14. Dezember 1971: Fraktionssitzung (Tonbandtranskript)
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SPD – 06. WP Fraktionssitzung: 14. 12. 1971 (Tonbandtranskript) [81 A.] 14. Dezember 1971: Fraktionssitzung (Tonbandtranskript) AdsD, SPD-BT-Fraktion 6. WP, 6/TONS000013. Titel: »Fraktionssitzung vom 14. 12. 1971«. Aufnahmedauer: 1:34:02. Vorsitz: Schellenberg.1 Sitzungsverlauf: A. TOP 1: Politischer Bericht von Bundeskanzler Brandt: Tarifverhandlungen in der ba- den-württembergischen Metallindustrie; Paraphierung der Vereinbarungen mit der DDR zur Ausfüllung des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin; Zeitplan für die Ratifizierung der Ostverträge; Weltwährungskrise; EWG-Beitrittsverhandlungen. – Aussprache über den Bericht. B. TOP 2: Informationen (Betriebsverfassungsgesetz; Entwicklungshilfe-Steuergesetz; Prämienerhöhung bei Hausratsversicherungen). C. Vorbereitung der Plenarsitzungen: TOP 3: Tagesordnung und Ablauf der Plenarsitzun- gen. – TOP 4: Wahl des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden für den Ar- beitskreis Rechtswesen. – TOP 5: Zweite und dritte Beratung Gesetz zur Änderung der Amtsbezeichnung der Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte. – TOP 6: Große Anfragen betr. Technologiepolitik und CDU/CSU-Antrag betr. Europäische Technolo- giekonferenz. – TOP 7: Erste Beratung Rentenreformgesetz und erste Beratung Beiträ- ge-Rückzahlungsgesetz. D. Sonstiges: TOP 8: Enquete-Kommission zur Verfassungsreform (Nachfolger für den Abgeordneten Hirsch). – Verschiedenes. [A.] Schellenberg: {…} von Herbert Wehner. Er ist aus der Klinik entlassen, befindet sich noch in ambulanter Behandlung und die Pfeife schmeckt ihm schon wieder. Das Wort zum politischen Bericht hat der Bundeskanzler. (Beifall.) Brandt: Schönen Dank. Liebe Freunde, ich hatte in der letzten Woche am Dienstag gesagt, dass ich die Parteien im Tarifstreit der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nord- baden zu einem Gespräch gebeten hätte.2 Das hat dann auch stattgefunden unter einer etwas von den eigenen Absichten abweichenden Voraussetzung. Ich hab’ gehört, der »Spiegel« hat was drüber geschrieben.3 Ich hab’ keine Zeit gehabt, das zu lesen, aber nach dem, was hier darüber gesagt worden ist, weicht es weit ab von dem tatsächlichen Ablauf der Dinge. Die Abweichung von der eigenen Absicht liegt in Folgendem: Ich hatte die beiden Parteien an dem Dienstagvormittag wissen lassen, bevor sie oder eine von beiden ein definitives Nein sagten zum Vorschlag des Schlichters, bäte ich um ein Gespräch. Ergebnis war, dass über den Vorschlag des Schlichters gar nicht erst gespro- 1 Das vorliegende Fraktionsprotokoll beruht auf einer im Zuge der Editionsarbeiten veranlassten Verschriftlichung (Transkription) einer Tonaufzeichnung dieser Sitzung. Die Tonquelle wird im Ar- chiv der sozialen Demokratie aufbewahrt. Zur Durchführung der Transkription und zur textkriti- schen Aufbereitung des Protokolls vgl. auch die »Hinweise zur Edition«, online (SPD, 6. WP). 2 Zum Bericht von Bundeskanzler Brandt in der Fraktionssitzung am 7. Dezember 1971 vgl. Dok. 80 A, SVP C. 3 Vgl. den Artikel »Sauer wie es sich gehört«; »Der Spiegel«, Nr. 51 vom 13. Dezember 1971, S. 25 f. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 06. WP Fraktionssitzung: 14. 12. 1971 (Tonbandtranskript) chen worden ist, sondern dass sie sich, wenn auch in getrennten Flugzeugen, zum Be- triebsausflug nach Bonn begeben haben. Und dann haben wir allerdings die Form na- türlich gewahrt. Wir haben den Schlichter gebeten, im Kanzleramt zu bleiben. Wir haben zu Abend gegessen im Bungalow und uns unterhalten. Mein Eindruck ist auch, wenn man teils in Form der Schlichtung, teils zwischendurch im Gespräch, sich die Zeit bis zum Morgen genommen hätte, dann wär’s durch gewesen. Aber das ist jetzt, das ist Klugscheißerei hinterher. Beweisen kann ich das sowieso nicht. Jedenfalls hat dieses Gespräch, das ja, das will ich nochmals deutlich unterstreichen, keine Einmischung war und sein durfte, nicht, und die Tarifautonomie nicht antastete, es hat, wie die IG Metall ja auch freundlicherweise öffentlich festgehalten hat, den Ablauf der Dinge nicht un- günstig beeinflusst. Eine sehr schwierige Runde steht uns selbst als öffentlicher Arbeit- geber bevor. Wir haben bei dem Auftakt den Innenminister beauftragen müssen, zwar eine kurze, mehr oder weniger schöne Rede zu halten, ohne aber Ziffern zu nennen. Das kann er nicht mehr als einmal machen und wenn jetzt am 21. die zweite Zusam- menkunft in diesem kleinen vertrauten Kreis, 300 sitzen da, (Heiterkeit in der Fraktion.) ich hab’ das auch nicht für möglich gehalten, 300, wenn in diesem kleinen vertrau- ten Kreis am 21. weitergesprochen wird, dann wird man auch schon Ziffern nen- nen müssen und wir werden heute, die beteiligten Kabinettsmitglieder, mal ver- suchen abzustecken, was dann möglich ist. Wir können nicht erwarten, dass wir damit übertriebene Jubelstürme auslösen. Das wird also natürlich dann im Januar weiterge- hen. Wir haben gestern, Karl Schiller und ich, ein recht ergiebiges Gespräch mit Heinz Kühn und Gerhard Stoltenberg als Sprecher der Ministerpräsidentenkonferenz gehabt. Ich kann ein Ergebnis, einen Abschluss noch nicht mitteilen, aber doch so viel sagen, dass wir uns, dass wir im Begriff sind, uns aneinander heranzuarbeiten. Es geht dabei ja auch nicht nur um guten Willen, sondern um das, was man kann, ohne die Möglichkeit des Bundes zu überfordern. Aber die Sache ist nicht liegengelassen worden, sondern ist auf dem Wege der Klärung. Weiter hatte ich am letzten Dienstag der Fraktion gesagt, ich könne zur Paraphierung der beiden Berlin-Vereinbarungen mit keiner zeitlichen Prognose aufwarten. Das war nicht, ehrlich gesagt, die Verschleierung eines Wissens, sondern es war genau so, wie ich es gesagt habe, aber ich habe natürlich nichts dagegen gehabt, dass dann doch im Laufe der Woche die Klärung erfolgt ist, die noch ausstand, und zwar mit dem Ergebnis, dass die Berliner dann ihren Teil eine Stunde vor uns paraphiert haben – uns meine ich jetzt Bund, Ost-Berlin und DDR –, wegen der Zufahrtswege.4 Die Paraphierung beider Abkommen oder dreier, wenn man den Gebietsaustausch, den kleinen, noch separat nimmt, die Paraphierung ist natürlich erst erfolgt, nachdem die drei Botschafter der Westmächte uns hatten wissen lassen, dass sie diese Ausfüllungsvereinbarungen ihren Regierungen positiv unterbreiten würden. Inzwischen liegt von den drei Regierungen die Zustimmung vor, die Feststellung, dass es sich hier um die korrekte Ausfüllung des Vier-Mächte-Abkommens vom 3. September handelt, und dies wiederum ist die Voraus- setzung für die Unterschrift, die nun, was uns angeht, in dieser Woche in Bonn erfolgen wird. Ich brauch’ mich bei den Texten jetzt nicht aufzuhalten. Es liegt eine Sonder- nummer des Bulletins vor, in dem die Texte voll veröffentlicht sind, und ich verweise 4 Zur Paraphierung der ergänzenden Vereinbarungen zum Vier-Mächte-Abkommen über Berlin (Transitabkommen, Regelung des Reise- und Besucherverkehrs, Enklaven/Gebietsaustausch) am 11. Dezember 1971 vgl. auch AAPD 1971, Dok. 428 und 432. Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 06. WP Fraktionssitzung: 14. 12. 1971 (Tonbandtranskript) auf diese Veröffentlichung.5 Wir haben es für richtig gehalten, dass morgen dem Bundestag, wenn auch in aller Kürze, durch Egon Franke eine Erläuterung gege- ben wird sowie Walter Scheel, der Außenminister, zu ein paar aktuellen Dingen, zu denen ich gleich auch ein paar Sätze sage, sich äußern wird.6 Es ist nicht gut denk- bar, dass der Bundestag in die Ferien geht, ohne dass dies ihm in gehöriger Form zur Kenntnis gebracht wird. Allerdings waren wir davon ausgegangen, dass es wenig Sinn ergibt, daran eine große außenpolitische Debatte anzuhängen. Die CDU hatte ja selbst angeregt, ihre Große Anfrage zurückzustellen, sodass wir, wann immer das sein wird, Anfang Februar, hoffe ich, Ratifizierungsgesetze, Lage der Nation, statt erste Woche nach der Pause, und Große Anfrage der CDU und indirekt einbezogen, wenn auch nicht zustimmungsbedürftig, die Berlin-Abkommen, dass dies also Anfang Februar dann insgesamt vom Bundestag zu behandeln ist und, soweit die Ratifizie- rungsgesetze in Betracht kommen, dem Ausschuss oder den Ausschüssen überwiesen wird.7 Ich will, was die Ratifizierung angeht, sagen, die Texte liegen vor jetzt [mit] der Be- gründung in beiden Fällen, Begründung der Bundesregierung, was den Vertrag mit der Sowjetunion angeht, auch einige nicht unwesentliche Interpretationen zu Fragen, die umstritten gewesen sind oder es noch sind. Die Zuleitung ist in aller Form gestern er- folgt. So wird geltend gemacht, eine Sechs-Wochen-Frist könne nicht an der Tatsache, oder das Berechnen einer Sechs-Wochen-Frist auf den Bundesrat bezogen, könne nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass jetzt Weihnachten und Neujahr vor der Tür stehen. Ich will in diesem Zusammenhang klarmachen, dass die Regierung nicht die Absicht hat, irgendeinen ungebührlichen Zeitdruck, sei es dort oder dort, auszuüben. Nur, mei- ne Erfahrung ist, dass man über die Feiertage besser dazu kommt, Texte zu lesen, als wenn keine Feiertage sind. Es würde mich wundern, wenn das bei Länderchefs anders wäre als bei uns hier im Bundestag und in der Bundesregierung. Außerdem ist es so, die frühere Drei-Wochen-Zuleitungsfrist ist durch diese Bundesregierung einvernehmlich in eine Sechs-Wochen-Frist umgewandelt worden. Da hat der Bundesrat 20 Jahre lang sich drum bemüht – ich auch mal als Präsident des Bunderats – bei anderen Regierun- gen ohne Erfolg. Diese Regierung hat die Sechs-Wochen-Frist eingeräumt. Wir wollen auch nicht stur buchstäblich auf ihr bestehen. Das lässt sich ein bisschen elastisch gestal- ten. Nur wir dürfen nicht