1 [65] 25. November 1968: Fraktionssitzung
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SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 25. 11. 1968 [65] 25. November 1968: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 109 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 25. November 1968«. Dauer: 11.15– 19.45 Uhr (Pause 13.15–15.15 Uhr). Anwesend: 135. Vorsitz: Schmidt. Bundesregierung: Brandt, Lauritzen, Schmid, Wehner. PStS: Arndt, Börner, Jahn. Protokoll: Schelp (11.15–13.15 und 18.45–19.45 Uhr); Maier (15.15–18.45 Uhr). Datum der Niederschrift: nicht bekannt. Sitzungsverlauf: A. Informationen B. Mitbestimmungsgesetz a) Allgemeiner Überblick (BE: H. Schmidt) b) Aufsichtsratstantiemengesetz (BE: Neemann) c) Mitbestimmungssicherungsgesetz (BE: Schellenberg) d) Betriebsverfassungsgesetz (BE: Buschfort) e) Unternehmensverfassungsgesetz (BE: Junghans) C. Nächste Termine Punkt 1 der Tagesordnung:1 Dr. Karl Mommer erkundigt sich, ob die im »Bayern-Kurier« und in der »Welt am Sonntag« aufgestellte Behauptung, es existiere ein Tonband über ein Gespräch, das Son- derbotschafter Egon Bahr in Ost-Berlin geführt haben soll, richtig sei.2 Willy Brandt erklärt, daß er der Auskunft des Regierungssprechers3 nicht vorgreifen wolle. Er habe aber den Bundeskanzler4 gebeten, den Zeitungsmeldungen nachzugehen. Nach seinem derzeitigen »Erkenntnisstand« auf Grund der Informationen von drei deutschen Ge- heimdiensten existiere kein solches Tonband, da Bahr seines Wissens nicht in Ostberlin gewesen sei. Er könne jedoch nicht ausschließen, daß es im Osten solches Material gebe, und halte es deshalb für besonders klärungsbedürftig, wer dem »Bayern-Kurier« die entsprechenden Informationen gegeben habe. Dr. Karl Mommer hält diese Klärung für sehr wichtig, da sonst das Vertrauen der Bevölkerung zur SPD verloren gehe. Willy Brandt bestätigt nochmals, daß er den Bundeskanzler gebeten habe, eine Klärung der Angelegenheit herbeizuführen, und auch er selbst (Brandt) werde das Erforderliche tun, um die Sache öffentlich einer Klärung zuzuführen. Dr. Wolfgang Stammberger fügt 1 TO liegt dem Protokoll bei. 2 In dem Artikel »Sorgen um Bahr« hatte der BAYERN-KURIER am 21. November 1968 behauptet, gegen den Staatssekretär im AA, Egon Bahr, liege belastendes westliches Geheimdienstmaterial vor. Der Autor unterstellte Bahr, in Ost-Berlin Geheimgespräche über eine mögliche Anerkennung der DDR geführt zu haben. Drei Tage später griff die WELT AM SONNTAG (»BND hat Bahr-Tonband«) die Vorwürfe auf und behauptete, der BND sei im Besitz einer Tonbandaufnahme dieses Gesprächs, das ihm ein westlicher Geheimdienst zur Verfügung gestellt habe. Vgl. hierzu auch die Dringlichkeitsan- frage des Abg. Ertl am 28. November und die Antwort von StS Carstens, BT STEN. BER. 68, S. 10705 f. 3 Der stellvertretende Regierungssprecher Conrad Ahlers dementierte auf einer Pressekonferenz am 25. November die Meldung des BAYERN-KURIER, vgl. u. a. »Gerüchte um Bahr energisch dementiert«, FAZ vom 26. November 1968. 4 Kurt Georg Kiesinger. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 25. 11. 1968 erläuternd hinzu, daß er über Material darüber verfüge, daß der BND mit der CSU zusammenarbeite. Dieses Material habe er sowohl an den Bundeskanzler als auch an Helmut Schmidt gegeben, das sich auf die Rufmordkampagne beziehe, die gegen ihn im Zusammenhang mit der »Spiegel«-Affäre geführt worden sei. Helmut Schmidt beauf- tragt den juristischen Geschäftsführer Manfred Schulte, sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Erwin Lange schneidet das Problem der Nachwahlen an.5 Hermann Schmitt-Vocken- hausen erklärt, daß der Bericht des Bundesinnenministeriums über die Wahlkreisgrenzen einschließlich der Frage der Nachwahlen noch in dieser Woche im Innenausschuß be- handelt werde.6 Hedwig Meermann weist auf eine Äußerung von Hans-Jürgen Wischnewski im »Par- lamentarisch-Politischen Pressedienst« hin7, in dem es heißt, der Wahlkampf dürfe nicht zu früh aufgenommen und werde ohne einen formellen Kanzlerkandidaten ge- führt werden, und fragt, ob das richtig sei und wenn ja, warum das jetzt schon öffent- lich verkündet werde. Helmut Schmidt erwidert darauf, daß es eines offiziellen Kanz- lerkandidaten der SPD nicht bedürfe – darüber bestehe beim Parteipräsidium Einigkeit –, weil es bei der gegenwärtigen personellen Konstellation an der Parteispitze selbstver- ständlich sei, wer der 1. Mann der SPD auch in einer Regierung sein werde. Dr. Elinor Hubert fragt nach der Richtigkeit der Pressenachrichten über die Pläne der SPD zur Reform der Krankenversicherung (Krankenscheingebühr – 5 Krankenscheine – Beitragsrückgewähr). Helmut Schmidt bittet Dr. Elinor Hubert, das Problem in der Fraktionssitzung vom 26. 11. vorzutragen, da die heutige Fraktionssitzung der Frage der Mitbestimmung gewidmet sein solle. Hans Geiger fragt, welche Rolle Altbundeskanzler Erhard bei der Diskussion der Wäh- rungssituation gespielt habe.8 Helmut Schmidt erklärt, Erhard sei in dieser Frage nicht gebraucht worden. Dr. Wendelin Enders erkundigt sich nach dem Stand der Auseinandersetzung um die Weihnachtsgratifikation der Beamten.9 Dr. Lauritz Lauritzen antwortet, daß nach den 5 Bezieht sich auf die Frage, ob die vor allem in Nordrhein-Westfalen vorgenommenen Gebietsrefor- men Änderungen der Wahlkreisgrenzen und damit Nachwahlen erforderlich machten. 6 Vgl. das Protokoll der Sitzung des Innenausschusses am 27. November 1968, TOP 4 a, PA 3114 A5/6 – Prot. 113. 7 Bezieht sich vermutlich auf ein Interview Wischnewskis von Anfang November, in dem er sich zum Thema der Kanzlerkandidatur geäußert hatte, Pressemitteilung vom 6. November 1968, AdsD, WBA, A 11.6, Mappe 9. Wischnewski hatte zudem in einem Artikel für die RHEIN-RUHR-ZEITUNG vom 20. November 1968 geschrieben, der Wahlkampf dürfe nicht zu früh einsetzen, »damit die politischen Aufgaben, die von der großen Koalition noch bewältigt werden müssen, in einer guten und fruchtba- ren Atmosphäre gelöst werden« könnten. SPD-PRESSEMITTEILUNGEN, Nr. 526/68 c vom 19. No- vember 1968. 8 Massive Devisenverluste der Bank von Frankreich in den ersten zwei Novemberwochen hatten zu Forderungen nach Aufwertung der D-Mark geführt, was die Bundesregierung jedoch ablehnte, vgl. die Stellungnahme in BULLETIN, Nr. 148 vom 22. November 1968, S. 1293. Vom 20. bis 24. Novem- ber wurde der Devisenhandel an den Börsen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und ande- ren Ländern ausgesetzt, AdG 1968, S. 14336–1 u. 2. 9 Die Bundesregierung hatte am 13. November 1968 eine Erhöhung der Beamtengehälter um durch- schnittlich fünf Prozent beschlossen. Über die Höhe des Weihnachtsgeldes für Beamte war es zu ei- nem Koalitionsstreit gekommen. Wegen der finanziellen Mehrbelastung des Bundeshaushalts sollte nur für Beamte der unteren Besoldungsgruppen das Weihnachtsgeld von 33,3 auf 40 Prozent eines Monatsgehalts erhöht werden, was bei SPD und FDP auf Kritik stieß. Am 25. November lenkte Fi- nanzminister Strauß ein und sicherte diese Erhöhung allen Beamten zu. Die Mehrausgaben von 33,4 Millionen Mark sollten aus den Personaltiteln der einzelnen Bundesressorts finanziert werden. Vgl. »Höheres Weihnachtsgeld für alle Beamten«, FAZ vom 26. November 1968. Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 25. 11. 1968 bisherigen Feststellungen der Bundesfinanzminister10 lediglich 70 Millionen DM auf- bringen könne und die noch erforderlichen 40 Millionen nicht vorhanden seien. Strauß sei aber beauftragt, nach Deckungsmöglichkeiten auch für diese fehlenden 40 Millionen im Haushalt zu suchen. Nach seinem (Lauritzens) Eindruck könne der volle Betrag für die Weihnachtsgratifikation aller Beamten im Haushalt gedeckt werden. Die generelle Erhöhung der Beamtengehälter sei dagegen erst ab 1. 6. 1969 möglich. Helmut Schmidt gibt zu bedenken, daß andernfalls nicht nur der finanzielle, sondern auch der politische Druck anderer Interessentengruppen zu groß werde. Max Seidel rügt, daß man mit den Verbandsvertretern vor der Entscheidung über die Ausnahme der höheren Gehalts- gruppen der Beamten von der Erhöhung der Weihnachtsgratifikation nicht gesprochen habe. Durch die jetzigen Maßnahmen komme die ganze Regierung in Mißkredit, die Benda und Strauß zu vertreten hätten. Willy Berkhan fragt, ob bei der für den 1. 6. 1969 vorgesehenen linearen Erhöhung der Beamtengehälter die Regelung für die Soldaten vorgezogen würde. Kurt Gscheidle stimmt den Ausführungen Max Seidels zu und stellt fest, es sei erstma- lig, daß ein Minister in dem Anhörungsverfahren mit den Verbandsvertretern eine Er- höhung angekündigt und dann nicht eingehalten habe; der Minister müsse sich dann eben vorher über die Haushaltslage informieren lassen. Gleichzeitig spricht Kurt Gscheidle der SPD-Fraktion den Dank der Deutschen Postgewerkschaft aus und versi- chert, daß die Presseerklärung der Partei zu dieser Frage in der Beamtenschaft verbreitet worden sei. Herbert Wehner fügt hinzu, daß Benda und Barzel sich in der Meinung irrten, daß die mittelfristige Finanzplanung ad absurdum geführt werde, wenn eine Deckung für die Weihnachtsgeldforderungen aller Bundesbeamten gefunden sei, da dann Erhöhun- gen auch in anderen Bereichen zu befürchten seien. Herbert Wehner äußerte die Über- zeugung, daß der Finanzminister die Mittel zusammenbringen werde; die MifriFi sei damit eingehalten und die Vorwürfe von seiten der CDU könne man sich nicht gefallen lassen. Werner Jacobi erkundigt sich nach den Gerüchten über angebliche Sonderausstattun- gen der Abgeordneten-Zimmer im Hochhaus unter Bezugnahme auf einen Artikel in der »Welt am Sonntag«.11 Dr. Karl Mommer erklärt, die Sache in der Ältestenratssit- zung zur Sprache bringen zu wollen. Er hält den Artikel für eine