Die Aneignung Von Natur Walther / Walther
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DIE ANEIGNUNG VON NATUR WALTHER / WALTHER EINE AUSSTELLUNG DER KUNSTSTIFTUNG PETRA BENTELER DIE ANEIGNUNG VON NATUR Walther / Walther EINE AUSSTELLUNG DER KUNSTSTIFTUNG PETRA BENTELER Die Kunststiftung Petra Benteler freut sich, mit dieser Doppelausstellung Walther/Walther eine weitere, starke Position aus dem kreativen Nährboden des Blauen Landes sichtbar machen zu können. Ein Film über Falconette (Regie: Moritz Adlon, Kamera/Schnitt: Felix Pflieger) wird zur Eröffnung der Ausstellung als Premiere vorgestellt. Karl Walther beim Malen am König-Ludwig-Weg am Starnberger See. Herbst 1965 Hara Walther mit dem Harris Hawk Ludwig. Frühjahr 2016 beschrieb es so: „Die Natur in ihrer Lebendigkeit und immer in rätselhaften Beziehungen. Gehäufte Zufälle DIE ANEIGNUNG VON NATUR Größe zu erfassen, ist für mich die wichtigste Aufgabe weisen für mich auf die Anwesenheit von Geistern“. der Malerei“. Ihr Großvater väterlicherseits, Karl Walther, Maler Wenzel Jacob und wichtiger Vertreter des deutschen Postimpressi- In seinem Werk kondensiert sich die Summe seines onismus, war kurz nach ihrer Geburt gestorben. Ein Verständnisses der Natur in beeindruckenden Zufall. Trotzdem blieb er durch ihre gesamte Kindheit Karl Walther (1905 - 1981) und Hara Walther (*1981), pressionismus deutscher Ausprägung, – der höchste Waldbildern: durch einen Wald, dicht bewachsen und überaus präsent. Überall im Haus hingen seine Bilder, Großvater und Enkelin, stellen die seltene Kombina- und rigorose malerische Qualitäten voraussetzt. Hara scheinbar undurchdringlich, verläuft in der Mitte ein sein schwarzer Steinway-Konzertflügel füllte als tion zweier Künstlerpersönlichkeiten dar, die in einer Walther die einer postmodernen Gegenwart, in der Pfad, der in die Richtung einer hinter allem zu erah- stummes Monument das Wohnzimmer, der Geist von Familie aufeinanderfolgen und dabei die Zwischenge- ein transdisziplinärer Kontext den Einsatz der unter- nenden Helligkeit führt. Seine Enkelin Hara hat wohl Karl Walther, dem „Opa“, den sie selbst nie gesehen neration überspringen. schiedlichsten Elemente erlaubt, – ja fordert. Erst auf als Kind den Geist dieser Aussage aufgefangen und hatte, schwebte allgegenwärtig und greifbar über den zweiten Blick wird die erstaunliche Isomorphie später eigene Wege gesucht und gefunden, um einen ihrer Welt. Ein Zufall, dass eine solche immaterielle Auf den ersten Blick scheinen beide Werke einander dieser beiden künstlerischen Vorgehensweisen analogen Geist neu ins Leben zu rufen. Präsenz in einem sensitiven Kind prägende Spuren fremd und unvereinbar. Beide tragen unverkennbar erkennbar. Beide zielen auf ein umfassendes und mitgestaltet? Früh begann Hara zu zeichnen und zu Merkmale und Formensprache ihrer jeweiligen vereinendes Naturerleben, das sich dem Staunen vor Glauben Sie an Geister? Hara Walther sagt: „Ja, – und malen, stets unter den kritischen Blicken ihres Vaters, Epoche. Karl Walther die eines vormodernen Postim- dem Unbegreiflichen dahinter öffnet. Karl Walther an Zufälle. Geister und Zufälle stehen miteinander den das großväterliche Talent zur bildnerischen Flugbild, Sizilia, dritte Mauser, 2016, Assemblage und Aquarell auf Bütten, 150 × 150 cm Frühlingswald, Öl auf Leinwand, 132 × 163 cm, WV 944 Die nasse Wand, Ramsau, 1953, Öl auf Leinwand, 65 × 54 cm Jagd Bild, 2015, Aquarell / Scherenschnitt / Assemblage, 78 x 55 cm Gestaltung zufällig übersprungen hatte. Auch das hin- Angeregt von solchen Zeichnungen entstanden ab terließ Spuren, denn einem Geist nachzueifern, bedeu- 2002 in Berlin großflächige textile Arbeiten und tet auch diesem Geist schrittweise näher zu kommen. plastische Objekte, in denen Hara Walther Inhalte Als Kind hatten ihr die Gemälde des Großvaters gezeigt, aus den Zeichnungen übersetzte und weiterführte. In dass Kunstwerke Geist in sich tragen und diesen über ihnen kann man Traumszenen und erotische Situati- zeitliche und räumliche Entfernung transportieren. Und onen erkennen, die aus einer sehr eigenwilligen und auch, dass dieser Geist durch diese Gemälde mit ihr ebenfalls sehr weiblichen Position dargestellt werden. kommunizierte. Als Studentin fühlte sie sich von der Archäologie angezogen, die ähnliche Geister aus frühen Eine Automatische Zeichnung aus einer dieser Séan- Epochen sucht und im Jetzt wieder auffindbar macht. cen wurde 2007 zufällig zum Auslöser und Schlüssel für eine völlig neue und eigenständige Arbeitsphase In dieser Phase begegnete sie Ugo Dossi. Ein Zufall. von Hara Walther. In stark reduzierter Form war auf Mit ihm trat sie in die Gegenwartskunst und lernte bei einer Zeichnung ein Vogel zu erkennen. Ein Falke. Was ihm das Phänomen des Automatischen Zeichnens, bei sollte dies bedeuten? Hara fiel durch einen Zufall ein dem in Zeichen-Séancen die Hände ohne willentliche Buch über die Falknerei in die Hände. Hier vertiefte Steuerung einem unbewussten Impuls folgen und sie sich in die Schriften eines großen Geistes und Inhalte sichtbar machen, die oft erstaunlich weit Künstlers des Hochmittelalters: des Staufer-Kaisers jenseits des Wissbaren liegen. Bei diesem Automa- Friedrich II., den seine Zeitgenossen „das Staunen der tischen Zeichnen entdeckte sie auch ihre Sensibilität Welt“ nannten. Er hatte um 1240 ein Buch über seine als Medium, die sie seither weiter verfolgte und weiter Lieblingsbeschäftigung verfasst, die Beizjagd, in dem entwickelte. In Kooperation mit Ugo Dossi entstan- er sie als die höchste aller Künste bezeichnete. Mit den in der Folge hunderte von Zeichnungen, die sie Geringerem wollte sich die junge Künstlerin nun auch gemeinsam „Orakelzeichnungen“ nannten, denn sie nicht mehr begnügen. Und beschloss dem Wink dieser deuteten häufig in eine Zukunft, die im Moment des Zeichnung zu folgen und die Falknerei zu ihrer neuen Zeichnens nicht vorstellbar war. Kunst zu machen. Krokodil, abtauchen und frei sein, 2003, Teppich, Wolle geknüpft, 100 × 240 cm Glückspilz, 2007, Wolle gewoben, Detail, Acrylglas, 150 × 100 cm Ein weiterer Zufall ermöglichte dazu eine Ausbildung Künstler, die Natur in ihrer Größe und Lebendigkeit zu bei Leo Mandelsperger, einem international aner- erfassen, fordert heute seine Enkelin eine Annäherung kannten Beizjäger und Falkner. Erst nach vier anstren- der Wahrnehmung an die greifbar reale Natur. In ihrer genden Lehrjahren und langer eigener Praxis im Um- speziellen Kunst, mit Greifvögeln. gang mit den hochsensiblen Greifvögeln (und den nicht minder komplexen jagdlichen Verordnungen) erwächst Haut spürt Haut, Geist spürt Geist, Künstler erkennen ihr die Meisterschaft, in der Falknerei zur Kunst wer- Künstler. Durch einen Zufall stieß Daniel Spoerri auf den kann. „Erst mit dem Verstehen des Wesens dieser die Arbeit von Hara Walther. Als Meister des kreativen fliegenden Engel, Todesengel, kommt man dem Vogel- Zufalls war er spontan davon begeistert. Er bot ihr geist näher“, sagt sie. Der Falke lernt vom Falkner und ein Arbeitsstipendium in seinem Skulpturenpark in der Falkner lernt vom Falken. In dieser Symbiose ent- Seggiano in der Toskana. Während dieses Aufenthalts wickelt sich Vertrautsein und gegenseitiges Vertrauen. entstanden dort die Grundlagen zu ihrem bisher größ- Hara Walther begleitet alle Entwicklungsschritte ihrer ten Projekt Falconette, einer Schule für Falknerei und Vögel und hält sie in Objektform fest. Sie sammelt die Kunst für Kinder, die sie anschließend in einer Jurte Beuten ihrer Jagdflüge als Trophäen und gestaltet auf dem Auerberg im bayerischen Allgäu verwirklichte. daraus ungewöhnliche Kunstobjekte. In der Mauser, Falconette ist sowohl gestaltetes Kunstwerk als auch in der die Vögel jährlich ihr Federkleid erneuern, Unterrichtsort und Lehrprogramm, in dem sich Kunst dokumentiert sie penibel den Wurf jeder einzelnen und Falknerei vereinen. Es wird begleitet von einem Feder, sichert sie und fügt sie in Objektkästen zu großen, bebilderten Werk über die Falknerei, das so genannten Flugbildern. Die Hintergründe dieser vom Geist des Staufers Friederich II. inspiriert ist, ein Bildobjekte erscheinen oft wie verschwimmende Ausmal-Buch, das sich an Kinder und Jugendliche Ansichten von Wolkenformationen, die den Betrachter wendet, denen der Umgang mit Greifvögeln einen selbst in den Eindruck des Fliegens saugen, in das besonderen Zugang zum Erleben der Natur und zum Helle, Weite, Farbige hinein. Hier überschneiden sich Verstehen des Lebendigen eröffnen soll. Und damit die künstlerischen Intentionen von Großvater und En- auch das Wahrnehmen des Unermesslichen, Geisti- kelin. War für Karl Walther die wichtigste Aufgabe als gen in der Natur erleichtert. Der Traum der Ameisenkönigin 1, 2002, Leinen, Tusche, Aquarell, Wacholder und Artemisia frigida, 180 × 240 cm Der König-Ludwigs-Weg am Starnberger See, 1965, 116 x 89 cm DIE ANEIGNUNG VON NATUR EINE ZEITREISE Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, weiß Bereits in der Steinzeit hielten Künstler, Schamanen, schon die Redensart. Aus demselben Grund bleibt Priester auf Felswänden die für sie wesentliche Natur auch Natur selbst unsichtbar. Als Überbegriff für in Jagdszenen fest. Dabei wird der entscheidende alles „Natürliche“, Lebendige oder Tote, hat „Natur“ Moment, das Erjagen der Beutetiere, bildhaft vorweg- kein eigenes Aussehen, ebenso wenig wie „Welt“ genommen, um durch diesen magischen Eingriff auch oder „Zeit“. Dennoch, auch um Welt darzustellen, den tatsächlichen Jagdverlauf wunschgemäß zu be- werden immer Bilder aus dem grenzenlosen Über- einflussen. Von der Steinzeit bis in die Antike blieben fluss visueller Eindrücke aus der Natur bemüht. die Formen der Aneignung von Natur in