Zwischen Neubeginn Und Reform: Turbulente

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Zwischen Neubeginn Und Reform: Turbulente ZWISCHEN NEUBEGINN UND REFORM: TURBULENTE POSTJAHRZEHNTE Die Deutsche Bundespost 1945–1989 it Kriegsende im Mai 1945 war auch post mit Hans Schuberth als erstem Minister der Post- und Fernmeldeverkehr für das Post- und Fernmeldewesen in der Re- Mzum Erliegen gekommen. Die wich- gierung von Konrad Adenauer. tigsten Einrichtungen lagen meistens in der Die Entwicklung im Osten folgte einer Nähe von Bahnhöfen und waren ebenso zer- eigenen Dynamik. Mit der Gründung der bombt wie die Verkehrswege insgesamt zer- Deutschen Demokratischen Republik am stört. Der Alliierte Kontrollrat mit Vertretern 7. Oktober 1949 wurde die Hauptverwaltung der vier Besatzungsmächte USA, Großbritan- Post- und Fernmeldewesen in der Deutschen nien, UdSSR und Frankreich übte die oberste Wirtschaftskommission für die sowjetische Staatsgewalt aus. In seine Zuständigkeit fiel Besatzungszone in das Ministerium für Post- auch das Post- und Fernmeldewesen. Die ers- und Fernmeldewesen umgebildet. Mit der ten Bestimmungen waren rigide: Technische Leitung der Deutschen Post wurde hier der Einrichtungen mussten eingestellt, Geräte ab- ausgewiesene Postfachmann Friedrich Bur- geliefert werden, auch Brieftauben waren als meister beauftragt. Boten untersagt. Die Besatzungsmächte ver- Im Jahr davor war in den westlichen Be- boten jede private Nachrichtenübertragung. satzungszonen die Währungsreform durch- Dabei hatten die Menschen, die nach Ange- geführt worden. Am 20. Juni 1948 stellten die hörigen, Freunden und Bekannten suchten, Postämter Schalterhallen und Mitarbeiter zur ein großes Informationsbedürfnis und waren Verfügung, damit das sogenannte „Kopfgeld“ Telegramm für Angehörige aus dem Lager Friedland, 1955 auf funktionierende Nachrichtenkanäle an- von 40 Mark möglichst schnell an möglichst Am 20. September 1945 eröffnete die britische Militärverwaltung das Lager gewiesen. Im Herbst 1945 lockerten die Mili- viele Menschen ausgegeben werden konn- Friedland, um Flüchtlinge, Vertriebene, Evakuierte und Rückwanderer zu versorgen. In den 1950er-Jahren wurde Friedland zur bedeutendsten tärverwaltungen die Restriktionen und ließen te. Im regulären Postbetrieb mussten zudem Einrichtung dieser Art und spielte vor allem für die Kriegsheimkehrer aus das Versenden von Postkarten zu, kurze Zeit alle Schalterplätze mit der neuen Währung sowjetischer Gefangenschaft eine große Rolle. Sie wurden hier betreut und später dann auch wieder Briefpost. versorgt werden, vor allem mit Münzen. konnten per Telegramm die Angehörigen über ihre Heimkehr informieren. Briten und Amerikaner einigten sich Im Postscheck- und Postsparkassendienst schließlich darauf, die Post- und Fernmel- wurden die alten Konten geschlossen und desysteme ihrer Besatzungszonen zusam- D-Mark-Konten eingerichtet. menzuführen und unter die Leitung einer Bevor die Deutsche Bundespost in der erkannt, darunter rund eine Million Spar- gemeinsamen Hauptverwaltung zu stellen. noch jungen Republik zu einem Motor des bücher von Flüchtlingen – für diese oft alles, Diese Hauptverwaltung nahm Anfang 1947 ökonomischen Aufschwungs wurde, hatte sie was ihnen geblieben war. Dem Prinzip, für ihre Arbeit in Frankfurt am Main auf und einen wertvollen Beitrag zur sozialen Integ- das Allgemeinwohl Verantwortung zu über- wurde nach dem Inkrafttreten des Grund- ration geleistet. Ehemalige Kriegsgefangene, nehmen, blieb die Post auch in den folgen- gesetzes damit beauftragt, die Geschäfte des Flüchtlinge und Vertriebene fanden hier den den Jahrzehnten treu. Bei der öffentlichen Postministeriums für das vereinigte Wirt- Einstieg in die Erwerbstätigkeit und damit Auftragsvergabe wurden Flüchtlinge aus der schaftsgebiet wahrzunehmen. Am 1. April eine berufliche Heimat. Rund 5,7 Millionen DDR und Werkstätten für Behinderte beson- 1950 entstand daraus die Deutsche Bundes- alte Postsparbücher wurden erfasst und an- ders berücksichtigt. 75 ZWISCHEN NEUBEGINN UND REFORM WALTER SPAHRBIER DIE POST IM tung überzeugt werden, denn dazu zwingen, WIRTSCHAFTSWUNDER etwa per Gesetz, konnte die Post niemanden. Er war nicht nur persönlich allgemein be- 1955 startete deshalb eine mehr als zehn Jahre kannt in Deutschland, er verhalf auch seinem In der Aufbauphase, in der die anhaltend währende Kampagne. Hauptargument war die Berufsstand – was schon kaum möglich war gute Wirtschaftslage für eine weitere Zunah- Entlastung der Zusteller. „Wir helfen unserem – zu weiterer Popularität: Der Geldbriefträger me des Briefaufkommens sorgte, wurde nach Briefträger“, „Viele Stufen, schwere Lasten“ Walter Spahrbier war der Showmaster-Sidekick Möglichkeiten gesucht, den Informations- oder „Kein Gipfelsturm der Briefträger mehr“ der 1950er- bis 1970er-Jahre in Deutschland, und Warenaustausch weiter zu beschleunigen. hießen die Slogans. streng korrekt und dafür beliebt, seit ihn Peter Der Abgangsdienst fand weitgehend dezentra- Gleich zu Beginn der 1960er-Jahre stellte Frankenfeld in Hamburg für die Fernsehshow lisiert in den sogenannten Einlieferungspost- die Bundespost der Öffentlichkeit ein neues „1:0 für Sie“ entdeckte. Da Spahrbier „ein anstalten statt, die Feinsortierung hingegen in vierstelliges numerisches Postleitzahlensystem wünschenswertes Bild des deutschen Be- der Bahnpost. Das war ein zeitraubendes Ver- vor und startete eine Werbekampagne unter amten“ vermittle, wurde er regelmäßig für fahren, und die Mitarbeiter bei der Briefsortie- dem Motto „Vergiß mein nicht – die Postleit- einige Tage freigestellt, um in Sendungen wie rung waren oft überlastet. Als Reaktion darauf zahl“. Zum ersten Mal nutzte man dabei das „Vergißmeinnicht“, „Drei mal Neun“ und „Der begann die Post ihr Betriebsverfahren syste- Fernsehen als Werbeträger. Viele Quizfragen große Preis“ mit Showmaster Wim Thoelke die „Vergiß mein nicht matisch zu rationalisieren. Die großen Post- in der von Peter Frankenfeld konzipierten und Gewinner zu verkünden. Das gediegene Flair – die Postleitzahl“, verwaltungen entwickelten zusammen mit der moderierten Spielshow „Vergißmeinnicht“ historischer Postuniformen steigerte noch seine 1960er-Jahre Industrie automatische Briefverteilanlagen. drehten sich um das Erraten von vier Ziffern Popularität, die er als erfolgreicher Spenden- Die Post fordert nicht Im Herbst 1954 erhielt das Postamt in Dort- oder einer Stadt, deren Postleitzahl dem Kan- sammler für die „Aktion Sorgenkind“ nutzte. – sie wirbt! Anfang der 1960er-Jahre warb die mund das erste serienfertige Modell, das an didaten genannt wurde. Zu seinem 75. Geburtstag wurde ihm dafür das Deutsche Bundespost ge- einem Tag durchschnittlich 575 000 Sendun- Die automatische Briefbearbeitung baute Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. mäß Postminister Stücklens gen in 100 Richtungen verteilen konnte. 1955 auf den neuen Postleitzahlen auf, und es konn- Devise bei den Bürgern um Aufmerksamkeit für nahm in Darmstadt die Fachgruppe „Automa- ten jetzt auch Hilfskräfte ohne gute geografi- Walter Spahrbier (1905−1982) war die neuen vierstelligen tisierung des Briefdienstes“ ihre Arbeit auf. sche Kenntnisse im Sortierdienst eingestellt Geldzusteller in Hamburg und Glücks- Postleitzahlen. Eine breit Auch die Bedürfnisse des Kunden rückten werden. Das war hilfreich, denn das Personal postbote in verschiedenen Shows der gefächerte Kampagne unter dem Signet kleiner in den Fokus der Aufmerksamkeit, man suchte war knapp in jenen Jahren, auch bei der Post. deutschen Fernsehgeschichte Vergissmeinnicht-Blüten nach einem zeitgemäßen Umgang. Die Klapp- Und der Werbefeldzug für die „Vierstellige“ trug zur Popularisierung und Schiebefenster an den Schaltern wichen hatte Erfolg: Schon nach einem Jahr waren der vier Zahlen bei, die 1962 eingeführt wurden. halbhohen oder geschlossenen Glasfenstern. 85 Prozent der verschickten Sendungen mit Mit der gleichnamigen Damit war der erste Schritt hin zu einer part- den korrekten Postleitzahlen beschriftet. Quiz-Sendung, die von nerschaftlichen Kommunikation vollzogen. Seit 1956 wurde nur noch einmal am Tag 1964 bis 1969 im ZDF lief, festigte sich deren Umgekehrt wurden die „Postbenutzer“ um zugestellt, doch dieser Wegfall an Dienstleis- Bekanntheit in der Bevöl- Mithilfe bei der Zustellung gebeten. Nach- tung wurde schnell ausgeglichen, nachdem kerung. dem das Bundespostministerium beschlossen die Bundespost Anfang der 1960er-Jahre ein hatte, Hausbriefkästen einzuführen, mussten funktionierendes Nachtluftpostnetz aufgebaut die Bundesbürger vom Nutzen dieser Einrich- hatte. Das Netz war sternförmig angelegt, alle 81 ZWISCHEN NEUBEGINN UND REFORM RICHARD STÜCKLEN Sendungen wurden zunächst nach Frankfurt am Main geflogen, dann an die Zielflughäfen „Ein parlamentarisches Urgestein“, so hat weitergeleitet. Durch den Anschluss an die man Bundespostminister Richard Stücklen zu Bahn- und Straßenposten erfolgte die Zustel- Recht genannt. Der geborene Mittelfranke und lung am nächsten Morgen. Damit erreichte ein diplomierte Elektroingenieur leitete nach dem Brief, der nachmittags eingeworfen wurde, be- Krieg zunächst die väterliche Schlosserei. 1949 reits am Tag darauf seinen Zielort. zog er als CSU-Mitbegründer für den Wahlkreis Mit einer enormen Steigerung des Produk- Weißenburg/Roth in den ersten Deutschen tionsvolumens war die Post zu einem maßgeb- Bundestag ein − und blieb dort für 41 Jahre. lichen Teil des deutschen Wirtschaftswunders Von 1979 bis 1983 war er Präsident des geworden. 1960 beförderte sie doppelt so viele Bundestages, wo er sein Amt „mit Bonhomie Briefe und zweieinhalbmal so viele Reisende und fränkischem Frohsinn“ führte. Stücklens wie noch zehn Jahre zuvor. Auch wickelte man
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