarten der Abstraktion, die in Form des „Informel“ die Kunst der 50er Jahre beherrschten. Jeder Künstler schuf individuell. Beispielsweise kreierten Fritz Winter zu jener Zeit lockere, meist durch schwarze Farbe verdichtete Kompositionen. Rolf Cavaels Arbeiten gestalteten sich dynamisch- spontan und zeigten durchsichtig- kristallene, beinahe amöbenhafte Kompositionen. Willy Hempel erinnerte in seinen Farb- und Formkompositionen an die adriatische Küste. Rupprecht Geiger war beeinflusst durch Kasimir Malewitsch und schuf geometrische, beinahe schwebenden Gebilde aus „Licht, Raum, Bewegung und Zeit“. Und Willi Baumeister entwickelte seine persönliche, eindrucksvolle Bildsprache fort. Seine Werkserien waren vielseitig und einzigartig in der deutschen Kunst der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sein gesamtes Werk ist durch zahlreiche Einzelpublikationen belegt.

Im Sinne des Progressivismus stach die Gruppe ZEN 49 durch die gemeinsame Gruppenintention, gegenstandslose Kunst, sowohl in Deutschland als auch in

315 Wichtige deutsche Künstlergruppen, die sich neben ZEN 49 der Abstraktion verpflichtet fühlten und ebenso am Siegeszug der abstrakten Malerei beteiligten waren, waren die Gruppe Junger Westen 1948 in Recklinghausen, allerdings war die Gruppe anfangs weniger absolut orientiert, die Neue Rheinische Sezession 1949 in Düsseldorf, die Gruppe Quadriga 1952 in Frankfurt und die Gruppe 53 1953 in Düsseldorf, vgl. hierzu Ullrich, Ferdinand Hrsg.: Kunst des Westens: deutsche Kunst 1945-1960, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996, 18 sowie Dienst, Rolf- Gunter: Gemeinsamkeit macht stark Künstlergruppen zwischen 1945-60, in Ausstellungskatalog: Kunst des Westens. Deutsche Kunst 1945-1960, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996,135-138; 316 Beispielsweise wurden 1951 in der ZEN- Ausstellung im Münchner Amerika- Haus Arbeiten von Hubert Berke, Joseph Fassbender, Theodor Werner, sowie von den in Paris lebenden Künstlern Hans Hartung und Pierre Soulages gezeigt, vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Galerie des Amerikahauses, München 1951; 1953 sah man in der Münchner Galerie „ophir. Galerie für junge Kunst“ einige Werke von Julius Bissier, Gérard Schneider, K.R.H. Sonderborg u.a., vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, ophir. Galerie für junge Kunst, München 1953; 317 Insbesondere hinsichtlich der „Bekenntnis zur absoluten Malerei“ und in der formalen Anwendung der Elemente Fläche, Farbe, Punkt und Linie aus den von Kandinsky und Klee geschaffenen Gestaltungslehren, vgl. Baumeister, Willi: Bekenntnis zur absoluten Malerei, in: Das moderne Deutschland, Stuttgart 1952, 54ff; 95

Europa zu produzieren, positionieren und etablieren, als die modernste Gruppe in München hervor. Im Gegensatz zu den anderen Künstlervereinigungen erhielt sie jedoch in den ersten Jahren nach Gruppengründung keine finanzielle oder organisatorische Unterstützung von der städtischen Kulturpolitik. Hilfe erhielt sie lediglich durch einflussreiche, Neuem gegenüber aufgeschlossenen Freunde und Kritiker wie Franz und Juliane Roh, Stefan Munsing, Ludwig Grote, Will Grohmann, Hilla von Rebay, Werner Haftmann oder John Anthony Thwaites. Ihre ersten Ausstellungen wurden deshalb vor allem durch Privatinitiativen oder innerhalb der amerikanischen Kunstpolitik protegiert318, währenddessen die Stadt ihr Interesse an der Gruppe erst 1955, mit einer Ausstellung im , zeigte.319 Die überlieferten Ausstellungskataloge belegen diese Behauptung. Der private Vermittler und Förderer gegenstandsloser Kunst, John Anthony Thwaites kritisierte in einem zeitgenössischen Schreiben an die Personalabteilung der Stadt deren öffentliche Ausstellungspolitik, welche seiner Meinung nach „keine neuen und wenige fortschrittliche Kunstexperten in Museen, Akademien oder Ministerien“ aufzuweisen hätte.320

Auch beim Großteil der Bevölkerung stießen die ersten ZEN 49- Ausstellungen nicht auf die gewünschte Resonanz.321 Das anfangs gesetzte Ziel, „... eine geistige Front zu bilden und der abstrakten Kunst durch gemeinsame Ausstellungen stärkeren Widerhall zu verschaffen ...“322 wurde dennoch erreicht. In den 50er Jahren kam es zu einer breiten Akzeptanz der Abstraktion. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Kritische Protagonisten und ein verändertes Weltbild auf der einen Seite, auf der anderen der zunehmende Ost-West-Konflikt und die damit einhergehende Polarisierung zwischen abstrakter und gegenständlicher Kunst, die Währungsreform und die daraus hervorgehende Wirtschaftswunderelite, die im Westen unter Adenauer angestrebte Westintegration, das Interesse des

318 Vgl. Ausstellungskataloge: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950; ZEN 49, Galerie des Amerikahauses, München 1951; ZEN 49, ophir. Galerie für junge Kunst, München 1953; Daneben präsentierten immer wieder die Galerien Günther Franke und Otto Stangl einige Künstler aus der Gruppe in Einzelausstellungen. Die Bedeutung der Militärregierung und deren Kunstpolitik wird gleich im Anschluss vertieft; 319 Vgl. Ausstellungskatalog, Aktiv Abstrakt, Neue Malerei in Deutschland, Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München 1955; 320 Schreiben J.A. Thwaites vom 28.08.1950, BHStA MK 51464; 321 Vgl. Finckh 1986, 81/82; 322 Gerhard Fietz in einem Brief an Theodor Werner vom 25.Juli 1949, Nachlass Theodor Werner, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, zitiert nach Frosch 1992, 343; zu den anfänglichen Misserfolgen der Gruppe siehe Finckh 1986, 82; 96

Auslandes323 und vor allem die offizielle Anerkennung abstrakter Kunst durch staatliche Subventionen des Bundesverbandes Deutscher Industrie waren förderlich für die abstrakte Kunst. Sie erlangte in den 50er den Durchbruch zur „herrschenden“ Stilrichtung im besonderen in ihrer Weiterentwicklung zur „informellen“ Kunst „Tachismus“.324

München wurde mit Hilfe der Gruppe ZEN 49 in den 50er Jahren wieder als „avantgardistische Kunststadt“ wahrgenommen und bildete zugleich ein wichtiges Forum für die Befürworter der Abstraktion. Dass ein derartiger Erfolg jedoch nicht ohne Förderer und Auftraggeber zu erzielen war, versteht sich beinahe von selbst. Welche öffentlichen und privaten Institutionen die Basis für diese Art moderner Kunst in München schufen, wird im Folgenden beleuchtet.

323 Bereits 1952 fand im Rahmen der anlässlich der Salzburger Festspiele organisierten Ausstellung „Internationale Graphik 1952“ eine Ausstellungsbeteiligung in der Galerie „Kunst der Gegenwart“ statt; die Ausstellung wurde anschließend in Wien präsentiert. Dem folgten zahlreiche Ausstellungen in Venedig Biennale 1952, 1954, 1956, in San Paolo Biennale 1951, 1953, in Luzern, Frankreich und , vgl. Frosch 1992, 123-127; Zu den zahlreichen Ausstellungen im Inland, ebd., 127-134; 324 Die Weiterentwicklung abstrakter Kunst zur Kunst des „ Informel“ erfolgte mit der Aufnahme deutsch-französischer Impulse der Emigranten Hans Hartung und Wols, aber auch der Franzosen Pierre Soulages und Jean Fautrier; die Vertreter des amerikanischen „abstrakten Expressionismus“ wie z.B. Pollock, Motherwell oder Rothko ausgestellt 1951 in München und Westberlin wurden in den 50er Jahren kaum rezipiert eine Beobachtung, die als Desiderat in der Forschung sich näher zu betrachten lohnen würde; 97

4.Öffentliche Kunstpräsentationen

4.1. Kunstpolitik der amerikanischen Alliierten

Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in Deutschland äußerten sich nicht nur materiell, auch moralisch war das Land zerbrochen und bedurfte Hilfe von außen, die von den Besatzungsmächten der Alliierten kam. Die kulturelle Unterstützung gestaltete sich dabei je nach Besatzung unterschiedlich intensiv, am zielstrebigsten fielen jedoch die Amerikaner auf.325 Bei einer Eröffnungsrede einer französischen Ausstellung im Haus der Kunst in München im Jahre 1947 verwies man darauf, „... daß es von jeher der Wunsch der amerikanischen Militärregierung war, dem deutschen Volk nicht nur materielle Hilfe, sondern ihm auch lange vorenthaltene Geistesgüter zurückzugeben ...“326 Da die Amerikaner in Bayern stationiert waren, nahmen sie nicht unwesentlich Einfluss auf den künstlerischen und kulturellen Wiederbeginn der Landeshauptstadt. Im Zusammenhang mit der amerikanischen Kulturpolitik wurden vor allem im Bereich der Literatur einige wissenschaftliche Dokumentationen erstellt.327 Was allerdings die wissenschaftliche Erarbeitung des Bereichs der bildenden Kunst anbetrifft, so ergeben sich nach wie vor Probleme, da das unstrukturierte Aktenmaterial des „Office of Military Government, United States“ OMGUS und das des „Office of Military Government for Bavaria“ OMGB zudem auch einige Informationslücken aufweist. Der Großteil der Ergebnisse zur amerikanischen Kunstpolitik Münchens, vor allem aber zu deren Ausstellungsprogramm, ergibt sich deshalb aus den Beobachtungen des zur Verfügung stehenden zeitgenössischen Quellenmaterials, den wenigen überlieferten Ausstellungskatalogen und der damaligen Medienkritik.

325 Zitat: „Die Amerikaner, von denen ja auch die Idee der ‚ re-education’ ausging, handelten zielstrebiger. Ihre ‚Amerika-Häuser’ erreichten durch ihr umfassendes und konkurrenzloses Angebot an Vorträgen, Musikdarbietungen, Ausstellungen und Bibliotheken ein breites Publikum ...“, Straka/Suermann 1983, 271; 326 vgl. Eröffnungsrede von Mr. Dayton anlässlich der Ausstellung „Moderne französische Malerei vom Impressionismus bis zur Gegenwart“ im Haus der Kunst, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1947, 2; 327 So v.a. bei Hein-Kremer, Maritta: Die Amerikanische Kulturoffensive 19451955, Köln/Weimar/ Wien 1996; 98

4.1.1.Kunstpolitische Gestaltung der amerikanischen Besatzungsbehörde

Die kunstpolitische Gestaltung der amerikanischen Besatzungsbehörde wurde nach 1945 durch die so genannte „Re-education“ geprägt. Dabei handelte es sich um einen aus dem sozialpsychologischen und psychiatrischen Bereich stammender Begriff, dessen zentraler Gedanke der „Umerziehung“ bzw. „Bildung“ eines ganzen Volkes galt und als Beitrag für die Ausschaltung nationalsozialistischen Denkens im Sinne des Weltfriedens dienen sollte. Der Begriff wurde gegen Ende der Besatzungszeit zunehmend durch die Formulierung Re-organisation ersetzt.328

Major Eugène Keller hatte die Leitung der amerikanischen Militärverwaltung in München. Zudem war er Ansprechpartner für jegliche kulturelle Unternehmungen, für Genehmigungen von Ausstellungen oder für Fragen des Personals.329 Denn wie alle Aktivitäten des Landes wurde anfangs auch die Kultur, durch Einzelpersonen wie Keller und durch übergeordnete Organisationen, kontrolliert. Sie wurde zum einen durch die so genannte „Information Control Division“ überwacht, welche für die Lizenzierung des Medien- und Kulturbereichs zuständig war. Zum anderen aber wurde die Kultur durch den CIA politisch überwacht, so dass sich keine neuen nationalsozialistischen Tendenzen mehr bilden und sich die angestrebte Demokratie entwickeln konnte. Folglich wurde die geistig-kulturelle Entwicklung Münchens zum größten Teil durch die Amerikaner und deren Vermittlung der amerikanischen Kultur geprägt und geformt. Traditionelle Beziehungen zum französischen Kunstleben wurden durch einheimische Behörden wie dem „Directeur des Beaux Arts“ und dem „Institut Français“, die zu Großbritannien durch die in München nach 1950 eröffnete Zweigstelle des „British Council“ geknüpft.330 Der Anfang der kulturellen Besatzungspolitik in München galt weniger der Ausarbeitung von Kulturprogrammen, sondern wie allerorts vorrangig der Entnazifizierung. Sie bildete einen Teil der genannten „Re-education“- Politik für die die Besatzungsdirektive JCS 1067 „Joint Chiefs of Staff“ zuständig war.331 Sie

328 Vgl. hierzu die unveröffentlichte Arbeit von Möller, Angelika: Die Gründung der Amerika- Häuser 1945-1949. Ein Beitrag zur Geschichte amerikanischer Kultur- und Informationspolitik in Deutschland, Magisterarbeit masch., München 1984, 20f.; 329 Dies und folgendes geht aus den Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Bayerischen Hauptstaatsarchiv hervor, BHStA MK; 330 Vgl. hierzu auch Wied zu, Karl-Viktor: Moderne Kunst in München in: Das Bayerland, Mai 1953, 176; 331 Die Direktive war keine endgültige. Sie galt zunächst als „... Richtlinien für die in der ersten Zeit nach der Niederlage gegenüber Deutschland einzuschlagenden Politik. ...“, vgl. Direktive der amerikanischen Staatschefs an den Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen in Deutschland 99

forderte die generelle „eliminiation of Nazism and militarism in all their form.“332 Der Bereich der bildenden Kunst war der Sektion „Monuments, Fine Arts and Archives“ unterstellt. Im Sinne der Entnazifizierung fungierte in München die Einrichtung des so genannten „Central Art Collecting Point CACP“ als Ort, indem die von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerke gesammelt, identifiziert und zurückgegeben wurden. Ferner wurden wie erwähnt das kulturelle Personal mit einem Fragebogen konfrontiert und kontrolliert333 und bedurfte jede Aktivität einer Lizenz, ehe sie öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten konnte.334 Dass das Anliegen der totalen Eliminierung des Nationalsozialismus dabei nicht konsequent gelang, wurde bereits an mehreren Stellen erwähnt. Das folgende Zitat des Zeitgenossen Ernst Wiechert bestätigt diese Beobachtung erneut, indem er öffentlich Kritik darüber äußerte, „... daß es nicht angeht, wenn die großen-künstlichen Künstler des Dritten Reiches wie Thorak und Bleeker, die das Ethos des Dritten Reiches in Marmor und Beton verewigten, nach ein paar Wochen Haft entlassen werden, um die Büsten amerikanischer Generale anzufertigen.“335 Die Kritik offenbart die offensichtliche Inkonsequenz seitens der Amerikaner, wenn es sich als vorteilhaft erwies.

Kunstpolitisch betrachtet bildeten diese oben genannten Maßnahmen jedoch eher eine Randerscheinung, da nämlich die Kulturpolitik in der genannten Direktive bis 1947 nicht verankert war.336 Eine Änderung dieser Situation erfolgte erst mit den zunehmenden Spannungen in Ost- und Westdeutschland und der gleichzeitigen Intensivierung des „Re-education“- Gedankens im deutschen Wiederaufbau. Eingeleitet durch das „Long Range Policy Statement for German Re-education“ SWNCC 269/5, Mitte 1946 und abgelöst durch eine verbesserte JCS- Direktive, der JCS 1779, wurde die gesamte „Re-education“ revidiert und der kulturelle Aufbau Deutschlands nun verstärkt zum Ausdruck gebracht.337 Sichtbar nach außen offenbarte sich diese Maßnahme durch erweiterte Kulturprogramme, die vor allem an öffentlichkeitswirksame Personenkreise gerichtet war. vom 26.04.1946 JCS 1067, in: Cornides, W./Volle, H.: Um den Frieden mit Deutschland, Oberursel 1948, zitiert in: Blanchebarbe 1986, 123; 332 Zitiert nach Krauss 1985, 152 und Anm. 81; 333 Wie die Fragebögen im Einzelnen bewertet wurden, kann in den Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus nachvollzogen werden, BHStA MK v.a. 51490, 514919; 334 Zur Lizenzierung im Bereich des Kunsthandels siehe später; 335 Wiechert, Ernst: Über Kunst und Künstler, in: Die Stunde Eins. Erzählungen, Reportagen, Essays aus der Nachkriegszeit, hrsg. von Ernst Schmidt und Hannes Schwenger, München 1982, 51; 336 Vgl. Frosch 1992, 28 sowie Möller 1984, 18; 337 Vgl. Frosch 1992, 29; 100

In diesem Sinne dienten die neu errichteten Kulturstätten der Militärbehörde der Vermittlung internationaler vor allem aber amerikanischer Kultur. Sie bildeten eine bereichernde Ergänzung des an späterer Stelle vorzustellenden Münchner Kulturangebots.

4.1.2. Kulturstätten der Militärbehörde: Amerikahaus und Central Art Collecting Point

Einer der wichtigsten Orte, an denen die amerikanische Kunst- und Kulturvermittlung zum Einsatz kam, waren die so genannten Amerika-Häuser der Zeit.338 Zu ihrer Anfangszeit waren sie ausschließlich durch die Einrichtung von Bibliotheken und deren so genannten „reading rooms“ bekannt. Sie waren Teil des Demokratisierungsprogramms der Alliierten. Den Mittelpunkt des Bibliothekinventars bildete Literatur zur amerikanischen Landeskunde und Kultur, welche anfangs einem beschränkt ausgewählten Personenkreis mit Einfluss auf die „Erziehung des deutschen Volkes“ zugänglich war.339 Die Zulassung für die gesamte Münchner Bevölkerung erfolgte am 3.Januar 1946 in der Medizinischen Lesehalle am Beethovenplatz, wo sich das Amerika-Haus ursprünglich befand, bevor es im Laufe seiner Vergrößerung bis zum heutigen Standort am Karolinenplatz umzog.340

Bedingt durch die genannte Problematik der Direktive JCS 1067 wirkten das Münchner Amerika-Haus, wie die Amerika-Häuser allgemein bis 1948 eher peripher. Zudem befand sich das Münchner Haus in einer sehr schlechten finanziellen Situation. Eine Verbesserung der Lage erfolgte ab 1948 mit der Verabschiedung des „Smith-Mundt-Gesetzes“, welches eine vertiefende „gegenseitige Verständigung zwischen dem amerikanischen Volke und den Völkern anderer Nationen“ vorsah.341 Daneben wirkten ab diesem Zeitpunkt die

338 Sie wurden durch die amerikanische Regierung und deren Steuerzahler finanziert, vgl. König, Robert Hrsg.: Amerika Haus 19451995, The first 50 Years, Bonn 1995, 3; 339 Dies waren zunächst Lehrer oder Journalisten, vgl. König 1995, 3; 340 Vgl. König 1995, 3 sowie Möller 1984, 8; 341 Vgl. König 1995, 3; Bereits 1947 kündigte eine Information von G.H. Garde im Auftrag des Militärgouvernement an die Militärdirektion der Länder des amerikanischen Besatzungsgebietes die Einrichtung eines „Pictural Exhibits Program“ an, mit dem Ziel „... to familiarize the German population with all phases of American life ....“, vgl. Hein-Kremer 1996, 272; 101

Erweiterungsprogramme der genannten Direktive JCS 1779 und wurden seitdem weltweit die „American Information Centers“ gegründet, welche eigentlich erst ab diesem Zeitpunkt „Amerika-Häuser“ genannt wurden.342 Sie dienten gewissermaßen als anti-kommunistisches Propagandamittel für die amerikanische Kultur, wenngleich der Begriff der Propaganda aufgrund der politischen Vergangenheit Deutschlands bewusst vermieden wurde.343 Zudem fungierten sie als Erziehungsmaßnahme für das deutsche Volk, das nach amerikanischem Vorbild geprägt werden sollte und auch wurde.344 Laut einem „ special report“ beinhaltete das nun vergrößerte Veranstaltungsangebot der amerikanischen „Information Centers“ in Bayern drei große Punkte. Erstens: Vorträge, Diskussionen, Gesprächskreise und Seminare, die die Grundlagen des Demokratieverständnisses deutlich machen sollten, zweitens: Vorträge und Diskussionsveranstaltungen, die das amerikanische Schulsystem betrafen, sowie Englischkurse „educational activities“ und drittens: Musik- Theater- und Kunstveranstaltungen „cultural field program“, deren letztere im folgenden eine Rolle spielen.345 Wie und mit welchem Schwerpunkt die Informationsprogramme in den jeweiligen Häusern gestaltet wurden, hing dabei von der Initiative der jeweiligen Direktoren ab.346 Für die speziell auf München bezogene Betrachtung der amerikanischen Besatzungspolitik erwiesen sich die Intentionen des Direktors Stefan Munsing als günstig für die moderne Kunst.

Die für die vorliegende Arbeit relevante Geschichte des Münchner Amerika- Hauses beginnt im Jahre 1948 mit seiner Eröffnung in der Arcisstrasse 10, in der auch der bereits erwähnte „Central Art Collecting Point“ untergebracht war. Die Leitung des Amerika-Hauses übernahm Officer Stefan P. Munsing, der auch Leiter der Sektion „Monuments and Fine Arts“, des Münchner CACP und des amerikanischen Kulturprogramms für Bayern war.347

342 Die genannten Erweiterungsprogramme dienten vor allem der Unterstützung der Bibliotheksarbeit. Zitat: „The basis of the organization and opration of the US Information Centers program is the American Library, modelled after the practices of the modern community library in the U.S., with discussion groups, lectures, films showings, exhibitions, and related activities.“, zitiert nach Möller 1984, 109; 343 Angelika Möller hatte die Funktionen des Amerika-Haus in der Nachkriegszeit mit den Begriffen „Propaganda - Kulturpolitik - Reeducation“ treffend ausgedrückt, vgl. Möller 1984, 13; 344 Zitat: „Die Amerikaner prägten das kulturelle Leben in Deutschland deutlich. Man ging zu den Vorträgen, man hatte die Bücher, die phantastischen Bibliotheken des Amerika-Hauses.“, Bernhard Schultze, in: Straka/Suerman 1983, 273; 345 Vgl. Hein-Kremer 1996, 278; 346 Vgl. hierzu Hein-Kremer 1996, 272; 347 Vgl. hierzu auch Frosch 1992, 31; 102

Laut der Eröffnungsrede im Amerikahaus, war es „.. das größte und bedeutendste seiner Art in der US-Zone ...“ und verzeichnete zudem die im Vergleich zu anderen Amerika-Häusern der Besatzungszonen höchste Besucherzahl.348

Die genannten allgemeinen Absichten und Funktionen dieser Einrichtung griffen in München von Anfang an: war das Amerika-Haus doch „... dazu ausersehen, eine Informationsbrücke zu den demokratischen Nationen zu schlagen: als Bibliothek, als Lesesaal, aber auch als Stätte für Film, musikalische Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge und round-table-Konferenzen, um die Geschichte des demokratischen Lebens in einem freien Lande zu veranschaulichen.“349 Den zeitgenössischen Künstlern diente das Amerika-Haus als Brücke für die schwer zugängliche Information hinsichtlich moderner Kunst. Durch zahlreiche Vorträge, die Auslage von internationalen Kunstzeitschriften und büchern, organisierte Ausstellungen und Diskussionen wurden künstlerisches Material und Informationen zur internationalen Moderne über die zum Teil noch geschlossenen Grenzen ins Bewusstsein geholt. Zitat: „Die Amerika-Häuser, ebenso die Häuser des British Council und die Maison de France waren uns nach den Jahren der totalen Abstinenz, dort, wo sie eingerichtet waren, durch die Auslage von aktuellen, internationalen Kunstjournalen, ihre Bibliotheken und Kunstvorträge, unschätzbare Quellen der Information über das, was in der Kunstszene der Avantgarde in den Metropolen der Welt passierte.“350 Beate Frosch weist darauf hin, dass nach Meinung der Amerikaner, die deutschen Künstler nach 1945 aus internationaler Sicht rückständig waren und einem dringenden Nachholbedarf unterlagen.351

Die Ausstellungen im Amerika-Haus ebenso wie des CACP, welches Munsing bei seinen Ausstellungen einbezog waren vielfältig. Sie lassen sich in erster Linie aus den Ankündigungen der zeitgenössischen Kunstjournale und den zum Teil

348 Dies bestätigten die durch die Süddeutsche Zeitung überlieferten Worte des Direktors der Militärregierung, Murphy D. van Wagoner, zur Eröffnung des Amerika-Hauses, siehe „Münchens neues Amerika-Haus, in: SZ, 13.07.1948, 5 sowie der Artikel von Schuller, Anneliese: Amerika-Haus Spiegel einer anderen Welt, SZ, 16.04.1949, 6; 349 „Münchens neues Amerika-Haus, in: SZ, 13.07.1948, 5; 350 Grochowiak 1991, 181; 351 Zitat: „Among younger artists there seems plenty of initiative. But growing up as they have under the Nazis and during the war, with the so called „Neue Sachlichkeit“ as a guiding star, they have lost their place in the main stream of the European tradition, have little knowledge of modern developments in the arts especially in the United States and are in many cases dissipating their energies in initative experiments.“, zitiert bei Frosch 1992, 33; 103

überlieferten Ausstellungskatalogen rekonstruieren.352 Demnach wurden im Amerika-Haus sowohl historische als auch zeitgenössische Kunstausstellungen organisiert.353 Zeitgenössische Ausstellungen dienten dem „ Sichkennenlernen über die Grenzen hinweg und auch der Förderung junger einheimischer Talente“354. Außerdem wurden die Räumlichkeiten für andere Veranstaltungen, unter anderem für Ausstellungen in Zusammenarbeit mit dem Museum für Völkerkunde oder der staatlichen Antikensammlung, genutzt. Neben den Ausstellungen fungierten im Sinne der genannten erweiterten Kulturprogramme auch zahlreiche kritische Vorträge, deren zum Teil historisch fundierter Inhalt dem zeitgenössischem Kunstschaffen gewidmet war.355 Die erste Ausstellung zeitgenössischer Kunst wurde 1947 im CACP unter dem Titel „Displaced Persons“ realisiert. Sie umfasste 336 Werke von 71 Künstler der amerikanischen Zone von inzwischen staatenlosen Künstlern, die ursprünglich aus Polen, Litauen, Estland, Russland, Jugoslawien oder aus der Ukraine kamen und während des Krieges verschleppt, gefangen oder verhaftet wurden. Die Ausstellung diente dem Zweck, „... ein besseres Verständnis für die kulturellen Leistungen der verschiedenen nationalen Gruppen im Volke der „Displaced Persons“ in Deutschland zu schaffen“356, in diesem Fall vor allem im künstlerischen Bereich. Auffallende Ähnlichkeiten zur westdeutschen Nachkriegskunst ergaben sich aus der Verdrängung des Erlebten und der Zuwendung zu harmlosen Themen wie Stillleben, Landschaft, Stadtansichten oder Porträt. Gemeinsame stilistische Merkmale waren die Orientierung an der europäischen Moderne an Goya, Monet, Cézanne, Gaugin, Kokoschka oder Munch. Die deutschen Expressionisten oder Bauhaus-Künstlern wurden dagegen nicht rezipiert. Das Gesamtbild der Ausstellung umfasste gegenständliche Bilder, die auf die Tradition der französischen Moderne aufbauten.357

352 Wie die Nachforschung im Amerika-Haus München ergab, liegen dem Haus diesbezüglich keinerlei Quellen mehr vor; 353 Vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 354 Wied zu, Karl-Viktor: Moderne Kunst in München in: Das Bayerland, Mai 1953, 176; 355 Beispielsweise gab es im Zusammenhang mit der Ausstellungen ZEN 49 1951 die Vorträge „Warum ist Paul Klee der bedeutendste Einfluß in der heutige Malerei?“ von J.A. Thwaites, „Wo bleibt der Mensch in der modernen Malerei?“ von Kurt Leonhard, “Abstrakte Malerei und das Unbekannte“ von Willi Baumeister und „Abstraktion in der Plastik“ von Juliane Roh; 356 Vgl. Ausstellungskatalog: Displaced Persons Art Exhibition, Central Art Collecting Point, München 1947 sowie Feuerring, Maximilian: Kunstausstellung der Displaced Persons, in: Prisma, H.6, 1947, 33; 357 Da der Katalog zu dieser Ausstellung keine Abbildungen enthält, basieren diese Beobachtungen auf den Bildbeschreibungen des überlieferten Quellenmaterials, vgl. Feuerring, Maximilian: Kunstausstellung der Displaced Persons, in: Prisma, H.6, 1947, 33; 104

Der Beginn von Ausstellungen zur zeitgenössischen, modernen deutschen Kunst lässt sich ab 1949 nachweisen. Von großer Relevanz erwies sich dabei die durch das Amerikahaus in den Räumlichkeiten des CACP gezeigte Ausstellung „Kunstschaffen in Deutschland“, einer von der „Cultural Affairs Branch, OMGB“ veranstalteten Ausstellung, deren Werkauswahl aus der Zeit von 1939 bis 1949 die damals gegenwärtige geistige Situation Deutschland widerzuspiegeln gedachte.358 Sie folgte einer zuvor im Züricher Kunsthaus zusammengestellten Schau, welche laut Zeitungsberichten einer der „ersten repräsentativen Ausstellungen im Ausland“ zum damals gesamtdeutschen, modernen Kunstschaffen war.359 Wurden in Zürich ca. 200 Werke deutscher Künstler gezeigt, so lieferte die Münchner Ausstellung einen erweiterten Einblick in ca. 600 Werke moderner deutscher Kunst. Mit dem Ziel, einen „Anreiz für künftiges Interesse“ zu geben, wurden hier moderne Vorkriegskünstler wie Barlach, Beckmann, Dix, Hofer, Nolde, Pechstein oder Schlemmer sowie auffallend viele abstrahierende und gegenstandslose Arbeiten zeitgenössischer deutscher Künstler gezeigt.360 Dies waren Künstler, welche die öffentliche „moderne“ Kunstszene im damaligen München bestimmten, genannt seien Karl Caspar, Maria Caspar-Filser, Oskar Coester, Xaver Fuhr, Otto Geigenberger, Werner Gilles, Erich Glette oder Richard Ott, sowie Mitglieder und Gäste der kurz darauf formierten Künstlergruppe ZEN 49. Zu letzteren zählten Willi Baumeister, Rolf Cavael, Gerhard Fietz, Rupprecht Geiger, Fritz Winter, Max Ackermann, Hubert Berke, Karl Hartung, E.W. Nay, Hann Trier oder Conrad Westphal. Auch surreale Bilder, beispielsweise von Hans Thiemann, Heinz Trökes oder Mac Zimmermann wurden auf dieser Schau gezeigt. Bezeichnend für diese Ausstellung war die Aufgeschlossenheit des amerikanischen Organisators Stefan Munsing gegenüber den neuesten Tendenzen der Zeit. Munsing bewies hierbei seinen Blick für zukünftige, künstlerische Entwicklungen, welche erst Jahre später den Weg in die Museen fanden. Bestätigt wird diese Feststellung in der zeitgenössischen Kritik, die der öffentlichen Kunstpolitik Münchens die augenscheinliche Zurückhaltung gegenüber neuen Tendenzen

358 Vgl. Ausstellungskatalog: Kunstschaffen in Deutschland, Central Art Collecting Point, München 1949 sowie Eckstein, Hans: Deutsche Kunst der Gegenwart. Eine bedeutsame Ausstellung am Königsplatz, in: SZ, 21.06.1949, 4 und Nemitz, Fritz: Kunstschaffen in Deutschland. Malerei, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.4, 1949, 124-129; 359 Zur Züricher Ausstellung, vgl. Eckstein, Hans: Zürich zeigt deutsche Kunst. Die erste repräsentative Ausstellung im Ausland, in: SZ, 14.04.1949, 7; 360 Vgl. Ausstellungskatalog: Kunstschaffen in Deutschland, Central Art Collecting Point, München 1949; 105

vorwarf.361 Die von Munsing organisierten Ausstelllungen dagegen boten sowohl der Münchner Kunstszene als auch dem konservativen Publikum Gelegenheit, zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der im Ausland wohl akzeptierten abstrakten Kunst.362

Neben der genannten Ausstellung wurde 1949 eine weitere mit gegenstandslosen und abstrahierenden Werken aus ganz Deutschland organisiert. Sie stand im Zusammenhang mit einem durch den Amerikaner Blevin Davis veranstaltetem Kunstwettbewerb und wird aus diesem Grund innerhalb der Betrachtung öffentlicher Kunstpreisverleihungen vorgestellt.363

Ab 1950 folgten den genannten Ausstellungen immer häufiger Präsentationen zur zeitgenössischen gegenstandslosen Kunst, in denen im besonderen die Mitglieder der Gruppe ZEN 49 gefördert wurden.364 Beispielsweise organisierte Stefan Munsing auf Vorschlag J.A. Thwaites 1950 die erste öffentliche Ausstellung der Gruppe ZEN 49 im CACP. Sie wurde durch einen Katalog begleitet, dessen Textbeitrag deutlich Stellung für die gegenstandslose Kunst einnahm und zudem viele der ausgestellten Werke in einem kurzen Text beschrieb.365 Er enthielt einen der Gegenstandslosigkeit gewidmeten Aufsatz von Franz Roh, dem er eine Aufstellung von Thesen und Gegenthese zur abstrakten Kunst hinzufügte. 1951 folgte eine zweite Ausstellung mit der Gruppe ZEN 49 im Amerika- Haus. Neben zahlreichen deutschen Neuzugängen wurden hier erstmals auch zwei ausländische Mitglieder, Hans Hartung und Pierre Soulages, präsentiert.366 Sie wurde zudem durch einen Vortragszyklus begleitet, der sich um die Vermittlung gegenstandsloser Kunst in Deutschland bemühte.367

361 Zitat „Es bleibt zu hoffen, daß die öffentlichen Stellen in München, durch diese Schau ermuntert, die Arbeit der lebenden deutschen Künstler in ihrem Ausstellungsprogramm künftig stärker als bisher berücksichtigen werden.“, Gerold, Karl-Gustav: Zeitgenössische deutsche Kunst in München, in: Das Kunstblatt, H.2, 1949, 4-5; 362 Hans Eckstein vermerkte hinsichtlich der zuvor in Zürich veranstalteten Ausstellung einen regen Zuspruch sowie eine freundliche Annahme seitens der ausländischen Presse gegenüber der „extremen“ deutschen Kunst, vgl. Eckstein, Hans: Moderne deutsche Kunst in Zürich, in: SZ, 26.05.1949, 2; 363 Siehe Punkt III.4.3.; 364 Und dies obwohl die Situation der Amerika-Häuser nach 1950, aufgrund der durch die in Deutschland selbst errichteten deutschen Kulturinstitute und Bibliotheken deklinierte, vgl. König 1995, 3; 365 Vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950; 366 Vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, Galerie des Amerika Hauses, München 1951; 367 Vgl. Anm.355; 106

Progressiv und innovativ fiel das Amerika-Haus der ersten Nachkriegszeit auf und wurde diesbezüglich immer wieder von der Presse honoriert. Beispielsweise wurde Anfang 1951 die Ausstellung „Berliner Kunst von Heute“ mit abstrakten Werken von Künstlern aus der Berliner Akademie, so Theodor Werner, Philipp, Frankenstein, Kuhn, Werner Heldt, Wolf Hoffmann u.a., als „betont fortschrittlich“ aufgefasst368 und gab die Ausstellung „Farbige Graphik“ 1951 nach Meinung der damaligen Presse „ein klärendes Bild von heute“ wieder.369 Ähnlich wie die erwähnte Ausstellung zum „Blevin-Davis-Preis“ ging auch diese aus einem gesamtdeutschen Wettbewerb hervor, in dessen Jury namhafte Anhänger moderner Kunst, wie Ludwig Grote und Werner Haftmann, aus 1500 eingegangenen Drucken von 225 Malern, 125 Blätter von 54 Künstlern auswählten.370 Unter dem Motto „stilbildende Werke der Zeit“ wurden auch hier überwiegend abstrahierende und abstrakte Werke, u.a. von Rupprecht Geiger, H.A.P. Grieshaber, Georg Meistermann, E.W. Nay, Hann Trier und Conrad Westphal, ausgestellt und zu Preisen zwischen 15 und 50 DM zum Verkauf angeboten.371 Der innovative Charakter der Ausstellung wurde dabei kräftig von der Presse unterstützt. Zum Beispiel in einer Art Werbekampagne des Kritikers Fritz Nemitz in der Süddeutschen Zeitung, mit der er vor allem Privatsammler ansprach und diese an ihre Funktion als „Schrittmacher der öffentlichen Wertmeinung“ erinnerte.372 Nemitz erkannte die zukunftsweisenden Eigenschaften der ausgestellten Arbeiten und deren internationale Aktualität und zog mit seiner anspornenden Argumentation neue bzw. alte Mäzene an.

Hilfestellungen zur öffentlichen Meinungsbildung gegenüber moderner Kunst bot auch die 1952 gegründete Gesellschaft der Freunde junger Kunst e.V..373 Unterstützt durch das Amerika-Haus und mit Franz Roh als Präsident verfolgte sie erstens das Ziel, Publikum und Kunst durch gemeinsame Atelierbesuche, Studienreisen,

368 Vgl. Ecksein, Hans: Berliner Kunst von Heute, in: SZ, 29.01.1951, 3; 369 Vgl. Nemitz, Fritz: Ermunterung zum Kaufen/ Farbige Graphik im Amerikahaus, in: SZ, 13.09.1951, 6; 370 Vgl. Nemitz, in: SZ, 13.09.1951, 6; 371 Ausstellungskatalog: Farbige Graphik, Amerika-Haus, München 1951, Beispielsweise kostete eine kleine Farblithographie von Rupprecht Geiger zur damaligen Zeit 15 DM, ein Farbholzschnitt von H.A.P. Grieshaber mittleren Formats 50 DM, eine Farblithographie von Meistermann 30 DM und eine Farblithographie von E.W. Nay. Demgegenüber bewegt sich die Preisspanne für ähnliche Werke der genannten Künstler heute etwa zwischen 50 und 17 000 USD, vgl. hierzu die Ergebnisse bei www.artprice.com; 372 Vgl. Nemitz, in: SZ, 13.09.1951, 6; 373 Eine Notiz zur Gründung der Gesellschaft findet sich in: Das Kunstwerk, H.3. 1952, 61; 107

Diskussionen und Vorträgen einander näher zu bringen, zweitens Künstler durch Ankäufe, die Vermittlung von Aufträgen und Leihgaben von Kunstwerken an Privatpersonen, Betriebe oder Schulen zu unterstützen.374 Für die Umsetzung dieser Ziele standen der Gesellschaft die Ausstellungsräume des CACP zur Verfügung, in denen 1952 eine Verkaufsausstellung mit Werken von Willi Baumeister, Rolf Cavael, Chr. Drexel, Ernst Geitlinger, K.R. Hofmann- Sonderborg, Mac Zimmermann u.a. stattfand. Sie wurde mit einem Vortrag von Conrad Westphal „Der Einbruch der Zeitdimension in die Bildgestaltung“ eröffnet und galt als „erste Manifestation im Zeichen des Brückenbauens von Künstler zu Publikum.“375 Insgesamt betrachtet agierte diese Gesellschaft ähnlich wie eine Galerie, deren Aufgabenfeld unter anderem auch der Vermittlung junger Kunst dient. Das Angebot der Leihgabe von Kunstwerken gegen eine entsprechende Monatsgebühr eine damals aus Amerika übernommenen Serviceleistung kann dagegen mit den heutigen Artotheken verglichen werden. Alles in allem bildeten die Freunde junger Kunst ein florierendes Forum für Gegenwartsfragen, das die Mitgliederzahl laut der angegebenen Quellen stetig wachsen ließ.

Neben den bisher betrachteten Aktivitäten des Amerika-Hauses in Sachen deutscher Kunst wurden natürlich auch internationale, vor allem amerikanische Kunstausstellungen gezeigt.376 Doch entsprach es nicht den Intentionen des Leiters ausschließlich die „Präsentation amerikanischer Kunst und Kultur im Vordergrund“ zu stellen, wie in der Dissertation von Beate Frosch behauptet wird.377 Frosch verweist im Zusammenhang mit dem Münchner Amerika-Haus vor allem auf historische Beiträge zur amerikanischen Kunst. Hinzugefügt seien an dieser Stelle aber auch die Beiträge zur zeitgenössischen amerikanischen Kunst, welche ebenso vornehmlich abstrakter Kunst gewidmet waren und dem interkulturellen Austausch zwischen Amerika und Deutschland dienten. Näher betrachtet seien im Folgenden die Ausstellungen „Non Objective Art Künstler aus den Vereinigten Staaten“ und sowie die Ausstellung „Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart“ 1951.378

374 Vgl. Der Kunsthandel, Nr.8, 1952, 15-16 sowie Das Kunstwerk, H.3. 1952, 61 375 zitiert nach einem Artikel, in: Der Kunsthandel, Nr.8, 1952, 16; 376 Siehe Ausstellungsliste im Anhang; 377 Vgl. Frosch 1992, 32; 378 Vgl. Ausstellungskatalog: Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart, Galerie des Amerika Hauses, München 1951; 108

An der Ausstellung „Non Objective Art“ war die deutsch- Amerikanerin Hilla von Rebay beteiligt.379 Sie übte damals einen großen Einfluss auf die Entwicklung der abstrakten Kunst in München aus, wofür sie auch die Ehrenmitgliedschaft der Gruppe ZEN 49 erhielt. In Straßburg, als Tochter eines deutschen Generals geboren, emigrierte Hilla von Rebay 1927 nach ihrem Studium in Düsseldorf, München, Paris und der Bekanntschaft mit Rudolf Bauer, Kandinsky, Chagall, Léger und Delaunay in die USA, wo sie sich leidenschaftlich der gegenstandslose Kunst verschrieb. Als sie nach 1945 nach München kam, versorgte sie die Münchner Kunstszene nicht nur materiell mit amerikanischen Delikatessen, die ihre Care-Pakete füllten. Auch geistig wurden die Anhänger abstrakter Kunst mit Care-Paketen unterstützt: durch beigelegte „Rundbriefe“ über abstrakte Kunst, durch finanzielle Unterstützung, durch internationale Kunstjournale, Bücher, Fotos oder Diapositive und mehr. Bereits 1948 organisierte Hilla von Rebay eine Ausstellung mit dem Titel „Amerikanische abstrakte Malerei“ von Rudolf Bauer, Lazlo Moholy-Nagy, Ilja Bolotowski, Hilla von Rebay, Reichmann Lewis, Lloyd Ney, Robert Jay Wolf, Perl Fine, u.a. aus den Beständen des New Yorker „Museum of Non-objective Painting“, dem Vorläufer des heutigen „Solomon Guggenheim Museum“, dessen Leitung und Direktion Hilla von Rebay bis 1952 übernahm. Es handelte sich hierbei um eine Wanderausstellung, die auch in Paris, Zürich, Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf, Braunschweig, Amsterdam und London zu sehen war. In München wurde sie im Rahmen der so genannten „Kunstrunde“ im Hertie Kaufhaus gezeigt.380 In der 1950 organisierten Ausstellung von Hilla von Rebay im Amerika-Haus bekam man ebenso eine Auswahl aus den Beständen des „Museum of Non- objective Painting“ zu sehen. Ähnlich wie bei der Ausstellung von 1948 wurden hier jedoch ausschließlich Werke in Anlehnung an Kandinsky, Marc und die Konstruktivisten gezeigt. Aktuelle Tendenzen der New York School fanden in diesem Zusammenhang keinen Platz. Kandinsky und die Konstruktivisten dienten nach 1945 als Einführung in die Thematik der abstrakten Kunst, die die deutsche Kunstdiskussion entfachte. Offensichtlich waren die Amerikaner mehr an den Ursprüngen der abstrakten Kunst in Deutschland interessiert als an den expressiven Entwicklungen im eigenen Land. Das größere Interesse an dem Schaffen deutscher Künstler spiegelte auch die zahlreichen Wanderausstellungen zu den „Pre-Hitler German Artists“ wider, deren moderne Äußerungen vor dem

379 Vgl. hierzu v.a. Frosch 1992, 25/26, aber auch Schulz-Hoffmann, Carla: Symbiotische Verflechtungen eine Galerie in ihrer Zeit, in: Etta und Otto Stangl: Galeristen, Sammler und Museumsgründer, hrsg. von Clelia Segieth, Köln 2000, 10ff sowie Finckh 1986, 80/81; 380 Zur Ankündigung der Ausstellung, vgl. Nachrichten für den Kunsthandel, Nr.14, 1948, 14 sowie Henze, Anton: Absolute Malerei in Amerika, in: Das Kunstwerk, H.5-6, 1948, 66-68; 109

Krieg die Amerikaner als beinahe gleichwertig mit den französischen Entwicklungen der Moderne ansahen.381 Die Entstehung deutscher Kunst nach dem Krieg wurde dabei auch von Amerika aus mit Interesse verfolgt. Zumindest belegt dies der Artikel „What German Art Survives?“ in der amerikanischen Kunstzeitschrift „Art News“ vom Oktober 1948, in dem über den Stilpluralismus der deutschen Kunst nach dem Krieg berichtet wird. Die neuesten Entwicklungen der jüngeren Künstler und deren Neigung zu abstrakten Formen sah der Autor durch den Einfluss Kandinskys, Chagalls und Feiningers bestätigt, durch Künstler, die nach Amerika emigrierten und den Amerikanern das Bild der Abstraktion vermittelten.

Die allmähliche Öffnung gegenüber den neuesten Tendenzen aus Amerika erfolgte im Münchner Amerika-Haus nur peripher und stets im Kontext mit der an der deutschen Vorkriegsmoderne orientierten amerikanischen Malerei der Zeit. Der entsprechende Ausstellungstitel lautete „Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart“ 1951.382 Das vorrangige Ziel der Ausstellung galt den historischen Entwicklungen amerikanischer Malerei, die ab dem 20.Jahrhundert vor allem durch den Einfluss der importierten Werke aus Europa zum Ausdruck kam. Neben historischen Werken amerikanischer Künstler des 18. und 19.Jahrhunderts wurden insgesamt 25 Werke zeitgenössischer, amerikanischer Maler gezeigt, unter anderem stark abstrahierende und abstrakte Arbeiten von Wiliam A. Baziotes, Lee Gatch, John Martin, Robert Motherwell, Georgia O’Keeffe, Rice Pereia Jackson Pollock sowie Mark Rothko.383 Das Konzept der Ausstellung diente in erster Linie der Verknüpfung Europas mit Amerika. Der Einblick in die Kunst des „Abstrakten Expressionismus“ mit Jackson Pollock und Robert Motherwell wurde dabei nicht ausreichend gewürdigt. Der zukunftweisende Charakter dieser Werke für die amerikanische Kunstgeschichte und die europäische Kunst der 50er Jahre wurde offensichtlich verkannt und auch nicht von den deutschen Künstlern rezipiert.

381 Vgl. den Bericht „USA und deutsche Kunst“, in: Nachrichten für den Kunsthandel, Nr.30 A, 1948, 8-9: 382 Frosch führt diese Ausstellung lediglich mit dem Verweis auf die „Berliner Festwochen“ an, auf denen sie zum ersten Mal zu sehen gewesen war, vgl. Frosch 1992, 24 und Anm.51; Dem sei hinzugefügt, dass diese Ausstellung zudem noch in Wien und eben auch in München gezeigt worden war, vgl. Ausstellungskatalog: Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart, Galerie des Amerika Hauses, München 1951; 383 Vgl. Ausstellungskatalog: Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart, Galerie des Amerika Hauses, München 1951; 110

4.2. Staatliche und städtische Kunstpolitik

Die west-deutsche Kulturpolitik zeigte sich nach 1945 sehr liberal, was nicht zuletzt als Gegenreaktion auf die stark manipulativen Eingriffe während des „Dritten Reichs“ verstanden werden muss.384 Als Zeichen der Ablehnung eines zentral gelenkten Kulturmonopols, wurden die kulturellen Verantwortlichkeiten auf die Länder übertragen, die somit für die städtische Kulturinstitutionen Entscheidungsbefugnis hatten. Ab 1949 folgte der Bund der von Konrad Adenauer betriebenen Westintegration. In diesem Sinne wurden die kulturellen Beziehungen zum westlichen Ausland gepflegt und die kulturelle Freiheit im Grundgesetz der neu gegründeten BRD garantierte.385 Zudem vergab der Staat Gelder, die für öffentliche Institutionen, Ausstellungen, kulturelle Ausbildungsplätze, Stipendien und auch Kunstpreise sowie Ankäufe vergeben wurden.

Die städtische Kunstpolitik in München wurde tiefer gehend in der die gesamte Münchner Nachkriegskultur betreffenden Publikation von Marita Krauss dargestellt.386 Entsprechend den Ergebnissen von Krauss wurde die Kulturpolitik der Stadt von vorwiegend drei Personen bestimmt: dem Kulturbeauftragten Hans Ludwig Held, dem Oberbürgermeister Karl Scharnagl und ab 1949 von Oberbürgermeister Dr. Walther von Miller.387 Dies waren in München bekannte Persönlichkeiten, die bereits vor dem Krieg tätig waren. Die von ihnen ausgeführte Kulturpolitik orientierte sich an der Münchner Tradition.388 Das oberste Ziel galt nach Aussagen Scharnagels der Rückeroberung des Ansehens, das München Ende des 19.Jahrhunderts erlangte und der Stadt den Ruf einer international angesehenen „Kunststadt“ verlieh.389 Im Vordergrund der Kulturpolitik stand somit die

384 „Politik durch Kultur“, so der Leitsatz des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, vgl. Glaser, Hermann: Inventur und Innovation. Kunstpolitik nach 1945, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai und Stephan Waetzold, Köln/ Weimar/Wien 1991, 42; 385 Vgl. Glaser 1991, 41ff; 386 Vgl. Krauss 1985; 387 Daneben wirkten die Bürgermeister Franz Stadelmayer, Thomas Wimmer und Carljörg Lacherbauer auf Münchens Kultur weit weniger wirkungsvoll, vgl. Krauss 1985, 41; 388 Zur traditionellen Auffassung der Münchner Kulturpolitik, vgl. Krauss 1985, 13-28, 33, 51; 389 Zitat Scharnagels zum kulturellen Wiederaufbau Münchens: „Das Kulturleben Münchens stand bereits vor der Jahrhundertwende in einer Blüte, die das Ansehen unserer Stadt in der ganzen Welt begründet hat. Diese Geltung muß nicht nur erhalten, sie muß ausgebaut werden. München, Bayern und was als Deutsches Reich wieder erstehen wird, wird und muß das Hauptgewicht seiner Bedeutung durch die kulturelle Leistung erhalten. Hier wiederum München den ersten Platz zu 111

Rückbesinnung auf die Zeit König Ludwig I. von Bayern 1825-1848, der dem Zeitgeist des Klassizismus verpflichtet war. Die zahlreichen historischen Ausstellungen belegen die rückwärtsgewandte Kulturgesinnung nach 1945, die in erster Linie der Förderung des „Wahren, Guten und Schönen“ diente.390 Neben den drei genannten Kulturbeauftragten beeinflussten die Leiter der städtischen Kulturinstitutionen, Kunstbeiräte391, Beamte der Kulturverwaltung und anderer Ämter, vor allem aber die Militärregierung, die Künstler, das Publikum sowie die Kritiker die Kultur der Stadt, so dass sich für die öffentliche Kulturpolitik Münchens ein komplexes Netz aus unterschiedlichen Einflussbereichen und Interessen ergab. Es entsprach dem angestrebten „pluralistischen Spektrum demokratischer Politik“392.

Doch zurück zur Analyse der Kulturpolitik des Staates, durch dessen Ausstellungsforen die zeitgenössische Kunst in München zeitlich früher zum Ausdruck kam als durch die Städtischen Einrichtungen.

4.2.1. Ausstellungsforen des Staates: Neue Sammlung und Haus der Kunst

Die Inventur der ersten öffentlichen Ausstellungen in München zeigt eine zunächst hohe Inanspruchnahme staatlicher Ausstellungsforen, während etwa die Städtische Galerie erst 1947 durch Ausstellungsaktivitäten in Erscheinung trat. Dies hing zunächst damit zusammen, dass die staatlichen Räume in der Prinzregentenstrasse weit weniger von den Kriegszerstörungen betroffenen waren als die der Städtischen Galerie. Es zeigte aber auch die Verantwortlichkeit des Staates gegenüber der Bevölkerung, lang entbehrte Kulturgüter erneut zu präsentieren und wieder einen normalen Alltag herzustellen.

Die Ausstellungen des Staates widmeten sich in dieser Zeit vor allem historischen Kunst- und Kulturepochen oft waren es Ausstellungen zur bayerischen Kultur.393

sichern, ist die allererste Aufgabe, die gestellt ist.“, Anhang eines Schreibens von Dr. Scharnagls an Dr. Franz Fendt vom 28.10.1945, BHStA MK 50824/I; 390 Vgl. Krauss 1985, 33; vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 391 Zwar befanden sich unter den Kunstbeiräten auch Anhänger der Modernen, wie zum Beispiel Franz Roh, der Großteil jedoch fühlte sich der Münchner Tradition des 19.Jahrhunderts verpflichtet und übte somit den größten Einfluss aus, vgl. Krauss 1985, 54, 244; 392 Ausführlicher steht die Situation der Kunstpolitik bei Krauss beschrieben, vgl. Krauss 1985, 39-51; 393 Vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 112

Der Beginn von öffentlichen Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst erfolgte ab Ende 1946 mit Werken von Künstlern aus München, die nicht nur die späte Zurschaustellung ihrer künstlerischer Produktionen kritisierten, sondern auch geltungssüchtig waren, die Künstler von einst zu vertreten.394 Der Grund für die verspätetet Darstellung Münchner Kunst andere Städte waren diesbezüglich schon 1945 aktiv lag dabei nicht nur an dem Mangel an Räumlichkeiten. Wie in einem Zitat des Ministerialrats Dr. Jacob über die „geringe Berechtigung des lärmenden Rufes nach größeren Ausstellungsräumen“ bestätigt wird, schien auch das Vertrauen in die in München tätigen Künstler zunächst gering: „Für die paar hundert wirkliche Künstler, welche allein den Ruf der Kunststadt München begründen, würden die z.Zt. und die spaetestens Frühjahr verfügbaren Räume in der Neuen Sammlung und im Museum für Völkerkunde genügen ...“.395 Als „wirkliche Künstler“ waren die Mitglieder der drei großen Künstlerorganisation Münchner Künstlergenossenschaft, Sezession und Neue Gruppe gemeint.396

Die erste Ausstellung zeitgenössischer deutscher Kunst wurde Ende 1946 in der Neuen Sammlung mit Werken aus der Münchner Sezession organisiert. Die Neue Sammlung blieb nahezu unbeschadet im Krieg und hatte kurz nach 1945 dem vorläufigen Zweck „der Münchner Künstlerschaft und ihren Gästen für wechselnde Ausstellungen ein Heim zu bieten, bis größerer Räumlichkeiten für diesen Zweck zur Verfügung stehen.“.397

Ein Jahr später folgte die durch den Staat und mit Unterstützung der Militärbehörde veranstaltete Ausstellung „Bayerische Kunst der Gegenwart“. Gezeigt wurden nicht unbedingt in Bayern gebürtige, jedoch tätige Künstler, deren

394 Hierzu ein Zitat der Münchner Künstlern in Vertretung des Berufsverbandes Bildender Künstler BBK: „Es ist unbestritten, dass die Welt, wenn sie von deutscher Kunst spricht, zuerst an München denkt. Es ist unbestritten, dass es zu den hohen Verpflichtungen des bildenden Künstlers gehört, mit Unterstützung des Staates und der Stadt diesen Ruf zu bewahren ..., dass die Kräfte und Talente da sind, diesen Geltungsanspruch zu vertreten. Trotzdem, obwohl die Frage der Ausstellungen lebenswichtige Bedeutung für die bildende Kunst hat, wartet die Münchner Künstlerschaft seit bald zwei Jahren vergeblich darauf, in einer der Kunststadt würdigen Form an die Oeffentlichkeit treten zu können.“, Schreiben des Berufsverbandes Bildender Künstler an den „Herrn Staatsminister“ vom 24.10.1946, BHStA MK 51597; 395 Antwortschreiben von Dr. Jacob an den BBK vom 06.04.1946; BHStA MK 51597; Außer diesen beiden von Dr. Jacob genannten Räumlichkeiten für Ausstellungen zu Werken zeitgenössischer Kunst, wurde 1946 noch das Kultusministerium für die von Dr. Jacobs als dilettantisch bezeichnete Ausstellung „A-Z“ des BBK zur Verfügung gestellt, siehe Ausstellungsliste und katalog: A bis Z, Berufsverband Bildender Künstler, Kultusministerium, München 1946; 396 Vgl. ebd.; 397 Vgl. Ausstellungskatalog: Bayerische Kunst der Gegenwart, Neue Sammlung, München 1947 113

Arbeiten während des „Dritten Reichs“ vom offiziellen Kunstleben ausgeschlossen waren. Sie wurden durch einen unparteiischen Sachverständigen der „Centrale Sanitaire Suisse“ für eine Ausstellung in der Kunsthalle Basel zusammengestellt. Beweggründe der Organisation waren neben der Rehabilitierung moderner Kunst auch die materielle Hilfe für zeitgenössische Künstler.398 Die Ausstellung bildete den Auftakt zu weiteren Veranstaltungen der Künstler der Zeit.399 Wie die amerikanische Militärbehörde feststellte, handelte es sich offiziell um eine „ ... repräsentative Übersicht über die ein Jahrzehnt lang verbannte, in und um München entstandene moderne Kunst ....“400 Dem Ausstellungskatalog nach zu urteilen wurden hier vor allem die gemäßigt modernen Werke aus der Neuen Gruppe ausgewählt: neben einigen Werken der mehr traditionellen Münchner Atelierkultur von Erich Glette, Julius Heß oder Hans Lichtenberger, die expressiv-realistischen Ölbilder von Karl Caspar und dessen Schule, surrealistische Traumbilder von Rudolf Schlichter oder Edgar Ende wie auch abstrahierende, abstrahierend- konstruktive und gegenstandslose Kompositionen von Xaver Fuhr, Karl Kunz und Fritz Winter, so dass das Bild von der Münchner Kunst dem stilpluralistischen der Nachkriegszeit entsprach. Wie an späterer Stelle ausgeführt, zeigte der private Kunsthandel in dieser Zeit weit fortschrittlichere Ausstellungen zur zeitgenössischen modernen Kunst. Dass die stilpluralistischen Exponate in der Ausstellung „Bayerische Kunst der Gegenwart“ dennoch schwer Zugang zur Bevölkerung fanden, belegen die überlieferten Berichte der Zeitungswelt. Denn ähnlich wie die in den 50er Jahren vorherrschenden Bilder der Abstraktion, wurden auch die aus heutiger Sicht „gemäßigt modernen“ Bilder, in ihrer allerersten Stunde vom breiten Publikum abgelehnt bzw. kaum honoriert, was aus einem Zitat von Hans Eckstein in der Süddeutschen Zeitung hervorgeht: „Die Nazi-Kunst gefiel vielleicht dem Publikum besser, als das was nun in der Neuen Sammlung hängt, aber Kunst ist noch lange nicht, was dem Volk gefällt.“401 Die Ästhetik der nationalsozialistischen Kunst war nachhaltig im Bewusstsein der breiten Bevölkerung verankert. Die Aufgeschlossenheit gegenüber eher schwer zugänglichen künstlerischen

398 Für die angekauften Arbeiten wurde die Lieferung von schwer zugänglichen Materialien versprochen, vgl. Eckstein, Hans: Malerne Bildwerke aus der Münchner Kunst-Provinz, in: SZ, 10.09.1946, 7; 399 Vgl. Ausstellungskatalog: Sezession München, Neue Sammlung, München 1946; Ausstellungskatalog: Zeitgenössische christliche Kunst. Ausstellung der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst e.V. Neue Sammlung, München 1947; Ausstellungskatalog: Moderne Französische Plastik, Neue Sammlung, München 1948 usw.; 400 Eckstein, in: SZ, 10.09.1946, 7; vgl. auch die Rundfunk- Kritiken Franz Roh’s, Roh 1948, 85; 401 Vgl. Eckstein, in: SZ, 10.09.1946, 7; 114

Ausrucksformen ehrt Eckstein als Vermittler der Kunst und macht ihn zu einem modernen Kritiker. Die Bilder des Expressiven Realismus erfuhren im Zuge des Vordringens abstrakter Kunst sehr schnell breite Akzeptanz. Seitens der Presse sah man den Expressiven Realismus bald als „Publikumskunst“ an.402 Sowohl staatliche als auch städtische Institutionen präsentierten die Bilder der Caspar-Schule ab 1947 regelmäßig, so etwa in der Städtischen Galerie und ab 1949 in den „Großen Jahresausstellungen“ im Haus der Kunst.

Das Haus der Kunst war nach 1945 zwar kaum zerstört, dafür aber durch seine Geschichte als „Haus der Deutschen Kunst“ belastet. Es wurde zu Hitlers Zeiten nach den Entwürfen von Paul Ludwig Troost im Stil des Nationalsozialismus erbaut und wirkte nach seiner Einweihung 1937 durch die Jahresausstellungen mit nationalsozialistischen Werken des „Dritten Reichs“. Nach 1945 richtete die amerikanische Besatzungsmacht hier zunächst ein Offizierscasino ein. Ab 1946 fanden im Haus der Kunst neben der Exportschau erstmals wieder Ausstellungen mit Werken aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sowie zur bayerischen Kunstgeschichte statt.403 1947 präsentierte das Haus eine Ausstellung französischer Kunst. 1948 übertrug es die Militärregierung dem Staat, der es ab 1949 der wieder gegründeten Ausstellungsleitung e.V. überließ. Zu den Aufgaben der Ausstellungsleitung e.V. gehörten neben der Organisation der jährlichen „Großen Kunstausstellungen“ zur zeitgenössischen lokalen Kunst404, auch die der Überblicksausstellungen zur Kunst der klassischen Moderne. In den meisten Publikationen über Ausstellungen in München nach 1945 wird das Haus der Kunst entweder im Zusammenhang mit den „Großen Kunstausstellungen“ 1949ff. oder aber der Ausstellung „Der Blaue Reiter“ 1949 genannt. Die „Großen Kunstausstellungen“ wurde wie erwähnt von der Ausstellungsleitung e.V. organisiert. Der Staat trat lediglich in seiner Funktion als Geldgeber in Erscheinung. Zu sehen bekam das Publikum Bilder aus dem offiziellen Münchner Kunstbestand: selbstjurierte oder unjurierte Werke der drei großen Künstlerorganisationen sowie auserwählten Gästen. Dabei wurden die

402 Vgl. Nemitz, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.2, 1949, 52; 403 Siehe Ausstellungsliste im Anhang; vgl. Hollweck, Ludwig Hrsg.: Unser München. München im 20.Jahrhundert. Erinnerungen und Berichte, Bilder und Dokumente von 1900 bis heute, München 1967, 312; 404 Die Großen Kunstausstellungen der drei Großen Münchner Künstlergruppen fanden im Ostflügel des Haus der Kunst statt. Er wurde ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt, vgl. Ludwig 1997, 179; 115

Unterschiede zwischen den Gruppen Münchner Künstlergenossenschaft, Sezession und Neue Gruppe von den damaligen Kritikern immer wieder in den Vordergrund gestellt, wobei man die Bilder der Neue Gruppe stets als die innovativsten unter den Dreien honorierte.405 Interessant erscheint jedoch die Wahrnehmung der Ausstellungen durch das Publikum. Denn wie Hans Eckstein berichtet, blieb der Besuch der ersten „Großen Münchner Kunstausstellung“ im Vergleich zu den „Massenaufmärschen“ der nationalsozialistischen Jahresschauen wohl eher begrenzt.406 Die Bilder in den Ausstellungen der drei Großen Künstlervereinigungen abgesehen von den abstrakten Arbeiten aus der Neuen Gruppe wurden nach Aussagen der zeitgenössischen Presse bald als gefällig und wie bereits angedeutet als „Publikumsmalerei“ eingestuft407, das Interesse der Öffentlichkeit an diesen Werken schien gering. Zudem wurde das gesamte Ausstellungswesen dieser jährlichen Präsentationen im Haus der Kunst kritisiert. So schien die große Anzahl der Kunstwerke ein unklares Bild zu liefern und ihre Anordnung „in fast chaotischer Vielfältigkeit“ eher verwirrend als wirkungsvoll.408 Thomas Niederreuther, Mitglied der Neuen Gruppe, äußerte sich über die Ausstrahlungskraft dieser oftmals umstrittenen Ausstellungen auf zynische Art wie folgt: „Die am meisten verwendete Farbe ist grün, weil das Gras grün ist und es keine Landschaft gibt ohne Gras. Der Maler nennt das Gras Spinat. Den Spinat mag kein Mensch, nicht einmal die Kinder, es wird aber haufenweise gekauft, weil es sehr gesund ist. Die Spinatlandschaften sind auch sehr gesund, sie beruhigen die Nerven ... Die

405 Vgl. Eckstein, Hans: Die Jahresschau der Münchner Kunst eröffnet, in: SZ, 10.09.1949, 6; Eckstein, Hans: Große Münchner Kunstausstellung, in: SZ, 13.09.1949, 5; Nemitz, Fritz: Die Münchner Jahresausstellung: Kunst in der Zeitwende, in: SZ, 19.07.1950, 5; Nemitz, Fritz: Vieldeutiges Bild der Zeit. Die große Münchner Kunstausstellung, in: SZ, 14./15.07.1951, 4; Pollak, Bernhard: Laie auf Kunstreise, SZ, 21/22.07.1951, 9; Nemitz, Fritz: Große Münchner Kunstausstellung 1949 Malerei, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.2, 1949, 48-52; Heilmeier, Hans: Große Kunstausstellung München 1950, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.12, 1950, 451ff; Petzet Dr., Wolfgang: Malerei auf der großen Münchner Kunstausstellung 1951, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.11, 1951, 403; Heilmaier, Hans: Große Kunstausstellung München 1952, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.1, 1952, 6-13ff; Heilmaier, Hans: Große Kunstausstellung München 1953, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.11, 1953, 401ff; 406 Dies stellte Hans Eckstein in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung fest, vgl. Eckstein, in: SZ, 10.09.1949, 6; Eckstein, Hans: Große Münchner Kunstausstellung 1949: Sezession und Künstlergenossenschaft, in: SZ, 21.09.1949, 2; 407 Vgl. Nemitz, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.2, 1949, 52; 408 Zitat zur Rezeption der Ausstellung 1951: „Mit schwindeligem Kopf verlasse der Beschauer solche Schau, und nichts haftet als der Eindruck einer verwirrenden Menge.“, Petzet Dr., Wolfgang: Malerei auf der großen Münchner Kunstausstellung 1951, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.11, 403; 116

modernen Maler erkennt man daran, daß sie Lila verwenden, und dies lila nennen sie purpur .... Das rote Tüpferln kommt von Paris. Maler die tüpferln nennt man die Westlerischen. Die Östlerischen gibt es nicht, dafür die Münchner Schule. Die Münchner Schule so sagt man sei eine gepflegte Ateliermalerei und deshalb ist sie etwas düster. Je düster ein Bild ist desto vornehmer ist es je heller ein Bild ist, desto vergeistigter ist es sagen die hellen Maler. Je heller also ein Maler, desto heller malt er. ... Die ganz modernen Maler aber machen es wieder anders, ganz anders aber das sind sogenannte Werkgeheimnisse.“409 Nach Thomas Niederreuthers Beschreibung der Zweiten „Großen Kunstausstellung“ handelte es sich bei dem Großteil der hier ausgestellten Bilder um eine dem konservativen Publikumsgeschmack gerecht werdende Kunst in Orientierung an der Münchner Maltradition. Zudem geht aus dem Zitat eindeutig die von den modernen Künstlern angestrebte Anbindung an der internationalen, westlichen Kunst hervor. Die Orientierung an die modernen französischen Kunstwerke der „École de Paris“ bewirkte dabei nicht nur die Aufhellung der Farbpalette, sondern auch eine Veränderung des Bildausdrucks durch einen spontanen, gestischen Farbauftrag, vor allem die Werke aus der Neuen Gruppe waren hier angesprochen. Zudem spricht Niederreuther das Unverständnis gegenüber „extrem“ moderner Kunst aus und beobachtet den Konflikt zwischen der damals nur Wenigen verständlichen modernen abstrakten Kunst und der leicht zugänglichen traditionellen Münchner Kunst. Ein entsprechendes Bild von der „Großen Kunstausstellung München“ bestand auch in den folgenden Jahren fort.

1949 veranstaltete das Haus der Kunst auch eine Ausstellung des Blauen Reiters, welche ursprünglich in der Städtischen Galerie geplant gewesen war.410 Gescheitert war dieses Vorhaben an der mangelnden Bereitschaft von Zuschüssen seitens der Stadt, die ihre Gelder bevorzugt an zeitgenössische, Not leidende Künstler vergab oder für den Ankauf von Werken aus den drei großen Münchner Künstlergruppen nutzte. Die erforderlichen Zuschüsse zur Realisierung der Ausstellung kamen durch das Bayerische Kultusministerium. Sie wurde daraufhin unter der Leitung Ludwig Grotes und mit Hilfe des „Central Art Collecting Point“ im Haus der Kunst organisiert.411

409 Niederreuther, Thomas: Randbemerkungen eines Betroffenen, in: SZ, 14/15.10.1950, 4; 410 Vgl. Ausstellungskatalog: Der Blaue Reiter. Der Weg von 1908-1914, Haus der Kunst, München 1947; als Quelle zur Ausstellung vgl. auch Wilckens von, Leoni: Die Ausstellung „Der Blaue Reiter“ in München, in: Kunstchronik, 1949, 178-182; 411 Vgl. Ausstellungskatalog: Der Blaue Reiter. Der Weg von 1908-1914, Haus der Kunst, München 1947 sowie Krauss 1985, 211-212; 117

Mit der für München so wichtigen Gruppe Der Blauer Reiter zeigten sich bereits vor dem ersten Weltkrieg die Inkunabeln der abstrakten Kunst, die jedoch sowohl zu ihrer Entstehungszeit und als auch nach 1945 umstritten waren. Im Gegensatz zur abstrakten Malerei der Nachkriegszeit wurde die des Blauen Reiters nach 1945 jedoch öffentlich anerkannt und als ein Teil der Kunstgeschichte honoriert. Für Ludwig Grote, Leiter der Ausstellung 1949, stellte Der Blaue Reiter „das letzte und bedeutendste Kapitel“ der damaligen Kunstgeschichte Münchens dar.412 Die Ausstellung bedeutete für Münchens öffentliche Kunstpolitik den Beginn einer Reihe von Wechselausstellungen zur Kunst der Klassischen Moderne.413 Doch fand die Rehabilitierung des so bedeutungsvollen Blauen Reiters in München eigentlich weit früher statt, nämlich in den privaten Galerien.414 Was man der öffentlichen Kulturpolitik jedoch zugute halten muss, war der Umfang und die Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Ausstellung, die nationale und internationale Publikumsscharen anzog und somit nicht zuletzt das Münchner Fremdenverkehrsamt erfreute.415

Neben den „Großen Kunstausstellungen“ und der des Blauen Reiters stechen jedoch weitere Ausstellungen im Haus der Kunst hervor, deren Bedeutung bis heute weitgehend ungeachtet blieb. Dabei gehen aus der chronologischen Betrachtung der Ausstellungen in Haus der Kunst, deren Rezensionen in der Presse und weiteren Bezug nehmenden zeitgenössischen Quellen nicht nur interessante Beobachtungen hinsichtlich der öffentlichen Kunstpolitik hervor. Sie offenbaren zudem aufschlussreiche Ergebnisse in punkto Rezeption seitens des Publikums. Wie bereits an früherer Stelle gesagt, galt das Interesse des Staates der schnellen Normalisierung der Zustände nach alliiertem Vorbild. Dieses Ziel vor Augen habend, präsentierte er auch ausländische Werke, deren Entwicklung fortwährend war und als fortschrittlich galt. Staatliche Institutionen wurden dabei von der amerikanischen Militärregierung unterstützt, so dass es bereits 1947 auf Service des Beaux-Arts des französischen Militär-Gouvernements zur Organisation einer ersten Sonderausstellung zur „Französischen Malerei vom Impressionismus bis zur

412 Vgl. Ausstellungskatalog: Der Blaue Reiter. Der Weg von 1908-1914, Haus der Kunst, München 1947; 413 1950 folgten die Ausstellungen „Die Maler des Bauhaus“ und „Oskar Kokoschka“, 1951 die Ausstellung „Max Beckmann zum Gedächtnis“, 1952 „Ernst Ludwig Kirchner“ und 1953 „Oskar Schlemmer“, siehe Ausstellungsliste im Anhang; 414 Vgl. hierzu die Ausstellungsliste im Anhang sowie Punkt.III.5.; 415 Zur Erfolgsbilanz der Ausstellung des Blauen Reiters hinsichtlich der Katalogverkäufe, des internationalen Publikumansturmes sowie den Anfragen für eine Folgeausstellung in anderen Städten, siehe Krauss 1985, 211-212; Auch die Kokoschka-Ausstellung war gut besucht, vgl. Nemitz, Fritz, Kokoschkas Wiederkehr, in: SZ, 05.09.1950, 2; 118

Gegenwart“ im Haus der Kunst kam.416 Auf den internationalen Charakter dieser Ausstellung war man stolz, bot sie doch die erste Gelegenheit, „den Faden der großen künstlerischen Tradition Bayerns wieder anzuknüpfen ....“417 Der Standort München wurde dabei auch von den Franzosen geschätzt, was aus der Eröffnungsrede von M. Poisonnier hervorgeht, in der an Münchens Vergangenheit als „Treffpunkt für internationale Ausstellungen“ erinnert wurde.418 Die Bedeutung und Notwendigkeit internationaler Ausstellungen für München wurde von staatlicher Seite klar erkannt und die Fortführung dieser künstlerischen Tradition begrüßt. Neben Bildern von Picasso, Cézanne, Rousseau, Matisse oder van Gogh wurden hier Werke des Surrealismus, des Magischen Realismus und der Neuen Sachlichkeit gezeigt.419 Wie sich feststellen lässt, war das Publikumsinteresse an dieser Ausstellung groß. Es geht aus einer Besucherstatistik hervor, welche eine überdurchschnittlich hohe Zahl von 51 581 Besuchern nachweist420; sie wurde weder in den vorangegangenen Ausstellungen noch in den darauf folgenden Jahren, schon gar nicht bei den „Großen Kunstausstellungen“ und auch nicht bei der genannten Ausstellung des Blauen Reiters erreicht, deren Besucherzahl bei 30 000 lag.421 Der Meinung eines Zeitungskritikers nach handelte es sich bei den Besuchern jedoch nicht um die breite Masse, sondern um ein modern gesinntes Publikum, das es wohl auch während der Zeit des Nationalsozialismus gab.422 Offensichtlich waren dies Neugierige, die wissen wollten, was während der Zeit des Verbotes der modernen Kunst in der Welt geschah und hier die Gelegenheit bekamen, vielleicht bereits „Gehörtes“ im Original zu betrachten. Sicherlich waren dies aber auch Künstler, die

416 Vgl. hierzu Eckstein, Hans: Von Manet bis Toulouse-Lautrec. Die große Münchner Ausstellung neuerer französischer Malerei im Haus der Kunst, in: SZ, 15.03.1947, 7; 417 Zitat von Staatsminister Dr. Hundshammer, in: H.M.: Eröffnung der Ausstellung französische Malerei vom Impressionismus bis zur Gegenwart, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1947, 2; 418 Siehe Eröffnungsrede zur Ausstellung „Französischer Malerei vom Impressionismus bis zur Gegenwart“ im Haus der Kunst, gedruckt in einem Schreiben vom 12.03.1947, BHStA MK 51505; 419 Vgl. Eckstein, in: SZ, 15.03.1947, 7 sowie Eckstein, Hans: Matisse, Picasso, Braques. Schlußbericht über die Ausstellung französischer Kunst in München, in: SZ, 18.03.1947, 3; 420 Die Besucherstatistik ergab für das Jahr 1946 insgesamt 92 574 Besucher, für das Jahr 1947 insgesamt 135 521 Besucher wobei hier die genannten 51 581 Besucher, also etwas weniger als die Hälfte der Jahresbesucher inbegriffen sind , 87 742 Besucher für 1948, 63 248 für 1949, 91 168 für 1950 und 105 712 Besucher für 1951. Wie aus dieser Statistik hervorgeht kam es zu einem deutlichen Besucherrückgang mit und unmittelbar nach der Währungsreform, vgl. Anhang aus einem Schreiben vom 31.01.1949: Besucherstatistik von Dr. Hanfstaengl der Ausstellungen der Bayer. Staatsgemäldesammlungen im Haus der Kunst, in: BHStA MK 50843; 421 Vgl. Krauss 1985, 211; 422 Zitat: „Im Gegensatz zu Hitlers Ausstellungen im Haus der Kunst kamen nun ‚die anderen’, auch in Massen ...“, vgl. Foitzick, Walter: Lebt wohl, ihr Bilder, in: SZ, 05.04.1947, 5; 119

nach Inspirationspunkten für ihre eigene künstlerische Entwicklung suchten. Wie aus dem genannten Artikel hervor geht, wurde die Ausstellung häufig auch von denselben Besuchern frequentiert: „Viele kamen immer wieder, um die Bilder der Heiterkeit und der Urbanität aus dem ewigen Frankreich zu genießen.“423 Der Autor begrüßte in diesem Zusammenhang auch die Weltoffenheit des Münchner Bürgertums. Den enormen Erfolg der Ausstellung nutzte der Staat als Beweisgrundlage für das bayerische Interesse an moderner Kunst und kaschierte den einst großen Zuspruch gegenüber der nationalsozialistischen Kunst.424 Der Bitte des bayerischen Staates, das Haus der Kunst im Sinne „... einer Förderung von wahrer und echter Kunst und einer Neuerziehung des deutschen Volkes im wahrhaft demokratischen Geiste ...“425 auch für weitere Veranstaltungsmöglichkeiten nutzen zu dürfen, entsprachen die Amerikaner in ihrer „re-education-Politik“ und stärkten das damalige Vertrauen in die Demokratie.

Der rege Zuspruch gegenüber modernen Kunstausstellungen offenbarte sich zwei Jahre später in der von der „Pro Hevetia“ AG und der Stadt Schaffhausen veranstalteten Sonderausstellung „Schweizer Maler der Gegenwart“ im Haus der Kunst.426 Auch hier konnte eine, im Vergleich zu allen anderen zeitgenössischen Ausstellungen im Jahr 1949, höhere Besucherzahl von 4 121 nachgewiesen werden,427 so dass das Interesse des damaligen Publikums an internationaler Kunst noch einmal bestätigt werden kann. Die Ausstellung zeigte einen ähnlichen Facettenreichtum von verschiedenen Stilen, der in Deutschland nach 1945 auffiel, darunter etwa auch mit Walter Bodmer einen Vertreter der Abstraktion. Die Minderheit gegenstandsloser Bilder war zu dieser Zeit normal. Der zukunftsweisende Charakter dieser Bilder wurde durch die Ausstellungskritiker dennoch klar erkannt.428

423 Vgl. Foitzick, in: SZ, 05.04.1947, 5; 424 Zitat: „Die Ausstellung „Moderne französische Kunst“ im Haus der Kunst war mit ungefähr 50.000 Besuchern ein grosser Erfolg. Es wurde damit bewiesen, daß Münchens und Bayerns Bevölkerung größtes Interesse an den Fragen der modernen Kunst zeigt und den Kunstbetrieb des vergangenen Regimes ablehnt ....“, Schreiben Hundhammer Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus an Mr. Rae Fine Monuments Collecting Point vom 26.03.1947, BHStA MK 51505; 425 Vgl. Schreiben Hundhammer an Mr. Rae vom 26.März 1947, BHStA MK 51505; 426 Vgl. Eckstein, Hans: Schweizer Maler der Gegenwart, in: SZ, 19.03.1949 11; 427 Museumsstatistik vom 11.10.1949: Sonderausstellung der Bayer. Staatsgemäldesammlungen im Haus der Kunst „Schweizer Maler der Gegenwart“ vom 09.-27.3.1949, BHStA MK 50843; 428 Vgl. Eckstein, in: SZ, 19.03.1949 11; 120

Weitere Ausstellungen zur aktuellen nationalen und internationalen Kunstentwicklung wurden im Haus der Kunst ab 1950 mit den Ausstellungen „Europäische Plastik“429, „Rheinische und Neue Rheinische Sezession“ 430 oder „Italienische Kunst der Gegenwart“431 und verstärkt in den darauf folgenden Jahren organisiert.432

Dabei erscheint die Zunahme internationaler Ausstellungen im Haus der Kunst für die Betrachtung der öffentlichen Kulturpolitik höchst interessant. Sie belegt, dass die Westintergration auch in München erfolgreich war. Auf ein Gefühl der Zusammengehörigkeit wurde dabei im Zusammenhang mit der Ausstellung italienischer Kunst der Zeit von der Presse hingewiesen.433 Wie bereist oben festgestellt, waren diese Ausstellungen Zeichen der erfolgreichen Umerziehungsmaßnahmen der Amerikaner sowie der Umsetzung der von Adenauer erzielten Westintegration. Für München bedeutete dies, dass es nun auch offiziell „... wieder an das europäische Netz ...“ angeschlossen war.434 Ob die Kunstpolitik der Stadt ähnliche Früchte trug, zeigt im Folgenden die Betrachtung der Ausstellungen in der Städtischen Galerie.

429 Zu dieser Ausstellung war auch Henry Moore als Gast geladen, der als einziger die gegenstandslose Plastik vertrat, vgl. Eckstein, Hans: Im Haus der Kunst. Elementare Plastik: in: SZ, 02.11.1950, 7; 430 Als Gruppe, die sich vornehmlich der abstrakten Kunst verpflichtet fühlte, wurde die Neue Rheinische Sezession dementsprechend auch von der Münchner Presse als Orientierungspunkt für die damalige „westdeutsche abstrakte und gegenstandslose Malerei“ gesehen, vgl. Eckstein, Hans: Im Haus der Kunst/ Rheinländische Maler, in: SZ, 04./05.11.1950, 7; Im Katalog der Ausstellung wird der Wunsch nach einer Verknüpfung zwischen den Städten München und Düsseldorf offenbar. Zudem geht aus ihm hervor, dass die Neue Rheinische Sezession, ein Forum für diejenigen Künstler und Künstlergruppen sein wollte, „die einen wesentlichen Beitrag zur Kunst unserer Zeit“ lieferten wollten. Unter der „Kunst unserer Zeit“ wurden die Abstraktion und deren Vertreter wie E.W. Nay, Otto Ritschl, Hann Trier, Hubert Berke, und anderen Mitgliedern der Neuen Rheinischen Sezession aufgefasst, vgl. Ausstellungskatalog: Neue Rheinische Sezession Düsseldorf Rheinische Sezession Düsseldorf, München 1950; 431 Vgl. Nemitz, Fritz: Bilder bauen Brücken/ Italienische Kunst der Gegenwart, in: SZ, 14.11.1950, 6; 432 Vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 433 Zitat: „Das Gastspiel der italienischen Künstler bestätigt aufs neue, daß Europa kein bloß geographischer Begriff, sondern ein lebendiges, historisch gewachsenes Lebewesen ist, dessen einzelnen Teile, trotz aller nationalen Unterschiede, zusammengehören.“, Nemitz, in: SZ, 14.11.1950, 6; 434 Vgl. Nemitz, Fritz: Bilanz der bildenden Kunst, in: SZ, 30./31.12.1950, 2; 121

4.2.2. Neuanfänge in der Städtischen Galerie435

Von städtischer Seite waren die kunstpolitischen Neuanfänge in München nach 1945 eher konservativ oder traditionell.436 Doch sei dem hinzugefügt, dass die städtische Kulturpolitik aufgrund der finanziellen Defizite, vor allem für den Sektor Bildende Kunst, eher am Rande ihrer Möglichkeiten stand.

Zwar gab es innerhalb der genannten Traditionalität durchaus einige modern gesinnte Stimmen wie beispielsweise Arthur Rümann, Direktor der Städtischen Galerie. Insgesamt betrachtet wurde jedoch eine auffallend starke Rückbesinnung an das kulturelle Erbe Münchens stolz nach außen präsentiert. Diese zeigte sich im Bereich der Bildenden Kunst, sowohl in der Malerei und Plastik als auch in der Architektur, deren Wiederaufbau dem historisch gewachsenen Stadtbild galt und nicht, wie im Vergleich zu anderen deutschen Städten, einem radikalen Neuaufbau.437

Die Ausstellungstätigkeit der Städtischen Galerie nach 1945 begann im Vergleich zu den staatlichen Foren recht spät. Im Gegensatz zum Haus der Kunst war die bereits im 19.Jahrhundert von Gabriel von Seidl für den Malerfürsten Franz von Lenbach entworfene Villa und seit 1924 aktive Städtische Galerie nach dem Krieg völlig ausgebrannt. Die Auslagerung der Galeriebestände mit Werken der Münchner Malerei des ausgehenden 19.Jahrhunderts erfolgte bereits 1941 nach einem Bombentreffer. Nach 1945 sollten die Werke so bald als möglich zurück geführt werden, sobald die Schäden notdürftig beseitigt waren.438 Der Wiederaufbau der Städtischen Galerie ging nach dem Krieg nur sehr langsam voran.439 Aus diesem Grunde wurde das Dasein der Städtische Galerie bereits 1946 von der Presse als „betrübliches Aschenbrödelleben“ kritisiert und wurden im Gegenzug die Erfolge der kommunalen Kulturinstitute von „Nichtkunststädten“ wie Mannheim, Hamburg,

435 Im Zusammenhang mit der städtischen Kunstpolitik wird im folgenden vieles aus der Publikation von Marita Krauss rekapituliert, jedoch wird sie durch die intensive, alleinige Betrachtung des Sektors Kunst, im Besonderen aber hinsichtlich ihrer Rezeption ergänzt; 436 Vgl. Krauss 1985, 206-210, 214-217; Prinz 1984, 11, 14, 15 ff; 437 Zum traditionellen Wiederaufbau München siehe auch: Eckstein, Hans: Die Kunststadt München und das Neue Bauen, in: SZ, 14.12.1946, 5; Hausenstein, Wilhelm: Der Genius München, in: SZ, 02.08.1947, 5; 438 Vgl. hierzu ein Bericht des Leiters Arthur Rümann an den Bürgermeister Lacherbauer, zitiert bei Krauss 1985, 204; 439 Vgl. Krauss 1985, 204 sowie die dort angegebenen weiterführenden Literatur- und Quellenangaben; 122

Hannover genannt.440 Marita Krauss bezeichnete die Städtische Galerie als „Stiefkind städtischer Kulturarbeit“, die hier bis in die 50er Jahre hinein defizitär zum Einsatz kam.441

Die Leitung der Städtischen Galerie hatte Dr. Arthur Rümann, der damalige Direktor der Städtischen Kunstsammlung, der das Gebäude der Galerie wieder für die Kunstpflege nutzbar machen sollte. Neben der Aufnahme des alten Bestandes galt sein Anliegen vor allem, Werke von lebenden Münchner Künstlern aufzunehmen442, so dass die bereits früher von Münchner Künstlerkreisen monierte Förderung der zeitgenössischen Kunst nun stattfand.443 Dabei handelte es sich vor allem um Werke aus den drei großen Münchner Künstlerorganisationen. Die erste Ausstellung des Hauses im Jahre 1947 erfolgte mit Vertretern aus der Neuen Gruppe. Die Folgeausstellungen galten der Münchner Künstlergenossenschaft und der Münchner Sezession. Alle drei Gruppen wurden in den Folgejahren zusammen oder in kollektiver Auswahl sowie neben kunsthistorischen Ausstellungen wiederholt zur Schau gestellt. Auch der Schutzverband bildender Künstler wurde in der Städtischen Galerie berücksichtigt.444 Daneben kam es zu zahlreichen Gedächtnisausstellungen der Münchner Maltradition. Die geplante Ausstellung des damals hoch aktuellen Blauen Reiters, wurde wie bereits erwähnt, aufgrund einiger Streitigkeiten innerhalb des städtischen Kulturpersonals ins Haus der Kunst verlegt.445 Dies mag angesichts der heute beinahe lückenlosen Aufarbeitung des Blauen Reiters in der weltweit bekannten Städtischen Galerie verwundern. Doch wurde die heute gerühmte Sammlung erst ab Ende der 50er Jahre durch Hans Konrad Roethel und die in dieser Zeit erfolgte Schenkung von Gabriele Münther aufgebaut.

440 Vgl. Eckstein, Hans: München und seine Kunstprobleme, in: SZ, 19.04.1946, 6; 441 Krauss 1984, 33; 442 Zitat Rümann: „Die Kunst des 19.Jahrhunderts mit ihren langen Ausläufern ist historisch geworden. Auf die ‚lebendige’ Kunst kommt es an ...“, zitiert nach Winmayer Dr., K., in: SZ, 10.05.1949, 3; dieses Vorhaben Rümanns war schon länger bekannt, vgl. „Bie“: „... soll wieder blüh’n das alte Leben“, in: SZ, 07.06.1946, 4; 443 Zu den Intentionen Rümanns siehe Hollweck 1967, 311; zur genannten Forderung siehe Nerdinger, Winfried: Die „Kunststadt“ München, in: Ausstellungskatalog: Die zwanziger Jahre in München, hrsg. von Christoph Stölzl, München 1979, 101; 444 Im folgenden werden nur Ausstellungen zeitgenössischer Künstler genannt, alle anderen sind in der anhängenden Ausstellungsliste aufgeführt; 445 Zu den Streitigkeiten um die Ausstellung des Blauen Reiters im Jahre 1948, vgl. Krauss 1985, 211- 212; 123

Die Vielzahl der Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst aus München belegt, dass die Stadt der Münchner Künstlerschaft verpflichtet war. Internationale wie auch Ausstellungen von Werken aus der gesamten Nation fanden dagegen lange nicht statt. Dabei führte der Konservatismus dieser Ausstellungspolitik schon früh zu scharfen Pressekritiken, spätestens aber in den 50er Jahren auch zu internen Konflikten zwischen den direkten und indirekten Entscheidungsträgern der geplanten Ausstellungen, so zwischen dem alten Oberbürgermeister Scharnagel und Bürgermeister von Miller, der sich wie Rümann und zum Teil auch Held446 aufgeschlossener gegenüber neuen künstlerischen Tendenzen äußerte.447 Die Schlüsselposition in der Unterstützung moderner Kunst fiel Rümann zu, was sich darin zeigte, dass er auf den in den 50er Jahren zunehmenden Druck der Pressestimmen reagierte und weitere konservative Ausstellungen zu verhindern versuchte.448 Derartige Pressekritik existierte schon seit Beginn der Ausstellungstätigkeit der Städtischen Galerie. Bereits die erste stilpluralistische Ausstellung der Neuen Gruppe in der Städtischen Galerie wurde in Frage gestellt und die übertriebene Quantität der Ausstellung kritisiert.449 Nicht anders erging es den Gruppen Sezession und Münchner Künstlergenossenschaft, ihre Werke wurden im Zusammenhang mit der Städtischen Galerie immer wieder als „Publikumskunst“ und als “zu akademisch“ deklariert.450

446 Auch wenn Held moderner Kunst gegenüber nicht hundertprozentig aufgeschlossen war, lehnte er diese zumindest nicht grundsätzlich ab, ließ sich gerne auch durch Kritiker wie Roh beraten und gab den modernen Plänen Rümanns freien Lauf; 447 Dies geht aus einem Schreiben des Bürgermeisters von Miller am 28.05.1952 an Scharnagl hervor, der über eine angefragte Gedächtnisausstellung des Künstlers Stadelmann voraussagte, „... daß eine Ausstellung dieser liebenswerten, aber doch problemlos gewordenen Kunst in unserer Galerie nicht den gewünschten Erfolg haben würde.“, HAH 427, zitiert nach Krauss 1985, 208; dagegen wird in einem Antwortschreiben vom 04.06.1952 die konservative Haltung Scharnagls offenbar: in Bevorzugung von Ausstellungen die dem ebenso konservativen Publikum entsprachen, ignorierte er die in der Presse und anderswo laut gewordenen Forderungen nach moderner Kunst, ebd., vgl. Krauss 1985 208-210; 448 Zitat Rümanns zu Anfragen Altmünchener Kunstausstellungen: „Eine Ausstellung so ganz konservativer Kunst ist für unser Haus bei der heutigen Einstellung der Münchner Kritiker ein gewagtes Unternehmen, was sogar bei der jetzigen Gedächtnisausstellung wieder sehr zu spüren ist ...“, HAH 427, Vormerkung Rümanns für Held vom 27.11.1952, zitiert nach Krauss 1985, 210; 449 Vgl. Eckstein, Hans: Die Ausstellung der Neuen Gruppe, in: SZ, 22.07.1947, 2; 450 Vgl. Eckstein, Hans: Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft, in: SZ, 30.08.1947, 3; Eckstein, Hans: Ausstellung der Münchner Sezession, in: SZ, 20.09.1947, 5; Eckstein, Hans: Münchner Künstlergenossenschaft in der Städtischen Galerie, in: SZ, 15.06.1948, 2; Eckstein, Hans: Jahresschau der Sezession in der Städtischen Galerie, in: SZ, 16.09.1948, 5; Weit weniger meinungsbildend fielen die Kritiken Curt Hinterlachs aus, vgl. Hinterlach, Curt: Sommerausstellung 124

Wirklich modern fiel hier lediglich eine von dem Stuttgarter Ottmar Domnick organisierte Wanderausstellung aktueller gegenstandsloser Kunst aus Frankreich 1948 auf.451 Ottmar Domnick war damals ein wichtiger Förderer und Vermittler gegenstandsloser Kunst, dessen Wirkungskreis offensichtlich auch bis nach München ging.452 Die Auswahl orientierte sich an einer relativ kleinen Gruppe aus der Pariser Kunstszene. Laut eines überlieferten Presseberichts handelte es sich hierbei um „typische Vertreter einer nicht mehr ganz so jungen Kunst, die um Annerkennung ringt“, welche man im „Salon des Realités Nouvelles“ zu sehen bekam.453 Viele der Künstler waren zwar keine Franzosen, jedoch in das Pariser Kunstleben integriert. Ausgestellt waren der futuristisch orientierte Felix del Marle, César Domela als ehemaliges Mitglied der holländischen Gruppe „De Sijl“, Auguste Herbin mit zahlreichen geometrischen Segmenten im Bild, Frantisek Kupka aus Böhmen sowie Hans Hartung und Pierre Soulages, deren lyrische Abstraktionen damals bedeutende Anregungen für die Nachkriegskünstler in Deutschland gaben. Das interessierte Publikum fand in dieser Ausstellung Gelegenheit, die aktuellen französischen Strömungen der dort kontinuierlich weiterentwickelten Moderne zu erleben. Und wie bereits die Ausstellung „Moderne französische Malerei vom Impressionismus bis zur Gegenwart“ im Haus der Kunst 1947 zeigte, war das Interesse an französischer Kunst beim Münchner Publikum groß. Die Presse lobte die „liberale und geistige Haltung“ Rümanns in dieser Ausstellung und avancierte die Städtische Galerie zu einem ansehnlichen Forum für Diskussionen um die moderne, abstrakte Kunst.454 Hans Eckstein nutzte die Ausstellung zur Klärung der Definition abstrakter bzw. absoluter Kunst und wies auf die ersten Anzeichen einer Modeerscheinung hin.

Vergleichbare Ausstellungen folgten in der Städtischen Galerie lange nicht. Denn trotz der liberalen Haltung Rümans wurden einige geplante Ausstellungen nicht genehmigt bzw. durch konservative Persönlichkeiten der Stadt gehemmt.455 Letztendlich wurde die genannte französische Ausstellung auch nicht durch die

in der Städtischen Galerie, in: SZ, 12.07.1949, 2; Hinterlach, Curt: Ein Künstlerkollektiv. Die Herbstausstellung in der Städtischen Galerie, in: SZ, 12.10.1949, 2; 451 Vgl. Kunstchronik, 1948; 452 Vgl. Frosch 1992, 21/22; 453 Eckstein, Hans: Gegenstandslose Malerei aus Frankreich. Eine viel diskutierte Ausstellung in der Städtischen Galerie, in: SZ, 28.12.1948, 2; 454 Vgl. Eckstein, Hans: Gegenstandslose Malerei aus Frankreich. Eine viel diskutierte Ausstellung in der Städtischen Galerie, in: SZ, 28.12.1948, 2; 455 Vgl. Krauss 1985, 208 211; 125

Stadt, sondern durch einen externen Kurator organisiert. Eine offizielle Akzeptanz und Honorierung moderner, abstrakter Kunst erfolgte erst 1955 mit einer Ausstellung der Gruppe ZEN 49 in der Städtischen Galerie.456 Sie war die erste allein der Abstraktion gewidmete Ausstellung seitens der Stadt sechs Jahre nachdem die Gruppe gegründet und bereits durch viele Privatinitiativen ans Licht der Öffentlichkeit getreten war und zwei Jahre vor der documenta II, in der die abstrakte Kunst den Gipfel ihrer Alleinherrschaft erklommen hatte.

Die konservative Kunstpolitik der Stadt wurde bereits ab 1946 massiv von der Presse kritisiert und die Chance, mit den modernen Kräften der Stadt an die internationale Kunst der Zeit anzuknüpfen, erkannt. Zitat: „Der Kunststadt München ist in diesem Augenblick die Chance gegeben, zu einer wahrhaften Kapitale moderner Gestaltung zu werden und ihre frühere Zaghaftigkeit zu überwinden, die es mit leisem Groll gegen ‚Extravaganzen, die in Mode gekommenen Kulturstätte aufweisen’ abseits von entscheidenden künstlerischen Entwicklungen stehen ließ.“457 Mit den „Extravaganzen“ meinte Eckstein einige der Mitglieder der später gegründeten Gruppe ZEN 49. Und dass Hans Eckstein damit sein gutes Gespür für zukünftige Entwicklungen bewies, belegt die Durchsetzung dieser Künstler als einer der progressivsten der westdeutschen Nachkriegszeit. Ihre Förderung seitens der Stadt sowie eine progressiv orientierte Berufungspolitik hätten dazu verhelfen können, München schon damals als modernes deutsches Zentrum, als „avantgardistische Kunststadt“ wie zu Zeiten des Blauen Reiters wahrzunehmen. Die Realität zeigte aber ein Desinteresse an den Möglichkeiten der viel diskutierten Abstraktion und die Bevorzugung der traditionell orientierten Münchner Künstlerschaft.

Inwieweit der Konservatismus der städtischen Ausstellungspolitik nicht nur aus heutiger Sicht, sondern schon damals gewirkt haben muss, zeigt der Vergleich der Ausstellungsaktivitäten anderer süddeutscher Städte während der Nachkriegszeit.

456 Vgl. Ausstellungskatalog: Aktiv Abstrakt, Neue Malerei in Deutschland, Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München 1955; 457 Eckstein, Hans: München und seine Kunstprobleme, in: SZ, 19.04.1946, 6; 126

4.2.3. Regionale Ausstellungspolitik im Vergleich

Die städtische Kulturpolitik der kleineren Regionen um München war in Bezug auf die Ausstellungsaktivitäten zu moderner Kunst anfangs aktiver als die der Landeshauptstadt. Dies belegen zahlreiche Kritiken wie auch einige Kataloge zu den in der Region organisierten, moderne Kunstausstellungen in Augsburg, Regensburg, Prien, Traunstein, Landsberg oder Tegernsee.458 Auch Franz Roh stellte bereits im März 1946 in seinen Kritiken des Bayerischen Rundfunks fest: „Was moderne Ausstellungen anlangt, so ist Augsburg unserer Stadt augenblicklich fast voraus.“459 Roh beschränkte seine Beobachtung zwar, doch wie sich im Nachhinein herausstellte war München der Region in der ersten Nachkriegszeit der Kunsthandel ausgenommen tatsächlich hinterher. Denn während München kurz nach 1945 mit den Ausstellungen „Altdeutsche Meister“, „Bayerischer Rokoko“ oder „Hans Leinberger“ aufwartete, bemühte sich Augsburg mit der „viel umstrittenen“460 Ausstellung, „Maler der Gegenwart I“ im Schäzler Palais, bereits im Dezember des Jahres 1945 um die Rehabilitierung der während des „Dritten Reichs“ als „entartet“ diffamierten deutschen Kunst.461 Wie üblich in dieser Zeit wurde sie durch die amerikanische Militärregierung unterstützt. Unter den Exponaten befanden sich vor allem Werke der nach 1945 in München tätigen Künstler, die hier früher als in ihrer Wahlheimat das Licht der Öffentlichkeit erreichten. Vertreten waren die ältere Münchner Malerschule mit Eduard Aigner, Karl Blecherer oder Otto Geigenberger, die neue Münchner Tradition mit Karl Caspar und seine Schule, Maria Caspar-Filser, Ernst Geitlinger, Julius Hüther, Rudolf Schlichter, Hugo Troendle und viele andere, die erst zwei Jahre später die offizielle Kunstszene in München dominieren sollten.462 In München fand eine vergleichbare Ausstellung erst im September 1947 statt. Es war die genannte Ausstellung „Bayerische Kunst Gegenwart“ in der Neuen Sammlung, in der ein Großteil der bereits in Augsburg ausgestellten Künstler vertreten war.

458 Vgl. Eckstein, in: SZ, 19.04.1946, 6; 459 Roh 1948, 12; 460 Vgl. Kleine Nachrichten aus dem Kulturleben, in: SZ, 18.01.1946, 5; 461 Vgl. Ausstellungskatalog: „Art Exhibition. 1. Kunstausstellung. Modern I Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945; Der Ausstellung folgte 1946 eine zweite Ausstellung zur Malerei der Gegenwart, die mit Augsburger Künstlern bestückt worden war, vgl. Ausstellungskatalog: Augsburger Maler, Palais Schäzler Palais, Augsburg 1946; 462 Vgl. hierzu auch den Artikel von Eckstein, Hans: Moderne Malerei in Augsburg, in: SZ, 04.12.1945, 4; 127

1947 organisierte die Stadt Augsburg die damals viel diskutierte Nachkriegsausstellung „Extreme Malerei“ mit stark abstrahierenden und gegenstandslosen Werken der Nachkriegszeit.463 Als „extrem“ empfundene künstlerische Positionen waren Max Ackermann, Willi Baumeister, die noch jungen Gerhard Fietz und Rupprecht Geiger, Conrad Westphal und Fritz Winter Künstler, die sich zwei Jahre später in München zur Gruppe ZEN 49 zusammenschlossen, um unabhängig von der Stadt für die Durchsetzung ihrer abstrakten Werke zu kämpften. Daneben waren auch gegenständliche Bilder wie von den aus der Caspar-Schule stammenden Autodidakten Ernst Geitlinger oder Richard Ott sowie abstrahierende Werke von Karl Kunz, Georg Rhode oder Jakob Spaeth ausgestellt. Doch wurden diese in Vergleich mit den gegenstandslosen Gemälden „fast wie ein Fremdkörper“ aufgefasst.464 Ihrer Bedeutung nach handelte es sich bei dieser Ausstellung um die erste in Süddeutschland, die eine Übersicht über „die sogenannte abstrakte oder gegenstandslose Malerei“ gab.465 Der Andrang war laut den entsprechenden Zeitungsberichten groß, das Publikum an der zur Diskussion gestellten Schau äußerst interessiert.466 Die Münchner Institutionen reagierten auf diese Ausstellung eher verhalten, in jedem Fall aber weniger „extrem“. Denn als es um die vollständige Übernahme der Augsburger Ausstellung nach München ging, für die vor allem Franz Roh plädierte467, entschied man sich nach langer Diskussion dagegen. 468 Eine Übernahme der Künstler, die an der Augsburger Ausstellung teilgenommenen hatten, erfolgte lediglich im Zusammenhang mit allgemeinen Ausstellungen zur Münchner Kunst469, nicht aber in Form einer „extrem“ modernen Schau. Diese folgte erst Jahre später, 1955 in der genannten rein abstrakten, zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits als normal empfundenen Ausstellung der Gruppe ZEN 49 in der Städtischen Galerie.

463 Vgl. Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947; 464 Zitiert nach Eckstein, Hans: „Extreme Kunst“ in Augsburg, in: SZ, 25.02.1947, 3; 465 Zitiert nach Eckstein, in: SZ, 25.02.1947, 3, vgl. auch den Autorenlosen Artikel: Extreme Malerei in Augsburg, in: SZ, 01.02.1947, 5; 466 Vgl. Eckstein, in: SZ, 25.02.1947, 3; 467 Dies geht aus einem Schreiben Rohs an Held hervor, vgl. Krauss 1985, 210, Anm. 88; 468 Dies geht aus zahlreichen Schreiben zwischen Roh, Held, Rümann und Scharnagl sowie Gesprächen zwischen Held, Hausenstein und Eckstein hervor, vgl. Krauss 1985, 210, Anm. 89, 90, 91; 469 So in der ersten Ausstellung der Neuen Gruppe in der Städtischen Galerie 1947, zu deren Mitglieder die in Augsburg gezeigten Künstler Ackermann, Geitlinger, Kunz, Ott, Scharl und Westphal zählten; 128

Es bleibt offen, ob München irgendwann einmal auf die Stadt Augsburg und deren Ausstellungspolitik „neidisch“ gewesen war, so wie es Franz Roh annahm.470 Jedenfalls waren es andere Städte, so Frankfurt, Stuttgart, Mannheim, Berlin und Paris, die sich um die Übernahme der Augsburger Ausstellung bemühten.471

Der Grund dieser verhaltenen Reaktion gegenüber einer Übernahme der Exponaten, mag auch hier in dem Kunstgeschmack der städtischen Kulturpolitiker gelegen haben, der scheinbar dem des Großteils der Bevölkerung entsprach. Die eher schlechte Publikumsrezeption der in Augsburg zu sehenden „extremen“ Werke ist durch die Presserezensionen überliefert. Einer Umfrage nach reagierte das breite Publikum bereits in der ersten Augsburger Schau, Ende 1945, mit Misstrauen und Unverständnis gegenüber den neuen Werken der wieder erwachenden modernen Malerei472, woraufhin Erich Kästner in seiner in der Neuen Zeitung vom 07.01.1946 veröffentlichten „Augsburger Diagnose“ gerade der Jugend „geschmackloses Analphabetentum“ vorwarf.473 Münchens damals einflussreichster Kritiker fragte daraufhin öffentlich, was geschehen solle „... um der Jugend die Augen zu öffnen und der modernen Kunst die Jugend zu gewinnen“.474 Doch kamen die Reaktionen auf Kästners „Diagnose“ nicht aus München, sondern aus Regensburg.

In Regensburg trat bald nach der ersten Augsburger Ausstellung der junge Philosophiestudent Elmar Schwabenbauer ans Licht der Öffentlichkeit. Als Reaktion auf die Augsburger Ausstellungsrezeption warb er ab 1946 für die moderne Kunst, indem er mit Unterstützung des Regensburger Bürgermeisters Titze die zum großen Teil bereits in Augsburg vorgestellten Werke im Kunst-

470 Zitat: „Wahrscheinlich wird man Augsburg später mal darum beneiden, daß sich hier beherzte Männer fanden, die mit den neuesten Regungen der Malerei bekanntmachen, mit Bildern so kühner Art, wie man sie sonst allein in führenden Weltstädten zu sehen bekommt.“, Roh, Franz: Die neue Malerei und ihre Widerstände, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947; 471 Vgl. Finckh 1986, 77; 472 Dies geht aus einer Augsburger Umfrage über moderne Kunst im Anschluss an die Ausstellung hervor. Als Trost über dieses Unverständnis besann man sich auf die Jugend vor 25 Jahren, deren sich für Kirchner, Klee, usw. interessierende Kreis, ebenso nur eine „kleine Elite“ gewesen war, vgl. Eckstein, Hans: Eine Antwort der Jugend. Münchner Künstler stellen in Regensburg aus, in: SZ, 08.03.1946, 9; 473 Vgl. Eckstein, in: SZ, 08.03.1946, 9; 474 Eckstein, in: SZ, 08.03.1946, 9; 129

und Gewerbeverein Regensburg ausstellte.475 Hinzu kamen vier weiterer Künstler aus München: Edgar Ende, Rupprecht Geiger, Willy Jaekkel und Walter Teutsch. Die rege Ausstellungstätigkeit von Elmar Schwabenbauer wurde auch 1947 in Presseberichten registriert. Schwabenbauer setzte in diesem Jahr seine Pläne für eine „neue“, kleine Kunsthalle in einem Pavillon des Regensburger Stadtparks um und zeigte Wechselausstellungen zur modernen deutschen Kunst.476 Dank vieler Leihgaben aus öffentlichen Galerien, aus dem Kunsthandel und Privatbesitz wurden hier Werke von Künstlern präsentiert, die in der damaligen modernen deutschen Kunstszene als „führend“ galten.477 Gezeigt wurden Beckmann, Marcks, Nolde oder Rohlfs sowie die Münchner Künstlerschaft mit Arnold Balwé, Karl Caspar, Edgar Ende, Gerhard Fietz, Xaver Fuhr, Otto Geigenberger, Ernst Geitlinger, Fritz Harnest, Adolf Hartmann, Karl Kunz, Anton Lamprecht, Remigius Netzer, Thomas Niederreuther, Richard Ott, Rudolph Schlichter oder Adolf Vogel.

Neben dem Regensburger Engagement fielen ab 1946 auch andere Institutionen durch ihre modern orientierten Aktivitäten auf. Beispielsweise der Kulturkreis Chiemgau in Prien 1946, der Werke von Karl Caspar, Arnold Balwé, Walter Brendel, Karl Meisenbach, Fritz Harnest, Willi Geiger, Erich Glette oder Adolf Vogel präsentierte.478 Auch Traunstein reagierte mit einer Ausstellung der Gruppe Der Rote Reiter 1946 auf das damals geltende Desiderat nach moderner Kunst. Wie der Gruppenname erahnen lässt, spielte die Gruppe zwar mit der Assoziation zum Blauen Reiter, setzte sich jedoch deutlich davon ab.479 Tatsächlich bezieht sich ihre Gruppenbenennung auf die lokale Tradition des Traunsteiner St.Georgs- Ritt. Der Zusammenschluss erfolge kurz nach dem Krieg durch einige Caspar-Schüler, die sich offenkundig mit den zeitgenössischen Problemen der Malerei befassten. Bestätigt wurde dies durch das Gruppenprogramm, indem es in erster Linie entgegen dem „photographischen abkonterfeien der natur“ um die Unabhängigkeit der Farbe und der Form ging, um die Darstellung von Bildinhalten „hinter den dingen des daseins“, was den expressiv-realistischen Bildern der gemäßigt modernen Caspar- Schule entsprach.480

475 Vgl. in: SZ, 08.03.1946, 9; 476 Vgl. Eckstein, Hans: Pflege moderner Kunst in Regensburg, in: SZ, 10.06.1947, 5; 477 Vgl. Eckstein, Hans: „Kunst mit neuen Augen“ in Regensburg, in: SZ, 16.09.1947, 3; 478 Vgl. Eckstein, Hans: Junge Kunst in Chiemgau, in: SZ, 24.09.1946, 5; 479 Vgl. Leonhard, Kurt: Der Rote Reiter, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 110; 480 Vgl. Ausstellungskatalog: Ausstellung moderner Malerei Graphik Plastik. Künstlergruppe ROTER REITER, Traunstein 1946; 130

Neben Traunstein ist eine Ausstellung der Künstlergilde Ammersee hervorzuheben. Dieser Verband widmete sich der „Förderung der modernen Kunst gegen alle Widerstände im Publikum und innerhalb der Künstlerschaft selbst“481. Sein Kampfgeist war bezeichnend für einen derart kleinen Ort. Auch im Landsberger Rathaus wurde bereits 1946 eine Ausstellung mit verschiedenen modernen Malern, so zum Beispiel eine größere Kollektion des sich an Beckmann orientierenden Künstlers Johann Mutter sowie abstrakten Kompositionen von Fritz Winter gezeigt.482

Betrachtet man diese ersten Ausstellungen in der Region im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Städtischen Kunstpolitik in München so wird klar, dass sich vor allem Augsburg mit seinen modernen Bestrebungen progressiver verhielt als die Münchner Stadtpolitik. Vergleichbare Ausstellungen wurden in München erst ab 1947, mit den Werken aus der Neuen Gruppe in der Städtischen Galerie oder aber in der genannten Ausstellung „Bayerische Kunst der Gegenwart“ in den staatlichen Räumen der Neuen Sammlung gezeigt. Provokative „publikumsfremde“ Kunst, zu der beispielsweise der Rote Reiter in Traunstein aufrief, wurde durch die Stadt, auch in den Jahren danach, lediglich innerhalb der stilpluralistischen Gemeinschaft der Neuen Gruppe ausgestellt.

Der städtische Konservatismus dominierte jedoch nicht nur in der Ausstellungspolitik. Er zog sich auf mehreren Ebenen, als nächstes Beispiel sei die öffentliche Kunstförderung genannt.

4.3. Öffentliche Kunstförderung: Ankäufe und Kunstpreise

An die Wichtigkeit städtischer Kunstförderung wurde unmittelbar nach 1945 kaum gedacht. Wiederaufbaumaßnahmen und die Reorganisation der Kulturstätten standen im Vordergrund. Eine offizielle Abhilfe schuf erst der Deutsche Städtetag, der ab 1946 die Kunstpflege „als eine alte Verpflichtung der deutschen Städte wieder als Programmpunkt in die Leitsätze zur kommunalen Kulturarbeit“ aufnahm.483 Die Vergabe der geringen Mittel erfolgte vor allem für den städtischen Kunstankauf

481 Vgl. SZ, 13.12.1946, 3; 482 Vgl. SZ, 13.12.1946, 3; 483 Vgl. Kuhnt, Günther: Deutsche Kunstpreise 1946-1956. Eine dokumentarische Übersicht, hrsg. vom Deutschen Kunstrat, Köln 1957, 4; 131

und für die Vergabe von Kunst- und Kulturpreisen, anhand derer sich die Vorlieben der Stadt nach außen repräsentierten.484

Bei der Betrachtung der wenigen Quellen zur städtischen Ankaufspolitik fällt vor allem eine starke soziale, weniger aber ein qualitative Kaufkomponente auf.485 Zwar wurde diese Verfahrensweise schon früher durch Bürgermeister Küffner im Jahre 1924 und später dann beim deutschen Städtetag 1952 durch rein qualitative Richtlinien beim Ankauf zu verhindern versucht486, doch zwang die eingangs erläuterte Realität der Nachkriegszeit zu Maßnahmen, die vorrangig einer Minderung der sozialen Not galten und nicht dem Kauf bereits etablierter Kunst, die zudem sehr teuer war. Demnach reagierte die Stadt vor allem auf die vielen Hilferufe der Künstler, wodurch die Qualität der städtischen Sammlungen nach 1945 zu leiden hatte.487 Hinzu kamen die Ankaufsvorschriften der Stadt, welche einer Genehmigung durch den Kulturausschuss vorsah, der wiederum der preiswerteren Kunst von eher unbekannten lokalen Künstlern und Kunstgewerbebetreibern den Vorzug gab.488 Dies bestätigt auch ein Artikel der Süddeutschen Zeitung, in dem der städtische Ankauf von unbekannten Werken aus der Jahresausstellung des Schutzverbandes Bildender Künstler in der Städtischen Galerie gelobt und auf die sozialen Entscheidungskriterien beim Kauf hingewiesen wird.489 Es war die Zeit des Sparens, in der die Museumsankäufe einer expliziten Rechtfertigung bedurften und man gezwungen war gesellschaftskonform zu agieren, so dass sich für die Stadt keine Risikobereitschaft hinsichtlich des Ankaufs „extremer Kunstrichtungen“ ergab. Hinzu kam, dass in der Ankaufskommission vor allem konservative Persönlichkeiten, darunter auch einige Vertreter der

484 Vgl. hierzu auch Krauss 1985, 53; 485 Vgl. hierzu v.a. vor allem die zitierten Originalquellen von Rümann bei Krauss 1985, 215, 216; 486 „Bei Ausstellungen und Ankäufen von Bildwerken entscheidet der künstlerische Wert des Werkes, nicht die wirtschaftliche Lage des Künstlers“, so das Ergebnis des Deutschen Städtetags vom 18./19.01.1952, Abschnitt VI, Nr.40; vgl. hierzu Krauss 1985, 215; 487 Dazu ein kritisches Zitat: „... es werden soziale und nicht künstlerische Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt ... Man entrüstet sich über die scheinbar so geringen Unterstützungen durch die oeffentliche Hand, ohne einzusehen, daß diese eine moralische Rechtfertigung für ihre Hilfe niemals in einer hohen Mitgliederzahl, sondern allein in qualitativ hochstehenden Leistungen sehen kann ... Man erwiese unserem Kulturleben einen schlechten Dienst, gäbe man ihm jetzt aus sozialen Erwägungen heraus abermals eine schlechte, ungesunde Kulturwährung.“, PAN: Die Elite der kleinen Zahl! Soziale oder kulturelle Förderung? Ein Kommentar zur Lag, in: SZ, 17.07.1948, 5; derartige Kritik ging auch von Seiten der Direktion der Städtischen Kunstsammlung hervor, vgl. auch Krauss 1985, 216; 488 Vgl. Krauss 1985, 216; 489 Vgl. Nemitz, Fritz: Malerei und Gewerkschaft, in: SZ, 07/08.10.1950, 4; 132

traditionellen Künstlerschaft saßen, so dass der Ankauf vornehmlich gegenständlicher, allenfalls der gemäßigten Münchner Moderne, mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber nicht gegenstandsloser Kunst galt. Letztere wurde lediglich in ihrer historischen Bedeutung als ankaufswürdig empfunden, „als Zeuge bestimmter Kunstentwicklungen“, die in der Städtischen Galerie ihre Rechtfertigung hätte finden können.490 Wie die gesamte städtische Kunstpolitik wurde auch die städtische Ankaufsproblematik von Seiten der Presse wie auch von Anhänger der Moderne kritisiert. Dass die Stadt nicht einmal ein Bild von Paul Klee besaß, geschweige denn ein modernes Werk im Rathaus hängen hatte, missfiel den Kritikern moderner Kunst.491

Ein wenig aufgeschlossener verhielt sich im Vergleich dazu der Staat, was aus den Neuerwerbungen für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aus dem Zeitraum 1945 bis 1950 ersichtlich wird. Vor 1945 standen sie im Schatten der Schätze der Pinakotheken. Hinzu kam, dass aufgrund des mangelnden Interesses an moderner Kunst seitens der zuständigen Ankaufkommission vor dem Krieg und natürlich auch aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit bis dato kein bedeutungsvoller Sammlungsaufbau existierte.492 Umso erstaunlicher erscheint, dass die Sammlung nach 1945 innerhalb kurzer Zeit sehr schnell an Bedeutung gewann, was dem Initiator Eberhard Hanfstaengl zu verdanken war. Mit dem Ziel „die große Lücke, die zwischen 1933 und 1945 im Ausbau der zeitgenössischen Kunst eingetreten war, auszufüllen und zu versuchen, die Einbußen, die eine unverständige Kunstpolitik gebracht hatte, nach Möglichkeit auszugleichen“493, wurden nach 1945 neben den Werken aus dem Blauen Reiter vor allem Werke der modernen Münchner Tradition mit der Caspar-Schule, Einzelgänger wie Ernst Geitlinger, Xaver Fuhr, Edgar Ende, sowie die „extremen“ Richtungen mit Willi Baumeister, Fritz Winter und Conrad Westphal angekauft.494 Der Ankauf eines „ Eidos“-Bildes von Willy Baumeister im Jahre 1950 stellte zu diesem Zeitpunkt noch eine Ausnahme dar. Fritz Nemitz sprach in diesen

490 Vgl. Krauss 1984, 217; 491 So der Maler Richard Ott, der die eben genannten Punkte öffentlich in der SZ kritisierte, vgl. Ott, Richard: „Vernissage ...“, in: SZ, 10.09.1949, 6; 492 Vgl. Schulz-Hoffmann, Carla: Die Staatsgalerie moderner Kunst, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 187; 493 Vgl. Ausstellungskatalog: Neuerwerbungen zeitgenössischer Malerei und Plastik 19451950, Bayerische Staatsgemäldesammlung, München 1951, 3; 494 Vgl. Krauss 1985, 217; 133

Zusammenhang von der „Zone des Problematischen“, jedoch zeugte der Ankauf von der allmählich staatlichen Anerkennung abstrakter Kunst.495 Betrachtet man die damals aktuellen Kunstankäufe aus heutiger Sicht, so schienen diese durch ein geschicktes Auge für die sich in Zukunft bewährenden Künstler ausgewählt. Sie wurden in einer Zeit vollzogen, in der „die Ankäufe aus Staatsmitteln von Werken der bildenden Kunst ... sehr beschränkt“ gewesen waren und „die Finanzlage des Staates nicht mehr wie früher eine großzügigere Förderung“496 vornehmen konnte, so dass es auch hier keinen Spielraum für Experimente in der musealen Ankaufspolitik gab. Das positive Ergebnis dieser Ankäufe, bei deren Auswahl „reiches Wissen mit wahrem Zeitinstinkt und Qualitätsgefühl“ zusammentrafen, hatte deshalb auch Franz Roh zu würdigen gewusst: „Hat man hier mit Marc die sogenannte „absolute Malerei“, die heute im Brennpunkt der Diskussion liegt, in ihren Anfängen, so zeigt das schöne, große Bild von Willy Baumeister deren heutigen Stand, womit den ewigen Zauderern also kundgetan sei, dass nun auch diese Form des Ausdrucks sozusagen staatlich anerkannt sein dürfte.“497 Die staatliche Anerkennung von Kunstwerken, deren Zukunft zum Teil noch nicht gesichert schien, bedeutete für die zu jener Zeit in Diskussion stehenden Künstler, die so bitter nötige Aufmunterung und widerlegte die „Legende, daß es mit der Kunst der Gegenwart ‚zu Ende’ sei.“498 Wie im Nachhinein die mutige Ankaufspolitik von Eberhard Hanfstaengl bewies, widerspiegelten die Neuankäufe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine damals nur von einem kleinen Kreis empfundene „ästhetische Situation der Gegenwart“.499 Eine künstlerische Gegenwart, die damals lediglich im privaten Kunsthandel Unterstützung fand dort nicht nur gefördert und moralisch unterstützt, sondern auch verkauft wurde, zum Beispiel an Hanfstaengl für die Staatsgalerie. Das daraus resultierende staatliche Vertrauen in das Engagement und die Risikobereitschaft der lokalen Kunsthändler zeugt von einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Staat und dem privaten Kunsthandel, die bis heute wirkt. Wie aus dem zeitgenössischen Ausstellungskatalog zu den Neuerwerbungen der Staatsgalerie hervorgeht basiert ihr Ruhm auf Ankäufe von Bildern aus privaten

495 Vgl. Nemitz, Fritz: Die Neuerwerbungen der Staatsgalerie, in: SZ, 02.02.1950, 10 sowie Roh, Franz: Neuerwerbungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.9, 1950, 321ff; 496 Schreiben Dr. Keims an Herrn Brockmann vom 5.10.1948, BHStA MK 51464; 497 Roh, Franz: Neuerwerbungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, in: Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.9, 1950, 312/313; 498 Vgl. Nemitz, in: SZ, 02.02.1950, 10; 499 Röthel, Hans Konrad: „Neuerwerbungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, in: Kunstchronik, 1950, 37-38;; 134

Galerien wie die von Günther Franke und Otto Stangl500; ebenso wie durch Stiftungen und Vermächtnisse. Beispielsweise wurde ihr ein Großteil der heutigen Beckmann- Sammlung durch die Stiftung Günther Frankes zuteil. 501

Zeigten sich die staatlichen Entscheidungsträger an dieser Stelle offen gegenüber moderner Kunst, so wirkten sie an anderer Stelle gehemmt. Dies offenbarte sich zum Beispiel als Kulturminister Fendt, die Forderung aussprach „... qualitativ hochstehende moderne Kunst in nicht zu umfangreichen Darbietungen wirksam werden zu lassen ...“, weil er in dem durch die Münchner Künstlerschaft selbst verwalteten Ausstellungssystem, ansonsten „unkollegialen Eifersüchte“ innerhalb der Gruppen vorausahnen sah.502 Dass die Münchner Künstlerschaft demnach nicht nur auf die Stadt, sondern auch auf den Staat Einfluss nahm, zeigen zudem die Zuschüsse zur Pflege und Förderung der bildenden Kunst, die auf Weisung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus durch die Bayerische Staatshauptkasse München zu tilgen waren. Auch sie waren nicht frei von einer rückwärtsgewandten Förderpolitik, wurden doch noch im Jahr 1950, 3000 DM an die Direktorin der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zum Ankauf von Kunstwerken aus der Kunstausstellung der Gruppe Gerhardinger angewiesen einer Gruppe, die mit Abstand die traditionellste unter den Münchener Künstlerorganisationen war.503

Ähnliche Beobachtungen wie in der Ankaufspolitik lassen sich auch hinsichtlich der Vergabe von Kunstpreisen feststellen. Städtische Kunstpreise gab es vielerlei. Die Vergabe begann ab 1946 und erfolgte zunächst als Hilfsmaßnahme gegen die Not der Kulturschaffenden. Zudem diente sie der repräsentativen Würdigung eines Künstlers, dessen Werk durch einen im Lebenslauf notierten, ansehnlichen Kunstpreis wie heute einen steigenden Wert erhielt.504 Grundsätzlich reichte die Vergabe von regionalen Preisen, über

500 Vgl. Ausstellungskatalog: Neuerwerbungen zeitgenössischer Malerei und Plastik 19451950, Bayerische Staatsgemäldesammlung, München 1951; Zum andere wurden der Staatsgalerie im Laufe der Jahre sämtliche Werke gestiftet oder vermacht. Beispielsweise wurde ihr ein Großteil der heutigen Beckmann- Sammlung durch die Stiftung Günther Frankes zuteil, vgl. Schulz-Hoffmann 1989, 188f; 501 Vgl. Schulz-Hoffmann 1989, 188f; 502 Siehe Eckstein, Hans: München und seine Kunstprobleme, in: SZ, 19.04.1946, 6; 503 Dies belegen die Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, so deren Schreiben an die Bayerische Staatshauptkasse München vom 15.02.1949 und 15.03.1950, BHStA MK 51575; 504 Zitat: „Kunstpreise als Ermutigung und Auszeichnung gab es wieder ab 1946“, vgl. Trier, Eduard: „Wie wir Künstler angefangen haben ...“, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines 135

städtische bis hin zu privaten Preisen von Institutionen, die wiederum in Verbindung mit dem Staat oder den Städten standen.505 Sie wurden in unterschiedlich zeitlichen Abständen und hohen Dotierungen vergeben, für das Gesamtwerk eines Künstlers oder aber für ein einzelnes Werk. In der Regel waren es Geldpreise, Ehrenpreise in Form von Medaillen oder Förderpreise in Form eines Stipendiums, das Idealerweise für vor allem an jüngere Künstler vergeben wurde.506

Der Kunstpreis der Stadt München wurde erstmals wieder 1947, anlässlich der Münchner Kunstwochen, verliehen.507 Die Auszeichnung erfolgte zweimal im Jahr durch einen vom Kulturreferat der Stadt berufenen Kulturbeirat: einmal für Malerei und Graphik und einmal für Plastik und Architektur. Erst 1957 wurde der Kunstpreis in 5 Förderpreise für Malerei, Plastik, Architektur, Musik und Literatur unterteilt. Die Preisverleihung galt dem Gesamtwerk eines Künstlers. Es handelte folglich um „Seniorenpreise“. Und wie die Überprüfung der Preisträger offen legt, fanden die Werke jüngerer Künstler tatsächlich keine Berücksichtigung. Der Preis wurde an Künstler vergeben, „... deren geistiges Gesamtschaffen vom künstlerischen Wesen Münchens und seiner kulturellen Tradition befruchtet wurde ...“.508 Künstler mit progressiven Absichten und Orientierungen waren folglich nicht angesprochen. Angefangen mit Maria Caspar-Filser 1947, Oskar Coester 1948, Josef Achmann 1949, Willi Geiger 1950, Hugo Troendle 1951 bis hin zu Ludwig Bock, Karl Arnold 1952 und Adolf Hartman 1953 waren die Preisträger stets aus einer der drei großen Münchner Künstlerorganisationen.509 Was die städtische Kunstpolitik innerhalb ihrer Ausstellungspolitik begann, wurde somit in der Vergabe ihres Kunstpreises fortgeführt: die Förderung der traditionell orientierten Werke aus der Münchner Künstlerschaft. Umgekehrt zeigen die

Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger, Ekkehard Mai und Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 171; 505 Vgl. Kuhnt 1957; 506 Vgl. Andritzky 1962, 7; 507 Er wurde 1936 eingeführt, jedoch aufgrund der Wirren des Krieges im Jahre 1944 unterbrochen. Die Höhe des Preises lag 1947 je Gruppe bei RM 2500,-, 1948-1955 bei je DM 1500,- und ab 1956 bei je DM 3000,-, vgl. Andritzky 1962, 73; 508 Zitat: „Die Preisträger mussten deutscher Abstammung sein und mindestens 5 Jahre in München künstlerisch tätig gewesen sein.“, Andritzky 1962, 73; Vergleichbare Lokalbindung gab es auch in Berlin. Ähnlich wie in München wurde der „Kunstpreis Berlin“ nur an in Berlin lebende und wirkende Künstler verliehen, doch waren die Preisträger im Vergleich zu den Münchenern von fortschrittlicherer Natur. Der genannte Preis ging 1950 an Hans Hartung, Werner Heldt, Hans Jaenisch und Wolf Hoffmann, 1951 an Theodor Werner, Alexander Camaro und 1952 an Karl Schmidt-Rottluff und Woty Werner, vgl. Andritzky 1962, 41 sowie Die Kunst und das Schöne, Nr.10, 1950, 7; 509 Vgl. Krauss 1985, 212-215, 219-220; 136

Preisverleihungen die Vorstellungen des Stadtrates, was für München als förderlich angesehen war. Gefördert wurden Künstler, deren Werke ohnehin auf jeder öffentlichen Kunstausstellung in München zu sehen waren. Die Würdigung moderner Künstler erfolgte erst 1957 mit der Verleihung des „Kunstpreises der Stadt München“ an Rolf Cavael; lange nachdem die Gruppe ZEN 49 den Boden für die abstrakte Kunst in Deutschland geebnet hatte. Die Verleihung der Kunstpreise nach 1945 bestätigt noch einmal die geringe Risikobereitschaft der Stadt, sich neuen Positionen zu öffnen und bestätigt bis heute das von Franz Roh definierte „Trägheitsgesetz unseres Seelenlebens“, das stets erst einige Jahre benötigt, um den Geist der Zeit verständnisvoll zu akzeptieren. Wie reaktionär die Kunstförderung der Stadt München war, wird noch deutlicher, wenn sie mit Preisverleihungen anderer deutscher Städte gegenüber gestellt wird. Beispielsweise galt der Kunstpreis junger Westen der Stadt Recklinghausen lediglich den nach 1905 geborenen, jungen und somit noch suchenden Nachwuchskünstlern, ohne Anspruch auf ein Gesamtwerk.510 Die erste Verleihung im Bereich Malerei im Jahr 1948 ging an die damals mehr als minder abstrakt arbeitenden Künstler Karl-Otto Götz, Emil Schuhmacher und Heinrich Siepmann, 1950 dann an Hubert Berke und Hans Werdehausen und 1951 an H.A.P. Grieshaber; an Künstler, deren Namen in sämtlichen Publikationen zur modernen Kunst in der Nachkriegszeit aufgenommen wurden. Auch die Kunstpolitik der Städte Köln und Düsseldorf fielen durch eine liberale, Neuem gegenüber offen stehende Haltung auf: Zum einen wurden die Vergabe der Kunstpreise hier nicht auf Lokalkünstler begrenzt die Künstler mussten lediglich deutscher Herkunft und „lebend“ sein.511 Zum anderen entsprach die Auswahl der Kunstpreisträger dem Zeitgeist, in welchem gegenseitige Befruchtung durch internationale Strömungen zum Ausdruck kam und nicht wie in München nur ein traditionelles Pflichtbewusstsein. So war der erste Kunstpreis der Stadt Köln für Malerei ausschließlich der gegenstandslosen Kunst gewidmet war er ging 1952 an E.W. Nay und Georg Meistermann, während der Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf 1948 an Hubert Berke und Arthur Erdle und 1950 an Bruno Goller und Arthur Buschmann verliehen wurde.

Der Grund für die unaufgeschlossene Förderpolitik der Stadt München lag nicht zuletzt an der personellen Kontinuität der konservativen Kräfte der Stadt. Die Konventionalität der Förderung durch die im Stadtrat sitzenden

510 Andritzky 1962, 81; 511 Zum „Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf“ sowie dem „Kunstpreis der Stadt Köln“, vgl. Andritzky 1962, 48, 68; 137

Entscheidungsträger wurde dementsprechend von der Presse kritisiert, etwa bereits im Zusammenhang mit der ersten Preisverleihung der Stadt anlässlich der Münchner Kunstwochen 1947, zu der es nachträglich hieß: „München ist ... in Gefahr, vor lauter Selbstgefälligkeit die Selbstkritik zu verlieren. Auch das Wort „weltweit“ wie es ... für München beansprucht wurde, entspricht dem zur Zeit in München herrschenden Kulturklima nicht.“512

Weit Aufsehen erregender als die Preisverleihungen der Stadt wurde in München deshalb eine von der amerikanischen Militärbehörde ausgehende Verleihung zum Deutschen Kunstpreisausschreiben 1949 empfunden. Sie zog zahlreiche Interessenten an, die Gefallen an der modernen zeitgenössischen Kunst fanden.513 Der Preis war überregional und wurde nebenbei bemerkt nicht in der zusammenfassenden Publikation zur deutschen Kunstpreisverleihung 1945-1961 erwähnt.514 Gemeint ist der auf Initiative von Mr. Blevin Davis veranlasste und von dem damaligen Direktor des Münchner Amerika-Hauses, Stefan Munsing, organisierte Blevin-Davis-Kunstpreis.515 Er wurde in Verbindung mit einer anschließenden Ausstellung ausgesetzt516, würdigte 10 Preisträger und war insgesamt mit 16 500 DM sehr hoch dotiert.517 Ausgeschrieben für Künstler unter 40 Jahren, wurden hier insgesamt aus 3700 Bilder, aus allen vier Zonen Deutschlands, von einer „hochkarätigen internationalen Jury“518 mit Max Huggler aus Bern, M. Jean Leymarie aus Paris, H.L.C. Jaffé aus Amsterdam, Henry Varnum Poor aus den USA und Ludwig Grote, Werner Haftmann, Hans Konrad Röthel, Ernst Günther Troche, Ewald Mataré und Willi Baumeister aus Deutschland ausgewählt.519 200 davon konnten in der anschließenden Ausstellung des Münchner „Central Art Collecting Point“ besichtigt werden. Die Auswahl unter den zahlreich eingesandten Werken lässt dabei schon die prominente Jurorenliste erahnen, waren hier doch überwiegend der zeitgenössischen gegenstandslosen Kunst aufgeschlossenen Persönlichkeiten am

512 Dahl-: Kleine Kunstwochenkritik, in: SZ, 05.08.1947, 3; 513 Zitat Grochowiak: „Man pilgerte damals en masse gespannt und hungrig nach Kunst per Anhalter oder sonstwie nach München wie später zur documenta.“, Grochowiak 1991, 181; 514 Vgl. Kuhnt 1957 sowie Andritzky 1962; 515 Vgl. hierzu den Artikel von Heimendahl, Adriane: Der Magier/ Bemerkungen zu einem abstrakten Bild, in: SZ, 18./19.03.1950, 6 sowie Siemer, L.: Großes Kunstpreis- Ausschreiben 1949, in: Der Kunsthandel, Nr.4, 1950, 17-18; 516 Vgl. hierzu den Artikel von Eckstein, Hans: Malerei der jungen Generation, in: SZ, 01.03.1950, 3; 517 Vgl. Ab.: Entscheidungen im Maler-Wettbewerb, in: SZ, 11./12.02.1950, 6 sowie Grochowiak 1991, 181; 518 Grochowiak 1991, 181; 519 Vgl. Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.7, 1950, 254f.; 138

Werk. Man wählte ausschließlich Künstler unter 40 Jahren und vor allem jene, deren Arbeiten sowohl den gegenstandslosen oder abstrahierenden Bestrebungen der jungen Malergeneration als auch von der Jury als zeitgemäß und somit förderungswürdig empfundene Ausdrucksform entsprachen. Die Entscheidung der Jury für moderne, gegenstandslose Kunst ging offensichtlich mit der Auffassung moderner Kunst seitens der Militärregierung konform, was eine bei Frosch zitierte Quelle sichtbar macht: „Consequently, the more talent participants of the contest are more and more inclined to follow the abstract trend of arts. The soft, undertermined and pictorial form has lost ground considerably.“520 Die Preisträger waren beispielsweise Max Beckmann, Karl Otto Götz, Thomas Grochowiak, Walter Klose, Werner Schultze oder H.A.P. Grieshaber.521 Der erste Preis à 4200 DM sowie einer Reise nach Amerika ging an das Gemälde „Der neue Adam“ von Georg Meistermann einer „symbolischen abstrakten Malerei in Öl“522, welche als Beginn einer neuen Formensprache gewertet wurde und die zukunftsorientierte Stellungsnahme des Amerika-Hauses offenbart.523 Insgesamt betrachtet spiegelte die Wahl Meistermanns sowie der gesamte Wettbewerb an sich, die progressive Kunstpolitik der Alliierten wider. Ihr Anliegen war eine Kunstförderung über das lokale Bestreben hinaus, der gesamtdeutschen und internationalen modernen Kunstentwicklung sowie dem Austausch mit westeuropäischer Kunst. Es galt zudem einer gezielten Vermittlungsarbeit und dem Versuch auch das verständnislose Publikum für neue Tendenzen zu gewinnen bzw. „to stimulate public enthusiasm for the understanding and the appreciation of contemporary art in .“524 Diese Kriterien lagen auch den Kunstpreisverleihungen zu Grunde Kriterien, die von Seiten der Stadt offensichtlich nicht in Betracht gezogen wurden und somit die

520 Zitat aus einem „Report on the German Art-Contest 1949“, Archiv Stefan Munsing, Washington, zitiert bei Frosch 1992, 34; 521 Zitat: „Der Blevin-Davis-Wettbewerb war nur für Künstler unter 40 Jahren ausgeschrieben. Faßbender, Jahrgang 1903, konnte dabei nicht teilnehmen. Teilnehmer und Preisträger waren Trökes und Bachmann damals Halle; Götz und Schultze nahmen zwar teil, waren aber nicht unter den Preisträgern, ebenso wie Grieshaber ...“, Hann Trier, in: Straka/ Suermann 1983, 273; 522 Vgl. hierzu Ab.: Entscheidungen im Maler-Wettbewerb, in: SZ, 11./12.02.1950, 6; 523 Die restlichen Geldpreise wurden in absteigender Reihenfolge an Leonhardt Wuellfarth, Max Imdahl, Heinz Trökes, Arthur Fauser, Gerhard Fietz, Hann Trier, Wilhelm Neufeld, Hermann Bachmann und Rudolf Scharpf verliehen, vgl. Ab.: Entscheidungen im Maler-Wettbewerb, in SZ, 11./12.02.1950, 6 sowie Die Kunst und das Schöne Heim, Nr.7, 1950, 254f.; 524 File concerning „German Art Competition for the International Cultural Endowment“ to Mr. Louis Miniclier, Chief Cultural Affairs Branch OMGB, Archiv Stefan P. Munsing, Washington, zitiert bei Frosch 1992, 34; 139

Bedeutung der amerikanischen Kulturpolitik verstärkt in den Vordergrund treten lässt.

4.4. Resümee

Aus der Betrachtung der öffentlichen Kunstpolitik in den Jahren 1945 bis ca. 1953 lässt sich resümierend folgendes festhalten: Erstens eine zunächst auf Demokratisierung und Entnazifizierung zielende Kunstpolitik der amerikanischen Alliierten, innerhalb deren „re-education- program“ vor allem die neuesten und progressivsten Tendenzen in der Kunst gefördert wurden. In historischer Reihenfolge wurden durch Stefan Munsing zunächst die abstrakten Entwicklungen der Vorkriegszeit präsentiert und wenig später die ungegenständlichen Tendenzen der ZEN 49- Mitglieder protegiert. Verständigungsprobleme zwischen schwer zugänglichen Kunstrichtungen und dem Publikum, wurden durch pädagogische Lehrveranstaltungen aus dem Weg zu räumen versucht. Zudem bildete das Amerika-Haus München neben dem privaten Kunsthandel ein wichtiges Forum für die moderne Kunstszene und beschleunigte den Anschluss an internationale Kunstentwicklungen.

Zweitens eine an der Westanbindung und Europäisierung interessierte staatliche Kunstpolitik. Deutlich wurde dies vor allem durch die Unterstützung internationaler Kunstausstellungen, aber auch in den Ankäufen moderner Kunst durch die Bayerischen Staatgemäldesammlungen. Gekauft wurde auch die damals umstrittene abstrakte Kunst. Der Staat trat somit als Lückenschließer der in der Kunstgeschichte verlorenen gegangenen Werke auf und sorgte für den Aufbau einer modernen Kunstsammlung, auf die München noch heute stolz sein kann.

Drittens eine durchweg an der Münchner Maltradition orientierte und durch insgesamt konservative Persönlichkeiten geführte städtische Kunstpolitik. Sie zeigte sich sowohl im Ausstellungswesen als auch im Bereich der finanziellen Förderungen, die der Pflege einheimischen Kunstschaffens, sprich: der Münchner Atelierkultur und der daran anschließenden neuen Münchner Maltradition der Caspar-Schule verpflichtet waren. Wegbereitenden, progressiven künstlerischen Kräften in München wurde innerhalb dieser lokalen Kunstpflege keine Beachtung zuteil. 140

5. Privatwirtschaftliche Kunstvermittlung

5.1. Allgemeine Aspekte des Kunsthandels

Die Geschichte des Kunsthandels darf wohl zu den ältesten Formen von Kapitalsicherung gerechnet werden. Bereits in der Antike schätzten Griechen wie Römer nicht nur den ideellen, sondern auch den materiellen Wert von Kunstgegenständen. Durch regen Handel wurde der Kulturtransfer vorangetrieben. Dies blieb wenn auch mit unterschiedlichen epochalen Vorzeichen bis heute so.

Eine spezifische, für die vorliegende Arbeit relevante Funktion erlangte der Kunsthandel gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts dort, wo der Schwerpunkt des Handels auf moderne Kunst verlegt werden konnte und er einhergehend mit der Freiheit des Marktes auch eine künstlerische Freiheit garantierte.525

Die Motivation für diesen Wandel gaben die zu jener Zeit neu erwachenden Interessen der Künstler, welche sich zur Durchsetzung ihrer modernen Absichten in Gruppen zusammenschlossen, den erwähnten Sezessionen. Künstlern, die der gängigen Kunstauffassung an den Kunstakademien kritisch gegenüberstanden und nach eigenen künstlerischen Ausdrucksformen strebten, bot die neue Form des Galeriewesens oftmals die einzige Möglichkeit, ihre Werke öffentlich zu präsentieren. Die Unterstützung kam von nur wenigen Galeristen wie auch von einigen der noch jungen Kunstvereine. Kunsthändler traten ab diesem Zeitpunkt als Förderer, Vermittler und auch Vermarkter modernder Kunst in Erscheinung und bildeten somit einen Teil des Dreiecks zwischen den Marktteilnehmern Künstler, Galeristen und Sammler. Beispielhaft verwiesen sei auf die Franzosen Daniel-Henry Kahnweiler oder Ambroise Vollard sowie auf die Deutschen Paul Cassirer Berlin, Alfred Flechtheim Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Köln oder Herwart Walden Berlin.

In München begannen die neuen Entwicklungen des Kunsthandels in den Jahren 1904/1905 mit Eröffnung der Kunsthandlung „Brakl und Thannhauser“. Sie wurde zunächst in Gemeinschaftsarbeit durch Franz Joseph Brakl und Heinrich Thannhauser und ab 1908 dann von Brakl allein als „Brakls Moderne

525 Vgl. hierzu auch Dr.T.: Kunstwandel und Kunsthandel, in: Der Kunsthandel, Nr.2, 1949, 3-5; 141

Kunsthandlung“ geführt.526 Das Programm zeigte neben Werken der Münchner Maltradition vor allem jüngere Nachwuchstalente, u.a. die Mitglieder der Scholle und der Münchner Sezession. Mehr als Brakl bewies Justin Thannhauser, in der 1909 eröffneten „Modernen Galerie“ sein Gespür für neue Formen der modernen Kunst. Neben dem Verkauf von Werken der französischen Moderne von Matisse, Renoir oder van Gogh und den deutschen Sezessionisten, unterstützte er den damals noch unbekannten Picasso und stach als wichtigster Förderer des Blauen Reiters hervor.527 Auch Hans Goltz, vor allem bekannt durch seine buchhändlerischen Tätigkeiten, sei an dieser Stelle genannt. Sein Ausstellungsprogramm umfasste neben den Werken der französischen Moderne, vor allem die der Expressionisten Brücke und Blauer Reiter, mit denen er in die Kunsthandelsgeschichte Münchens einging.528 Verdankt sei diesen Herren, wie auch Georg Caspari und den Kunsthändlern der Vorkriegszeit wie J.B. Neumann („Graphisches Kabinett“) und Günther Franke, dass sich der moderne Kunsthandel zu jener Zeit entwickeln konnte und beinahe bruchlos bis heute als fester Bestandteil der Kunststadt München weiterlebt.

Den großen Bruch innerhalb dieser Entwicklung verursachte auch hier die Kunstpolitik des „Dritten Reichs“, indem einige namhafte, meist jüdische Händler in die Schweiz, nach Frankreich oder New York emigrierten, der Markt für neue Kunst nur mehr im Ausland stattfand.529 Inoffizielle und mit Gefahren verbundene Verkäufe wie sie beispielsweise der Galerist Günther Franke in München weiterhin betrieb, waren selten. Sie ließen die Entwicklung der deutschen Moderne nicht gänzlich stoppen und gaben den Künstlern Hoffnung, die schwere Zeit unter Hitler durchzustehen.

Nach 1945 war es um den Kunsthandel in München, abgesehen von der allgemeinen wirtschaftlichen Depression und Geldentwertung, zunächst schlecht bestellt. Im Vergleich zu anderen Städten wirkte die besonders strenge Handhabung der

526 Vgl. hierzu Meissner, Karl-Heinz: Der Handel mit Kunst in München. 15001945, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 34-43 sowie von Lüttichau, Mario-Andreas: Die Moderne Galerie Thannhauser vor dem Ersten Weltkrieg und der Blaue Reiter, in: ebd. München 1989, 117; 527 Vgl. hierzu Meissner 1989, 44-57 sowie von Lüttichau 1989, 116-129; 528 Vgl. Meissner 1989, 58-67; 529 Thannhauser floh 1937 über die Schweiz und Lissabon nach New York und wagte dort einen Neuanfang; während des Dritten Reichs sollte der Kunsthandel in München nur „optisch gesehen, laut Weisung ‚von oben’, das kulturelle Leben und auch der Handel mit ‚Kulturgut’ weitergehen“, vgl. Keller, Johann: Der Kunsthandel in München einst und jetzt, in: Die Weltkunst, Nr.10, 1958, 13; 142

Amerikaner gegenüber Kunsthändlern eher kontraproduktiv. Langwierige Lizenzierungsprozesse und hohe Steuerauflagen hemmten den Münchner Kunsthandel der ersten Nachkriegszeit, währenddessen den Händlern der französisch und britisch besetzten Zonen keinerlei Beschränkungen auferlegt wurden und der Handel unterstützend vorangetrieben wurde.530 Die Folgen waren die Abwanderung des Kunsthandels in andere Zonen sowie ein florierender Schwarzhandel, an dem auch die Amerikaner beteiligt waren. Im Bereich der Bildenden Kunst bevorzugten sie Kunstwerke zwischen 1850-1900.531 Was man den amerikanischen Alliierten in diesem Zusammenhang jedoch zugute halten muss, war die Wirksamkeit ihres Entnazifizierungsprogramms auch im Kunsthandelsbereich, durch das es zu Ausstellungsverboten von Bildern kam, die den Nazismus, Militarismus oder Nationalismus glorifizierten.532

Insgesamt betrachtet, und nicht zuletzt bedingt durch das Kaufverhalten der Amerikaner, lag der Schwerpunkt des Handels zu dieser Zeit im Kunst- und Antiquitätenbereich. Aufgrund der verminderten Auftragslage an zeitgenössische Künstler publizierte die Zeitschrift „Die Weltkunst“ 1951 einen Artikel zum Thema „Kunsthandel in Gefahr“.533 Eine Verbesserung der schlechten Kunstmarktsituation bewirkte auch nicht die 1948 eingeführte Währungsreform. Führte diese zwar im Herbst 1948 zunächst zu einer ungeahnten Kaufwelle, so bedeutete die einsetzende Geldknappheit am Jahresende eine weitere Verschlechterung.534 Als ein Vertreter für den Handel mit zeitgenössischer Kunst in München beklagte auch der Galerist Günther Franke die

530 Dies geht aus einem Autorenlosen Schreiben vom 28.03.1947 an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus hervor, BHStA MK 51490; 531 Zitat: „In den Zeiten des Schwarzhandels begannen die ersten Tauschgeschäfte mit den Amis gegen Lebensmittel, gegen Zigaretten. Und so begann zaghaft, verständlicherweise meist hinter verschlossenen Türen, ein Getäuschel mit unserer Besatzungsmacht, und dann auch die ersten Verkaufsgeschäfte. Die Amisoldaten bevorzugten Porzellane, alte Steingutkrügel und sogenannte Kunst bzw. Pseudo-Kunst der Zeit zwischen 1850 und 1900. Der humorvolle Antiquitätenhändler Münchens bezeichnete sich damals selbst als „Amiquitäten“-Händler.“, vgl. Keller, Johann: Der Kunsthandel in München einst und jetzt, in: Die Weltkunst, Nr.10, 1958, 14; 532 Dies geht aus einem Formbrief der Economics Devision, Monuments, Fine Arts and Archives Section hervor, BHStA OMGB 13/115 2/5; 533 Zitat: „Der Auftrag von Kunst ist nicht mehr der Mittelpunkt der künstlerischen Bewegung wie in vergangenen glücklicheren Zeiten. Das Hauptgewicht hat sich von schaffender Kunst auf geschaffene Kunst verlegt und damit auf den Handel mit alter Kunst und Antiquitäten verschoben.“, siehe „Kunsthandel in Gefahr“, in: Die Weltkunst, Nr.21, 1951, 2; 534 Vgl. Wilm, Hubert: Zur Situation des Kunstmarktes, in: der Kunsthandel, Nr.9, 1950, 11-12; Wilm vergleicht diese Entwicklung mit jener der Goldmarktumstellung nach dem ersten Weltkrieg, vgl. ebd. 11; 143

schlechte Situation nach der Währungsreform und verwies auf den ungewissen Ausgang aus dieser Situation.535 Die Folge der Währungsreform entsprach einer Auslese innerhalb des damals undurchsichtigen Kunsthandelbetriebs sowie einer Professionalisierung des Berufes des Kunsthändlers wie ein Artikel in der Zeitschrift „Nachrichten für den Kunsthandel“ offen legt: „Die Neuordnung des Geldwesens dürfte den Kunsthändler zunächst härter treffen als alle anderen Zweige der Wirtschaft. Die Zeit der Pseudo-Kunsthändler und ‚Spekulanten in Kunst’ ist vorüber. Kunstwerke werden nicht mehr Anlageobjekt sein. Der Kunsthändler wird den Weg zum Käufer finden müssen. Die Zeitumstände werden manchen privaten Besitzer nötigen, seine Stücke aus der Hand zu geben. Was den Kunsthändler bisher veranlasste, sich über die Vorgänge auf dem Gebiet des Kunsthandels zu unterrichten, war allgemeines Interesse an seinem Beruf. Jetzt aber wird es zur Lebensnotwendigkeit, keine sich bietende Chance auszulassen, die Entwicklung richtig zu urteilen und Fühlung mit der Kunstwelt zu halten.“536

Neben den folgenreichen Problemen der Währungsreform kamen hohe Auflagen hinzu, die in München besonders streng ausfielen: Neben Inventar, An- und Verkaufskarten für Kunsthändler, die hier eine Art Bestandsauflistung aller Kunstgegenstände Folge leisten mussten, legten die Amerikaner den Münchner Händlern eine Lizenzbestimmung537 vor, die auch noch lange nach der durch die Militärregierung angeordneten allgemeinen Gewerbefreiheit 1948 bestand.538 Die Amerikaner erhofften sich dadurch, Kenntnis von unrechtmäßig erworbenen Kunstwerken zu bekommen. Eine offizielle Aufhebung sollte erst 1950 erfolgen: durch die Übergabe der Zuständigkeit des „Central Art Collecting Point“ an den Bund und dessen Restitutionen.539 Bis dahin musste die Lizenz deutlich im Ladenlokal ausgehängt sein, ebenso die auferlegten Ausfuhrbestimmungen, welche die Abwanderung von deutschem

535 Zitat „Wir haben uns kaum von dem schweren Einschnitt, den die Währungsreform für den Kunsthändler, der lebende Kunst pflegt, mit sich bringt, gefaßt und sehen noch nicht einen Ausweg aus der Situation.“, Schreiben Frankes an Sattler vom 05.07.1948, BHStA MK 51491; 536 Pressedienst Graf Blücher, in: Nachrichten für den Kunsthandel, Nr.19, 1948, 1; 537 Vgl. „Anordnung über die Lizenzierung der Kunsthändler“, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11, 1947, 2; 538 Zitat: „Im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft wird darauf hingewiesen, daß nach Anordnung der Militärregierung vom 10.3.1949 die Lizenzierung der Kunsthändler und die Lizenzierung und Kontrolle ihrer Geschäfte gemäß den bestehenden Anordnungen vgl. Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.11/14, 1947 weiter durchzuführen sind“, Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 01.04.1949, BHStA MK 51491; 539 Vgl. Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Regierung vom 05.06.1950, BHStA MK 51491; 144

Kulturgut ins Ausland verhindern sollten beide Einschränkungen waren auf jeder Rechnung zu vermerken.540 Hinzu kam eine extrem lange Bearbeitungszeit der gestellten Anträge, so dass es in den ersten Nachkriegsjahren offiziell nur ein paar wenige Händler gab.541 Daneben mussten hohe Steuern abgegeben werden, der ab 1948 dann noch die Luxussteuer auf Kunstwerke folgen sollte. Dies führte dazu, dass man sich 1950 die Steuerbegünstigung beim Ankauf von Werken lebender Künstler erkämpfen musste.542

Eine aufschlussreiche Zusammenfassung der den Kunsthandel betreffenden Problematik in München nach dem Krieg liefert die Erinnerung von Major Keller: „Die Militärregierung hatte in den ersten Nachkriegsjahren den ernsten Kunsthandel soviel wie unterbunden. Jeder Verkauf eines Objektes über DM 200,- musste mit genauer Angabe über Herkunft und Käufer gemeldet werden. Eine befohlene rigorose Steuerpolitik nahm dann vom Verdienst bis zu 95 Prozent Einkommenssteuer. Und trotz alledem war der Kunsthandel Münchens nicht umzubringen. ....“543 Die strenge Kontrolle des Kunsthandels seitens der Militärregierung zeugt von dem Versuch der Unterbindung des Handels mit Kunst, indem die Amerikaner offensichtlich ein Gefahrenpotential für ihre Umerziehungspolitik erkannten. Wurde doch die Kunst während des Drittens Reichs als Propagandamittel und Bewusstseinsmanipulation der deutschen Bevölkerung genutzt. Major Keller berichtete weiter: „Für ernste Kunst gab es in den ersten Nachkriegsjahren kaum Interessenten, auch konnte und wollte sich der Händler nicht gegen entwertete Reichsmark von bedeutenden Objekten trennen. Die

540 Vgl. Schreiben des „Office of Military Government for Germany U.S., vom 06.12.46, BHStA MK 51490; 541 Die Problematik der Lizenzierung von Kunsthändlern wird durch den zahlreichen Schriftverkehr deutlich, der einen Großteil der Aktenablage des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Bereich des Kunsthandels ausmacht. Nach einem Archivschreiben, das Angaben zur Lizenzierung von der Regierung Oberbayerns enthält, gab es 1947 insgesamt nur zwei nach dem Kunsthändlergesetz lizenzierte Kunsthändler. Insgesamt 230 aktive Kunsthändler wurden ungefähr geschätzt und ca. 800 Kunsthändler hatten Formblättern MG/MFAA/7/F eingereicht, die sehr lange unbearbeitet waren, vgl. Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Militärregierung, Monuments, Fine Arts and Archives Section, Herr Dr. Birkmeyer vom 30.8.1947, BHStA MK 51490; 542 Vgl. Schreiben der Bayerischen Kunst- und Antiquitätenhändler e.V. an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 07.03.1950, BHStA MK 51491 sowie das Schreiben des Verbands Bayerischen Kunst- und Antiquitätenhändler e.V. an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 15.03.1950, BHStA MK 51491; 543 Keller, Johann: Der Kunsthandel in München einst und jetzt, in: Die Weltkunst, Nr.10, 1958, 14; 145

gesamte Handelkapazität war mit Ausnahme der sogenannten Amiware bis zur Geldumstellung eine äußerst geringe. Auch fehlte es in der Stadt an beziehbaren Läden. Erst nach der Geldumstellung wurde die Situation eine bessere.“ Der Mangel an zur Verfügung stehenden Lokalitäten für Kunsthändler wurde bereits ab 1948 vielfach kritisiert. Zum Beispiel von Seiten der Direktion des Bayerischen Nationalmuseums, die den Staat zu einer Verbesserung der Ladensituationen sie kamen notdürftig eingerichteten Fluchtquartieren gleich aufrief. Zudem erinnerte sie an die Verantwortung, die der Staat gegenüber dem Kunsthandel der einstigen „Kunststadt“ hätte und äußerte die Gefahr, „... dass künftig nicht mehr München der Vorort des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels ist, sondern eine Stadt in dem wirtschaftlich aufsteigenden Rheinland. Dies wären ein Schaden für den internatonalen Ruf Münchens und auch ein erheblich materieller Verlust.“544 Denn: „München war ein hervorragendes Zentrum des deutschen und internationalen Kunsthandels. München hat aus dieser hervorragenden Position nicht geringen materiellen Nutzen gezogen. Auch für die Zukunft ist es deshalb von grösster Bedeutung, dass München sich diese Bedeutung wahrt.“545 Wie bereits Major Keller feststellt, lag das Hauptproblem des Kunsthandels jedoch nicht an der mangelnden Hilfe des Staates, sondern eher am geringen Interesse für „ernste Kunst“ sowie am Mangel an Kaufkraft, was noch im Jahr 1951 in einem Artikel der Zeitschrift „Weltkunst“ bestätigt wird: „Die früheren Magnaten, Mäzenen und Sammler stoßen aus wirtschaftlicher Not Kunst aller Art ab ....“546 Was in dem Artikel jedoch nicht berücksichtigt wurde, war die Tatsache, dass viele der früheren Förderer der Kunst Juden waren, die den Krieg nicht überlebten oder am Ort ihrer Emigration verweilten.

Ferner konnte der Handel ähnlich der Situation nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr mit Bilderankäufen durch die Stadt rechnen. Die knappen städtischen Gelder wurden zur Linderung der materiellen Not der Künstler verwendet. Lediglich der Staat trat als öffentlicher Käufer im Kunsthandel auf. Aufbauend auf das Engagement und die Risikobereitschaft der Händler, konnten so wie bereits

544 Schreiben der Direktion des Bayerischen Nationalmuseums Dr. Müller an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus dem Jahr 1948, BHStA MK 51491; Dass die Forderungen dabei auf Gehör stoßen konnten, offenbart eine Genehmigung der Graf Preysing’schen Erbengemeinschaft für eine größere Anzahl Ladenbauten auf dem Gelände des ehemaligen sogenannten Steinburg-Blocks Ottostr. 3a/b, Barerstr.2 u.4, Karlsstrasse 1, vgl. hierzu ein undatiertes Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, BHStA MK 51491; 545 Schreiben der Direktion des Bayerischen Nationalmuseums Dr. Müller an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus dem Jahr 1948, BHStA MK 51491; 546 Siehe „Kunsthandel in Gefahr“, in: Die Weltkunst, Nr.21, 1951, 2, 4; 146

erläutert, Lücken der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen geschlossen und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Staat und Kunsthandel gefördert werden.547

5.2. Münchner privat- und halbprivatwirtschaftliche Initiativen — Informationsquellen moderner Malerei in der unmittelbaren Nachkriegszeit

Wie aus dem letzten Punkt hervorgeht gab es in München nach 1945 zahlreiche Kunsthandelsinitiativen, deren Quantität Marita Krauss in ihrer Publikation zur städtischen Kulturpolitik als nicht erfassbar definiert.548 Dem allerdings widersprechen zahlreiche Ankündigungen in Tageszeitungen, Zeitschriften und Ausstellungskatalogen der Zeit, die Überblick über das vielseitige Bild der Münchner Kunsthandelsszene nach 1945 verschaffen. Rein wirtschaftlich betrachtet lag das Hauptgewicht des Kunstmarktes in München nach 1945 im vergleichsweise risikoärmeren Handel mit Antiquitäten und älterer Kunst, was bereits im letzten Punkt behandelt wurde. Zudem florierte in dieser Zeit der Kunstdruckhandel, so dass München nach 1945 Mittelpunkt des Kunstdruckhandels war ein Blick in die angehängte Ausstellungsliste soll in diesem Punkt genügen.549 Daneben gab es jedoch auch zahlreiche passionierte Kunsthändler für zeitgenössische Kunst, die in Form von privatwirtschaftlichen Kunstgalerien ein Forum für Künstler boten, deren Werke sie in festen Räumlichkeiten ausstellten, verkauften und vermittelten. Das Anliegen der Galeristen war dabei weniger kommerziell orientiert als das der Antiquitätenhändler. Die rege Ausstellungstätigkeit der Galeristen zog nicht nur Käufer der zeitgenössischen Kunst in die Räume der Galerien. Sie waren auch Anlaufstellen für Künstler und Kunstinteressierte, die sich mit den Werken ihrer Zeitgenossen auseinandersetzten wollten.

Zu den bis heute in Erinnerung gebliebenen und auch international anerkannten Münchner Galerien der unmittelbaren Nachkriegszeit zählen die Galerie Günther Franke sowie die Moderne Galerie Otto Stangl. Außer diesen beiden gab es noch

547 Vgl. Museumskatalog: Neuerwerbungen zeitgenössischer Malerei und Plastik 1945-1950, Bayerische Staatsgemäldesammlung, München 1951; 548 Krauss 1985, 54/55; 549 Vgl. Gerold, Karl-Gustav: Visite bei Münchener Kunstdruckhändlern, in: Der Kunsthandel, Nr.9, 1951, 6-7; 147

zahlreiche kleinere Galeristen, die ein modernes Programm vertraten und den Diskurs über zeitgenössische Kunst anregten.

Daneben existierte der Münchner Kunstverein, dessen ursprüngliche Funktion zu Beginn des 19.Jahrhunderts ebenso die „Etablierung eines weiträumigen und schichtenübergreifenden Kunstmarktes“ moderner Kunst gewesen war.550 Als halbprivatwirtschaftlicher Verein soll der Münchner Kunstverein am Anfang der Betrachtung privater Kunstvermittlung in München nach 1945 stehen.

5.2.1. Kunstverein

Der Münchner Kunstverein entstand 1823 auf Anregung mehrer Maler der Münchner Künstlerschaft in Opposition gegen die „diktatorische Kunstpolitik der Münchner Kunstakademie unter den Direktoren von Langer, später Peter v. Cornelius“551. Seine Institution galt „allen bayerischen Künstlern ohne Rücksicht auf Rang, Herkunft und Kunstrichtung“ und charakterisierte sich durch eine emanzipatorische Offenheit im Sinne einer demokratischen Gesellschaftsform. War er doch eine der frühesten Bürgerinitiativen für aktuelle Kunst, konnte er bald auch Kaiser, Könige und Würdenträger höchsten Ranges als Mitglieder verzeichnen. Zudem begleitete er die Anfangserfolge von Spitzweg, Defregger, Grützner oder Thoma und wirkte als Informationsquelle über das Kunstschaffen anderer Länder.552 Während der nationalsozialistischen Zeit hielt er sich mit Angriffen gegen die Juden zurück und war so lange wie möglich offen für jedermann.553 Im Jahr 1944 wurden seine Räumlichkeiten während der Bombenangriffe total zerstört.

550 Grasskamp 1994, 8; zu den Anfängen und der Bedeutung von Kunstvereinen vgl. auch: Felix, Zdenek: Kunstverein München: Die unmittelbare Gegenwart fördern, Hamburg 1988, 111; 551 Abschrift über die Geschichte des Kunstvereins vom ehemaligen Geschäftsführer Hefrat Pixis, in: Schreiben Kuchtners an Regierungsdirektor Dr. Klein vom 14.11 1947, BHStA MK 51575; 552 1909 und 1930 zeigte der Münchner Kunstverein als einziges deutsches Kulturinstitut eine Ausstellung über amerikanische Kunst; 553 Laut Oberlandesgerichtsrat Eberhard Kuchtner hatte der Verein die sog. „bolschewistische“ Kunst während der 12 Jahre generell unterstützt und auch niemals einem Kunst liebenden Juden den Eintritt in die Räume verwehrt, vgl. Schreiben von Kuchtner an Regierungsdirektor Dr. Klein vom 14.11 1947, BHStA MK 51575; 148

Nach dem Zweiten Weltkrieg verwehrte man dem Münchner Kunstverein trotz seiner judenfreundlichen Vergangenheit die Lizenz zu agieren.554 Die erste Neugründungsversammlung des Vereins erfolgte deshalb erst am 19. April 1947555, bei der ein Mitgliederstand auf die alte Höhe von 700 800 angestrebt wurde.556 Gewillt „mit reiner Weste ... in die neue Zeit“557 zu treten, fehlte es ihm jedoch wie allerorts an Ausstellungsflächen. Der Verlust der Räume in der Galeriestrasse welche erst 1953 wieder nutzbar waren558 wurde dem Staat gegenüber als ein „nicht hinzunehmender Verlust für die Kunstpflege“559 Münchens dargestellt, weshalb man dringend um die temporäre Benützung alternativer Räumlichkeiten bat. So beispielsweise um die „gastweise Benützung der nun schon so vielen anderen Organisationen gastlich eröffneten Räume der Neuen Sammlung“560, in denen der Verein die Organisation von Jubiläumsausstellungen namhafter Künstler anstrebte. Letztendlich fanden hier jedoch keine Ausstellungen des Kunstvereins statt. Ein weiteres Problem war die schlechte finanzielle Lage des Vereins, dem einerseits wertvolle Kunstwerke verloren gegangen waren561 und andererseits zahlungskräftige Mitglieder fehlten. Die Gründe für das fehlende Mäzenatentum nach 1945 wurden bereits genannt. Es drohten Personalentlassungen und sogar die Stillegung der Vereinstätigkeit, hätte der Staat nicht auf die Bitten um Zuschüsse „für die Förderung der lebenden Kunst“562 reagiert und die Staatshauptkasse München zur

554 In ganz Deutschland warteten die Kunstvereine lange auf ihre Lizenz. Zur Lizenzierung des Vereinswesens in der Nachkriegszeit siehe Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Inneren, in: Bayerischer Staatsanzeiger, Nr.15, 1947, 2; 555 Die Wahlen ergaben: Karl Ewald Olszweski Kunstmaler als Vorsitzenden des Rates des Kunstvereins/ Hermann Böcker Kunstmaler, Paul W. Ehrhardt, Freiherr Curt v.u.z. Egloffstein, Adolf Fraas, Ernst Haider Kunstmaler und Hans Müller-Schnuttenbach als Mitglieder des Rates/ Eberhard Kuchtner, Anton Sappel und Hans Doß als Mitglieder des Vorstandes, vgl. Schreiben des Oberlandesgerichtsrates Eberhard Kuchtner an den Staatssekretär B. Sattler des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10.09.1947, BHStA MK 51575; 556 Ebd.; 1948 wurden bereits 300 zum Teil namhafteste Maler und Bildhauer notiert, vgl. Schreiben Kuchtners an das Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.12.1948, BHStA MK 51575; 557 Schreiben Kuchtners an Regierungsdirektor Dr. Klein vom 14.11 1947, BHStA MK 51575; 558 Vgl. hierzu F: Münchner Kunstverein wiedererstanden, in: Weltkunst, 1953, 22, 11; 559 Schreiben Kuchtners an den Staatssekretär B. Sattler des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10.09.1947, BHStA MK 51575; 560 Schreiben von Kuchtner an Regierungsdirektor Dr. Klein vom 14.11 1947, BHStA MK 51575; 561 Es wird darauf verwiesen, dass zahlreiche Bilder, die der Akademie zur Verwahrung gegeben waren, verschollen oder vernichtet worden waren; 562 Vgl. Schreiben Kuchtners an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.12.1948, BHStA MK 51575; 149

Zahlung des verlangten Zuschusses zitiert.563 Dies beweist erneut das Verantwortungsbewusstsein, welches der Staat gegenüber der zeitgenössischen Kunst besaß, galt dieser Auftrag doch als Rechtfertigung für die Förderung der hiesigen Künstlerschaft.

Die Verwendung des Geldes offenbarte sich in den Ausstellungen, die 1949 zusammengetragen wurden, von denen vier von insgesamt neun eine nähere Betrachtung lohnen, da sie die zeitgenössische Kunst betrafen.564 Der Titel dieser Ausstellungen lautete überwiegend „Münchner Malerei von HEUTE“. Was man hier allerdings zu sehen bekam, orientierte sich vornehmlich an der Tradition der Münchner Malkultur. Münchner Malerei, die sich zu jener Zeit innerhalb der Gruppen ZEN 49 entfaltete und der starken Betonung auf das damalige „HEUTE“ am ehesten entsprochen hätte, war nicht Gegenstand des Vereinsprogramms. Ausgestellt wurden vor allem Künstler, die Mitglied der Münchner Künstlergenossenschaft oder Neuen Gruppe waren, wobei die Auswahl aus der letzteren vornehmlich den konservativen Künstlern der insgesamt durchaus modernen Gruppe galt. Der Besucher des Kunstvereins sah traditionelle Werke von z.B. Eduard Aigner, Karl Blocherer, Theodor von Hoetzendorff oder Anton Leidl, Anton Lamprecht, Remigius Netzer oder Max Unold. Zudem fanden hier Lehrer wie Hans Gött oder Walther Teutsch aus dem konservativen Lager der Akademie einen Platz. Formal und inhaltlich zeigten die ausgestellten Werke also die traditionelle Münchner Malerschule. Die moderne Münchner Tradition der Caspar Schule wurde dagegen nur vereinzelt ausgestellt. Lediglich einige surrealistische Vertreter aus der Neuen Gruppe wie Oskar Coester oder Hugo Troendle brachten in die Ausstellungen einen leichten Hauch von Progressivität hinein.

Die Zurückhaltung gegenüber modernen Ausdrucksformen geht dabei nicht nur aus den Ausstellungen hervor. Laut einem Schreiben an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus galt die offizielle Absicht des Vereins, in den Zeiten des

563 Im Februar 1949 hatte die Staatshauptkasse den beachtlichen Betrag von 4000 DM an den Kunstverein zu zahlen, als Rechtfertigung wurde die Förderung der Künstlerschaft genannt, vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Bayer. Staatshauptkasse München vom 15.Februar 1949, BHStA MK 51575; 564 Die Ausstellungen aus dem Jahre 1949 sind in dem Anhang eines Schreibens von Kuchtner an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 28.12.1949 aufgeführt. Der Großteil der Ausstellungen widmete sich Impressionisten, die einst in München tätig waren sowie der Landschafts- und Tiermalerei, vgl. BHStA MK 51575; 150

Streites um die „extremen Kunstrichtungen“ die „so bitter notwendige Münchner Schule zu vertreten und damit einen neuen u.E. allein in die Zukunft weisenden Sammelpunkt beständiger Kunst zu bilden.“565 Demnach galt die Unterstützung den konservativen Künstlern aus München, von deren Zukunft im Sinne der Fortführung der traditionellen Malschule der Verein überzeugt war.

Gleichzeitig bot er dadurch eine Angriffsfläche für moderne Kritiker, die ihn von Anfang an zu attackieren wussten. Genannt sei Hans Eckstein, der in den Ausstellungen des Vereins das „Bieder alter Bekannter“ sah und ihn daran erinnerte, dass „gerade in einer Kunststadt ... der Kunstverein höhere Ansprüche an sich, an die Künstler und an das Publikum“566 zu stellen hätte, womit er die Qualität des Vereins ernsthaft in Frage stellte. Auch für Juliane Roh gab es in München „bis 1968 lediglich einen altehrwürdigen, stagnierenden Kunstverein, ohne Konzept und Initiative, dem von Staat und Stadt Subventionen zuflossen vor allem auch in Form von kostenlos überlassenen Räumen, so daß er sich trotz Mitgliederschwund eben noch am Leben hielt.“567 Anderseits gab es zu jener Zeit genügend Befürworter, die dem weit verbreiteten ästhetischen Bedürfnis nach den von Eckstein in diesem Zusammenhang kritisierten „Sofabildern“ folgten. Wie bereits mehrfach angedeutet, war die Masse des Publikums in München eher konservativ. Auf jeden Fall stand auch das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vollkommen hinter dem Kunstverein, was sich nicht nur durch die gewährten Zuschüsse zeigte. Wie aus einem internen Schreiben des Kulturreferats hervorgeht, sah man die traditionelle Münchner Kunst innerhalb der Diskussion um die moderne Kunst gefährdet, weshalb man den Konservatismus des Vereins zu pflegen und zu schätzen wusste: „Die Münchner privaten Gemäldegalerien zeigen mit Vorliebe moderne und abstrakte Kunst, die weltberühmte Münchner Kunst kommt kaum mehr zu Worte. Schon diese Wahrnehmung macht den Kunstverein unentbehrlich.“568 Ob der Verein zu jener Zeit auch tatsächlich ein gesellschaftlicher Treffpunkt, zumindest für das konservative Münchner Publikum war, muss an dieser Stelle

565 Vgl. Schreiben Kuchtners an das Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31.12.1948, BHStA MK 51575; 566 Eckstein, Hans: Aus dem Münchner Kulturleben, SZ, 27.010.1948, 4; 567 Roh, Juliane: Kritisches zur Krisensituation eines Kunstvereins, in: Das Kunstwerk, H.1, 1972, 18; Die anfänglichen Subventionen an den Kunstverein liegen in den Akten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vor, sie lagen im Bereich von 2000 4000 DM, vgl. BHStA MK 51575; 568 Schreiben des Referat 28 zu Nr. VII 483 vom 10.1.49, BHStA MK 51575; 151

leider ungewiss bleiben.569 Denn wie die Betrachtung der Geschichte von deutschen Kunstvereinen ab 1933 allgemein, zählt auch die des Münchner Kunstvereins zu einem Desiderat, das sich ausführlicher zu erforschen lohnen würde.

Zusammenfassend lässt sich für die erste, seit Beginn des Jahres 1949 fortlaufende Ausstellungstätigkeit des Münchner Kunstverein festhalten: Erstens eine im Vergleich mit der Ausstellungstätigkeit der städtischen Kunstpolitik noch konservativere Sicht hinsichtlich der zeitgenössischen Kunst. Denn der Verein vertrat vor allem die traditionellen Kräfte der gegenwärtigen großen Künstlerorganisationen. Zweitens eine daraus resultierende Vernachlässigung der Marktpositionierung progressiver Kunst, deren soziale Vermittlung in früheren Zeiten noch in den Händen des Kunstvereins lag. Nach 1945 war sie den privaten Galerien vorbehalten.

5.2.2. Galerien der allerersten Stunde — 1945 bis 1946

Den Anfang privater Galerieinitiativen in München bildete damals die sogenannte Schwabinger Kleine Galerie Baudenbach eine bereits im Oktober 1945 durch staatliche Hilfe wieder aufgebaute Privatinstitution. Für die erste Ausstellung hatte ihr Leiter Hermann von Baudenbach Plastiken, Gemälde und Graphiken aus der Alt Münchner Atelier-Kultur ausgewählt.570 Das langfristig gesetzte Ziel der Galerie war jedoch die Präsentation von lebenden Münchner Künstlern. Ferner wurde mit der Galerie die Wiederbelebung Münchens als eine „Kunststadt von Weltruf“ angestrebt.571 In euphorischer Überzeugung, dass die Galerie mit ihrem Programm über die Grenzen Münchens hinaus bekannt werden würde572, sah der Galeriebesucher hier zuerst neben den Ausstellungen im Foyer des Schauspielhauses das vielseitige Schaffen der Münchner Künstler Arnold Balwé, Erwin Schulz-Carrnoff, Willi Geiger, Erich Glette, Theo von Hötzendorff, Werner von Houwald, W.G. Maxon, Josef Scharl, Hugo Troendle, Fritz Thieler, Adolf

569 Leider konnten die Quellen keinen Aufschluss über die Besucherzahlen oder Ankäufe von Kunstwerken geben und auch dem Verein liegen diesbezüglich keine weitere Angaben vor; 570 Gezeigt wurde Wenglein bis Albert Keller, Die Leibl- Schule u.a., vgl. Ausstellungskatalog: Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 1. Plastiken, Gemälde, Graphik, Galerie Baudenbach, München 1945; 571 So das Vorwort im Ausstellungskatalog: Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 1. Plastiken, Gemälde, Graphik, Galerie Baudenbach, München 1945, 3; 572 Zitat: „Auch werden sie alles tun, um die Schwabinger ‚Kleine’ für das fernere Münchener Kunstleben zu einem Begriff werden zu lassen.“, ebd., 4; 152

Vogel u.a.. Zudem holte Baudenbach die bereits als fortschrittlich erwähnten Künstlergruppen der Regionen Traunstein, Chiemgau und Prien ins Haus, während die Ausstellungspolitik der Stadt immer noch still stand.573 Thematisch zeigten die zeitgenössischen Bilder bei Baudenbach alle Vorlieben der Nachkriegszeit Landschaften, Stadtansichten, Zirkusszenen, Stilleben, Akte oder Porträts. Rein stilistisch betrachtet orientierten sie sich jedoch vornehmlich an der nach 1945 fortgeführten Tradition der für München typisch dunkeltonigen Altmeisterlichkeit, zudem an der von Karl Caspar eingeleiteten neuen Münchner Tradition mit ihrem farbenfrohen Kolorit. In abwechselnden Ausstellungen wurden die zeitgenössischen Künstler den älteren Werken der Münchner Maltradition gegenübergestellt. Vereinzelt wurden die satirischen Graphiken des Simplicissimus gezeigt. Der sich in Baudenbachs Galerie widerspiegelnde Gedanke war, eine neue für die Gegenwart vollgültige Stilentfaltung durch die Synthese der Vergangenheit mit der zukunftblickenden Gegenwart einzuleiten. Diese Behauptung findet sich auch in einem Auszug aus dem Ausstellungskatalog der Schwabinger Kleinen Kunstausstellung: „Nur so glauben wir, daß aus dem Chaos der Ansichten ein organisches Wachstum vergangenheitsbewußt und zukunftsfreudig zugleich in einer neuen Stilform vollgültig für die Gegenwart sich entfalten könne.“574 Dass in dem Programm der Galerie der Expressionismus sowie die bald aufkommenden neuen Strömungen der Abstraktion keine Beachtung fanden, war wohl auch der Grund, dass die erhoffte nationale und internationale Annerkennung ausblieb. Historisch betrachtet führte dies dazu, dass die Galerie bald im Schatten einiger ab 1946 neu eröffneten Privatgalerien zur zeitgenössischen Kunst stand. Innerhalb der Diskussion um eine internationale und zukunftorientierte Kunst wurde das eher rückwärts gewandte Programm der Galerie dementsprechend hart kritisiert. Das härteste Urteil wurde dabei wohl von Franz Roh gefällt, der Hermann von Baudenbach öffentlich Unprofessionalität und Dilettantismus vorwarf. Franz Roh äußerte sich diesbezüglich in einem Rundfunkkommentar vom 21.4.1946 wie folgt: „Wenn dieses Unternehmen die blutrünstige Tapete aus seinem Hauptraum risse, sich von Kennern beraten ließe und möglichst neue, unverbrauchte Kunst aufwiese, eine hübsche Ausstellungsstätte könnte entstehen.“575

573 Vgl. Ausstellungskataloge: Die Schwabinger ‚Kleine’ Sonderschau. Die Traunsteiner Künstlergruppe ‚Roter Reiter’, Galerie Baudenbach, München 1946 und Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 6. Plastiken, Gemälde, Graphik, Maler und Bildhauer aus dem Kulturkreis Chiemgau, Galerie Baudenbach, München 1946; 574 Vgl. Ausstellungskatalog: Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 6. Plastiken, Gemälde, Graphik, Maler und Bildhauer aus dem Kulturkreis Chiemgau, Galerie Baudenbach, 1946, 4; 575 Roh 1948, 29; 153

Ein wenig moderner musste zu dieser Zeit die 1946 wieder eröffnete Galerie Wimmer aufgefallen sein. Das Programm der Galerie wies fast nur Werke von lebenden Münchner Künstlern auf und wurde durch internationale Persönlichkeiten der französischen Moderne wie Picasso und Braques ergänzt.576 Ihre erste Ausstellung wurde parallel und im Wesentlichen mit den gleichen Kräften der vorgestellten Ausstellung „Bayerische Kunst der Gegenwart“ der Neuen Sammlung gezeigt. Die Ausstellung in der Galerie Wimmer spiegelte damit das allgemeine Bild über Kunst aus München wider. Unter den Künstlern fielen neben einigen wenigen Vertretern der traditionellen Münchner Malerei, vor allem die expressiven Naturalisten der Caspar-Schule Karl Blocherer, Otto Geigenberger, Adolf Hartmann oder Hugo Troendle und die zu jener Zeit als surrealistische Einzelgänger erklärten Künstler Edgar Ende, Ernst Geitlinger oder Rudolph Schlichter auf. Die seit 1825 aktive Galerie Wimmer, die bereits im 19.Jahrhundert Münchner Künstler weltweit vermittelte und parallel zu ihrem etablierten Programm immer auch junge Talente unterstützend vertrat, galt nach 1945 zunächst als Hoffnungsträger für die Etablierung moderner Kunst in München. Ihrem ursprünglichen Programm, das Landschaftsgemälde, aber auch Portraits, Still-Leben und Genrebilder der berühmten Münchner Schule vertreten durch Carl Spitzweg, Hugo Kaufmann, Heinrich v. Zügel oder Alexander Koester aufwies, blieb die Galerie auch nach 1945 durch die Aufnahme von Künstler, die sich an dem Vorbild der Natur orientierten, treu. Sie fiel durch ein qualitativ hohes Niveau, mit Schwerpunkt auf die gemäßigt moderne Münchner Künstlerschaft, auf. Dementsprechend waren die Kritiken der Presse positiv. Gewürdigt wurde vor allem der internationale Charakter der Galerie, der zum einen durch die Aufnahme der oben genannten französischen Gäste wie auch durch den international orientierten Titel der ersten Ausstellung „Exposition Contemporaine Moderne Kunst“ zum Ausdruck kam und über das lokal Münchnerische hinauswies. Die Galerie galt als „Sammelpunkt der Freunde moderner Kunst“.577 An anderer Stelle würdigte man mehrfach die hohe Relevanz der Ausstellungen mit Schwerpunkt auf die Münchner zeitgenössischen Künstler, die hier hinsichtlich der Ausstellungsarchitektur weit attraktiver dargestellt waren als in Ausstellungen der Stadt.578 Die erste Ausstellung der Galerie Wimmer war ein offensichtlicher Erfolg.

576 Vgl. Ausstellungskatalog: Exposition Contemporaine Moderne Kunst, Galerie Wimmer, München 1946; 577 Eckstein, Hans: Zeitgenössische Kunst, in: SZ, 31.07.1946, 5; 578 Eckstein, Hans: Zeitgenössische Kunst, in: SZ, 31.07.1946, 5, Eckstein, Hans: Münchner Malerei, in: Das Kunstwerk, H.5, 1946/47, 42 sowie Roh 1948, 96; 154

Für den einleitenden Text des entsprechenden Ausstellungskataloges hatte man den einflussreichen Kritiker Franz Roh gewinnen können, der die anti- nationalsozialistische Vergangenheit der Galerie und ihr gutes Gespür für innovative, zur damaligen Zeit eher unbekannte Kräfte lobte.579 In seinen Kritiken für den Bayerischen Rundfunk wies Franz Roh immer wieder auf die Galerie Wimmer hin. Dennoch gewann die Galerie nach 1945 nicht mehr den Ruhm, den sie einst mit der Münchner Schule erlangte. Ihre Bedeutung schwand angesichts der Diskussionen um die abstrakte Kunst, die sich im Westen mit Hilfe ihrer einflussreichen Befürworter und medialer Präsenz schon bald die Vorherrschaft erklimmen sollte und jegliche Künstler, die eng in ihrer Naturauffassung miteinander verbunden waren aus der modernen Kunstdiskussion drängten. Das Programm der Galerie Wimmer war spätestens in den 50er Jahren obsolet, wenngleich die Qualität der ausgestellten Arbeiten nach wie vor ein hohes Niveau aufwies.

Richtete sich das Augenmerk der Galerien Baudenbach und Wimmer nach 1945 auf die Vermittlung und Förderung vorzugsweise lokaler Kunst und bedeutete dies zugleich die mehr oder minder stark ausgeprägte Restriktion gegenüber internationaler moderner Kunst aus der Vorkriegszeit, so tat sich der Freitag- Verlag durch die Schließung dieser Lücke hervor. Den Ausstellungskatalogen des Verlages kann das Anliegen entnommen werden, die damals erklärungsbedürftige zeitgenössische Kunst mit Hilfe historischer Zusammenhänge einem breiten Publikum nahe bringen zu wollen. So zeigte der Verlag die Münchner Kunst der Zeit alternierend mit Werken der Brücke-Maler, Künstlern der Neuen Sachlichkeit sowie weiteren Wegbereitern der Moderne. Die Ausstellungskataloge zeichneten sich durch historisch fundierte Einleitungstexte von Fritz Burkhardt aus, denen nach zu urteilen, es dem Verlag weniger um den Verkauf seiner Blätter als vielmehr um den Brückenschlag zwischen dem Publikum und der modernen Kunst ging, sprich: um die „Gewöhnung an die manchen befremdende Kunst“580. Die gute Resonanz auf die erfolgreiche Umsetzung dieses Vorhabens bestätigten Berichte

579 Zitat: „Sie die Kunstwerke offenbaren nach sehr verschiedenen Seiten hin, was man in München zu finden vermag, sobald man diejenigen Ateliers aufsucht, die gerade nicht in aller Munde sind, und wenn man zu Künstlern vorstößt, die niemals Naziparolen gehorchten.“, Roh, Franz, in: Ausstellungskatalog: Exposition Contemporaine Moderne Kunst, Galerie Wimmer, München 1946, o.S.; 580 Vgl. Ausstellungskatalog: Moderne Graphik. Die Expressionisten: „Die Brücke“, Beckmann, Kokoschka, u.a. Die Neusachlichen: Georg Grosz, Otto Dix Die neuere Münchner Graphik, Freitag-Verlag, München 1946, 5 sowie Ausstellungskatalog: Moderne Graphik. Munch, Ensor, Picasso Expressionisten und Abstrakte: Nolde, Brücke“, Kokoschka, Beckmann, Feininger u.a. Die Neusachlichen und die Münchner: Dix, Grosz, Schrimpf u.a., Freitag-Verlag, München 1946; 155

der damaligen Presse581 sowie die Ausstellungen selbst: Gezeigt wurden Graphiken der Brücke-Expressionisten Barlach, Beckmann, Kokoschka oder Heckel, des Blauen Reiters mit Franz Marc, internationale Vertreter der Moderne wie Picasso und Munch, Grosz und Dix sowie später die Münchner Graphiker Josef Scharl, Max Unold oder Georg Schrimpf, die Surrealisten Edgar Ende und Rudolph Schlichter sowie die Vertreter des Abstrakten Willi Baumeister und Lyonel Feininger. Die Bedeutung des Verlages lag somit in der frühen Rehabilitierung der Vorkriegsmoderne, welche in der öffentlichen Ausstellungspolitik erst 1949, mit der Realisierung der Blauen Reiter- Schau im Haus der Kunst, begann. So gesehen waren der FreitagVerlag mit seinem Graphikschwerpunkt zur Entwicklung deutscher moderner Kunst sowie die Galerien Baudenbach und Wimmer mit ihrer Konzentration auf Münchner Kunst, die ersten privatwirtschaftlichen Förderer moderner Kunst in München, wenngleich ihr Wirkungskreis auf der lokalen Ebene verhaftet blieb. Langfristig nahm das Interesse an dieser exzeptionellen Galeristentätigkeit ab, wie sich an Pressekritiken sowie an einer bereits ab Anfang 1947 kaum noch öffentlich wahrnehmbarer Ausstellungstätigkeit ablesen lässt. Zwar blieben diese drei genannten Initiativen im privaten Wahrnehmungsbereich präsent, aus dem öffentlichen Kunstmarkt wurden sie jedoch zunehmend verdrängt. Die zeitgenössische Kritik richtete nun ihre ganze Aufmerksamkeit auf die wieder aufgenommene Galerietätigkeit von Günther Franke und bald darauf auf das Programm der Modernen Galerie Otto Stangl.

5.2.3. Galerie Günther Franke

Die für München relevante Geschichte des in Berlin geborenen Kunsthändlers Günther Frankes begann bereits 1923, als dieser die Leitung des Graphischen Kabinetts, eine Filiale der Berliner Kunsthandlung von J.B. Naumann, in der Barer Straße übernahm.582 Durch J.B. Naumann lernte Franke Max Beckmann sowie einige Künstler aus der expressionistischen Künstlergruppe Die Brücke kennen,

581 Zitat: „Es ist manchmal gerade von jüngeren Menschen, die ernsthaft einen Zugang zur zeitgenössischen Kunst suchen, der Wunsch geäußert worden, man möchte auch die verbindenden Glieder und Wegbereiter der Modernen zeigen“, was in der Ausstellung des Freitag Verlages gelungen sei, vgl. Eckstein, Hans: Graphik von Munch bis zur Gegenwart, in: SZ, Jg.2, 09.08.1946, 4; gl. auch Roh 1948, 13, 64, 92 582 Die Kunsthandlung wurde 1930/31 in die Galerie J.B. Naumann und Günther Franke unbenannt und ab 1933, als einzige der einst pro-modern gestimmten Galerien Münchens, offiziell unter der Bezeichnung Graphisches Kabinett, Günther Franke weitergeführt; 156

darunter Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel oder Otto Müller, in deren Atelier er regelmäßig auftauchte.583 Der Umzug Frankes nach München war bereits 1923 eine Bereicherung für den hiesigen Kunsthandel, hatte Franke doch seine Berliner Kontakte und die dortigen Erfahrungen mit der noch jungen, progressiven Kunst, in die Stadt eingebracht. Gezeigt wurden Graphiken von Rohlfs, Heckel, Kirchner, Nolde, Beckmann, Hofer oder Schrimpf, Impressionisten, Expressionisten, Abstraktes, die französische Moderne und zum Teil auch ältere Kunst. Schnell wurde Frankes Institution zum regelmäßigen Treffpunkt der „Avantgarde“, zu einer nicht nur kommerziellen, sondern auch diskussionsfreudigen Stätte, in der Persönlichkeiten wie Franz Roh, Hans Eckstein, Wolfgang Petzet u.a. Dauergäste waren. Der Zusammenhalt der Szene war schon damals sehr groß und zeigte sich vor allem darin, dass man progressive Künstler auch in den schwierigen 20er und 30er Jahren weiterhin moralisch wie finanziell unterstützte.584 Selbst das „Dritten Reichs“ hielt Franke nicht von seinem Einsatz für die moderne Kunst ab. Versteckt im Hinterzimmer und nur einem bestimmten Publikumskreis bekannt, wurden die „Entarteten“ in dem ab 1933 bezeichneten Graphisches Kabinett, Günther Franke inoffiziell weiter zum Kauf angeboten, so dass trotz der politischen Situation hier moderne Kunst zugänglich war. Nachdem 1944 das Graphische Kabinett nach Seehaupt an den Starnberger See verlegt worden war, trat im Frühjahr 1946 Günther Franke wieder offiziell mit der Präsentation seines modernen Kunstbestands in einem großen Atelierraum der Villa Stuck hervor.585

Den Auftakt des Wiederbeginns machte eine Ausstellungen mit Werken von Xaver Fuhr. Fuhrs Ausstellung wurde 1946 von der Presse noch als die „bedeutendste Münchner Ausstellung moderner Kunst“ aufgefasst und von fast allen Kunst interessierten Münchnern besucht.586 „Es folgten in Abständen fünf Beckmann Ausstellungen aller Arbeitsperioden, die große Franz Marc- Gedächtnisausstellung, Oskar Schlemmer ..., dann Rouault, Picasso, Miró, Max

583 Vgl. Günther Franke über sich selbst, in: Briefe an Günther Franke Porträt eines deutschen Kunsthändlers, hrsg. von Doris Schmidt, Köln 1970, 24; 584 Vgl. Meissner 1989, 81-85; 585 Vgl. Weskott, Hanne: Vom Kunstwert zum Marktwert. Die Anfänge nach 1945 und die Entwicklung bis Ende der 60er Jahre, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 135ff sowie Nay-Scheibler, Elisabeth: Günther Franke und seine Galerie im Spektrum der Nachkriegszeit, in Ausstellungskatalog: „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 14ff; 586 Vgl. Eckstein, Hans: Moderner Malerei: Xaver Fuhr. Deutungsvolle Eröffnung der Galerie Franke in der Villa Stuck, in: SZ, 24.04.1946, 5; 157

Ernst, Willi Baumeister, Theodor Werner sowie mehrerer Nay-Ausstellungen. Otto Mueller, Erich Heckel, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Hofer, Karl Knappe und Ernst Weiers, Fritz Winter, Paul Klee, Werner Gilles, Josef Scharl, die Bildhauer Uhlmann, Blumenthal, Marcks, sodann die Maler Coester und Westphal“, so Günther Franke in seinen Erinnerungen an die Ausstellungen der ersten Nachkriegszeit.587 Wurden hier zwar nicht alle Namen der bei Franke ausgestellten Künstler genannt, reflektiert diese Zusammenfassung dennoch das Programm der Galerie bis in die 50er Jahre und darüber hinaus. „Von Beckmann bis Nay“588, so die Devise der Galerie, wodurch sich zwei Sammelschwerpunkte ergaben, von denen aus auch die Auswahl aller weiteren Künstler abzuhängen schien. Offensichtlich galt Frankes Leidenschaft zum einen der expressionistischen Kunst der Vorkriegszeit, zum anderen aber auch den stark abstrahierenden bis gegenstandslosen Positionen der Nachkriegszeit; eine Leidenschaft also für eine moderne Form der figurativen Malerei sowie für den Gegenstand auflösende Tendenzen, bei denen der Bezug zum Wirklichkeitsvorbild gar nicht mehr gegeben war. Auffallend viele Künstler des Expressionismus und des Expressiven Naturalismus kamen aus Berlin bzw. waren wie Franke irgendwann einmal in der Berliner Kunstszene integriert neben den Einzelgängern Max Beckmann und Ernst Barlach, die zwischenzeitlich der Berliner Sezession angehörten, neben Karl Hofer, der zwischen 1919 und 1936 an der Berliner Hochschule für bildende Künste lehrte, vor allem auch die oben genannten Brücke-Maler. Die Vertreter des Blauen Reiters wurden in der Galerie quantitativ weniger, jedoch mit Franz Marc und Paul Klee durch Hauptvertreter repräsentiert, so dass Frankes Vorliebe für den wirklichkeitsnäheren deutschen Expressionismus zum Ausdruck kam. Franke interessierte sich vorlieb nehmend für das künstlerische Einzelwerk, Gruppennamen wurden in seinen Ausstellungen nie verwendet, woran Max Beckmann mit Sicherheit Gefallen fand. Was den expressionistischen Schwerpunkt der Galerie anbetraf muss berücksichtigt werden, dass die in der Nachkriegszeit übernommene Sammlung sehr stark durch den nunmehr amerikanischen Kunsthändlers J.B. Neumann geprägt worden war. Nicht selten bleibt bei wissenschaftlichen Betrachtungen über die Galerie der Einfluss Naumanns unerwähnt, doch sei an dieser Stelle erinnert, dass Naumann beim Aufbau der

587 Günther Franke über sich selbst, in: Schmidt 1970, 30; 588 So Sophie Franke bei ihrem Rückblick auf die Galerie, vgl. Franke, Sophie: Mein Leben mit Günther Franke, in Ausstellungskatalog: „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 12; vgl. hierzu auch Poetter, Jochen: Galerie Günther Franke, in: Ausstellungskatalog „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 7ff; 158

Sammlung und den Vorkriegsausstellungen, wenn auch im Sinne Frankes, entscheidend beteiligt war. Eine eigene Sammlerhandschrift Frankes offenbarte sich schließlich erst nach 1945 in der programmatischen Orientierung an zeitgenössischen, vor allem lokal tätigen Künstlern, die sich der abstrahierenden und gegenstandslosen Kunst annahmen. Dies waren Künstlern aus dem späteren ZEN 49- Kreis Gerhard Fietz, Willi Baumeister, Fritz Winter, Hans Uhlmann E.W. Nay, Conrad Westphal sowie Einzelgänger der Münchner Szene wie Xaver Fuhr, Edgar Ende, Werner Gilles u.a.. So klar strukturiert die Sammlung auf dem ersten Blick erscheinen mag, so verschiedenartig war sie zugleich. Neben der die deutsche Tradition der klassischen Moderne aufzeigenden Kunst auch Bauhaus-Künstler waren dabei, wurde auch die internationale Moderne mit Picasso, Chagall, Miró oder Rouault, Santomaso oder Vedova gezeigt. Günther Franke schuf in München ein international ausgerichtetes Programm. Von ihm konzipierte Ausstellungen trugen eine persönliche Handschrift durch die er in nicht geringem Maße zur Bekanntwerdung und Akzeptanz der von ihm „entdeckten“ Künstler sowie deren Stilrichtungen beitrug.

Rückblickend offenbarte Franke durch seine galeristische Tätigkeit nicht nur Leidenschaft für die in seiner Zeit oftmals missverstandene Kunst, er bewies auch einen Kennerblick für künstlerische Positionen die wegweisend waren. Viele der von ihm betreuten Künstler sind heute nicht nur in nahezu jedem Lexikon moderner Kunst zu finden, ihre Werke haben einen festen Platz in renommierten Museen. Frankes Galerie zog auch nach 1945 weiterhin namhafte Persönlichkeiten der nationalen und internationalen Kunstszene an: Man traf dort Sammler wie Josef Haubrich, Ottmar Domnick oder L.G. Buchheim, Museumsdirektoren wie Eberhard Hanfstaengl, Kurt Martin, Hilla von Rebay oder Ludwig Grote, Wissenschaftler oder Professoren wie Hans Jantzen, Wilhelm Pinder, Emil Preetorius oder Kurt Bauch, Verleger, Künstler, Kunsthändler wie Kahnweiler aus Paris und vor allem die damaligen Kunstkritiker wie Hans Eckstein, Franz und Juliane Roh, Werner Haftmann, Wilhelm Hausenstein, Wolfgang Petzet und andere, die zum Teil auch die galerieinternen Eröffnungsreden und Diskussionen leiteten.589 Auch wenn sie sehr unterschiedliche Meinungen vertraten, handelte es sich dabei um sehr einflussreiche Personen aus allen Bereichen der Kunst und Kultur. Die meisten waren Befürworter der modernen Kunst und diejenigen wie Emil Preetorius oder Wilhelm Hausenstein, die sich skeptisch etwa gegenüber gegenstandslosen Tendenzen äußerten, waren doch zumindest dem Expressionismus gegenüber aufgeschlossen und wohl gesonnen. Stetig und

589 Vgl. Günther Franke über sich selbst, in: Schmidt 1970, 29 sowie Nay-Scheibler 1983, 16; 159

eindrücklich wurde bei Günther Franke über Fragen für und wider die zeitgenössische Kunst diskutiert, wodurch die Galerie als intellektuelles Forum für die moderne Kunst gesehen werden darf. Frankes Ausstellungen und die „quirlend lebendige Atmosphäre“ in der Villa Stuck trugen zum Gelingen eines Treffpunkts für ein progressives lokales, regionales, nationales und auch internationales Publikum bei, welches glücklich war, „daß die moderne Kunst wieder lebte und vor der Zerstörung gerettet war.“ „Das Verlangen moderne Kunst neu oder wieder zu entdecken ließ Begeisterung aufkommen, die auch in dem eiskalten Winter 1946 auf 47 nicht nachließ, als der Besucherstrom unvermindert anhielt, obwohl die Stuck-Villa aus Kohlemangel unbeheizt blieb.“590

Der Erfolg der Ausstellungen ließ sich nicht nur an der hohen Besucherzahl der Anfangszeit ablesen Franke sprach von 45 000 in den ersten eineinhalb Jahren591 er schlug sich auch in Ankäufen von Seiten des Staates nieder. Der Ruf des Kunsthändlers noch aus der Vorkriegszeit war gut in Erinnerung geblieben. Im Vertrauen auf das sichere Urteil des Händlers, der die Relevanz des Expressionismus frühzeitig erkannte, wurden bei Franke viele Werke für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gekauft, währenddessen die städtische Kunstpolitik Münchens sich bei ihren Ankäufen weiterhin beinahe ausschließlich für die eher traditionell orientierte Künstler der Stadt einsetzte.592 Der Staat trat immer wieder für Franke ein, etwa in der Bewilligung von Energiezuteilungen wie aus einem internen Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus hervorgeht, das bezüglich einer Brennstoffanfrage Frankes positiv entschied, „damit dieses auch für das internationale Kunstleben wichtige Institut während der Wintermonate wenigstens einigermassen geöffnet werden kann.“593 Als es um die Verlängerung des

590 Nay-Scheibler 1983, 16; 591 Vgl. Günther Franke über sich selbst, in: Schmidt 1970, 30 sowie Weskott 1989, 135; Auch in der Zeitschrift „Das Kunstwerk“ wurde anlässlich einer Baumeister-Ausstellung bei Franke im Jahr 1946 über das „zahlreich erschienene Münchner Kunstpublikum“ und den „überfüllten Ausstellungsraum“ berichtet, vgl. Heintz, Mauritius: Willi Baumeister-Ausstellung, in: Das Kunstwerk, H.12, 1946/47, 54; 592 Demnach wurden staatliche Fördergelder auch für private Institutionen ausgegeben. Dass der Staat von allen Seiten um Hilfe gebeten wurde, bestätigt das umfangreiche Quellenmaterial des Hauptstaatsarchivs. Ein großer Teil des den Kunsthandel betreffenden Aktenmaterials des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus beinhaltete Bittschreiben um Zuschüsse, Rohstoffmaterial, Räumlichkeiten und sonstige Dinge, an denen es nach 1945 allerorts fehlte, vgl. BHStA MK 51490, 51491; 593 Internes Schreiben an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 12.11.1947, BHStA MK 51463; 160

Mietverhältnisses in der Stuckvilla ging, gab es Proteste gegen die Ausstellungen Frankes: „Wir bitten sie also, von weiteren Ausstellungen, die ohnehin zur Kunst Franz von Stuck’s in Widerspruch standen, abzusehen, und uns die Räume, die wir für die Wiederaufstellung der Stuckschen Bilder und Skulpturen benötigen, demnächst zur Verfügung zu stellen.“594 Mit Vehemenz bekundete das Kultusministerium daraufhin sein Interesse an der Fortführung der für München unentbehrlichen modernen Kunstausstellungen bei Franke, wenngleich ein Zuschuss für die Verdopplung der Miete nicht möglich war.595 Bitten um staatliche Zuschüsse wie auch Zahlungsprobleme waren in der damaligen Galerieszene, vor allem nach der Währungsreform, keine Seltenheit. Trotz der vielen Besucher, waren die wenigsten am Kauf der zeitgenössischen Kunst interessiert, wie folgendes Zitat von Hans Eckstein offen legt: „Die meisten kamen nicht, um sich gegen klingende Münzen ein Kunstwerk zu erwerben, sondern um zu schauen, zu genießen, ihre Kenntnisse und ihren Gesichtskreis zu erweitern.“596 Und selbst Franke war kommerzielles Denken fern. Von seinen Zeitgenossen als zurückhaltend, wortarm und misstrauisch gegenüber fremden Käufern empfunden, wurden die Werke von und bei Franke nicht nach materiellen Maßstäben ge- und verkauft, sonder nach ihrem ideellen Wert berechnet.597 Ein Charakterzug, der zwar für die Begeisterung Frankes für bestimmte Kunstrichtungen spricht, jedoch gepaart mit der ohnehin mangelnden Kaufkraft der Nachkriegszeit, die Existenz der Galerie zu gefährden drohte.598 Eine deutliche Besserung der Situation ergab sich erst mit der Geldwertstabilisierung nach der Währungsreform, als das internationale

594 Schreiben des Generalkonsul A. Heilmann und Frau an Franke vom 23.7.1948, BHStA MK 51491; 595 Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus Dr. Keim vom 13.8.1948, BHStA MK 51491; Franke blieb bis 1966 in der Villa Stuck; 596 Eckstein, Hans: 25 Jahre Galerie Günther Franke, in: SZ, 15.11.1947, 2; 597 Dies bestätigte die Ehefrau E.W. Nays: „Im Erwerb eines Kunstwerks sah er weniger als materiellen Besitz, als die Möglichkeit der ganz privaten, geistigen Teilhabe nach einem Stück gestalteter Weltvorstellung.“, Nay-Scheibler 1983, 18; vgl. auch Hartog, Hans: 50 Jahre Galerie Franke, in: Ausstellungskatalog: „50 Jahre Galerie Franke Nay Bilder, Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Graphik aus der Sammlung und Galerie Günther Franke“, Galerie Günther Franke, München 1973, 15; 598 Dies belegt ein Bittschreiben Frankes an den Staat, indem er auf die unverkäuflichen Ausstellungen mit Marc, Schlemmer, Nolde oder Beckmann verweist: “In der Zeit in der Kunstwerke leichter gekauft wurden, war es möglich die Spesen für das Lokal, für die Drucksachen, für die Transporte und Versicherungen aus laufenden Einnahmen zu decken, während es nicht möglich war wesentliche Überschüsse zu erzielen, die jetzt die Fortführung dieser Veranstaltungen gewährleisten würde.“, Schreiben Frankes an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus Mitte 1948, BHStA MK 51491; 161

Kaufinteresse an Expressionisten stieg und die Galerie nun auch im Mittelpunkt geschäftlicher Interessen stand.

Wurde der Wert der Expressionisten bald nach dem Krieg entsprechend ihrer Bedeutung geschätzt, so ergaben sich für die neuen Wegbereiter der Kunst nicht nur öffentlich, sondern auch im privaten Kunsthandel nach 1945 Anlaufschwierigkeiten, wie es sie ursprünglich bei den Expressionisten gab. Bestätigt wird diese Feststellung durch den regelmäßigen Vernissagebesucher Hans Eckstein, der zwar von einer gut besuchten E.W. Nay-Ausstellung berichtete, jedoch auch auf die beifallslose persönliche Ansprache Nays hinwies, ebenso wie auf eine „gewisse Gleichgültigkeit“ beim Publikum, das diesen Bilder im Vergleich zu den Bildern der 20er Jahre mit großer Enttäuschung gegenüber stand.599 Schenkt man den damaligen Medienberichten Glauben, so kam das ehrliche Interesse und die ernste Nachfrage an den Werken von E.W. Nay vor allem aus dem Ausland, das zu jener Zeit offensichtlich geschulter als deutsche Sammler im Anblick gegenstandsloser Kunst war.600 Insgesamt betrachtet erhielt Franke in den zahlreichen Berichten der Presse, bis auf wenige Ausnahmen, nur positive Kritik. Gelobt wurden vor allem sein Mut zur risikoreichen Investition in die zeitgenössische Kunst und die damit einhergehende Bereitschaft Opfer zu leisten. Zudem sein „kaufmännisches Talent“, „die Leidenschaft für die Kunst“ und sein „Spürsinn für künstlerische Qualitäten“601, was vor allem dann wichtig war ist, wenn man wie Franke „nicht das allgemein Anerkannte in der historischen Kunst ..., sondern das Gute und Wesentliche im zeitgenössisch Kunstschaffen zu erfassen bestrebt ist.“602

Die Galerie Günther Franke bot in München also nicht nur ein Forum, das für die Meinungsbildung des Publikums über die einst „entartete“ als auch die „extreme“ Kunst der Nachkriegszeit wichtig war. Sie bot zudem ein Forum für sowohl etablierte Künstler als auch für viel versprechende junge künstlerische Positionen, die sich mit relevanten Fragestellungen der Gegenwart auseinandersetzten.603

599 Vgl. Eckstein, Hans: Bilder von Nay in der Galerie Franke, in: SZ, 08.10.1946, 5; Ehrliches Interesse und ernste Nachfrage an Nay kam vor allem aus dem Ausland, vgl. Hinterlach, Curt: Mehrfarbige Lithographien von Ernst Wilhelm Nay, in: SZ, 02.11.1949, 3; 600 Vgl. Hinterlach, Curt: Mehrfarbige Lithographien von Ernst Wilhelm Nay, in: SZ, 02.11.1949, 3; 601 Eckstein, Hans: 25 Jahre Galerie Günther Franke, in: SZ, 15.11.1947, 2; 602 Eckstein, in: SZ, 15.11.1947, 2; 603 1951 organisierte Franke eine Ausstellung mit fast nur unbekannten jungen Künstlern, deren gemeinsamer Nenner „naturferne und naturfremde Bilder“ waren, vgl. Nemitz, Fritz: Hat die Jugend eine Chance? Junge Künstler in der Galerie Franke, in: SZ, 10.01.1951, 3; 162

Franke, einst bezeichnet als „Nestor der modernen Münchener Kunsthändler“604, erfüllte somit, als einer der wichtigsten Förderer moderner Kunst in München eine Mission, die „Münchens Kunstverein, städtische oder staatliche Institute nicht als die ihre anerkannten.“605 Was den Ruf der „Kunststadt“ anbetraf, profitierte München von derartigen Privatinstitutionen, die Zonen übergreifender das Interesse internationaler Persönlichkeiten weckten. Gleich nach Franke sei in diesem Sinne die Moderne Galerie Otto Stangl angeführt.

5.2.4. Moderne Galerie Otto Stangl

Die Moderne Galerie Otto Stangl wurde Anfang 1948, kurz vor der Währungsreform, in der Martiusstrasse 7 eröffnet. Otto Stangls Vater war Bildhauer in München, seine Frau Eva Stangl, Tochter des Barmer Kunstsammlers und Mäzens Rudolf Ibach, dessen Sammelschwerpunkt auf der künstlerischen Avantgarde der 10er und 20er Jahre des 20.Jahrhunderts lag. Der Kontakt zur Kunst war den Galeriebesitzern quasi in die Wiege gelegt, der Umgang mit zeitgenössischer Kunst war ihnen vertraut.606 Den Auftakt zur Galerieeröffnung machte eine Ausstellung mit Werken Alexej von Jawlenskys. Sie wurde durch eine Kollektion von Werken Paul Klees abgelöst und diese wieder durch den damaligen „Newcomer“ Gerhard Fietz. Dem folgten weitere Werke Kandinskys, dessen gesamte Schaffensperiode im Laufe der Jahre bei Stangl zu sehen war. Weitere Ausstellungen zeigten ebenfalls etablierte Avantgardisten der Vorkriegszeit, darunter immer wieder Franz Marc, Oskar Schlemmer, Alexej von Jawlensky, Lyonel Feininger oder Paul Klee. Sie bildeten e i n e n Schwerpunkt des Ausstellungsprogramms, das dem Blauen Reiter und den Künstlern des Bauhaus verpflichtet war. Der damaligen Aktualität der heute klassischen Moderne konnte sich die Münchner Kunstszene nicht entziehen. Schon die zweite Klee-Ausstellung verhalf der Galerie zum Durchbruch und wurde in der Presse gefeiert: „Eine so große Ausstellung Kleescher Arbeiten, wie sie jetzt die Moderne Galerie darbietet, hat man in München wohl seit den Glanztagen der nur noch den älteren

604 Heilmaier, Hans: Die Münchner Privatgalerien im Zeichen des Jubiläumsjahres, in: Der Kunsthandel, Nr.6, 1958, 8; 605 Eckstein, in: SZ, 15.11.1947, 2; 606 Zur Vorgeschichte der Galeristen Etta und Otto Stangl, vgl. Segieth, Clelia: Etta und Otto Stangl: Galeristen, Sammler und Museumsgründer, hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels e.V., Köln 2000, 35ff.; 163

Kunstfreunden erinnerlichen Galerie Goltz nicht mehr gesehen.“607 Und: „Nachdem die abstrakte Malerei zu einer unbestreitbaren Tatsache geworden ist, kann von einer snobistischen Vorliebe für das Ungewöhnliche nicht mehr geredet werden. Hier wurde der geniale Vorläufer gekrönt, der, am Anfang einer geschichtlichen Entwicklung stehend, diese bereits in sich zur höchsten Vollendung geführt hat.“608 Weiterer Anziehungspunkt war eine Kandinsky- Ausstellung 1948 die erste in München seit des Künstlers Emigration , für die ein begleitender Katalog mit einer Einführung von Ludwig Grote produziert worden war.609 Gezeigt wurden 26 Werke, die überwiegend nach 1921 entstanden sind und dem Münchner Nachkriegspublikum die Möglichkeit bot, ausführlich die Wurzeln der Abstraktion zu erforschen. Das hohe Niveau der Ausstellungen bei Stangl konnte vor allem durch die Sammlung Ibach gehalten werden, aus deren Fundus die Galerie zu schöpfen wusste. Ebenso vorhanden, jedoch nicht für Ausstellungen genutzt, waren die Maler der Brücke, welche man in München zu jener Zeit vor allem bei Franke und im Freitag-Verlag zu sehen bekam. Grund für diese Zurückhaltung war wohl das Konzept der Modernen Galerie, das sich bis in die 60er Jahre hinein der Abstraktion verschrieben hatte. Brücke- Bilder, die die harte Realität der Vorkriegsjahre sichtbar reflektierten, passten nicht in dieses Konzept und wurden deshalb nur im Handel angeboten und verkauft.610

Das der Abstraktion gewidmete Konzept setzte einen zweiten Schwerpunkt auf die Modernen Galerie. Er galt aufbauend auf der Vorstufe der abstrakten Malerei des Blauen Reiters dem abstrakten Nachwuchs der Nachkriegszeit: den deutschen Zeitgenossen Willi Baumeister, Fritz Winter oder Gerhard Fietz. Ergänzt wurde das Programm durch Stangls persönliche Kontakte nach Paris und der Schweiz, durch Schweizer konkrete Kunst611 und den damals kaum bekannten Künstlern der „École de Paris“: Hans Hartung, Pierres Soulages, Gérard Schneider u.a.. Der Anschluss an die europäische Kunstszene wurde gesucht und umgesetzt.

607 Eckstein, Hans: Paul Klee in der Modernen Galerie, in: SZ, 24.04.1948, 5 608 Vgl. Nachrichten für den Kunsthandel, Nr.14, 1948, 10; 609 Vgl. Ausstellungskatalog: Kandinsky, Moderne Galerie Otto Stangl, München 1946; 610 Zu den Stangls als Händler, vgl. Segieth 2000, 47, 162ff, 251ff; eine geschlossenen Ausstellung mit nur Brücke Malern erfolgte erst 1968 unter dem Titel „Meisterwerke des deutschen Expressionismus“; 611 1949 wurden in einer Gruppenausstellung die Schweizer Künstler Max Bill, Fischli, Eichmann u.a. präsentiert. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem „institut für progressive cultur, Zürich“ organisiert. Sie bildete zugleich eine fruchtbare Ergänzung zur offiziellen Ausstellung „Schweizer Maler der Gegenwart“ im Haus der Kunst, in der die Schweizer konkrete Kunst nicht berücksichtigt war; 164

Stangls Galerie fungierte somit als Vermittler zwischen abstrakter Vorkriegskunst und abstrakter Kunst der Nachkriegszeit, die wie die Analyse der damaligen Ausstellungen ergab - in einer Weihnachtsausstellung im Jahr 1948 auch einmal gegenübergestellt zu sehen war.612 Dass die Stangls die Exponate nicht bloß hängten, sondern bemüht waren, das Thema Abstraktion dem Publikum auch entwicklungsgeschichtlich nahe zu bringen, unterstreicht ein Zitat Otto Stangls anlässlich der ersten Kandinsky-Ausstellung: „Der Besuch war stark und der größte Teil der Gäste war bestrebt, sich mit dem Werk Kandinskys auseinanderzusetzen. Es war gut, daß ich 2 frühe Arbeiten mit dabei hatte, um der Allgemeinheit den Weg zu den strengen und symbolhaften Arbeiten zu erleichtern.“613 Skizzen und Zeichnungen erwiesen sich zudem hilfreich für den Vergleich.

Dieses Kunstengagement, ebenso wie die stets hohe Qualität der Exponate führten zur Etablierung der Galerie innerhalb kürzester Zeit. Dabei zog sie nicht nur das Interesse der Szene, sondern auch des Staates auf sich, wie ein Schreiben über Stangls Galerie an die Oberpostdirektion München beweist: „Die Galerie Otto Stangl ist dem Kultusministerium mit als eine der führenden modernen Galerien nicht bloß Münchens, sondern der Bundesrepublik überhaupt bekannt, die in vorbildlicher Weise sich für die Pflege der deutschen und der internationalen Kunst der Jetztzeit einsetzt ...“614 Die Pflege der „Jetztzeit“ erfolgte in „ständiger Suche nach neuen Talenten“615, die Stangl in Fietz, Winter, Cavael oder Baumeister fand. Und es ist bezeichnend für das Engagement der Stangls, dass sich in den Räumlichkeiten der Galerie 1949, am Abend der Rolf Cavael-Vernissage, die Gruppe der Gegenstandslosen zusammenschloss, aus der wenig später die Gruppe ZEN 49 hervorging. Immer wieder organisierten die Galeristen Eva und Otto Stangl Einzelausstellungen, in denen die ZEN- Künstler zu sehen waren lediglich E.W. Nay und Georg Meistermann hielten Franke die Treue. Daneben wurden die gegen Ende der 40er Jahre in Erscheinung tretenden dynamischen Linienkürzel und kalligraphischen Gebilde der „École de Paris“ gezeigt, deren zum Teil kontrastreichen Farbbilder später zum genannten deutschen „Informel“ überleiten sollten.

612 Gezeigt wurden Kandinsky, Jawlensky, Baumeister, Klee, Campendonk u.a., ebenso wie Cavael, Fietz, Hartung oder Meistermann, vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 613 Brief Otto Stangl an Hilla von Rebay vom 18.02.1948, zitiert nach Segieth 2000, 151; 614 Schreiben Keims an die Oberpostdirektion München vom 19.11.1949, BHStA MK 51491; 615 So Otto Stangl, in: Das Kunstwerk, H.5-6, 1974, 38; 165

Mit ZEN 49 und der „École de Paris“ lieferte die Moderne Galerie Stangl ein hochaktuelles Ausstellungsprogramm und bildete eine für München maßgebliche Plattform für die aktuelle Diskussion um die Abstraktion in der Kunst. Ludwig Grote, Ottmar Domnick, J.A. Thwaites, Franz Roh, Hilla von Rebay, Werner Haftmann, Eberhard Hanfstaengl, Stefan Munsing, Will Grohmann, Hans Eckstein, Fritz Nemitz, Künstler und das kunstinteressierte Publikum trafen sich von nun an nicht mehr nur bei Franke, sondern auch bei Stangl, der als willkommener Konkurrent das moderne Münchner Kunstleben anzukurbeln verhalf.

Ähnlich wie bei Franke standen auch hier anfangs eher die Diskussionen und die gemeinsame, verbindende Freude an den modernen Bildern, weniger aber kommerzielle Absichten im Vordergrund, was in zahlreichen Briefen zwischen Stangl und den Künstlern zum Ausdruck kommt.616 Dass die Stangls dennoch auf eingehendes Geld angewiesen waren, um ihre passionierte Galerietätigkeit für junge Künstler auch weiterhin fortführen zu können, belegt ein Brief von Eva Stangl an Hilla von Rebay vom Januar 1949: „Wir haben die schönsten Dinge hier; im Moment zum Beispiel einen sehr schönen Paul Klee. Es kommen täglich die schönsten Sachen herein. Aber kein Mensch in Deutschland hat das Geld, sich Kunst zu kaufen. Dadurch, dass wir nichts verkaufen, fehlen uns die Mittel, um Ausstellungen moderner gegenstandsloser Maler zu arrangieren. Sie wissen ja selber, dass Katalog, Plakat und alles was dazu gehört, etwas kostet. Wie viel großzügiger und schöner könnten wir alles machen, wenn wir mehr Bewegungsfreiheit hätten. Und darum befiehlt einem einfach die Not, zu verkaufen.“617 Demnach waren die Stangls innerhalb ihrer Galerietätigkeit nicht vordergründig am Kunsthandel als viel mehr Sammeln interessiert. Die Tatsache aus der Not heraus den Bestand der Sammlung anzugreifen, um neue Kunsttendenzen der Zeit zu fördern, stand an der Grenze zwischen Kommerz und Mäzenatentum.

Waren es anfangs vor allem amerikanische Kunden, die den damals starken Dollar für aus heutiger Sicht äußerst preiswerte Kunsteinkäufe in Deutschland nutzten618, so mehrten sich die Verkäufe an deutsche Interessenten mit der Geldwertstabilisierung und dem aufkommenden Wirtschaftswunder um 1950 herum. Zusätzlich führten Wanderausstellungen mit Werken aus der Galerie zu

616 Vgl. Segieth 2000, 54-129; 617 Etta Stangl in einem Brief an Hilla von Rebay vom 25.01.1949, zitiert nach Segieth 2000, 253; 618 „Gerade war wieder ein großer New Yorker Kunsthändler hier. Sie kaufen alle sehr billig hier ein, um es drüben um ein vielfaches zu verkaufen.“, Etta Stangl in einem Brief an Hilla von Rebay vom 25.01.1949, zitiert nach Segieth 2000, 254; 166

Museumsankäufen.619 Museen aus ganz Deutschland, darunter auch die Bayerische Staatsgemäldesammlungen, kauften bei Stangl und auch Franke ein, um die chronologischen Lücken zwischen 1933 und 1945 durch Werke der deutschen Expressionisten Brücke und Blauer Reiter sowie dem Bauhaus zu schließen. Auf eine Erweiterung der Zielgruppe und damit doch letztendlich auf eine kommerzielle Ausrichtung der Galerie weist die Errichtung eines Kunstkabinetts im Jahre 1953 hin. So konnte auch der weniger zahlungskräftige Kunde angesprochen werden, der hier die in mehreren Auflagen erhältliche und dadurch preiswertere Graphik der klassischen Moderne erwerben konnte. Es erwies sich als ein lukratives Geschäft.

Weit schwieriger fiel dagegen der Verkauf der Nachkriegsmoderne aus, denn der moderne aufgeschlossene Privatsammler war nach 1945 rar, das Interesse an progressiver Kunst in Bayern zudem geringer als beispielsweise im Gebiet des Rheinlandes.620 So berichtete der für eine Oskar Schlemmer-Vernissage bei Otto Stangl aus Köln angereiste Kunsthändler zeitgenössischer Kunst Rusche von regen Neuankäufen der Händler am Rhein, „deren Unternehmungsgeist ... München mit ein wenig Neid erfüllen könnte.“621 Die damals wie heute risikoreiche Investition in noch unbekannte, junge Künstler wurde deshalb durch den Verkauf bereits etablierter Kunst kompensiert. Andererseits waren diese Investitionen extrem wichtig für die junge Kunst, bot die Zusammenarbeit zwischen Galerie und Künstler doch die oftmals einzige Möglichkeit an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Dass sich andererseits das Risiko durch ein gutes Gespür für den zukünftigen Kunstmarkt und gepaart mit dem Sinn für Qualität auch bewähren kann, haben die Galerien Franke und Stangl beweisen können, führten doch die mäzenatischen Investitionen in die junge abstrakte Kunst für beide Seiten zum gewünschten Erfolg.

Als Geburtsstätte für ZEN 49 und Informationspunkt für die neuesten Entwicklungen in Paris und der Schweiz gingen aus der Modernen Galerie Stangl Künstler hervor, die heute nicht nur zu den Protagonisten der Moderne zählen, sondern München, ähnlich wie zu Thannhauser- Zeiten, erneut zu einer progressiven Kunststadt werden ließen.

619 Gewinn bringende Folgen hatte beispielsweise eine Marc-Ausstellung im Karl-Ernst Osthaus Museum in Hagen 1950. Sie führte zu Folgeankäufen, die beinahe das komplette Galerieprogramm betrafen, vgl. Segieth 2000 255; 620 Vgl. hierzu Segieth 2000, 263; 621 Vgl. Heintz, Mauritius A.: Eröffnungsfeier der Oskar Schlemmer Ausstellung, in: Der Kunsthandel, Nr.3, 1949, 15-16; 167

5.2.5. Weitere kleine Galerien

Ab Ende der 40er Jahre gab es in München vor allem noch die Galerie Hielscher und einige weitere, heute fast vergessene, Kunsthandlungen und Galerien. Klein aber fein eröffnete die engagierte Kunstliebhaberin Karin Hielscher Mitte 1948 trotz der schwierigen Ausgangssituation nach der Währungsreform in ihren privaten Wohnräumen eine Galerie und war von Anfang an um öffentliche Anerkennung bemüht.622 Dass sie diese zu Beginn ihrer Ausstellungsaktivitäten auch erhielt, offenbart nicht nur die Reaktion der Bayer. Staatsgemäldesammlungen auf die Eröffnung der Galerie: „Bei der in Frage stehenden kleinen Galerie handelt es sich um ein ernsthaftes Unternehmen, das, soweit es in der Möglichkeit des Ministeriums liegt, eine moralische Unterstützung verdient.“623 Auch die Presse schrieb anlässlich der ersten Ausstellung über Hielschers „sicheres Gefühl für Qualität“ und ihre „glücklichen Hand.“624 Wenig später las man in der Zeitung anlässlich einer Masareel- Ausstellung über den „sicheren Geschmack einer Frau von Kultur“ und einem „Kunstsalon parisischer Prägung.“625 Das Geheimnis ihres Erfolges lag in der programmatischen Entscheidung für autodidaktische junge Kunst626, die abwechselnd mit zum Teil etablierter Kunst aus dem Privatbesitz627 einen interessierten Publikumskreis ansprach. Besonders auffallend waren Hielschers Kontakte zu Künstlern aus Amerika. Wurden 1949 die skurrilen, teils abstrakten, teils surreal figurativen Bilder der jungen amerikanischen Künstlerin Doris Swell Jackson gezeigt, so widmetet sich eine Ausstellung im Jahr 1951 explizit amerikanischer abstrakter Kunst sie wurde parallel zur Ausstellung amerikanischer Malerei im Amerika-Haus gezeigt.628 Mit Perle Fine, Joseph Albers,

622 Zitat: „Wie aus der beiliegenden Einladung hervorgeht, lasse ich mich durch die so veränderte Wirtschaftslage nicht abhalten, die von mir seit langem geplante „Galerie“ in meiner kleinen Wohnung zu eröffnen, vielmehr erlaube ich mir, das als Beweis für meine innere Verbundenheit mit der Kunst anzuführen. Das berechtigt mich zu der Bitte, mich als Ihnen wohl Unbekannte und dem Künstlernachwuchs, den herauszustellen ich mir zur Aufgabe gemacht habe, Ihr freundliches Interesse zuwenden zu wollen und die Arbeiten anzusehen“, Einladungsschreiben von Hielscher an Sattler vom 9.7.1948, BHStA MK 51491; 623 Schreiben Dr. Eberhard Hanfstaengl an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 7.9.1948, BHStA MK 51491; 624 Vgl. Hinterlach, Curt: Junge Künstler stellen aus, in: SZ, 20.01.1949, 2; 625 Vgl. Hinterlach, Curt: Neue Werke von Frans Masareel, in: SZ, 09.07.1949, 6; 626 „Junger Kunst den Weg zu bereiten“ war das genannte Ziel und mit dieser gestaltete Karin Hielscher hauptsächlich ihr Programm, vgl. Ausstellungskatalog: Galerie Karin Hielscher, München 23, München 1949; 627 Mit Picasso, Matisse, Masarell u.a., vgl. Ausstellungsliste im Anhang; 628 Vgl. Ausstellungskatalog: Galerie Karin Hielscher, München 23, München 1949; 168

Claire Falkenstein, Moholy Nagy u.a. damals für Deutschland noch unbekannte Künstler wurden so künstlerische Positionen aus Amerika nach München gebracht und in das hiesige Schaffen integriert. Bei der Galerie Hielscher fand der Kunstinteressierte Bilder die man sonst nirgendwo in München zu sehen bekam. Und dass Frau Hielscher auch experimentellen Geist besaß erwies die beispielhafte Gegenüberstellung von Altsteinzeit- und Gegenwartskunst von Seff Weidl .629 Karin Hielscher ging im damaligen München einen eigenen Weg. Dennoch stand sie im Schatten der Galerien Franke und Stangl und erlangte nie das Ansehen, das den beiden Großen zugute kam. Ein Grund dafür mag der Defizit an der damals national und international anziehenden expressionistischen deutschen Kunst gewesen sein erst 1953 finden sich vereinzelt die Brücke-Maler Heckel und Pechstein mit Zeichnungen und Aquarellen im Programm. Ein anderer Grund lag am Mangel wegbereitender deutscher Kräfte, die im Idealfall wie bei Franke und Stangl, zum Erfolg hätten verhelfen können. Amerikanische abstrakte Kunst wurde schließlich erst sehr viel später rezipiert. Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit der Galerie Hielscher nichts über einen internationalen Publikumsbesuch und Diskussionsrunden wie bei den genannten großen Galerien bekannt.

Nach Hielscher vergrößerte sich die Zahl an kommerziellen modernen Galerien in München zusehends. Doch trotz des zum Teil interessanten pluralistischen Programms, so bei Gauß, Heller, Böhler oder Götz, schaffte keine der Privatinitiativen den Sprung in die internationale Szene der Kunst. Als Förderer der Abstraktion fiel 1953 noch die Galerie orphir. Galerie für junge Kunst von Gustl Böhler in der Menge auf. Sie begann ihr Programm mit einer Gruppenausstellung der Gruppe ZEN 49, der Einzelausstellungen mit Vertretern der Abstraktion folgen sollten.630 Sie waren zu jener Zeit etabliert und wurden von einem inzwischen großen Sammlerkreis geschätzt. Die nächste größere Galeriegründung in München mit anhaltendem internationalem Erfolg erfolgte erst wieder 1957 mit der Galerie Otto van der Loo, bekannt als wichtigster Förderer der Gruppen S.P.U.R. und Geflecht.

629 Vgl. Ausstellungskatalog. Altsteinzeitkunst und Gegenwartskunst, Galerie Karin Hielscher, München 23, 1950; Vergleiche zur Kunst der Vorzeit wurden innerhalb der modernen Kunstdiskussion des öfteren herangezogen, vgl. diesbezüglich auch den Artikel von Kühn, Herbert: Moderne Kunst und Kunst der Vorzeit, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 6-9; 630 Vgl. Ausstellungskatalog: ZEN 49, ophir. Galerie für junge Kunst, München 1953 sowie die Ausstellungsliste im Anhang; 169

5.3. Resümee

Wie die Betrachtung des Münchener Kunstlebens nach dem Krieg zeigt, wurden programmatische Ausstellungen, mit neuen künstlerischen Positionen und Tendenzen nach 1945 in erster Linie durch Privatinitiativen unterstützt. Abgesehen von dem stagnierenden, der Münchner Maltradition verpflichteten Kunstverein, brachte der private Kunsthandel in München unmittelbar nach 1945 einige wenige kleine Galerien hervor, durch die der moderne Kunsthandel nach Zeiten der Trümmer wiederauflebte. Initiativen wie von Baudenbach, Freitag oder Wimmer boten dem Publikum, für das die Moderne zwölf Jahre lang ein Synonym für „entartet“ war, als erstes Gelegenheit, die pluralistischen modernen Stilrichtungen der Vor- und Nachkriegszeit wieder oder neu zu entdecken und machten mit der internationalen Moderne vertraut.

Abgelöst wurden sie wenig später von dem erfahrenen Kunsthändler Günther Franke und den Kunsterfahrenen Otto und Eva Stangl, deren bald einsetzender internationaler Erfolg mit dem Schwerpunkt auf dem Expressionismus und der progressiven Nachkriegsmoderne mit u.a. ZEN 49 unter Einbeziehung internationaler moderner Kunst zusammenhing. Primärgalerien, deren Programm ausschließlich auf junge, noch unbekannte Kunst gerichtet war gab es zu jener Zeit nicht.. Wurde der Expressionismus bei Franke mit den Künstlern der Brücke wieder publik gemacht, so widmeten sich die Ausstellungen in der Modernen Galerie Otto Stangl dem Blauen Reiter, dessen Werke zuletzt in der Modernen Galerie Thannhauser 1909-1928 im größeren Umfang im Handel waren. Ausdrucksformen moderner zeitgenössischer Kunst wurden mit dem Verweis auf die Vorkriegsmoderne legitimiert und in ihrer Progressivität unterstützt. Ferner fielen Frankes und Stangls persönliche Kontakte zu Künstlern, Sammlern und öffentlichkeitswirksamen Personen auf. Es gab eine hohe Presseresonanz. Demnach fungierten derartige private Galerien der Nachkriegszeit nicht nur als Ausstellungsort, sondern vor allem auch als Treffpunkt für das an zeitgenössischen Erneuerungen kunstinteressierte Publikum. Vorträge und Diskussionsrunden verhalfen einem besseren Verständnis gegenüber neuen künstlerischen Ausdrucksformen, was für die Vermittlungsarbeit der Galeristen spricht. Die Künstler wurden von den Galerien somit nicht nur finanziell und moralisch unterstützt, sondern gelangten allein durch diese an die Öffentlichkeit. Galerien wie Franke und Stangl leisteten ähnlich den Galerien der 20er Jahre Pionierarbeit für die wegbereitende junge Kunst der westdeutschen Nachkriegszeit und dies obwohl der Handel mit zeitgenössischer Kunst schwierig war: „Der Kunsthandel, besonders der Handel mit moderner Malerei, ist keine Sinecure. 170

Auch Münchens Galeriebesitzer wissen ein Lied davon zu singen. Es gehört schon ein gerütteltes Maß an Kunstverständnis, Liebe und Mut zu diesem Beruf.“631 Zwar wurde die mäzenatische Hingabe für die zeitgenössische Kunst durch den nicht zu vergessen Handel mit expressionistischer Kunst kompensiert. Ein Gewinn bringendes Geschäft war eine derartige Galerie jedoch noch lange nicht. Die Galeristen richteten sich an einen kleinen, weltoffenen und zugleich elitären Kundenkreis, hofften dabei auf eine positive Entwicklung ihres eigenen Kunstgeschmacks und verhielten sich insgesamt konträr zu den Erwartungen des Münchner Publikums.

6. Rezeption des Münchner Publikums

Innerhalb der Betrachtung moderner Kunst in der Nachkriegszeit traten vor allem die Bemühungen passionierter Einzelpersönlichkeiten hervor. Passioniert deshalb, weil sie ihr Vertrauen in die moderne Kunst mit nur einem kleinen elitären Interessen- und Käuferkreis teilen konnten, währenddessen ihnen die breite Bevölkerungsschicht mit Unverständnis entgegenkam. Noch 1960 schreibt der für die Münchner Nachkriegszeit wichtige Propagandist der Modernen J.A. Thwaites aus London: „’Ich hasse die moderne Kunst’ diesen Ausruf kann man immer noch sehr oft hören ... Die meisten Menschen finden die Kunst dieses unseres Jahrhunderts verwirrend und abstoßend und sie verhalten sich dementsprechend ablehnend oder gleichgültig ...“632 Wie in der Einleitung festgestellt, präferierte der Großteil des Publikums der Zeit inhaltlich zugängliche, auf den ersten Blick verständlich Bilder eine Kunst, die „sich mitteilt“633 und nicht selten waren es anfangs noch die nationalsozialistischen Bilder, die zu schätzen, die Bevölkerung gelernt hatte.634 Selbst die erste Ausstellung Künstler der Gegenwart I in Augsburg 1945, welche vorwiegend der Münchner alten und neuen Tradition gewidmet war, hatte „ ... keineswegs die Zustimmung gefunden, die viele Freunde der modernen Kunst

631 Heilmaier, Hans: Die Münchner Privatgalerien im Zeichen des Jubiläumsjahres, in: Der Kunsthandel, Nr.6, 1958, 10; 632 Thwaites 1960, 7, 11; 633 Klie, Barbara: Hat die Bildende Kunst unserer Zeit eine Chance?, in: SZ, 03./04.02.1951,5; 634 Hans Eckstein hatte diese Haltung einst in der Süddeutschen Zeitung kritisiert, doch sei für ihn die Kunst „... noch lange nicht, was dem Volk gefällt.“, Eckstein, Hans: Malerne Bildwerke aus der Münchner Kunst-Provinz, in: SZ, 10.09.1946, 7; 171

erwarteten.“635 Zudem kritisierte Hans Eckstein diesbezüglich, dass „ ... gerade die Jugend in zum Teil recht rüden Ausdrücken und mit kategorischer Intoleranz die modernen, sich von naturalistischen Bildmäßigkeiten entfernende Malerei ablehne ....“636 In diesem Zusammenhang sei jedoch berücksichtigt, dass diese Jugend im Vergleich zu ihren Eltern bis dato kaum etwas an moderner Kunst gesehen hatte und zudem in ihrem Fühlen, Handeln und Denken gegenüber moderner Kunst stark durch die negativen Äußerungen während des Krieges beeinflusst war.

Ein langsames „Öffnen“ gegenüber den Werken der Moderne erfolgte dennoch relativ schnell mit der Rehabilitierung „entarteter“ Kunst und der damit einhergehenden Zunahme von Ausstellungen zur Vorkriegskunst. Sie wurde sozusagen zwangsreanimiert. Wurden die abstrahierenden Stilrichtungen dadurch toleriert, wurden im Gegenzug die progressiven Entwicklungen der gegenstandslosen Nachkriegskunst kritisiert und undeutbare Bildinhalte allgemein weiterhin negiert.

In München orientierte sich das breite Publikum vorzugsweise an realistischer bzw. realitätsnaher Kunst: an der traditionellen Münchner Atelierkultur, zum Teil aber auch an dem expressiven Naturalismus der Caspar- Schule, an dem was man nach 1945 in der Münchner Künstlergenossenschaft, der Sezession und zum Teil auch in der Neuen Gruppe zu sehen bekam. Oder anders formuliert: An dem „Nachwirken der in München in besonderer Blüte gestandenen realistischen Tradition des 19. Jahrhunderts, der gegenüber neuere Formen Mühe hatten sich zu behaupten.“637

Äußerlich nachvollziehbar schlug sich das Publikumsverhalten sowohl durch die überlieferten Ausstellungsberichte als auch im Kaufverhalten nieder.638 Gekauft wurde „Herkömmliches, das heißt wirklichkeitsnahe, gegenständliche Kompositionen vom vorherrschenden Geschmack“, währenddessen der Verkauf der Modernen „trotz der Bemühungen Berufener, ein Verhältnis selbst zu Meistern wie Klee oder Beckmann auf verhältnismäßig enge Kreise beschränkt“ gewesen war.639

635 So Hans Eckstein in seinen Beobachtungen über die Reaktionen auf diese erste Schau, vgl. Eckstein, Hans: Eine Antwort der Jugend..., in: SZ, 08.03.1946, 9; 636 Eckstein, in: SZ, 08.03.1946, 9; 637 Wied zu, Karl Viktor: Moderne Kunst in München, in: Das Bayernland, Mai 1953, 175; 638 Vgl. Heß, E.: Viele finden den Weg zur Kunst: Gut besuchte Münchner Ausstellungen, in: SZ, 01.09.1950, 9; 639 Vgl. Wied zu, Karl Viktor: Moderne Kunst in München, in: Das Bayernland, Mai 1953, 175; 172

Deshalb waren die öffentlichen Ausstellungen zur lebenden Kunst auch besser besucht als die der exklusiven Privatgalerien, in denen sich ein eher elitärer Kreis zusammenschloss. Innerhalb des öffentlichen Bereichs wurden gemäß der Quellen der Zeit die zeitgenössischen Ausstellungen im Haus der Kunst am besten besucht, im Bayerischen Nationalmuseum und anderswo stattfindende historische Kunstausstellungen dagegen schlecht.640 Eine Steigerung der Besucherzahl erfuhren internationale Ausstellungen wie beispielsweise die zur französischen Moderne im Haus der Kunst 1948 was für die Neugier der Besucher an ausländischen Kunstentwicklungen während des Krieges spricht.

Daneben zogen vor allem die „Großen Kunstausstellungen“ im Haus der Kunst das Münchner Publikum an und bewiesen alles andere als ein Mangel an Kunstinteresse, wie des Öfteren behauptet wird.641 Das Publikum schien auf den ersten Blick durchweg gemischt: „Studenten, Künstler, aber auch viele Beamte, Handwerker, Hausfrauen. Über 50 Prozent Fremde, Amerikaner vor allem“, wobei die Amerikaner beobachtbar „mehr Verständnis für moderne Kunst als die Deutschen“ aufwiesen.642 Auf den zweiten Blick aber ordnete man das Besucherpublikum eher einer gebildeten Bürgerschicht zu.643

Auch die Befürworter der progressiven Kunst der Zeit mischten sich unter das damalige Publikum der Ausstellungen im Haus der Kunst. Sie nutzten das Gesehene in erster Linie für die Kritik an der lieblichen Verständlichkeit der öffentlichen Ausstellungspolitik. Sie bewegten sich vorzugsweise in einem elitären

640 Dies geht sowohl aus den Statistiken des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus aus als auch aus einer Bilanz der Süddeutschen Zeitung hervor, vgl. BHStA MK 50843 sowie Gerhart, K.: Die Museen warten auf Gäste ‚Ruhige Zeit’ in Kunstausstellungen und Museen/ Moderne Meister sind beliebt, in: SZ, 06.12.1949, 4; 641 1950 gab es einen vergriffenen Katalog sowie zahlreiche Käufer für 90 Gemälde und Plastiken, wie in einem Zeitungsartikel berichtet wurde, vgl. Heß, E.: Viele finden den Weg zur Kunst: Gut besuchte Münchner Ausstellungen, in: SZ, 01.09.1950, 9; 642 Vgl. Heß, , in: SZ, 01.09.1950, 9; 643 Zitat: „Ein großer Teil lebt von der Kunst und ist mit deren Herstellung und Handel oder, als Kritiker, Schriftsteller und Historiker, mit ihrer Verarbeitung befasst. Der größte Teil obliegt sichtbar dem Studium der Kunstgeschichte, das, wie es scheint, ein hauptsächlich weibliches Fach ist und sich bis ins höchste Lebensalter hinzieht. Ein etwa sechzehnjähriger Mann fällt uns auf, der über der Hose ein violett-gelbes Hemd und unter der Nase einen durchaus erwachsenen Vollbart trägt. Uns Laien fällt so was auf; es fällt uns aber auch auf, dass so wenig Laien da sind. Das ist schade.“, Pollak, Bernhard: Laie auf Kunstreise, in: SZ, 21./22.07.1951, 9; 173

Intellektuellenkreis und entsprachen weitgehend dem Publikum, das sich bei Franke oder Stangl aufhielt.644 Innerhalb des Münchner Kunstpublikums der Nachkriegszeit existierten demnach zwei konträre, sich nur bedingt berührende Personenkreise.645 Auf der einen Seite die traditionellen Kulturpolitiker und ein an die Tradition gebundenes, konservatives Bürgertum. Auf der anderen Seite ein prozentual kleinerer, jedoch fortschrittlicher Interessenkreis, dessen laute Stimmen man in den Feuilletons und Privatgalerien zu hören bekam.

Eine Wechselwirkung fand vor allem dann statt, wenn die progressive Seite den Versuch unternahm, den Kreis für die von ihnen favorisierte Kunst durch Einführungen oder Diskussionen zu erweitern und wenn im Gegenzug die konservative Seite ihre Argumente für den Traditionalismus proklamierte. Das sich dazwischen befindliche labile Publikum bildete dabei einen „beträchtlichen Teil“, schien aber durchaus bereit, sich in die „unverkennbare Problematik“ der damaligen Gegenwartskunst einführen zu lassen“, was ein „überaus starker Besuch“ eines 1947 von Franz Roh gehaltenen Vortrages über surrealistische und abstrakte Malerei im Deutschen Museum München nahe legt.646 Auch Conrad Westphal hielt regelmäßig Vorträge über die abstrakte Kunst, beispielsweise vor der Volkshochschule im „Haus der Jugend“ über die Kunst und Technisierung der Welt. Laut den Überlieferungen wurde hier heftig diskutiert.647 Daneben gab es beispielsweise in Tutzing Tagungen für Bildende Künstler. Wie die zeitgenössischen Quellen berichten führte die Evangelische Akademie in Tutzing

644 Jost Hermand spricht im Zusammenhang mit den Befürwortern abstrakter Malerei von „freischwebenden Intellektuellen, Amerika-Fans, anpassungsbereiten Journalisten, ästhetischen Nonkonformisten, modischen Snobs, allem Politischen mißtrauenden Maler, mit dem Schein des Neuen leicht zu verführenden Jugendlichen ....“, Hermand 1991, 155; 645 Hiezu ein Essay des spanischen Philosophen Ortega y Gasset zur „ Dehumanisierung der Kunst“ nach 1945, indem das „Charakteristikum der zeitgenössischen Kunst“ darin gesehen wird, „... daß sie das Publikum in zwei Hälften teilt: in eine, die sie versteht, und in eine andere, die sie nicht versteht .... Offensichtlich ist die moderne Kunst nicht mehr für jeden da wie noch die romantische Kunst, sondern von Anfang an wendet sie sich an eine besondere, begabte Minderheit..“, gedruckt bei Smith, Edward-Lucie: Die moderne Kunst 1996, 47; vgl. auch die zusammengefassten Gedanken Wilhelm Worringers, in: Bildenden Kunst, H.10, 1948, 30 sowie die Äußerungen zur „gesellschaftlichen Trägerschicht“ des abstrakten Stils bei Hermand 1991, 155ff.; 646 Dies bestätigte ein Artikel von Ude, Karl: Surrealistische und abstrakte Malerei, in: SZ, 08.07.1947, 2; 647 Interessant war vor allem die Diskussion, die sich „... wie ein Fegefeuer im Wind entwickelte und trotz ihres ein wenig verwilderten Verlaufs erst beruhigte als der Pförtner mit den Schlüsseln kam.“, K.F.M.: Ordnung des Chaos durch die Kunst, in: SZ, 30.11.1950, 2; 174

1950 Diskussionen über das für und wider abstrakter Kunst.648 Und innerhalb der Tagung im Jahre 1951 wurde hier neben den Vorträgen von Westphal auch ein Kurzfilm über moderne Kunst von dem Stuttgarter Ottmar Domnick gezeigt. Das Anliegen folgte dem „Versuch, die Malerei der Gegenwart und besonders die abstrakte, an die Massen heranzubringen“649 1948 hielt in München Wilhelm Worringer eine Rede zur „Problematik der Gegenwartskunst“ 1948. Darüber hinaus gab es weitere zahlreiche Diskussionen in den privaten Galerien und im Amerikahaus. Reden der Konservativen fanden beispielsweise durch die Eröffnungsrede Emil Preetorius zu den an „alle Schichten des Volkes“ gerichteten Vortragsreihen der Volkshochschule, Universität und Technischen Hochschule statt Preetorius sprach hier über „Die Krisis in der Kunst“650. Preetorius, der um 1907 im Kontakt zur Münchner Moderne stand und moderne Tendenzen in den begleitenden Publikationen illustrierte, zeigt sich hier pessimistisch gegenüber abstrakter Kunst, die er als Begleiterscheinung des Chaos der Nachkriegswelt berechtigt sah. Auch Wilhelm Hausenstein, der in der 1947 im Theater am Brunnenhof stattgefundenen Matinee über „München Gestern, Heute, Morgen“ referierte, äußerte sich negativ über die damals neuesten Tendenzen in der Kunst. Hausenstein, der sein einstiges Engagement für die Vorkriegsmoderne zu jener Zeit als Jugendsünde revidierte, plädierte in diesem Vortrag für eine eher rückwärtsgewandte Sicht, was die Zukunftsgestaltung der Stadt anbetraf. Denn ähnlich wie Herr von Baudenbach und festhaltend an dem „provinziellen Zauber“ Münchens, sah Hausenstein die Zukunft durch eine Synthese zwischen der älteren Münchner Tradition und den revolutionären Entwicklungen der Stadt idealisiert.651 Andere Stimmen dagegen empfanden derartige Gegensätze wie sie sich in München zwischen der Münchner Künstlergenossenschaft und ZEN 49 manifestierte, wie „Feuer und Wasser,“ für das es auch keine Brücke gab.652 Man berief sich auf den innovativen Ruf den München einst besaß und verschloss sich im gleichen Zug den innovativen Tendenzen der Zeit, deren Ausdrucksform erst später breite Wertschätzung erhielt und erneut den revolutionären Ruf der Stadt reflektierte.

648 Vgl. SZ, 21.02.1950, 3; 649 Vgl. Nemitz, Fritz: Zwischen Chaos und Besinnung, in: SZ, 20.03.1951, 3; 650 Vgl. Huber, Heinz J.: Podium der Bühne. „Krisis in der Kunst“, in: SZ, 07.12.1946, 5; 651 Vgl. Hausenstein, Wilhelm: München Gestern, Heute, Morgen. Ein Vortrag gehalten am 27.07.1947, im Theater am Brunnenhof, München 1947; 652 Vgl. Aufsatz von Prof. Dr. Kern zur Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft, im Haus der Kunst , März 1950, BHStA MK 51591; 175

IV. Schlussfolgerungen

Wie die geschlossene Darstellung der Gesamtsituation Münchener Malerei nach 1945 zeigt, gab es in München sehr viele künstlerische Kräfte, die sich an modernen Tendenzen in der Kunst orientierten. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie und mit welcher Unterstützung die hiesige, zwölf Jahre lang unterdrückte Kunst gedeihen konnte und ob sie im Vergleich zur Gesamtentwicklung westdeutscher Nachkriegsmalerei vorangekommen war oder nicht.

Moderne Münchner Nachkriegsmalerei – eine Zusammenfassung Bezogen auf die allgemeine westdeutsche Nachkriegssituation, herrschte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Aufbruchstimmung und ein künstlerischer Nachholbedarf an dem, was an moderner Kunst vor dem Zweiten Krieg existierte und in anderen Ländern weiterentwickelt worden war. Das erste Anliegen galt somit der Rehabilitierung der als „entartet“ diffamierten modernen Vorkriegskunst, sprich: dem Aufzeigen von revolutionären Stilarten, die von den Künstlern des Expressionismus, Surrealismus, Kubismus oder der Abstraktion bereits geleistet worden waren. Relevante Kunstrichtungen der Vorkriegsmoderne, die sozial wie auch politisch gegen gesellschaftliche Kunstintentionen gerichtet waren Dadaismus/ Futurismus, wurden dagegen kaum rezipiert. Die Kunst nach 1945 äußerte sich weniger rebellisch, beinahe völlig unpolitisch und strebte insgesamt nach einer Kunst, die für die Verdrängung der Kriegsgeschehnisse geeignet war.

Da die Werke der genannten vorkriegsmodernen Neuerer, die ersten modernen Werke waren, die man unmittelbar nach 1945 zu sehen bekam, lieferten sie auch die größten Anhaltspunkte für all jene Künstler, die einem Neunanfang mit Optimismus gegenüberstanden. Aus diesem Grund kam es bei der Suche nach einem zeitgemäßen Ausdrucksstil bis Ende der 40er Jahre zu einem Stilpluralismus, was in den bis dahin Zonen übergreifend organisierten Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst deutlich wurde. Innerhalb dieser Suche fielen verstärkt ab 1947 auch einige Künstler auf, die Neues aus der Tradition zu formen begannen. In Auseinandersetzung mit den rein bildnerischen Mitteln der, innerhalb des Blauen Reiters von Kandinsky entwickelten Abstraktion, entdeckten sie neue Möglichkeiten der künstlerischen Ausdrucksform und kreierten daraus einen eigenen Malstil. 176

Unter zunehmender Vernachlässigung des handwerklich erlernten Farbauftrags und der damit einhergehenden Reduktion der ursprünglichen Bildidee als bloßes Abbild der Natur, entstand unter gleichzeitiger Rezeption der aus Frankreich kommenden „lyrischen Abstraktion“, eine „neue“ rein formale Bildform, die als zeitgemäße Bildsprache für die Nachkriegszeit Anerkennung fand. Sie wurde durch die besprochenen, äußeren sozial-politischen Umstände im Kalten Krieg begünstigt, in dem die abstrakte Entwicklung in Westdeutschland als Zeichen der Freiheit und Demokratie gefeiert wurde, währenddessen in Ostdeutschland der sozialistische Realismus vertreten wurde. Die Durchsetzung der Abstraktion erfolgte durch wirtschaftliche und politische Förderungen und mit Hilfe publizistischer Organe. So kam es in den 50er Jahren auch zu einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Abstraktion als zeitgemäße Ausdrucksform.

Ausgehend von dieser allgemeinen deutschen Kunstentwicklung nach 1945 wurde in der vorliegenden Arbeit die künstlerische Situation der Stadt München analysiert und auf ihre Modernität hin geprüft.

Angefangen bei einigen der vielen in München schnell formierten Künstlergruppen, taten sich vor allem drei, zum Teil vor dem Krieg gegründete Künstlervereinigungen hervor: die Münchner Künstlergenossenschaft, die Münchner Sezession sowie die Neue Gruppe. Insgesamt fielen ihre Mitglieder durch die stilistische Rückbesinnung an die Tradition der Münchner Atelierkultur des 19.Jahrhunderts auf. Lediglich die Neue Gruppe widmete sich vorwiegend einer modernen, vor 1933 von Karl Caspar eingeleiteten neuen Münchner Tradition, welche die Vorkriegsmoderne durch die Synthese mit der spätimpressionistischen Münchner Maltradition überwunden zu haben schien. Ihre Vertreter werden heute im Zusammenhang des Expressiven Realismus genannt. Als einzige der drei großen Münchner Künstlergruppen akzeptierte die Neue Gruppe auch einige Vertreter der Abstraktion wie Max Ackermann, Willi Baummeister oder Conrad Westphal. Alle drei Gruppen wurden nicht nur intensiv durch die städtische Kunstpolitik unterstützt. Sie führten zudem die Tradition der Münchner Glaspalastausstellung fort, indem sie ab 1949, selbst verantwortlich, in den Großen Jahresausstellungen im Haus der Kunst auftraten. Das konservative Publikum fand Gefallen daran.

Eine ähnliche Kontinuität der Münchner Tradition erfuhr auch die Lehranstalt der Akademie. Abgesehen davon, dass ihre die nationalsozialistische Vergangenheit weitgehend verdrängte und hier nach wie vor ehemalige Nazilehrer tätig waren, war die Akademie nach 1945 durch eine auffallend konservative Lehrerschaft belegt. Gelehrt wurden traditionelle Bildinhalte in Besinnung auf die Münchner 177

Atelierkultur, währenddessen aktuelle Tendenzen lediglich durch die Rezeption des Expressiven Realismus mit Karl Caspar, Xaver Fuhr und Willi Geiger zum Ausdruck kam. Letzterer war einer der wenigen Nachkriegskünstler, die durch Kriegs- und Nachkriegsbilder deutlich soziale Kritik an der NS-Zeit übten. Die Öffnung für die Abstraktion erfolgte ab 1951 durch die Berufung Ernst Geitlingers an die Akademie, der sich hier gegen die Angriffe der restlichen Professoren zu behaupten hatte.

Auch der einst durch progressive Ausstellungen auffallende Kunstverein widmete sich der alten Münchener Tradition und präsentierte im zeitgenössischen Bereich vornehmlich die Werke der konservativen Münchner Künstlerschaft.

Ein wenig weltoffener erschienen damals die staatlich organisierten Ausstellungen im Haus der Kunst. Neben Münchens alter Tradition und der zeitgenössischen Kunst aus den drei großen Münchner Künstlerorganisationen wurden hier auch einige nationale, vor allem aber internationale Ausstellungen mit zeitgenössischen Werken aus Frankreich, Italien und der Schweiz, organisiert. Der Grund für das Interesse an der internationalen Kunst lag in den Absichten der westlichen Politik allgemein, eine möglichst schnelle Westintegration und Europäisierung zu verwirklichen.

Internationales Interesse erregte die erste große Nachkriegsausstellung zum Blauen Reiter 1949 im Haus der Kunst. Hatte sich dieser in seiner Entstehungszeit im Widerspruch zur öffentlichen Ausstellungspolitik formiert, so war es nach 1945 gerade diese Öffentlichkeit, die ihm seinem Verdienst dankte, München zu einer avantgardistischen Stadt auf internationalem Niveau erhoben zu haben. Zudem waren die abstrakten Bilder eines Kandinsky und Klee zu jener Zeit hoch aktuell, wurden doch mit ihrer Hilfe die abstrakten Entwicklungen der Nachkriegszeit legitimiert.

Parallel dazu formierte sich noch im selben Jahr die an die Tradition des Blauen Reiters anknüpfende Gruppe ZEN 49 aus progressiven Künstlern die sich nur einer Stilrichtung, der Abstraktion und all ihrer Spielarten, verpflichtet fühlten. Geschlossen für die Durchsetzung dieser viel diskutierten Stilrichtung kämpfend, wurden sie in München anfangs lediglich durch private Initiativen und die amerikanische Besatzungsbehörde unterstützt und so für einen kleinen, elitären Kennerkreis auf den Markt gebracht. Innerhalb der öffentlichen Kunstpolitik zeichneten sich vor allem die Amerikaner durch progressive Kunstförderungen aus, was damit zusammenhing, dass sich der 178

Direktor des Amerika-Hauses, Stefan Munsing, gerne mit der Abstraktion auseinandersetzte. Im Programm des Münchener Amerika-Hauses standen nicht nur die Vermittlung amerikanischer Kunst und Kultur, sondern auch einheimischer Künstler, die Munsing mit Blick auf die amerikanischen Entwicklungen, unter anderem des „abstrakten Expressionismus“ der 1940er Jahre als aktuell und ausstellungswürdig empfand. Wie die Ausstellungen in diesem Hause zeigten, waren dies vor allem nationale und internationale Vertreter der Abstraktion.

Mit Abstand betrachtet bot München somit einige kontroverse Foren, durch die Traditionelles gepflegt und Progressives gefördert wurde und die getrennt voneinander die jeweilige Kunst mit ihrem jeweiligen Publikum zusammen führten. So wirkte auf der einen Seite die Stadt, deren Kunst- und Ausstellungspolitik sehr stark an der traditionellen Kunst aus München gebunden war und sich den progressiven künstlerischen Kräften der Stadt verschloss. Sie charakterisierte sich durch ihre starke Rückbesinnung an die Zeit, in der München als eine internationale „Kunststadt“ mit akademischem Führungsanspruch anerkannt war. Der Grund hierfür lag in der personellen Kontinuität der Kultur involvierten Stadtpersönlichkeiten aus der Vorkriegszeit, die mit der Münchner Tradition aufgewachsen und verankert waren. Für die zeitgenössischen Ausstellungen in der Städtischen Galerie wurden deshalb vornehmlich traditionell orientierte, allenfalls gemäßigt moderne Münchner Künstler der Caspar-Schule ausgewählt, ebenso wie für die Förderprogramme, die der Münchner Künstlerschaft verpflichtet waren. Dem nach dem Krieg geäußerten Vorhaben, München Ruf als „Kunststadt“ zurückzuerobern, wurde die städtische Kunstpolitik der Nachkriegszeit damit nicht gerecht.

Den Anschluss an einer international orientierten, progressiven Kunstausübung ermöglichte die zweite „Seite“ der Münchner Nachkriegszeit, die Initiativen des Amerika-Hauses und der privaten Galerien, zu deren Ausstellungen sich das modern orientierte Kunstpublikum traf. Mit Blick auf die Entwicklungen des internationalen Kunstmarktes wurden hier vor allem stark abstrahierende Tendenzen wie Xaver Fuhr oder Werner Gilles, die Mitglieder und Gäste der Gruppe ZEN 49, französische Vertreter der „lyrischen Abstraktion“ mit Hans Hartung und Pierre Soulages sowie einige abstrakte Künstler aus Amerika wie Jackson Pollock und Mark Rothko gezeigt. Zwar war die Nachfrage an neuen, eher unbekannten Künstlern zur Anfangszeit noch gering, doch weckte die Vermittlung ihrer innovativen Ideen durch private Galerien schon bald das Interesse der damaligen Kunstkritiker, Kuratoren und zum Teil auch Museen, so dass spätestens in den 50er Jahren auch immer mehr Kunst 179

liebende Sammler die Werken von Xaver Fuhr, Rupprecht Geiger oder Gerhard Fietz erfragten. Bis dahin wurden die Kosten für die riskante Investition in die neueste Kunst durch den klassischen Kunsthandel mit etablierten Künstlern, vornehmlich aber mit den nach dem Krieg stark gehandelten Bildern des Expressionismus, gedeckt. Die Rehabilitierung des Expressionismus fand in den privaten Galerien früher statt als durch die öffentliche Münchner Kunstpolitik. Im Vertrauen auf ihr Gefühl für künstlerische Entwicklungen der Zukunft investierten Förderer wie Stefan Munsing sowie vor allem die Galeristen Günther Franke und Otto Stangl in eine anfangs noch „publikumsfremde" Kunst und bildeten zugleich ein Forum für künstlerische Fragestellungen der Gegenwart.

Moden und Märkte – institutionelle Seiten des Kunstprozesses Einhergehend mit der professionellen Vermittlungsarbeit dieser Ausstellungsmacher wurde die Kunst dem Publikum nicht nur zugänglich gemacht, sondern wurde der Kunstmarkt in eine Richtung gelenkt, in der die Abstraktion bald triumphierte. Ausschlaggegend für den in den 50er Jahren einsetzenden Erfolg abstrakt orientierter Künstler waren auch publizistische Organe wie die Zeitschrift Das Kunstwerk, welches die Diskussion um eine zeitgemäße Ausdrucksform bereits 1947, mit einem Sonderheft zur Abstraktion auslöste. Auch Kritiker der Süddeutschen Zeitung schrieben vornehmlich über die neuen Ausrucksmöglichkeiten in der Malerei, gefolgt von anderen Zeitungen, Zeitschriften oder Katalogen, die die neuen Tendenzen nicht nur debattierten, sondern auch popularisierten.653 Ermöglicht wurde diese Popularisierung durch die unterschiedlichen Systeme der geteilten Nation. Führte doch das von den Amerikanern übernommene kapitalistisch organisierte Informationssystem der neu gegründeten BRD bald auch zur Begünstigung von Markenwaren, die in der Presse geworben wurden. Wesentlich beteiligt an der Schaffung einer künstlerischen Markenidentität war die in München gegründete Gruppe ZEN 49 und die durch das genannte Mediensystem unterstützende Verbreitung der konfliktarmen, formschönen Kunst einer Kunst

653 Dies bestätigt eine Kritik an der modernen Kunstkritik: „Ich kann es in einem demokratischen Staat nicht als richtig empfinden, wenn die Presse ihre Freiheit dazu benutzt, nur eine künstlerische Auffassung die moderne Malerei ohne Konzession als positive Diskussionsbasis zuzulassen und alles andere bedingungslos abzustoßen oder sich zu einer anders gearteten Konzeption ausschließlich negativ zu verhalten. ... Es hat zweifellos den Anschein, dass die Presse in ganzer Form ihre Freiheit dazu benutzt, ich möchte fast sagen mit diktatorischen Mitteln im freien Staat ihre Anschauung über Kunst und Kunstschaffen durchzusetzen.“, Schreiben des Kunstmalers Wolf Kuithan an Kultusminister Dr. Schwalber vom 24. Januar 1952, BHStA MK 51464; 180

durch die das neu gewonnene Freiheitsgefühl zum Ausdruck kam, die die nationalsozialistische Vergangenheit verdrängen ließ und die zudem in allen modernen Staaten verstanden wurde, in denen die Abstraktion ebenso „in Mode“ gekommen war.

Innerhalb dieser Entwicklung erfuhr auch München in den 50er Jahren die nicht mehr aufzuhaltende Modernisierung in Westdeutschland und erhielt die Abstraktion Einzug in alle Lebensbereiche, wie etwa in die Wohn- und Modewelt.654 Konservative Kräfte in München hatten diese Beobachtung bereits 1950 kritisiert, so Prof. Dr. Kern, der im Zuge eines Lobgesanges an die Münchner Künstlergenossenschaft, die durch den Kritiker Fritz Nemitz zur Mode gemachte moderne Kunst kritisierte: „Nahezu das ganze Publikum und mindestens 95 % der Maler in aller Welt lehnen diese Kunst ab. Nur einer vom internationalen Kunsthandel gelenkten, von Esoterikern und Snobs geförderten machtvollen, oft rücksichtslosen Propaganda ist es gelungen, in weiten Kreisen Verwirrung zu stiften und den wahren Tatbestand zu verschleiern. Diese Kunst ist noch lange keine ‚Weltkunst’, wenn sie auch von interessierter Seite als solche dargestellt wird. Sie ist vielmehr die Kunst einer verschworenen kleinen Gesellschaft, die in allen Ländern Anhänger hat- sich anmaßt ihr Urteil als das allein richtige hinzustellen und es für alle Anderen als verbindlich zu erklären.“655 Obwohl sich anfangs nur ein kleiner elitärer Kreis der abstrakten Kunst annahm, wurde sie in den 50er Jahren dennoch zum Markenartikel und abstrakte Muster zur Massenware der westlichen Industrienationen.656 In München erreichten die gegenstandslosen künstlerischen Ausdrucksformen der Zeit zunehmend die Akzeptanz innerhalb der öffentlichen Ausstellungs- und Förderpolitik, so dass 1955 endlich auch die Städtische Galerie der sich bereits allerorts durchsetzenden Kunst nachgab und eine Ausstellung mit Werken aus der Gruppe ZEN 49 organisierte.657 Das breite Publikum folgte der allmählichen Durchsetzung der Abstraktion und integrierte sie zunehmend in den oben angesprochenen privaten Bereich.

654 Axel Schild hat für derartige Vorgänge die treffende Formulierung einer „Modernisierung unter konservativen Auspizien“ gewählt, vgl. Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und >Zeitgeist< in der Bundesrepublik der 50er Jahre, Hamburg 1995; 655 Aufsatz von Prof. Dr. Kern zur Ausstellung der Münchener Künstlergenossenschaft, im Haus der Kunst , März 1950, BHStA MK 51591; 656 Dies beobachtete bereits 1950 der Münchener Maler Thomas Niederreuther in einem Artikel in der SZ: „Die Wirtschaft beweist es wir brauchen den Markenartikel nur der Markenartikel verkauft sich von selber ...“ Niederreuther, Thomas: Randbemerkungen eines Betroffenen, in: SZ, Jg.6, Nr.238, 1950, 4; 657 Hans Eichler nannte die Beeinflussung des für ihn „scheinmodernen Kunstbetrieb“ als einen keine „mechanisierten Rangierbahnhof“, Eichler 1969, 8; 181

Für Münchens Traditionskünstler bedeutete der sich in den 50er Jahren ausbreitende Glaube an den Modernismus, dass im Verlauf der Jahre selbst die als modern gegoltene, neue Tradition der Caspar-Schule und somit die Vertreter des Expressiven Realismus in Vergessenheit geriet. Wurden sie anfangs noch durch einige Berichte in den Medien rezipiert, so verschwanden sie mit der Diskussion um die abstrakte Kunst aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, die den Expressiven Realismus langfristig nur noch in den „Großen Kunstausstellungen" im Haus der Kunst zu sehen bekam. Ein weiterer Grund für ihre Vergessenheit lag wohl auch daran, dass sie weder von Kunsthändlern noch von den breit wirkenden Kunstzeitschriften ihrer Zeit eine angemessene Würdigung fanden. Viele der Sammler folgten deshalb viel mehr den allgemein kursierenden Marktempfehlungen der expressionistischen und abstrakten Kunst. Junge Nachwuchskünstler, die in der amerikanisierten modernen Welt aufwuchsen, orientierten sich in den 50er Jahren an den neuesten aus Frankreich und Amerika einströmenden Stilrichtungen der „lyrischen Abstraktion“ und erinnerten sich kaum an die Leistungen des Expressiven Realismus der deshalb von Rainer Zimmermann bezeichneten „verschollenen“ Vorkriegsgeneration.658 Bis heute bekannt geblieben, sind lediglich die Künstler, die sich in ihrer Frühzeit zum expressiven Realismus bekannten, nach dem Krieg den Weg in die genannte aktuelle Richtung einschlugen und in privaten Galerien Unterstützung fanden: genannt seien Xaver Fuhr, Werner Gilles oder Ernst Wilhelm Nay.

Einen totalen Bruch mit der Tradition, den Adorno wie einleitend beschrieben als „Echtheitssiegel der Moderne“ fordert, erlangten diese Künstler nicht. Zudem wurde durch die Aufnahme internationaler Tendenzen der Abstraktion sowie das Anknüpfen an die Zeit vor dem Krieg auch keine neue Stilrichtung geschaffen, die sich rigoros von einer älteren abgrenzte. Die Abstraktion erschien modern, weil sie modern gemacht und lange Zeit aus dem Gedächtnis verdrängt wurde. Sie reflektierte die Oberfläche, sowohl materialistisch als auch inhaltlich gesehen, denn eine Konfrontation mit der Realität war zu dieser Zeit nicht erwünscht.

Bedeutung für die Gegenwart München im Sinne einer modernen Kunststadt ist heute vor allem durch die Wirkungskraft des Blauen Reiter berühmt.

658 Vgl. Zimmermann 1994; 182

Wenn München auch in der Nachkriegszeit wieder zu einer wahrhaften Kunststadt der modernen Malerei avancierte, so verdankte sie dies vor allem den Vermittlungsbemühungen der wenigen progressiven Kräfte der Stadt, den vorantreibenden Entwicklungen der Künstler aus der Gruppe ZEN 49 und den Privatgalerien, die die unterbrochene Pionierarbeit während des „Dritten Reichs“ nach 1945 fortsetzten. Was die moderne Malerei anbetraf, so waren die privaten Galerien wesentlich weltoffener als die der Münchener Traditionskunst verpflichteten Ausstellungen der Stadt.659 Sie sorgten dafür, dass Künstler wie Willi Baumeister, Fritz Winter oder Ernst Wilhelm Nay genauso in die Geschichte der Stadt eingingen, wie die Künstler Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin, Franz von Stuck, Wassily Kandinsky, Gabriele Münther, Alexeij Jawlensky, Franz Marc und viele mehr.

Indes wurden progressive Entwicklungen mit der Zeit mehr und mehr auch in öffentliche Institutionen integriert, erhielt die Moderne spätestens seit den Mitgliedern der Gruppen S.P.U.R., Geflecht oder Wir nicht nur Unterstützung durch private Galerien, sondern auch Einzug in die Akademie und arbeiteten die öffentlichen und privaten Initiativen als bald reziprok. Auch die Städtische Galerie fällt seit den 70er Jahren durch fortschrittlich gestaltete Ausstellungsaktivitäten auf, indem aktuelle künstlerische Positionen und somit wesentliche Vertreter der internationalen aktuellen zeitgenössischen Kunst in ihre Sammlungen eingingen. Das beste Beispiel für die gesteigerte Weltoffenheit der „Kunststadt“ München liefert heute die 2002 eröffnete Pinakothek der Modernen und das von ihr verfolgte progressiven Ausstellungskonzept.

659 Die Rückständigkeit der städtischen Ausstellungspolitik Münchens ließe sich noch mehr durch einen ausführlichen Vergleich mit der städtischen Ausstellungspolitik anderer westdeutscher Städten vertiefen. Augsburg, Stuttgart, Köln oder Düsseldorf waren zu jener Zeit wesentlich moderner orientiert als München; 183

Ausstellungsliste 184

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1945 Bayerisches Nationalmuseum Foyer der Kammerspiele Meisterwerke der Süddeutschen Gotik; 6 junge Münchner Maler aus der Gruppe Bildende Kunst der Gewerkschaft;

Galerie Baudenbach Die Schwabinger „Kleine“ Kunstausstellung No.1, Plastiken, Gemälde, Graphik; Die Schwabinger „Kleine“ Kunstausstellung No.2, Plastiken, Gemälde, Graphik;

1946 Bayerisches Nationalmuseum Foyer der Kammerspiele Meisterwerke der Süddeutschen Gotik; Neueste Münchner Malerei; Bayerisches Rokoko; Hans Leinberger, bayerische Plastik und Graphik des Galerie Baudenbach: frühen 16. Jahrhunderts; Die Schwabinger „Kleine“ Kunstausstellung No.3, Alte bayerische Städte; Traunsteiner Künstlergruppe „Roter Reiter“; Kollektivausstellung: Hellmut Bachrach, Barée und Haus der Kunst Martha Sappel; Altdeutsche und altniederländische Meister des 15.-16. Lettische Malerei; Jahrhunderts BStGSmlg; Schwabinger Kleine No.6, Maler und Bildhauer aus dem Kulturkreis Chiemgau; Kultusministerium Altmünchner Kunst des 19. Jahrhunderts und ältere A-Z Ausstellung, Berufsverband Bildender Künstler; Kunst; Lothar-Günther Buchheim. Arbeiten aus Werkstatt Neue Sammlung; und Atelier; Sezession München; Sammlung Haubrich Köln; Galerie Günther Franke Moderne französische Plastik; Xaver Fuhr; Angewandte Kunst; 2 x Max Beckmann; Hermann Blumenthal; E.W.Nay. Neue Bilder 1936- 1946; Franz Marc Gedächtnisausstellung;

Galerie Freitag Moderne Graphik I: Die Expressionisten: „Die Brücke“, Max Beckmann, O. Kokoschka, O. Dix Die Neusachlichen: Georg Grosz, Otto Dix, - Die neuere Münchner Graphik; Moderne Graphik II: Neue Kollektion; Die Gruppe Bildende Kunst; Weihnachtsausstellung Münchner Künstler; 185

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1946 Galerie Robert Hetz Hinterglasmalerei;

Galerie Wimmer Exposition Contemporaine Moderne Kunst;

Kunsthandlung Blum Sonderausstellung Karl Walther

1947 Amerika-Haus/ Central Art Collecting Point Galerie Baudenbach Displaced persons art exhibition; Ständige Kunstausstellung No.11; Gedächtnisausstellung Ernst Maria Fischer; Bayerisches Nationalmuseum Hans Jürgen Kahlmann; Meisterwerke alter deutsche Glasmalerei; Schutzverband bildender Künstler in der Gewerkschaft Kunst des Mittelalters. Die romanischen Glasgemälde der geistig und kulturell Schaffenden; aus dem Dom in Augsburg; Chinesische Kunst; Galerie Günther Franke Adolf Hildebrand; Xaver Fuhr; Emil Nolde. Zu Ehren des 80-Jährigen; Neue Sammlung Conrad Westphal; Bayerisch Kunst der Gegenwart Bavarian Art Today; Anton Hiller, Ludwig Kaspar, Heinrich Kirchner; Zeitgenössische christliche Kunst. Ausstellung der Werner Scholz; Deutschen Gesellschaft christlicher Kunst; Karl Hofer. Zu Ehren des bald 70-Jährigen; Käthe Kollwitz, veranstaltet durch die Gewerkschaft der Oskar Schlemmer. Gedächtnisausstellung; geistig und kulturell Schaffenden; Willy Baumeister; Ausstellung der Jugend, veranstaltet mit Bayerischen 25 Jahre Günter Franke in München; Jugendring; Werner Gilles; Briefmarken, veranstaltet mit den Roten Kreuz; Moderne französische Graphik; Rolf von Hoerschelmann. Ausstellung „Allerlei Papier“ aus dem Nachlass des Sammlers;

Städtischen Galerie Neue Gruppe; Münchner Künstlergenossenschaft; Münchner Sezession; Gedächtnisausstellung: Otto Geigenberger Adolf Jutz Wilhelm Maly; 186

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1948 Bayerisches Nationalmuseum Foyer der Kammerspiele Meisterwerke der griechischen Kunst; Gemälde von Walter Schulz-Matan; Aus Bayerns Vorzeit; Meisterwerke alter deutscher Glasmalerei und Galerie Baudenbach Scheibenrisse; Hans Jürgen Kallmann; Hauptwerke des bayerischen Barock; Altperuanische Kunst; Galerie Beringer Deutsche Holzschnitte des 15. und 16.Jahrhunderts; Willy Kruse;

Haus der Kunst Galerie Günther Franke Moderne französische Malerei vom Impressionismus Oskar Coester; bis zur Gegenwart; Neue werke von Karl Hofer; Bayerische Gemälde des 15. und 16.Jahrhundert; Neue Werke des Malers Xaver Fuhr Ölbilder, Aquarelle Meisterwerke des Kaiser Friedrich Museums Berlin; und Zeichnungen; Georges Braques; Sommerausstellung: E. Barlach, Max Beckmann, Heiner Meisterwerke der Staatsgemäldesammlung. Blumenthal, Oskar Coester, Edgar Ende, Lyonel Sonderschau mit Werken der deutschen und Feininger, Xaver Fuhr, Werner Gilles, Erich Heckel, Karl französischen Meister des 9.Jahrhundert; Hofer, A. Kerschbaumer, Heinrich Kirchner, Karl Knappe, , Oskar Kokoschka, Gerhard Marcks, Georg Neue Sammlung Meistermann, Otto Müller, E.W. Nay, Christian Rohlfs, Rolf von Hoerschelmann. Ausstellung „Allerlei Papier“ Joseph Scharl, Karl Schmidt-Rottluff, Toni Stadler, E. aus dem Nachlaß des Sammlers; Weil; Moderne französische Plastik; E.W. Nay Bilder von 1948; Ukrainische Kulturwoche, verschiedene Techniken; 19.Jahrhundert Künstler der Galerie; Sammlung Haubrich; 20.Jahrhundert Künstler der Galerie; Richard Riemerschmid; Vom Lehrling zum Meister. Sonderausstellung Galerie Gauß handwerklicher Arbeiten; Christian Rohlfs; Liebermann, Slevogt, Corinth; Städtischen Galerie Französische abstrakte Malerei; Galerie Robert Hetz Slevogt- Gedächtnisausstellung 120 Gemälde und Moderne Hinterglasmalerei Malerei von Robert Hetz, 300 Graphiken; Vera Singer, Walter Klose; Münchner Künstlergenossenschaft; Künstler aus dem Bayerischen Wald; Neue Gruppe; John Gorsleben; Münchner Sezession; Hinterglasmalerei und Keramik;

Völkerkundemuseum Galerie Karin Hielscher Ölbilder und Aquarelle fränkischer Künstler; Nachwuchsarbeiten von Gertrud Brehmer, Maria-Theresa Steger, Erhard Paskuda u.a.;

Galerie Hiller Charles Bunge, Knut Schnurer und Rolf Urschbach Abstrakte Gemälde; 187

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1948 Galerie Wimmer Moderne Münchner Maler; Max Unold und u.a. Münchner Maler;

Galerie Margret Zalud Graphische Blätter, Zeichnungen und Enkaustik; Aquarelle und Zeichnungen von Prof. Heinrich Heuser; Walter Becker Handzeichnungen;

Kunsthandlung Blum Alexander Follak; Zeitgenössische Künstler; Otto Hellmeyer;

Kunsthandlung Cornelius Booth Ständig Neue Münchner Malerei und Plastik;

Kunsthandlung Franz Hanstaengl Zeitgenössische Künstler;

Kunsthandlung/ Galerie A. Schöninger Zeitgenössische Malerei, u.a. Franz Marx, Max Doerner, Weimann, Gschossmann, u.a.;

Kunstkabinett Götz (Dienerstr. 16) Karl Joseph Nerud; Rudolf Koch; Heinz Sprenger Künstlerkolonie Wiedenbrück; Heinz Rose;

Mayersche Kunstanstalt Jubiläumsausstellung, Glasmalerei im 19. Jahrhundert, moderne Glasmalerei Arbeiten von Josef Bergmann, Kaspar, Dering, Knappe, Caspar

Moderne Galerie Otto Stangl Alexej Jawlensky; Paul Klee Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Lithographien; Gerhard Fietz; Wassily Kandinsky; Weihnachtsausstellung abstrakte Kunst: Baumeister, Bissier, Campendonk, Cavael, Fietz, Hartung, Jawlensky, Klee, Kokoschka, Marc, Meistermann, Winter; 188

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1949 Amerika-Haus Galerie Günther Franke André Masson. Gemälde und Graphik; Neue Zeichnungen zu antiken Themen von Conrad Ein Europäer sieht Amerika. Viktor Surbek Bern; Westphal; Aquarelle, Tuschezeichnungen und Skizzen aus USA; Lithographien von , Gemälde von Georg Schutzverband bildender Künstler: Münchner Maler im Meistermann; Amerika-Haus; Ernst Ludwig Kirchner, eine Auslese aus dem gesamten Hinterglasmalerei; graphischen Werk mit der Sammlung Dr. Budczies; 15 Holzplastiken von Karl Knappe; Amerika-Haus/ Central Art Collecting Point Josef Scharl, Zeichnungen zu Bildern aus den Jahren Kunstschaffen in Deutschland; 1948/49; „Deutschland baut“, Deutsche Architektur seit 1945; Georges Rouault. Die Zyklen, Misere Guerre Père Kunsthandwerk des Orient Ausstellung des Museum Ubu; für Völkerkunde; Gedächtnisausstellung Hermann Blumenthal; Französische Architektur und Städteplanung; E.W. Nay, Farblithographien; Gerhard Marcks. Ausstellung zu Ehren des 60-jährigen Bayerisches Nationalmuseum Künstlers; Nymphenburger Porzellan; Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts. Gemälde, Islamische Kunst; Aquarelle, Zeichnungen, Graphik und Plastik; Meisterwerke der graphischen Künste aus 5 Jahrhunderten; Galerie Gauß Kunst und Kunsthandwerk des Mittelalters und der Graphik des 20. Jahrhunderts: Gaugin, Munch, Renaissance; Kollwitz, Picasso, Expressionistische und abstrakte Alte deutsche Fayencen; Künstler; Neues und altes aus dem Werk von Olaf Gulbrasson; Haus der Kunst Die Künstler des Simplicissimus; Schweizer Maler der Gegenwart; Rudolf Wilke. Zeichnungen, Skizzen und Entwürfe; Meisterwerke des Kunstmuseums Bern; Der Blaue Reiter; Galerie Robert Hetz Große Münchner Kunstausstellung; Hinterglasmalerei und Keramik; Mitglieder der alten Münchner Künstlergenossenschaft stellen im Haus der Kunst aus Titel; Galerie Karin Hielscher Hauptwerke altdeutscher und niederländischer Malerei Frans Masareel; aus den Beständen der Bayerischen Constance Schwedeler, Rolf Trumpp, Doris Sewell Staatsgemäldesammlungen; Jackson USA; Italienische und spanische Schulen BStGSmlg; Moderne Meister des 19. und 20. Jahrhunderts aus Holländische Meister des 17. und 18. Jahrhundert Privatbesitz; BStGSmlg; Deutsche und französische Impressionisten BStGSmlg; Galerie A. Schöninger Neuerwerbungen seit 1946; Werke von Barbarini, Spitzweg, Corinth, Skell, Strützel, Französische Bildteppiche BStGSmlg; Mercker, Gschosmann und Schuster-Woldan; Zeitgenössische Werke von E.H.Compton, Wilh. Kuhnert, F. Messerschmidt, Hans Best, u.a.; Van Dyck, Rügendas, Paul Böhme, A, Lief,Morgenstern, Heinrich Bürkel, Zeno Diemer; Alte und lebende Jagdmaler; 189

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1949 Neue Sammlung Galerie Wimmer Bayern geht nach New York; Meister des 19.Jahrhundert; Künstlerische Bucheinbände; Städtebau und Wohnungswesen in den Niederlanden; Kunsthandlung Blum Goethe und seine Zeit, alte und neue Graphik; Georg Meil Blumenbilder; Schweizer Plakate; Deine Wohnung, dein Nachbar, Deine Heimat Kunsthandlung J. Böhler Ausstellung des Hochbauamtes Zürich; Bilder und Graphik moderner Münchner Künstler; Vom Lehrling zum Meister. Sonderausstellung handwerklicher Arbeiten; Kunsthandlung Cornelius Booth Pfälzer Kunst und Kunstgewerbe; Werke neuer Münchner Malerei und Plastik; Neue Werbung; Aus 45 Jahren Münchner Kultur; Kunsthandlung Franz Hanstaengl Spitzen und Schmuck; Otto Strützel Max Vogt-Vilseck; Zeitgenössische Künstler. Hanstaengl Drucke; Prinz Carl Palais Improvisationen zu Goethe; Kunstkabinett Götz Meisterwerke antiker Kleinkunst der Staatlichen Erwin Henning; Antikensammlung; Leo von Welden; Adolf Brunner; Städtischen Galerie Günther Grassman; Gedächtnisausstellung Leo von König; Franz Doll; Ausstellung des Schutzverband bildender Künstler in der Tier- und Pflanzenbilder Ludwig Binders; Gewerkschaft der geistig und kulturell Schaffenden Bayerns; Dora Brandenburg-Polster Zeichnungen und Aquarelle; Schönheiten der Ruinen, von Julius Hüther bis Kühnel; Schönleber . 10 Kupferstiche zu Goethes „Faust“; Ehrenausstellung für Maria Caspar-Filser, Karl Caspar, Willi Remigius Netzer, J.K. Nerud; Geiger Julius Hess, Reinhold Lichtenberger; „Häuser und Landschaften“ von Walter Rose; Herbstausstellung. Kollektionen von Balwé, Balwé-Staimmer, Büger, Clobes, Croissant, Glette, Hohlt, Schnackenberg; Kunstverein Aquarelle, Graphik und Kleinplastiken: M. , v. Hoesselin, Heinrich von Zügel; L. Heilmaier, Bähr; Bayerische Landschaftsmaler. Paul Erbe, Oter Miller- Christkindl-Dult, Verkaufsausstellung von Kunstgewerbe, Diflo und Alfons Epple; Graphik, Kleinplastik, Textilien junger Künstler; Münchner Malerei von „Annodazumal. 1741-1890; Hans Müller-Schnuttenbach, Julius Mermagen, Inge Erbslöh; Münchner Malerei von Heute; Zeitgenössische Malerei; Ausstellung mit Werken von Brüne, Geitlinger, Hötzendorf, Kalckreuth, Kohler, Leidl, Niederreuther und Reuther; Weihnachtsausstellung der Mitglieder; 190

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1949 Moderne Galerie Otto Stangl Fritz Winter; Gemälde von Hans Hartung Paris; Züricher konkrete Kunst Bill, Bombelli, Eichmann, Fischli, Graeser, Loewensberg, Lohse, Tiravanti; Rolf Cavael; Franz Marc; Heinz Trökes; Oskar Schlemmer. Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen;

1950 Amerika-Haus Galerie Günther Franke Serigraphische Ausstellung Abstrakte Maler Fotos von Max Beckmann. 25 Gemälde aus den Jahren 1906-1949; Alfred Stieglitz; Graphik und Handzeichnungen von James Ensor; Schweizer Plakate; Aquarelle von Karl Schmidt-Rottluff aus den Jahren Non Objective Art Künstler aus den Vereinigten Staaten; 1939-1949; Industrial Design in America; Ernst Weiers Farblithographien; Frühe Kunst Amerikas ; Hans Purrmann veranstaltet von den BStGSmlg „Grandmama Moses“, Gemälde; Skulpturen, Aquarelle und Zeichnungen von Hans Stadtplanung in England; Uhlmann; Neue Baukunst in Norditalien; Aquarelle von Paul Klee aus den Jahren 1913-1930; Malerei aus der Luft holländische Gemälde; Arbeiten von Karl Kunz Augsburg; Gemälde und Zeichnungen von Josef Scharl; Pastelle zum Alten Testament von Werner Scholz; 19 Maler aus Haiti; Neue Aquarelle von Xaver Fuhr; Schwarzweißkunst Herbstausstellung; Amerika-Haus/ Central Art Collecting Point Joan Miró und Max Ernst; Ausstellung von ca. 190 ausgewählten Arbeiten aus dem Graphik: Ernst Barlach, Max Beckmann, Erich Heckel, Deutschen Kunstpreisausschreiben 1949; E.L. Kirchner, u.a.; Arbeiten der Gruppe ZEN 49; Lithographien von Georges Braques; Galerie Gauß Griechische Plastik und Kleinkunst staatliche Aquarelle, Zeichnungen und Lithographien von Alfred Antikensammlung; Kubin; 30 Jahre deutsche Bühnenbilder; Werke von Cézanne, Renoir und Bonnard; Österreichische Malerei und Plastik; Graphik von Edvard Munch; Graphik der Brücke; Bayerisches Nationalmuseum Meisterwerke der Kunstsammlungen der Veste Coburg; Galerie Karin Hielscher Französische Bücher; Altsteinzeitkunst und Gegenwartskunst; Bayerische Volkskunst; Graphik von Picasso und Matisse, Sammlung Buchheim- Orient-Teppiche; Militon; Ausstellung Alexander Wiedemann Columbien; Arbeiten von Marc Chagall; Arbeiten von Hans Henry Gowa Nizza-Saarbrücken; Arbeiten von Frans Masareel; Aristide Maillol; 191

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1950 Haus der Kunst Galerie A. Schöninger Deutsche Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts; Gemälde bedeutender Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts; Die Maler am Bauhaus; Gemälde erster Meister und hochwertiges Kunsthandwerk; Das Lebenswerk von Oskar Kokoschka; Georges Rouault. 25 Gemälde aus dem Besitz des Kunsthandlung J. Böhler Meisters BStGSmlg.; Malerei und Graphik zeitgenössischer Künstler; Hans Purrmann BStGSmlg.; Max Rimboeck; Werke europäischer Plastik; Sonderausstellung der Neuen Rheinischen Sezession und der Kunst- und Buchhandlung Theodor Heller Rheinischen Sezession Düsseldorf; H.A.P. Grieshaber; Große Münchner Kunstausstellung; Lithographische Kunst aus Frankreich; Italienische Kunst der Gegenwart; Französische Bildteppiche BStGSmlg.; Kunstkabinett Götz Max Lacher; Neue Sammlung Das Schweizer Buch; Kunstverein Sozialer Wohnungsbau; Gedächtnisausstellung Heinrich von Zügel; Unsere neuen Bücher; Der Briefmarkenwettbewerb; Moderne Galerie Otto Stangl Französische Staatsdruckerei Das französische Buch; Fritz Winter, 40 Ölgemälde aus den Jahren 1949/50; Gemälde von Oskar Dalvit; Prinz Carl Palais Skulpturen von Hans Stangl; Ars Sacra: Religiöse Kunst des frühen Mittelalters; Aquarelle von Lyonel Feininger; Skulpturen von Karl Hartung; Städtischen Galerie Aquarelle und Zeichnungen von Cavael, Chagall, Fietz, Klee, Arbeiten von Fritz Baer, Anton Leidl, Ernst V. Maydell, Rudolf Macke, Marc, Schlemmer und Winter; Petuel, Franz Reinhardt und Ernst Scheibe; Plastiken von Karl Hartung, Berlin; Deutsche Romantiker in Italien; Rolf Nesch; Drei Generationen Faber du Faur. Johanna Destouches. Gemälde;

1951 Amerika-Haus Galerie Günther Franke Berliner Kunst von Heute; Max Beckmann, Mensch und Maler; Kinderzeichnungen; Jüngere Begabungen: A. v. Braunmühl, E.Bruckner, Architektur in USA seit 1947; Dorazio, Guerrini, A.Kohler, W.Klose, K.Pack, Perilli, K. ZEN 49; Schnurer, Kind und Künstler. Modernes Kunstschaffen in England; J.Solovij, M.Wendel, E.Weil, G.Wiegand, B.v.Bylandt, Arbeiten amerikanischer Maler und Bildhauer der „École de G.Kovats, F.Koenig, W.Loth, F.Schörghofer; Paris“; Georg Meistermann. Bilder 1950/51; Kunsthandwerk nordamerikanischer Indianer; E.W. Nay; Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart; ; Farbige Graphik; Georg Meistermann; Industrie und Handwerk schaffen neues Hausgerät New Fritz Winter; Industrial Design in America; Malerei und Graphik von Ernst Weiers; Lateinamerikanische Kunst der Gegenwart; Plastik von Karl Knappe; 192

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1951 Amerika-Haus/ Central Art Collecting Point Galerie Günther Franke Fortsetzung Kollektivausstellung Joseph Scharl; Xaver Fuhr; Plastiken von Fritz Wotruba; Theodor Werner; Griechische Plastik und Kleinkunst; Der Holzschnitt Graphische Sammlung und Privatbesitz; Galerie Gauß Richard Wagner seine Zeit; Bildhauergraphik von Lehmbruck, Barlach, Kolbe, Kollwitz, Heinz Leinfellner - Rudolf Charles von Ripper - Tono Zoelch; Marcks, Maillol, u.a.; Meister französischer Graphik der Gegenwart; Emil Nolde, Aquarelle und Graphik;

Bayerisches Nationalmuseum Galerie Karin Hielscher Arno Schönberger Gerhard Wockel Ignatz Günther; Amerikanische Abstrakte Perle Fine, Joseph Albers, Claire Falkenstein, Moholy Nagy, u.a; Haus der Kunst Exlibris von der Gotik bis zur Gegenwart; Kollektivausstellung von Henry Matisse; Heinrich Waldmüller und Alexander Fischer; Max Beckmann zum Gedächtnis. 1884-1950; Henry Toulouse-Lautrec. Das graphische Werk, Sammlung Kunst- und Buchhandlung Theodor Heller Ludwig Charell BStGSmlg.; Graphik von Albert Schäfer-Ast; Gruppe Gerhardinger - Münchner Künstlergenossenschaft; Joseph Hegenbarth; Badische Sezession; Graphik von Otto Pankok; Gemälde und Plastiken des 19. und 20. Jahrhunderts aus dem Farbige europäische Graphik; Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlung von Courbet bis Aquarelle von Franz Lenk; Winter; Conrad Westphal, Holzschnitte; Aquarelle von William Turner BStGSmlg; Wilhelm Thöny BStGSmlg; Moderne Galerie Otto Stangl Große Münchner Kunstausstellung; Brendel, Faiß, Fath, Harnest, Sandig, Scharpf; Französische und deutsche Impressionisten BStGSmlg; Eduard Bargheer; Neuerwerbungen zeitgenössischer Kunst BStGSmlg; Jürg Spiller; Willi Baumeister; Neue Sammlung Edvard Munch; Die Kunst des Buchumschlags Eigene Bestände; Heinz Battke; Modelle für die Fünf-Mark-Bundesmünze; Neuerwerbungen und Bestände;

Pavillon (Botanischer Garten) Max Ernst

Prinz Carl Palais Die Aegineten der Glyptothek;

Städtischen Galerie Internationale Plakatschau; Werke von Braunmühl, Feigler, Flaig u.a.; Münchner Sezession, Retrospektive; 193

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1952

Amerika-Haus Galerie Günther Franke Kunst der Südsee Städtische Sammlung, Museum für E.W. Nay; Völkerkunde; Otto Müller; Joseph Müller-Brockmann; Graphik aus der eigenen Sammlung; Bilder von der Frauen-Biennale, Bozen; Odilon Redon; Werner Gilles; Amerika-Haus/ Central Art Collecting Point Max Beckmann. Graphiksammlung Günther Franke; Subjektive Photographie. Europäische Ausstellung moderner E.W. Nay. Bilder 1950/51; Photographie; Max Beckmann. Werke der Frühzeit; Gabriele Münther und Max Pfeiffer-Watenphul; E.W. Nay Oskar Coester - Werner Scholz; Verkaufsausstellung der Gesellschaft der „Freunde junger Kunst“ mit Baumeister, Cavael, Geitlinger, Zimmermann; Galerie Karin Hielscher Gedächtnisausstellung Heinrich Waldmüller; Bayerisches Nationalmuseum ascher squares ascher panels; Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts in Augsburg und Erwin von Kreibig; München; Kollektivausstellung Hugo Troendle;

Haus der Kunst Galerie A. Schöninger Jean Cocteau BstGSmlg.; Gemälde von Carneff, Groß, Hammerschmitt, Seidl-Seitz, Marino Marini BStGSmlg; Wendt; Frank Lloyd Wright. 60 Jahre Architektur; Josef Steib, Ölbilder und Aquarelle; Große Münchner Jahresausstellung; Walter Marcuse, Wolf Bloem; Ernst Ludwig Kirchner. Gemälde und Graphik der Sammlung F. Ernst Graupner; Bauer Davos; Helmut Ullrich; Stuttgarter Künstler; Neue Sammlung Jagdgemälde; Glas Venini Italien, Orrefors Schweden; Zeichnungen von Rudolph Schlichter und Plastik von Georg Neuerwerbungen und Bestände; Karl Rödl; Heim und Handwerk; Bedruckte und gewebte Stoffe; Kunst- und Buchhandlung Theodor Heller Die graphische Abteilung der Staatlichen Akademie der Rudolph Kugler; bildenden Künste in Stuttgart; H.A.P. Grieshaber; Edgar Ehses Wiesbaden; Pavillon (Botanischer Garten) Rolf Müller-Landau; Conrad Westphal; Ellinger Gruppek; Moderne Galerie Otto Stangl Kollektivschau Conrad Westphal, veranstaltet durch den Gérhard Schneider; Münchner Kunstverein; Gerhard Fietz; Otto Dix, Schutzverband bildender Künstler; Alexander Calder, Joan Miró; AVK. Arbeitsring versehrter Künstler; Franz Marc, Maria Marc letztes Skizzenbuch; Pierre Soulages; Prinz Carl Palais Die Aegineten der Glyptothek; Plan und Bauwerk. Entwürfe aus fünf Jahren; 194

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1952 Städtischen Galerie Richard Seewald; Gedächtnisausstellung Ludwig Kaspar; Donau-Wald-Gruppe; Hermann Ebers - Ernst Wagner; Künstlergruppe „Der Weg“; Kollektionen: A. Bachmann Gg. Demmel Hugo Johann E.A. von Mandelsloh; Gedächtnisausstellung von Fitz Hülsmann, Otto Kopp, Mathilde Kummer-Kroell, Max Mayershofer, Otto Miller-Diflo, Georg Müller, Paul Roloff und Karl Schroeder-Tapiau; Jahresaustellung der Vereins für Originalradierung;

1953 Amerika-Haus Galerie Baudenbach Moderne norwegische Graphik; Meisterwerke deutscher Malerei 16.-20.Jh. Die Kunst Afrikas; Grafik Fotografie Fotografik der Staatlichen Schule für Galerie Günther Franke Kunst und Handwerk, Saarbrücken; E.W. Nay - Werner Scholz - Oskar Coester; Kunstgewerbe und Volkskunst aus Amerika; Erich Heckel; Mies van de Rohe und Walter Grophius; Maguerite Ammann; Nürnberger Gobelin; Zeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert; XX. Jahrhundert Gemälde, Aquarelle, Plastiken etc.; Bayerisches Nationalmuseum Otto Mueller; Delfter Fayencen mit Leihgaben des Gemeente- Museums, Den Emil Nolde, anläßlich des 86. Geburtstages; Haag; Fritz Winter: Neue Arbeits-Ergebnisse; 30 Jahre Günther Franke; Haus der Kunst Max Beckmann: Bilder aus den Jahren 1921-43 aus der Meisterwerke französischer Malerei von Poussin bis Ingres Sammlung Franke; BStGSmlg.; Neuerwerbungen der vor- und frühgeschichtlichen Sammlung Galerie Karin Hielscher BStGSmlg.; Graphik von Marc Chagall und Keramik von Georg Ernst; 100 Jahre amerikanische Malerei BStGSmlg.; Deutsche und französische Handzeichnungen, Aquarelle und Adolf Hoelzel. Oskar Schlemmer, Hermann Stenner, Ida Gouaches: Eugene Delacroix, Andre Derrain, über Heckel Kerkovius; und Pechstein, Picasso oder Leger bis zu Conrad Westphal Adolf Meyer Adem BStGSmlg.; und Mac Zimmermann; Deutsche Kunst des 20.Jahrhunderts mit Leihgaben aus dem Öl von Bruno Tausend; Privatbesitz; Christian Rohlfs, Otto Ehrich und Alfred Dupré; Große Münchner Jahresausstellung; Junge französische Malerei; Herbstausstellung der königl. priv. Münchner Deutsche Heimat Deutsche Menschen; Künstlergenossenschaft; Galerie ophir Neue Sammlung Zen 49; Kalenderschau; Bilder und Zeichnungen von Armin Sandig; Alte und neue Klöppelspitzen; Norbert Kricke, Raumplastik/ Marianne Benjamin; Conrad Westphal Fred Thieler; 195

Öffentliche Kunstausstellungen Private Kunstausstellungen

1953 Neue Sammlung Fortsetzung Galerie A. Schöninger Damaste und Teppiche von Lisbeth Bissier, Hagenau Siegfried Kühnel; Keramik der Werkstatt Hohlt, Katzbuch Emil Scheibe; Steinschnitte von Martin Seitz, Passau; Julius Seyler zum 80. Geburtstag; Bildteppiche von Jean Lurçart; Otto A. Hirth; Illustrative Keramik und Kunsthandwerk aus Italien; Rudolph Schlichter/ G.K. Rödl; Gedächtnisausstellung Erwin Steiner; Pavillon (Botanischer Garten) Ernst Maria Lang politische Zeichnung; Nürnberger Künstler Schutzverband bildender Künstler; Paul Brachetti; Joseph Scharl; Gedächtnisausstellung des afrikanischen Tiermalers Wilh. Fritz Koelle; Kuhnert; Bele Bachem; Otto Hellmeier; Paul August Kontny; Städtischen Galerie Karl May; Nachwuchskünstler Meister der Alten Münchner Schule; Neuere finnische Kunst; Gemälde von Carneff, Groß, Hammerschmitt Wolf Röhricht, Kollektivausstellung; Wilhelm Braun und H.J. Kallmann Rudolf Schlichter Seff Kunstverein Weidl Künstlergruppe „Der Weg“; 130 Jahre Kunstverein; Albert Weisgerber; Franz von Lenbach und Münchner Malerei des 19.Jahrhunderts; Moderne Galerie Otto Stangl Pfälzer Künstler; Rupprecht Geiger; Farbige Graphik 1953 Nachwuchskünstler; Oskar Dalvit; Joachim Ringelnatz als Maler; Lise Gujer Webereien nach E.L. Kirchner; 196

Bibliographie

Die folgende Bibliographie gibt eine Übersicht über die aktuelle Literatur zum gesamten Gegenstand der Arbeit; gegliedert in I. Unveröffentlichte Quellen, II. Primärquellen, III. Sekundärquellen, IV. Ausstellungskataloge, V. Zeitschriften und Zeitungen VI. Verwendete und weiterführende Literatur. Auf die Nennung von Monographien zu einzelnen Künstlern wurde weitgehend verzichtet.

I. Unveröffentlichte Quellen:

Archiv des Amerikahauses:

Möller, Angelika: Die Gründung der Amerika-Häuser 1945-1949. Ein Beitrag zur Geschichte amerikanischer Kultur- und Informationspolitik in Deutschland, Magisterarbeit masch., München 1984;

Bayerisches Hauptstaatsarchiv MünchenBHStA:

Akten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus MK; Akten des „Office of Military Government for Bavaria“ OMGB;

Handakten der Stadtbibliothek München:

Handakten Hans Ludwig Held, Handschriften- Abteilung der Stadtbibliothek München HAH;

II. Primärquellen:

Einmalig zitierte Zeitschriften- oder Zeitungsartikel wurden nicht in das Verzeichnis aufgenommen. Es wird diesbezüglich auf die Anmerkungen verwiesen.

Baumeister, Willi: „Bild und Weltbild“, in: Prisma, H. 8, 1947, 15;

Baumeister, Willi: Einführung in die neue Phase der Malerei, in: Kulturarbeit, H.8, 1949, 179; 197

Baumeister, Willi: Warum ich gegenstandslos male, in: Die Kunst und das Schöne Heim, 1949/50, Nr.9, 1950, 325- 326;

Dahlmann, Alfred: Moderne Kunst als Hoffnung?, in: SZ, 06.10.1945, 3/4;

Dumont, S.: Wo ist das alte Schwabing? Auf der Suche nach dem Münchner Künstlerviertel/ die Küche als Atelier, in: SZ. 09.08.1947, 4;

Hans Eckstein: Zum Geleit, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945, o.S.;

Eckstein, Hans: Kunst und Publikum, in Ausstellungskatalog: Ausstellung moderner Malerei Graphik Plastik. Künstlergruppe ROTER REITER, Traunstein 1946, 3-5;

Eckstein, Hans: Eine Antwort der Jugend. Münchner Künstler stellen in Regensburg aus, in: SZ, 08.03.1946, 9;

Eckstein, Hans: Die Neue Gruppe, in: SZ, 09.04.1946, 7;

Eckstein, Hans: München und seine Kunstprobleme, in: SZ, 19.04.1946, 6;

Eckstein, Hans: Malerne Bildwerke aus der Münchner Kunst-Provinz, in: SZ, 10.09.1946, 7;

Eckstein, Hans: Modernität und Tradition. Die neue Ausstellung im Augsburger Schäzler-Palais, in: SZ, 17.09.1946, 5;

Eckstein, Hans: Münchner Sezession, in: SZ, 09.11.1946, 5;

Eckstein, Hans: Münchner Malerei, in: Das Kunstwerk, H.5, 1946/47, 38-42;

Eckstein, Hans: „Extreme Kunst“ in Augsburg, in: SZ, 25.02.1947, 3;

Eckstein, Hans: 25 Jahre Galerie Günther Franke, in: SZ, 15.11.1947, 2;

Eckstein, Hans: Sind Bayerns Kunstakademien weltoffen?, in: SZ, 06.08.1949, 7;

Eckstein, Hans: 25 Jahre Galerie Günther Franke, in: SZ, 15.11.1947, 2; 198

Engel, Rudolf: Zur Situation der deutschen Kunst, in: Bildenden Kunst, H. 10, 311- 315;

Groll, Günter: Soll es so weitergehen? Offene Worte zur Münchner Kulturkrise, in: SZ, 01.05.1948, 5;

Heilmaier, Hans: Die Münchner Privatgalerien im Zeichen des Jubiläumsjahres, in: Der Kunsthandel, Nr.6, 1958, 10;

Henze, A.: Zum Verständnis abstrakter Malerei, in: Das Kunstwerk, Sonderheft zur abstrakten Kunst, 1947, 8-9;

Höver, Otto: Feststellungen zur Zeitwende. Das Abstrakte als schöpferische Ausdrucksform, in: Die Kunst, 1948, 62;

Keller, Johann: Der Kunsthandel in München einst und jetzt, in: Die Weltkunst, Nr.10, 1958, 13;

Kinkel, Hans: Zweite deutsche Kunstausstellung in Dresden 1950, in: Das Kunstwerk, H. 1, 1950, 44 45;

Klie, Barbara: Hat die Bildende Kunst unserer Zeit eine Chance?, in: SZ, 03./04.02.1951,5;

Köblin, K.: „Also hungern sie und verhungern sie.“ Der bayrische Senat zu der Notlage der geistig Schaffenden, in: SZ, 22.05.1948, 2;

Kurtz, Waldemar: Elementare Kunst, in: Prisma, H. 10, 1947, 19-20;

Leonhard, Kurt: Kunstgespräche in Darmstadt, in: Das Kunstwerk, H.8/9, 1950, 103

Linfert, Carl: Erinnerungen an die Dresdner Ausstellung, in: Bildende Kunst, H. 1, 1947, 12-14;

Nemitz, Fritz: Bilanz der bildenden Kunst, in: SZ, 30./31.12.1950, 2;

Nemitz, Fritz: Zwischen Chaos und Besinnung, SZ, 20.03.1951, 3; 199

Nemitz, Fritz: Ermunterung zum Kaufen/ Farbige Graphik im Amerikahaus, in: SZ, 13.09.1951, 6;

Nemitz, Fritz: Ermunterung zum Kaufen/ Farbige Graphik im Amerikahaus, in: SZ, 13.09.1951, 6;

Pommeranz-Liedtke, G.: Ein gesamtdeutscher Überblick Dresden 1949, in: Bildende Kunst, H.9, 1949, 267;

Rebay, Hilla: Gegenstandslose Malerei, in: Die Kunst, 1948, 3;

Roh, Franz, in Ausstellungskatalog: Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947, o.S.;

Roh, Franz: Gegenstandslose Kunst, in Ausstellungskatalog: ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1951, 1;

Roh; Juliane: Wie betrachte ich ein gegenstandsloses Bild?, in: Die Kunst und das Schöne Heim, H.9, 1951, 321;

Schuller, Anneliese: „Der Hunger sitzt im Atelier“ Münchner Künstler in Not/ Steuerfreiheit für Ankauf von Bildern, in: SZ, 30.07.1949, 9;

Wiechert, Ernst: Wir haben die neue Zeit nicht richtig angefangen..., in: Prisma, H.1, 1946, 4;

Wied zu, Karl Viktor: Moderne Kunst in München, in: Das Bayernland, Mai 1953, 175;

III. Sekundärquellen:

Andritzky, Christoph: Deutsche Kunstpreise 1946-1961. Eine dokumentarische Übersicht, hrsg. vom Deutschen Kunstrat und der deutschen Sektion der internat. Gesellschaft der Bildenden Künste, 2. ergänzte Auflage, Köln 1962;

Bärnreuther, Andrea/ Schuster, Klaus Peter Hrsg.: Das XX Jahrhundert. Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft in Deutschland, erschienen im Rahmen der 200

Jahrhundertausstellung „Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland“ der Nationalgalerie Berlin, Köln 1999;

Baumeister, Willi: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947;

Blanchebarbe, Ursula: Deutschland im Spannungsfeld der nationalen Krise und seine Öffnung in die neue Welt 1945-1955, in Ausstellungskatalog: ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 123-144;

Borger, Hugo/ Mai, Ekkehard/ Waetzoldt, Stephan Hrsg.: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, Köln/ Weimar/Wien 1991;

Bracher, Karl-Dietrich: „Erlöst und vernichtet in einem...“ Die doppelte Herausforderung der Nachkriegszeit, in: Borger, Hugo/ Mai, Ekkehard/ Waetzoldt, Stephan Hrsg.: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, Köln/ Weimar/Wien 1991, 1-26;

Breuer, Peter: Münchner Künstlerköpfe, München 1937;

Damus, Martin: Kunst in der BRD. 19451990. Funktionen der Kunst in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft, Reinbeck bei Hamburg 1995;

Damus, Martin: Malerei in Deutschland Ost und West 1945 bis 1990, in: Kunsthistorische Arbeitsblätter, 9/2001, 40-48;

Eschenburg, Theodor: Jahre der Besatzung 1945-49, in: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in fünf Bänden, hrsg. von Karl Dietrich Bracher u.a., Bd. 1, Stuttgart, Wiesbaden 1983;

Evers, Hans Gerhard: Das Menschenbild unserer Zeit Darmstädter Gespräch 1950, Darmstadt 1950;

Felix, Zdenek: Kunstverein München: Die unmittelbare Gegenwart fördern, in: Kunst in München, hrsg. von Gert Gliewe, Hamburg 1988, 111-113;

Finckh, Gerhard: ZEN 49, in: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch: 19451949, hrsg. von Friedrich Prinz, München 1984, 117 122; 201

Finckh, Gerhard: Zur historischen Bedeutung der Gruppe ZEN 49, in Ausstellungskatalog: ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986, 75-88;

Franke, Sophie: Mein Leben mit Günther Franke, in Ausstellungskatalog: „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 12-13;

Frosch, Beate: Die Künstlergruppe ZEN 49 und ihr Beitrag zur Entwicklung der gegenstandslosen Kunst in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1957, Diss., Trossingen 1992;

Glaser, Hermann: Inventur und Innovation. Kunstpolitik nach 1945, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai und Stephan Waetzold, Köln/ Weimar/Wien 1991, 27-48;

Glaser, Hermann: Deutsche Kultur. Ein historischer Überblick von 1945 bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, München 1997;

Gliewe, Gert Hrsg.: Kunst in München, Hamburg 1988;

Götz, Adriani Hrsg.: Baumeister, Köln 1971, 189;

Grasskamp Walter: Die unbewältigte Moderne, Kunst und Öffentlichkeit, München 1994;

Grasskamp, Walter: Wozu Kunstakademien?, in: Akademie der Bildenden Künste München, hrsg. von Ben Willikens, München 1999, 16-27, ebenso in: Kunsthistorische Arbeitsblätter 11/2000, 21-30;

Grochowiak, Thomas: Neuanfänge ’45 aus Sicht des Künstlers, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai und Stephan Waetzold, Köln/ Weimar/Wien 1991, 175-186;

Günther Franke über sich selbst, in: Briefe an Günther Franke Porträt eines deutschen Kunsthändlers, hrsg. von Doris Schmidt, Köln 1970, 24;

Haftmann, Werner: Malerei des 20. Jahrhunderts, 1. Auflage München 1954, 9. aktualisierte Auflage München 2000; 202

Hartog, Hans: 50 Jahre Galerie Franke, in Ausstellungskatalog: „50 Jahre Galerie Franke Nay Bilder, Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Graphik aus der Sammlung und Galerie Günther Franke“, Galerie Günther Franke, München 1973, 12-15;

Harzenetter, Markus: Zur Münchner Sezession. Genese, Ursachen und Zielsetzungen dieser institutionell neuartigen Münchner Künstlervereinigung, Diss., in: Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. 158, München 1992;

Hein-Kremer, Maritta: Die Amerikanische Kulturoffensive 19451955, Köln, Weimar, Wien 1996;

Held, Jutta: Kunst und Kunstpolitik. 1945-49. Kulturaufbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, Berlin 1981;

Herlemann, Falko: Zwischen unbedingter Tradition und bedingungslosem Fortschritt. Zur Auseinandersetzung um die moderne Kunst in der BRD der 50er Jahre, Diss., Frankfurt a. M./Bern/N.Y./Paris 1989;

Hermand, Jost: Freiheit im Kalten Krieg. Zum Siegeszug der abstrakten Malerei in Westdeutschland, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger, Ekkehard Mai, Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 135-162;

Hofmann, Werner: Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der 40er, München 1998;

Hollweck, Ludwig Hrsg.: Unser München. München im 20.Jahrhundert. Erinnerungen und Berichte, Bilder und Dokumente von 1900 bis heute, München 1967;

Kehr, Wolfgang: Aus der Chronik der Münchner Akademie der Bildenden Künste: Direktoren bzw. Präsidenten, ordentliche Professoren, Ereignisse, in: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, hrsg. von Thomas Zacharias, München 1985, 317-326;

Kehr, Wolfgang: Die Akademie der Bildenden Künste München Kreuzpunkt europäischer Kultur, in: Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste, Bd. 2, München 1990; 203

König, Robert Hrsg.: Amerika Haus 1945-1995, The first 50 Years, Bonn 1995;

Krauss, Marita: Nachkriegskultur in München. Münchner städtische Kulturpolitik 1945-1954, München 1985;

Krauss, Marita: Politik und Kultur, Provinzialität und Weltbürgertum Münchens Städtische Kulturpolitik 1945, in: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, hrsg. von Friedrich Prinz, München 1984, 2-38;

Kuhn, Thomas: Der ferne Osten als Leitbild, in: Flächenland: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, hrsg. von Hans Körner, Tübingen/ Basel 1996, 183-207;

Kuhnt, Günther: Deutsche Kunstpreise 1946-1956. Eine dokumentarische Übersicht, hrsg. vom Deutschen Kunstrat, Köln 1957;

Latour, Conrad F./Vogelsang, Thilo; Okkupation und Wiederaufbau. Die Tätigkeit der Militärregierung in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands 1944- 1947, Stuttgart 1973;

Ludwig, Horst G. Hrsg.: Vom „Blauen Reiter“ zu „Frisch gestrichen“ Malerei in München im 20. Jahrhundert, München 1997;

Mai, Ekkehard: Westdeutsche Kunstakademien nach ’45, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger/ Ekkehard Mai/ Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 187198;

Meissner, Karl-Heinz: Der Handel mit Kunst in München. 1500-1945, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 12-103ff;

Mühlhaupt, Freya: „... und was lebt, flieht die Norm“. Aspekte der Nachkriegskunst, in Ausstellungskatalog: Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 1945-1955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983, 183-224; 204

Nay-Scheibler, Elisabeth: Günther Franke und seine Galerie im Spektrum der Nachkriegszeit, in Ausstellungskatalog: „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 14-19;

Nerdinger, Winfried: Fatale Kontinuität: Akademiegeschichte der 20er bis zu den 50er Jahre, in: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, hrsg. von Thomas Zacharias, München 1985, 179-203;

Nerdinger, Winfried: Akademiebeschimpfungen. Anti-Festrede zur 175. Jahrfeier, in: Zacharias, Thomas Hrsg.: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, München 1985, 47-58;

Ness, Roswitha: Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972, Gemälde und Arbeiten auf Papier, hrsg. von Ernst Geitlinger Gesellschaft, Saarbrücken 1991;

Poetter, Jochen: Galerie Günther Franke, in Ausstellungskatalog: „Hommage à Günther Franke“, Museum Villa Stuck, München 1983, 6-8;

Prieur, Renate: „Wir haben doch die Sammlung Haubrich...“ Diskussion um die moderne Kunst in Köln 1945-1960, in: Freier Eintritt, Freie Fragen, Freie Antworten. Die Kölner Mittwochsgespräche 1950-56, hrsg. von Wilfried Dörstel u.a., Köln 1991, 122-155;

Prinz, Friedrich Hrsg.: Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch: 1945-1949, München 1984;

Roh, Franz: Kommentare zur Kunst. Rundfunk-Kritiken, München 1948;

Rohnert, Ernst Theodor: Bayern in Geschichte und Gegenwart, München 1956;

Roters, Eberhard Hrsg.: Stationen der Moderne. Kataloge epochaler Kunstausstellungen in Deutschland 1910-1962, Kommentarband, Köln 1988;

Schmidt, Doris Hrsg.: Briefe an Günther Franke. Porträt eines deutschen Kunsthändlers, Köln 1970;

Schmied, Wieland: Malerei nach 1945. In Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit Beiträgen von P.F. Althaus, Eberhard Roters und A. Schröder, Frankfurt .a.M, Berlin, Wien 1974; 205

Schneede, Uwe M.: Die Geschichte der Kunst im 20.Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart, München 2001;

Schulz-Hoffmann, Carla: Symbiotische Verflechtungen eine Galerie in ihrer Zeit, in: Etta und Otto Stangl: Galeristen, Sammler und Museumsgründer, hrsg. von Clelia Segiteh, Köln 2000;

Schulz-Hoffmann, Carla: Die Staatsgalerie moderner Kunst, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 187-193;

Schuster, Klaus-Peter Hrsg.: Die „Kunststadt“ München 1937, Nationalsozialismus und „Entartete Kunst“, München 1987;

Sedlmayr, Hans: Verlust der Mitte. Die bildenden Kunst des 19. und 20.Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit, Salzburg 1948;

Segieth, Clelia: Etta und Otto Stangl: Galeristen, Sammler und Museumsgründer, hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels e.V., Köln 2000;

Smith, Edward-Lucie: Die moderne Kunst. Malerei Fotografie Grafik Objektkunst, München 1996 Originalausgabe: Arte oggi, dall’espressionismo astratto agli anni ’90, 1976;

Straka, Barbara/ Suermann, Marie-Therese: „... die Kunst muß nämlich gar nichts!“, in Ausstellungskatalog: Grauzonen - Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 1945 1955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983, 241 343; Teubner, Dirk: Zen 49. München 1950, in: Stationen der Moderne. Kataloge epochaler Kunstausstellungen in Deutschland 1910-1962, Kommentarband hrsg. von Eberhard Roters, Köln 1988, 183-200;

Thomas, Karin: Zweimal deutsche Kunst nach 1945: 40 Jahre Nähe und Ferne, Köln 1985; Thomas, Karin: Kunst in Deutschland seit 1945, Köln 2002;

Thwaites, John Antony: Ich hasse die moderne Kunst, 1. Auflage 1957, Frankfurt a.M. 1960; 206

Trier, Eduard: „Wie wir Künstler angefangen haben...“, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger, Ekkehard Mai und Stephan Waetzoldt, Köln/ Weimar/Wien 1991, 163-174;

Ullrich, Ferdinand Hrsg.: Kunst des Westens: deutsche Kunst 1945-1960, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996; von Lüttichau, Mario-Andreas: Die Moderne Galerie Thannhauser vor dem Ersten Weltkrieg und der Blaue Reiter, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 116-129;

Walser, Rupert/Wittenbrink, Bernhard Hrsg.: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, erschienen anlässlich der Ausstellung „ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels“, Sonderschau der Kunstmesse Art Frankfurt 1989, Band I, München 1989;

Warnke, Martin: Von der Gegenständlichkeit und der Ausbreitung der Abstraktion, in: Die fünfziger Jahre. Beiträge zur Politik und Kultur, hrsg. von Dieter Bänsch, Tübingen 1985, 209-222;

Weskott, Hanne: Vom Kunstwert zum Marktwert. Die Anfänge nach 1945 und die Entwicklung bis Ende der 60er Jahre, in: ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, hrsg. von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink, München 1989, 130-141;

Wiechert, Ernst: Über Kunst und Künstler, in: Die Stunde Eins. Erzählungen, Reportagen, Essays aus der Nachkriegszeit, hrsg. von Ernst Schmidt und Hannes Schwenger, München 1982;

Wirth, Günther: Kunst im deutschen Südwesten von 1945 bis zur Gegenwart, Stuttgart 1982;

Zacharias, Thomas Hrsg.: Tradition und Widerspruch. 175 Jahre Kunstakademie München, München 1985;

Zacharias, Thomas: Die Münchner Akademie. Eine Geschichte der Widersprüche, in: Kunst in München, hrsg. von Gert Gliewe, Hamburg, 1988, 126-130; 207

Zienicke, Axel Hubertus: Xaver Fuhr. 1898-1979, Recklinghausen 1984;

Zimmermann, Rainer: Expressiver Realismus. Malerei einer verschollenen Generation, München 1994;

IV. Ausstellungskataloge

1945-1985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Dieter Honisch, Nationalgalerie, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1985;

50 Jahre Galerie Franke Nay Bilder, Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Graphik aus der Sammlung und Galerie Günther Franke“, Galerie Günther Franke, München 1973;

A bis Z, Berufsverband Bildender Künstler, Kultusministerium, München 1946;

Aktiv Abstrakt, Neue Malerei in Deutschland, Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München 1955;

Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden 1946;

Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden 1949;

Amerikanische Malerei. Werden und Gegenwart, Galerie des Amerika Hauses, München 1951;

Art Exhibition/ Painting I Kunst-Ausstellung/ Maler der Gegenwart I, Palais Schäzler, Augsburg 1945;

Ausstellung moderner Malerei Graphik Plastik. Künstlergruppe ROTER REITER, Traunstein 1946;

Bayerische Kunst der Gegenwart ausgewählt durch die CENTRALE SANITAIRE SUISSE für eine Ausstellung in der Kunsthalle Basel, Bayerisches Nationalmuseum Neue Sammlung, München 1947; 208

Bavarian Art of Today, selected by CENTRALE SANITAIRE SUISSE for an Exhibition at the Kunsthalle in Basel, Bavarian National Museum, 1947; Der Blaue Reiter. Der Weg von 1908-1914, Haus der Kunst, München1947;

Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 1. Plastiken, Gemälde, Graphik, Galerie Baudenbach, München 1945;

Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 2. Plastiken, Gemälde, Graphik, Galerie Baudenbach, 1945;

Die Schwabinger ‚Kleine’ Sonderschau. Die Traunsteiner Künstlergruppe ‚Roter Reiter’, Galerie Baudenbach, 1946;

Die Schwabinger ‚Kleine’ Kunstausstellung Nr. 6. Plastiken, Gemälde, Graphik, Maler und Bildhauer aus dem Kulturkreis Chiemgau, Galerie Baudenbach, 1946;

Displaced Persons Art Exhibition, Central Art Collecting Point, München 1947;

Exposition Contemporaine Moderne Kunst, Galerie Wimmer, München 1946;

Führer zur Ausstellung „Entartete Kunst“, Berlin 1937;

Galerie Karin Hielscher, München 23, München 1949;

Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 1945-1955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983;

Große Kunstausstellung München 1949, Haus der Kunst, München 1949;

Große Kunstausstellung München 1950, Haus der Kunst, München 1950;

Große Kunstausstellung München 1951, Haus der Kunst, München 1951;

Große Kunstausstellung München 1952, Haus der Kunst, München 1952;

Große Kunstausstellung München 1953, Haus der Kunst, München 1953;

Große Kunstausstellung München 1987, Haus der Kunst, München 1987; 209

Hommage à Günther Franke, Museum Villa Stuck, München 1983;

Karl Caspar, Gedenkausstellung im Museum Langenargen 1979;

Künstlerverband Neue Gruppe, Städtischen Galerie, München 1947;

Kunst in Deutschland 1898-1973, Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1973/74;

Kunst in Deutschland 1898-1973, Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1973/74;

Kunst des Westens: deutsche Kunst 1945-1960, hrsg. von Ferdinand Ullrich, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Köln 1996;

Kunstschaffen in Deutschland, Central Art Collecting Point, München 1949;

L’Art Allemand Moderne Deutsche Kunst der Gegenwart, Kurhaus, Baden- Baden, 1947;

Maler der Gegenwart III: Extreme Malerei, Palais Schäzler, Augsburg, 1947;

Moderne Graphik. Die Expressionisten: „Die Brücke“, Beckmann, Kokoschka, u.a. Die Neusachlichen: Georg Grosz, Otto Dix, - Die neuere Münchner Graphik, Freitag-Verlag, München 1946;

Münchner Künstlergenossenschaft, Städtische Galerie, München 1947;

Münchner Künstlergenossenschaft, Städtischen Galerie, München 1948;

Münchner Sezession, Städtischen Galerie, München 1947;

Münchner Sezession, Städtischen Galerie, München 1948;

Neue Gruppe, Städtischen Galerie, München 1948;

Neuerwerbungen zeitgenössischer Malerei und Plastik 1945-1950, Bayerische Staatsgemäldesammlung, München 1951;

Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch: 1945-1949, Münchener Stadtmuseum, München 1984; 210

ZEN 49, Central Art Collecting Point, München 1950;

ZEN 49, Galerie des Amerika Hauses München, München 1951;

ZEN 49, ophir. Galerie für junge Kunst, München 1953;

ZEN 49. Die ersten Jahre Orientierungen, hrsg. von Jochen Poetter, Kunsthalle, Baden-Baden 1986;

Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1937, hrsg. von Lazlo Glozer, Köln 1981;

Zwischen Krieg und Frieden. Gegenständliche und realistische Tendenzen in der Kunst nach 45, hrsg. vom Frankfurter Kunstverein, Berlin, 1980;

V. Zeitungen und Zeitschriften

Bayerischer Staatsanzeiger, hrsg. vom Informations- und Presseamt der Bayrischen Staatsregierung, München 1946 ff;

Bayerland, illustrierte Wochenzeitschrift für bayerische Geschichte und Landeskunde, München 1952ff.;

Bildende Kunst, Zeitschrift für Malerei, Graphik, Plastik und Architektur, hrsg. von Carl Hofer, Oskar Nerlinger, Berlin 1947ff.;

Das Kunstwerk, hrsg. von Leopold Zahn, Baden-Baden, 1946ff.;

Der Kunsthandel. Zeitschrift für Bild und Rahmen, Heidelberg 1949 ff.;

Die Kunst, hrsg. von Albert von Miller, Eberhard Hanfstaengl, Franz Roh, München 1948;

Die Kunst und das Schöne Heim. Monatszeitschrift für Malerei, Plastik, Graphik, Architektur und Wohnkultur, hrsg. von Albert von Miller, unter Mitwirkung von Eberhard Hanfstaengl und Franz Roh, München, 1949 ff.; 211

Die Neue Zeitung NZ, eine amerikanische Zeitung für die deutsche Bevölkerung, hrsg. im Verlag der amerikanischen Armee, München/Berlin 1945ff.;

Kunstchronik, hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München 1948 ff.;

Kulturarbeit. Zeitschrift für Kultur- und Heimatpflege, Stuttgart/Köln, 1949 ff.;

Nachrichten für den Kunsthandel, Hamburg 1948 ff.;

Süddeutsche Zeitung SZ, Münchner Neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport, München 1945ff.;

Prisma, München 1946ff.;

Weltkunst, illustrierte Wochenzeitschrift - internat. Zentralorgan für Kunst, Buch, alle Sachgebiete und ihren Markt, Berlin 1949ff.;

VI. weiter verwendete und weiterführende Literatur:

Bänsch, Dieter Hrsg.: Die fünfziger Jahre. Beiträge zur Politik und Kultur, Tübingen1985;

Bayl, Friedrich: Das Ende unserer Tage, Köln 1966;

Beckelmann, Jürgen: Das Ende der Moderne, München 1959;

Berthold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus, München 1974;

Bungenstab, Karl-Ernst: Umerziehung zur Demokratie? Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1947-1949, Düsseldorf 1970;

Deutscher Städtetag Hrsg.: Kulturstatistik des Deutschen Städtetags, bearb. Von Jochen von Uslar, in: DST-Beiträge zur Bildungspolitik, Reihe C, H.11, Köln 1979;

Domnick, Ottmar: Die schöpferischen Kräfte in der abstrakten Malerei. Ein Zyklus, Bergen 1947; 212

Eichler, Richard, W.: Viel Gunst für schlechte Kunst. Kunstförderung nach 1945, München 1969;

Eckstein, Has: Maler und Bildhauer in München, München 1946;

Floersheim, Georges: Ist die Malerei zu Ende?, Zürich 1951;

Fuchs, Andreas: Die Vergnügungssteuer in Bayern, München 1958;

Gehlen, Arnold: „Zeitbilder...“, Bonn/Frankfurt a.M 1960;

Gimbel, John: Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland 1945-1949, Frankfurt a.M. 1971;

Glaser, Hermann: Soviel Anfang war nie. Deutsche Städte 1945-1949, Berlin 1989;

Glozer, Lazlo: Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939 Köln 1981;

Grohmann, Will: Bildende Kunst und Architektur, Berlin 1953;

Hausenstein, Wilhelm: Was bedeutet die moderne Kunst? Wort der Besinnung, München 1949;

Hermand, Jost: Neuordnung oder Restauration? Zur Beurteilung der „faschistischen Kunstdiktatur“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Kritische Berichte 12, H.1, 1984, 78-83 und H.2. 69-79;

Herzog, Thomas: Einführung in die moderne Kunst, Zürich 1948;

Heuss, Theodor: Die Kunst dieser Gegenwart. Drei Essays, Tübingen 1956;

Hindelang, Eduard: Karl Caspar. 1979-1956, in Ausstellungskatalog: Karl Caspar, Gedenkausstellung im Museum Langenargen 1979;

Horacek, Martin: Naturwissenschaftliches Weltbild und abstrakte Malerei, in: Flächeland: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, hrsg. von Hans Körner, Tübingen/ Basel 1996, 149182;

Kästner, Erich: Notabende ‚45, Frankfurt a.M. 1961; 213

Knipping, Franz/ Müller, Klaus-Jürgen Hrsg.: Aus der Ohnmacht zur Bündnismacht. Das Machtproblem in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1960, Paderborn/ München/ Wien/Zürich/Schöningen 1995;

Körner, Hans Hrsg.: „Flächenland“: Die abstrakte Malerei im frühen Nachkriegsdeutschland und in der jungen Bundesrepublik, Tübingen/Basel 1996;

Maenz, Paul: Die fünfziger Jahre. Formen eines Jahrzehnts, Stuttgart 1978;

Mann, Thomas Hrsg.: Kampf um München als Kulturzentrum, München 1927;

Melichar, Alois: Überwindung des Modernismus, Franfurt a.M. 1954;

Morsey, Rudolf: Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969, 4. Auflage, München 2000;

Obermaier, Franz/ Maurer, Josef: Aus Trümmern wächst das neue Leben, München 1949;

Prinz, Friedrich/ Krauss, Marita Hrsg.: Trümmerleben und Texte, Bilder aus den Münchener Nachkriegsjahren, München, 1985;

Raum, Hermann: Die Bildende Kunst der BRD und Westberlins, 1977;

Read, Herbert: Kunst und Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1969;

Roh, Franz: Deutsche Maler der Gegenwart, München 1957;

Roh, Franz: Streit um die moderne Kunst. Auseinandersetzung mit Gegnern der neuen Malerei, München 1962;

Ruby, Sigrid: Have we an American art? Präsentation und Rezeption amerikanischer Malerei in Westdeutschland und Westeuropa der Nachkriegszeit, Diss., Weimar 1999;

Scheffler, Karl: Kunst ohne Stoff, Überlingen 1950; 214

Schmied, Wieland: Kunstvisionen von München aus. Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Tradition und Vision in Bayern, in: Tradition und Perspektive. 150 Jahre Bayerisches Kultusministerium, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, München 1997, 286-307;

Schmidt, Paul: Geschichte der modernen Malerei, Stuttgart 1951;

Schmidt, Ute/ Fichter, Tilman: Kontinuität oder Bruch?, in Ausstellungskatalog: Grauzonen Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 1945-1955, hrsg. von Bernhard Schulz, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin/ Wien 1983, 13-42;

Schmidt, Bernd/ Schwenger, Hannes Hrsg.: Die Stunde Eins. Erzählungen, Reportagen, Essays aus der Nachkriegszeit, München 1982;

Schweicher, Curt: Die Kunst ist tot, Krefeld 1953;

Sedlmayr, Hans: Die Revolution der modernen Kunst, Reinbeck bei Hamburg 1955;

Sedlmayr, Hans: Kunst und Wahrheit, München 1958;

Selig, Wolfram u.a.: Chronik der Stadt München 1945-1948, München 1980;

Smyth, Craig Hugh: Repatriation of Art from the Collecting Point in Munich after World War II. Background and Beginnings with Reference espacially to the , Maarssen 1988;

Spindler, Max Hrsg.: Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd.4: das neue Bayern 1800-1970, 2 Bde., München 1974;

Trier, Eduard: Die Situation der bildenden Künste in Deutschland, Köln 1954;

Trier, Eduard: Über die Bewertung zeitgenössischer Kunst oder Freuden und Leiden eines Ausstellungsmachers, Ansprache zur Immatrikulationsfeier am 4.12.1964 in der Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, Düsseldorf 1965; von Weizsäcker, Richard: Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Bonn 1985; Weigert, Hans: Die Kunst am Ende der Neuzeit, Tübingen 1956; 215

Wollenhaupt-Schmidt, Ulrike: documenta 1955. Eine Ausstellung im Spannungsfeld der Auseinandersetzung um die Kunst der Avantgarde 1945 1960, Diss., Franfurt a.M. 1994;

Worringer, Wilhelm: Problematik der Gegenwartskunst, München 1948; Curriculum Vitae

Name Annette Doms Anschrift Eduard-Schmid-Str. 8, 81541 München Geburtsdatum,-ort 21.08.1973, Coburg

Schul- und Studienlaufbahn 1985-1995 Arnold Gymnasium, Neustadt bei Coburg, Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife Leistungskurse: Wirtschaft, Chemie 1995-2000 Studium der Kunstgeschichte mit Abschluss des Magister Artium an der Ludwig-Maximilians-Universität München Nebenfächer: Klassische Archäologie, Allgemeine Psychologie, Italienische Philologie 2000-2004 Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München unter Betreuung von Dr. Prof. Frank Büttner

Berufserfahrung 11/1997-07/1999 Leitung und Organisation eines Kunstgeschichte- Tutoriums an der LMU München sowie von Exkursionen nach Rom, Florenz und Paris 08/1997-06/2000 Studentische Hilfskraft im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München 02/1999-04/1999 Praktikum in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München 2001 Mitautorin für die Publikation „Deutsche Schlösser, Burgen und Residenzen“ im Orbis-Verlag, München 2002 Kooperation und Research für das Kunstpreis-Jahrbuch 2002 im Weltkunstverlag, München 11/2000-07/2003 Mitarbeiterin der Galerie Nusser & Baumgart Contemporary, München 01/2004-12/2005 Geschäftsführerin der Projektgalerie juste-arte, München 04/2004-03/2005 Kunstberaterin bei Achenbach Art Consulting, München/ Düsseldorf 10/2005-03/2007 künstlerische Assistentin von Prof. Joseph Kosuth an der Akademie der Bildenden Künste, München seit 07/2005 Geschäftsführerin des Unternehmens contemporär