LAUDATIO Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

STUTTGART PROF. DR. VORSITZENDER DER KONRAD- ADENAUER-STIFTUNG MINISTERPRÄSIDENT A.D. „Ein Mann, auf den Verlass ist.“

FESTAKT ZUR VERABSCHIEDUNG VON MINISTERPRÄSIDENT ERWIN TEUFEL 16. APRIL 2005 www.kas.de Meine sehr verehrten Damen und Herren! be und Hingabe hast Du auf Deinem Posten gestanden – bis zum 19. April: 14 Jahre, „Der Mensch ist verehrungswürdig, der den zwei Monate und 28 Tage. Posten, wo er steht, ganz ausfüllt.“ Sagt der Schwabe Friedrich Schiller. Du selbst hast die Belastungen des Amtes verschiedentlich lebendig beschrieben – von Ich kenne niemanden, der seinen Platz so mindestens 16-Stunden-Arbeitstagen in ei- ganz ausgefüllt hat, wie der Schwabe Erwin ner Sieben-Tage-Woche, von zu wenig Teufel seinen Posten als Ministerpräsident Schlaf: „Ich lege mich hin, ziehe den Fuß von Baden-Württemberg. Es bereitet mir nach, und wenn ich nicht schnell genug eine große Freude, Dir, lieber Erwin Teufel, nachziehe, dann ist er draußen, und ich bin in diesem Sinne bei Deinem Abschied aus schon eingeschlafen.“ dem Amt Ehre erweisen zu dürfen. Wer ein solches Amt mit aller Kraft und Ich habe in meiner eigenen langen Amtszeit Hingabe ausgeübt hat, verlässt es nicht mehr als 60 Kollegen kommen und gehen leichten Herzens. Ich weiß das, ich habe es sehen. Mit vielen, nicht nur aus der eigenen zweimal erleben müssen – erleben dürfen. Parteifamilie, war und bin ich eng verbun- Antoine de Saint-Exupéry – ein Autor, den den, ja befreundet. Mit keinem war das Maß Du seit Jugendtagen besonders schätzt, hat an Übereinstimmung größer, war die Recht: „Du bist zeitlebens für das verant- Freundschaft enger als mit Dir! wortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

Erwin Teufel – ein Mann, auf den Verlass ist. Du hast Dir die Menschen in Baden- Der Vertrauen schenkt und dem man ver- Württemberg, Du hast Dir Dein Land ver- trauen kann. Ein Mann mit einem festen traut gemacht. Immer wieder hat man mit Fundament, mit klaren Überzeugungen. Deinem Namen Wortspiele betrieben. Aber Kein Mann des lauten und des schnellen nicht er, Dein Taufname trifft, was ich mei- Wortes, aber ein Mann, der zuhören kann ne. Die althochdeutsche Zusammensetzung und der seinem Gegenüber etwas zu sagen aus „heri“ und „wini“ heißt „Volksfreund“. hat. Erwin Teufel hat sein Amt auf unver- wechselbare Weise persönlich geprägt. Er „Wir verlieren nicht, sondern gewinnen be- war niemals auswechselbarer Funktionsträ- ständig“, sagt der Dir wohl vertraute, aus ger. Erst das Land, dann die Partei, dann Freiburg stammende Religionsphilosoph Karl die Person! Ein Satz, der nicht nur von ihm Rahner. Tatsächlich hat Erwin Teufel die stammt, sondern den er auch gelebt hat. verschiedenen Stationen seines Lebens in- nerlich nie wirklich hinter sich gelassen. Von Er selbst hat einmal von einer „hundertpro- jeder einzelnen ist er geprägt. Die Bindun- zentigen Identifikation“ mit Amt und Land gen bleiben, die Erfahrungen und Kenntnis- gesprochen, niemand hat widersprochen. se wachsen, der Handlungsradius weitet sich. „Ein Mann wie das Land“, titelte die Süd- deutsche Zeitung schon vor Jahren. Mit Leib Erwin Teufel würdigen verlangt, zu seinen und Seele, mit Geist und Verstand, mit Lie- Wurzeln zurückzugehen: seine Herkunft aus

2

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. einem Bauernhof in Zimmern, sein Eltern- Der Landtagspräsident hat es gesagt: Am haus, insbesondere den Einfluss seiner Mut- Tage des Abschieds von Erwin Teufel hat STUTTGART ter, die sein Interesse für Literatur weckte seine Frau und hat seine Familie einen be- PROF. DR. BERNHARD VOGEL und ihm früh ein Buch über den Widerstand sonderen Dank verdient! VORSITZENDER DER KONRAD- gegen den Nationalsozialismus schenkte, ADENAUER-STIFTUNG ohne das er – wie er später berichtet – viel- 1955, mit 16 Jahren, schreibt Erwin Teufel MINISTERPRÄSIDENT A.D. leicht nicht „in politischer Verantwortung Briefe an CDU, SPD und FDP nach Bonn mit gelandet“ wäre. der Bitte um Informationsmaterial. Nach einem ganzen Jahr Bedenkzeit entscheidet 16. APRIL 2005 Man muss die Prägung seiner Kindheit be- er sich für die CDU. Typisch Erwin Teufel: rücksichtigen – drei Tage nach Kriegsaus- Ein Entschluss muss reifen, wenn er für ein bruch geboren, ältester von acht Geschwis- ganzes Leben richtungsweisend sein soll. tern, früh Verantwortung für andere über- Nach dem Entschluss gibt es kein Zögern nehmen. mehr.

Die Zeit im Gymnasium in der stolzen 1956 kann er nicht in die Junge Union ein- Reichsstadt Rottweil wirkt bis heute nach. treten – er muss sie mit zwei Freunden erst Hier wurde die Liebe zur griechischen Ge- gründen, weil es im Kreis Rottweil damals schichte und zur Philosophie grundgelegt. keine JU gibt. Beide Freunde sind einschlä- gig bekannt: Heiner Geißler heißt der eine, Sein gesellschaftliches Engagement begann Franz Sauter der andere. Erwin Teufel in der katholischen Jugendarbeit. Erwin macht es sich nicht leicht und hat es auch Teufel ist Christ, ist Katholik. Selbstver- nicht leicht. Es besagt einiges über seine ständlich und unkompliziert. Kein Sonntag Überzeugungskraft und sein Integrations- ohne Gottesdienst. Erwin Teufel freut sich vermögen, dass er 19 Jahre lang CDU- seines Glaubens und liebt seine Kirche, und Bezirksvorsitzender in Süd-Baden war – und gerade darum leidet er bisweilen auch an das als Schwabe! Später – 1983 – wird er ihr. Mitglied des Bundesvorstands, 1992 bis 1998 ist er stellvertretender Bundesvorsit- Er ist seit über 20 Jahren Mitglied des Zent- zender unserer Partei – aber nach Bonn ralkomitees der Deutschen Katholiken, nicht oder später nach Berlin hat es ihn nie gezo- der Ministerpräsident wurde Mitglied, das gen. Immer hatte sein Land Vorrang. Gera- Mitglied des Zentralkomitees wurde Minis- de das gab ihm Unabhängigkeit und seiner terpräsident. Der prominente Katholik, der Stimme Gewicht. engagierte Laie hat nie eine kirchliche Funk- tion übernommen, immer übernahm der 1964, mit 25 Jahren, wird er zum Bürger- aktive Christ ein politisches Amt. Diese Rei- meister von Spaichingen gewählt, zum da- henfolge ist wichtig: Das christliche Zeugnis mals jüngsten Bürgermeister der Bundesre- in Gesellschaft und Politik ist ihm bedeut- publik. Erst im Monat seiner Wahl wird er sam. Er will dienen, nicht herrschen. wählbar. Vor 33 Jahren – bei der Landtags- wahl vom 23. April 1972 – zieht er erstmals Seine Familie ist eine seiner Kraftquellen. als direkt gewählter Abgeordneter des Seine Frau, seine vier Kinder, seine sechs Wahlkreises Villingen-Schwenningen in den Enkelkinder, seine ganze Familie. In der Landtag ein und wird sofort zum Staatssek- jüngst erschienenen Biographie ist von 27 retär im Innenministerium berufen. Nichten und Neffen die Rede, und Erwin Teufel war bei jeder Taufe selbst dabei. Sechs Jahre später, im Februar 1978, wird er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Die Öffentlichkeit hat seine Familie nie ge- und bleibt es dreizehn Jahre lang. Viermal sucht, er hat nicht zugelassen, dass sie hat der Landtag von Baden-Württemberg vermarktet wurde. Aber seine Frau war im- Erwin Teufel zum Ministerpräsidenten ge- mer da, wenn sie gebraucht wurde. Sie hat wählt. Dreimal hat er sich als Ministerpräsi- in der Familie ihre Frau gestanden, aber dent dem Votum der Bürgerinnen und Bür- auch als erste Frau des Landes. ger gestellt. Er und die CDU erreichen 1992

3

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 39,6 Prozent, 1996 41,3 Prozent und 2001 Erwin Teufel hat als Landtagsabgeordneter, 44,8 Prozent. Er ist – seit meinem Rücktritt als Staatssekretär, als Fraktionsvorsitzender STUTTGART – der dienstälteste Regierungschef eines und als Ministerpräsident nie vergessen, PROF. DR. BERNHARD VOGEL deutschen Landes. dass sein erstes Amt das Amt eines Bür- VORSITZENDER DER KONRAD- germeisters war. Hier hat er zum ersten Mal ADENAUER-STIFTUNG In meinem Büro in Erfurt hängt ein Bild von und am unmittelbarsten erlebt, was man in MINISTERPRÄSIDENT A.D. einer Ministerpräsidentenkonferenz im his- einem demokratischen Gemeinwesen bewir- torischen Cecilienhof in Potsdam. Es ging ken kann. damals, im Februar 1993, um den Solidar- 16. APRIL 2005 pakt I, dessen Zustandekommen auch ihm Erwin Teufel kennt die Bedeutung der klei- und seinem Vermittlungsgeschick zu ver- nen Einheiten für die Demokratie und das danken ist. Man erkennt darauf Max Streibl Wohlbefinden der Menschen. Einen über- für Bayern, für Sachsen, zeugteren Anhänger des Subsidiaritätsprin- für das Saarland, Gerhard zips kann ich mir kaum vorstellen: bürger- Schröder für Niedersachsen, für nah muss entschieden werden – nicht bür- Hessen, für Nordrhein- gerfern. Dafür setzt sich Erwin Teufel be- Westfalen, Manfred Stolpe für Brandenburg harrlich und leidenschaftlich ein: in und manchen, dessen Namen heute keiner Deutschland und in Europa. mehr kennt. Als letzter verlässt am 19. April Erwin Teufel diesen Kreis. Längst ist die Be- Weltoffen und weltläufig ist nicht der, der zeichnung „Politisches Urgestein“ an ihn seine Ursprünge und seine Heimat hinter vergeben. sich lässt. Man muss, mit einem Wort von Theodor Heuss, die „Weite einer Welt- Bruno Heck, einstmals Bundesgeschäftsfüh- Gesinnung und die Nähe eines Heimatge- rer, später Generalsekretär und Bundesfa- fühles“ miteinander verbinden können. milienminister und mein Vorgänger als Vor- sitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Föderalismus heißt für ihn „mehr Transpa- erkennt früh, aus welchem Holz der junge renz“, Stärkung der Landesparlamente und Erwin Teufel geschnitzt ist. Er versorgt ihn ihrer „gesetzgeberischen Verantwortung“, von Bonn aus mit Kisten von Informations- heißt „sinnvoller Gestaltungswettbewerb“ material. Seit jeher ist Erwin Teufel ein Poli- unter den Ländern – nicht allein, weil er tiker, der liest: nicht nur Vermerke und Be- damit das Interesse Baden-Württembergs richte – die auch und zwar sorgfältig. Aber vertritt, sondern in der festen Überzeugung, Erwin Teufel liest Bücher und Fachzeitschrif- dass es Deutschland gut tut, wenn es die ten, regelmäßig und systematisch, stellt sie Potentiale des Föderalismus besser aus- mit eigener Hand in sein Computerarchiv schöpft. ein. Ich wage die Behauptung: Kein deutscher Politiker ist belesener als er, nicht Auf Europa baut er seine Hoffnungen. Fast einmal Professor Biedenkopf. Und das will alle seine Reden sind sachlich und klar, set- etwas heißen! Erwin Teufel ist ein gebildeter zen Argument an Argument, aber beim Mann. Thema Europa bricht Leidenschaft durch. Vor wenigen Wochen, Ende Februar im Schon als Bürgermeister von Spaichingen – Bundestag, als es um den Europäischen in dieser Zeit habe ich ihn kennengelernt, Verfassungsvertrag ging, konnte man es als er mir nach einem Vortrag auf dem Drei- erleben: „Jeder Deutsche, der bei Verstand faltigkeitsberg ein Wappen seiner Stadt ist, ist mit der Ratio und dem Herzen für schenkte – reicht sein Gesichtskreis weit Europa“, sagt er. Umso eindringlicher dann über seinen Wirkungskreis hinaus. Was ihn seine Warnung vor einer Europäischen Uni- nicht daran hindert, mit Haut und Haar Bür- on, die von den Bürgern als „ein fernes, germeister zu sein. Die Polis, die Stadt und technokratisches Gebilde“ wahrgenommen der Dienst an der Polis sind Erwin Teufel in wird. „Europa ist nicht stark, wenn es sich Fleisch und Blut übergegangen: Die Stadt ... um tausenderlei Aufgaben kümmert, ist das Urbild des Staates, das „Richtmaß sondern dann, wenn es sich um die richti- aller Staatlichkeit“ (Dolf Sternberger). gen Aufgaben kümmert.“

4

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Als es um die Benennung des Vertreters des Baden-Württemberg in eine gute Zukunft zu Bundesrates im Europäischen Konvent ging, führen. STUTTGART hat er uns alle – auch mich – überrascht. PROF. DR. BERNHARD VOGEL Mit einer sonst bei ihm in solchen Dingen „Wenn ich“, so hast Du es, lieber Erwin Teu- VORSITZENDER DER KONRAD- nicht gekannten Hartnäckigkeit bewarb er fel, bereits vor 10 Jahren gesagt, „morgen ADENAUER-STIFTUNG sich und setzte sich durch. Und er widmete nicht mehr Ministerpräsident wäre, würde MINISTERPRÄSIDENT A.D. sich dieser Aufgabe mit Augenmaß und Lei- ich mich weiter in diesem Land bewegen, denschaft. Er entwickelte beispielhafte am Werktag und am Sonntag. ... Ich bin Überzeugungskraft und beispielhaftes Ver- verliebt in die Städte in diesem Land, und 16. APRIL 2005 handlungsgeschick. Sogar Giscard ich lebe vom Kontakt mit den Menschen.“ d´Estaing, der Vorsitzende, war voller Ho- chachtung. Wenn Du am kommenden Dienstag dem Landtagspräsidenten Deinen Rücktritt er- Nicht alle Wünsche ließen sich erfüllen. Den klärst, ist es soweit. Man wird Dich überall – Gottesbezug im Europäischen Verfassungs- in Baden-Württemberg und darüber hinaus vertrag konnte auch er nicht durchsetzen. – mit offenen Armen empfangen. Aber er errang bei der Durchsetzung und verfahrensmäßigen Absicherung des Subsi- Lange ist darüber spekuliert worden, was diaritätsprinzips und beim Klagerecht, das Erwin Teufel nach dem 19. April tun werde. er auch für den Bundesrat erreichte, unge- Die Frage „Wo bleib‘ dann ich?“ hat er sich wöhnliche Erfolge. nie gestellt. Aber er hat alle überrascht. Er studiert in München Philosophie. Ein Zimmer Erwin Teufel hat Baden-Württemberg seinen in der Kaulbachstraße 47, in unmittelbarer Stempel aufgedrückt – und ist gleichwohl Nähe gleich mehrerer Hochschulen, ist bescheiden geblieben. Selbstlob ist seine schon reserviert. Sache nicht. Das landläufige Bild vom Politi- ker passt nicht auf ihn. Erwin Teufel ist an- In Baden-Württemberg ist man es schon ders. Er weiß, dass es in unserem Volk eine gewohnt, dass Ministerpräsidenten sich große Sehnsucht nach Glaubwürdigkeit, nach ihrem Ausscheiden nicht zur Ruhe set- Sachlichkeit, nach Verlässlichkeit gibt und zen. Der eine wurde Präsident des Bundes- erfüllt für viele diese Sehnsucht. Er weiß, verfassungsgerichtes, ein anderer Bundes- dass man auf den Wähler zugehen muss, kanzler, ein dritter Unternehmensgründer – dass man wissen muss, was er denkt und Miterbauer einer der Leuchttürme in den fühlt. Aber er weiß auch, dass Führung Not jungen Ländern. Warum soll ein vierter tut, dass unabhängig von der Tagespolitik nicht Philosophieprofessor werden? Die Ge- Ziele gesetzt werden müssen und dass man fahr der Weltfremdheit bestünde dann je- den Weg dorthin unbeirrt verfolgen muss. denfalls nicht.

An seinen Grundentscheidungen lässt er Ich habe mit Friedrich Schiller begonnen. nicht rütteln, auf falsche Kompromisse, die Im Schillerjahr darf ich auch mit Friedrich nicht tragen und die Probleme verschleiern, Schiller enden: „Segen ist der Mühe Preis“, lässt er sich nicht ein. Er gehört nicht zu heißt es im „Lied von der Glocke“. denen, die heute hier und morgen dort von sich reden machen. Er ist deshalb nicht un- Danke, lieber Erwin Teufel, für Deine Mühe, modern. Er sollte Vorbild sein! für Deine politische Lebensleistung! Danke für das Vorbild, das Du als menschlicher Po- Erwin Teufel übergibt sein Land in guter litiker gegeben hast! Danke für Deine Verfassung. Sein Haus, Baden- Freundschaft! Württemberg, ist gut bestellt. Er kann stolz sein auf das, was er geschaffen hat. Sein Gottes Segen ist Dir – so denke ich – ge- Nachfolger übernimmt das Haus besenrein. wiss! Wer wollte ihm nicht wünschen, dass er die Kraft besitzt, das Erbe gut zu verwalten und