Mücke Auf Dem Mond
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Deutschland Das ist zumindest gewagt in einer Situa- tion, in der nur sicher ist, dass kein Wissen BADEN-WÜRTTEMBERG mehr sicher ist. Nicht mal die historische Gesetzmäßigkeit, dass der Baden-Württem- berger sich nur von der CDU regieren lässt. Mücke auf dem Mond Normalerweise, das wissen natürlich auch die beim letzten Wahlgang 1996 Kurz vor der Landtagswahl schmilzt der Vorsprung für Schwarz- mit 25,1 Prozent abgemeierten Sozial- demokraten, können Rote und Grüne in Gelb dahin. Für die Bundes-CDU geht es um alles: ihr Stammland, Baden-Württemberg eigentlich gar nicht ihre Doppelspitze und die Abwehr eines Ampel-Testlaufs. gewinnen. Im „Lande der Zufriedenen“ („Badische Zeitung“) verbucht Teufel mit enn die Getreuen in diesen Tagen Wahl verlieren würden, wäre die CDU nur noch 5,2 Prozent Arbeitslosigkeit den von der Tragik des Erwin Teufel ganz am Ende“, malt sich Finanzminister deutschen Spitzenwert; auch im Pro-Kopf- Wsprechen, hört sich das an wie Gerhard Stratthaus düster aus. Und Walter Export hängt Baden-Württemberg jedes Hemingways „Der alte Mann und das Döring, Spitzenmann der Liberalen, wun- andere Bundesland ab. Dazu die wenigs- Meer“ auf Schwäbisch. Dann erzählen sie dert sich, warum Landesvater Teufel nun ten Insolvenzen, die meisten Patente, die von „Erwins ewigem Traum“, wenigsten Straftaten: Könn- dem Filbinger und dem Späth ten andere Landesväter mit wenigstens einmal die absolu- dieser Bilanz protzen, müss- te Mehrheit nachzumachen. ten sie normalerweise mit so Und dass er, als schon keiner breiter Brust herumlaufen, mehr daran glaubte, den dass der Platz für zehn Bun- dicken Fisch plötzlich an der desverdienstkreuze reichen Angel hatte, mit Umfragewer- würde. ten von 48 Prozent. Damals Doch was ist schon nor- im Mai 1999. mal, wenn der Gegner so Aus der Traum. Drei Wo- schwächelt wie die CDU in chen vor der Landtagswahl Bund und Land? Für die SPD in Baden-Württemberg steht kämpft im Südwesten die no- fest, dass der Ministerpräsi- torisch nette, dauernd dyna- dent den fetten Fang nicht in mische und jederzeit jugend- den sicheren Hafen retten frische Kandidatin Ute Vogt, kann. Und nicht nur das: Im 36; in Berlin pflegt derweil der Sog der Bundes-CDU ist seine Kanzler Gerhard Schröder Landespartei in den Progno- weiter das Image vom sou- sen auf 39 Prozent abgestürzt; veränen Macho. 47 Prozent der Wähler wollen Die Union bietet dagegen nach derselben Umfrage ei- im Land den rechtschaffenen nen Regierungswechsel in / ZEITENSPIEGEL SCHULTZE F. Rackerer Erwin Teufel auf, Stuttgart. Teufels Traum – für Regierungschef Teufel*: Zwanghafter Drang zur Statistik dem Worte über die Lippen die Union in Berlin verkehrt kommen wie „Bevölkerungs- er sich jetzt sogar in einen Landtagswahlen in Baden-Württemberg agglomeration“ oder „in Bäl- Alptraum. Umfrage vom 1. März 2001 de“. Und bei dem selbst die Gerade ein Prozent Vor- Ergebnis der Wahl vom 24. März 1996 größten Erfolge langweilig sprung geben die Meinungs- 41,3 in Prozent wirken, wenn er sie mit sei- forscher noch der Koalition 39 nem fast zwanghaften Drang 35 mit der FDP; das CDU- Quelle: zur Statistik auf die Mikro- Stammland im Südwesten Infratest dimap im Auftrag bengröße von „73 Schul- 25,1 der „Badischen Zeitung“ und droht damit zu fallen, die des Südwestrundfunks erweiterungsbauten in der Doppelspitze Merz/Merkel in Region Neckar-Alb“ herun- Berlin gleich mit, die Sperr- terbricht. Teufels unverzag- 12,1 minorität im Bundesrat oben- 10 te Vitalität erinnert dann an 8 9,6 9,1 drein. 5 den Udo-Jürgens-Hit „Mit Schlimmer noch: Im Länd- 66 Jahren“, Teufel allerdings le müsste die CDU dann eine CDU SPD Die Grünen FDP Republikaner ist erst 61. Ampel-Koalition fürchten – *beim Karnevalsempfang am vergangenen Dienstag in Stuttgart Im Bund aber hat die CDU die erste seit dem Bruch mit Merz/Merkel eine Dop- des Bremer Rot-Gelb-Grün-Bündnisses im schon mehrfach beteuert habe, er schlafe pelspitze, die sich eher für „Ehen vor Ge- Jahr 1995. Die Ampel aber wäre auch seelenruhig. „Wenn man wirklich ruhig richt“ empfiehlt als für das harmonie- ein Modell für die Republik nach der schläft, sagt man das dann?“ bedürftige Gemüt des baden-württember- nächsten Bundestagswahl, sollte es für So- Teufel aber schläft angeblich nicht nur gischen CDU-Stammwählers. zialdemokraten und Grüne allein nicht ganz unverdrossen gut. Am vergangenen „Die reine Personality-Show“, ärgert mehr reichen. Donnerstag, kurz nach der verheerendsten sich ein Teufel-Adlatus über die Berliner Entsprechend nervös sind die CDU-Vor- Umfrage mit satten 35 Prozent für die SPD, Eskapaden. Und selbst dem Chef, für den deren im Südwesten im 48. Regierungs- behauptete der Regierungschef sogar, er öffentliche Kritik an der eigenen Partei jahr: Von einer „Schicksalswahl“ raunt der wisse mit „einer absoluten Sicherheit, wie sonst gleich nach Landesverrat kommt, ist Bundestagsabgeordnete Georg Brunnhu- ich sie noch nie hatte, dass wir die Wahl jüngst der Kragen geplatzt. Die Bundes- ber aus dem Ostalb-Kreis. „Wenn wir die gewinnen werden“. CDU solle ihn doch bitte mit „orkanarti- 32 der spiegel 10/2001 Deutschland gem Gegenwind verschonen“, blaffte Teu- wiederholt gebetsmühlenartig, dass er die tionschef Oettinger dann eine Ampel-Re- fel – viel zu spät, viel zu wirkungslos, murr- Koalition mit der CDU fortsetzen will. gierung. Dass Döring seiner Bundespartei te es umgehend in der eigenen Landes- Das muss er vor der Wahl schon des- damit auch ohne CDU eine Machtper- regierung. Auch Teufels Fraktionschef halb sagen, weil seine bodenständige FDP- spektive nach der nächsten Bundestags- Günther Oettinger vermerkte vergangenen Klientel in Baden-Württemberg beim poli- wahl eröffnen würde, lässt die Chancen Mittwoch konsterniert: „Die notwendigen tischen Aschermittwoch in Bad Rappenau noch steigen. Und die Bedenken der Ber- und nicht notwendigen Wortmeldungen die gleichen Trachtenjanker und Strickwes- liner Grünen gegen eine zusätzliche Option aus der Bundes-CDU setzen sich fort.“ ten trägt wie die Anhängerschaft der CDU. für Kanzler Schröder könnte ihr Ultra-Rea- So kann Ute Vogt das Land mit links er- Der Wechsel zu Sozis und Ökos wäre des- lo in Stuttgart, Dieter Salomon, geflissent- obern, eine Politikerin, von der man dank halb ein Risiko für den Chef. lich überhören. der „Welt“ zwar weiß, worauf sie steht Andererseits steht Döring in dem Ruf, So oder so: Schon jetzt regt im Schwa- für Wunschdenken durchaus empfänglich benland die Ampel-Koalition die Phantasie zu sein – spätestens seit er mal auf eine an- von SPD, Grünen und FDP in heimlichen gebliche Millionenerbschaft hereingefallen Sondierungsgesprächen an. Dabei gilt auch ist, die ihm das Satiremagazin „Titanic“ ohne den Dreibund als sicher, dass bei der angeboten hatte. Selbst die Idee, den FDP- CDU Feuer unterm Dach ist, wenn Teufel Chef mit dem Amt des Ministerpräsidenten zwar die Koalition halten kann, nicht aber in einer Ampel-Koalition zu ködern und so beim Wahlergebnis die „Vier“ vorn. „Bei die CDU abzulösen, hat unter Genossen einer Drei ist Teufel weg“, vermutet ein deshalb Konjunktur. Döring, dem das Minister, dann müsse Oettinger, der ewige Gerücht nicht schlecht gefällt, bestreitet al- Kronprinz, sofort übernehmen. K. SCHÖNE / ZEITENSPIEGEL In der Bundes-CDU sind FDP-Landesvorsitzender Döring solche Planspiele – vor ei- Empfänglich für Wunschdenken nem halben Jahr noch so wahrscheinlich wie die Lan- („bleu schimmernde weiße Schuhe mit ge- dung einer Mücke auf dem kreuzten Riemen überm Spann“), aber nie Mond – längst Ausgangs- so recht, wofür. „Die Ute macht voll die punkt für Krisenszenarien Emo-Schiene“, barmt ihr CDU-Gegner aller Art. Noch halten Stefan Mappus im Wahlkreis Pforzheim, führende Unionsvertreter gesteht dem Talkshow-Wahlkampf seiner den Verlust der Neckarbas- Konkurrentin aber zu: „Das kommt an.“ tion nur für möglich, nicht „Einen ganz neuen Politikstil“, beschei- für wahrscheinlich. Doch nigt sich die Kandidatin selbst; „inhaltlich im schlimmsten Fall wird völlig beliebig“ fanden das dagegen kürz- selbst eine Demontage bei- lich sogar noch Spitzengenossen aus dem der Spitzen des Unglücks- Ländle. Doch geschadet hat ihr das Kom- duos Merz/Merkel nicht petenzmanko nicht, schon deshalb, weil ausgeschlossen. Völlig klar, das taktische Geschick der Vorsitzenden meint der CSU-Mittelständ- im Bundestags-Innenausschuss ungleich ler Hans Michelbach, dass größer ist: Zweimal behauptete sie, für nach den Landtagswahlen Ämter gar nicht antreten zu wollen. Kurz in Baden-Württemberg und danach war sie nach Kampfkandidaturen Rheinland-Pfalz am 25. März Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin. „die Karten neu gemischt Das imponiert auch dem Macht- und werden“. Macher-Kanzler: „Die ist bei ihrem ersten Selbst wenn die Wahlen Anlauf besser als ich 1985 gegen Albrecht“, für die CDU gut ausgehen, attestierte ihr Wahlhelfer Schröder ver- erwarten Parteifreunde vom gangene Woche nach einem Auftritt vor DPA Fraktionschef Friedrich Merz, 2000 beeindruckten Zuhörern in Karlsruhe. SPD-Kandidatin Vogt, Schröder*: „Ganz neuer Politikstil“ dass er öffentlich auf eine „Da ist was in Bewegung geraten.“ Kanzlerkandidatur verzich- Tatsächlich ist die Konstellation aus lerdings, dass er es selbst in die Welt gesetzt tet und sich damit als Nummer zwei hinter Sicht der Bundes-CDU so brandgefähr- haben könnte. Parteichefin Angela Merkel einreiht. lich wie selten, in ihrem Stammland droht Weit weniger verrückt ist dagegen ein Wolfgang Schäuble, vergrätzt wegen die „Ampel“. Denn die rechtsextremen „Was wäre wenn“, bei dem die FDP fast der Dilettanten-Darbietung der Unions- Republikaner